ra-2W. BeckerF. LassalleD. KoigenW. HasbachR. Treumann    
 
GEORG JELLINEK
(1851-1911)
Die Erklärung der Menschen-
und Bürgerrechte


"Die Erklärung der Menschenrechte soll nichts anderes als die Formulierung des Staatsvertrags gemäß den Ideen Rousseaus sein? Es ist schwer verständlich, wie ein Kenner des contrat social eine solche mit der landläufigen Anschauung übereinstimmende Behauptung aufstellen kann. Der contrat social hat nur eine einzige Klausel, nämlich die volle Entäußerung aller Rechte des Individuums an die Gesellschaft. Das Individuum behält kein Atom Recht für sich, sobald es in den Staat eintritt. Alles, was es an Rechten erhält, bekommt es vom allgemeinen Willen, der allein über seine Grenzen entscheidet und von keiner Macht rechtlich beschränkt werden darf und kann."


Vorrede zur zweiten Auflage

Die nachfolgende Abhandlung, die zuerst vor mehr als acht Jahren als eine Studie zu meiner allgemeinen Staatslehre erschien, hat eine viel größere Wirkung gehabt, als ich erwarten durfte. Sie hat in Deutschland Zustimmung und Anerkennung gefunden, die sich oft in ungewöhnlich warmen Worten äußerte. Sie hat Übersetzungen in mehrere Sprachen erfahren. Zwei von ihnen sind von mir ausdrücklich bewilligt und durchgesehen worden. Zuerst die englische, die in Amerikan veranstaltet wurde (1), so dann die französische, der ein Professor der Pariser Rechtsfakultät Geleitworte vorangeschickt hat (2). Die französische Ausgabe hat jedoch bald das Mitglied des Instituts von Frankreich, Herrn EMIL BOUTMY, zu einer ausführlichen Entgegnung veranlaßt, die trotz aller Höflichkeit der Form, die französische Polemik so vorteilhaft auszeichnet, nicht anders als leidenschaftlich genannt werden kann (3).

BOUTMY fühlt sich in seinen nationalen Empfindungen verletzt, weil ich die Originalität der Franzosen bei der Schöpfung ihrer Erklärung der Rechte verneint habe. Diese sucht er zu verteidigen, indem er die neuesten Forschungen gänzlich ignoriert, die, auch von französischer Seite unternommen, die Richtigkeit meiner Behauptungen bestätigen. In seiner Leidenschaft hat er meine Schrift nicht einmal richtig gelesen und daher nicht richtig verstanden. Er setzt anstelle der Tatsachen seine Empfindungen und anstelle des Beweises die geistreiche Deklamation. Die Stimme dieses angesehenen Mannes, der den Sieg französischen Esprits über deutsche Gelehrsamkeit verkündigen zu können glaubte, hat in Frankreich Eindruck gemacht. Ich habe mich daher veranlaßt gesehen, Herrn BOUTMY in Frankreich selbst entgegenzutreten (4), indem ich nachwies, daß er mich in keinem einzigen Punkt widerlegt hat, zumal er den ganzen Zweck meiner Schrift mißverstanden hat, die nicht den Triumph germanischen Geistes, sondern der Erkenntnis der geschichtlichen Wahrheit gewidmet ist. Auf meine Entgegnung hat BOUTMY und mit ihm die gesamte französische Kritik bisher geschwiegen und ich glaube nicht, daß sie mir das letzte Wort gelassen hätten, wenn sie etwas zu erwidern imstande gewesen wären.

Die Mißverständnisse, welchen meine Ausführungen in Frankreich begegnet sind, veranlassen mich aber, an dieser Stelle die Tendenz meiner Abhandlung nochmals nachdrücklich zu betonen, auch wenn sie dem aufmerksamen Leser ohne weiteres einleuchten mußte. Ich habe die Erklärung der Konstituante nicht nach ihrem kulturhistorischen, philosophischen oder sozialem Wert geprüft, sondern ausschließlich nach ihrer Bedeutung für die europäische Verfassungsgeschichte. Ich wollte ferner an einem wichtigen Beispiel den Weg verfolgen, auf dem abstrakte Forderungen an den Staat zu Gesetzen für den Staat erhoben werden. Wer mit der politischen Literatur vertraut ist, der weiß, wie unendlich mannigfaltig die politischen Glaubenssätze sind, die eine Verwirklichung erfordern. Da muß dann notwendig die Frage entstehen, welche Ursachen den einen Gedanken zum geltenden Recht erheben, den anderen die Bahn zur verfassungsmäßigen Anerkennung verschließen. Wir haben uns bisher fast ausschließlich mit dem literarischen Ursprung der politischen Ideen beschäftigt und die Frage nach den lebendigen geschichtlichen Kräften, welche die Idee in  geltendes Recht  umsetzen, vernachlässigt. Allein der Weg von einer philosophischen Forderung zu einer Tat des Gesetzgebers ist weit und verschlungen, und es galt daher den Beginn dieses Weges festzustellen und die Wandlungen zu erkennen, welche die Ideen auf ihrem langen Zug durch die Geschichte der Institutionen durchmachen.

