ra-2JevonsWalrasH. MoellerR. Liefmann    
 
WILHELM LEXIS
Grenznutzen

"Gegen die analytische Methode scheint mir stets das schwerwiegendere Bedenken vorzuliegen, daß sie mit intensiven Größen rechnen will, ohne nachweisen zu können, daß es für solche, selbst wenn es sich nur um ein und dieselbe Art handelt, ein festes Maß gibt. Noch weniger natürlich können intensive Größen von verschiedener Qualität auf eine gemeinschaftliche quantitative Einheit bezogen werden. Man kann wohl sagen, eine bestimmte Bedürfnisempfindung sei unter gewissen Umständen stärker als unter anderen, oder sie sei stärker oder schwächer als eine andere, oder auch sie sei in diesem Augenblick einer anderen gleich, so daß es dem Empfindenden ebenso unangenehm ist, auf die Befriedigung der einen wie auf die der anderen Art zu verzichten. Aber das Bestreben von Gradunterschieden der Bedürfnisbefriedigungen und die unter Umständen mögliche Gleichsetzung der Intensität derselben macht sie noch nicht zu quantitativ darstellbaren Größen und berechtigt daher auch nicht, mit ihnen zu rechnen." 

"Unmittelbar entscheidet über die Preisbilung das Verhältnis der Gesamtgröße der Angebote zur Gesamtgröße der Nachfrage. Um die wirtschaftlichen Erscheinungen zu erklären, bedarf man keiner genaueren Kenntnis der individuellen Elemente, aus denen sich diese Gesamtgrößen zusammensetzen. Es genügt, zu wissen, daß die Nachfrage bei entbehrlichen Gütern im allgemeinen umso rascher ab- oder zunimmt je höher oder je niedriger sich der Preis stellt, daß sie bei unentbehrlichen zwar auch bei steigenden Preisen nicht unter eine gewisse Größe sinkt, dann aber eine verminderte Nachfrage nach anderen Gütern verursacht."


1. Der erste Gossensche Satz

Die Lehre vom Grenznutzen, vom Wert und vom Preis ist im Hauptwerkt des Handwörterbuchs von hervorragenden Vertretern der "österreichischen" Schule behandelt worden, die zur Ausbildung der neueren Theorien wesentlich mit beigetragen haben. Wenn diese auf eine Erneuerung der theoretischen Grundlagen der ganzen Volkswirtschaftslehre gerichteten Bestrebungen im Handwörterbuch äußerlich das Übergewicht über die älteren Anschauungen erhalten haben, so dürfte dies gerechtfertigt sein, weil zu den letzteren kaum etwas Neues zu sagen war, während die ersteren noch immer nur in einem engeren Kreis genauer bekannt sind. Um aber den Vorwurf der Einseitigkeit zu vermeiden, scheint es angemessen, die auf dem Standpunkt der neuen Wertlehre stehenden Darstellungen durch eine Betrachtung dieser Lehre aus einem kritischen Gesichtspunkt zu ergänzen.

Die erste und im wesentlichen schon vollständige Ausführung der Lehre vom Grenznutzen findet sich bekanntlich in dem ein Menschenalter hindurch gänzlich unbeachtet gebliebenen Werk von HERMANN HEINRICH GOSSEN "Entwicklung der Gesetze des menschlichen Verkehrs" (Braunschweig 1854) und hier sind auch die beiden Methoden der Behandlung des Gegenstandes, die sich später mehr und mehr getrennt haben, noch in einer im Ganzen zweckmäßigen Weise vereinigt, nämlich die mathematische und die deduzierende und veranschaulichende Methode. Während später die mathematische Darstellung eine überwiegend oder ausschließlich analytische wurde, die nur Gleichungen aufstellt und zeigt, daß diese zur Bestimmung der vorhandenen Unbekannten ausreichen, dabei aber die wirklichen Vorgänge im wirtschaftlichen Prozeß aus den Augen verliert, wandte GOSSEN ein synthetisches Verfahren an und bewies seine Sätze mit Hilfe einfacher geometrischer Konstruktionen, aus denen man sich einigermaßen klar machen konnte, wie denn die Dinge im einzelnen wirklich zugehen. Die von MENGER ausgegangenen österreichischen Theoretiker aber wenden überhaupt keine eigenlich mathematischen Hilfsmittel an, sondern beschränken sich auf die Erläuterung ihrer Sätze durch Zahlenbeispiele. Diese treten freilich in schwerfälligen Formen auf und man könnte durch geometrische Konstruktionen oft mehr erreichen, ohne dem Leser besondere mathematische Kenntnisse zuzumuten. AUSPITZ und LIEBEN haben solche Konstruktionen in sehr beachtenswerter Weise auch auf schwierigen Gebieten zur Anwendung gebracht. Gegen die analytische Methode scheint mir stets auch das schwerwiegendere Bedenken vorzuliegen, daß sie mit intensiven Größen rechnen will, ohne nachweisen zu können, daß es für solche, selbst wenn es sich nur um ein und dieselbe Art handelt, ein festes Maß gibt. Noch weniger natürlich können intensive Größen von verschiedener Qualität auf eine gemeinschaftliche quantitative Einheit bezogen werden. Man kann wohl sagen, eine bestimmte Bedürfnisempfindung sei unter gewissen Umständen stärker als unter anderen, oder sie sei stärker oder schwächer als eine andere, oder auch sie sei in diesem Augenblick einer anderen gleich, so daß es dem Empfindenden ebenso unangenehm ist, auf die Befriedigung der einen wie auf die der anderen Art zu verzichten. Aber das Bestreben von Gradunterschieden der Bedürfnisbefriedigungen und die unter Umständen mögliche Gleichsetzung der Intensität derselben macht sie noch nicht zu quantitativ darstellbaren Größen und berechtigt daher auch nicht, mit ihnen zu  rechnen.  Wir gehen daher im folgenden auf die mathematische Behandlung der Werttheorie nicht weiter ein, sondern halten uns an die unmittelbaren psychologischen Betrachtungen.

GOSSEN ging von dem Satz aus, daß jeder Genuß für den Menschen in seiner Größe, d. h. seiner Intensität umsomehr abnimmt, je länger er dauert oder je häufiger er sich wiederholt. Man kann dies im allgemeinen zugeben, da gewisse Ausnahmen, die sich anführen lassen, mehr scheinbare als wirkliche sind. GOSSEN selbst hebt hervor, daß jeder Sinn durch Übung in seiner Genußfähigkeit gesteigert werden kann, was aber doch nicht hindert, daß jedenfalls nach voller Ausbildung dieser Fähigkeit die Fortsetzung und Wiederholung des Genusses mit fortschreitender Abnahme desselben verbunden ist.

