tb-1p-4RickertLowtskyBlochSchirrenSchneiderSchlunkeOakes    
 
ADOLF LAPP
Versuch über den Wahrheitsbegriff
[mit besonderer Berücksichtigung von Rickert, Husserl und Vaihinger)
[1/3]

"Solange Vorstellungen nur vorgestellt werden, kommen und gehen sie, ohne daß wir uns um sie kümmern. Aber wie wir sie als angenehm oder unangenehm fühlen, wie wir sie begehren oder verabscheuen, wenn wir wollen, so stimmen wir ihnen zu, oder weisen sie ab, wenn wir urteilen."

"Man versuche für die Wahrheit des Urteils, daß ich jetzt Buchstaben sehe, irgendeinen anderen Grund zu finden, als das unmittelbare Gefühl des Sollens, der Notwendigkeit, so zu urteilen. Es gibt keinen, und man kann dieses Sollen auch nicht etwa auf ein Sein zurückführen, und es davon ableiten, daß das Urteil aussagen soll, was ist, denn um zu wissen, was ist, muß man doch schon geurteilt haben. Wissen ist ja bereits der Besitz der Wahrheit, und Wahrheit kommt nur Urteilen zu. Wissen setzt also geurteilt haben oder urteilen voraus."


Der erkenntnistheoretische
Nihilismus

 
Die Bemühungen der meisten Forscher, das Wesen der Wahrheit zu bestimmen, gipfeln in dem Bestreben, die Wahrheit als etwas von allen individuellen Meinungen und Glauben Unabhängiges darzustellen. Schon der naive Verstand, der die primitivsten Begriffsunterschiede und die allgemeinste Bedeutung der Wörter der Umgangssprache feststellt, hält daran fest, daß es nur eine Wahrheit gibt, und daß diese nur mit sich selbst und mit nichts, was auch nur im Geringsten von ihr abweicht, übereinstimmen kann. Schon der naive Verstand behauptet die absolute Souveränität der Wahrheit, d. h. ihre Unabhängigkeit von der Zeit und den darin lebenden Individuen.

Der kritische Verstand hat nun zunächst die Forderungen, die schon der naive Verstand an Aussagen stellt, die den Anspruch auf Wahrheit erheben, schlechterdings übernommen. Aber nach dem Grundsatz von DESCARTES "de omnibus dubitandum est" [Alles muß bezweifelt werden. - wp] mußte allmählich auch die Sonde des Zweifels an die Voraussetzuung jeder wahren Erkenntnis gelegt und die Frage geprüft werden, ob es überhaupt gültige Urteile, ob es überhaupt Wahrheit geben kann. Diese Prüfung schien um so dringender, als radikale Relativisten teils direkt behaupteten: "Es gibt keine Wahrheit" - teils in ihren relativistischen Theorien die Folgerung dieses Satzes offen ließen. Und wenn auch die radikalsten skeptischen Thesen nie eine triftigere Argumentation fanden als überzeugtes Pathos und Temperament, so war es doch Aufgabe der Wissenschaft, auch diesen Schein des Rechts, der den radikal relativistischen Sätzen ihre Wichtigkeit verlieh, zu zerstören.

Je kritischer eine Theorie der Erkenntnis ist, desto energischer verwahrt sie sich gegen den Relativismus, und um möglichst drastisch zu demonstrieren, wie haltlos und unmöglich er ist, wird gerade der Satz: "Es gibt keine Wahrheit" einer heftigen Kritik unterzogen.

Der Gedankengang ist dabei meistens folgender: Der Satz "Es gibt keine Wahrheit" ist ein Urteil, das, obwohl es die Wahrheit leugnet, offenbar selbst Anspruch auf Geltung, Anspruch auf Wahrheit erhebt. Wenn dieses Urteil nun auch die Möglichkeit jeder anderen Wahrheit bestreitet, so kann es doch nur einen Sinn haben, wenn es für sich selbst eine Ausnahme macht. Und diese eine Ausnahme kann nicht einmal die sonstige Regel bestätigen, da ja sonst auch der Satz "Die Ausnahme bestätigt die Regel" eine Ausnahme mit dem Anspruch auf Gültigkeit sein müßte (welcher Ausnahme wieder eine Ausnahme zugrunde liegen müßte in infinitum, bis also auf diese Weise aus keiner Wahrheit unendlich viele geworden wären). Jedenfalls aber kann das Urteil "Es gibt keine Wahrheit" keinen Augenblick gelten, denn sobald es gelten würde, wäre die in ihm ausgesprochene "Wahrheit" ein vollendeter Widerspruch. Der radikale Relativismus hebt sich also von selbst auf.

Dagegen ist jedoch eingewendet worden, daß diese Widerlegung zwar formal richtig ist, d. h. dem logisch richtigen Denken entspricht, daß aber dieses logisch richtige Denken offenbar von dem Satz "Es gibt keine Wahrheit" mit betroffen wird. Das radikale relativistische Urteil sei darum der Kritik des Satzes vom Widerspruch nicht zugänglich, sondern werde nur durch die praktische und wissenschaftliche Erfahrung, "durch die tatsächlichen Befunde des Lebens und der Erkenntnis" widerlegt.

Dagegen ist jedoch einzuwenden, daß, wenn der radikale Relativismus tatsächlich alle Folgerungen des logisch richtigen Denkens aus dem Satz "Es gibt keine Wahrheit" verneint, er doch jedenfalls auch nicht "die tatsächlichen Befunde des Lebens und der Erkenntnis" als eine zureichende Widerlegung anerkennen kann. Denn wie könnten diese Befunde der Erkenntnis ausgesprochen oder auch nur gedacht werden, wenn nicht in Urteilen, die Anspruch auf Gültigkeit, auf Wahrheit erheben? Wie ist überhaupt Erkenntnis möglich ohne Urteile, und was soll unter den "tatsächlichen Befunden des Lebens" verstanden werden? Sind mit diesen Befunden elementare Sinneseindrücke gemeint, so vermögen sie natürlich nichts gegen ein relativistisches Urteil zu beweisen. Denn wenn jemand den Himmel betrachtet und den Eindruck "blau" hat, und der Relativist behauptet "Das ist nicht wahr" - so läßt sich durch nichts, weder durch eine Majorität von Meinungen, noch durch physikalische, chemische oder physiologische Argumente etwas dagegen beweisen. Denn abgesehen davon, daß all diese Argumente Urteile und Schlüsse sind, die in ausgiebigstem Maß den Anspruch auf Wahrheit erheben, ist es überhaupt nicht denkbar, daß jemand sich des Eindrucks "blau" bewußt wird, ohne "blau" zu sehen oder vorzustellen und damit ein Geltung beanspruchendes Urteil zu fällen: "Dieser Gegenstand, diese Farbe ist blau." Die Befunde des Lebens müßten also jenseits des Bewußtseins liegen, denn sobald sie bewußt und logisch sind, können sie nicht anders als in wahrheitsgültigen Urteilen gedacht werden.

