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GERHART von SCHULZE-GAEVERNITZ
Nochmals "Marx oder Kant?" (1)
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"Durch die Einführung des Begriffs der gesellschaftlich notwendigen Arbeitszeit sucht Marx zu einem allgemeingültigen Wertmaßstab zu gelangen. Schade nur, daß dieser Maßstab gerade als Maßstab versagt. Es fehlt jeder Anhalt, gelernte und geistige Arbeit als ein vielfaches der Durchschnittsarbeit einzuschätzen. Wer möchte schon die Arbeit eines Maschinenbeaufsichtigers in die eines Handarbeiters umrechnen?"

"Und es herrscht der Erde Gott, das Geld", Geld - eine bestimmte Form der Weltbetrachtung. Diese Art der Weltbetrachtung - wirtschaftliche Wertung - hat kein Gebiet getrennt von den übrigen ... sie ergreift schrittweise die gesamte Außenwelt, soweit sie als Mittel für alle möglichen Zweck der Lebenspraxis anerkannt wird. Und der Grad dieser Anerkennung wird mathematisch formuliert und dadurch mit allen übrigen Wertschätzungen vergleichbar. Damit wird die Versachlichung der Sache auf die Spitze getrieben, die Kluft zwischen Mensch und Sache befestigt."

"Alle Politik ist entweder utilitarisch oder idealistisch. Die utilitarisch Politik bezweckt entweder die Lust Aller: Größtes Glück der größten Menge, oder die Lust des Einzigen, der sich ohne Rücksicht auf die andern bejaht. Die idealistische Politik bezweckt entweder die Verwirklichung des überempirischen Wertes im Einzelnen: Autonomie, oder sie verlegt den Wert in die Gemeinschaft: Staat, soziales oder nationales Ganzes."

"Der Arbeiter verlangt mehr als Kritik: losgelöst von der überlieferten Kirchenlehre, bedarf er eines neuen, mit der ganzen Kraft seines ungebrochenen Wesens zu bejahenden Glaubens - eines Glaubens in Übereinstimmung mit bester Philosophie und geläutertem Christentum."

IV. MARXens nationalökonomische Leistung steht nur in mittelbarer Beziehung zu der Frage "Marx oder Kant?" Unbestritten ist MARX der große Wirtschaftshistoriker - groß seiner Geschichtstheorie zum Trotz. Als Historker erfaßt MARX das leibhaftige Dort und Damals statt des farblosen Allgemeinbegriffs, wie seine Theorie es verlangt hätte. MARX entdeckt jenes einmalige Geschichtsgebilde, das wir seit ihm als "Kapitalismus" zu benennen gewohnt sind. Er schreibt die Entstehungsgeschichte dieses Kapitalismus - nichts anderes doch wohl als die Geschichte des britischen Baumwollkapitalismus. Ein großer "Schauer", reiht er mit zwingender Gewalt Ursache an Ursache: Befreiung von Feudallast und Zunftzwang; Untergang des Bauern; Umsetzung mittelalterlichen Handels- und Wucherkapitals in Industriekapital; Erweiterung des Marktes durch die neue Welt; Erfindung der Maschine; Warencharakter des Produktes; Weltherrschaft des Kapitals, das den gewohnheitsmäßigen Handwerksgesellen der Vorzeit zum Proletarier herabdrückt, das aber zugleich durch die Fabrikgesetzgebng die Wiedergeburt des Arbeiters vorbereitet. Keiner hat vor MARX die Eigenart des modernen Kapitalismus schärfer umrissen - die Eigenart doch wohl des ersten unorganisierten Industriekapitalismus, der noch von Kartellen nichts weiß. Keiner hat vor ihm den Idealtypus des Kapitalisten reinlicher gezeichnet - den Typus des isolierten "Fanatikers der Verwertung":
    "Die ökonomische Charaktermaske des Kapitalisten hängt nur dadurch an einem Menschen fest, daß sein Geld fortwährend als Kapital funktioniert."

    "Es gilt ihm sein Privatkonsum als ein Raub an der Akkumulation seines Kapitals, wie in der italienischen Buchhaltung Privatausgaben auf der Debitseite des Kapitalisten gegen das Kapital figurieren." (1)
Noch fehlt der volkswirtschaftliche Beamte und der willenlose Aktionär, noch der monopolistische Magnat, die heute den älteren Typus zurückdrängen.

MARX geht über den historischen Materialismus weit hinaus, wenn er der greifbaren Einzelerscheinung folgt und dem gestorbenen Leben neues Leben aus glühender Seele einhaucht. Aber seine Theorie leistet ihm wesentliche Dienste zur Auffindung des bis dahin vernachlässigten wirtschaftlichen Kausalstrangs (2). Der historische Materialismus bewährt sich als "heuristisches Prinzip" weit über das Gebiet der Wirtschaftsgeschichte hinaus, und in dieser Hinsicht wirkt MARX bahnbrechend. "Alle Religionsgeschichte, die von dieser materiellen Basis abstrahiert, ist unkritisch." Gut! Aber auch alle Wirtschaftsgeschichte, die vom religiösen (politischen usw.) Faktor abstrahiert, ist unkritisch. Diesem Fehler verfallen MARX und mehr noch seine Epigonen.

Bestrittener ist MARXens wirtschaftstheoretische Leistung. Ich möchte nicht so weit gehen wie ANTON MENGER, der MARX für einen bloßen Nachbeter THOMPSONs erklärt, oder gar wie SOMBART, nach dessen Meinung MARX auf diesem Gebiet "herzlich wenig" übrig bleibt (3).

Auch ist der Gedanke einer Ausbeutung des besitzlosen Arbeiters durch den Besitzer des Werkzeugs uralt und bei ADAM SMITH wie bei SAINT-SIMON zu einem deutlichen Ausdruck gebracht. Und auch THOMPSON hat bereits die Wert- und Lohnlehre RICARDOs diesem Ausbeutungsgedanken dienstbar gemacht. Der Wertzuwachs, den der bearbeitete Stoff durch die Produktion erfährt, rührt bei THOMPSON allein von der Arbeit her: "von der fleißigen Hand, nicht vom Spaten"; dieser Wertzuwachs wird vom Kapitalisten, als dem Eigentümer der Produktionsmittel, dem Arbeiter vorenthalten; nur soviel wird als "Lohn" belassen, wie zur "Erhaltung gewerbsfleißer Menschen" erforderlich ist (4).

MARX hat diesen Gedanken im Anschluß an THOMPSON verfeinert. Durch die Einführung des Begriffs der "gesellschaftlich notwendigen Arbeitszeit" sucht MARX zu einem allgemeingültigen Wertmaßstab zu gelangen (5). Schade nur, daß dieser Maßstab gerade als Maßstab versagt. Es fehlt jeder Anhalt, gelernte und geistige Arbeit als ein vielfaches der Durchschnittsarbeit einzuschätzen. "Wer möchte den Meißelschlag Donatellos berechnen?" (RUSKIN) Wer möchte schon die Arbeit eines Maschinenbeaufsichtigers in die eines Handarbeiters umrechnen?

MARX hat die Gedankenwelt des englischen Sozialismus hineingebettet in den historischen Materialismus Frankreichs. Er hat zwei so entgegengesetzte Geister wie SAINT-SIMON und RICARDO in ihren Abkömmlingen vermählt. Für MARX ist der Mehrwert der Siegespreis, um den aller Klassenkampf, also alle Geschichte, sich dreht. Im Kampf zwischen Bourgeoisie und Proletariat steigt die Geschichte ihrem Gipfelpunkt entgegen: der Abschaffung des Mehrwerts.

Bekanntlich ist der objektive "Arbeitswert" der Engländer von den deutschen Nationalökonomen unter Anknüpfung an KANT schon zu Beginn des 19. Jahrhunderts bekämpft worden. Schrittweise steigt eine subjektive Werttheorie von HUFELAND und LOTZ über GOSSEN zu den Österreichern auf. Echt kantischen Gepräges sind die Einwände HUFELANDs gegen ADAM SMITH:
    "Es ist keine tote Materie, was den Kreis der Güter und ihrer Verhältnisse ausfüllt; auch diese Sphäre belebt nur der Geist des Menschen".
Nach LOTZ ist es der menschliche Geist, welcher die Dinge zu Gütern erhebt. Diese Gedankenentwicklung, welche von Seiten der Mathematik her (BERNOULLI, EULER, LAPLACE) gefördert wurde, führt zu dem Satz GOSSENs, den die Österreicher ausgebaut haben:
    "Mit der Vermehrung der Menge der Atome eines Genußmittels muß der Wert jedes neu hinzukommenden Atoms fortwährend eine Abnahme erleiden." (6)
Will man KANT mit dieser Entwicklung in Verbindung bringen, so denke man nicht in erster Linie an die oft angeführte Stelle aus KANTs "Metaphysische Anfangsgründe der Rechtslehre" (7). Entscheidend ist vielmehr jene Grundanschauung KANTs, wie sie neuerdings von SIMMEL herausgearbeitet worden ist: KANTs Philosophie hat ihren Angelpunkt im Formbegriff. Es gibt einige wenige "weltbildende Formen", durch welche wir uns des Daseins bemächtigen, das sich in seiner Unmittelbarkeit gegen unsere Besitzergreifung weigert. Wir betrachten denselben Inhalt bald als erkennende, bald als fühlende, bald als handelnde Wesen.