Aus diesem Satz folgt nun auch, daß der Genuß oder die Befriedigung oder mit einem möglichst allgemeinen Ausdruck der  Nutzen den die Vermehrung der uns zur Verfügung stehenden Menge des Gutes uns verschafft, immer mehr abnimmt, je größer der bereits in unserem Besitz befindliche Vorrat ist. Der letztere muß bei fortwährender Vergrößerung schließlich eine solche Höhe erreichen, daß ein weiterer Zuwachs für uns gar keinen Nutzen mehr hat und sogar sehr unbequem und lästig werden kann. Die Abnahme des Nutzens kann übrigens, was zuerst MENGER hervorgehoben hat, dadurch hervortreten, daß die hinzukommenden Mengen des Gutes für immer weniger dringliche Verwendungen von verschiedener  Art  benutzt werden. Nach GOSSEN wird nur der  Wert  der Güter einfach gemessen durch die Größe des Genusses oder, allgemeiner ausgedrückt, des Nutzens, den sie uns verschaffen, und da die einzelnen Mengeneinheiten, aus denen wir uns nach und nach den Vorrat eines Gutes zusammengesetzt denken können, uns einen immer mehr abnehmenden Nutzen gewähren, so sinkt also für uns auch der Wert jeer neu hinzutretenden Mengeneinheit und schließlich wird jeder weitere Zuwachs für uns wertlos. Nehmen wir aber an, unser Vorrat sei 10 Mengeneinheiten und die zehnte Einheit habe, entsprechend ihrem verhältnismäßig geringen Nutzen, den Wert  x10,  der bedeutend kleiner ist, als der Wert der ersten Einheit, so schätzen wir nicht nur die zufällig wirklich zuletzt hinzugekommene, sondern  jede beliebige  im Vorrat enthaltene Mengeneinheit auf den Wert  x10.  Demnach liefert uns also der  geringste Grad des Nutzens,  den uns die Mengeneinheit eines Gutes in einem gegebenen Vorrat noch gewähren kann, das Maß für den Wert  jeder  Mengeneinheit in diesem Vorrat. Diese Nutzwirkung der letzten (möglichst klein anzunehmenden) Mengeneinheit eines Vorrates ist der von von WIESER sogenannte  Grenznutzen  dieses Vorrats. Wie groß ist nun aber der Wert des  ganzen  Vorrats? Nach GOSSEN  x1 + x2 + ... x10,  wenn  x1, x2  etc. die Werte sind, die den einzelnen als nach und nach zusammenkommende gedachten Teilmengen entsprechend ihrem Nutzen beigelegt werden. So faßt auch von BÖHM-BAWERK die Sache auf. Andere dageen, wie namentlich von WIESER und PATTEN, sagen: wenn in einem Vorrat jede beliebige Mengeneinheit den Wert  x10  hat, so hat der ganze Vorrat den Wert 10 mal  x10  und der Grenznutzen stellt also nicht nur den Wert einer für sich betrachteten Mengeneinheit dar, sondern bildet auch die Einheit, in welcher der Wert des Vorrates proportional seiner Menge ausgedrückt werden kann. Dadurch erhält der Grenznutzen eine besondere, selbständige Bedeutung für die Wertmessung, indem sich nach dieser Auffassung der Nutzen der Güter  nicht vollständig in Wert  umsetzt. So würde demnach der Wert des ganzen Vorrates Null werden, wenn noch eine Mengeneinheit hinzukäme, die für den Besitzer des Vorrates keinen Wert mehr hätte, wodurch eben der Grenznutzen auf Null gebracht würde. Damit diese Vorstellung nicht gar zu paradox erscheint, muß man wenigstens annehmen, daß der Besitzer die Gewißheit hat, daß ihm diese überflüssige Mengeneinheit immer und unter allen Umständen zu Gebote stehen wird, daß sie also nicht die Bedeutung eines Sicherheits- oder Reservevorrats besitzt. Unter einer solchen Voraussetzung würde das Gut für seinen Besitzer praktisch dieselbe Bedeutung haben, wie sein sogenanntes freies Gut, das von der Natur in beliebiger Menge zur Verfügung gestellt ist. Denn der Besitzer hätte immer mehr davon, als er bedürfte, und wie groß der Überschuß wäre, käme nicht weiter in Betracht.


2. Der subjektive Nutzwert

Es handelt sich nun zunächst um die nähere Bestimmung des in den obigen Erwägungen angewandten Begriffs des Wertes, nämlich des  subjektiven  Wertes, der mit RAUs "konkretem Gebrauchswert" zusammenfällt und genauer auch als subjektiver "Nutzwert" bezeichnet werden kann. Man kann den neueren Theoretikern zugestehen, daß die  freien  Güter im obigen Sinne nur  Nützlichkeit,  aber keinen  Wert  haben, und daß ein Gut in unseren Augen erst Wert erhält und zu einem "wirtschaftlichen" Gut wird, wenn es uns nicht im Überfluß zur Verfügung steht, d. h., wenn sein Grenznutzen nicht unter allen für uns in Betracht komenden Umständen gleich Null ist. Je knapper der Vorrat angenommen wird, umso höher stellt sich der Grenznutzen und der subjektive Wert der Mengeneinheit. Wenn wir uns also vom Vorrat  10  nach und nach immer mehr Einheiten weggenommen denken, so geht uns mit jeder Einheit eine immer größer werdende Nutzwirkung verloren, die zugleich das Maß des Wertes der betreffenden Einheit bildet. Es dürfte schwer sein, sich auf eine andere Art eine Vorstellung vom Wert des ganzen Vorrats zu machen, als mittels einer solchen sukzessiven Schätzung des Wertes seiner einzelnen Einheiten, wobei natürlich die Auswahl dieser Einheiten in der Reihenfolge ganz gleichgültig ist. Daher ist  x1 + x2 + x10  der angemessene Ausdruck des Wertes des ganzen Vorrates, wenn wir auch jeder beliebig herausgegriffenen Einheit nur den Wert  x10  zuerkennen. Ist die Menge bis zum Grenznutzen  0  gewachsen, so wird durch das Hinzutreten weiterer Mengeneinheiten von Wert  0  das Gebiet, auf dem wir überhaupt nur von Wert sprechen, noch keineswegs überschritten, denn trotz des momentanen Überflusses kann doch die  Furcht  vor einem möglichen Knappwerden des Vorrats noch bestehen bleiben. Im wirklichen Wirtschaftsleben hat die hier berührte Frage überhaupt keine praktische Bedeutung, da die Gütermengen, die für ihre gegenwärtigen Besitzer persönlich nutzlos sind, doch tatsächlich immer von vielen anderen Menschen für nützlich und wertvoll gehalten und begehrt werden und dadurch auch für ihre Besitzer einen gewissermaßen reflektierten Wert erhalten. Nur sehr wenige nützliche Dinge sind für alle Menschen in so einem gesicherten Überfluß vorhanden, daß sie zu einem Werturteil keine Veranlassung geben. Die Bedingungen des subjektiven Nutzwertes sind also einerseits die anerkannte Nützlichkeit der Güter und andererseits eine gewisse Beschränktheit der verfügbaren Menge, und zwar steigt der Wert der Einheit umso höher, je mehr die verfügbare Menge abnimmt, während jedoch der Gesamtwert des jedesmal bleibenden Restes des Vorrats sich vermindert. Praktisch kommt übrigens diese Frage nach der Zusammensetzung des subjektiven Nutzwertes eines Vorrats gar nicht in Betracht, da wir tatsächlich nicht imstande sind, mehrere Wertgrößen, mögen sie nun verschieden oder gleich sein, für unsere Empfindungen zu einem bestimmten einzigen subjektiven Wert zu summieren. Wir können allerdings den ganzen Vorrat als ein einziges Gut auffassen und dessen Wert im Ganzen abwägen, indem wir uns vorstellen, daß wir es entbehren müßte. Aber wir können diesen Gesamtwert nicht aus seinen einzelnen Elementen zusammensetzen und auch nicht das Verhältnis bestimmen, in dem der Wert einer Mengeneinheit zu ihm steht. Wohl aber können wir den Wert irgendeiner Anzahl zusammengefaßter Mengeneinheiten schätzen, indem wir uns vergegenwärtigen, welche Entbehrung es für uns sein würde, wenn wir auf diese Menge verzichteten. Wollen wir also 2, 3, 4 oder mehr Mengeneinheiten aus dem Vorrat 10 hingeben, so können wir den Wert dieser als zusammenhängende Ganze betrachteten Komplexe mit anderen Werten gleichschätzen, und wenn wir im Austausch gegen diese hingegebenen Mengen wirklich die für gleichwertig gehaltenen Mengen eines anderes Gutes erhalten, so schätzen wir auch diese letzteren immer als einheitlich zusammengefaßte Ganze. Doch dürfen wir immer sagen, daß, wenn die obigen Bezeichnungen beibehalten werden, der Komplex der neunten und zehnten Mengeneinheit für uns einen höheren Wert als 2 mal  x10,  daß ebenso der Komplex der achten, neunten und zehnten Einheit für uns mehr wert ist, als 3 mal  x10  etc., und wenn überhaupt Rechnungssymbole auf diese anwendbar wären, würde der Wert des ersten Komplex nur durch  x9 + x10,  des zweiten durch  x8 + x9 + x10  auszudrücken sein. Man kann auch jede hinzugebende oder zu erwerbende Gütermenge als Einheit für die Schätzung des Grenznutzens betrachten: beträgt sie  a  gewöhnliche Maßeinheiten, so schätze ich also jeden Komplex von  a  dieser letzteren Maßeinheiten in meinem Vorrat gleich der aufzuopfernden Teilmenge des Gutes, und andererseits sinken je  a  Maßeinheiten des zu vermehrenden Gutes, die ich bereits besitze, auf den geringeren Wert, den ich dem neu zu erwerbenden Komplex zuerkenne.