Die Wiederholung des methodischen Grundgedankens des vorliegenden Werkchens an dieser Stelle scheint mir nicht nur angezeigt, um Irrtümern zu begegnen, die es in Frankreich erfahren hat. Auch in Deutschland hat man nicht immer verstanden, es richtig zu lesen. In der zweiten Auflage seines vortrefflichen Buches über  Althusius  erklärt GIERKE meine Behauptung, daß das Urrecht der religiösen Freiheit überhaupt die eigentlichen Quelle der Menschenrechte ist, für einseitig (5). Ich habe derartiges nie behauptet: nicht etwa alle Menschenrechte, sondern deren  gesetzliche Aussprache  führen auf die Religionsfreiheit zurück, was doch wohl nunmehr außer allem Zweifel stehen dürfte. Auch kann es als feststehend gelten, daß die Vorstellung angeborener und unveräußerlicher Menschenrechte zuerst in den politisch-religiösen Kämpfen innerhalb der reformierten Kirche und ihrer Sekten zu einer die Geister bestimmenden Macht heranwuchs (6). In einem bemerkenswerten Vortrag weist ADALBERT WAHL nach, daß die Zwischenrufe des Pariser Parlaments bereits in der Zeit von 1752 bis 1766 von den allgemeinen Menschenrechten der Freiheit, des Eigentums, der Sicherheit sprechen und meint deshalb, daß die Franzosen später ihre Menschenrechte von den Amerikanern nicht rein äußerlich übernommen haben, die Schuld wäre mindestens eine gegenseitige (7). Aufgrund der Ausführungen WAHLs behauptet RICHARD SCHMIDT mir gegenüber, die französischen Menschenrechte seien nicht rein englisch-amerikanischen Ursprungs, sondern der konsequenteste Ausdruck des "westeuropäischen Naturrechts" (8).

Daran ist soviel richtig, daß, wie man längst weiß, die angeführten, ganz farb- und inhaltlosen Rechte damals und schon lange vorher zu den naturrechtlichen Trivialitäten zählten; sind sie doch schon vor LOCKE ausgesprochen worden, lassen sich ihre Spuren doch bis zu ARISTOTELES zurückverfolgen. Sie und noch einige andere hätten WAHL und SCHMIDT überdies vor allen jenen französischen Dokumenten bei unserem biederen alten mitteleuropäischen CHRISTIAN WOLFF finden können, der, wie ebenfalls längst bekannt war (9), im Verein mit LOCKE auf den Geist des 18. Jahrhundert lange vor den großen Revolutionen der neuen und der alten Welt geläufig, aber ihre gesetzliche und daher den Staatsbau bestimmenden Aussprache stammt nicht allein aus der naturrechtlichen Theorie, namentlich aber nicht die Aufstellung eines Kataloges spezialisierter Freiheitsrechte neben den allgemeinen Rechten der Naturrechtslehre. Jeder Kenner der neueren Verfassungsgeschichte weiß, daß nicht diese, sondern jene Rechte von bleibender Bedeutung geworden sind. Obwohl ich den Einfluß des Naturrechts auf die Formulierung der amerikanischen und französischen Sätze bereits früher mit größter Deutlichkeit hervorgehoben habe, ist nunmehr diesem Gegenstand ein besonderes kurzes Kapitel gewidmet.

Die Erweiterungen, Änderungen und Zusätze, welche diese zweite Auflage außerdem erfahren hat, sind hauptsächlich durch die in den letzten Jahren erschiedene einschlägige Literatur veranlaßt worden. Hinzugefügt wurde zum Schluß der Abdruck der epochemachenden Deklaration der Rechte von Virginia, da sie in Deutschland noch sehr wenig bekannt ist. Sonst aber ist Grundriß und Aufbau der Darstellung unverändert geblieben. Auch die Knappheit der Sprache ist beibehalten, da ich es für unangemessen erachte, viele Worte zu machen, wenn man mit wenigen auskommen kann. Weitere Irrtümer wird diese Kürze in Zukunft hoffentlich nicht mehr verschulden. Sollten sie wider Erwarten dennoch auftreten, so ist es wohl auch mir gestattet, zu erklären: "Je ne sais pas l'ar d'être clair pour qui ne veut pas être attentif." [Ich besitze nicht die Kunst, mich Leuten, die ohne Aufmerksamkeit lesen, verständlich zu machen. - wp]



I.

Die Erklärung der Rechte des Menschen und Bürgers durch die französische Konstituante vom 26. August 1789 ist eines der bedeutsamsten Ereignisse der französischen Revolution. Sie hat von verschiedenen Standpunkten aus eine gegensätzliche Beurteilung erfahren. Politiker und Historiker haben sie eingehend gewürdigt und sind vielfach zu dem Resultat gekommen, daß sie einen nicht geringen Anteil an der Anarchie hat, von der Frankreich bald nach dem Sturm auf die Bastille heimgesucht wurde. Ihre abstrakten Formeln werden als vieldeutig und darum gefährlich nachgewiesen, als jeder politischen Realität und praktischen staatsmännischen Erkenntnis bar. Ihr hohles Pathos habe die Köpfe verwirrt, das ruhige Urteil getrübt, die Leidenschaften entzündet, das Pflichtgefühl - von Pflichten ist in ihr nicht die Rede - erstickt (10). Andere hingegen, namentlich Franzosen, haben sie als weltgeschichtliche Offenbarung gepriesen, als Katechismus der "Prinzipien von 1789", die die ewige Grundlage der staatlichen Ordnung bilden, als das kostbare Geschenk, das Frankreich der Menschheit gegeben hat.