Als handelnde Menschen betrachten wir die äußere Natur als Mittel für die Befriedigung unserer Zwecke. Das Maß, in dem wir einen Gegenstand zur Befriedigung dieser Zwecke für geeignet halten, heißt Wert. Zunächst unterscheidet der Mensch noch wenig zwischen sich und den Dingen. "Das Ich verschwimmt mit den Bildern der Dinge." Jeder Wertungsakt ist ein höchst persönlicher, einzigartiger und gefühlsmäßiger Vorgang. Er ist abhängig von Ort, Zeit und Eigenart des schätzenden Ich, wie des geschätzten Gutes. Der Wert von A heute und hier ist schlechthin unvergleichbar mit dem Wert von 2 A oder von A morgen oder dort. Später zieht sich das Ich aus den Dingen zurück: die Dinge werden versachlicht. Der Wertungsakt wird vom Gefühl dem Verstand zugeschoben: "rationalisiert". Er wird innerhalb der "Bewertungsgesellschaft" verallgemeinert: anstelle des "Gegenstandswertes" tritt der "Vermittlungswert". Wie der erkennende Mensch die äußere Natur durch die Mechanik mathematisch zu bewältigen sucht, so sucht der handelnde Mensch die Außenwelt buchhalterisch einzufangen, wobei durch die Vermittlung der Technik das erste Verfahren das Anwendungsgebiet des zweiten ausdehnt. "Und es herrscht der Erde Gott, das Geld", Geld - nicht ein Stück geprägtes Edelmetalls, sondern eine bestimmte Form der Weltbetrachtung. Diese Art der Weltbetrachtung - "wirtschaftliche" Wertung - hat kein Gebiet getrennt von den übrigen, den mehr gefühlsmäßigen Wertschätzungen des menschlichen Lebens; sie ergreift schrittweise die gesamte Außenwelt, soweit sie als Mittel für alle möglichen Zweck der Lebenspraxis anerkannt wird. Und der Grad dieser Anerkennung wird mathematisch formuliert und dadurch mit allen übrigen Wertschätzungen vergleichbar. Damit wird die Versachlichung der Sache auf die Spitze getrieben, die Kluft zwischen Mensch und Sache befestigt. "Alle Dinge haben einen Preis" - nur nicht der wertsetzende Mensch, dessen Wert in keine Vermögensbilanz eingeht. (8) So mündet diese ganze Betrachtungsweise in den Grundgedanken des deutschen Idealismus: Herrschaft des Geistes über den Stoff durch allgemeinverbindliche, letzthin mathematische Form.

Betrachten wir MARX als einen Abkömmling der objektiven Wertlehre Englands, KANT als einen Stammvater der subjektiven Wertlehre Deutschlands, so besteht auch in dieser Hinsicht der Gegensatz: "Marx oder Kant?" Jedoch ist dieser Gegensatz dadurch gemildert, daß MARX bereits dem subjektiven Faktor weithin Rechnung getragen hat. Arbeit, welche keinem gesellschaftlichen Bedürfnis entspricht, ist "vergeudet" und kommt als Wertmaßstab nicht in Betracht. Unter Umständen also stellt eine Ware auf dem Markt eine viel geringere Menge von Arbeit dar, als tatsächlich darauf verwandt worden ist. Wenn DIETZEL erklärt, daß die Klassiker den Wert beliebig reproduzierbarer Güter auf "Nützlichkeit und Arbeitsaufwand" zurückgeführt haben, so gilt dieser Satz auch vom "Klassiker" MARX (9). Ferner hat MARX im dritten Band des "Kapitals" dem Angebot und der Nachfrage weitgehenden Einfluß auf die Bildung des Marktpreises zugestanden. Bekanntlich verknüpft MARX diesen Marktpreis mit dem Mehrwert auf dem Umweg über den "Kostpreis", "Durchschnittsprofit", Produktionspreis" und "Marktwert". Aber dieser Marktwert bestimmt den tatsächlichen Marktpreis nur dort, wo die auf dem Markt befindliche Masse der Ware dem gesellschaftlichen Bedürfnis entspricht. Wenn also MARX im dritten Band des "Kapitals" eine Verschmelzung der Arbeitstheorie mit subjektivistischen Gesichtspunkten versucht hat, so bewegt er sich in der Richtung, welche die spätere Wissenschaft eingeschlagen hat - DIETZEL, die Österreicher, die von ihm verachtete "Vulgärökonomie" (10).

Endlich: trotz des Sieges der subjektiven Wertlehre lebt im Begriff der volkswirtschaftlichen "Produktivität" die marxistische Wertlehre unter uns fort. Sie lebt fort, wo immer man die menschliche Arbeit als einen besonderen Faktor tierischen und mechanischen Arbeitsmitteln gegenüberstellt und das Gesamterzeugnis mit der Menge der angewandten Arbeit vergleicht. Man denke an DIETZELs sogenannte "nationale Dividende". Man denke an das "Sparprinzip", welches keineswegs eine absolute Vermehrung des Produktes fordert, vielmehr die Vermehrung des Produkts im Vergleich zur angewandten Arbeit.

Diese Betrachtungsweise - die Grundlage des ganzen Marxismus - ist keineswegs eine Selbstverständlichkeit. Warum das landwirtschaftliche Erzeugnis nicht auf die mitwirkenden Viehhäupter, das gewerbliche Erzeugnis nicht auf die mechanischen "Pferdekräfte" zurückführen? MARX sagt selbst: "Das Tier war früher der Gehilfe des Menschen." (11) Der Sklavenhalter der Südstaaten schätzte das Maultier höher als den Afrikaner.

Die produktive Mitwirkung des Werkzeugs bei der Gütererzeugung hat RICARDO ausdrücklich anerkannt. Bei der "Arbeit, welche in den Werkzeugen enthalten ist" (12), denke man vor allem an die ungeheuren Beträge geistiger Arbeit, welche in Maschinen und technischen Methoden gespeichert sind. Hinter dem Arbeiter stehen an der Maschine als unsichtbare Arbeitsgenossen unzählige Geschlechter der Vorzeit. Trotz des gewaltigen Mehrerzeugnisses, das durch die Zuhilfenahme der Maschine erzielt wird, ist die Arbeit an der Maschine zwar eine andere geworden als die des Handarbeiter, aber gewiß nicht immer eine schwerere. Sicherlich wird die Arbeit nicht in dem Maße schwerer, als das Erzeugnis wächst. Man vergleiche die Weberin am mechanischen Webstuhl mit dem gewiß härter fronenden Handweber. Hier ist das Mehrerzeugnis sicher kein Verdienst der "lebendigen" Arbeit.

Die Anrechnung des Mehrerzeugnisses auf das Gesamtkapital, wie sie der Kapitalist vornimmt (m/c+v), ist also kein Problem oder gar ein "Rechenfehler". Problematisch vielmehr ist jener Vergleich, welcher das Mehrerzeugnis ausschließlich der mitwirkenden Arbeit gegenüberstellt (m/v)! Trotzdem haben wir diese Betrachtungsweise weithin zu der unsrigen gemacht. Wir verwerfen die rein privatwirschaftliche Rentabilitätsberechnung insbesondere dort, wo sie die Verwendung massenhafter, niedrig entlohnter Handarbeit anstelle der Maschine empfiehlt. In einem solchen Fall reden wir mit MARX von "Vergeudung". Wir heben damit den Menschen aus der Natur - über Tier und Werkzeug - heraus. Wie aber diesen uns höchst geläufigen, der Vorzeit fremden Gedanken weltanschauungsmäßig untermauern? Wenn nicht durch die Begriffswelt unserer christlichen Vorzeit, dann allein durch KANTs Primat der praktischen Vernunft. Insofern enthält MARXens Lehre vom Mehrwert bereits ein gutes Stück "Kant in Marx".

Fassen wir zusammen: der Wirtschaftsmensch stempelt die Außenwelt zum Mittel, indem er sie wertet - bucht. Hiergegen erhebt sich derjenige Teil der Außenwelt, welcher als "Lohn" gebucht wird. Er behauptet, "Mensch" zu sein, also - Selbstzweck. Mit dem Ich ringt das Du um Anerkennung. Dies ist der innerste Sinn des Streits zwischen der subjektiven Wertlehre und der Lehre vom Mehrwert.

V. Sozialistische Politik. In einer seiner frühesten Schriften sagt MARX: Auf die praktischen Versuche der Kommunisten kann man mit Kanonen antworten; aber Ideen, an welche der Verstand unser Gewissen geschmiedet hat, das sind "Dämonen", welche der Mensch nur besiegen kann, indem er sich ihnen unterwirft". "Die theoretische Ausführung der kommunistischen Ideen bildet die eigentliche Gefahr" (13) - Gefahr doch wohl für MARXens Gegner? In der Tat: MARX ist Ethiker, ist Politiker von Grund auf. Jenes Wort enthüllt den innersten Nerv seiner Lebensarbeit. Von politischem Wollen ist jedes seiner Werke durchglüht, bis erst der dritte Band des "Kapitals", das Werk des Alters, zur "reinen Theorie" aufsteigt oder - herabsinkt. Der jüngere MARX würde die Feder nicht angerührt haben, hätte es nicht gegolten, eine Welt aus den Angeln zu heben. Gerade in der verhaltenen Leidenschaft liegt die Stärke dieser Theorie, wie die Stärke einer Dampfkraft in der Höhe ihrer Spannung. Die Lehre vom Mehrwert vermochte "Berge zu versetzen", wogegen die Lehre vom Grenznutzen zwar interessiert, aber nicht fortreißt. Der historische Materialismus erklärt die Idee der unveräußerlichen Menschenrechte für das "idealisierte Reich der Bourgeoisie" - und doch wirtschaftet der Sozialismus eines MARX und ENGELS allüberall mit dieser im Grund liberalen Forderung. Von hier aus wird MARX, der Ausleger, zum Ankläger des Kapitalismus und erhebt sich nicht selten zu großartigem Pathos. (14)

Aber darin liegt MARXens Schwäche, daß seine Ethik unausgesprochen und darum widerspruchsvoll ist. In dieser Hinsicht ist ihm, wie TUGAN-BARANOWSKI mit Recht hervorhebt, ein SAINT-SIMON weit überlegen - von FICHTE und RODBERTUS gar nicht zu reden. Jene älteren Sozialisten messen das Bestehende an einem offen ausgesprochenen Gerechtigkeitsideal. Nur deswegen konnte MARX auf die Ausarbeitung dieses Ideals verzichten, weil er es als Vermächtnis von seinen Vorgängern fertig übernommen hat. Aber die Vermengung von Sein und Wert, wie sie MARX vornimmt, schädigt nicht nur die Wissenschaft vom Sein, sondern auch die Politik als die Verwirklichung der Werte. Die Lehre eines MARX hat das schlummernde Proletariat aufgepeitscht; aber sie lähmt die Kraft der zur Mittagshöhe aufstrebenden Arbeiterschaft.