Von dieser Seite aus läßt sich also der erkenntnistheoretische Relativismus nicht widerlegen, ohne weit mehr die Existenz der Wahrheit vorauszusetzen. Da jedoch zugegeben werden muß, daß der Satz "Es gibt keine Wahrheit" tatsächlich auch den Satz vom Widerspruch trifft, so bleibt nur noch der einzige Ausweg, daß das relativistische Endurteil überhaupt nicht aufgestellt werden kann. Es können zwar die Worte "Es gibt keine Wahrheit" nebeneinandergesetzt, gesprochen und geschrieben werden, aber sie dürfen durchaus nicht gedacht werden. Ein Satz, ein Gedanke muß eben gedacht werden und "denken" heißt eben: richtig denken, woraus erst das "falsche" Denken expliziert werden kann. Der radikale Relativismus kann also schlechterdings keinen Satz aufstellen, weil jeder Satz einen Gedanken voraussetzt. Das Äußerste, was ein radikaler Relativismus vielleicht aufzustellen vermöchte, wären beliebige Buchstaben nebeneinander, die nichts besagen soll und können. Der radikale Relativismus ist also gleichbedeutend mit einem absoluten Nihilismus und nur denkbar als ein Subjekt aus Nichts gegenüber einem Objekt aus Nichts. Einen Satz, der die Wahrheit leugnet, kann er also in keinem Fall aufstellen.

Hierher gehört auch, ob der Relativismus mit der Antwort "Nein" auf die Frage "Gibt es eine Wahrheit?" sich aus dem Widerspruch zu ziehen vermag. Ja oder Nein haben doch nur in Bezug auf eine Frage (oder als Affirmation [Zustimmung - wp]) irgendeine Bedeutung. Und es kommt dabei gar nicht in Betracht, ob nach dem Ja oder Nein der Inhalt der Frage affirmativ hinzugesetzt wird, oder nicht, denn ohne die Frage gäbe Ja oder Nein gar keinen Sinn. Ja und Nein sind daher als abgekürzte Form eines bejahenden oder verneinenden Urteils zu deuten. Die gleiche Argumentation wie oben müßte daher auch einsetzen, wenn der Relativismus das die Wahrheit voraussetzende Urteil durch die Fragefrom zu umgehen versucht.

Der Satz "Es gibt keine Wahrheit" gehört zu einer beschränkten Reihe von Sätzen, die überhaupt nicht gedacht oder ausgesprochen werden können, ohne sich selbst aufzuheben, und die nur der Inkonsequenz eines absoluten intellektuellen Nihilismus entsprungen sein können. Dazu gehört z. B. der Satz "Es gibt keine Begriffe" oder "Es gibt keine artikulierten Laute" oder "Es gibt überhaupt keine Gedanken", d. h. weder wahre noch falsche. Gerade dieser letzte Satz müßte sogar viel folgerichtiger als der "Es gibt keine Wahrheit" die ultima ratio [das Ende der Fahnenstange - wp] des radikalen Relativismus sein. An ihm läßt sich auch viel deutlicher nachweisen, nicht daß er widerlegt werden, sondern daß er überhaupt aufgestellt werden kann. Denn wenn damit auch alle wahren oder falschen, man könnte sagen "wahr-falschen" Folgerungen geleugnet sind, kann dieser Satz doch nicht sinnvoll ausgesprochen werden, ohne die Unterscheidung "wahre" und "falsche" Gedanken, ohne selbst einen Gedanken ausdrücken zu wollen, ohne überhaupt das sinnvolle Denken mit auszusprechen. Von diesen Sätzen kann mit Recht gesagt werden, daß sie in der Luft hängen und vom Nichts leben. Widerlegt können solche Sätze nicht werden, denn sie leugnen die Möglichkeit einer logischen Widerlegung, aber sinnvoll ausgesprochen oder gedacht werden können sie noch weniger, indem sie mit ihrem Gedacht- oder Ausgesprochenwerden sich selbst aufheben.

In welchem Sinn sich ein erkenntnistheoretischer Relativismus dennoch denken läßt, aber unter Ausschluß der nihilistischen Konsequenz, soll am Schluß dieser Arbeit dargestellt werden. Vielleicht wird es sich herausstellen, daß der Relativismus nicht unbedingt identisch ist mit jener Theorie, die den Satz "Es gibt keine Wahrheit" aufstellt oder offen läßt, und die hier als erkenntnistheoretischer Nihilismus bezeichnet wurde.




Rickerts Wahrheit als Wert
Vorstellen und Urteilen

Um den relativistischen Standpunkt plausibel zu machen und ihm seit seinen ersten aphoristischen Ansätzen bei den griechischen Skeptikern immer wieder einen hervorragenden Platz in der Erkenntnistheorie einzuräumen, hat offenbar der Umstand viel dazu beigetragen, daß Urteilen und Vorstellen im aktuellen Denken unzertrennlich miteinander verbunden sind. SIGWART sagt über diese wesentlich vorstellungsmäßige Eigenart des Urteils:
    "Das Urteil ist ursprünglich ein lebendiger Denkakt, der jedenfalls voraussetzt, daß zwei unterschiedene Vorstellungen dem Urteilenden gegenwärtig sind, indem das Urteil vollzogen und ausgesprochen wird, die Subjekts- und die Prädikatvorstellung ..." (1)
In der Tat ist ein Urteil, eine Aussage völlig undenkbar ohne diese vorstellungsmäßigen Elemente, denn Urteilen und Aussagen heißt immer: über oder von etwas urteilen oder aussagen. Es ist nicht zu denken, was dieses Beurteilte sein soll, wenn nicht etwas Vorgestelltes.

Es ist sehr leicht verständlich, daß aus dieser Eigenart der Urteile, aus ihrer engen Verwandtschaft mit den Vorstellungen, der Schluß gezogen wurde, daß die Wahrheit der Urteile ebenso relativ ist, wie die Vorstellungen und Vorstellungsverbindungen sein können. Und wer sich auf die Relativität der Vorstellungen versteift und zugleich das Wesen des Urteils als ein nur vorstellungsmäßiges erkannt haben will, muß in der Tat zu dieser Folgerung gelangen. Der nächste Schritt aber führt dazu, daß es überhaupt nur relativ wahre Urteile gibt, und man könnte schließlich wirklich zu der von RICKERT drastisch formulierten Konsequenz kommen:
    "Der eine liebt die für ihn mit Urteilsnotwendigkeit verbundenen Urteile, der andere trinkt die Weine, die seiner Zunge behagen und - de gustibus non est disputandum [Über Geschmack läßt sich nicht streiten. - wp] (2) -
Es ist klar, daß die bloße Möglichkeit solcher Folgerungen nicht nur den erkenntnistheoretischen, überhaupt den wissenschaftlichen, sondern auch den praktischen Nihilismus eröffnen müßte. Und wenn auch selten die Menschen so konsequent sind, daß sie einer Theorie auch dann treu bleiben, wenn sie ihnen ans Leben geht, und wenn auch selten eine Wissenschaft so ultrakonsequenz ist, daß sie einen Grundsatz verteidigt, der zu ihrer restlosen Auflösung führen würde - so ist es doch Aufgabe der Erkenntnistheorie, auch wenn solche realen Gefahren nicht bestehen sollten, zu untersuchen, ob und wieweit überhaupt Erkenntnis möglich ist und wie die Erkenntnis gegen absurde Angriffe, die all ihre mühsam errungenen Resultate in Frage stellen könnten, von vornherein sicher zu stellen ist.

Um diese Aufgabe zu lösen, hat die Erkenntnistheorie zwei Wege: Entweder widerlegt sie den Relativismus, der die Sicherheit der im Urteil enthaltenen vorstellungsmäßigen Elemente gefährdet, oder aber sie weist nach, daß die Vorstellungen und Vorstellungsverbindungen gar nicht zum Wesen des Urteils gehören, sondern daß sie vielmehr in einem spezifisch urteilsmäßigen, vorderhnd noch nicht näher bekannten Element zu suchen ist. Sie müßte also in der Lage sein, ein Urteilsideal aufzustellen, das von allen vorstellungsmäßigen Elementen befreit ist.