Weniger beachtet als die historische und politische ist die rechtsgeschichtliche Bedeutung dieses Dokuments, die bis auf den heutigen Tag fortdauert. Welches auch immer der Wert oder Unwert seiner allgemeinen Sätze sein mag, unter seinem Einfluß hat sich im positiven Recht der Staaten des euopäischen Kontinents die Vorstellung vom subjektiven öffentlichen Recht des Individuums entwickelt. Die staatsrechtliche Literatur kennt bis dahin Rechte der Staatshäupter, Privilegien der Stände, Vorrechte Einzelner oder bestimmter Korporationen, die allgemeinen Untertanenrechte erscheinen aber wesentlich nur in der Form von Pflichten des Staats, nicht von ausgeprägten rechtlichen Ansprüchen der Einzelnen. Erst jene Erklärung der Menschenrechte hat den bis dahin nur dem Naturrecht bekannten Begriffe des subjektiven Rechts des Staatsgliedes gegenüber dem Staatsganzen in vollem Umfang im positiven Recht entstehen lassen. Das hat zunächst die erste französische Verfassungsurkunde vom 3. September 1791 gezeigt, die aufgrund der ihr vorangestellten Erklärung der Menschen- und Bürgerrechte eine Reihe von  droits naturels et civils  als durch die Konstitution garantierte Rechte aufgestellt (11). Im Verein mit dem Wahlrecht haben diese "droits garantis par la constitution", die zuletzt in der Verfassung vom 4. November 1848 aufgezählt worden sind (12), fast bis zur Gegenwart die einzige Grundlage der französischen Theorie und Praxis hinsichtlich der subjektiven öffentlichen Rechte des Individuums gebildet (13). Unter dem Einfluß der französischen Deklaration sind aber auch fast in alle Verfassungsurkunden der übrigen kontinentalen Staaten ähnliche Kataloge von Rechten aufgenommen worden, deren einzelne Sätze und Formulierungen in verschiedenem Maß den individuellen Verhältnissen der betreffenden Staaten angepaßt sind und daher inhaltlich häufig weitgehende Unterschiede aufweisen.

In Deutschland hatten bereits die meisten Verfassungsurkunden aus der Epoche vor 1848 einen Abschnitt über die Rechte der Untertanen. Im Jahre 1848 hat die konstituierende Nationalversammlung zu Frankfurt die Grundrechte des deutschen Volkes beschlossen, die am 27. Dezember 1848 als Reichsgesetz publiziert wurden. Trotzdem der Bundesbeschluß vom 23. August 1851 sie für nichtig erklärte, haben sie nichtsdestoweniger eine bleibende Bedeutung, da viele ihrer Bestimmungen heute fast wörtlich in das geltende Reichsrecht aufgenommen worden sind (14). In den europäischen Verfassungen der Epoche nach 1848 kehren jene Kataloge von Rechten in größerer Ausdehnung wieder, so vor allem in der preußischen Verfassung vom 31. Januar 1850 und dem österreichischen Staatsgrundgesetz über die allgemeinen Rechte der Staatsbürger vom 21. Dezember 1867. Sie sind zuletzt in den Konstitutionen der jungen Staaten auf der Balkanhalbinsel normiert worden.

Eine bemerkenswerte Ausnahme bilden allerdings die Verfassungen des Norddeutschen Bundes und die des Deutschen Reiches, in denen ein Abschnitt über Grundrechte gänzlich fehlt. Allein die Reichsverfassung konnte von der Aufstellung eines solchen Katalogs umso mehr absehen, als sie bereits in den meisten Verfassungen der einzelnen Bundesstaaten enthalten waren. Eine Reihe von Reichsgesetzen hat überdies, wie erwähnt, die wichtigsten Prinzipien der Frankfurter Grundrechte rezipiert. Ihnen eine besondere verfassungsmäßige Stellung einzuräumen, war außerdem bei den Bestimmungen der Reichsverfassung über Verfassungsänderungen unnötig, da der Reichstag, dem ja die Aufrechterhaltung der Grundrechte in erster Linie angelegen sein müßte, keine erschwerenden Formen bei Verfassungsänderungen zu beobachten hat (15). In Wahrheit ist aber im Deutschen Reich das Maß öffentlicher Rechte des Individuums viel größer als in den meisten Staaten mit verfassungsmäßig katalogisierten Grundrechten. Das lehrt z. B. ein Blick auf die Gesetzgebung, die richterliche und Verwaltungspraxis in Österreich.

Wie immer man aber auch heute über die Formulierung abstrakter, erst durch eine detaillierte gesetzgeberische Durchbildung lebensfähiger Prinzipien für die Rechtsstellung des Individuums im Staat denken möge, die Tatsache, daß die Erkenntnis solcher Prinzipien mit jener ersten Erklärung der Rechte geschichtlich zusammenhängt, läßt es als eine wichtige Aufgabe der Verfassungsgeschichte erscheinen, die Entstehung der französischen Erklärung der Rechte von 1789 festzustellen. Durch diese verfassungsgeschichtliche Wirkung allein unterscheident sich die Deklartion von einem der zahlreichen historischen Ereignisse aus der Zeit der Revolution, die eine innere Angelegenheit Frankreichs geblieben sind. Darum ist die bisher ganz vernachlässigte rechtsgeschichtliche Untersuchung dieses Ereignisses von höchstem Interesse. Die Lösung dieses Problems ist auch von großer Bedeutung sowohl für das Verständnis der Entwicklung des modernen Staates als auch der Stellung, die er dem Individuum gewährt. Bisher sind in staatsrechtlichen Werken verschiedene Vorläufer der Erklärung der Konstituante von der Magna Charta bis zur amerikanischen Unabhängigkeitserklärung aufgezählt und aneinandergereiht worden, jede tiefere Untersuchung aber über die Quellen, aus denen die Franzosen geschöpft haben, mangelte völlig.