Drei Grundpfeiler des Marxismus gilt es zu stürzen, um das Feld einer Politik des Aufbaus zu ebnen - hierzu bedarf es eines größeren Riesen als des Riesen MARX. Es bedarf des bescheidenen Rokokomagisters, den schon eine erschreckte Mitwelt den "Alleszermalmer" genannt hat. Mit Thors Hammer hat KANT allen Dogmatismus zertrümmert - auch den von MARX.

1. Der Monismus hindert MARX am Ausbau der "Wertwissenschaften", der Erkenntnistheorie wie der Ethik. Weil MARX keine wissenschaftlich geklärte Ethik besitzt, so schwankt seine allenthalben versteckte Ethik zwischen genetischer und kritischer Fragestellung.

Auf die genetische Fragestellung geben Aufstellungen wie folgende eine Antwort: Nächstenliebe sei aus Selbstliebe abzuleiten, die Blüte des aufgeklärten Egoismus (BENTHAM). Oder: Die Moralvorschriften und politischen Programme sind Niederschläge der ökonomischen Verhältnisse (MARX). Oder: Die Rücksicht auf das Wohl der Verbandsgenossen findet sich bei allen gesellig lebenden Tieren, Selbstaufopferung ist nicht minder ursprünglich als Selbsterhaltung (HERBERT SPENCER). Möglich, vielleicht wahrscheinlich! Ist aber damit die Verbindlichkeit auch nur eines Sollsatzes nachgewiesen? Nachgewiesen dem "Modernen", dem "ganz Freien", der die Kette der Überlieferung gesprengt hat? Gegenüber der kausalen Erklärung erscheinen alle Sollsätze der Politik als gleich wertvoll und gleich wertlos, weil gleich notwendig: das Programm des Sozialismus [19jh/briefs] nicht anders, wie das seiner erbittertsten Gegner. Nach ENGELS steht heute nebeneinander eine dreifache Moral, die christlich-feudale, die bürgerliche, die proletarisch. Welches ist die wahre? "Die in der Gegenwart der Umwälzung der Gegenwart, die Zukunft, vertritt". Ist das zeitlich spätere immer das bessere? Als ob es, um mit meinem alten Freund CARLYLE zu reden, nicht "einen Fortschritt zum Teufel" geben könnte (15).

MARXens Monismus wurzelt tief im hegelschen Grund. Als echter Hegelianer beabsichtigt MARX nichts anderes, als das unentrinnbare Muß der gesellschaftlichen Umwälzung in das menschliche Bewußtsein zu erheben. Dem Proletarier ist sein Ziel wie seine Aktion "unwiderruflich vorgezeichnet" - aber er wird sich erst durch MARX dieses seines Fatums [Schicksals - wp] bewußt, welches er wollen muß, an welchem alles gegnerische Wollen machtlos zerschellt (16). MARXens Monismus leugnet KANTs erkenntnistheoretischen Dualismus zwischen der Wahrheit als Idee und dem beschränkt menschlichen Wahrheitsstreben. Für MARX ist das Welträtsel grundsätzlich gelöst. Das menschliche Denken erfaßt das unendliche Sein - das Sein nicht nur der Vergangenheit und der Gegenwart, sondern auch das der Zukunft.

An dieser Zukunftswissenschaft berauschte sich, was unter dem ersten Ansturm des Kapitalismus hoffnungslos zusammenbrach: Niedergehende Handwerker und Hausindustrielle, elendes Fabrikproletariat, großstädtischer Bodensatz. Wie bequem, dem ehernen Muß der Geschichte zu vertrauen, wenn man zu schwach ist, selber die Brücke zu schlagen vom armen Heute zum besseren Morgen! aber diese Zukunftswissenschaft lähmt die Tatkraft des handelnden Menschen. Weswegen sich bemühen, als etwa durch die bequeme Abgabe eines Stimmzettels? Weswegen eine Erhöhung der Gewerkschaftsbeiträge?

Der handelnde Mensch bedarf des kantischen Dualismus zwischen Sein und Soll. Er mißt die Zustände am Ideal und entnimmt hieraus die Pflicht der "Verbesserung" des Seins in der Richtung auf das Soll. Die "unverbrüchliche" Kausalität schreckt ihn keineswegs; sie ist seit KANT nur die eine Betrachtungsweise, durch welche der erkennende Mensch die Irrationalität des Seins zwar bekämpft und zurückdrängt, aber nicht überwindet. Demgegenüber ist "Freiheit" die notwendige Selbstbeurteilung des handelnden Menschen - Freiheit nicht im Sinne der Willkür, sondern der Normgemäßheit. Insofern ist "Freiheit" die Voraussetzung auch des erkennenden Menschen: rein kausal betrachtet sind wahres und falsches Denken gleich notwendig, und trotzdem ist diese Notwendigkeit "kein Entschuldigungsgrund" für den Irrtum. Und das Sein zu erfassen, soll der Mensch logisch denken. Da er es - leider - nicht immer tut, so beherrscht der kantische Dualismus auch das Gebiet der Erkenntnis.

In diesem Sinne war es ein entscheidender Schritt - der Schritt von MARX zu KANT - als BERNSTEIN die Lehre von der kommenden Gesellschaft für ein "Idealbild", "ein Stück Jenseits" erklärte - etwas, was nicht ist, aber was sein soll, "ein gewolltes Ziel, für dessen Verwirklichung gekämpft wird". In der Tat: ohne "Ideologie" hört jede Reformtätigkeit auf. Aber diese Ideologie ist unvereinbar mit MARXens Monismus (17).

Dagegen ist auf KANTs dualistischem Boden ein "wissenschaftlicher Sozialismus" sehr wohl möglich: eine Summe politischer Sollsätze, welche auf das soziale Ideal gerichtet, aber zugleich durch kausal-empirische Wissenschaft als durchführbar erkannt sind. Ein "wissenschaftliches" Programm fordert keine Unmöglichkeiten, z. B. die Verstaatlichung des ländlichen Kleinbetriebes im heutigen Deutschland. Ein wissenschaftliches Programm steht in seinen Bedingungen und Folgen nicht im Widerspruch mit andern, ebenfalls anerkannten Zielsetzungen, z. B. dem nationalen Ideal. Mehr KANT!

2. Infolge des monistischen Grundgedankens fehlt bei MARX die Klarheit der letzten politischen Zielsetzung, und doch ist das Endziel gerade der Punkt, an dem politische Programme sich grundsätzlich unterscheiden. Die letzte Scheidung fragt: Ist ein empirisches Endziel gesetzt: Lust, Nutzen, oder steht ein überempirisches Endziel fest: Wert, Ideal? Alle Politik ist entweder utilitarisch oder idealistisch. Die utilitarisch Politik bezweckt entweder die Lust Aller: "Größtes Glück der größten Menge", oder die Lust des "Einzigen", der sich ohne Rücksicht auf die andern bejaht. Die idealistische Politik bezweckt entweder die Verwirklichung des überempirischen Wertes im Einzelnen: "Autonomie", oder sie verlegt den Wert in die Gemeinschaft: Staat, soziales oder nationales Ganzes. Es ergeben sich damit vier Richtungen aller Politik, welche durch die Namen BENTHAM und STIRNER, KANT und HEGEL (18) bezeichnet werden. Diese Scheidung scheint mir die grundsätzliche, wogegen DIETZELs Schema die entgegengesetzten politischen Denker, KANT und BENTHAM, als "Individualisten" zusammenfaßt (19).

Die utilitarische Politik steht im Bund mit der naturalistischen Weltanschauung: Lust und Schmerz gelten als die "natürlichen" Beweggründe aller Lebewesen. Die idealistische Politik dagegen setzt eine Weltanschauung voraus, welche den Menschen aus der Natur heraushebt und ihn einem übernatürlichen "Reich der Zwecke" einordnet. Von den Sozialisten gehören die Franzosen und Engländer der ersten Richtung, FICHTE und RODBERTUS der zweiten an. Die Philosophie des RODBERTUS "reicht bis zu Gott hinauf". (20)

Von seiner naturalistischen Grundlage aus hat MARX jene breitgepflasterte Straße eingeschlagen, auf welcher der Karren BENTHAMs behähig einherrollt. Überwiegend hat MARX doch wohl "das größte Glück der größten Menge" als letztes Ziel der sozialistischen Politik vorausgesetzt und ist insofern dem Utilitarismus zuzuzählen. Diese Zielsetzung lag umso näher, als THOMPSON, MARXens unmittelbarster Vorläufer, der Freund und Schüler BENTHAMs gewesen war. THOMPSON zieht das Glück zweier Menschen dem von einem vor, weil Zwei "die größere Zahl" ist als Eins (21) - die größere, auch die bessere?

Dieser vielbeschrittene Weg endet in einer Sackgasse: Alle Menschen haben den gleichen Anspruch auf Genuß! Dieses allgemeine Menschenrecht ist die letzte politische Norm. "Alles was Menschenantlitz trägt", fordert sein Recht. Gewiß - auch die afrikanischen Sklaven! Auch die Menschenaffen mit ihrem doch menschenähnlichen Antlitz? Diese Frage liegt umso näher, als DARWIN die Grenze zwischen dem homo sapiens und den "Primaten" verflüssigt hat. Scharf genug sind zudem unsere Vettern vom vierfüßigen Gelichter geschieden: im Innersten Afrikas, auf dem Tiermarkt von Port Florence kostet nach der Mitteilung von FRITZ DUQUESNE in Frys Magazine ein Löwe 400 - 700 Mark, ein Elephant 1500 - 3500 Mark, ein guter Gorill ist mit 50 000 Mark nicht überzahlt. Warum schließen wir, engherzig genug, diese "wertvollen" Herren - wertvoller gewiß als die schwarze Menschenware - aus der Zahl der Glücksanwärter aus? Weshalb beschränken wir dann das Glück nicht gleich auf die Weißen, die Herrenmenschen, die Reichen, oder auf die Sozialisten, die Gewerkschaftsaristokraten?

