ra-2ra-2 Albert SchäffleHeinrich Cohnvon EhrenfelsFriedrich von Wieser    
 
RUDOLF KAULLA
Das Objekt des Tauschwerts

"Die objektiven Werttheorien schätzen die menschliche Arbeit nur insoweit als wertvoll, als ihr ein geschäftlicher Erfolg beschieden ist, betrachten alle andere Arbeit aber als wertlos, als gleichgültig für die Wertbildung. Das ist der Punkt, bei dem sich die objektiven Theorien mit der Bedeutung des Gebrauchswertes für die Tauschwertbildung befassen. Der Gebrauchswert sei die unbedingte und selbstverständliche Voraussetzung jeglichen Tauschwerts; daß ein Ding als Gebrauchswert begehrt wird, entscheide hinterher darüber, ob die in ihm steckende Arbeit als eine wertbildende, produktive, gesellschaftlich notwendige Arbeit anerkannt werden kann."

"Die objektiven Werttheorien schätzen den Aufwand nur insoweit, als er unmittelbar Gebrauchswerte und Tauschwerte entstehen ließ. Es bleibt kein Raum für die Würdigung des Anteils, den auch  mißglückte  Versuche,  vergebliche  Mühen und die aus ihnen gewonnene Erfahrung am Erfolg der Produktionstätigkeit haben. Der heutige Stand der Technik auf allen Gebieten ist aber nicht erreichbar gewesen, ohne daß zahllose Erfinder vergeblich ihren Schweiß an Probleme gewendet haben, deren Lösung erst dem Tausendsten gelang. Niemals konnte und kann erwartet werden, daß eine Erfindung gleich beim ersten Versuch gelingt."

Es ist üblich, die Güter, aus denen sich das wirtschaftliche Vermögen, sei es eines Einzelnen oder einer Gesamtheit, einer physischen oder einer juristischen Person, zusammensetzt, einzuteilen in  körperliche  Gegenstände (Sachen) und in  unkörperliche  Gegenstände (subjektive Rechte).

Im Grunde ist diese koordinierende Einteilung aber nicht genau. Denn im Rechtsstaat ist das Privatrecht die Grundlage des wirtschaftlichen Gemeinlebens der Menschen. Die Wirtschaftssubjekte besitzen und nutzen ihr Vermögen, weil sie  Rechtssubjekte  sind. Die Unterwerfung der körperlichen Gegenstände und den Willen einer Person ist durch das Recht geregelt. Ein körperliches Gut erscheint als Vermögensbestandteil gleichsam nicht nackt und bloß, sondern umhüllt von einem Recht, das dem Subjekt eine bestimmt umgrenzte Verfügung über das Gut gestattet. Sogar der Dieb besitzt die gestohlene Sache kraft eines Rechts, nämlich des Rechts zum ungestörten Besitz einer tatsächlich besessenen Sache, das die Rechtsordnung jedem so lange gewährt, als nicht ein besseres Recht hervorgetreten ist. Der Kreis der körperlichen Gegenstände ist also umschlossen von einem weiteren Kreis der subjektiven Rechte, der neben allen anderen Rechten  auch  die Rechte an körperlichen Gegenständen umfaßt.

Jedes subjektive Recht setzt mit begrifflicher Notwendigkeit außer dem Berechtigten selbst ein fremdes Rechtssubjekt voraus, dem gegenüber es wirkt, sei es auch nur, indem es (wie das Eigentum) eine passive Respektierung erzwingt. Jede Einwirkung auf das Recht als solches bedeutet daher einen Eingriff in den Verkehr verschiedener Rechtssubjekte. Indem wir den Rechtsverkehr unseren Zwecken dienstbar machen, legen wir den Rechten  Verkehrswert  (Tauschwert) bei.

Die Einwirkung kann das ganze Recht ergreifen, wenn nämlich ein Recht bestellt oder in seinem ganzen Umfang übertragen oder vernichtet wird. Dann handelt es sich um den Verkehrswert des ganzen Rechts. Die Einwirkung kann aber auch derart sein, daß das Recht seiner Substanz nach dem Berechtigten verbleibt und nur eine dingliche oder obligatorische Beschränkung des Rechts stattfindet. Dann handelt es sich um den Wert des abgezweigten Teilrechts; und von diesem kann die Rechtsordnung abermals die Abzweigung weiterer Teilrechte gestatten.

So viele Rechte, so viele Verkehrswerte.  Wie als z. B. der Eigentümer eines Hauses nicht allein das Eigentum übertragen, sondern auch ein Pfandrecht oder einen Nießbrauch bestellen oder das Haus vermieten kann, so hat auch jedes dieser abgezweigten Rechte, der Nießbrauch, das Pfandrecht, das Mietrecht, seinen besonderen Verkehrswert.