Die herrschende Ansicht geht dahin, daß die Lehren des  contrat social  den Anstoß zur Deklaration gegeben haben, und daß die Unabhängigkeitserklärung der dreizehn Vereinigten Staaten von Nordamerika ihr Vorbild gewesen ist. Prüfen wir zunächst die Richtigkeit dieser Behauptungen.


II.

In seiner Geschichte der politischen Wissenschaft, dem umfassendsten Werk dieser Art, das Frankreich besitzt, erörtert PAUL JANET nach eingehender Darstellung des  contrat social  den Einfluß, den dieses Werk ROUSSEAUs auf die Revolution ausgeübt hat. Auf die Sätze ROUSSEAUs sei die Idee der Erklärung der Rechte zurückzuführen. Was sei die Erklärung selbst anderes als die Formulierung des Staatsvertrags gemäß den Ideen ROUSSEAUs und die einzelnen Rechte als die Klauseln und Bedingungen jenes Vertrages? (16)

Es ist schwer verständlich, wie ein Kenner des  contrat social  eine solche mit der landläufigen Anschauung übereinstimmende Behauptung aufstellen konnte.

Der  contrat social  hat nur eine einzige Klausel, nämlich die volle Entäußerung aller Rechte des Individuums an die Gesellschaft (17). Das Individuum behält kein Atom Recht für sich, sobald es in den Staat eintritt (18). Alles, was es an Rechten erhält, bekommt es von der  volontè générale,  die allein über ihre Grenzen entscheidet und von keiner Macht rechtlich beschränkt werden darf und kann. Sogar das Eigentum steht dem Einzelnen nur kraft staatlicher Konzession zu, der Gesellschaftsvertrag macht den Staat zum Herrn aller Güter seiner Glieder (19), die nur als Depositare des öffentlichen Gutes zu besitzen fortfahren (20). Die bürgerliche Freiheit besteht einfach in dem, was dem Individuum nach Abzug seiner bürgerlichen Pflichten übrig bleibt (21). Diese Pflichten können nur durch Gesetz auferlegt werden, die Gesetze müssen gemäß dem  contrat social  für alle Bürger gleich sein, das ist die einzige Schranke für die souveräne Gewalt (22), die aber aus ihrer eigenen Natur folgt und ihre Gewähr in sich selbst trägt (23).

Die Vorstellung eines ursprünglichen Rechts, das der Mensch in die Gesellschaft hinübernimmt und als rechtliche Grenze des Souveräns auftritt, wird von ROUSSEAU ausdrücklich verworfen. Es gibt kein Grundgesetz, das für die Gesamtheit bindend sein könnte, nicht einmal der  contrat social  selbst (24)

Aber auch einzelne wichtige Freiheitsrechte werden von ROUSSEAU geradezu für staatswidrig erklärt. Vor allem die Religionsfreiheit. Wer nicht die bürgerliche Religion bekennt, deren Artikel vom Souverän festgesetzt werden, kann verbannt werden (25). Und wer sie bekannt hat und sich so verhält, wie wenn er sie nicht bekennen würde, soll mit dem Tod bestraft werden. Wer es wagt zu sagen, außerhalb der Kirche gibt es kein Heil, soll aus dem Staat fortgejagt werden (26). Sodann das Vereinsrecht. Politische Vereine, die das Volk spalten, hindern den wahren Ausdruck des Gemeinwillens und sind daher nicht zu begünstigen (27).

Diese Beispiele sollten genügen, um ein- für allemal den Gedanken zurückzuweisen, daß ROUSSEAU der Freiheit des Einzelnen ein unantastbares Gebiet mit unverrückbaren Grenzen zu gewähren gewillt ist (28).

Die Erklärung der Rechte will aber die ewigen Scheidelinien zwischen Staat und Individuen ziehen, die sich der Gesetzgeber stets vor Augen halten soll als die Schranken, die ihm durch "die natürlichen, unveräußerlichen, geheiligten Rechte der Menschen" ein- für allemal gesetzt sind (29).

Die Prinzipien des  contrat social  sind demnach einer jeden Erklärung der Rechte feindlich. Aus ihnen folgt nicht das Recht des Einzelnen, sondern die Allmacht des rechtlich schrankenlosen Gemeinwillens. Besser als JANET hat TAINE die Konsequenzen des  contrat social  begriffen (30).

Die Deklaration vom 26. August 1789 ist im Gegensatz zum  contrat social  entstanden. Wohl haben die Ideen dieses Werkes auf einige Formeln jener Erklärung einen gewissen Einfluß ausgeübt. Der Gedanke der Erklärung selbst muß aber aus einer anderen Quelle stammen.


III.