Diesen letzteren Weg hat RICKERT eingeschlagen, und es soll nun im Nachfolgenden versucht werden, darzustellen, wie weit ihm dies gelungen ist.

Schon bei FICHTE finden sich Ansätze zu einer Theorie, daß die vorstellungsmäßigen Gebilde nicht das eigentlich Wesentliche im Urteil sind (3). SIGWART (4) beschränkt sich darauf, daß es sich im negativen Urteil nicht allein um die bloße vorgestellte Beziehung eines Subjekts zu seinem verneinenden Prädikat handelt, sondern daß die Verneinung als etwas nicht rein Vorstellungsmäßiges zu betrachten ist. LOTZE (5) bleibt zwar dabei, daß die vorstellungsmäßigen Elemente für das Urteil von wesentlicher Bedeutung sind, daß aber im positiven wie im negativen Urteil durch ein "Nebenurteil" über die Gültigkeit oder Ungültigkeit von Subjekts- mit Prädikatsvorstellungen etschieden wird. Nach ihnen haben besonders noch BERGMANN, RIEHL, WINDELBAND und JONAS COHN das Problem des rein urteilsmäßigen Elementes untersucht; am radikalsten hat jedoch HEINRICH RICKERT die Theorie vom nicht vorstellungsmäßigen Wesen der Urteile vertreten und sie seiner Bestimmung des Wahrheitsbegriffs zugrunde gelegt.

RICKERT will die quaestio juris [Frage der Rechtfertigung - wp] völlig von der quaestio facti [Frage der Tatsachen - wp] trennen und nur nach dem logischen Sinn, nicht nach dem psychischen Sein der Urteile fragen. Er sucht das urteilsmäßige Element den vorstellungsmäßigen Elementen, die in jedem wirklichen Urteil enthalten sind, gegenüberzustellen und ein logisches Urteilsideal aufzustellen, dessen nicht vorstellungsmäßiges Wesen, also dessen Wahrheit unzweifelhaft ist (6).

Dieses Urteilsmäßige nun kann natürlich nicht in den vorstellungsmäßigen Bestandteilen des Urteils enthalten sein, sondern muß gewissermaßen über ihnen stehen und darüber entscheiden, ob diese Vorstellungsverbindungen zu Recht oder zu Unrecht bestehen, wenn wirklich - was als ausgesprochene Voraussetzung gelten muß - das Wort Urteil "für alle Denkgebilde, auf welche die prädikate wahr oder falsch angewendet werden können" (7), gebraucht wird.

RICKERT löst darum das Urteil in eine eindeutige, alle vorstellungsmäßigen Elemente umfassende Frage, und in ihre Bejahung oder Verneinung auf. Jedes wirkliche Urteils kann in diese beiden Komponenten zerlegt werden, weil es in der Tat nichts anderes ist, als die eine Aussage gefaßte Entscheidung einer Frage. Wenn also auch - was RICKERT ausdrücklich berücksichtigt (8) - die Aussage (das Urteil) psychologisch oder zeitlich früher als die Frage, mit der äußerlichen Prätention, als sei sie gar keine Antwort, auftritt, so läßt sich doch die Aussage in Frage und Antwort zerlegen, und muß logischerweise so zerlegt werden, da das Problem (die Frage) stets der Problemlösung (Entscheidung) vorausgeht. Und da in der eindeutigen Frage tatsächlich alle vorstellungsmäßigen Elemente enthalten sind, läßt sich eine andere Antwort als Ja oder Nein denken. In der Bejahung oder Verneinung aber, konzentriert sich das rein Urteilsmäßige (9).
    "Wir dürfen also behaupten", sagt Rickert (10), "daß es nicht möglich ist, ein logisch vollkommenes Urteil zu fällen, ohne dabei zu bejahen oder zu verneinen, oder wenigstens vorher bejaht oder verneint zu haben."
Denn welches auch die Vorstellungen und Vorstellungsbeziehungen in einem Urteil sein mögen, werden sie doch erst durch die Bejahung oder Verneinung zu etwas umgewandelt, das von der bloßen Vorstellung bestimmt unterschieden werden kann, und das eben Urteil genannt wird. Erst durch Bejahung oder Verneinung können Subjekts- und Prädikatsvorstellung zu einem Urteil werden. RICKERT faßt dieses Ergebnis in den Satz zusammen:
    "Erkennen ist seinem logischen Wesen nach Bejahen oder Verneinen oder: das theoretische Subjekt muß als ein bejahendes oder verneinendes Subjekt aufgefaßt werden." (11)
Natürlich soll damit nicht behauptet werden, daß wir die Bejahung oder Verneinung als einen isolierten Akt im Bewußtsein haben können (12). Ja oder Nein haben keinen Sinn, wenn sie nicht auf eine eindeutige Frage bezogen werden können, oder anders ausgedrückt: bejaht oder verneint können nur Vorstellungsbeziehungen werden. Wenn ich auf eine Frage mit einem schlichten Ja antworte, so wiederhole ich damit, entweder ausdrücklich oder nur in Gedanken, die in der Frage ausgesprochenen Vorstellungselemente. Aber ich wiederhole sie nicht nur - sonst wäre es gleichgültig, ob ich auf eine Frage durch die nämliche Frage antworte oder sie in einem bejahenden oder verneinenden Sinn entscheide -, ich fällt zugleich auch ein "Urteil" über die in der Frage enthaltene Subjekts- und Prädikatsvorstellung. Es kommt also zu diesen rein vorstellungsmäßigen Elementen des Urteils noch etwas Wesentliches dazu: eben das Urteil.

Aber es ist immer noch fraglich, ob das "bejahende oder verneinende Subjekt" nicht doch ein vorstellendes Subjekt ist. Denn wenn die Bejahung oder Verneinung nur in Bezug auf Vorstellungsmäßiges gedacht werden kann, ist sie vielleicht gar nichts anderes, als das Gefühl der Übereinstimmung von Vorstellungen. Wenn ich z. B. frage: "Ist der Himmel blau?" so richtet sich mein Ja oder Nein danach, daß ich eine allgemeine Vorstellung "Himmel" und "Blau" habe, und daß ich diese Vorstellung in dem Augenblick, da die Frage gestellt wird, mit dem Sinneseindruck vergleiche, den ich von der Farbe des Himmels habe. Ich vergleiche also den Eindruck mit einer Vorstellung und gelange zu einem Gefühl der Übereinstimmung oder Nichtübereinstimmung. Damit, daß man aus dem Urteil die Bejahung oder Verneinung herausschält, wäre also gar nichts weiter gewonnen, denn es käme doch wieder im Urteil auf ein Vergleichen von Vorstellungen an und wahr und falsch würden sich in einem Gefühl der Übereinstimmung oder Nichtübereinstimmung von Vorstellung und Gegenstand der Vorstellung äußern. Dieses Gefühl aber könnte nimmermehr als ein von den Vorstellungen unabhängiges angesehen werden. - Jedoch gerade dieser Konsequenz galt es auszuweichen und sie durch eine Herausarbeitung des in der Bejahung oder Verneinung sich ausdrückenden logischen Urteilsideals zu überwinden.