3. Der subjektive Kostenwert

Dem Genuß oder der Befriedigung, die durch ein Gut erzeugt wird, steht aber nicht nur die Entbehrung oder die Unbefriedigung, die durch die Aufopferung eines anderen Gutes entsteht, sondern auch die Unannehmlichkeit oder Beschwerde einer Anstrengung oder Arbeit gegenüber, die zur Erlangung des Gutes erforderlich ist. Entbehrungsgefühl und Arbeitsbeschwerde verhalten sich zu Genuß und Befriediung wie zwei gleichartige Größen mit entgegengesetzten Vorzeichen und es kann daher auch zwischen diesen beiden Arten von Empfindung ein Vergleich stattfinden. Übrigens werden bei diesen wie auch bei den vorher erwähnten Vergleichen im Grunde nicht die konkreten Empfindungen selbst verglichen, sondern nur die durch diese angenehmen oder unangenehmen Empfindungen erzeugten  Willensintensitäten.  Denn die Genußempfindungen, die mir z. B. das Essen einer Speise und das Trinken eines Glases Wein bereiten, sind ansich gänzlich heterogen und unvergleichbar, wohl aber sind vergleichbar die Intensitäten der Willenserregungen, die auf das Erlangen oder Behalten der Speise oder des Getränks gerichtet sind. Ebenso kann man auch sagen, die Willensanspannung, mit der ich irgendein Gut verlange, ist ebenso groß, wie diejenige, die ich aufwenden muß, um die zur Erlangung des Gutes erforderliche Arbeit zu übernehmen, oder wie der Willenswiderstand, dessen Überwindung nötig ist, wenn ich ein mir wertes Gut hingeben soll.

Jede subjektive Nutzwertschätzung ist eine bloß  relative.  Es ist durchaus irrig, anzunehmen, daß durch den Begriff des Grenznutzens der Wert irgendwie auf eine absolute Grundlage gebracht wird, denn der Grenznutzen bestimmt nur einen relativen  Grad  des Wertes, das absolute Maß desselben aber bleibt für die zehnte Teilmenge des Gutes unserer Schätzung ebenso unzugänglich, wie für die erste, wir können im einen wie im anderen Fall nichts Bestimmteres sagen als: diese Mengeneinheit schätzen wir ebenso hoch ein, wie ein gleiches Quantum eines anderen Gutes, oder ihre Entbehrung ist uns ebenso unangenehm, wie die Aufopferung einer bestimmten anderen Gütermenge oder wie die Übernahme einer gewissen Anstrengung oder Beschwerde. So läuft dann in der Wirklichkeit alles subjektive Wertschätzen auf die Vergleichung des Nutzens eines Gutes mit einem hypothetischen oder wirklichen  Opfer  hinaus, wenn wir unter Opfer sowohl das Hingeben eines Gutes wie auch die Übernahme einer Beschwerde verstehen. Ein solches, dem Nutzwert eines Gutes gleichgesetztes Opfer aber nennen wir die  Kosten  desselben und den durch die Kosten ausgedrückten Wert den Kostenwert. Es gibt keine andere Art, den subjektiven Nutzwert sich selbst wenigstens einigermaßen bestimmt zur Empfindung zu bringen oder irgendwie nach außen hin geltend zu machen, als die Darstellung desselben durch einen Kostenwert. Wenn nach MENGER der Wert eines Gutes für mich dadurch entsteht, daß ich mich vom Besitz desselben in der Befriedigung meiner Bedürfnisse abhängig fühle, so reicht dieses Abhängigkeitsgefühl doch nur so weit, als ich Kosten aufwenden muß, um mir das Gut zu verschaffen. Wenn ich zu  9  Einheiten eines Gutes noch eine zehnte zu erhalten wünsche und ich dazu eines Arbeitsaufwandes von zehn Stunden bedarf, so werde ich den Wert jeder Einheit als Äquivalent von zehn Arbeitsstunden schätzen. Hier ist nun aber außer der praktisch hervortretenden auch eine bloß hypothetische Schätzung möglich: ich kann mich fragen, welche Kosten ich als  Maximum  noch anzuwenden geneigt wäre, um mir diese Gütermenge zu verschaffen; ich kann hypothetisch auch noch weiter zurückgehen und mir die höchsten Kosten vorstellen, die ich für die neunte, die achte oder eine andere der in meinem Besitz befindlichen Mengeneinheiten opfern würde, um der Entbehrung dieser Mengen zu entgehen. Man erkennt leicht, daß bei solchen hypothetischen Maximalschätzungen die ganze  Nützlichkeit  bestimmter Gütermengen durch ein Kostenäquivalent ausgedrückt wird, und dies gilt namentlich auch in Bezug auf den Nutzen der letzten Mengeneinheit. Man könnte hiernach zwischen  Grenznutzen  und  Grenzwert  in der Art unterscheiden, daß der erstere durch die bloß hypothetische Maximalschätzung der Kosten, der letztere aber durch die wirklich erforderten Kosten gemessen wird, wobei diese letzteren in der Regel mehr oder weniger unter jenen Maximen bleiben und es natürlich niemals überschreiten können. Es kann allerdings vorkommen, daß ich, wenn ich das Gut erlangt habe, nachträglich finde, daß es die aufgewendeten Kosten nicht wert ist. Ich habe mich dann eben in meiner ursprünglichen Schätzung geirrt und ein schlechtes Geschäft gemacht, nach meiner Absicht aber werde ich zur Erlangung eines Gutes nie ein Opfer bringen, das mit schwerer wird, als die Entbehrung des Gutes selbst. Der Grenznutzen bildet also die obere Grenze des Grenzwertes. Die hypothetischen Maximalkosten sind übrigens nicht von der bloßen Phantasie nach extremen und unwahrscheinlichen Annahmen zu schätzen, sondern mit Rücksich auf die tatsächliche wirtschaftliche Lage des Schätzenden, auf sein Einkommen und auf die relative Bedeutung des betreffenden Einzelgutes innerhalb seines ganzen Konsumtionskomplexes.

In Bezug auf den Grenzwert in dem erwähnten Sinn können wir eine ähnliche Frage stellen, wie oben beim Grenznutzen: wenn ich jede Mengeneinheit eines Vorrats gleich dem Kostenwert schätze, zu dem ich mir eine solche Einheit neu verschaffen könnte, wie groß ist dann der Wert des ganzen Vorrats? Hier wird man ohne weiteres geneigt sein, zu antworten:  x a,  wenn der Vorrat aus  x  Einheiten besteht, und dies wird auch der Wirklichkeit in vielen Fällen genügend entsprechen, nämlich wenn  x  im Verhältnis zu der überhaupt zu erlangenden oder im Verkehr befindlichen Menge klein ist und wenn auch  x a  nur einen kleinen Teil des für mich möglichen Aufwandes bildet. Träfe aber die erste Bedingung nicht zu, wäre also das Angebot beschränkt, so würden die zur Wiedererlangung eines Vorrates von  x  Einheiten aufzuwendenden Kosten für jede Einheit sich mehr und mehr erhöhen, und demnach würde ich, um meinen jetzigen Vorrat zu ersetzen, mehr als  x a  aufwenden müssen und somit werde ich also auch den Wert dieses Vorrates entsprechend höher schätzen. Wäre die zweite Bedingung nicht erfüllt, so würde jede Kosteneinheit, die ich mehr aufzuwenden hätte, von mir subjektiv als ein größeres Opfer empfunden werden und demnach würden die Kosten  x a,  auch wenn ich für sie meinen ganzen Vorrat ersetzen könnte, für mich wegen der Beschränktheit meiner Mittel eine größere Bedeutung haben, als das x-fache der Kosten der Mengeneinheit. Im allgemeinen ist also auch der subjektive Kostenwert eines Vorrats theoretisch durch die Summierung der verschiedenen Werte der sukzessiven Einheiten zu bilden, wenn auch viele Verschiedenheiten bei verhältnismäßig kleinen Gesamtkosten vernachlässigt werden können.