Hebt man den "Menschen" als solchen aus der Natur heraus, so setzt das eine idealistische Weltanschauung voraus, deren letztes Ziel überhaupt nicht der Genuß sein kann. In der Tat - dieser Weg geht aus vom religiösen Hochgebirge der Vorzeit: Jeder Mensch ist Träger eines besonderen Wertes als der Tempel einer ewigkeitsverwandten Seele. Dieser Weg verläuft sich im naturalistischen Flachland: Der Mensch ist ein Naturding und damit ein Mittel für die Zwecke des Ich, das sich bejaht auf Kosten des Andern. Wer "die Lust des Ich" zur letzten politischen Norm ausruft, der mag die Bestie im Menschen zum Raub und zur Zerstörung entfesseln. Nimmermehr wird er menschliche Atome auf die Dauer für eine gemeinsame Sache zusammenbinden, deren Dienst das Opfer an persönlichem Genuß, ja unter Umständen das Opfer des Lebens erfordert. Folgerichtige Politik treibt dann der Menschenfresser - auch der Streikbrecher. Der goldbeladene Esel erobert dann jede Festung - auch die Burg der Gewerkschaft - vergleiche amerikanische Beispiele.

Noch besitzt die deutsche Arbeiterbewegung ein gutes Erbteil an Idealismus - ein Guthaben, das in der Kleinarbeit des Tages verausgabt wird. Will sie für seine Erneuerung sorgen, so kann sie die Sparpfennige nicht mehr aus MARXens Schriften zusammenlesen, nachdem sie über die bloße Proteststimmung hinausgewachsen ist. Keine idealistische Politik ohne idealistische Weltanschauung! KANTs Verdienst aber ist es, uns von "dem schwankenden Kalkül einer bloßen Glückseligkeitstheorie" befreit zu haben. "Wahrer Enthusiasmus geht nur auf das Idealische und kann auf Eigennutz nicht gepfropft werden." (22) Mehr KANT!

3. Am meisten aber steht dem politischen Fortschritt der Arbeiterklasse MARXens Katastrophismus im Weg, welcher ebenso tief in der Dialektik HEGELs wurzelt, wie in den Verhältnissen des Frühproletariats, die MARXens Jugend umgeben haben. Das eherne Muß der Geschichte vollzieht sich durch eine Steigerung der Gegensätze, die, aufs Höchste gespannt, in ihr Gegenteil umschlagen. Also, praktisch gesprochen: Je schlimmer, desto besser! Die Arbeiter verelenden; das Kapital sammelt sich in immer weniger Händen, bis eines schönen Tages die Enteigner von den Eigentumslosen enteignet werden. Bekanntlich hat der spätere MARX die Verelendungstheorie abgeschwächt. Aber noch am 20. Juni 1865 entwickelte MARX im Generalrat der Internationale als Ergebnis langjähriger Untersuchungen,
    "daß gerade die Entwicklung der modernen Industrie allmählich die Waage zugunsten der Kapitalisten gegen die Arbeiter senken muß, und daß folglich die allgemeine Tendenz der kapitalistischen Produktion nicht dahin geht, den durchschnittlichen Normallohn zu heben, sondern ihn zu senken, d. h. den Wert der Arbeit mehr oder weniger auf seine Minimalgrenze zu drücken." (23)
Noch in der Kritik des Gothaer Programms, 1875 erklärte MARX:
    "In dem Maße, wie die Arbeit sich gesellschaftlich entwickelt und dadurch Quelle von Reichtum und Kultur wird, entwickeln sich Armut und Verwahrlosung auf Seiten des Arbeiters, Reichtum und Kultur auf Seiten des Nicht-Arbeiters."
Daher die Hoffnung eines plötzlichen fabelhaften "Umschlags". Selbst ein VOLLMAR erklärte noch 1893, die Partei werde 1898 an der Herrschaft sein, von BEBELs Prophezeiungen ganz zu schweigen (24). In diesen eschatologischen [endzeitlichen - wp] Stimmungen spiegelt sich die ganze Ohnmacht der sogenannten "stärksten Partei". Ein witziger Ausländer sagte nicht ohne Grund: "Der Abgeordnete Bebel ist in Deutschland einflußloser als irgendein Straßenpolizist."

HEGELs Dialektik leidet an der Vermischung von logischem Gegensatz und historischer Stufe (25). Sein und Nichts, Wahr und Falsch sind Gegensätze, die sich ausschließen; Kunst und Religion, auch Kapital und Proletariat dagegen sind keine logischen Gegensätze, nicht einmal historische Stufen, sondern parallel gehende Kulturgebilde, welche in Wechselwirkung stehen und in dieser Wechselwirkung nur empirisch erfaßt werden können.

HEGELs Dialektik scheitert an KANTs Irrationalismus, der alles praktische Leben, also auch alle "praktische" Politik, trägt: Handeln wäre unmöglich bei völliger Gewißheit über den Erfolg unseres Tuns. Der Verstand beleuchtet nur einen kleinen Ausschnitt des uns umgähnenden Dunkels, ein Lichtlein im Chaos. Schrittweise vordringend, erhellen wir die Zukunft; wir benutzen die Kerze, um unseren Weg weislich zu wählen und den Kopf nicht an Felsblöcken einzurennen. Bald nach recht, bald nach links hin ausweichend, scheinen wir abzuirren. Aber fest stehen uns die Ziele, ewig anzunähern, niemals voll erreichbar - über allem Dunkel des Diesseits Leitsterne aus einer besseren Welt. Auch ist unser Vormarsch nicht hoffnungslos. Zwar ist es auf dieser armen Erde unmöglich, das Ideal voll zu verwirklichen, aber es ist doch möglich, über das Heute hinaus ihm beträchtlich näher zu kommen. "Noch ist die Menschheit jung." (KANT) Noch nicht reif, an den Ausbau des Vernunftstaates heranzutreten, ist sie stets reif genug, dieses Heute in der Richtung auf das Morgen zu bessern. Aber diesen Fortschritt besorgt für uns kein geschichtliches Gesetz; er bleibt ungetan ohne pflichtmäßige Arbeit - Arbeit des Einzelnen an der Stelle, zu welcher er und kein anderer berufen ist. Daher Wertschätzung auch der schwachen Kraft, soweit sie sich dem vorwärtsstürmenden Heer der Menschheit einordnet. Daher Wertschätzung der Kleinarbeit des Tages und die prüfende Auswahl des jeweils meistversprechenden Mittels.

Anders Marx: Des dialektischen Umschlags als des einen "großen Mittels" der Zukunft sicher, unterschätzte MARX die "kleinen Mittel", welche für die Gegenwart allein in Betracht kommen. Er unterließ es, die Frage abzuwägen: Bis zu welcher Grenze ist der Sozialismus, d. h. praktisch gesprochen doch wohl die staatliche Regulierung, letzthin die Verstaatlichung der Gütererzeugung, ein geeignetes Mittel der Menschheitskultur? Zweifellos ist ein sozialistischer Gesellschaftsaufbau denkbar, wie SCHÄFFLE mit Recht ausführt und das australische Beispiel weithin belegt. Ist er - bis auf das Letzte durchgeführt - auch wünschenswert? An die Spitze des sozialistischen Ganzen stellen die SAINT-SIMONisten ihre "hommes généraux" [ quasi-Beamte - wp], welche einem jeden diejenige Arbeit zuweisen, die seiner Begabung und den Interessen der Gesellschaft am meisten entspricht (26) - entspricht nach dem autoritativen Gutdünken der Beamten. Was wird aus dem Erfinder oder Dichter, deren Arbeit den Zeitgenossen "ungeeignet" erscheint, aber nach hundert Jahren Nachfrage findet? Ist darüber hinaus auch der Güterverbrauch - kommunistisch - zu regeln? Ist Ikaria unser Vorbild, die Reichshauptstadt in CABETs Zukunftsland Ikarien mit seinem Wunder der Symmetrie, die sogar der Fluß in einer geometrischen Geraden durchströmt? Um alle Ungleichheit im Keim zu ersticken, setzt ein besonderer Ausschuß Schnitt und Farbe der Kleidung fest. Alle Kleidung wird in staatlichen Fabriken hergestellt und fertig an die Einwohner verteilt. Aber nicht alle Leute sind gleich gebaut. CABET weiß Hilfe: aus elastischen Stoffen wird eine Art dehnbare Gummiwäsche hergestellt. Die nicht zu beseitigenden Unterschiede der Menschen werden durch die Kleidung zum obligatorischen Ausdruck gebracht: Geschlecht, Alter, Beschäftigung. Auch das Alter? Wir fürchten weiblichen Einspruch, nicht nur bürgerlichen, sondern auch proletarischen (27).

Gegenüber solchen Übertreibungen drängt sich die Frage auf: innerhalb welcher Grenzen ist der freie Wettbewerb und die wirtschaftliche Selbstverantwortlichkeit - also der Liberalismus - auch heute noch ein Mittel des Fortschritts? Ist auch die Presse zu verstaatlichen? Gerade der Sozialismus bedient sich gerne der liberalen Pressefreiheit. Zwar nennt MARX gelegentlich den Kampf die "Triebkraft der Entwicklung", aber es fehlt bei MARX jede Erörterung der Frage: Sind Liberalismus und Sozialismus überhaupt Gegensätze? Gehen sie doch nicht so sehr im Endziel, als hinsichtlich der Mittel auseinander, welche sie zur Erreichung des bald utilitarisch, bald idealistisch gefaßten Endzieles empfehlen. Ist eine weise Mischung dieser Mittel möglich und wünschenswert? Sozialliberalismus? Endlich: überschätzen nicht beide, Sozialisten wie Liberale, die wirtschaftlichen Mächte auf Kosten der pädagogischen? Einem KANT und seinem Zeitalter stand "Erziehung" im Vordergrund des menschlichen Fortschritts. Auf alle diese Fragen gibt MARXens Katastophismus keine Antwort.

Daher mußte die deutsche Arbeiterbewegung in dem Maß, wie sie zu praktischem Handeln erstarkte, die richtige Praxis Schritt für Schritt der falschen Theorie aberobern. Der Marxismus erschwerte ihre parlamentarischen wie ihre gewerkschaftlichen Anfänge.

Mehr als vom Parlament erhoffte MARX sich von der Vergewaltigung der Volksvertreter durch hauptstädtische Volksmassen. Seine Anhänger ließen sich ursprünglich in das Parlament wählen "zum Protest" und saßen in parlamentarischen Kommissionen "zur Beobachtung" (28).

