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HARALD HÖFFDING
(1843-1931)
Der menschliche Gedanke

"Das Entstehen des Nachdenkens ist ein Art von Erwachen, nicht aus Schlaf oder Unbewußtsein, sondern aus dem unwillkürlichen Bewußtseinsleben und seinen Erlebnissen, aus Zuständen, die vorläufigt als Empfindung, Anschauung, Vorstellen, Stimmung, Gemütsbewegung, Drang und Streben bezeichnet werden können. Das Nachdenken steht in seiner verweilenden Form den unwillkürlichen Seelenleben am nächsten. In seinem Streben, Ähnlichkeiten und Unterschiede hervorzuheben, entfernt es sich immer mehr vom Unwillkürlichen. Der Sprachgebrauch drückt diesen Unterschied recht treffend dadurch aus, daß er zwischen  Denken an etwas  und  Denken über etwas  unterscheidet. Es ist die letzte Art des Nachdenkens, die diskursive, bewegliche, von der wir am meisten sprechen werden, teils weil wir sie am besten beobachten können, teils weil sie bei den Aufgaben des Denkens die entscheidende Rolle spielt. Probleme existieren nur für diese Art des Nachdenkens."

"William James und Henri Bergson bezeichnen eine bedeutungsvolle Reaktion gegen das Mißverständnis und die Überschätzung des Nachdenkens, deren sich der Intellektualismus in seinen verschiedenen Formen schuldig gemacht hat, - eine Reaktion, die in vieler Hinsicht an das Auftreten Hamanns, Herders und Jacobis gegen Kant erinnert. Sie behaupten, daß nicht die reine Vernunft, sondern der unmittelbare Strom des geistigen Lebens das Höchste und die Quelle der Wahrheit ist. Die Distinktionen und Definitionen des Gedankens sind notwendig, damit wir uns in der Welt zurechtfinden können. Und die analysierende Wissenschaft hat den Gegensatz gegen das unmittelbare Leben weitergeführt, diesen Gegensatz, den schon die Sprache begünstigt, indem sie selbständige Wörter für die einzelnen Erlebnisse bildet und unseren Anschauungsbildern räumliche Verhältnisse zugrunde legt. Es ist, als wäre ein Sündenfall geschehen, als das Nachdenken erwachte und sich forschend gegen das unwillkürliche Leben, aus dem es selbst hervorgegangen ist, wandte."


Vorrede

Diese Schrift gibt sowohl die ersten Voraussetzungen meiner Darstellungen der Psychologie, der Ethik und der Religionsphilosophie, als die abschließenden Gedanken, zu welchen die Arbeit auf den genannten Gebieten mich geführt hat. Eine ganze Reihe von Vorarbeiten war nötig, bevor ich die Voraussetzungen, die für mich die ersten sind, und die Schlüsse, die für mich die letzten sind, entwickeln konnte. Solche Vorarbeiten habe ich teils in einer Reihe von Abhandlungen in den Schriften unserer dänischen Gesellschaft der Wissenschaften (1), (teils in meinem Universitätsprogramm aus dem Jahr 1902)(2) niedergelegt. Der wichtigste Inhalt dieser Abhandlungen ist in die vorliegende Schrift hineingearbeitet, bisweilen so, daß ich die Darstellungsform behalten habe, wo ich sie nicht verbessern konnte.

Auch meine Arbeiten über die Geschichte der Philosophie haben mir Voraussetzungen für diese neue Arbeit gegeben, nicht nur mein Werk über die Geschichte der neueren Philosophie und andere geschichtliche Arbeiten (über ROUSSEAU und KIERKEGAARD), sondern ganz besonders meine Abhandlung über KANTs philosophischen Entwicklungsgang (deutsch im Archiv für die Geschichte der Philosophie, Bd. 7). Ich habe in aller Bescheidenheit in dieser Arbeit gestrebt, auf dem, was große Denker Bedeutendes und Bleibendes gefunden haben, weiter zu bauen, und ich habe besonderes Gewicht auf den positiven Zusammenhang mit den Denkern der Vorzeit gelegt. Meiner Erfahrung nach ist historischer Sinn und Pietät keineswegs mit prinzipieller Kritik, sogar in entscheidenden Punkten, unvereinbar.