Zugleich ergibt sich aus diesen Erwägungen, daß auch der subjektive Kostenwert nicht auf ein absolutes Maß gebracht, sondern wie der subjektive Nutzwert nur relativ geschätzt werden kann. Aber es ist wenigstens möglich, die Kosten selbst quantitativ zu messen und zugleich alle Kostenwerte auf ein einheitliches Kostengut zu beziehen. Dadurch werden die subjektiven Werte der verschiedenen Güter wenigstens einigermaßen objektiviert und in gewisse Verhältnisse zueinander gebracht. Für die in Frage kommenden praktischen Zwecke ist überhaupt ein absoluter subjektiver Wertmaßstab gar nicht erforderlich; denn diese Zwecke bestehen nach ihrer subjektiven Seite doch nur darin, daß der Mensch einen Komplex von verschiedenen Gütern in der zur Befriedigung seiner Bedürfnisse und Wünsche wirksamsten Weise kombiniert und verwendet, wobei es also nur auf die Herstellung der zweckmäßigsten  Verhältnisse  verschiedener Nutzwirkungen, nicht aber auf eine absolute Messung derselben ankommt. - Was nun die Darstellungsmittel der Kosten betrifft, so erhält auch die Arbeitskraft, obwohl ihre Betätigung mit Mühe und Beschwerde verbunden ist, einen reflektierten Wert, sofern sie eben ein Mittel zur Erlangung anderer Werte bildet, und sie kann daher ebensowohl als ein  Kostengut  bezeichnet werden, wie die sachlichen Güter, die zum Eintausch anderer Güter hingegeben werden. Der Aufwand an Arbeitskraft, der für die Gewinnung der verschiedenen Güter erforderlich ist, bildet nicht nur in der fingierten Wirtschaft eines isolierten Menschen, sondern auch in der Sklavenwirtschaft, wie sie in früherer Zeit auf wesentlich naturalwirtschaftlicher, nicht tauschwirtschaftlicher Grundlage bestand, den Maßstab für die Wertschätzung der Güter und daher auch für die Ordnung der Produktion und Konsumtion. Der Besitzer der naturalen Sklavenwirtschaft muß eben mit der Gesamtsumme der ihm zur Verfügung stehenden Arbeitskräfte haushalten und sie möglichst wirksam auf die Herstellung der von ihm gewünschten Güter verteilen. Ist ein Gut nicht dem Bedürfnis entsprechend mit gleichem Arbeitsaufwand vermehrbar, so ist der Kostenwert jeder seiner Einheiten durch die  höchsten  Arbeitskosten bestimmt, die für die Herstellung der letzten zur Befriedigung des Bedarfs noch verlangten Einheit aufgewendet werden müssen. In der Tauschwirtschaft würde dann auch der Wert der ganzen Bedarfsmenge nach diesem Einheitspreis der Menge proportional geschätzt werden; die Naturalwirtschaft jedoch wird nach dem subjektiven Wert geregelt und der Kostenwert der ganzen Menge bestimmt sich daher in ihr durch eine Summierung der Kostenwerte der in ihre natürliche Reihenfolge gestellten einzelnen Einheiten. Ist ein Gut überhaupt nicht durch Arbeit zu erlangen oder zu ersetzen, so kommt in der Naturalwirtschaft nur der subjektive Nutzwert desselben in Betracht, der aber wieder nur durch eine hypothetische Schätzung des maximalen Arbeitskostenwertes bestimmter zum Bewußtsein und in ein Verhältnis zu den übrigen Güterwerten gebracht werden kann. Der subjektive Wert der Arbeitseinheit selbst aber muß einfach als die Grundlage genommen werden, von der auszugehen ist. Es ist eine intensive Größe, die wir nicht quantitativ zerlegen können; wir wissen aber, daß die subjektive Beschwerde jeder Tagesarbeit in größerem Verhältnis zunimmt als die Dauer derselben und daß also eine Summe von Arbeitseinheiten dem durch diese Arbeitsgröße dargestellten subjektiven Kostenwert nicht einfach proportional ist. Es ist daher nur ein ungenauer, wenn auch innerhalb gewisser Grenzen praktisch brauchbarer Notbehelf, wenn wir den subjektiven Arbeitskostenwert mit den objektiven Arbeitskosten parallel gehen lassen. In der ausgebildeten Tauschwirtschaft werden die Kosten bekanntlich durch die hingegebenen Mengen eines allgemein angenommenen Tauschgutes, des Geldes, ausgedrückt. Für den subjektiven Wert der Geldkosten aber gelten dieselben Bemerkungen, wie für die Arbeitskosten: der in Geldeinheiten ausgedrückte Kostenwert wächst nicht einfach proportiona der Zahl der Geldeinheiten; der subjektive Wert der Geldeinheit läßt sich nicht auf ein absolutes Maß bringen; er hängt für jeden Einzelnen in verschiedener Weise on der Gesamtsumme von Geld ab, über die er in einem gegebenen Zeitraum verfügen kann; für die zweckmäßige Verteilung dieser Gesamtsumme auf die verschiedenen Bedürfnisse aber, auf die es praktisch allein ankommt, reicht die bloß relative Schätzung des Wertes der Geldeinheit vollkommen aus. Auf diese Verteilung des Kostenaufwandes und deren subjektive Bedeutung kommen wir unten noch genauer zurück.