Für MARX beschränken sich die Gewerkschaften auf einen "Guerillakrieg" gegen das Bestehend und verfehlen dadurch ihre Wirkung. Noch heute werden in den Kreisen marxistischer Rechtgläubigkeit die Mißerfolge der Gewerkschaften mit Vorliebe gebucht. Arm an greifbaren Ergebnissen, bereiten die Gewerkschaften nach KAUTSKY den einen großen Schlag vor, den politischen Generalstreik (29), unter welchem Namen heute das alte Gespenst aus HEGELs Dialektik umgeht. Wie sehr dieser echt marxistische Katastrophismus die Gewerkschaftsbewegung hemmt, beklagte die Generalkommission der Gewerkschaften Deutschlands:
    "Mit der Methode, die Kautsky anwendet, gewinnt man die noch unorganisierten Massen für die gewerkschaftliche Organisation nicht. Alle seine Argumente über die Aussichtslosigkeit der gewerkschaftlichen Aktion sind Argumente für die Gelben und Indifferenten." (30)
Noch in den neunziger Jahren war die Meinung weit verbreitet, wie sie BEBEL wiederholt ausgesprochen hat: die Gewerkschaften hätten ihren Höhepunkt erreicht und könnten gegenüber den Syndikaten wenig mehr ausrichten. Seitdem ist die Macht der Arbeiter als Konsumenten mächtig gewachsen und hat die lokale Geschäftswelt in ihre Kreis gezogen. Die öffentliche Meinung drückt vielfach zugunsten der Arbeiter. Welchen gewerkschaftlichen Rückhalt könnten die Genossenschaften bieten, ruft BERNSTEIN, wenn sie bis zu einem Jahresverzehr der Arbeiterfamilie an Dividende aufspeichern!

Nach dem Parlamentarismus und Gewerkschaftswesen anerkannt sind, ist es hauptsächlich kleinbürgerlicher Anti-Militarismus, abgelebtes Manchestertum [Freihandelsschule - wp], welches heute die deutsche Sozialdemokratie von der bürgerlichen Welt unterscheidet. Wird man der werbenden Kraft des Flottengedankens aus die Dauer entgehen? Nicht nur Deutschlands Zukunft, auch Deutschlands Gegenwart liegt auf dem Wasser. Wird man sich auf die Dauer der Einsicht verschließen können, daß der Aufstieg des deutschen Arbeiters einer breiten kolonialen Basis bedarf? MARX selbst rechtfertigte jene Eroberung, durch welche die Vereinigten Staaten "den faulen Mexikanern das herrliche Kalifornien" entrissen haben. Welches andere Interesse in Deutschland würde durch einen unglücklichen Krieg - schon durch eine Blockade - so sehr geschädigt werden, als gerade die Arbeiterbewegung? Früher oder später muß für Gewerkschaftler der Satz sonnenklar werden, daß in dieser armen Welt ein ehrlicher Friedenszustand waffengerüstete Mächte voraussetzt, die sich gegenseitig achten, weil fürchten. Denn täglich macht der Gewerkschaftler die Erfahrung, daß Verträge zwischen Starken und Schwachen zur sogenannten "Löwengesellschaft" ausarten, bei welcher der einen Seite aller Vorteil, der anderen aller Nachteil zufällt. Schüchterne Stimmen werden laut, welche die Vorherrschaft der auswärtigen Politik über die innere bekennen.
    "Was erstrebt das deutsche Volk, wie begreift es seine Stellung unter den Nachbarn, wie erträumt es seine Zukunft im Verhältnis zu ihnen? Für England ließe sich da fast eine genaue Antwort geben; unter uns Deutschen erscheint schon die Frage wunderlich. Den Staatk kann nur leiten, wer lernt, für das Ganzes des Volkes in seinem allgemeinsten, also besonders aus den Beziehungen mit den Nachbarn wird der Franzose niemals wie der Deutsche als bloßes Schauspiel, bei dem er zum Schluß ethisch zu zischen oder Beifall zu klatschen hat, ansehen; er erhebt immer die Frage des verantwortlichen Sachwalters seiner Nation: Was nützt, was schadet uns?" (31)
Aber wie rückständig man in auswärtigen Fragen auch heute noch sein mag: im Innern siegt die Kleinarbeit des Tages auf der vollen Linie. Der Aufstieg des deutschen Kapitalismus führt schrittweise auch den deutschen Arbeiter aufwärts. Wirtschaftliche Erfolge verdichten sich allmählich zu politischem Einfluß, dessen Besitz zu opportunistischer Verwertung einlädt. "In der Welt der Realitäten geht es nun einmal nicht ohne Kompromisse ab." (32) "Kein einziger Fortschritt ist das Werk der Arbeiterklasse allein. Wieviel sie erreicht, hängt davon ab, wieviel bürgerliche Stimmen sich mit den ihrigen vereinigen." "Praktische" Fragen gegenüber beschäftigt das Bekenntnis die Köpfe nicht mehr. MARX wird zum Heiligen, dessen Schrein sich nur am Feiertag auftut.

Umso größer ist die Gefahr der Verflachung zu stumpfer Alltäglichkeit. Jeder, der im Gewerkschaftsleben steht, kennt diese Geschäftsmäßigkeit. Nach dem Sturm und Drang der Jugend steht der deutsche Arbeiter heute vor der Aufgabe des zum Manne reifenden Jünglings, in "ein bestimmtes tätiges Leben" zu treten, "ohne die idealisierende Kraft dabei einzubüßen". (33) Hier kann ihm MARX einen letzten entscheidenden Dienst leisten, indem er Führer wird - vorwärts zu KANT, vorwärts mit KANT über KANT hinaus.

MARXens Größe ist das Unmarxistische in Marx. Nur oberflächlich vom Sand westeuropäischer Aufklärung bedeckt, ruhen in ihm die gewaltigsten Baublöcke des besten deutschen Idealismus. Heute handelt es sich darum, des Flugsandes Herr zu werden und jene Trümmer der Vorzeit an das Tageslicht zu fördern. Mit ihnen gilt es, auf dem Felsengrund des letzten Wertes jenen größeren Sankt Petrus zur errichten, der ihnen allen Unterkunft bietet: "Juden und Judengenossen". MARXens unvergängliches Verdienst aber ist es, zu dieser Arbeit die jugendlichen Titanen aufgerufen zu haben, deren Namen einem KANT und FICHTE noch unbekannt waren: Großkapital und Arbeiterschaft.

VI. Kant in Marx. Ich möchte nicht mißverstanden werden. Nicht darauf kommt es mir an, MARX und KANT zu "versöhnen", nachdem ich mich bemüht habe, ein scharfes "Marx oder Kant" durchzuführen. Vielmehr stehen die Grundgedanken eines MARX in unversöhnlichem Gegensatz nicht nur zu KANT, sondern zur gesamten Philosophie des deutschen Idealismus. Ich rechne hierzu: MARXens Wertnihilismus, MARXens philosophischen und historischen Materialismus, ferner auf ethisch-politischem Gebiet: MARXens Monismus, MARXens Utilitarismus, MARXens Katastrophismus. Erst nachdem der Marxismus durch KANT gründlich beseitigt ist, bleiben gewisse gedankliche Restbestände, welche MARX als Erbteil seines Zeitalters unbesehen übernommen hat. MARX war das Kind einer Zeit, die dem klassischen Zeitalter deutschen Denkens noch sehr nahe gestanden ist. Es handelt sich hierbei entweder um gewisse erkenntnistheoretische Voraussetzungen, die für MARX Selbstverständlichkeiten waren, die aber gewiß nicht selbstverständlich sind (Punkt 1 und 2 des Folgenden), oder es handelt sich um gewisse kulturphilosophische Nebengedanken, die im Widerspruch zur "wertneutralen" Theorie stehen, die aber im Menschen MARX mächtig waren und in seinen Schriften immer wieder zum Durchbruch kommen (Punkt 3-6 des Folgenden). Entgleisungen für den Theoretiker - sind diese Gedanken einer Arbeiterschaft an das Herz gewachsen, welche mit MARX-Verehrung sogar die SCHILLER-Verehrung vereinigt. Es ist von großer volkspädagogischer Bedeutung, diese idealistischen Bestandteile aus MARX herauszuschälen. Der deutsche Arbeiter ist durch MARXens Schule gegangen. Er entwächst dieser Schule. Jetzt verlangt er zu wissen: Was bleibt mir von MARX, um mit MARX über MARX hinauszukommen? Wir mögen den Theoretiker befriedigen, wenn wir uns damit begnügen, den Marxismus zu "zersetzen". Aber wir würden uns dem Vorwurf aussetzen, dem Arbeiter Steine statt Brot zu reichen. Der Arbeiter verlangt mehr als Kritik: losgelöst von der überlieferten Kirchenlehre, bedarf er eines neuen, mit der ganzen Kraft seines ungebrochenen Wesens zu bejahenden Glaubens - eines Glaubens in Übereinstimmung mit bester Philosophie und geläutertem Christentum.

1. Die Wissenschaft ist für MARX kein beliebiger Spaziergang der Gedanken hierhin oder dorthin, sondern ein zweckvolles und nicht aussichtsloses Fortschreiten auf vorgezeichnetem Weg. MARX unterscheidet richtige und falsche Methoden. MARX glaubt an die Methode und den Wahrheitsgehalt der durch NEWTON begründeten Naturwissenschaft. Dieser Glaube ist so stark, daß MARX die Ergebnisse der Naturwissenschaft als feststehend von der "Ideologie" abzweigt, welche mit dem ökonomischen Untergrund fortgewälzt wird. Nicht minder glaubt MARX daran, die Wissenschaft von der menschlichen Gesellschaft durch seine eigene Methode zum Wahrheitswert emporgehoben zu haben. Spricht MARX von bürgerlicher und proletarischer Wissenschaft, so will er damit falsche und wahre Wissenschaft entgegensetzen.