Die Idee einer Erklärung der Rechte ist in Frankreich schon vor dem Zusammentreten der Reichsstände ausgesprochen worden. Sie war bereits in einer Anzahl von  cahiers  [Heften - wp] vorhanden. Besonders bemerkenswert ist das  cahier  der Baillage von Nemours, das ein Kapitel mit der Überschrift: Von der Notwendigkeit einer Erklärung der Menschen- und Bürgerrechte, enthält (31) und einen Entwurf von dreißig Artikeln aufweist. Von anderen Entwürfen ist namentlich der im  cahier des tiers état  der Stadt Paris von Interesse (32).

In der Nationalversammlung war es aber LAFAYETTE, der am 11. Juli 1789 den Antrag stellte, im Zusammenhang mit der Verfassung eine Erklärung der Rechte zu erlassen, und damit zugleich einen Entwurf einer solchen Erklärung vorlegte (33).

Die herrschende Ansicht geht nun dahin, daß LAFAYETTE zu seinem Antrag durch die nordamerikanische Unabhängigkeitserklärung angeregt worden ist (34). Diese wird auch sonst als Vorbild erklärt, das der Konstituante bei ihrem Beschluß über eine solche Erklärung vorgeschwebt hat. Von manchen wird lobend die kurze knappe Art, sowie der reale Charakter des amerikanischen Dokuments gegenüber dem unklaren Wortschwall und dem Doktrinarismus der französischen Deklaration hervorgehoben. (35) Andere stellen ihr auch als besser geratenes Gegenstück die ersten Amendments [Zusätze - wp] der Unionsverfassung gegenüber (36) oder denken sogar an deren Einwirkung auf die französische Erklärung, trotzdem sie erst nach dem 26. August 1789 zustande gekommen sind, ein Irrtum, der daraus entsprang, daß die Erklärung von 1789 wörtlich in die Verfassung vom 3. September 1791 aufgenommen wurde, für den mit der französischen Verfassungsgeschichte nicht genau Bekannten, dem nur die Texte der Verfassungsurkunden selbst vorliegen, somit ein späteres Datum zu tragen scheint.

Ausnahmslos aber wird von allen, die überhaupt hinter die französische Deklaration zurückgehen, behauptet, daß die Unabhängigkeitserklärung der Vereinigten Staaten vom 4. Juli 1776 die erste Aufstellung einer Reihe von Menschenrechten enthält. (37)

Die amerikanische Unabhängigkeitserklärung weist jedoch nur einen einzigen Satz auf, der einer Erklärung von Rechten ähnlich sieht. Er lautet folgendermaßen:
    "Wir halten die nachfolgenden Wahrheiten für in sich überzeugend (to be self-evident), nämlich, daß alle Menschen gleich geboren sind; daß sie von ihrem Schöpfer mit gewissen unveräußerlichen Rechten ausgestattet sind; daß zu diesen Leben, Freiheit und das Streben nach Glückseligkeit gehören, daß, um diese Rechte zu sichern, Regierungen unter den Menschen eingesetzt sind, die ihre gerechten Befugnisse von der Einwilligung der Regierten ableiten; daß, so oft eine Regierungsform gegen diese Ziele zerstörend wirkt, es das Recht des Volkes ist, sie zu ändern oder abzuschaffen, eine neue Regierung einzusetzen und sie auf solche Grundsätze zu bauen und deren Gewalten derart zu ordnen, wie es ihm zu seinem Glück und seiner Zweckmäßigkeit am sichersten erscheint."
Dieser Satz ist so allgemein gehalten, daß aus ihm ein ganzes System von Rechten schwerlich herausgelesen und abgeleitet werden kann. Es ist daher von vornherein unwahrscheinlich, daß er das Vorbild für die französische Erklärung gewesen ist.

Zur Gewißheit wird diese Vermutung durch LAFAYETTE selbst. An einer Stelle seiner Memoiren, die bisher völlig übersehen wurde, nennt er das Vorbild, das ihm bei seinem Antrag in der Konstituante vorgeschwebt ist (38). Treffend weist er darauf hin, daß der Kongreß des neugebildeten Staatenbundes der nordarmerikanischen Freistaaten damals gar nicht in der Lage war, Rechtsregeln für die einzelnen zu souveränen Staaten herangewachsenen Kolonien mit verbindlicher Kraft aufzustellen. Er führt aus, daß in der Unabhängigkeitserklärung nur das Prinzip der Volkssouveränität und das Recht der Änderung der Regierungsform ausgesprochen ist. Andere Rechte sind nur implizit in der Aufzählung der Rechtsverletzungen enthalten, durch welche die Trennung vom Mutterland gerechtfertigt werden soll.

Wohl aber waren den Verfassungen der einzelnen Staaten des Bundes Deklarationen der Rechte vorangeschickt, die verbindliche Kraft für deren Volksrepräsentanten hatten.  Der erste Staat, der eine solche Erklärung der Rechte in einem vollen Sinn aufstellte, war Virginia. (39)

Die Erklärung Virginias und der anderen amerikanischen Einzelstaaten waren die Quelle für den Antrag LAFAYETTEs. Sie haben aber nicht nur auf ihn, sondern auf alle, die eine Deklaration der Rechte herbeiführen wollten, eingewirkt. Schon die erwähnten  cahiers  stehen unter ihrem Einfluß.