Die "freien Güter", wie Luft (Gase), Wasser, haben Verkehrswert, soweit sie zuvor durch Okkupation Gegenstand von Rechten geworden sind.

Es ist daher ungenau, vom Verkehrswert körperlicher Güter zu reden, denn nicht  diese  sind unmittelbar Gegenstand des Verkehrs zwischen selbständigen Rechtssubjekten, sondern die  Rechte,  die an ihnen bestehen oder geschaffen werden. Wenn man z. B. vom Verkehrswert eines Hauses spricht und dabei nicht das volle Eigentum an einem Haus im Sinn hat, so ist dieses Eigentumsrecht doch je nach Lage der Gesetzgebung - es sei nur an die nachbarrechtlichen und baupolizeilichen Vorschriften erinnert - anders beschaffen und kann wiederum durch private Vereinbarungen in unendlich verschiedenartiger Weise beschränkt werden; alle solche Einwirkungen, seien sie öffentlich-rechtlicher oder privatrechtlicher, gesetzlicher oder vertragsmäßiger Natur, treffen nicht das körperliche Haus, sondern das  Eigentumsrecht  an diesem; durch jede Einwirkung wird  dessen  Bedeutung im Verkehr verändert.

So kann man auch bei einer Verpfändung oder Vermietung usw. genau genommen nicht dem körperlichen Haus einen Pfandwert oder Mietwert beilegen. Denn nicht das körperliche Haus ist der Gegenstand einer solchen Übertragung, sondern das Pfandrecht, das Mietrecht; ebenso wie z. B. beim Verkauf einer Wasserkraft nicht unmittelbar das Wasser oder die Wasserkraft selbst, sondern das Recht, sie zu benützen, den Gegenstand der Veräußerung bildet.

Mit der Übertragung eines Rechts an einem körperlichen Gegenstand  kann  auch des letzteren tatsächliche, körperliche Übergabe verbunden sein; das ist aber ein vom Austausch der Rechte  begrifflich unabhängiger  Vorgang. So kann das Eigentum übergehen, auch wenn der alte Eigentümer z. B. aufgrund eines gleichzeitigen Miet- oder Leihvertrages ein Recht auf körperlichen Besitz der Sache und diese selbst  behält.  Umgekehrt ist aber der Übergang des  körperlichen  Besitzes von einem Rechtssubjekt auf ein anderes nach dem schon oben Gesagten nicht anders möglich denn als äußere Erscheinung des Überganges eines  Rechts  zum Besitz.

Freilich bestehen notwendige  Wechselbeziehungen  zwischen Recht und Sache. Einerseits ergreift die Realisierung des Rechts die körperliche Sache; andererseits ist die - selbständigen Einwirkungen unterliegende - Beschaffenheit der letzteren bestimmend für den Umfang des Rechts. Insbesondere beim Eigentumsrecht bewirkt dieser Umstand im Sprachgebrauch sowohl des täglichen Lebens als auch der Rechtswissenschaft die  Identifizierung von Sache und Recht;  man spricht schlechtweg von der Veräußerung oder Verpfändung eines Hauses und auch im folgenden wird im Interesse einer kurzen Ausdrucksweise diesem Sprachgebrauch gefolgt werden. Allein Wirklichkeit sind das Eigentum (oder ein anderes Recht) und die körperliche Sache so wenig identisch, als ein und derselbe Gegenstand gleichzeitig körperlich und unkörperlich sein kann. Gleich wie  "das Ding ansich",  das hinter seiner äußeren Erscheinung steckt, nicht wahrnehmbar ist ohne diese selbst und wie es von dieser seiner subjektiv gefärbten Erscheinung dennoch verschieden ist, ähnlich erscheinen auch die Dinge im Wertverkehr nicht anders als in der Umhüllung durch irgendein Recht. Man muß sich also vor Augen halten, daß man nicht bloß körperliche Dinge meint, wenn man von  deren  Verkehrswert spricht, sondern stets auch  Rechte. 


II.

Alles Privatrecht hat seine Grundlage in der Macht des  Staates.  Inhalt und Sicherheit jeden Rechts beruth auf der Beschaffenheit der staatlichen  Gesetzgebung  (oder auch eines nur tatsächlich vom Staat anerkannten und geschützten Gewohnheitsrechts) und der öffentliche  Verwaltung.  Betrachtet man daher den Wert von der objektiven Seite, unter dem Gesichtspunkt seiner Erzeugung, nicht des Zwecks, so gehört zu denjenigen Momenten, denen diese Erzeugung zuzuschreiben ist, nicht nur der Aufwand an privater Tätigkeit, sondern ebenso auch die Tätigkeit des  Staates. 