4. Der zweite Gossensche Satz

Bei unserer Wirtschaftsführung wird es sich immer wieder darum handeln, die uns zu Gebote stehenden Erwerbsmittel, sei es Arbeitskraft oder Geld, möglichst zweckmäßig zur Befriedigung unserer Bedürfnisse auszunutzen, so daß wir dadurch ein Maximum an Genuß oder Nutzen erhalten. In dieser Beziehung hat nun GOSSEN den Satz aufgestellt, daß wir, wenn wir nicht imstande sind, von mehreren uns zugänglichen Genüssen jeden einzelnen uns bis zur vollen Sättigung zu verschaffen, im Ganzen ein Maximum an Genuß erlangen, wenn wir uns jeden so weit bereiten, daß alle bei derselben Intensität aufhören. Eine Verallgemeinerung dieses Maximumsatzes bildet die Grundlage der ganzen neueren mathematischen Wirtschaftstheorie, die eben nur durch die Hypothese, daß ein Maximum des Nutzens durch den gesellschaftlichen Güteraustausch entsteht, die zur Bestimmung aller Unbekannten nötige Zahl von Gleichungen erhält. Mathematisch sind diese Entwicklungen alle vollkommen richtig, ebenso wie der von GOSSEN gegebene geometrische Beweis seines Satzes unter den von ihm angenommenen Voraussetzungen unanfechtbar ist. Aber diese Voraussetzungen decken sich eben nicht mit der Wirklichkeit, ganz abgesehen von dem allgemeinen Einwand, daß mit Empfindungsgrößen überhaupt nicht gerechnet werden kann. Passen wir zunächst den  Gossenschen Satz  den obigen Darstellungen an, indem wir ihn nicht auf die Genüsse selbst, sondern auf die Gütermengen beziehen, die die Genüsse oder Befriedigungen hervorbringen. Die kleinste Menge, deren Besitz oder Nichtbesitz für unsere Bedürfnisbefriedigung überhaupt noch eine merkliche Bedeutung hat, ist bei den verschiedenen Güterarten sehr verschieden. Wenn wir unser Bedürfnis nach Salz auch bis zur vollen Sättigung befriedigen, so brauchen wir doch jährlich nur einige Kilogramm, die volle Befriedigung unseres Brotbedarf aber verlangt jährlich einige Zentner, und noch bedeutend größer ist die Gewichtsmenge Steinkohlen, die wir jährlich zur vollen Befriedigung unseres Heizungsbedürfnisses aufwenden müssen. Diesen verschiedenen Größen des normalen Gesamtbedarfs werden nun auch die kleinsten in Betracht kommenden Mengen annähernd proportional sein und somit könnte man auch bei der Betrachtung einer reinen Naturalwirtschaft eine bestimmte Quantität jeder Güterart als die einer "Nützlichkeitsstufe" entsprechende feststellen, wobei es auch gleichgültig wäre, ob diese Menge nach Gewicht, Hohlmaß, Stückzahl oder auf irgendeine andere Art ausgedrückt wäre. Wir wollen jedoch hier nur die wirklich bestehende Wirtschaftsform betrachten, bei der alle wirtschaftlichen Güter stets einen Geldpreis haben und die Beschränkung der Bedürfnisbefriedigung für jeden dadurch entsteht, daß er in einer bestimmten Zeit nur über eine beschränkte Geldsumme verfügen kann. Wir können dann als die sich bei der Bedürfnisbefriedigung entsprechenden Mengen der verschiedenen Güterarten diejenigen annehmen, die man für eine nicht zu große Geldeinheit, z. B. für eine Mark, erlangen kann. Dann lautet also der  zweite Gossensche Satz:  "Wenn ich in einem gewissen Zeitraum im Ganzen über  x  Mark zur Anschaffung von  n  verschiedenen Güterarten verfügen kann, so muß ich, um ein Maximum an Nutzen zu erhalten, von jeder Art mir soviel anschaffen, daß der auf die Geldwerteinheit bezogene Grenznutzen bei allen gleich groß ist." Das Prinzip des Beweises dieses Satzes kann man sich leicht klarmachen, wenn man annimmt, man wolle nur zwei Arten von Bedürfnissen, und zwar mit den Gütern  A  und  B  befriedigen. Reichte das verfügbare Geld zur vollen Befriedigung beider Bedürnisse aus, so würde selbstverständlich das Maximum des Nutzens erreicht werden, wenn beide Güter in einer solchen Menge gekauft würden, daß für jeden der Grenznutzen gleich Null würde. Ist aber diese volle Sättigung wegen einer Unzulänglichkeit des Geldbestandes nicht möglich, so nehmen wir an, daß die Anschaffung von  A  mit der  a-ten,  von  B  mit der  b-ten  Geldwerteinheit abbricht, wenn  a + b  die ganze verfügbare Geldsumme darstellt. Wenn nun der Nutzen dieser beiden letzten Mengeneinheiten gleich groß ist, so ist die Gesamtsumme des mit der Summe  a + b  erreichbaren Nutzens ein Maximum. Denn gäbe ich die  a-te  Geldwerteinheit von  A  auf, um dafür die  (b + 1)-te  Einheit von  B  zu erhalten, so hätte ich Schaden, weil ja der Nutzen jeder folgenden Einheit abnimmt, also der der  (b + 1)-ten  kleiner wäre als der der  b-ten  von B und folglich auch als der der  a-ten  von  A.  Gäbe ich umgekehrt die  b-te  Einheit von  B  auf, um dafür die  (a + 1)-te  von  A  zu erhalten, so hätte ich ebenfalls Schaden, wie sich aus einer ganz analogen Erwägung ergibt. Diese Argumentation läßt sich auf beliebig viele nicht bis zur vollen Sättigung erreichbare Güter ausdehnen und es ergibt sich dann die allgemeine Gültigkeit des obigen Satzes. Um denselben praktisch anzuwenden, müßte man natürlich auf die wirklichen Zustände Rücksicht nehmen. Unsere Bedürfnisse steigen und fallen in sehr verschiedenen  Perioden.  Das Nahrungsbedürfnis erwacht selbst nach voller Sättigung meistens nochmals, vielleicht sogar noch zweimal am selben Tag, andere Bedürfnisse erneuern sich regelmäßig von Tag zu Tag, das Bedürfnis nach Heizung wird in einem strengen Winter kontinuierlich empfunden, im Sommer verschwindet es gänzlich, in den Übergangszeiten tritt es mit geringerer und veränderlicher Maximalintensität auf. Das Jahr bildet für fast alle Bedürfnisse eine größere natürliche Periode und man könnte innerhalb desselben für jeden Kalendertag einen besonderen Komplex von Bedürfnissen jedes mit seiner besonderen Intensitätsskala aufstellen. Diese Darstellung wird aber zu verwickelt und man wird sich daher wohl begnügen müssen, den ganzen Jahresbedarf für die verschiedenen Güter zusammenzufassen und für jedes eine durchschnittliche Intensitätsskala anzunehmen, wie sie sich in der natürlichen Elementarperiode für das betreffende Bedürfnis, z. B. den jeweiligen Tag, ergibt. Dadurch wird aber offenbar die unmittelbare subjektive Empfindung des Nutzens der Güter und der Schätzung ihres Grenznutzens sehr beeinträchtigt. Man müßte ja für ein ganzes Jahr im Voraus die Verteilung seines Einkommens auf die verschiedenen Ausgabeposten so regeln, daß der im voraus geschätzte Grenznutzen aller Güterarten gleich wäre. Diese Aufgabe würde schwerlich irgendjemand richtig lösen können; vor allem aber wird ihre Lösung in der Wirklichkeit auch von niemandem  beabsichtigt,  denn die Norm, nach welcher die Einzelnen ihr Einkommen auf die Anschaffung der verschiedenen Güterarten verwenden, ist tatsächlich nicht die des GOSSENschen Satzes. Mit Recht hat schon von WIESER darauf hingewiesen, daß unter der letzteren Annahme jede Vermehrung des Einkommens eine neue Verteilung des Verbrauchs  aller  Güterarten hervorrufen müßte, während in Wirklichkeit viele Ausgaben auf ihrem alten Stand bleiben und nur einzelne Konsumtionsarten ausgedehnt werden. In der Tat, wenn jemand eine Einkommenserhöhung von 6000 auf 6500 Mark erhält, so wird er deshalb nicht mehr und nicht weniger Kartoffeln und Brot jährlich verzehren, aber er wird für sich und seine Familie vielleicht mehr Kleider anschaffen oder mehr Wein trinken oder häufiger ins Theater gehen. Überhaupt dürfte nach dem  Gossenschen Satz  kein Bedürfnis voll befriedigt, also kein Gut auf den Grenznutzen gebracht weren, wenn nicht für  alle  Bedürfnisse dasselbe geschieht, was der täglichen Erfahrung offenbar durchaus widerspricht. Vielmehr kann man für jede vernünftig geordnete Wirtschaft die Regel aufstellen, daß eine gewisse Kategorie von Bedürfnissen  immer volle  Befriedigung erhält, die übrigen aber nur eine unvollständige, und zwar geht diese Unvollständigkeit umso weiter, je mehr die betreffende Befriedigung mit Rücksicht auf das Einkommen des Wirtschaftenden für Luxus zu halten ist. Selbst der auf einen knappen Lohn angewiesene Arbeiter wird sein Bedürfnis nach Kartoffeln und Brot voll befriedigen, aber er wird im Jahr vielleicht nur ein Viertel oder ein Drittel der Fleischquantität verzehren, die seinem subjektiven Begehren vollständig genügte, und auf Wein wird er vielleicht, obwohl er ihn gern trinken möchte, gänzlich verzichten. Wer als verheirateter Mann ein Einkommen von 6000 bis 7000 Mark hat, wird das Bedürfnis nach Fleischnahrung für sich und seine Familie noch vollständig befriedigen, aber sich nur ganz ausnahmsweise eine Flasche  Beuve Cliquot  gestatten, wenn er auch jeden Tag ein sehr intensives Begehren nach diesem Genuß empfinden und demnach die Genußwirkung der zuletzt getrunkenen Flasche sehr hoch anschlagen mag. Ein reicher Mann aber wird auch dieses Bedürnis bis zum Nullpunkt herabbringen, aber doch villeicht einen Teil der Wünsche seiner Frau in Bezug auf Toiletten, Diamanten etc. unerfüllt lassen. Es kann ja vorkommen, daß Leute sich zu Hause das Fleisch entziehen, um nach außen stets in eleganten Kleidern zu erscheinen, aber das sind Ausnahmefälle, die entweder durch eine törichte Eitelkeit oder durch die besonderen Erfordernisse der Lebensstellung solcher Personen entstehen.