Dieser verhängnisvollen Eventualität sucht nun RICKERT vorzubeugen mit einer für seine Auffassung vom Wesen der Erkenntnis wesentlichen Unterscheidung. Er stellt nämlich den in der Bejahung oder Verneinung zum voll entwickelten Ausdruck gelangten alternativen Charakter des Urteils dem indifferenten des Vorstellens gegenüber und rückt damit das Urteil aus seiner gewohnten Verwandtschaft mit dem Vorstellen in nähere Beziehung zum Fühlen und Wollen.
    "Solange Vorstellungen nur vorgestellt werden", sagt er (13), "kommen und gehen sie, ohne daß wir uns um sie kümmern. Aber wie wir sie als angenehm oder unangenehm fühlen, wie wir sie begehren oder verabscheuen, wenn wir wollen, so stimmen wir ihnen zu, oder weisen sie ab, wenn wir urteilen."
Diese in der Bejahung ausgedrückte Zustimmung oder Anerkennung, oder in der Verneinung ausgedrückte Abweisung oder Verwerfung ist nicht anders denkbar, denn als Anerkennung oder Verwerfung eines Wertes. Aus der Verwandtschaft, die das Urteil mit dem Fühlen oder Wollen hat, ergibt sich also, daß es sich "beim rein theoretischen Erkennen um ein Stellungnehmen zu einem Wert handelt." (14) Und da es sich beim Bejahen um etwas handelt, was mir "gefällt", bei Verneinen um etwas, was mir "mißfällt", ist Erkennen ein Vorgang, der durch Gefühle bestimmt und, psychologisch betrachtet, durch nichts anderes geleitet wird, als durch Lust oder Unlust (15). Man kann also das bisherige Ergebnis von RICKERTs Untersuchung in den Satz zusammenfassen: Erkennen ist das Gefühl der Anerkennung oder Abweisung eines Wertes, das sich in der Bejahung oder Verneinung bekundet und, wie Wollen und Fühlen, durch seinen alternativen Charakter vom Vorstellen verschieden ist.

Dabei ist jedoch immerhin eine Voraussetzung gemacht, die von einer rein sensualistischen Psychologie nicht unbedingt anerkannt zu werden braucht. Die Voraussetzung nämlich, daß das dem Wollen, Fühlen und Urteilen als wesentlich zugesprochene Charakteristikum des "Entweder-Oder" sich auch bei genauerer psychologischer Analyse als nicht vorstellungsmäßig erweist. Auch RICKERT hat diese Möglichkeit wenigstens insofern beachtet, als er auf MÜNSTERBERGs Versuche (16) hinweist, nach denen sich z. B. Elemente, die sich der oberflächlichen Betrachtung als nicht vorstellungsmäßig darstellen, als Spannungsempfindungen in unseren Muskeln entdecken. - Da es jedoch der Psychologie noch nicht gelungen ist, das dem Fühlen und Wollen eigentümliche alternative Element auf Vorstellungen oder Empfindungskomplexe zurückzuführen, kann von diesem Einwand Abstand genommen werden, umsomehr, als es RICKERT vorläufig nur darauf ankommt, festzustellen,
    "zu welcher Gattung von psychischen Vorgängen das vollständige Urteil gehört, wenn wir überhaupt solche Zustände, in denen wir uns teilnahmslos betrachtend verhalten, von solchen unterscheiden, in denen wir von unserem Bewußtseinsinhalt, als einem für uns wertvollen Anteil nehmen". (17) -
Immerhin mag an dieser Stelle schon die, wenn auch nur entfernte Möglichkeit eines Einwandes gegen RICKERTs Lehre gegeben sein. (Jedenfalls kann RICKERT an dieser Stelle das Eine vorgeworfen werden, daß er seiner für erkenntnistheoretische Untersuchungen bindenden Forderung "de omnibus dubitandum est" an dieser Stelle nicht ganz treu geblieben ist und eine Voraussetzung angenommen hat, die zumindest von sensualistischer Seite bestritten werden könnte.) Im Übrigen aber müssen die hier erhobenen Zweifel an der Berechtigung von RICKERTs Zuordnung der Urteile zu den alternativen psychischen Akten vorläufig suspendiert werden, da es sich allein darum handelt, ob es möglich sein wird, aus dem Gefühl der Zustimmung oder Abweisung die Objektivität der Wahrheit, die RICKERTs Ziel ist, zu begründen.

Diese Frage aber kann erst entschieden werden, wenn dargestellt worden ist, was RICKERT unter Urteilsnotwendigkeit versteht.


Die Urteilsnotwendigkeit
bei Rickert

Ehe ich nun auf RICKERTs Lösungsversuch des erkenntnistheoretischen Zentralproblems eingehe, soll noch einmal kurz zusammengefaßt werden, wie RICKERT seine Bestimmung des Wahrheitsbegriffs vorzubereiten sucht:

Zunächst geht RICKERT von dem Satz aus:
    "Das Wort Urteil gebrauchen wir für alle Denkgebilde, auf welche die Prädikate wahr oder falsch angewendet werden können, und zugleich nur für solche." (18)
Das Wesen des Urteils ist jedoch nicht durch Subjekts- und Prädikatsvorstellungen erschöpft; im Gegenteil: erst durch etwas spezifisch Urteilsmäßiges kann aus Vorstellungen und Vorstellungsverbindungen ein Urteil werden. Dieses Urteilsmäßige aber erhält man dadurch, daß man alles Vorstellungsmäßige in eine eindeutige Frage zusammenfaßt; die die Frage entscheidende Bejahung oder Verneinung ist das Urteilsmäßige: "Erkennen ist seinem logischen Wesen nach Bejahen oder Verneinen." (19) - Darin nun, daß auf die eindeutige Frage entweder Ja oder Nein geantwortet werden muß, offenbart sich deutlich der alternative Charakter des Urteilens, das gleich dem Fühlen und Wollen in eine vom Vorstellen wesentlich verschiedene Gattung psychischer Vorgänge eingereiht werden muß, insofern Vorstellen zu jenen psychischen Zuständen gehört, in denen wir uns teilnahmslos betrachtend verhalten. Es handelt sich also in der Bejahung oder Verneinung um einen Akt des Billigens oder Mißbilligens, und da dieses alternative Verhalten nur Werten gegenüber einen Sinn haben kann, und Billigen und Mißbilligen psychologisch betrachtet ein Gefühl der Lust oder Unlust ist, kann man zusammenfassend sagen:
    "da alles Erkennen sich in voll entwickelten Urteilen bewegt, so ergibt sich aus der Verwandtschaft, die das Urteilen mit dem Wollen und Fühlen hat, daß es sich auch beim rein theoretischen Erkennen um eine Stellungnehmen zu einem Wert handelt." (20)
Und da das Gefallen die Bejahung, das Mißfallen die Verneinung nach sich zieht, kann man mit RICKERT schließen:
    "So fremdartig dies auch klingen mag, daß Lust oder Unlust alles Erkennen leiten, so ist es doch nur die unbezweifelbare Konsequenz der Lehre, daß im vollentwickelten Urteil zu den Vorstellungen eine Beurteilung, d. h. eine Bejahung oder Verneinung hinzutritt, durch welche aus den Vorstellungen überhaupt erst Erkenntnis wird." (21)
Nun erhebt sich aber die erkenntnistheoretische Kardinalfrage, die Frage nach der Objektivität unserer Erkenntnis, die Frage, ob eine objektive Wahrheit überhaupt möglich ist, oder zumindest, wieweit sie erkenntnistheoretisch bestimmt werden kann. Wahrheit - zumindest die Wahrheit, die auch RICKERT der relativistischen "Wahrheit" gegenüber zu bestimmen sucht - soll doch unabhängig sein, nicht nur von psychologischen Theorien; sie soll vor allen Dingen auch unabhängig sein von allem Subjektiven, also vom subjektiven Vorstellen, Meinen, Wollen und Fühlen. - Wenn also das einzige Kriterium der Wahrheit das Gefühl der Lust (bei der Zustimmung) und das Gefühl der Unlust (bei der Abweisung) ist, so kann zweifellos von der reinen Objektivität der Wahrheit nicht mehr gesprochen werden. - Hier läßt sich auch keinesfalls über die Subjektivität und damit die Relativität der Erkenntnis hinausgelangen, wenn man nicht - gewissermaßen "von außen her" - die Forderung an die Wahrheit stellt, daß sie eben objektiv sein soll. Das ließe sich so deuten: Es gibt eine objektive Erkenntnis, eine absolute Wahrheit, das ist Voraussetzung und muß es bleiben, wenn nicht dem erkenntnistheoretischen Relativismus mit allen in Nichts entfliehenden Konsequenzen Raum gegeben werden soll. Da das Kriterium der Wahrheit aber ein Gefühl ist, das in der Bejahung lust-, in der Verneinung unlustvoll genannt werden muß, muß, um die Objektivität der Wahrheit zu retten, die Forderung aufgestellt werden: Wenn es sich um Urteile handelt, so hat das Gefühl der Lust oder Unlust objektive Gültigkeit.