Diese Feststellung ist wichtig gegenüber relativistischen Anklängen bei MARX selbst, wichtiger noch gegenüber dem Relativismus der Epigonen. So leugnet SOMBART, daß die "Menschheitswissenschaft" überhaupt Fortschritte machen kann: Eine Anzahl höchst persönlicher Werke stehen in ihr nebeneinander; gleich wahr und gleich falsch, fallen sie professoraler Haarspalterei zum Opfer, bis wieder ein "Großer" von Neuem anfängt, dem ein anderer Spaziergang der Gedanken behagt (34). Dieser Gedanke liegtr in der Richtung alter und neuer Sophistik: Du machst dich an die Gedanken wie an die Dinge, um sie Dir mundgerecht zu machen: Urteile sind "Material wie Kraut und Rüben"; wenn sie Dir recht sind, so sind sie für dich - Wahrheit (STIRNER). Wahr ist das Bonmot, das heute gefällt; gut das Gericht, das heute dem Gaumen schmeichelt (OSCAR WILDE). Der Weise verjagt die trockene Wahrheit aus dem Bett und macht die schimmernde Laune zur Lagergenossin (EDWARD FITZGERALD). Einem KANT ist die Wahrheit Treugeliebte und Königin. Auch MARX geht von "Voraussetzungen" aus, an welchen er die Gedanken mißt, ob wahr oder falsch - hierin echter Kantianer. In HEGELs Dialektik verehrt MARX den logischen Wert. Auch für MARX gilt das Wort STIRNERs: "Solange du an die Wahrheit glaubst, bist du - ein religiöser Mensch." (35)

1. Unter diesen logischen Werten steht für KANT wie für MARX die Kausalität als die Norm aller Seinswissenschaft voran. MARX wie KANT sind Gegner jener "faulen Teleologie", welche durch ein Hinneinmischen von praktischen Werten die Erkenntnis des Seins verfälscht. Auch für MARX steht dieser Grundsatz fest, welchen er freilich, mangels scharf geschliffener Erkenntnistheorie, im Einzelnen öfters durchbricht. Für MARX ist die Nationalökonomie keine Sammlung von Rezepten, sondern reine Seinswissenschaft, die nichts anderes zu tun hat, als Kausalzusammenhänge festzustellen - sei es historisch schildernd, sei es theoretisch verallgemeinernd.

Über diesen gemeinsamen Ausgangspunkt hinaus erstrecken KANT wie MARX die naturwissenschaftliche Bearbeitung auf die geistige Erscheinungswelt, also auch auf die menschliche Gesellschaft. Psychologie ist für KANT der zweite Teil der Naturwissenschaft. Unerfindlich, wie SOMBART naturwissenschaftliches und psychologisches Verfahren in einen Gegensatz bringen kann; ist doch die Psychologie heute eine experimentierende Naturwissenschaft wie jede andere (36). Für MARX ist der historische Materialismus der Versuch, das Gesellschaftswesen naturwissenschaftlich zu bearbeiten. Mag dieser Versuch abgelehnt werden, darin ist MARX zuzustimmen, daß eine Naturwissenschaft des Gesellschaftslebens grundsätzlich gefordert werden darf. Soziologie, Sozialpsychologie? Nicht minder erlaubt ist es, aus dem Gesamtgebiet der sozialen Erscheinungen nach Wertgesichtspunkten das Kulturleben oder einen einzelnen Zweig desselben, z. B. das künstlerische, das wirtschaftliche Leben, auszuwählen und diesen dann psychologisch - also naturwissenschaftlich - zu behandeln. In ähnlicher Weise besitzt die Biologie ein teleologisch abgestecktes Arbeitsgebiet, das sie mechanistisch zu beherrschen bestrebt ist. Es bleibt dahingestellt, inwieweit eine solche "Wirtschaftspsychologie" Ähnlichkeit mit irgendeiner bisher vorhandenen Nationalökonomie aufweist - jedenfalls nicht mit der von MARX. MARXens "Kapital" behauptet, Naturwissenschaftg zu bieten und bietet überwiegend doch - Wirtschaftsgeschichte.

3. Über den theoretischen Wert hinaus glaubt MARX an ein Etwas, für das unser Leben ein Werkzeug ist. Er opfert diesem Etwas, seinem Beruf, ein Leben beispielloser Arbeit. "Arbeitsunfähigkeit ist das Todesurteil für jeden Menschen, der kein Vieh ist." (37) Bemißt sich der Wert eines Lebens nach der Menge der in ihm geleisteten Arbeit, so steht MARX unter den Ersten.

Welchem Wert aber dient dieser ungeheure Kraftaufwand? Unausgesprochen doch wohl dem Persönlichkeitsgedanken des deutschen Idealismus, welcher in MARX durch die junghegelsche Schule fortlebt. Trotz der "Ausrottung des Weltzwecks" rettet DAVID FRIEDRICH STRAUSS aus dem Zusammenbruch des Christentums das Humanitätsideal. FEUERBACH verpflichtet zur "Menschenliebe" - eine höchst paradoxe Forderung gegenüber der natürlichen Sympathie und Antipathie, die wir gegenüber einzelnen Wandergenossen empfinden. "Der Gott, den du anbetest, bis du selbst in deinen höchsten Stunden." In diesem Satz FEUERBACHs ist trotz aller Anthropologie der überempirische Wert deutlich genug zum Ausdruck gebracht. Die Naturwissenschaft kennt keine "höheren" und "niederen" Stunden. Mit Recht wendet STIRNER ein: Der Mensch hat Gott getötet, um selbst Gott in der Höhe zu werden. (38)

Im klassischen Persönlichkeitsideal wurzelt MARX nicht weniger tief als im kapitalistisch-proletarischen Zeitalter. Ein Japaner hat die scharfsinnige Frage aufgeworfen, ob der Import des europäischen Kapitalismus ohne Europas Persönlichkeitsgedanken imstande sein wird, in Japan eine sozialistische Bewegung nach europäischem Muster auszulösen. (39)

Um die Persönlichkeit zu retten, empört sich MARX gegen die Herrschaft des Geldes und der Sachgüter. Er verteidigt den "Menschen" vor des Menschen eigenem Gebilde: dem Kapital. Er protestiert gegen "Fachidiotismus", die Folge der Arbeitsteilung und des Maschinenwesens. Er verteidigt die Persönlichkeit des Angestellten und Arbeiters gegen die Selbstherrlichkeit feudaler und kapitalistischer Magnaten. In diesem Glutkopf glüht KANTs erhabener Gedanke der "Menschenwürde". Dieser Gedanke bringt die Lava in Fluß, die mit seinem Erkalten zu Stein erstarrt. Was erstrebt die ganze moderne Sozialpolitik anders, als dem Kapitalismus Zügel anzulegen zugunsten des Persönlichkeitsideals? Der "Industrie-Untertan" werde "Industrie-Bürger". (40)

4. Im Anschluß an unsere klassische Philosophie überwölbt MARX die Persönlichkeit durch die Gemeinschaft. Dem sozialen Ganzen verleiht er einen besonderen Wert, dem der Einzelne untergeordnet, ja - mit HEGEL - geopfert wird. MARX hat den Anarchismus - die Selbstgenügsamkeit des Einzelnen - leidenschaftlich bekämpft. Er hat das liberale Wirtschaftssystem des Anarchismus beschuldigt. ENGELS spricht - echt hegelianisch - von einem "lumpigen Individuum". Für MARX ist der Mensch "Gemeinwesen" (41). Aus dem Dunkel der "Vorgeschichte" steigt die Gesellschaft zu "höheren Formen" empor. Das lebende Geschlecht ist "Nutznießer" der Erde, die es "verbessert" den Nachfahren zu hinterlassen hat. Dieser Gedanke ist nichts anderes als der Menschheitsgedanke unserer Klassiker. Er ist auf dem Boden einer naturalistischen Weltanschauung sinnwidrig; er wurzelt tief hinunter bis in die Reich-Gottes-Lehre der Vorzeit und reift bei MARX zur Idee des Zukunftsstaates empor. Unter diesem Gesichtspunkt bezeichnete ich in meiner Rektoratsrede 1908 die vielbespöttelte Idee des Zukunftsstaates als den wertvollsten Teil der ganzen Doktrin - jenen Teil, in dem die KANT und FICHTE unmittelbar fortleben. Kann man "das Reich der Freiheit" den "Verein freier Menschen" nach MARX (42) besser beschreiben als mit den Worten KANTs vom weltbürgerlichen Zustand, in dem die Freiheit des Einen nur durch die Zusammenstimmung mit der Freiheit aller andern eingeschränkt ist, in dem Niemand Vorteile genießt, damit die andern umso mehr darben müssen?

Ohne weiteres lassen sich von MARXens Zukunftsstaat aus die Fäden ziehen zur Nation FICHTEs - der Nation, die für FICHTE nicht ein naturhaft gegebenes, sondern ein "zu bildendes" Kulturgut bedeutet. Trotz allem Internationalismus hat MARX den deutschen Arbeitern in erster Linie die welthistorische Aufgabe gesetzt, die FICHTE mit folgenden Worten beschreibt:
    "Von den Deutschen aus soll dargestellt werden ein wahrhaftes Reich des Rechts, wie es noch nie in der Welt erschienen ist, in all der Begeisterung für Freiheit des Bürgers, die wir in der alten Welt erblicken, ohne Aufopferung der Mehrzahl der Menschen als Sklaven, ohne welche die alten Staaten nicht bestehen konnten - von den Deutschen, die seit Jahrtausenden für diesen großen Zweck da sind und ihm langsam entgegenreifen; ein anderes Element ist für diese Entwicklung in der Menschheit nicht da." (43)
MARX hat die Herrschaft der deutschen Wissenschaft über Engländer und Franzosen für "sehr nützlich, ja für unentbehrlich" erklärt. MARX hat die Ansprüche der österreichischen Slawen scharf zurückgewiesen; er hat einer Verdeutschung dieser Volkssplitter das Wort geredet, während er an die Zukunft der Balkanslawen glaubte. Insofern wurde MARX von BAKUNIN nicht ganz zu Unrecht des "Pangermanismus" beschuldigt (44).