Die neuen Verfassungen der amerikanischen Einzelstaaten waren nämlich damals in Frankreich wohlbekannt. Bereits 1778 war in der Schweiz eine französische Übersetzung von ihnen, FRANKLIN gewidmet, erschienen (40). Eine andere wurde 1783 auf Anregung von BENJAMIN FRANKLINs selbst publiziert (41). Ihr Einfluß auf die Verfassungsgesetzgebung der französischen Revolution ist bisher lange nicht genügend erkannt worden. Man kannte überhaupt bis in die neueste Zeit in Europa nur die Unionsverfassung, nicht die der Einzelstaaten, die in der modernen Verfassungsgeschichte eine ganz hervorragende Stellung einnehmen. Sie ist vor allem gekennzeichnet durch die selbst bedeutenden Historikern und Staatsrechtlern unbekannte Tatsache, daß die amerikanischen Einzelstaaten die ersten geschriebenen Verfassungen gehabt haben. In England und Frankreich hat man bereits begonnen, die Bedeutung der amerikanischen Staatenverfassungen zu würdigen (42), in Deutschland sind sie bisher fast unbeachtet geblieben. Allerdings waren lange Zeit hindurch die älteren Verfassungstexte in ihrer Gesamtheit in Europa schwer zugänglich. Durch die Ausgabe jedoch, die 1877 im Auftrag des Senats der Vereinigten Staaten von allen amerikanischen Verfassungsurkungen, von der ältesten Zeit angefangen, veranstaltet wurde (43), ist man jetzt in die Lage gesetzt, sich leicht über diese außerordentlich wichtigen Dokumente zu orientieren.

Die französische Erklärung der Rechte ist im Großen und Ganzen den amerikanischen  bills of rights  oder  declaration of rights  nachgebildet worden (44). Alle Entwürfe der französischen Deklaration, von denen der  cahiers  angefangen bis zu den 21 Projekten, die der Nationalversammlung vorgelegt wurden, variieren mehr oder weniger, kürzer oder breiter, geschickter oder ungeschickter ihre Ideen. Als selbständige Zutaten weisen sie nur allgemeine doktrinäre Erörterungen auf oder Ausführungen, die in das Gebiet politischer Metahphysik gehören. Auf sie einzugehen, ist hier, wo es sich ausschließlich um die praktische Wirkung der französischen Rechtssätze handelt, überflüssig. Halten wir uns an das Resultat: die Deklaration, wie sie unter langen Debatten in den Sitzungen vom 20. bis 26. August beschlossen wurde (45).


IV.

Am 15. Mai 1776 erließ der in Philadelphia tagende Kongreß der zum Abfall vom Mutterland entschlossenen Kolonien die Einladung an seine Glieder, sich Verfassungen zu geben. Von den 13 Staaten, die ursprünglich die Union bildeten, haben vor dem Ausbruch der französischen Revolution elf diese Einlandung befolgt. Zwei behielten die ihnen von der englischen Krone verliehenen Kolonialcharten bei, indem sie ihnen den Charakter von Verfassungsurkunden verliehen, nämlich Connecticut die Charte von 1662 und Rhode Island jene von 1663, die somit die ältesten geschriebenen Verfassungen im modernen Sinn sind. (46)

Von den übrigen Staaten war es zuerst Virginia, das auf der zu Williamsburgh vom 6. Mai bis 29. Juni 1776 tagenden Konvention eine Verfassung beschloß. Sie war eingeleitet durch eine feierliche "Bill of Rights" (47), die am 12. Juni von der Konvention adoptiert worden war. Ihr Verfasser war GEORGE MASON. Auf ihre endgültige Fassung hatte MADISON wesentlichen Einfluß genommen (48). Diese Erklärung Virginias war vorbildlich für alle übrigen, auch für die des Kongresses der Vereinigten Staaten selbst, die erst drei Wochen nach der virginischen stattfand und bekanntlich von JEFFERSON, einem Bürger Virginias, entworfen worden war. In den anderen Deklarationen sind aber manche Sätze anders formuliert worden, als in Virginia und häufig neue Bestimmungen hinzugefügt worden (49).