Das Gedankenleben, das mein Buch beschreiben will, ist mit den anderen Seiten des Geisteslebens innerlich verwebt. Ich habe darzutun versucht, daß der Gedanke dem Geistesleben als Ganzem nicht dienen kann, wenn er nicht allererst auf seinem eigenen Gebiet Herr ist und sich nach seinen eigenen Gesetzen als eine selbständige Seite des Geisteslebens entfalten kann. Daß diese Entfaltung, wenn sie richtig durchgeführt wird, auf dem Gebiet des persönlichen Lebens überhaupt große und bedeutende Änderungen bewirken wird, davon werde ich immer mehr überzeugt. Es gibt hier Gegensätze und Probleme, die immer schärfere Formen annehmen werden, und ich fühle keine Bewunderung für diejenigen, die hier keinen Stachel merken, obgleich sich das Gedankenleben ihnen eröffnet hat.

Wie ich überhaupt den persönlichen Faktor in allem Denken betont habe, besonders wenn es sich den Grenzgebieten nähert, so habe ich auch nicht verborgen, daß meine eigene Haltung auf der letzten Station des Gedankens einen persönlichen Charakter hat, und ich habe nicht unterlassen auszusprechen, wie einem meiner Erfahrung nach auf dieser letzten Station zumute ist.

Ich habe noch vieles zu lernen. Meine Arbeit wird in vielen Punkten einer Ergänzung und Berichtigung bedürfen. Über den Rahmen, den ich hier gegeben habe, komme ich aber nicht hinaus. Möchte es solche geben, die hier auch Arbeit fänden, wenngleich diese Arbeit dazu führen sollte, sowohl am Rahmen als an seinem Inhalt Änderungen zu machen.


I.
Die Psychologie des Gedankens

A. Psychische Energie

1. Die Aufgabe, die ich mir in diesem Buch gestellt habe, ist die, den menschlichen Gedanken zu untersuchen, - eine Aufgabe, die sich alle Philosophen, bewußt oder unbewußt, gesetzt haben. Denn alle Fragen, die über das Leben und das Dasein aufgeworfen werden können, hängen - sowohl im Hinblick auf die Art, wie sie gestellt, als im Hinblick auf die Art, wie sie beantwortet werden - von der Auffassung ab, die man von der Natur und der Wirkungsart des Gedankens hat. Es ist aber auch ein Umriß meiner Philosophie, den ich geben will. Das heißt: ich will eine Darstellung der Gedanken geben, auf welche ich immer wieder zurückgekommen bin, wenn ich mich mit Fragen beschäftigt habe wie den Voraussetzungen der Wissenschaft, der Bedeutung der Resultate der Wissenschaft für die Lebensanschauung und dem Verhältnis zwischen wissenschaftlicher Erkenntnis und anderen Seiten des menschlichen Geisteslebens.

2. Wir kennen das Denken am besten als Nachdenken. Dieses Wort nehme ich nicht nur in der eigentlichen Bedeutung "in seinem Denken etwas zu suchen oder zu verfolgen", sondern auch in der Bedeutung, daß das Denken ein zeitlich vorausgehendes, unmittelbares Erlebnis voraussetzt. Das Nachdenken setzt voraus, daß wir etwas gesehen, gefühlt, erlebt haben. Während des Erlebens gingen wir vielleicht in das Erlebnis ganz auf; nachher aber suchen wir es wieder hervorzuziehen, teils um dabei zu verweilen, teils um seine verschiedenen Teile oder Eigenschaften oder sein Verhältnis zu anderen Erlebnissen durchzugehen. Beim bloßen Verweilen ist das Nachdenken mit einem Schauen, mit einem bloßen Vorstellen eins. Ein solches Verweilen wird aber nicht lange in vollständig ruhender Weise fortdauern können. Unwillkürlich wird - vielleicht eben mittels des Interesses am Erlebten - eine Gedankenbewegung ausgelöst werden, die zur Hervorhebung seiner inneren und äußeren Verhältnisse führt. So z. B. wenn der Dichter unwillkürlich Gleichnisse und Bilder einführt, um sein Thema recht zum Ausdruck zu bringen. Oder wenn eben der Gegensatz zu anderen Erlebnissen zur Beleuchtung der Eigentümlichkeit des einzelnen Erlebnisses beiträgt. Sowohl Ähnlichkeit als Unterschied können so ein klareres Licht über das im ursprünglichen Erlebnis Gegebene werfen, und das Nachdenken steht daher nicht notwendig im Gegensatz zu demselben, sondern kann in seinem Dienst und in seinem Geist wirken, wenn es selbst verschwunden ist.