Gehen im öffentlichen Leben Veränderungen vor sich, die den Bestand und die Sicherheit der Rechtsverhältnisse berühren, so werden auch die Güterwerte in Mitleidenschaft gezogen. Nicht nur jede positive Einwirkung der Rechtsordnung auf den Bestand eines Rechts, sondern auch jede Schwankung in der Sicherheit einer Rechtsordnung berührt den Tauschwert der im Wertverkehr befindlichen Güter und vermag ihn zu verändern. Zum Beispiel unter den Gründen, von denen die Höhe der Wechselkurse abhängig ist, befindet sich auch die Rücksicht auf die Rechtssicherheit: je geordneter und gefestigter ein Staatswesen ist, je vertrauenswürdiger seine Rechtspflege, je geringer die Sorge vor möglichen Störungen des inneren oder des äußeren Friedens, zu desto leichteren Bedingungen ist die Geschäftswelt des Auslandes bereit, dorthin Handel zu treiben und dort Anlagen zu machen; je weniger aber jenes der Fall ist, desto geringer bewertet und bezahlt sie - ceteris paribus [wobei die übrigen Dinge gleich sind - wp] das Recht auf Leistungen, zu denen sich der dortige Schuldner verpflichtet.

Von diesem Gedankengang aus ist auch ohne weiteres eine Stellung zu der Streitfrage gegeben, ob die Ausgaben für Heer und Marine an und für sich als  produktiv  anzusprechen sind oder nicht. Versteht man unter "produktiv" anzusprechen sind oder nicht. Versteht man unter "produktiv" jede Tätigkeit und jeden Aufwand, soweit sie sich als neue Werte schaffend oder als bestehende Wert erhöhend darstellen, so steht der produktive Charakter der genannten Art von Ausgaben außer Frage, sofern es sich um einen Aufwand handelt, der zur Erhaltung oder Erhöhung der Rechtssicherheit beiträgt. Denn Sicherung oder Erhöhung der Rechtssicherheit bedeutet nicht minder die Erzeugung oder Verbesserung einer den Wertobjekten wesentlichen und für die Werthöhe maßgebenden Eigenschaft als die Erzeugung oder Erhaltung irgendeiner körperlichen Eigenschaft des Objekts, das den Gegenstand eines Rechts bildet.

Es geht nicht an, den Einfluß der Tätigkeit des Staates etwa damit abzutun, daß man die Wirkungen dieses Einflusses als  künstliche  Veränderungen der Werte im Gegensatz zur "natürlichen" Wertbildung stellt. Denn die Einwirkung des Staates ist nicht nur an und für sich nichts Künstliches, sie läßt sich vielmehr aus einer entwickelten Volkswirtschaft überhaupt nicht fortzudenken. So wahr der Gegenstand des Tauschwerts stets ein subjektives Recht ist, so wahr ist eben der Tauschwert in seinem  wesentlichen  Bestand  mit  abhängig von denjenigen Faktoren, von denen dieses  Recht  abhängt, d. h. vom Staat und seiner Tätigkeit (im weitesten Sinn). Auch wenn bei werttheoretischen Untersuchungen die Wirksamkeit des Staates nicht mit in Rücksicht genommen wird, ähnlich wie etwa der Naturforscher einen luftleeren Raum für seine Experimente herstellt, so pflegt es dennoch stets ein durchaus  geordneter  Zustand der Volkswirtschaft zu sein, von dem diese Untersuchungen ausgehen. Die logische Voraussetzung ihrer vom Staat abstrahierenden Gedankengänge ist also in Wahrheit nicht nur kein staatsloser, anarchischer Zustand, sondern im Gegenteil die Existenz eines Staates von  idealer Stabilität  in allen seinen Einrichtungen und Funktionen, so daß eben deren Einfluß auf das Wirtschaftsleben als ein sich stets gleichbleibender Faktor gesetzt und deshalb bei solchen Untersuchungen eliminiert werden kann.


III.

In jedem Wert steckt  nach dem Dargelegten  eine Quote, die der Tätigkeit des Staates und seinen Einrichtungen verdankt wird.  Indem der Staat Steuern erhebt, zieht er also gewissermaßen seinen Gewinnanteil aus der volkswirtschaftlichen Produktion heraus, an deren wertbildenden Prozessen er fortdauernd, sei es auch nur durch einen einfachen Schutz der Rechtsordnung, mitwirkt.

Dieser Gedankengang ist geeignet, das Besteuerungsrecht als solches, die Einrichtung, daß der Staat überhaupt Steuern erhebt, rechtsphilosophisch zu begründen. Aber es verbietet sich, nur bei  einzelnen  Steuern - im Unterschied von  anderen  Steuern - auf die Bedeutung der allgemeinen Staatstätigkeit für die Wertbewegung hinzuweisen.