Ausdrückliche Erklärungen der Rechte nach der von Virginia sind noch vor 1789 formuliert worden in der Verfassung von
    Pennsylvanien vom 28. September 1776,
    Maryland vom 11. November 1776,
    Nord-Carolina vom 18. Dezember 1776,
    Vermont vom 8. Juli 1777 (50),
    Massachusetts vom 2. März 1780,
    New-Hampshire vom 31. Oktober 1783
    (in Kraft getreten am 2. Juni 1784).
In den ältesten Verfassungen von New-Jersey, Süd-Carolina, New York und Georgia fehlen besondere  bills of rights,  doch sind in ihnen manche dahingehörige Bestimmungen enthalten (51). Von Delaware bringt die französische Übersetzung der amerikanischen Verfassungen aus dem Jahr 1778 eine am 11. September 1776 beschlossene  déclaration expositive des droits  (52), die aber in POOREs Sammlung fehlt (53).
LITERATUR Georg Jellinek, Die Erklärung der Menschen- und Bürgerrechte, Staats- und völkerrechtliche Abhandlungen, Bd. 1, Leipzig 1904
    Anmerkungen
    1) The Declaration of the Rights of Man and of Citizens. Authorized translation from the German by MAX FARRAND, Professor of History in Wesleyan University. Revised by the Author, New York 1901
    2) La déclaration des droits de l'homme et du citoyen. Traduit de l'allemand par GEORGES FARDIS, Avocat. Èdition francaise revue de l'Auteur et augmentee de nouvelles notes. Avec und Préface de M. F. LARNAUDE, Professeur de droit de l'Université de Paris, Paris 1902
    3) EMIL BOUTMY, La déclaration des droits de l'homme et du citoyen et M. Jellinek, Annales des sciences politiques XVII, 1902, Seite 415-443.
    4) La déclaration des droit de l'homme et du citoyen. Réponse de M. Jellinek à M. Boutmy. Revue du droit public et de la science politique XVIII, 1902, Seite 385-400.
    5) GIERKE, Johannes Althusius und die Entwicklung der naturrechtlichen Staatstheorien, 1902, Seite 346, Anm. 49
    6) Das ist auch von englischer Seite energisch betont worden. Vgl. D. G. RITCHIE, Natural Rights, London 1895, Seite 2f. Gegen REHM, der (Allgemeine Staatslehre, Seite 247, den Zusammenhang zwischen der Religionsfreiheit in den amerikanischen Dokomenten des 17. Jahrhunderts und den Freiheitsrechten des folgenden vermöge juristischer Interpretation, die ja bei solchen Fragen versagt, verneinen zu können glaubt, vgl. meine ausführliche Widerlegung, Allgemeine Staatslehre, Seite 374f.
    7) ADALBERT WAHL, Politische Ansichten des offiziellen Frankreichs im 18. Jahrhundert, 1903, Seite 25.
    8) RICHARD SCHMIDT, Allgemeine Staatslehre II, 1903, Seite 799 und 804.
    9) Über den Einfluß WOLFFs auf Frankreich vgl. z. B. HASBACH, Die allgemeinen philosophischen Grundlagen der von Francois Quesnays und Adam Smith gegründeen politischen Ökonomie, 1890, Seite 47
    10) Zuerst bekanntlich BURKE und BENTHAM, zuletzt TAINE, Les origines de la France contemporaine. La révolution I, Seite 273f; ONCKEN, das Zeitalter der Revolution, des Kaiserreichs und der Befreiungskriege, Bd. 1, Seite 229f und WEISS, Geschichte der französischen Revolution, Bd. 1, 1888, Seite 263
    11) Titre premier: Dispositions fondamentales garanties par la constitution.
    12) HÉLIE, Les constitutions de la France, Seite 1103f
    13) Vgl. JELLINEK, System der subjektiven öffentlichen Rechte, Seite 3, Anm. 1. Unter dem Einfluß der deutschen Lehre hat sich das in der letzten Zeit geändert, vgl. BARTHÉLEMY, Essai d'une théorie des droits subjectifs des administrés dans le droit administratif francais, Paris 1899.
    14) BINDING, Der Versuch der Reichsgründung durch die Paulskirche, Leipzig 1892, Seite 23.
    15) Bei der Beratung der Verfassung hat der Reichstag alle auf die Einführung von Grundrechten zielenden Anträge abgelehnt. Vgl. BEZOLD, Materialien der deutschen Reichsverfassung III, Seite 896-1010.
    16) JANET, a. a. O., Seite 457 und 458.
    17) ROUSSEAU, Contrat social I, 6
    18) ROUSSEAU, Contrat social I, 6
    19) ROUSSEAU, Contrat social I, 9
    20) ROUSSEAU, Contrat social I, 9
    21) ROUSSEAU, Contrat social II, 4
    22) ROUSSEAU, Contrat social II, 4
    23) ROUSSEAU, Contrat social I, 7
    24) ROUSSEAU, Contrat social I, 7
    25) ROUSSEAU, Contrat social IV, 8
    26) ROUSSEAU, Contrat social IV, 8
    27) ROUSSEAU, Contrat social II, 3
    28) Wenn BOUTMY a. a. O., Seite 417f trotzdem ROUSSEAU als den Ahnherrn der Freiheitsrechte preist, so schwebt ihm nicht der  contrat social  vor, wie ihn ROUSSEAU geschrieben hat, sondern wie ihn BOUTMy geschrieben haben würde.
    29) Constitution du 3 septembre 1791, titre premier
    30) Vgl. TAINE, a. a. O., L'ancien régime, Seite 321f. Folgte aus dem  contrat social  die Forderung einer Erklärung der Rechte, so hätte doch nicht mehr als ein Vierteljahrhundert sei seinem Erscheinen verfließen können, ehe sie erhoben wurde. Vor 1776 ist aber von einer derartigen Forderung in Frankreich nirgends die Rede.
    31) Archives parlementaires I, Serie IV, Seite 161f
    32) Archives parlementaires I, Serie V, Seite 281f
    33) Archives parlementaires I, Serie VIII, Seite 221 und 222.