Beim Wort "Erlebnis" denken wir zunächst an Zustände, in denen wir wesentlich empfangend waren. Das Nachdenken kann aber auch dem unwillkürlichen Geistesleben dienen, wo dieses als Drang oder Streben hervortritt. Das unwillkürliche Streben führt oft in instinktiver oder genialer Weise zum Ziel, ohne daß ein Nachdenken nötig wäre, und vielleicht besser, als es mit Hilfe des Nachdenkens geschehen könnt. Wenn das Nachdenken beim Handeln mitwirkt, ist es, weil das unwillkürliche Streben auf Widerstand stößt. Es wird dann notwendig, sich über Ziele, Wege und Mittel zu besinnen. Auch hier wirkt das Nachdenken durch das Aufdecken von Ähnlichkeiten und Unterschieden. Und auch hier finden wir teils ein Verweilen, teils eine Bewegung. Es kann geschehen, daß die Vorstellung des Ziels ohne große Schwingungen festgehalten wird, und daß Wege und Mittel keine besondere Aufmerksamkeit in Anspruch nehmen, wie wenn der Steuermann seinen Blick auf den Kompaß oder die Seemarke richtet und die Hand unwillkürlich das Steuerruder nach dem, was er sieht, bewegt. Es kann aber auch geschehen, daß die stärkste Bewegung vorwärts und rückwärts zwischen verschiedenen Möglichkeiten stattfinden muß, bevor die entscheidende Konzentration, die man Entschluß nennt, eintreten kann.

Das Entstehen des Nachdenkens ist ein Art von Erwachen, nicht aus Schlaf oder Unbewußtsein, sondern aus dem unwillkürlichen Bewußtseinsleben und seinen Erlebnissen, aus Zuständen, die vorläufigt als Empfindung, Anschauung, Vorstellen, Stimmung, Gemütsbewegung, Drang und Streben bezeichnet werden können. Das Nachdenken steht in seiner verweilenden Form den unwillkürlichen Seelenleben am nächsten. In seinem Streben, Ähnlichkeiten und Unterschiede hervorzuheben, entfernt es sich immer mehr vom Unwillkürlichen. Der Sprachgebrauch drückt diesen Unterschied recht treffend dadurch aus, daß er zwischen  Denken an etwas  und  Denken über etwas  unterscheidet. Es ist die letzte Art des Nachdenkens, die diskursive, bewegliche, von der wir im folgenden am meisten sprechen werden, teils weil wir sie am besten beobachten können, teils weil sie bei den Aufgaben des Denkens die entscheidende Rolle spielt. Probleme existieren nur für diese Art des Nachdenkens. Im folgenden verstehe ich daher unter Denken diese Art des Nachdenkens. Und doch besteht nur ein gradueller Unterschied zwischen den beiden Arten. Nur einen kurzen Augenblick ist verweilendes Vorstellen, Festhalten eines Erinnerungsbildes möglich; die genaue Beobachtung zeigt, daß wir den Gegenstand unseres Vorstellens rhythmisch ergreifen und verlassen. Und jedes Wiederergreifen kann ein Wiedererkennen bewirken, so daß das Ähnlichkeitsverhältnis eine Rolle spielt, wie beim diskursiven Denken. Auch hiervor abgesehen, schließt das verweilende Nachdenken gar nicht aus, daß viele andere Vorstellungen und Erfahrungen mitwirken und vielleicht eben das Interesse bedingen, wodurch fortgesetztes Festhalten einer Vorstellung möglich wird. Was für das diskursive Nachdenken gilt, wird daher bis zu einem gewissen Grad auch für das verweilende Nachdenken geltend.

Es geht schon aus dieser Beschreibung hervor, daß die Arbeit des Gedankens ein Vergleichen, ein Auffinden von Unterschieden oder Ähnlichkeiten ist. Wenn ich aber etwas Gegebenes denke, suche ich sein Verhältnis zu etwas anderem zu bestimmen, und je mehr Ähnlichkeits- und Unterschiedsverhältnisse ich finden kann, umso besser habe ich es durchdacht. Das gilt natürlich auch, wenn ich ein und dasselbe Gegebene in verschiedenen Zusammenhängen und unter verschiedenen Verhältnissen untersuche; ich vergleiche dann die verschiedenen Weisen, in welchen das Gegebene in den verschiedenen Fällen auftritt.

Vergleichen setzt aber Zusammenhalten oder Zusammenfassen, Synthese, voraus. Ich kann zwei Erlebnisse nur dann vergleichen, wenn sie mir entweder gleichzeitig in meiner Sinnesanschauung, meiner Erinnerung oder meiner Phantasie vorliegen, oder wenn ich eine Vorstellung des einen festhalte, während das andere meiner Sinnesanschauung gegeben ist. Wenn das eine Erlebnis immer ganz verschwände, wenn das andere auftauchte, würde kein Vergleichen möglich sein. Die Gedankenarbeit besteht in einem Zusammenfassen, bei welchem Ähnlichkeiten und Unterschiede die Beziehungen ergeben, in welche die Erlebnisse innerhalb des Zusammenhangs, der aus der Arbeit resultiert, gestellt werden. Die Synthese ist eine Äußerung von Energie, vom Vermögen, eine Arbeit zu tun.