5. Subjektives Begehren
und Selbstbeschränkung

Die wirkliche Ordnung der Einkommensverwendung ist also nicht darauf berechnet, das mathematisch bestimmbare Maximum des Genusses herbeizuführen, da die Konsumtion der verschiedenen Güter normalerweise nicht mit gleichen, sondern mit sehr verschiedenen Grenznutzengrößen endet. Wie erklärt sich diese, auf den ersten Blick auffallende Erscheinung? Einfach dadurch, daß wir unsere Konsumtion nicht bloß nach unseren triebmäßigen, physiologischen oder psychologischen Bedürfnisempfindungen, sondern auch nach  vernünftigen Überlegungen  regeln. Wie schon oben hervorgehoben wurde, hängt die Ausdehnung unserer Güterverwendung in jedem Fall von einer Willensentscheidung ab. Dieser Willensakt aber ist im allgemeinen die Resultierende aus zwei Faktoren, einesteils dem Trieb zum Genuß und anderen Teils der Kraft der  Selbstbeschränkung  aus wirtschaftlichen, gesundheitlichen, sittlichen oder anderen vernünftigen Motiven. Fassen wir nun die wirtschaftlichen Motive der Selbstbeschränkung ins Auge, so kommen diese bei den Aufwendungen für die gewöhnlichen Lebensbedürfnisse bei genügendem Einkommen gar nicht zur Wirkung und der auf Erlangung von Gütern dieser Art gerichtete Wille wird einfach durch die volle Befriedigung zur Ruhe gebracht. Bei denjenigen Gütern aber, hinsichtlich deren die wirtschaftliche Überlegung eine Selbstbeschränkung verlangt, wird der Rest der unbefriedigten Begehren durch den vernünftigen Willensakt neutralisiert und es bleibt daher auch hier, wenn auch noch ein Wunsch, so doch kein  Wille  zur weiteren Ausdehnung einer solchen Konsumtion übrig. Viele Güterarten werden von dem, einem beschränkten Einkommen entsprechenden Konsumtionskomplex durch die vernünftige Selbstbeschränkung  gänzlich  ausgeschlossen, also nicht einmal in geringem Maße zur teilweisen Befriedigung eines vielleicht sehr lebhaften Genußtriebes zugelassen. So wird jeder Konsumtionskomplex in seiner Mannigfaltigkeit nicht durch Rücksicht auf den Genuß, sondern durch eine wirtschaftliche Überlegung beschränkt; die Theorie aber, die nur die von den Gütern ausgehenden Genüsse oder Nutzwirkungen beachtet, läßt unerklärt, weshalb jemand mit einem bestimmten Einkommen sich überhaupt nur  n  und nicht  n + x  Güterarten anschafft, da doch nach dem  Gossenschen Satz  die Gesamtsumme des Genusses oder Nutzens umso größer wird, je größer die Zahl der in den Konsumtionskomplexen aufgenommenen Güterarten ist, weil für jede dann bei einer kleineren Konsumtionsmenge ein desto größerer Grenznutzen auftritt.

Der Wirtschaftende erstrebt also nicht die Gleichheit des Grenznutzens der verschiedenen Güterarten, sondern er bringt in Bezug auf jedes Gut seine Willenserregung auf den Nullpunkt. Ob dabei ein Teil seiner subjektiven Wünsche ungestillt bleibt, ist für sein wirtschaftliches Verhalten gleichgültig, wenn er eben den  Willen  hat, nichts weiter für die Befriedigung seiner Neigungen zu tun. Daß viele Leute sowohl in der Ausdehnung des Kreises ihrer Bedürfnisse als auch in der Verteilung ihrer Ausgaben auf die einzelnen Arten derselben nicht die ihren Verhältnissen entsprechende Selbstbeschränkung üben, sondern mehr oder weniger unvernünftig und unwirtschaftlich verfahren, ist eine Abweichung von der normalen Wirtschaftsführung, auf die wir hier nicht weiter Rücksicht zu nehmen brauchen.

Die herkömmliche mathematische Theorie läßt jene durch die Einkommensverhältnisse des Wirtschaftenden bedingte, den Genußtrieb überwindende Willensaktion gänzlich außer Acht. Für sie ist die Nutzwirkung eines jeden Zuwachses eines Gutes lediglich eine Funktion der Menge als einziger Veränderlichen, und sie stellt demnach die ganze Nutzwirkung desselben für seinen Besitzer durch eine Fläche dar, die von den beiden Koordinatenachsen und einer abwärts gehenden Kurve begrenzt ist, die also bis zur Abszissenachse, d. h. bis zum Nullpunkt des Genusses reicht. Wenn nun baer mehrere Nutzwirkungen verschiedener Güter sich wegen der Unzulänglichkeit des verfügbaren Einkommens gegenseitig beschränken und teilweise ausschließen, so findet die Verteilung des Einkommens auf die einzelnen Güter tatsächlich nicht so statt, als wenn jede Nutzwirkung nur von der Menge des Gutes abhängt, sondern die effektiv zustande kommenden gesamten Nutzwirkungen bestimmen sich auch nach besonderen selbständigen Erwägungen über die wirtschaftliche Angemessenheit der ganzen Verteilung. Für die bis zur vollen Befriedigung genossenen Güter, die der Besitzer bei seinen Einkommensverhältnissen in der gegebenen Menge für unentbehrlich hält, trifft das obige Bild zu, denn der auf ihre Konsumtion gerichtete Wille erfährt keine Hemmung, sondern fällt einfach mit dem Begehren nach ihrem Genuß zusammen. Bei den unvollständig genossenen Gütern aber geht diese Übereinstimmung nur bis zu einer gewissen Menge, dann aber wird die die effektive Nutzwirkung darstellende Fläche durch eine Ordinate abgeschlossen, deren Größe bei den verschiedenen Gütern verschieden ist und von Einkommen und Preisen und dem Urteil über die wirtschaftliche Bedeutung der Güter innerhalb des ganzen Konsumtionskomplexes abhängt. Irgendeine mathematische Norm für die Größe dieser Grenzordinaten läßt sich nicht aufstelle, und es würde für ihre Bestimmung auch nichts gewonnen sein, wenn man annähme, daß bei der Verteilung des Einkommens auf die verschiedenen Güter ein Maximum von  "wirtschaftlicher Zweckmäßigkeit"  erreicht werde. Denn diese wirtschaftliche Zweckmäßigkeit wäre wieder selbst ein unbestimmter Begriff und etwas anderes als eine Vereinigung von Nutzwirkungen, von denen jede nur von der Menge des betreffenden Gutes abhinge.

Es ist aber ferner auch klar, daß, abweichend von der gewöhnlichen mathematischen Theorie, die für sich allein betrachtete Grenze oder Nutzwirkung eines jeden Gutes nicht nur von seiner eigenen Menge, sondern auch von den Mengen der übrigen in einem Konsumtionskomplex der Wirtschaftenden enthaltenen Güter abhängt. Wenn jemand seinen Hunger ausschließlich mit Kartoffeln stillen muß, so wird für ihn die Skala der Nutzwirkung der Kartoffeln offenbar eine ganz andere sein, als wenn er täglich außer diesen noch sechs andere Speisen zur Verfügung hat und von jeder soviel essen kann wie er will. Schon bei einer Änderung der zeitlichen Reihenfolge, in der die Kartoffeln unter diesen Speisen ständen, würde sich die ihnen entsprechende Genußkurve ändern. In jedem Fall aber würde sie bei einer weit geringeren Größe des Verbrauchs auf den Nullpunkt kommen, als wenn Kartoffeln die einzige Nahrung des Konsumenten bildeten. Überhaupt ist zu erwägen, daß die Genußfähigkeit des Menschen in jedem Kreis ihrer möglichen Betätigung nur eine beschränkte ist und daß daher Genüsse von auch nur annähernd verwandter Natur sich gegenseitig beengen und abschwächen. Wer allen möglichen Vergnügungen nachjagen kann, findet bald, daß jedes einzelne für ihn rasch auf den Nullpunkt sinkt oder als Langeweile zu einer negativen Größe wird. Aber auch Nutzwirkungen von verschiedener Natur sind bis zu einem gewissen Grad voneinander abhängig, denn viele setzen das Vorangehen oder das gleichzeitige Vorhandensein anderer voraus, um selbst voll empfunden zu werden, da der Mensch eine gewisse allgemeine Behaglichkeit verlangt, um für die Genußwirkung eines besonderen Gutes in vollem Maß empfänglich zu sein. Wenn man also überhaupt die subjektiven Nutzwirkungen der verschiedenen Güter mathematisch ausdrücken könnte, so müßte dies für jede Person besonders durch Funktionen sehr vieler Veränderlichen geschehen, nämlich der Menge und der Preise aller zu einem Konsumtionskomplex gehörenden Güter, sowie auch des Einkommens dieser Person. Man hat schon versucht, die mathematische Theorie dahin zu erweitern, daß die Nutzwirkung jeden Gutes als mit abhängig von den Mengen der gleichzeitig konsumierten anderen Güter angenommen wird, aber dies kann noch nicht genügen, da Preise und Einkommen infolge ihres selbständigen Einflusses auf den Konsumtionswillen ebenfalls als unabhängige Veränderliche eingeführt werden müßten. Man könnte sich nun ja auch Funktionen vorstellen, die diese Veränderlichen mit einschließen, da wir aber von der Form derselben gar nichts wissen, und da andererseits jede Anschaulichkeit und jeder Einblick in den wirklichen Zusammenhang der wirtschaftlichen Erscheinungen bei einer so verwickelten analytischen Methode verloren geht, so ist irendein praktisch verwertbares Resultat auf diese Weise nicht zu erreichen.