Das wäre natürlich reichlich voraussetzungsvoll. Denn wenn auch Lust oder Unlust die Erkenntnis leiten, so könnte von einer durch das Kriterium dieser Gefühle erwiesenen objektiven Wahrheit nur dann die Rede sein, wenn schon von vornherein feststünde, daß es überhaupt eine objektive Wahrheit gibt und daß in besonderen Fällen die mit dem Gefühl der Gültigkeit ausgesprochene Bejahung oder Verneinung auch wirklich, d. h. objektiv gültig ist. Mit anderen Worten: Wahre Urteile unterschieden sich von falschen Urteilen dadurch, daß bei den einen das Gefühl der objektiven Gültigkeit richtig, bei den anderen aber falsch ist. Das würde aber auf einen Pleonasmus  [Doppelmoppel - wp] hinauslaufen: Wahre Urteile sind wahr, weil sie wahr sind; falsche Urteile sind falsch, weil sie falsch sind. - Auf diesem Weg also ist eine Lösung des Wahrheitsproblems nicht möglich, zumindest führt sie nicht über den Relativismus hinaus. Auch RICKERT hat natürlich die Gefahr, die in diesem Stadium seiner Untersuchung deutlich zutage tritt, erkannt und versucht, ihr auszuweichen.

Er scheidet das im Urteil die Anerkennung oder Verwerfung eines Wertes leitende Gefühl der Lust bzw. Unlust, das ich der Einfachheit halber kritisches Lustgefühl nennen will, von einem sinnlichen Lustgefühl, das mit einer Vorstellung verknüpft ist und dem wir nur solange Bedeutung beilegen, als wir es fühlen (22). Natürlich kann zunächst bei dieser Unterscheidung von einer quaestio juris, also von der Frage nach dem logischen Sinn des Urteils, nicht mehr die Rede sein, was RICKERT auch zugibt. Denn hier handelt es sich nicht mehr darum, mit welchem Recht wir ein Urteil für wahr halten, sondern wir setzen, was eigentlich erst zu beweisen wäre, mit Bestimmtheit voraus: daß das ein wahres Urteil ist, das von einem Lustgefühl der Zustimmung begleitet wird. Während aber das sinnliche Lustgefühl durchaus an den Augenblick und an die inviduelle Disposition gebunden ist, während es mit dem Augenblick und der individuellen Disposition verschwinden oder ins Gegenteil umschlagen kann, ist das kritische Lustgefühl unabhängig von Stimmung, Augenblick und jeder individuellen Disposition. Dem von diesem Evidenzgefühl begleiteten Urteil schreiben wir eine für alle Zeiten und Individuen verbürgte Gültigkeit zu.
    "Bei jedem Urteil", sagt Rickert (23), "setze ich in dem Augenblick, in dem ich urteile, voraus, daß ich etwas anerkenne, das unabhängig vom momentan vorhandenen Wertgefühl zeitlos gilt, und dieser Glaube an die zeitlose Geltung ist es, der die Eigentümlichkeit der logischen Beurteilung, wie wir die Bejahung oder Verneinung nennen wollen, der hedonistischen Beurteilung (gemeint ist die von sinnlichen Lustgefühlen geleitete Beurteilung) gegenüber ausmacht."
Dabei ist aber doch ein starker Nachdruck auf das Wort "Glaube" zu legen. Denn in der Tat scheint nichts als der Glaube an die zeitlose Geltung des kritischen Lustgefühls, den Unterschied von den sinnlichen Lustgefühlen auszumachen. Und dieser Glaube wird um nichts von seiner Subjektivität befreit, wenn ich mich im Urteil durch das Gefühl der Evidenz, mit dem ich zustimme, gebunden fühle (24). Gewiß ist es nicht gleichgültig, ob ich auf eine eindeutige Frage mit Ja oder Nein antworte und es mag auch sein, daß ich mit dem Evidenzgefühl eine überindividuelle Macht anerkenne, durch die ich gezwungen bin, so und nicht anders zu urteilen. Aber damit würden die Untersuchungen RICKERTs in die Evidenztheorie einmünden, die als einziges Kriterium der Wahrheit eben das Gefühl der Evidenz anerkennt. Nun unterscheidet sich die Evidentztheorie RICKERTs allerdings in etwas Wesentlichem von der z. B. durch HÖFLER (25) vertretenen. Ja, es liegt sogar im Sinn RICKERTs, wenn man sagt, daß durch diesen Unterschied seine Theorie zu einer durchaus unabhängigen, mit der Evidenztheorie nicht einmal verwandten wird - eine Behauptung, die allerdings, wie später zu zeigen sein wird, nicht ganz zutrifft. Wenn ich bejahe oder verneine, lehrt RICKERT, so werde ich allerdings von einem Gefühl der Lust oder Unlust begleitet. Aber dieses kritische Lustgefühl unterscheidet sich, wie gesagt, von den sinnlichen Lustgefühlen dadurch, daß wir im Urteil mit Notwendigkeit bejahen oder verneinen. Diese Notwendigkeit, die gewöhnlich Denknotwendigkeit genannt wird, nennt RICKERT Urteilsnotwendigkeit, und ihre Eigenart ist, daß sie durchaus keine Notwendigkeit des Vorstellens bedeutet, sondern eben rein urteilsmäßig ist. Und da die Bejahung oder Verneinung wie im vorigen Kapitel gezeigt, in der Anerkennung bzw. Abweisung besteht, und wir nur einen Wert anerkennen können, schließt RICKERT, daß es sich in der Urteilsnotwendigkeit um das Gefühl eines Sollens handelt, das alle unsere Erkenntnis leitet. Dieses Sollen aber ist nicht "das in der Urteilsnotwendigkeit unmittelbar erfahrene Sollen" (26), also nicht das direkte psychische Erlebnis; sondern ein transzendentes, von uns unabhängiges Sollen, "
    unabhängig in dem Sinne, daß dieses Sollen gilt, gleichviel, ob irgendein erkennendes Subjekt etwas davon fühlt oder anerkennt." (27)
Mit dieser Unabhängigkeit des Sollens im Urteil rühre ich nun an den Angelpunkt von RICKERTs Theorie. Mit ihr steht und fällt die Objektivität der Wahrheit, die Unabhängigkeitstheorie in dem Sinne, wie sie RICKERT zu bestimmen versucht. Solange das Sollen lediglich in einem Gefühl der Urteilsnotwendigkeit besteht, lassen sich alle Argumente, die gegen die Evidenztheorie geltend gemacht werden können, auch gegen die Theorie RICKERTs anwenden. Vor allem ließe sich einwenden, daß tatsächlich schon eine Menge Urteile mit dem Gefühl der Evidenz gefällt wurden, die sich später als falsch erwiesen haben. Und da RICKERT selbst die mit einem Evidenzgefühl verbundene Urteilsnotwendigkeit auch auf Erfahrungsurteile ausdehnt, ließen sich vor allem naturwissenschaftliche Urteile anführen, die solange evident waren, bis sie eben durch ein anderes evidentes Urteil abgelöst wurden. Aber auch abgesehen von Beispielen läßt sich das Evidenzgefühl nicht vom Index der Subjektivität befreien, denn es tut sich bloß in einem Erlebnis kund, und Erlebnisse können nicht losgelöst von einem erlebenden Subjekt gedacht werden. Das Evidenzgefühl kann zwar als ein Kriterium der Wahrheit, nicht aber als das Kriterium der Wahrheit angesehen werden; denn sonst käme man in einen endlosen Streit über echte und unechte Evidenz, der allein genug Beweis dafür wäre, daß es sich bei der Gewißheit nur um einen mehr oder weniger deutlich erlebten Glauben an die Wahrheit, um Wahrscheinlichkeit handelt.