    34) Vgl. zum Beispiel HEINRICH von SYBEL, Geschichte der Revolutionszeit von 1789 bis 1800, Bd. 1, Seite 73
    35) Vgl. HÄUSSER, Geschichte der französischen Revolution, Seite 169; SCHULZE, Lehrbuch des deutschen Staatsrechts I, Seite 368; STAHL, Staatslehre, Seite 523; TAINE, a. a. O., La révolution I, Seite 274. Dazu Note 1: cf. la Déclaration d'indépendance du 4 juillet 1776. Wie wenig begründet dieses Lob der Amerikaner auf Kosten der Franzosen ist, wird bald klar werden.
    36) STAHL, a. a. O., Seite 524; TAINE, a. a. O. Er hebt auch ausdrücklich in der Note hervor, daß der Antrag JEFFERSONs, eine Erklärung der Rechte zu erlassen, abgelehnt wurde.
    37) STAHL, a. a. O., Seite 523 erwähnt nebenbei die Deklarationen der Einzelstaaten, gibt aber nicht genau an, aus welcher Zeit sie stammen, noch in welchem Verhältnis sie zur französischen Erklärung stehen, auch geht aus seiner Bemerkung hervor, daß er sie nicht näher kennt. JANET, a. a. O., Teil 2, Seite XIVf erkennt die Ähnlichkeit der amerikanischen Deklaration mit der französischen, stellt aber das richtige Verhältnis beider nicht fest, da er ja ROUSSEAU als die Quelle der französischen Erklärung betrachtet.
    38) Mémoires, correspondance et manuscripts du Général Lafayette, publies par sa famille II, Seite 46.
    39) Auch CONDORCET hatte (Oeuvres IX, Seite 168) darauf hingewiesen, daß Virginia die erste wirkliche Erklärung der Rechte beschlossen hatte.
    40) Recueil des loix constitutives des colonies angloises, confédérées sons la dènomination d'Etats-Unis de l'Amérique-Septentrionale. Dédié à M. le Docteur Franklin. En Suisse, chez les libraires associés.
    41) Vgl. CH. BORGEAUD, Etablissement et revision des constitutions en Amérique et en Europe, Paris 1893, Seite 27. Über die zahlreichen Übersetzungen der amerikanischen Verfassungen und ihren Einfluß auf Frankreich vgl. nunmehr die Ausführungen von A. AULARD, Histoire politique de la Révolution francaise, Paris 1901, Seite 19f, der auch ausdrücklich von der Deklaration von Virginia erklärt, sie sei "presque la future Déclaration des Droits francais" [praktisch die Zukunft der Erklärung der französischen Rechte - wp]. Ferner H. E. BOURNE, American precedents in the French national assembly, American Historical Review VIII, 1903, Seite 466f. Auch die zeitgenössische Literatur beschäftigt sich eingehend mit den neuen amerikanischen Verfassungsdokumenten, namentlich das vierbändige Werk des aus Virginia als Agent der Vereinigten Staaten nach Frankreich gesendeten MAZZEI (eines geborenen Italieners), Recherches historiques sur les Etats-Unis, 1788 machte großen Eindruck. Vgl. BOURNE, Seite 467. G. KOCH, Beiträge zur Geschichte der politischen Ideen, Bd. II, 1896, Seite 208f.
    42) Namentlich das ausgezeichnete Werk von JAMES BRYCE, The American Commonwealth, Vol. I, part II: The State governments und BORGEAUD, a. a. O., Seite 28f.
    43) The Federal and State Constitutions, colonial charters, an other organic laws of the United States. Compiled under an order of the United States Senate be Ben. Perly POORE, Washington 1877, 2 Bände, mit fortlaufender Paginierung. Von den Dokumenten aus der Kolonialepoche sind nur die wichtigsten mitgeteilt. Vgl. auch GOURD, Les Chartes coloniales et les Constitutions des Etats-Unis de l'Amérique du Nord, Paris 1885, 2 Bde.
    44) Das ist selbst dem besten französischen Kenner der amerikanischen Geschichte, LABOULAYE, nicht ganz klar geworden, wie aus seinen Ausführungen, Histoire des Etats-Unis II, Seite 11 hervorgeht. In England hat D. C. RITCHIE, Natural Rights, Seite 3f, den Einfluß der amerikanischen Erklärungen auf die französische betont.
    45) Vgl. Arch. parl. VIII, Seite 461-489. Über die Geschichte der Deklaration vgl. jetzt auch EMILE WALCH, La Déclaration des droit de l'homme et du citoyen et l'Assemblée constituante. Travaux préparatoires, Paris 1903.
    46) Connecticut hat 1818, Rhode Island erst 1841 eine neue Verfassung anstelle der alten Kolonialcharten gesetzt.
    47) POORE, a. a. O., Bd. 2, Seite 1908-1909. Vgl. den Anhang.
    48) Über die Entstehung der  bill of rights  Virginias vgl. BANCROFT, History of the United States, Bd. VII, London 1861, Kap. 64
    49) Die Erklärung Virginias zählt 16, hingegen die von Massachusetts 30, die von Maryland gar 42 Artikel. Die Deklaration von Virginia enthält nicht das Recht der Auswanderung, das zuerst Pennsylvanien Artikel XV statuiert; ferner fehlt in ihr das Versammlungsrecht und das Petitionsrecht, das auch erst die pennsylvanische  bill of rights  (Art. XVI) aufweist.
    50) Vermonts Staatsqualität war bis 1790 bestritten; es wurde erst am 18. Februar 1791 als selbständiges Mitglied der Vereinigten Staaten anerkannt.
    51) Namentlich ist die religiöse Freiheit in besonders energischer Weise anerkannt durch New York, Verfassung vom 20. April 1777, Art. 38. POORE, a. a. O. Bd. 2, Seite 1338.
    52) Seite 151f. Sie enthält 23 Artikel.
    53) Sie ist von MAX FARRAND im Original zugänglich gemacht worden. Vgl.  The Delaware Bill of Rights of 1776.  American Historical Review III, 1898, Seite 648f.