6. Der Güteraustausch

Abgesehen von den erwähnten Einwendungen versagt aber die mathematische Theorie hauptsächlich deshalb, weil der Maximalumsatz, den sie zur Aufstellung der nötigen Zahl von Gleichungen anwenden muß, für den Prozeß des Güteraustausches in der Wirklichkeit ebensowenig gilt, wie für die Verteilung eines individuellen Einkommens auf die verschiedenen Güterarten. Wenn wir das gewöhnliche, der Wirklichkeit nur in verhältnismäßig wenigen Fällen entsprechende Schema annehmen, daß jeder Wirtschaftende das Gut, das er selbst produziert, auch für seine eigene Bedarfsbefriedigung verwenden kann, so entsteht nach der Theorie durch den Austausch eines Teils dieses Produkts  A  gegen ein anderes  B  ein Maximum der Nutzwirkung, wenn bei einem gegebenen festen Austauschverhältnis der Grenznutzen der eingetauschten Quantität von  B  sich zum Grenznutzen des Restes von  A  verhält, wie die Zahl der Mengeneinheiten von  B,  die für eine Mengeneinheit von  A  gegeben werden, also dieses Verhältnis dem festen Austauschverhältnis oder dem Preis von  B  in  A  gleich wird. Auf einem großen Markt mit freier Konkurrenz bilden sich immer annähernd solche feste, von den Tauschgeschäften der einzelnen nicht merklich beeinflußte Preisverhältnisse und jeder einzelne Tauschende kann auf dieser Basis die obige Maximumregel zur Anwendung bringen. Er wird aber in Wirklichkeit nicht nach dieser Norm handeln, weil er sich bei seinen Tauschgeschäften nicht einfach durch die Rücksicht auf die Genuß- oder Nutzwirkungen der Güter, sondern auch durch vernünftige wirtschaftliche Überlegungen leiten läßt. Er wird nach denselben Rücksichten verfahren, wie bei der oben betrachteten Einkommensverteilung: wenn sein eigenes Produkt zu den unentbehrlichen Gütern gehört, deren Konsumtion er stets bis zur vollen Befriedigung ausdehnen will, so wird er immer nur den Überfluß austauschen, den er selbst gar nicht brauchen kann. Der Grenznutzen der von ihm zurückgehaltenen Menge wird Null (1) sein, ebenso auch der Grenznutzen gewisser eingetauschter Güter, die er sich im Hinblick auf die Größe des ihm zu Gebote stehenden vertauschbaren Überschusses ebenfalls bis zur vollen Befriedigung verschaffen will. Dagegen wird er viele andere, als mehhr oder weniger entbehrlich betrachtete Güter aus wirtschaftlichen Erwägungen wegen der Beschränktheit seiner Tauschmittel nur in Mengen eintauschen, die sein subjektives Begehren zum Teil ungestillt lassen. Diese Mengen haben also positive Grenznutzengrößen, die unter sich keineswegs im gleichen Verhältnis zu stehen brauchen wir ihre Preise und denen andere Güter, insbesondere die von den betrachteten Produzenten erzeugten mit dem Grenznutzen Null gegenüberstehen. Die Grenznutzengrößen beim Güteraustausch verhalten sich also überhaupt nicht wie die Preise. Die Bedingung des Maximums der dem subjektiven Begehren entsprechenden Nutzwirkung der Güter wird demnach nicht erfüllt, sondern es greift überall neben dem Genußtrieb die Selbstbeschränkung aus wirtschaftlichem Motiv ein, und die mathematische Theorie, die die Mengen der ausgetauschten und zurückgehaltenen Güter nur von den Nutzwirkungen abhängen läßt, muß daher als unzureichend betrachtet werden.

In der Wirklichkeit wird der Güteraustausch bekanntlich so gut wie ausschließlich durch die effektive oder rechnungsmäßige Mitwirkung des Geldes vermittelt. Das Geld hat keine selbständige unmittelbare Nützlichkeit, aber durch seine Vermittlung kann man jedes andere Gut erhalten und daher hat es für seinen Besitzer einen reflektierten subjektiven Wert, der von den Gütern abhängt, die er dafür verlangen kann. Jeder vernünftig Wirtschaftende wird für eine gewisse Quote seines Geldeinkommens solche Güter kaufen, die er sich nach seiner wirtschaftlichen Lage bis zur vollen Befriedigung anschaffen kann. Den Rest aber wird er auf solche Güter verwenden, hinsichtlich derer er sich mehr oder weniger Beschränkungen auferlegt, und die man sich in eine solche Reihe gestellt denken kann, daß das unbefriedigt bleibende, aber durch den wirtschaftlichen Willensakt neutralisierte Begehren bei der letzten Geldwerteinheit, demnach also der Grenznutzen der betreffenden Mengen immer größer wird. Solange ein genügender Einkommensüberschuß zur Anschaffung mehr oder weniger entbehrlicher Güter vorhanden ist, wird der Wirtschaftende gar nicht auf den Gedanken kommen, daß er auch hinsichtlich der vollständig genossenen Güter, die wir als Güter der ersten Klasse bezeichnen wollen, eine Beschränkung erfahren könnte.

Wird sein Einkommen vermindert, so werden villeicht einige von diesen Gütern in die zweite Klasse, die der unvollständig genossenen treten, von den übrigen aber ist stets wenigstens ein Teil mit Sicherheit als immer zur Genüge vorhanden anzunehmen, indem der Wirtschaftende nötigenfalls durch eine Verminderung seiner weniger dringenden Ausgaben eine Reserve erspart, durch die jener als notwendig betrachtete Güterbedarf unter allen Umständen gedeckt werden soll. Selbst der Unwirtschaftliche und Verkommene rechnet darauf, daß ihm die durchaus unentbehrlichen Lebensmittel stets auf irgendeine Art, äußersten Falles durch die Hilfe der Armenpflege, zu Gebote stehen werden. Welchen subjektiven Wert hat nun die Geldsumme, die ich zur Anschaffung eines der Güter der ersten Klasse bis zu meiner vollen Befriedigung aufwenden muß? Dieser Wert ist natürlich nicht nach der Summe des von einem Maximum bis Null herabsteigenden Nutzen zu schätzen, den mir die einzelnen der Geldwerteinheit entsprechenden Mengen des Gutes verschaffen; denn die Schätzung dieser Gütermenge geschieht nicht nach ihrem Nutzen, sondern nach ihrem Kostenwert und zwar wird die als feststehend betrachtete Bedarfsmenge als ein Ganzes geschätzt. Um aber den subjektiven Wert des aufgewendeten Kostengutes selbst, des Geldes, zu bestimmen, muß man sich fragen, welchen Verlust an Genuß oder Nutzwirkung man erleiden würde, wenn das Einkommen um die betreffende Geldsumme, sagen wir 100 Mark, vermindert würde. Die Konsumtion des in Rede stehenden Gutes, die wir als stets vollständig gesichert annehmen, wird dadurch nicht beschränkt werden, aber es wird ein Teil der unvollständig genossenen Güter, vielleicht auch ein Teil der nicht mit Sicherheit zur ersten Klasse gehörenden verdrängt werden. Wie sich der Ausfall auf die einzelnen Güterarten der zweiten Klasse verteilen würde, läßt sich nicht allgemein sagen. Es wäre möglich, daß nur eine einzige von diesen Güterarten betroffen würde; vielleicht aber würde der Wirschaftende die Einbuße auf mehrere Güter zu verteilen suchen nach dem Prinzip, daß er im Ganzen möglichst wenig an Genuß oder Nutzwirkung verlöre; alles kommt hier auf das Urteil des Wirtschaftenden über die Stellung der verschiedenen Güter in seinem Konsumtionskomplex an. Jedenfalls aber kann ich sagen: 100 Mark in meinem Einkommen haben für mich den Wert einer gewissen Menge von Gütern der zweiten Klasse, auf die ich verzichten müßte, wenn mir jene Summe entzogen würde. Auf diesen Wert würde ich also auch die 100 Mark schätzen, die ich für das als unentbehrlich betrachtete Gut aufwenden muß. Dieselbe Erwägung ist auf jede beliebige Güterart dieser Klasse anwendbar, und zwar selbständig und unabhängig von den übrigen, da alle diese Güter ja als unentbehrlich gelten und daher kein Grund vorliegt, für sie eine Rangordnung der Entbehrlichkeit aufzustellen. Hiernach könnte man sich einen Durchschnittswert der Geldeinheit innerhalb der ganzen auf Güter der ersten Klasse verwendeten Summe denken, aber eine bestimmte Darstellung würde man sich von diesem Wert nicht machen können. Eine Änderung desselben würde eintreten, wenn eines oder mehrere der Güter der ersten Klasse bei sonst gleichbleibenden Umständen ihren Preis änderten. Stiege z. B. der Preis der Bedarfsmenge eines dieser Güter um 100 Mark, so würden dadurch gewisse Mengen von Gütern der zweiten Kategorie aus der Konsumtion verdrängt, der Grenznutzen der noch erreichbar bleibenden Reste dieser Güter aber vergrößert, daher also auch der subjektive Wert jeder Summe von 100 Mark erhöht, die für die Anschaffung von Gütern der ersten Klasse verwendet wird, womit zugleich eine Erhöhung des Durchschnittswertes der Geldeiheit im Gesamtpreis dieser Güter gegeben wäre. Umgekehrt würde dieser Durchschnittswert sinken, wenn die Bedarfsmenge der betrachteten Güter um 100 Mark im Preis zurückginge, weil dann der Verbrauch von Gütern der zweiten Klasse stiege und der Grenznutzen der Konsumtionsmengen derselben abnähme.