Es kommt natürlich alles darauf an, die Subjektivität des "in der Urteilsnotwendigkeit unmittelbar erfahrenen Sollens" zu umgehen, und RICKERT versucht das, indem er das Sollen als ein transzendentes, von jedem erkennenden Subjekt unabhängiges hinstellt. Es erhebt sich also die Frage: Mit welchem Recht wird die Transzendenz des Sollens behauptet?

RICKERT konstruiert da einen künstlichen Gegensatz, indem er sagt:
    "Die Notwendigkeit, um die es sich beim Urteilen handelt, ist nicht, wie die des Vorstellens, eine Notwendigkeit des Müssens. Sie kann es nicht sein, denn wenn wir uns auch bestimmt fühlen von einer Macht, die von uns unabhängig ist, so besteht das Urteil doch immer in einer Anerkennung, und anerkennen kann man nur einen Wert." (28) - Und

    "Wir heben hervor, daß die Urteilsnotwendigkeit als Richtschnur des Urteilens uns bindet, insofern der Sinn jedes Urteils in der Anerkennung des mit ihr verbundenen Wertes besteht, und wir drücken das am Besten dadurch aus, daß wir sie als eine Notwendigkeit des Sollens bezeichnen." (29) -
Während also RICKERT unter Müssen den "psychologischen Zwang, der die Bejahung hervorbringt" versteht, meint er mit Sollen einen Imperativ, "den wir gewissermaßen in unseren Willen aufnehmen". Um aber die Transzendenz des Sollens zu beweisen, frägt RICKERT, ob sie sich leugnen läßt,
    "ohne, daß man in Widerspruch kommt und dadurch die Leugnung sich selbst aufhebt. Denn ein anderes Kriterium als dieses besitzen wir zur Begründung der Voraussetzungen der Erkenntnis nicht." (30)
Und er gelangt zu dem Ergebnis: "Die Leugnung dieses Sollens hebt sich von selbst auf, denn jede Leugnung ist ein Urteil und erkennt, sobald es den Anspruch auf Wahrheit erhebt, implizit das transzendente Sollen an." (31) Durch diesen Satz kann jedoch unmöglich die Transzendenz des Sollens für bewiesen gelten. Denn man braucht nur anstelle des Wortes "Sollen" das Wort "Wahrheit" zu setzen, um zu erkennen, daß es sich dabei gar nicht um den Nachweis der Transzendenz des Sollens, sondern vielmehr um die Widerlegung des schon in der Einleitung diskutierten Satzes "Es gibt keine Wahrheit" handelt. Wie schon dort erwähnt, setzt dieser Satz, der als Urteil mit dem Anspruch auf Gültigkeit auftritt, schon Wahrheit voraus; er ist darum unaufstellbar, undenkbar. - Genau genommen geht aber aus der Widerlegung des Satzes "Es gibt keine Wahrheit" nur die Unabtrennbarkeit von Urteil und Wahrheit hervor. Denn wenn ich den Satz "Es gibt keine Wahrheit" überhaupt nicht aufstellen kann, so heißt das nur: Ich kann nicht urteilen, ohne die Existenz der Wahrheit vorauszusetzen. Oder: Weil ich von vornherein die Existenz der Wahrheit anerkenne, kann ich urteilen. Wollte man darin die Transzendenz des Sollens erkennen, so käme wiederum der Pleonasmus: "Wahre Urteile sind wahr, weil sie wahr sind" heraus; denn wahre Urteile un gesollte Urteile sind ein und dasselbe. - Noch ein anderer Einwand taucht immer wieder auf: Da wir des Sollens überhaupt nicht anders inne werden können, als ein einem Gefühl und Gefühle niemals von aller Subjektivität entkleidet werden können, bleibt immer noch ein Rest von Subjektivität auch im Sollen. RICKERTs Versuch, "aus dem Subjekt das Objekt herauszuzauber" (WUNDT), kann, wenn auch die Transzendenz des im Urteil bejahten oder verneinten Wertes zugegeben wird, als nicht völlig geglückt bezeichnet werden.

Es soll hier jedoch, wiewohl das nicht im Sinn RICKERTs sein wird, angedeutet werden, inwiefern sich dennoch das Sollen als ein kategorisches denken läßt, ohne eine contradictio in adjecto [Widerspruch in sich - wp] zu sein. Es wurde oben erwähnt, daß RICKERT unter einem Sollen einen Imperativ versteht, "den wir gewissermaßen in unseren Willen aufnehmen". Dieses "gewissermaßen" kennzeichnet die Unklarheit der Situation, das Vergleichsweise, wie Subjekt und Objekt im Urteil durcheinander geschoben gedacht werden müssen, um dann dennoch eine gewissermaßen objektive Wahrheit herausbringen zu können. Faßt man die Urteilsnotwendigkeit als ein kategorisches Sollen auf, das - obwohl es RICKERT vermeidet, sich auf KANT zu berufen - ganz analog dem kategorischen Imperativ der kantischen Ethik interpretiert werden muß, so klärt sich vielleicht das Problem, das durch RICKERTs Auffassung von der Transzendenz des Sollens in die Wahrheitsfrage gebracht wurde. Wenn wir nämlich die Urteilsnotwendigkeit als eine Notwendigkeit des Sollens auffassen, so kann das, nachdem nicht die Transzendenz des Sollens, wohl aber die Transzendenz des anzuerkennenden Wertes als Voraussetzung genommen werden kann, heißen: Ein Urteil muß gefällt werden, als ob der vom urteilenden Subjekt unabhängige Wert anerkannt werden sollte. Analog der Interpretation, die VAIHINGER dem kategorischen Imperativ KANTs gibt: "Handle so, als ob deine Maxime einer allgemeinen Gesetzgebung zugrunde gelegt werden sollte." (32) Denn dieser unabhängige transzendente Wert ist uns ja nicht unmittelbar gegeben, sondern nur durch das Gefühl, daß wir ihn als zweckmäßig anerkennen sollen. Indem wir einen Imperativ in unseren Willen aufnehmen und danach urteilen, bejahen oder verneinen wir nur, als sollten wir in unserem Urteil einen transzendenten Wert anerkennen oder abweisen. - Auf welche Weise aber der durch die Partikelverknüpfung "als ob" involvierte logische Widerspruch wieder korrigiert wird und wie der Wahrheitsbegriff von der scheinbaren Relativität, der er durch diese Interpretation verfällt, bis zu einem gewissen Grad befreit werden kann, soll erst im Kapitel über VAIHINGERs Fiktionstheorie und besonders im Kapitel über den perspektivischen Wahrheitsbegriff dargestellt werden.