Es wurde z. B. die Beteiligung des Reichs am Ertrag der durch das Reichsgesetz vom 14. Februar 1911 normierten Steuer auf den Wertzuwachs inländischer Grundstücke mit dem Hinweis darauf begründet, daß der Wertzuwachs an Immobilien mindestens zu einem guten Teil dem Bestand und dem Wirken des Deutschen Reiches verdankt werde; deshalb sei es nicht mehr als billig, dem Reich auch einen Teil dieses Wertzuwachses wieder zukommen zu lassen. Nun kann es ja vom Standpunkt des Äquivalenzprinzips aus leicht gerechtfertigt werden, wenn eine Gemeinde, wie das an vielen Orten der Fall ist, eine solche Sondersteuer erhebt. Denn es ist offensichtlich, daß die Gemeinde viele Aufwendungen macht (insbesondere für den Straßenbau), die unmittelbar solche Wertsteigerungen des Grund und Bodens bewirken und es liegt nahe, den hierdurch vor der Masse der Steuerzahler begünstigten Eigentümern eine Sondersteuer aufzuerlegen, die ein gewisses Äquivalent für diese auf allgemeine Kosten erlangten Sondervorteile bildet. Es lassen sich auch viele Fälle denken, in denen sich dem Reich oder einem Staat gegenüber die Sache sich ähnlich verhält, z. B. wenn das Reich neue Garnisonen schafft oder wenn ein Staat eine neue Bildungsstätte an einem Ort ins Leben ruft oder diesen oder jenen Landesteil mit einer neuen Eisenbahnlinie versieht usw. Tatsächlich ist es dann ja auch, namentlich in Fällen der letztgenannten Art, gebräuchlich, die begünstigten Gemeinden irgendwie zu Sonderbeiträgen zu verpflichten (in Gestalt von Barzuschüssen, Garantien, unentgeltlichen Grundabtretungen und dgl. mehr).

Im analogen Gedankengang kann man freilich dazu kommen, zu fordern, daß in solchen Fällen, wo durch Veranstaltungen eines öffentlichen Körpers, die im Interesse der Allgemeinheit vorgenommen werden, einzelnen Personen oder Gemeinden ein Sonder nachteil  zugefügt wird, diesen aus öffentlichen Mitteln auch eine Entschädigung für diese Sonderbelastung zugebilligt werden muß, also z. B. wenn eine Garnison oder wenn eine Regierungsbehörde von dem Platz wegverlegt wird, an die sie sich bisher befand usw.

Allein bei der Reichswertzuwachssteuer handelte es sich nicht nur um solche Fälle, in denen ein erkennbarer Zusammenhang zwischen bestimmten Aufwendungen aus öffentlichen Mitteln und der Wertsteigerung, um die es sich handelt, vorliegt; vielmehr wurde die Begründung der Steuer dem Zusammenhang des Wertzuwachses mit der  allgemeinen  Wirksamkeit des Reiches entnommen. Aber dieser Zusammenhang besteht in analoger Weise wie beim Wertzuwachs an Immobilien auch bei jedem anderen Wertzuwachs. Wenn z. B. die Textilindustrie gute Geschäfte macht, so verdankt sie das auch nicht allein der technischen und kaufmännischen Geschicklichkeit ihrer Leiter, sondern unter anderem auch dem Umstand, daß die Bevölkerung wächst und deshalb mehr Kleider braucht, ebenso wie sie mehr Land zum Bau von Wohnungen benötigt; sie verdankt es ferner dem Umstand, daß die Masse der Bevölkerung kaufkräftiger wird, woran der Gesetzgebung und Verwaltung von Reich, Staat und Gemeinde ein guter Teil des Verdienstes gebührt. Oder die Einkommensverhältnisse der liberalen Berufe sind ebenfalls zu einem guten Teil mitbedingt durch die Größe und durch die ganze wirtschaftliche Lage der Bevölkerung, in deren Mitte die Berufe ausgeübt werden; auch  ihren  Einnahmen kommt eine glückliche Wirksamkeit der öffentlichen Körper zugute. Das gleiche läßt sich analog von  allen  Erwerbsberufen in  allen  ihren Zweigen sagen.

In Wahrheit steckt in  jedem  inländischen Wert eine Quote, die volkswirtschaftlich auf das Konto von Reich und Staat und der anderen öffentlichen Körper zu buchen ist. Von der Besteuerung des "unverdienten" Wertzuwachses am Grundbesitz gelangt man daher mit unerbittlicher Notwendigkeit zu einer Besteuerung eines solchen Wertzuwachses auch am beweglichen Vermögen. Es war eine durchaus folgerichtige Entwicklung  (wenn schon  dieser Weg einmal beschritten wurde), die von der partiellen, auf das immobile Kapital beschränkten Wertzuwachssteuer zu einer generellen Besteuerung  allen  kapitalistischen Wertzuwachses gedrängt hat, wie sie jetzt in der sogenannten Besitzsteuer des Deutschen Reiches aufgrund des Reichsgesetzes vom 3. Julie 1913 verwirklicht ist, die ihrerseits dem zwingend richtigen Gedanken einer allgemeinen Kriegsgewinnsteuer den Boden geebnet hat.


