004 "Sozial heißt nichts anderes als gesellschaftlich, die Gesellschaft betreffend." - Helmut Ridder, Zur verfassungsrechtlichen Stellung der Gewerkschaften im Sozialstaat, in Ernst-Wolfgang Böckenförde (Hg), Staat und Gesellschaft, Darmstadt 1979, Seite 224
005 "... ein solcher Wille einer Gesamtheit existiert nur in den Hirnen von Theoretikern, die nicht von der liebgewordenen Gewohnheit lassen können, sozialen Gebilden eine quasi-personenhafte Existenz zuzuschreiben."
006 Jeder Sozialismus begünstigt die Befreiung der Frau.
007 Ist eine Sozialisierung ohne gleichzeitige Unterwerfung des Menschen möglich?
008 "Cohen übernimmt die Fundamentalthese des Sozialismus und lehrt, unter der Bedingung kapitalistischer Wirtschaftsordnung mit ihrem Privateigentum an den Produktionsmitteln werde die Herrschaft über die Sache, die der formelle Inhalt des Eigentumsbegriffs ist, faktisch zur Herrschaft über jene Personen, welche als Lohnarbeiter in den Dienst des Kapitals treten müssen. Herrschaft sei der wahre Inhalt und Sinn des Arbeitsvertrages , wie er noch immer auf seiten der Eigentümer aufgefaßt werde. Was bloße Ökonomie zu sein schien, ist also in Wirklichkeit Politik, eben ökonomisch fixierte, rechtlich neuerdings verschleierte Herrschaft. Vom Stand des Sklaven ab durch alle Stufen und Formen und Formen der Leibeigenschaft hindurch ist das Unrecht dieser ökonomisch erzwungenen, politisch-rechtlich am Eigentumsbegriff hängenden Herrschaft zu verfolgen; gegenwärtig manifestiere es sich in der Gestalt des modernen absoluten Arbeiters. Und da nicht das Institut des Privateigentums ewiges Recht ist, sondern die Unverletzlichkeit der Person, fordert Cohen die Beschränkung des Eigentums - nicht seine Aufhebung - als Bedingung der im Staat zu verwirklichenden Gerechtigkeit. Cohen fordert eine Form des Eigentums, die sicherzustellen vermag, daß der Arbeiter niemals bloß als Ware verrechnet werde, auch nicht für die sogenannten höheren Zwecke des angeblichen Nationalreichtums." - Hermann Lübbe, Neukantianischer Sozialismus in Hans-Ludwig Ollig, Materialien zur Neukantianismus-Diskussion, Darmstadt 1987, Seite 244
025 "Keines Menschen Glaube ist in irgendeinem Fall seine private Angelegenheit, die ihn allein angeht. Unser Dasein wird durch jene allgemeine Auffassung vom Lauf der Dinge geleitet, den die Gesellschaft nach und nach für soziale Zwecke gebildet hat. Unsere Worte, unsere Aussprüche, die Formen und Arten, in denen wir unsere Gedanken fassen, sind Gemeingut, das von einem Zeitalter zum andern umgestaltet und vervollkommnet wird, eine Erbschaft, die jeder folgenden Generation als wertvolles Pfand und heilige Vollmacht anvertraut wird, um sie der nächsten zu hinterlassen, nicht unverändert, sondern vergrößert und gereinigt, mit den sichtbaren Zeichen ihrer eigenen Arbeit. In dies hinein, im Guten wie im Bösen, ist jeder Glaube eines jeden Menschen, der auf seine Zeitgenossen einwirkt, verwoben. Welch furchtbares Vorrecht und welch furchtbare Verantwortung, daß wir helfen müssen, die Welt zu schaffen, in welcher unsere Nachkommen leben werden!" - William Kingdon Clifford, Wahrhaftigkeit, Frankfurt/Main 1905, Seite 14
030 "Karl Kautsky hatte gezeigt, daß Alles nach einer Lösung des Widerspruchs drängt, der in der kapitalistischen Produktionsweise verkörpert ist, des Widerspruchs zwischen dem gesellschaftlichen Charakter der Arbeit und der überkommenen (privaten) Aneignungsform der Produktionsmittel und Produkte. Er verwies auf die Leiden der mannigfaltigsten Art, die als Triebkraft jenes Drängens den geschilderten Grundwiderspruch schließlich würden unerträglich erscheinen lassen, so daß die Besitzergreifung der Produktionsmittel durch die Gesellschaft und zwar in vollendeter, rückhaltloser Durchführung, das zwangsläufige, revolutionäre Ende der kapitalistischen Epoche sein würde. Für die Neukantianer war der ökonomische Materialismus der sozialdemokratischen Marx-Orthodoxie deswegen nicht akzeptabel, weil er jenen Zwangsläufigkeiten gegenüber Ethik und Recht, die Wirklichkeit des Normativen, in der die Freiheit der sittlichen Entscheidung definiert ist, zur relativen Bedeutungslosigkeit eines bloßen Epiphänomens herabsinken läßt, dem eine erhebliche produktive Rolle im politischen und gesellschaftlichen Leben nicht zukommt. Dem hielten die Neukantianer ihre Unterscheidung von Sein und Sollen entgegen. Sie akzeptierten den ökonomischen Materialismus als Theorie kausaler Erklärung historischer Fakten. Sie beharrten zugleich auf der ethischen (und politischen) Notwendigkeit, daß der Sozialismus im Verhältnis zu jenen Fakten sich nicht als reine Konsequenz der Einsicht in ihre vermeintlich unaufhaltsame Entwicklung verstehen dürfe; daß er vielmehr praktischer Wille zur politischen Verwirklichung desjenigen Ideals sein müsse, das den Menschen als Bild eines besseren Zustands universeller Anerkenntnis ihres Daseins als Selbstzweck unter der Bedingung des leidvoll erfahrenen gegenwärtigen schlechteren aufgeht. Daß die Verwirklichung des ethisch begründeten sozialistischen Ideals an Voraussetzungen konkreter politischer und ökonomischer Natur gebunden ist, wird nicht bestritten. Bestritten wird lediglich, noch einmal, die später vulgär-marxistisch genannte These, der Sozialismus ergäbe sich als künftiger Gesellschaftsstatus mit einer der naturgesetzlichen Notwendigkeit analogen Zwangsläufigkeit innerhalb eines krisenhaften Prozesses revolutionärer Erschütterungen. Diese These gilt den Neukantianern als dogmatischer Sozialismus . Inhalt des kritischen Sozialismus der neukantianischen Ethik ist demgegenüber die Begründung der Idee des Sozialismus als Postulat der praktischen Vernunft für das politische Miteinanderleben der Menschen in der modernen industriellen Arbeitswelt." - Hermann Lübbe, Neukantianischer Sozialismus in Hans-Ludwig Ollig, Materialien zur Neukantianismus-Diskussion, Darmstadt 1987, Seite 251f