Nach dieser, außerhalb des Rahmens von RICKERTs Werttheorie liegenden Abschweifung soll nun zu einigen Konsequenzen, die RICKERT aus seiner Werttheorie ableitet, übergegangen werden.

Während nach der geläufigen Anschauung jedes Urteil sich auf etwas Gegebenes, eine Tatsache, einen Bewußtseinsbefund gründet, und die Wahrheit einer Aussage oder eines Urteils sich an der Wirklichkeit des ausgesagten oder beurteilten Tatbestandes erweist, folgt aus RICKERTs Standpunkt, nach dem
    "die Wahrheit aller Urteile auf dem in einer Bejahung anerkannten Wert beruth oder vielmehr in der Bejahung dieses Wertes allein besteht" (33)
der Satz: daß die Urteile, die etwas über die Wirklichkeit aussagen, "nicht deswegen wahr sind, weil sie aussagen, was wirklich ist", sondern vielmehr, daß wir das wirklich nennen, "was vom Urteilen als wirklich anerkannt werden soll." (34)

Diese Umkehrung der geläufigen Anschauungen begründet RICKERT folgendermaßen:
    "Man versuche für die Wahrheit des Urteils, daß ich jetzt Buchstaben sehe, irgendeinen anderen Grund zu finden, als das unmittelbare Gefühl des Sollens, der Notwendigkeit, so zu urteilen. Es gibt keinen, und man kann dieses Sollen auch nicht etwa auf ein Sein zurückführen, und es davon ableiten, daß das Urteil aussagen soll, was ist, denn um zu wissen, was ist, muß man doch schon geurteilt haben. Wissen ist ja bereits der Besitz der Wahrheit, und Wahrheit kommt nur Urteilen zu. Wissen setzt also geurteilt haben oder urteilen voraus ..." (35)
Damit soll bewiesen sein, daß nicht das Sein dem Sollen vorausgeht, wie gewöhnlich angenommen wird, sondern daß umgekehrt das Sollen dem Sein vorangeht. Diese Annahme stützt sich darauf, daß, "um zu wissen was ist", man schon geurteilt haben muß; denn das Wissen von einem Sein ist eben schon Erkenntnis von etwas Wirklichem; d. h. die Anerkennung eines Wertes ist nur möglich im Urteil, das sich wiederum auf das Sollen zurückführen läßt. "Wissen" setzt also schon geurteilt haben voraus und somit geht das Sollen dem Sein voraus. - Diese Argumentation ist aber nur in dem Fall richtig, wenn das Wissen von einem Sein, worauf das Sollen eventuell zurückgeführt werden kann, tatsächlich jenes erkenntnismäßige Wissen, jenes "Wissen über" ist, dem das Geurteilthaben vorausgeht. Offenbar handelt es sich aber, wenn behauptet wird, daß das Sein dem Sollen vorausgeht, nicht um das erkenntnismäßige Wissen, sondern um das Wissen im Sinn von bloßem Innesein eines Tatbestandes. Dieses "Wissen um" ist nicht mehr, als das bloße Haben eines Bewußtseinsinhalts oder, um noch einen anderen Ausdruck zu gebrauchen, der das Nichturteilsmäßige dieses psychischen Zustandes bezeichnet, die schlichte Beachtung eines Tatbestandes (36). Dieses Wissen um ein Sein setzt durchaus kein Urteil voraus, sondern ist ein letztes Element des Urteils, das schlechthin gegeben ist. Gegen dieses Wissen trifft auch nicht RICKERTs Argumentation zu, denn es ist kein erkenntnismäßiges Wissen "über", sondern ein unmittelbares Wissen "um" einen Tatbestand. RICKERTs Argumentation, die auf einer quaternio terminorum [Vervierfachung der Begriffe - wp] beruth, ist darum ungültig, weil sie sich einseitig gegen das erkenntnismäßige Wissen wendet, jenes Wissen aber, das ein Wissen um ein Sein ist, diesem gleichsetzt, und aufgrund dieser Äquivokation [Mehrdeutigkeit - wp] schließt, daß das Sollen dem Sein vorausgeht.

Daß das Sollen nicht dem Sein vorausgehen kann, ist auch daraus zu ersehen, daß die Bejahung oder Verneinung nur nach einer Frage Sinn hat. Wie schon oben gezeigt, können die Worte Ja oder Nein nur als Antwort auf eine eindeutige Frage gedacht werden. Ich bejahe oder verneine etwas, heißt: ich stimme einem mir unmittelbar gegebenen Bewußtseinsinhalt zu oder weise ihn ab. Das, was ich beurteile, muß mir zuerst gegeben sein, ich muß seiner inne geworden sein, ich muß darum wissen. Ginge das Sollen dem Sein voraus, so hieße das, daß die Bejahung oder Verneinung der Frage vorausginge, denn erst die Bejahung oder Verneinung wird von dem alternativen Lustgefühl, das ich kritisches Lustgefühl nannte und mit welchem erst das Sollen auftritt, geleitet. RICKERTs Theorie, daß das Sollen dem Sein vorausgeht, erscheint mir aber aus den hier angeführten Gründen unhaltbar.

Eine weitere Konsequenz, die RICKERT aus seiner Werttheorie zieht, soll hier noch angeführt werden.
    "Wenn wir als Gegenstand das bezeichnen wollen, wonach sich das Erkennen richtet", sagt Rickert (37), "so kann nur das Sollen, das im Urteil anerkannt wird, der Gegenstand der Erkenntnis sein. Erstens ist ein anderer Gegenstand nicht aufzufinden, ferner bedarf das richtig verstandene Erkennen eines anderen Gegenstandes nicht, weil für das Erkennen ein Sollen als Maßstab völlig genügt, ja endlich würde ein anderer Maßstab als das Sollen für das Erkennen, das Anerkennen ist, gar keine Beeutung haben können."
Damit aber, daß das Sollen als einziger Maßstab des Erkennens gilt, und die Transzendenz des Sollens, wie oben gezeigt, sich nicht erweisen läßt, andererseits wir des Sollens überhaupt nicht anders inne werden können, als in einem Gefühl, läuft die Unabhängigkeitstheorie RICKERTs auch mit dieser Konsequenz auf eine Evidenztheorie hinaus, die sich bei RICKERT nur dadurch besonders charakterisiert, daß hier das Gefühl der Evidenz sich im Gefühl des Sollens bekundet. Wieweit wir aber des Sollens innewerden können, hängt immer wieder vom erkennenden Subjekt ab, und RICKERT selbst muß im Verlauf seiner Ausführungen anerkennen:
    "Wie weit wir nun mit Sicherheit die wertvollen Urteile in unser Erkennen aufzunehmen imstande sind, wieweit das Gefühl der Urteilsnotwendigkeit uns täuschen kann, und welche Mittel wir haben, um Kriterien zu finden, die uns vor Täuschungen bewahren ... das ist selbstverständlich ganz unentschieden." (38) -
Damit gibt RICKERT jedoch seinen eigenen Standpunkt auf, denn da er keinen anderen Maßstab des Erkennens gelten lassen will, als das Sollen, ist das einzige Kriterium der Wahrheit: das Gefühl des Sollens, die Urteilsnotwendigkeit. Muß man aber die Möglichkeit offen lassen, daß das Gefühl des Sollens täuschen kann, so kommt man auf denselben Relativismus hinaus, den RICKERT mit seiner Werttheorie glücklich überwunden zu haben glaubt. Das kritische Moment im Wahrheitsproblem, die Frage nach der Objektivität der Wahrheit, bleibt also in RICKERTs Untersuchung ungelöst.