IV.

Die Bedeutung des  Staates  und insbesondere der  Rechtsordnung  für die Wertbildung hervorheben, heißt aber allerdings nur erst nach  einer  Seite hin daran erinnern, daß die Erzeugung eines Gutes regelmäßig nicht bloß der unmittelbar darauf verwendeten Arbeit, sondern vielmehr unserer  gesamten Kultur  zu verdanken ist.

Die objektiven Werttheorien schätzen die menschliche Arbeit nur insoweit als wertvoll, als ihr ein geschäftlicher Erfolg beschieden ist, betrachten alle andere Arbeit aber als wertlos, als gleichgültig für die Wertbildung. Das ist der Punkt, bei dem sich die objektiven Theorien mit der Bedeutung des Gebrauchswertes für die Tauschwertbildung befassen. Der Gebrauchswert sei die unbedingte und selbstverständliche Voraussetzung jeglichen Tauschwerts; daß ein Ding als Gebrauchswert begehrt wird, entscheide hinterher darüber, ob die in ihm steckende Arbeit als eine wertbildende, produktive, gesellschaftlich notwendige Arbeit anerkannt werden kann. Wohl rechnen selbstverständlich die objektiven Werttheorien zu dem für die Produktion benötigten Aufwand an Arbeit oder Kosten auch den Aufwand, der durch  früher  vorangegangene Arbeit auf diejenigen Maschinen und Werkzeuge, die zur Produktion benützt werden, auf die Produktion der Rohstoffe und Hilfsstoffe selbst, auch auf die Erziehung und Ausbildung der Produzenten verwendet worden ist. Allein sie schätzen diesen Aufwand nur insoweit, als er unmittelbar Gebrauchswerte und Tauschwerte entstehen ließ. Es bleibt kein Raum für die Würdigung des Anteils, den auch  mißglückte  Versuche,  vergebliche  Mühen und die aus ihnen gewonnene Erfahrung am Erfolg der Produktionstätigkeit haben. Der heutige Stand der Technik auf allen Gebieten ist aber nicht erreichbar gewesen, ohne daß zahllose Erfinder vergeblich ihren Schweiß an Probleme gewendet haben, deren Lösung erst dem Tausendsten gelang. Niemals konnte und kann erwartet werden, daß eine Erfindung gleich beim ersten Versuch gelingt.

Tausend Versuche müssen erst die Ungangbarkeit von tausend Wegen erwiesen haben, ehe sich der richtige Weg zeigt. Ist die Arbeit aller jener anderen Versuche, sind die Kosten, die auf sie verwendet wurden, vergeblich gewesen? Individuell betrachtet, gewiß. Von einem höheren Standpunkt der volkswirtschaftlichen Entwicklung aus sind sie jedoch so sicher notwendig gewesen, als alle unsere heutigen Errungenschaften nicht aus dem Boden gestampft, sondern das mühselig und unter fortwährenden Enttäuschungen errungene Resultat der gesamten Vergangenheit sind, auf die wir zurückblicken.

Betrachten wir die Kosten und den Arbeitsaufwand, den eine Flugmaschine darstellt! Ihr Kostenwert ist freilich leicht festzustellen. Derjenige ganze Aufwand an Arbeit und Kosten jedoch, der  insgesamt  an die Entdeckung des Flugproblems nicht nur tatsächlich gerückt worden ist, sondern hat gerückt werden  müssen,  tritt weder im Kostenwert noch auch im Arbeitswert des Produkts in Erscheinung; in diesen geht höchstens der Aufwand desjenigen Erfinders ein, dem nach den Erfolgen seiner unglücklichen Vorgänger und zwar zu einem guten Teil  dank  diesen Mißerfolgen die entscheidende Erfindung gelang - auch dieser Aufwand übrigens nur, seitdem die Rechtsordnung das Recht der Erfindung schützt und  insoweit  das der Fall ist (dann freilich möglicherweise auch einschließlich der Kosten für vergebliche Versuche des Erfinders).