Immerhin bleibt diese Schätzung des Geldwertes nach der Nutzwirkung eines als wegfallend angenommenen Teils der entbehrlichen Güter eine vage und jeder eigentlichen Messung unzugänglich. Man könnte daher fragen, ob sich der subjektive Wert des Geldes nicht zweckmäßiger durch seinen subjektiven Kostenwert ausdrücken läßt. Dies ließe sich mit ziemlicher Bestimmtheit durchführen für das ausschließlich durch Arbeit erworbene Geld. Wenn jemand durch eine tägliche zwölfstündige Arbeit jährlich 1200 Mark verdient, so hat jees Hundert in dieser Summe, nach dem zu seiner Erwerbung nötigen Arbeitsaufwand geschätzt, einen höheren subjektiven Kostenwert als das vorhergehende, weil jede weitere Arbeitsstunde an einem Tag eine größere Beschwerde verursacht. Wollte der Arbeiter auf 100 Mark Einkommen verzichten, so könnte er sich täglich die zwölfte, also die unangenehmste Arbeitsstunde ersparen. Wenn er dies gleichwohl nicht tut und sich für diese letzten 100 Mark entbehrliche Güter der zweiten Klasse anschafft, so bekundet er dadurch die große Intensität des größtenteils unbefriedigt bleibenden subjektiven Begehrens nach diesen Gütern. Aber jede 100 mark, die für die vollständig genossenen Güter der ersten Klasse verwendet werden, schätzt er trotz ihres geringeren subjektiven Arbeitskostenwertes ihren Nutzwert ebenso hoch ein, wie die letzten 100 Mark, denn die obere Grenze ihres Nutzwertes bildet der Nutzen der Mengen von Gütern der ersten Klasse, die man für 100 Mark kaufen kann, und der Kostenwert auch der letzten 100 Mark wird noch bedeutnd unter dieser Grenze bleiben. Ein subjektives Begehren nach den Gütern der ersten Klasse wird jedoch, im Gegensatz zu denen der zweiten Klasse, gar nicht mehr empfunden, weil eben das Bedürfnis nach ihnen voll befriedigt ist, und ihren Nutzen kann man sich nur vergegenwärtigen, indem man auf die oben erwähnte Art hypothetisch die maximalen Kosten abschätzt, die man nötigenfalls für sie opfern würde.

Wird aber das Einkommen aus Kapitalanlagen und durch die Verwendung der Arbeit  anderer  gewonnen, so kann man nicht mehr sagen, daß die letzten 100 oder 1000 Mark für den Inhaber des Einkommens einen höheren subjektiven Kostenwert haben als die vorhergehenden. Ihr subjektiver Wert wird sich daher nur auf die vorher erwähnte Weise nach der Nutzwirkung gewisser Mengen von Gütern der zweiten Klasse schätzen lassen, zu deren Anschaffung jener letzte Einkommensteil verwendet wird.

Die subjektiven Nutzwert- und Kostenwertschätzungen dienen nur dazu, das Verhalten des Einzelnen in seiner besonderen Wirtschaft zu regeln. Durch den mit Hilfe des Geldes erfolgenden Güteraustausch in der Gesellschaft gehen aus dem Zusammenwirken vieler subjektiver Schätzungen die objektiven Werte der Güter hervor, die durch ihre  Marktpreise  in Geld ausgedrückt werden.

Unmittelbar entscheidet über die Preisbilung das Verhältnis der Gesamtgröße der Angebote zur Gesamtgröße der Nachfrage. Um die wirtschaftlichen Erscheinungen zu erklären, bedarf man  keiner  genaueren Kenntnis der  individuellen  Elemente, aus denen sich diese Gesamtgrößen zusammensetzen. Es genügt, zu wissen, daß die Nachfrage bei entbehrlichen Gütern im allgemeinen umso rascher ab- oder zunimmt je höher oder je niedriger sich der Preis stellt, daß sie bei unentbehrlichen zwar auch bei steigenden Preisen nicht unter eine gewisse Größe sinkt, dann aber eine verminderte Nachfrage nach anderen Gütern verursacht. In Bezug auf das Angebot aber weiß man, daß es bei freier Konkurrenz und beliebiger Vermehrbarkeit der Güter sich immer in der Art vergrößert oder vermindert, daß der Preis sich nur vorübergehend von den Produktionskosten (mit Einschluß des normalen Kapitalgewinns) erheblich entfernen kann, während bei Gütern mit beschränkter Vermehrbarkeit die Produktionskosten unter den ungünstigsten Bedingungen, unter denen diese Güter zur Befriedigung der Nachfragenden erzeugt werden müssen, den Regulator des Preises bilden. Diese einfache und klare Preislehre der "klassischen Theorie stimmt im Großen und Ganzen unzweifelhaft mit den Tatsachen überein und bleibt von der subjektiven Werttheorie gänzlich unberührt. Der Preis ist für die erstere einfach das  Resultat  eines volkswirtschaftlichen Prozesses, er oszilliert um die Produktionskosten, nicht weil dies in seinem begrifflichen Wesen begründet ist, sondern weil die ins Spiel kommenden individuellen Wirkungen und Gegenwirkungen in ihrer Gesamtheit immer zu diesem Ergebnis hinzuführen streben. Die Theorie des subjektiven Wertes aber beschäftigt sich mit der Betrachtung dieser individuellen Triebkräfte für sich, die in der Theorie des volkswirtschaftlichen Güteraustauschs nur in ihren Massenwirkungen auftreten. Diese subjektive Theorie sucht zu zeigen, wie die Nachfrage und das Angebot der Einzelnen bedingt ist, von welchen Umständen die individuellen Nutz- und Kostenwertschätzungen abhängen, aus denen die objektiven Tauschwerte auf dem Markt entstehen. Diese Untersuchungen haben ohne Zweifel ihr Interesse und ihre wissenschaftliche Berechtigung; aber die Theorie des volkswirtschaftlichen Massenprozesses ist gänzlich unabhängig von ihnen. Für diese würden sie nur dann eine  notwendige  Grundlage bilden, wenn sie imstande wären, genauere  quantitative  Normen für die Veränderungen des Gesamtangebots und der Gesamtnachfrage zu geben. Dies ist aber nicht der Fall; mag man auch z. B. das Gesetz der Abnahme der Nachfrage des Einzelnen bei Zunahme des Vorrats durch Kurven, Zahlenreihen oder algebraische Symbole versinnlichen, diese Darstellungen sind doch nur Fiktionen, und über die wirklichen Änderungen der Nachfrage der Einzelnen wissen wir nichts bestimmteres, als was oben in Bezug auf die Gesamtnachfrage gesagt worden ist, und daher können uns auch die psychologischen Betrachtungen der ersteren keine konkreteren Kenntnisse über die Massenerscheinungen der Preisbildung auf dem großen Markt verschaffen.
LITERATUR Wilhelm Lexis - Grenznutzen, Handwörterbuch der Staatswissenschaften, Ergänzungsband 1, Jena 1895
    Anmerkungen
    1) Der Grenznutzen Null kommt zuerst der Menge zu, die um eine Einheit über den vollen Sättigungsbedarf hinausgeht. Je kleiner aber die als Inkrement [Zuwachs - wp] angenommene Mengeneinheit ist, umso mehr nähert sich auch der Grenznutzen der noch wirklich benutzten Menge der Null.