Der Widerstand, der durch diese Arbeit überwunden wird, kommt von den Erlebnissen, gegen welche das Nachdenken gerichtet ist, und die im unwillkürlichen Seelenleben - in Sinnesempfindung, Erinnerung, Phantasie, Lust- und Unlustgefühl, Drang und Streben - gegeben sind.

Die zusammenfassende Arbeit wir umso schwieriger sein, je größer die Mannigfaltigkeit der Erlebnisse ist, die in Beziehung zueinander gesetzt werden sollen. Die Inhaltsfülle kann so groß sein, daß die im einzelnen Fall vorhandene psychische Energie sie nicht bezwingen kann. Es entsteht dann die Gefahr der Auflösung des Seelenlebens, des Übergangs ins Chaos.

Doch kommt es erstens nicht nur auf die  Mannigfaltigkeit  an, sondern auch zweitens auf den  Grad  des Unterschiedes, den die Erlebnisse darbieten. Je mehr sie einander ähnlich sind, so daß sie verschmelzen können, oder doch so daß die Arbeit, die dem einen gegenüber getan ist, dem andern gegenüber nicht wiederholt zu werden braucht, umso kleinere Arbeit ist erforderlich. Erlebnisse, die in einem starken gegenseitigen Gegensatz oder gar Widerstreit zueinander stehen, setzen große Energie voraus, wenn sie alle in den bewußten Zusammenhang des Seelenlebens aufgenommen werden sollen. Dies gilt nicht nur für den Forscher, der einen Gesichtspunkt, von dem aus das Streitende als eins stehen kann, finden soll, sondern auch für den praktisch Strebenden, der die streitenden Anregungen und Interessen dem Gedanken an ein großes und leitendes Ziel unterordnen soll.

Drittens  wird es darauf ankommen, wie selbständig die einzelnen Erlebnisse in einem resultierenden Zusammenhang dastehen sollen. Ein schematisches Ganzes ist leichter zu bilden als ein Ganzes, das die Eigentümlichkeiten der einzelnen Erlebnisse sämtlich zu ihrem Recht kommen läßt. Hier kann eben die Ähnlichkeit eine Schwierigkeit bewirken, weil sie leicht zur Verschmelzung und dadurch zur Aufhebung der Selbständigkeit der einzelnen Erlebnisse führt. Von diesem Gesichtspunkt aus kann ein ausgeprägter Unterschied oder Gegensatz eine Erleichterung sein.

Es wird  viertens  eine umso größere Arbeit erfordert, je ferner die Erlebnisse zeitlich und räumlich voneinander liegen. Das Gleichzeitige und das Nahe schließt sich unwillkürlich zusammen, und hier drängt sich der Zusammenhan vielleicht selber hervor. Und wenn wir die vorliegenden Erlebnisse verlassen, um uns in die Welt der Erinnerung und der Phantasie zu vertiefen, kann sich auch hier der Zusammenhang leicht bilden; "leicht beeinander wohnen die Gedanken". Wenn es aber gilt, ein vorliegendes Erlebnis mit fernen Erinnerungen oder auch mit Idealen, die sich nur in einzelnen begeisterten Augenblicken der Seele recht lebhaft kundgegeben haben, zu verknüpfen, dann werden ganz besondere Forderungen an die psychische Energie gestellt. In der Situation des Augenblicks alle seine Erfahrungen, all die Schätze seines Nachdenkens und seiner Idealität unter voller Botmäßigkeit zu haben, ist das beste Zeugnis von psychischer Energie.

Endlich ist es auch von Bedeutung, wie genau und innerlich die Verbindung der Erlebnisse sein soll. Es gibt hier viele Grade, vom ganz äußerlichen Zusammenstellen und Gruppieren bis zu dem inneren Zusammenhang, der in einem wissenschaftlichen Begriff, in einem künstlerisch ausgeformten Bild oder in einem großen Entschluß ausgedrückt werden kann.