Nicht anders steht es nun bei  allen  Erfindungen der Technik, deren Ergebnis der tatsächliche Zustand der Güterproduktion ist und nicht anders verhält es sich auch in den anderen Zweigen der wirtschaftlichen Produktion. Man denke z. B. an die Erschließung bergmännischer Schätze! Wie viele Bohrungen müssen oft vergeblich gemacht werden, damit schließlich der richtige Minengang gefunden wird. Ob der glückliche Finder den vollen Einsatz seiner Kosten erwarten kann, hängt von der Lage des Marktes, von der Nachfrage und dem sonstigen Angebot ab; jedenfalls scheiden die Mühen und Kosten aller derjenigen aus (auch wenn die Marktverhältnisse dem Produzenten noch so günstig sind), die kein verwertbares Recht erzielt haben. Auch die heutige Art des  Handels betriebes hat erst mit dem Lehrgeld zahlloser Versuche und Fehlgriffe bezahlt werden müssen.  Alle geistige  Produktion der Gegenwart ist erst das Ergebnis einer tausendjährigen Entwicklung, bei der unzählige Menschen in unendlich kleinen Teilen und unter unendlich vielen Irrgängen, die als solche erst erprobt werden mußten, das Gebäude unserer heutigen Erkenntnis zusammengefügt haben.

In früheren Zeiten mochte man an der Notwendigkeit und kulturellen Wichtigkeit auch fehlgeschlagener Versuche speziell auf dem Gebiet der Güterproduktion und damit auch an der wahren Bedeutung des (vom privatwirtschaftlichen Standpunkt aus betrachtet) vergeblichen, fruchtlosen Kostenaufwandes vorbeigehen, solange die Produktions- und Betriebsmethoden auf allen Gebieten noch einen stabileren Charakter hatten. Im Zeitalter der modernen Technik geht das aber umso weniger an, als es jetzt eine alltägliche Erscheinung geworden ist, daß eine neue Erfindung die älteren zerstört und entwertet und zwar oft schon ehe die Kosten dieser älteren auch nur erst abgeschrieben sind. Dieser Fall ist aber mit dem schon genannten aufs engste verwandt. Es ist nur ein gradueller, kein wesentlicher Unterschied, ob der Aufwand eines Erfinders überhaupt zu keinem Resultat geführt hat, das in der Praxis Verwertung finden konnte oder obwohl eine Erfindung zur Einführung kam, jedoch schon, ehe sie sich vollständig bezahlt machen konnte, durch eine neuere verdrängt wurde. Im einen wie im anderen Fall ist eine (privatwirtschaftlich) wertlos gewordene Arbeit und Kapitalverwendung dennoch die notwendige Vorstufe der Gegenwart und Zukunft gewesen. Die Vergangenheit hat das Lehrgeld bezahlt für die Gegenwart, ohne das der heutige Zustand der Produktion nicht denkbar wäre.

Dieser Gedankengang ist geeignet, die kulturelle Bedeutung der Ansammlung privater Vermögensüberschüsse ins rechte Licht zu rücken. Denn es muß möglich sein, für unzählige Versuche Unmengen Geldes erst sozusagen zum Fenster hinauszuwerfen, bis  einem  schließlich Erfolg beschieden ist.  Das Geldhinauswerfen können in diesem Sinn ist eine der wichtigsten Voraussetzungen des Kulturfortschrittes. 

Wie wäre es möglich gewesen - um einige besonders markante Beispiele zu nennen -, die Nutzbarmachung der Dampfkraft und der Elektrizität auf ihre jetzige Höhe zu bringen, wenn es an Privatleuten gefehlt hätte, die überflüssiges Geld besaßen und es für Unternehmungen hergeben konnten, die der ganzen Mitwelt als hirnverbrantt und lächerlich erschienen! Auf Staatsgelder hätten die Bahnbrecher auf diesen Gebieten lange warten können. Man erinnere sich der Geschichte der ersten Eisenbahnen, die man selbst in der gelehrten Welt nicht weniger für Narrenpossen erklärte, wie noch vor wenigen Jahren jeden Gedanken an ein lenkbares Luftschiff und an eine Flugmaschine. Keine Staatsregierung und kein Parlament der Welt hätte jemals einen roten Pfennig an diese himmelsstürmenden Gedanken gewagt und ebenso unwahrscheinlich ist es, daß die nötigen Mittel für solche Zwecke in einem Volk aufzubringen wären, das ohne eigentlich reiche Leute nur kleine Sparer besäße, denen es, weil sie weit näherliegende Sorgen haben, durchschnittlich gar nicht in den Sinn kommen kann noch darf, ihre geringen Überschüsse auf Erfinderphantasien zu riskieren. Fehlt es an ausgiebigen Vermögensüberschüssen in privaten Händen, so sind in zahllosen Fällen der Geist und die Tatkraft der Erfinder zur Machtlosigkeit verdammt.

Was hier in bezug auf das wirtschaftliche Gebiet gesagt ist, gilt freilich ebenso auch für Unternehmungen sozialen, ethischen, künstlerischen und jedes beliebigen sonstigen Charakters. Wo überall es sich um Gedanken und Taten handelt, die keine Schablonisierung vertragen, ist es die unbedingte Voraussetzung zahlloser kulturell wertvoller Unternehmungen, daß individuelle Willkür, Neigung und Unternehmungslust sich ausgiebig betätigen können. Regelmäßig ist das aber nur der Fall, wenn sie an privatem Kapitalüberfluß - eigenem oder fremdem - ihren Rückhalt finden.