032 Der Sozialismus ist kein rein ökonomisches Konzept.
033 Der Kampf des Sozialismus ist ein Kampf um den Boden.
034 "Das Eigentum ist nicht mehr ein jus utendi et abutendi [Recht zu gebrauchen und zu zerstören], sondern eine soziale Funktion, eingeschränkt durch die Pflicht, die Sache, die man besitzt, in produktiver Weise zu benutzen; so kann man das Eigentum, das kein Subjekt mehr hat, das sein Eigentum wäre, zugunsten sozialer Zwecke geltend machen." - Georges Gurvitch, Grundzüge der Soziologie des Rechts, Darmstadt und Neuwied 1974, Seite 101
155 "Sozialismus ist weder die Organisation der Arbeit durch den Staat, noch die Abschaffung des Wettbewerbs, noch eine gleichmäßige Verteilung der vorhandenen Güter, noch die Behauptung, einer sei so gut wie der andere beziehungsweise viel besser, noch die bessere Unterkunft der Armen, noch eine gestaffelte Einkommenssteuer, noch ein Barrikadenkampf auf den Straßen - wie anscheinend viele vermuten. Diese Dinge mögen Stufen zum Sozialismus sein, oder unvermeidliche Folgen, oder Unglücksfälle, oder bloß historische Assoziationen bei dem Gedanken an eine Veränderung des Systems; aber das wesentliche Prinzip des Sozialismus ist, daß alle Menschen ehrlicharbeiten sollen für diejenigen, die für sie arbeiten, daß jeder ersetzt, was er verbraucht, keiner auf Kosten seiner Mitmenschen profitiert, und daß jeder den gleichen Gewinn erhält."
189 "Alles Wohlwollen ist bloße Heuchelei, Freundschaft ist Betrug, Gemeinsinn eine Posse, Treue eine Falle, um Glauben und Vertrauen zu gewinnen; und während wir alle im Grunde nur unsere persönlichen Interessen verfolgen, tragen wir diese Masken, um die anderen in Sicherheit zu wiegen und sie dann um so eher unseren Tücken und Machenschaften auszusetzen."
192 "Schließlich liegt das Geheimnis des weltgeschichtlichen Erfolges
jener tautologischen Formeln und Zirkelschlüsse
gerade in ihrer Leerheit, denn diese erlaubte es, ihnen jeden beliebigen
weltanschaulichen Inhalt mit dem
Anspruch auf Allgemeingültigkeit
zu unterlegen. Durch mehr als zwei Jahrtausende haben derartige Denkformen
den verschiedensten Werten und Idealen,
Zielen und Interessen gedient.
Der griechische Weise und der römische Jurist, der katholische Scholastiker
und der aufgeklärte Literat, der liberale Freihändler und der sozialistische
Revolutionär haben jene altehrwürdige Begriffswelt benützen können, um ihre
Lehren als 'wahrhaft natürlich' oder 'wahrhaftvernünftig' hinzustellen
und ihnen auf diese Weise den Anschein einer höheren Legitimation zu geben.
Dazu kommt, daß sich solche Leerformeln für alle Arten institutioneller
Menschenführung besonders eignen. Sie erwecken - zumal bei den Geführten
- den Eindruck unerschütterlicher Stetigkeit der obersten Grundsätze, während
sie die lenkenden Autoritäten bei ihren konkreten
Entscheidungen in keiner Weise behindern."
193 "Wir bauen zwischen unserer Umwelt und uns eine Mauer
aus Worten und Gedanken und erfahren die Welt nicht mehr wirklich, sondern
lassen sie nur soweit an uns heran, als nötig ist, um unser einmal erworbenes
Abstraktionssystem zu aktivieren. Intellekt ist an die Stelle des lebendigen
Anteilnehmens getreten."
Hinweis: Bei den nicht näher gekennzeichneten Textstellen handelt es sich um Passagen, die in verschiedenen Quellen mehr oder weniger sinngleich auftauchen, so daß nicht klar ist, wer von wem abgeschrieben hat.