In der Tat, nicht Franzosen, nicht Engländer - die deutschen Arbeiter waren es, welche MARXens Lehre aufnahmen. Sie waren es, die - MARX in der Hand - die internationale Arbeiterbewegung weithin mit deutschem Wesen beeinflußten. Jugendkräftig treten die deutschen Gewerkschaften heute an die Spitze des Gewerkschaftsheeres - die meisten internationalen Gewerkschaftssekretariate haben in Deutschland ihren Sitz - während die altberühmte britischen Vorbilder gemach verknöchern. Von letzteren sagt KAUTSKY übertreibend, aber nicht ganz zu Unrecht:
    "Die Emanzipation ihrer Klasse erscheint ihnen als ein törichter Traum, dagegen sind Fußball, Boxen, Pferderennen, Wetten Angelegenheiten, die sie auf das Tiefste erregen, ihre ganze freie Zeit, ihre Geisteskraft, ihre materiellen Mittel in Anspruch nehmen."
Es hat den Anschein, als ob die britischen Gewerkschaften durch die beabsichtigte Beschränkung der Arbeitsleistung den Industriekapitalismus ihres Landes heute in manchen Fällen lähmen.

Sollte das Gefühl ihrer besonderen Berufung zum sozialen Aufstieg die deutschen Arbeiter nicht eifersüchtig machen auf die Breite und Unangefochtenheit der deutschen Weltstellung? Sind sie als die bodenständigen von dieser Grundlage doch abhängiger als das bewegliche Kapital. Sollte sich ihr Auge nicht öffnen lassen für die außerordentlichen Gefahren, welche ihre Grundlage heute von außen bedrohen und welche mit frommen Friedenswünschen nicht zu bannen sind? Nur langsam ringen sich solche Einsichten aus der Verbitterung empor, die das Ausnahmegesetz hinterlassen hat. Man vergleiche etwa folgendes Zwiegespräch (Ausgang 1908):

Parvus: "Wie die kapitalistische Bourgeoisie bestrebt ist, die Nation zu einigen, um die Nation miteinander zu verfeinden, so sind wir umgekehrt bestrebt, die Nation zu teilen, um das Proletariat in ganz Europa zu einigen."

Hué: "Daß wir bestrebt sind, die Nation zu teilen, ist eine Privatansicht, die wir für unseren Teil entschieden ablehnen. Die Sozialdemokratie hat vielmehr stets die Nationalität als einen berechtigten Faktor im Leben der Völker, als einen Kulturfaktor anerkannt. Wir wollen die Solidarität innerhalb der Nation herbeiführen."

Auch hier spricht BERNSTEIN das Schlußwort:
    "Wo wichtige Interessen der Nation in Frage stehen, kann die Internationalität kein Grund schwächlicher Nachgiebigkeit gegenüber den Prätensionen [Anmaßungen - wp] ausländischer Interessenten sein." (45)
5. Indem MARX an Wahrheit, Persönlichkeit und Vernunftstaat festhält - an Werten, denen wir nicht hoffnunglos dienen - teilt er den Fortschrittsgedanken der deutschen Klassiker. Es verschlägt nichts, daß MARX bei "Fortschritt" zunächst an den technischen Fortschritt denkt. Der technische Fortschritt ist ihm ans Herz gewachsen, weil er knechtische Fronden mildert, Arbeitszeiten verkürzt, "das Reich der Freien" vorbereitet, kurz: menschliche Werte fördert.

"Däo hat die Arbeit der Mädchen den Nymphen befohlen". [... laßt uns der Gaben arbeitslos uns freuen, welche die Göttin uns schenkt. - altgriech. Gedicht über Arbeitsteilung]

Aber der Begriff des "Fortschritts" ist sinnwidrig auf dem Gebiet der wertneutralen Natur. Naturwissenschaftlich betrachtet ist jeder sogenannte Fortschritt eine Veränderung in der Lage des Stoffes, nicht wertvoller als irgendeine frühere Anordnung der ewig gleichbleibenden Masse. Geistiges Leben - Atombewegung; Natur - ewiger Kreislauf. Wiederkehr des Gleichen! Der Begriff des Fortschritts verlangt einen Wert, dem gewisse Vorgänge sich "schrittweise" nähern - das Ziel, "nach welchem die Leute ausschauen von ferne" (Hiob 36, 25). Die Verwirklichung des Fortschritts verlangt jene Macht, welche trotz aller Erfahrung den Sieg des Guten im Weltlauf verbürgt. Der Glaube an den Fortschritt ist Religion.

Durch MARX lebt der Fortschrittsgedanke in der deutschen Arbeiterbewegung. Weltanschauungsmäßig aber ringt er sich nur mühsam zur Herrschaft unter dem Wust aufgezwungener und darum abgelehnter Kirchenlehre. Hören wir einen sozialdemokratischen Arbeiter:
    "In religiöser Hinsicht steht die Majorität des sozialistischen Industrieproletariats der Religion und Kirche völlig indifferent gegenüber. Ein großer Prozentsatz der von diesem Schlaf Erwachten bekennt sich zum Atheismus. Daß diese Art Gottesleugnung eine Schule ist, durch die fast jeder ernsthaft Suchende hindurchgeht, ist keineswegs eine nur sozialdemokratische Erscheinung. Daß aber so viele aus diesem Labyrinth der Negation den Weg nicht mehr ins Freie finden und dem Minotaurus Pessimismus zum Opfer fallen, daran ist schuld das mangelnde Vertrauen zu dem angebotenen Ariadnefaden der Volksbildung. - Trotzdem ich aufgrund meiner währen 15-jährigen Mitgliedschaft zur Partei und Gewerkschaft gemachten Erfahrungen weiß, daß innerhalb meiner Partei durch die Propaganda für den philosophischen Materialismus und Atheismus in Wort und Schrift genau so an der Volksseele gesündigt wird, wie von Vertretern des Christentums durch all den Zwang zum Glauben und Aberglauben, so bin ich doch der Meinung, daß diese Erscheinung nur ein Übergang (wenngleich ein nicht zu empfehlender), nicht aber ein Untergang ist." (46)
6. Für den Fortschritt bejaht MARX die Herrschaft des Menschen über die Natur. Der Mensch scheidet aus dem Tierreich aus und beherrscht die Natur (47). Arbeit ist die Macht des Fortschritts, die Natur - seine Bedingung. Ja, MARX neigt dazu, die Bedeutung der geographischen Bedingungen zu vernachlässigen (48). Aber diese Überschätzung des Menschen, diese Unterschätzung der Natur ist vom echtesten Stamm des deutschen Idealismus: sie gipfelt von KANT über FICHTE und HEGEL hinaus doch erst in MARXens "Kapital".

Unsere klassischen Philosophen sind in dieser Hinsicht nur MARXens "Vorläufer". KANT bejaht die Technik als die "Geschicklichkeit", die Natur zu benutzen. KANT selbst war ein technischer Kopf. Zur Zeit der Abfassung der "Kritik der Urteilskraft" soll er sich um die Herstellung eines Spinnrades bemüht haben; er glaubte den Wohlstand zu fördern, "wobei dann gewöhnlich auch besser Denkungsart sich einzufinden pflegt". Für GOETHE ist die Naturwissenschaft "ein Hebel, womit man die Natur anfassen und bewegen soll". (Brief an Schultz vom 24. November 1817). Denken wir an FICHTEs herrliches Wort:
    "Es ist nicht ein bloßer frommer Wunsch für die Menschheit, sondern es ist die unerläßliche Forderung ihres Rechts und ihrer Bestimmung, daß sie so leicht, so frei, so gebietend über die Natur, so echt menschlich auf der Erde lebe, als es die Natur nur immer verstattet."
Nun erst gar HEGEL - neben FRIEDRICH LIST der Prophet des neudeutschen Kapitalismus! Die Industrie bringt "die Kunst, gesellschaftlich zu leben". Ihr belebendes Element ist das Handel. Arbeitsteilung und Maschine sind die Grundlage der Klassenbildung. "Die Massen avancieren" - von der Knechtschaft durch die Arbeit zur Freiheit. Alle diese Gedanken hat MARX erst zuende geführt.

Nach MARX ist es die "zivilisatorische Seite" des Kapitals, Mehrarbeit über die gegebenen Bedürfnisse hinaus unter Bedingungen zu erzwingen, die der Entwicklung der Produktivkräfte vorteilhafter sind, als alle früheren Wirtschaftsstufen. So bereitet das "Kapital" jene "höhere" Wirtschaftsordnung vor, in welcher der Mensch seinen Stoffwechsel mit der Natur "rational" unter geringstem Kraftaufwand und unter menschenwürdigsten Bedingungen vollzieht. Indem der Mensch die Naturkraft unterjocht, schiebt er "das Reich der Notwendigkeit" zurück. Jenseits desselben - durch jeden technischen Fortschritt erweitert - beginnt "das Reich der Freiheit", in dem die menschliche Kraftentwicklung, auf überwirtschaftliche Kulturziele gerichtet, zum Selbstzweck wird (49).

MARXens Verdienst in dieser Hinsicht ist nicht hoch genug zu veranschlagen. Das erste Geschlecht englischer Fabrikarbeiter hat den" König Dampf" gehaßt und seine Diener, die Maschinen, zerschlagen. Noch ein THOMPSON erhoffte ein kleinbürgerliches Heil in OWENschen Dörfern. Heute verneinen die romantischen Syndikalisten die "hierarchische Arbeitsteilung" des kapitalistischen Großbetriebs, dem sie "Autonomie der Gruppe", "Aufsicht von unten" entgegensetzen. Der deutsche Arbeiter bejaht mit MARX den technischen Fortschritt und den arbeitsteiligen Großbetrieb. MARX verbietet ihm, durch "Sabotage" den kapitalistischen Aufschwung zu lähmen, der den Arbeiter selber emporwirbelt. MARX lehrt ihn, jene unheimliche Macht verstehen, welche die Produktion unendlich erweitert, den Weltmarkt schafft und das Reich der Notwendigkeit eindämmt: MARXens "Kapital" - ein Hymnus zugleich des Kapitals und seines welterobernden Siegeszuges.