Der kulturelle Wert und damit die Daseinsberechtigung privaten Reichtums liegt eben in der Möglichkeit, auch solche Bestrebungen ins Leben zu rufen und zu entwickeln, die, materieller Unterstützung bedürftig, auf diese sonst nicht rechnen könnten, weil sie dem Verständnis, dem Bedürfnis, dem Geschmack nur  Vereinzelter  entsprechen und auf deren, der Wertbildung - sei es im idealen oder im ökonomischen Sinn, sei es unmittelbar oder mittelbar - zugute kommende Ergebnisse sonst daher verzichtet werden müßte.


V.

Nach dem eingangs Dargelegten ist das Objekt der Bewertung im Tauschverkehr in  erster  Linie nicht sowohl eine Materie, als vielmehr ein  Recht  (auf irgendein Handeln, Dulden oder Unterlassen).

Zum Beispiel das Objekt des Kaufvertrags, d. h. das Objekt derjenigen Bewertung, die den Preis bestimmt, ist genau betrachtet das Recht, die Forderung, auf  Verschaffung  des Eigentums; in allen Fällen ist das, was ich erkaufe und dessen Wert ich bezahle, das Recht auf die in der Eigentumsverschaffung bestehende  Leistung.  Wie lange Zeit dabei zwischen dem Kaufabschluß und der Erfüllung der Leistungsverbindlichkeit verstreicht, ob diese Erfüllung sofort nach Abschluß erfolgt, wenn die verkaufte Sache gerade zur Hand ist, oder erst zu einem späteren Zeitpunkt, wenn die Sache erst herbeigeschafft oder gar erst produziert werden muß oder weil vielleicht der Verkäufer erst die auf einen späteren Zeitpunkt verschobene Zahlung des Preises durch den Käufer abwarten will - all das sind in dieser Hinsicht außerwesentliche Momente, bloße accidentalia [Zufälligkeiten - wp] die daran nichts ändern, daß es nicht eine körperliche Sache an und für sich, sondern ein Recht, die Forderung auf eine  Leistung  ist, was gekauft und bewertet wird.

Was hier bezüglich des Kaufgeschäftes dargelegt ist, kann analog auf alle beliebigen Rechtsgeschäfte und alle beliebigen Objekte angewendet werden. Die Feststellung, daß das Objekt der Bewertung bei einem Vertragsschluß im Tauschverkehr genau betrachtet stets in einer Leistung besteht, ist aber gleichbedeutend mit der Feststellung, daß dieses Objekt etwas  Zukünftiges  darstellt. Nicht um  getane  Arbeit, nicht um eine in einem Gut bereits verkörperte Arbeit handelt es sich bei der Bewertung, sondern um eine  zukünftige  Arbeit, eine  zukünftige  Leistung (ein zukünftiges Handeln, Dulden oder Unterlassen).

Es wäre vielleicht besser, bei der Untersuchung des Wertproblems nicht, wie üblich, gerade von der Betrachtung eines Umsatzes  fertiger Güter  auszugehen. Denn die Auffassung, als sei der Umsatz  fertiger  Produkte der  Normalfall  des Wertverkehrs und daher das gegebene Schulbeispiel für dessen theoretische Untersuchung, steht nicht in Harmonie mit der Wirklichkeit.

Betrachtet man die Frage historisch, so wird man unterscheiden müssen zwischen demjenigen Verkehr, der sich zwischen verschiedenen Angehörigen desselben Stammes (oder einer sonstigen wirtschaftlichen Gemeinschaft) und demjenigen Tauschverkehr, der sich zwischen Stammesfremden entwickelte. Daß für den letzteren Verkehr der Austausch fertiger Produkte als das natürliche und ursprüngliche zu betrachten ist, dar als sicher betrachtet werden. Auch aus Reisebeschreibungen, die uns die Kenntnis der Gebräuche neuzeitlicher, auf niedriger Kulturstufe stehender Völkerschaften vermitteln, wissen wir, daß der Händler, überhaupt jeder Fremde, der Regel nach nur in der Art einen Handelsverkehr mit solchen Stämmen unterhalten kann, daß Zug um Zug, Ware gegen Ware (Preis) getauscht wird. Was aber die Entwicklung  innerhalb  der wirtschaftlichen Gemeinschaften betrifft, so darf sowohl für die alten Markgenossenschaften wie für die mittelalterliche Fronhofswirtschaft folgendes als der typische Zustand betrachtet werden. Jedem Mitglied der Gemeinschaft war seine besondere Funktion angewiesen. Dabei war ursprünglich die Regel, daß der Einzelne  nur  für die  Gemeinschaft  arbeitete und daher auch  nur  von dieser (bzw. dem Herrn des Fronhofs) das Entgelt, also seinen Unterhalt, empfing. Wie sich aber im Lauf der Zeit mehr und mehr Gelegenheit bot, mit Fremden in Verbindung zu treten, so verbreitete sich auch die Gewohnheit, diejenige Arbeitszeit, die einer innerhalb seiner eigenen Gemeinschaft voll zu verwerten keine Gelegenheit hatte, als die überschüssige Arbeitszeit, zu entgeltlichen Diensten für Fremde zu verwenden. Hatte z. B. ein solcher Frohnhofsschmied oder -zimmermann zuhause keine Beschäftigung, die seine Zeit ausfüllte, so stellte er seine Arbeitskraft, falls er Gelegenheit hatte, Fronhofsfremden zur Verfügung. Der Fronherr hatte kein Interesse, eine solche Nebenarbeit zu verhindern, erst recht dann nicht, wenn er sich, was die Regel sein mochte, von diesem Nebenverdienst seines Hörigen eine Abgabe abliefern ließ.