Zusammenfassung: RICKERTs Wahrheitstheorie gipfelt darin, daß diejenigen Urteile wahr sind, die gefällt werden sollen. "Die Wahrheit eines Urteils ist nichts anderes, als die Anerkennung des Sollens." (39) Dieses Sollen ist jedoch kein subjektives Gefühl, sondern es ist ein Imperativ, den wir gewissermaßen in unseren Willen aufnehmen. Der Wert, den wir mit der Bejahung im Urteil anerkennen, ist von uns unabhängig, und das Sollen, wodurch wir im Urteil geleitet werden, ist transzendent. Aber eben diese Transzendenz des Sollens gilt es zu beweisen, da an der Gefühlsmäßigkeit des Sollens leicht auch auf die Subjektivität der Wahrheit weitergeschlossen werden könnte. RICKERT frägt darum, ob wir die Transzendenz des Sollens leugnen können, ohne uns in Widersprüche zu verwickeln. "Wie aber steht es mit der Leugnung des Wertes der Urteile, die ein Sollen anerkennen?" frägt RICKERT und antwortet darauf:
    "Die Leugnung dieses Sollens hebt sich von selbst auf, denn jede Leugnung ist ein Urteil und erkennt, sobald es den Anspruch auf Wahrheit erhebt, implizit das transzendente Sollen an." (40)
Es wurde gezeigt, daß dieser Beweis auf jenen anderen Beweis zurückzuführen ist, nach dem die Wahrheit in einem Urteil nicht geleugnet werden kann, weil eben Urteil und Wahrheit voneinander unabtrennbare Begriffe sind. Demnach ist damit nicht die Transzendenz des Sollens, sondern die Unabtrennbarkeit von Urteil und Wahrheit bewiesen. Wollte man aber Wahrheit und Sollen identifizieren, wie es in dem oben zitierten Beweis geschieht, so würde man zu einer pleonastischen Wahrheitsbestimmung gelangen: Die wahren Urteile sind gesollt = wahr. Damit wäre jedoch nicht mehr für die Objektivität der Wahrheit gewonnen, als mit der Evidenztheorie, nur daß bei dieser diejenigen Urteile als wahr bezeichnet werden, die mit dem Gefühl der Evidenz auftreten, bei RICKERT aber die Urteile, die mit dem Gefühl des Sollens verbunden sind. Ein Urteil fällen sollen, heißt aber nichts anderes, als ein Urteil fällen müssen, wenn man einen Wert anerkennen will. Mit dem unzureichenden Beweis der Transzendenz des Sollens ist auch noch die Möglichkeit relativistischer Schlußfolgerungen aus RICKERTs Wahrheitstheorie nicht ausgeschlossen und der Zweck, den RICKERT mit seiner Unabhängigkeitstheorie verfolgte, ist folglich nicht erreicht.

Durch den verfehlten Beweis der Transzendenz des Sollens wird auch die Folgerung hinfällig, daß das Sollen dem Sein vorausgeht. Außerdem beruth der Beweis RICKERTs, daß das Wissen vom Sein das Geurteilthaben voraussetzt, auf der Äquivokation des Wortes Wissen, denn Wissen über und Wissen um sind prinzipiell verschieden, und nur von Wissen "um" kann die Rede sein, wenn behauptet wird, daß das Sein dem Sollen vorhergeht. RICKERTs Beweis, der auf einer quaternio terminorum beruth, ist also ungültig.

Ferner ergibt sich daraus, daß die Transzendenz des Sollens nicht bewiesen werden konnte, auch die Unrichtigkeit einer weiteren Konsequenz, die RICKERT gezogen hat: daß nämlich das Sollen der einzige Gegenstand der Erkenntnis ist. Auch mit dieser Behauptung läuft RICKERTs Unabhängigkeitstheorie auf eine Evidenztheorie hinaus. Nach RICKERTs eigenem Zeugnis kann uns das Gefühl der Urteilsnotwendigkeit, d. h. das Gefühl des Sollens, täuschen. Es käme also darauf an, andere Kriterien der Wahrheit zu finden, als das Gefühl des Sollens. Da aber solche Kriterien nach RICKERTs früheren Ausführungen unmöglich gefunden werden können, sondern für die Wahrheit eines Urteils ausdrücklich nur das unmittelbare Gefühl des Sollens als maßgebend von RICKERT anerkannt wurde, ist es offenbar, daß durch die hier dargestellte Werttheorie die Unabhängigkeit der Wahrheit weder vom Subjekt noch von der "Wirklichkeit" zureichend dargelegt wird.
LITERATUR - Adolf Lapp, Versuch über den Wahrheitsbegriff, [Inaugural-Dissertation] Erlangen 1912
    Anmerkungen
    1) Sigwart, Logik, Bd. 1, 1904, Seite 27.
    2) Rickert, Gegenstand der Erkenntnis, zweite Auflage, Seite 134.
    3) vgl. Rickert, Fichtes Atheismus und die kantische Philosophie, Seite 8
    4) Sigwart, a. a. O. Seite 155f, besonders 159.
    5) Lotze, System der Philosophie, Bd. 1, Logik (1881), Seite 61.
    6) Rickert, Gegenstand, Seite 94/95.
    7) Rickert, Gegenstand, Seite 86
    8) Rickert, Gegenstand, Seite 95
    9) Die problematischen Urteile, bei denen die Beurteilung zwar suspendiert, aber das Urteil doch ausgesprochen wird, können hier übergangen werden, da sie zur Darstellung von Rickerts Wahrheitsbegriff nicht nötig sind. Denn es kann sich nach Rickerts Theorie der Bejahung oder Verneinung nur um Urteile handeln.
    10) Rickert, Gegenstand, Seite 101
    11) Rickert, Gegenstand, Seite 103
    12) Rickert, Gegenstand, Seite 99
    13) Rickert, Gegenstand, Seite 105
    14) Rickert, Gegenstand, Seite 106
    15) Rickert, Gegenstand, Seite 106
    16) Hugo Münsterberg, Beiträge zur experimentellen Psychologie, Heft 3, 1890, Seite 30 und 111 passim.
    17) Rickert, Gegenstand, Seite 105
    18) Rickert, Gegenstand, Seite 86
    19) Rickert, Gegenstand, Seite 103
    20) Rickert, Gegenstand, Seite 106
    21) Rickert, Gegenstand, Seite 106
    22) Rickert, Gegenstand, Seite 112
    23) Rickert, Gegenstand, Seite 112
    24) Rickert, Gegenstand, Seite 112
    25) Alois Höfler, Grundlehren der Logik, 1907
    26) Rickert, Gegenstand, Seite 116
    27) Rickert, Gegenstand, Seite 125
    28) Rickert, Gegenstand, Seite 114
    29) Rickert, Gegenstand, Seite 115
    30) Rickert, Gegenstand, Seite 128
    31) Rickert, Gegenstand, Seite 130
    32) Hans Vaihinger, Die Philosophie des Als-Ob, 1911, Seite 719, 726, 731 passim.
    33) Rickert, Gegenstand, Seite 117
    34) Rickert, Gegenstand, Seite 117
    35) Rickert, Gegenstand, Seite 118
    36) Moritz Geiger, Das Bewußtsein von Gefühlen, Münchner Philosophische Abhandlungen, 1911, Lippsfestschrift, Seite 132f
    37) Rickert, Gegenstand, Seite 122
    38) Rickert, Gegenstand, Seite 157
    39) Rickert, Gegenstand, Seite 118
    40) Rickert, Gegenstand, Seite 130