Fassen wir zusammen: MARX verweigert seinen Anhängern den Weg zu STIRNER, zu jenem letzten, nie widerlegbaren Subjektivismus, der von den griechischen Sophisten bis zu unserer "Moderne" sich selbst widerlegt - über Ekel, Langeweile und Verzweiflung hinaus widerlegt er sich durch Selbstmord, Irrenhaus oder Gefängnis. Alles zwischen STIRNER und KANT ist widerlegbare Halbheit. Mit KANT sagt FICHTE: "Das Ich ist alles" - das überempirische Ich, die Vernunft. "Das Ich ist alles" - äfft STIRNER nach - das endliche Ich, die Laune. Es ist nicht zweifelhaft, wo MARX in diesem letzten aller Gegensätze steht. Auch MARX glaubt "an Vernunft und Wissenschaft", und nichts ist ihm verhaßter als das Wort BAKUNINs: "Schüttelt zu, es wird etwas herauskommen". MARX schlägt seinen Anhängern die Brücke zur Hochkultur des deutschen Idealismus. Er schlägt die Brücke über all das naturgebundene und kleinmenschliche, das die (leider oft nur sogenannte) "schöne" Literatur unserer Tage mit Vorliebe darstellt (50). Wird der deutsche Arbeiter diese Brücke zu betreten wagen? Wird er es wagen, erobernd in das Hochland vorzustoßen? Diese Frage ist nicht hoffnungslos für den, der die geistigen Neubildungen des Zeitalters nicht nach Jahren, sondern nach Jahrzehnten bemißt.

Noch ist die Menschheit - noch ist Deutschland jung und nicht hinter uns, sondern vor uns liegen die Alpengipfel der Weltgeschichte.
LITERATUR Gerhart von Schulze-Gävernitz, Nochmals "Marx oder Kant?", Tübingen 1910 [Separat-Abdruck aus "Archiv für Sozialwissenschaft und Sozialpolitik, Bd. 29/30, Heft 2-3]
    Anmerkungen
    1) Marx, "Kapital", Bd. 1, vierte Auflage, Hamburg 1890, Seite 529, 556.
    2) Benno Erdmann, Die philosophischen Voraussetzungen der materialistischen Geschichtsauffassung, in Schmollers Jahrbuch 1907, 31. Jhg. 3. Heft, Seite 54/55.
    3) Anton Menger, Das Recht auf den vollen Arbeitsertrag, Stuttgart 1891, Seite 56. Sombart, Das Lebenswerk von Karl Marx, a. a. O., Seite 51.
    4) William Thompson, Verteilung des Reichtums, übersetzt von Collmann, Berlin 1903, Bd. 1, Seite 82-89, 285, 293.
    5) Friedrich Muckle, Die Geschichte der sozialistischen Ideen im 19. Jahrhundert, Bd. 1, Leipzig 1909, Seite 85.
    6) Wilhelm Roscher, Geschichte der Nationalökonomik in Deutschland, München 1874. Lujo Brentano, Die Entwicklung der Wertlehre, München 1908. Rolf Kaulla, Die geschichtliche Entwicklung der modernen Werttheorien, Tübingen 1906, Seite 210/212. Karl Diehl, Die Entwicklung der Wert- und Preistheorien im 19. Jahrhundert (in der Schmollerfestschrift, Bd. 1, Leipzig 1908, Seite 53).
    7) zitiert bei Diehl, a. a. O., Seite 5.
    8) Vgl. Kiichiro Soda, Geld und Wert, Tübingen 1909, Seite 86f, 160f.
    9) Dietzel, Theoretische Sozialökonomik, Seite 227f (in "Lehr- und Handbuch der politischen Ökonomie von Adolph Wagner, II. Hauptabteilung, Leipzig 1895).
    10) Struve, Die Marx'sche Theorie der sozialen Entwicklung, Archiv für soziale Gesetzgebung und Statistik, Bd. 14, Seite 727-729. Liefmann, Ertrag und Einkommen, Jena 1907, Seite 49. Dietzel, Jahrbuch für Nationalökonomie, Bd. 56, 1891, Seite 705f.
    11) Marx, Kapital, Bd. 1, vierte Auflage 1890, Seite 354.
    12) Ricardo, On the principles of political Economy, Kapitel I, Abt. 2, London 1817.
    13) Gesammelte Schriften, Bd. 1, hg. von Franz Mehring, Stuttgart 1902, Seite 278/79
    14) vgl. z. B. Marx, Kapital, Bd. 1, vierte Auflage 1890, Seite 721-727.
    15) Engels, Anti-Dühring, sechste Auflage, Stuttgart 1907, Seite 87f.
    16) Gesammelte Schriften, hg. von Franz Mehring, a. a. O., Bd. II, Seite 133. Georg Adler, Marx als Denker, Berlin 1908, Seite 44f.
    17) Bernstein, Wie ist wissenschaftlicher Sozialismus möglich? Seite 19 und 22. Robert Drill, Kant und Marx (Patria 1906, Seite 165). Ludwig Stephinger, Zur Methode der Volkswirtschaftslehre, Karlsruhe 1907, Seite 42-44. Vgl. auch Rickert, Der Gegenstand der Erkenntnis, zweite Auflage, Tübingen und Leipzig 1904, Seite 237-242.
    18) zu Hegel: Die Individuen "gewinnen Ewigkeit" nur durch Eingliederung in das Wertganze; ohne das sind sie "unwirkliche Schatten". Vgl. Rubinstein, a. a. O., Kant-Studien, Bd. XI, 1906, Seite 72
    19) Dietzel, Handwörterbuch der Staatswissenschaften, zweite Auflage, Artikel "Individualismus" und Zeitschrift für Literatur und Geschichte der Staatswissenschaften, Bd. 1, Leipzig 1893, Seite 1f.
    20) Dietzel, Rodbertus, Jena 1886 und 1888, Einleitung und II, Seite 138.
    21) Thompson, a. a. O., Bd. 1, Seite 62.
    22) Kant, Streit der Fakultäten (Ausgabe "Philosophische Bibliothek", Bd. 33, hg. von Kirchmann, I. Abteilung, Kleinere Schriften zur Logik und Metaphysik. Von Kants Werken der 5. Sonderband, Berlin 1870, Seite 121 (vgl. Goethe zum Kanzler von Müller am 29. April 1818, in Goethes Unterhaltungen mit dem Kanzler Friedrich von Müller, hg. von C. A. H. Burkhardt, zweite Auflage, Stuttgart 1898, Seite 30f).
    23) vgl. Bernstein, Tugan-Baranowski als Sozialist, Archiv für Sozialwissenschaft und Sozialpolitik, Bd. 28, 1909, Seite 792.
    24) Ludwig Rexhäuser, Gewerkschaftliche Neutralität, Selbstverlag 1908
    25) Benedetto Croce, Lebendiges und Totes in Hegels Philosophie, passim insbesondere Seite 73f.
    26) Oeuvres de Saint-Simon et d'Enfantin, 41. Vol., Doctrine Saint-Simonienne, Exposition par Bazard, Paris 1877, Seite 275.
    27) Etiénne Cabet, Voyage en Icarie, 5. Edition, Paris 1848, Seite 20, 58, 59.
    28) Bernstein, Parlamentarismus und Sozialdemokratie, Berlin 1906, Seite 44f.
    29) Kautsky, Der Weg zur Macht, Berlin 1909, Seite 73, und 102.
    30) Korrespondenzblatt der Generalkommission der Gewerkschaften Deutschlands, Nr. 40, 2. Oktober 1909, Seite 622.
    31) Karl Leuthner, "Deutscher Jammer", Sozialistische Monatshefte, 1908, Seite 462 und 466.
    32) Wilhelm Kolb, Über das Zentrum und die Sozialdemokratie, Sozialistische Monatshefte, 1905, Seite 784.
    33) Schiller an Goethe, Brief vom 8. Juli 1796 (Briefwechsel zwischen Schiller und Goethe, vierte Auflage, Bd. 1, Stuttgart 1881, Seite 147).
    34) Sombart, a. a. O., Seite 46, 47, 58.
    35) Max Stirner, Der Einzige und sein Eigentum, dritte Auflage, Leipzig 1901, Seite 365.
    36) Sombart, a. a. O., Seite 36, 40.
    37) Marx an F. A. Sorge, Briefe und Auszüge aus Briefen von J. Ph. Becker, J. Dietzgen, Fr. Engels, K. Marx u. a. an F. A. Sorge u. a., Stuttgart 1906, Seite 136.
    38) Georg Adler, Stirners anarchistische Sozialtheorie, Jena 1907, Seite 37.
    39) Soda, Geld und Wert, a. a. O., Seite 174
    40) vgl. "Hilfe" 1908, Maurenbrecher in Nr. 36 und meine Erwiderung in Nr. 43, sowie Naumann, Süddeutsche Monatshefte 1908, Seite 1408.
    41) Gesammelte Schriften von Karl Marx und Friedrich Engels, hg. von Franz Mehring, Bd. II, Stuttgart 1902, Seite 58/59.
    42) Marx, Kapital, Bd. 1, Seite 45; Bd. III, dritter Teil, zweite Auflage 1904, Seite 423/424.
    43) Fichte, Staatslehre, Bd. 4, Berlini 1845, Seite 423/24.
    44) Marx Brief an F. A. Sorge, a. a. O., Seite 40. Bernstein, Karl Marx und Michael Bakunin, Archiv für Sozialwissenschaft, Januar 1910, Bd. 30, Seite 11.
    45) Bernstein, Voraussetzungen des Sozialismus, Stuttgart 1906, Seite 146.
    46) E. Heller, Christliche Gedanken eines Sozialdemokraten (Evangelisch-Sozial 1909, Nr. 4, Seite 105, 106, 109). Vgl. Rade, Die religiös-sittliche Gedankenwelt unserer Industriearbeiter, Göttingen 1898.
    47) Engels, Die Entwicklung des Sozialismus von der Utopie zur Wissenschaft, fünfte Auflage, Berlin 1907, Seite 47/48.
    48) Hammacher, a. a. O., Seite 413f.
    49) vgl. Kapital, Bd. III, Teil 2, Seite 355.
    50) Rudolf Eucken, Sinn und Wert des Lebens, Leipzig 1908, Seite 114f. "Überwindung der kleinmenschlichen Art". Derselbe: Geistige Strömungen der Gegenwart, Leipzig 1904, Seite 1f. "Der geistige Notstand der Zeit" und passim.