Die  ursprüngliche  Form einer solchen Nebenarbeit konnte wohl im allgemeinen  nicht  wohl die gewesen sein, daß irgendwelche Gegenstände auf  Vorrat  hergestellt und dann außerhalb angeboten wurden; vielmehr war es nach aller Wahrscheinlichkeit so, daß der Hörige bzw. Markgenosse auf  Bestellung  arbeitete, gleichviel, ob er dabei auf die Stör [Hausieren - wp] ging oder daß er die bestellte Arbeit bei sich zuhause ausführte, wenn er eben nur hier die notwendige Einrichtung besaß (z. B. als Schmied). Es handelte sich in diesen Verhältnissen also nicht um Kauf, sondern um Dienstmiete oder Werkmiete.

Erst ganz allmählich konnte sich denkbarerweise in solchen Verhältnissen ein Arbeiten auf Vorrat und damit ein regelmäßiger Umsatz  fertiger  Güter entwickeln. Der Fortgang dieser Entwicklung hat aber, genau besehen, über ein verhältnismäßig kleines Anwendungsgebit nie hinausgeführt und konnte das auch gar nicht; in der Gegenwart kann sogar wohl eher wieder von einer rückläufigen Bewegung gesprochen werden.

Der Verkauf fertiger Güter (der ein Arbeiten auf Vorrat zur notwendigen Voraussetzung hat) kann heute wohl nur noch im Bereich des Kleinkaufmanns, der in unmittelbarem Verkehr mit dem Publikum die kleinen Bedürfnisse des täglichen Lebens bedient und des kleinen Landwirts als der typische Normalfall betrachtet werden. Sonst aber, namentlich im Großhandel und in der Großindustrie, herrscht mehr und mehr das Streben nach einer festen Bindung der Bezugs und Lieferungsverhältnisse; vom Fall besonderer Spekulationen abgesehen pflegt es da das Zeichen eines schlechten Geschäftsgangs zu sein, wenn auf Vorrat ein Lager gehäuft wird.

Mit anderen Worten: Unter allen Fällen des Umsatzes körperlicher Güter nimmt der Umsatz fertiger Güter nur einen verhältnismäßig kleinen Raum ein. Der gesamte Umsatz körperlicher Güter wiederum ist aber nur ein Teil des gesamten Wertverkehrs überhaupt, wobei letzterer außerdem noch das ungeheure Gebiet der Arbeits- und Dienstverträge und eine unendliche Fülle sonstiger Rechtsverhältnisse umfaßt. Nicht nur vom Standpunkt der subjektiven Werttheorien aus betrachtet hat somit der Tauschwert seine Wurzel und sein Maß in der Erwartung eines  zukünftigen  Geschehens, nämlich der Bedürfnisbefriedigung, um deretwillen ein Gut gewertet und begehrt wird - sondern, nach dem Dargelegten, auch von der objektiven Seite her gesehen, handelt es sich der  Regel  nach um die Bewertung eines  zukünftigen  Geschehens,  um die Bewertung zukünftiger, nicht vergangener Leistung  und es geht nicht an, die Bewertung  fertiger  Güter, bereits  getaner  Arbeit als den schlechthin natürlichen und normalen Fall anzusehen, der der selbstverständliche Ausgangspunkt wäre für die Untersuchung des Wertverkehrs überhaupt.

Ob und inwieweit die hier vertretene Auffassung vom Wesen des Tauschobjekts bei der Untersuchung derjenigen Gesetze, die die  Höhe  des Tauschwerts bestimmen, von Nutzen sein kann, ist ein Gegenstand für sich.
LITERATUR - Rudolf Kaulla, Das Objekt des Tauschwerts, Festschrift für Lujo Brentano zum 70. Geburtstag, München und Leipzig 1916