Außer diesen fünf Verhältnissen, die eine Analogie zu dem, was bei der physischen Energie die Masse ist, bilden, kommt noch die Schnelligkeit in Betracht, mit der die Synthese vor sich geht. Das Genie und der Willensmensch können in einem Augenblick ein Energiekapital anwenden, das andere Menschen auf einen längeren Zeitraum verteilen müssen. Auf dem Gebiet des Gefühlslebens tritt dieser Gegensatz als ein Gegensatz zwischen Heftigkeit und Innerlichkeit, Gemütsbewegung und Gemütslage hervor (3), und analoge Gegensätze gelten für andere Seiten des Seelenlebens. In der Forschung bildet die Entdeckung oft eine Analogie zur Gemütsbewegung, die Beweisführung eine Analogie zur Gemütslage. -

Die psychische Energie, die sich in der Synthese äußert, messen wir, wenn wir auf alle diese Umstände Rücksicht nehmen. Es ist hier natürlich nicht von exakter Messung die Rede, nur von einer qualitativen Beurteilung. Aber so oft wir Gründe angeben wollen, warum eine Gedankenarbeit, eine Geistesrichtung, eine Lebensanschauung "höher" oder "niedriger" als eine andere genannt werden kann, müssen wir alle jene Umstände in Betracht ziehen, und wir tun es auch wirklich, mehr oder minder bewußt und mehr oder minder genau. Im Traumzustand, wo jedes der schnell wechselnden Erlebnisse seinen Vorstellungsverlauf auslöst, ist weniger psychische Energie zur Disposition als im Wachen, wo herrschende Zweckgedanken oder Interessen eine Hauptrichtung bestimmen. Wir wenden hier einen rein psychologischen Maßstab an. Und obgleich wir uns bei der Bildung des Begriffs der psychischen Energie durch die Analogie mit der physischen Energie haben orientieren können, ist jener Begriff doch auf seinen besonderen Erfahrungen aufgebaut, ohne daß physische oder physiologische Beobachtungen und Untersuchungen dabei eine entscheidende Rolle zu spielen brauchen. Wir wollen damit nicht die Bedeutung der Versuche abschwächen, die von experimentell psychologischer und physiologischer Seite gemacht sind, um die Gehirnarbeit, die bei gewissen elementaren Geistesarbeiten, z. B. Rechnen und Gedächtnisprozessen, vorausgesetzt wird, mittels ihres Verhältnisses zu einer gleichzeitigen Muskelarbeit zu messen. Man kann eine solche Gedankenarbeit durch die Verminderung, die in der gleichzeitigen Muskelarbeit auftritt, bemerken. Aber eben diese Messung setzt voraus, daß man auf rein psychologischem Weg zwischen schwieriger und leichterer Geistesarbeit unterscheiden kann; sonst bewegte man sich in einem Kreis. Die Gehirnarbeit, die der oben beschriebenen Geistesarbeit entspricht, kennt man ja nicht direkt, sondern eben nur mittels der Geistesarbeit, als deren physiologisches Korrelat sie betrachtet wird.

3. Das Nachdenken setzt Erlebnise voraus, an welchen es seine zusammenfassende und vergleichende Wirksamkeit ausüben kann. Aber diese Erlebnisse? Gilt das Gesetz der Synthese auch für sie? - Wir stehen hier vor einer Frage, deren Schwierigkeit mit der ganzen Natur des Seelenlebens innerlich zusammenhängt.

Erst durch das Nachdenken erkennen wir die Erlebnisse. Es ist das Medium, durch welches sie uns zugänglich sind. Das unwillkürliche Seelenleben in seiner unmittelbaren Entfaltung dürfen wir uns aber nicht ohne weiteres in der Art und Weise vorstellen, in welcher es dem Nachdenken erscheint. Es ist ein Leben, innerhalb dessen wir Eigenschaften und Bestimmungen, die erst durch die Arbeit des Nachdenkens entstehen, nicht voraussetzen dürfen. Wenn wir in einzelnen Augenblicken in diesem unwillkürlichen, aber darum nicht unbewußten Leben aufgehen können, so daß wir später eine Erinnerung daran bewahren können, so erscheint es uns als ein Strom, ein Hingleiten mannigfaltiger Erlebnisse, die wir als Empfindungen, Erinnerungen, Stimmungen und Strebungen bezeichnen können. Es ist nicht ein Chaos selbständiger Elemente; schon im unwillkürlichen Seelenleben gibt es Zusammenhänge und Ganzheiten sowohl als Verschiedenheiten wie als Gegensätze. Jedes Wort, das wir für das gebrauchen, was wir an jenen unwillkürlichen Zuständen festhalten wollen, bezeugt das. Die Kontinuität ist am meisten auffallend, daher bietet sich das Wort "Strom" so leicht an, wenn wir vom unwillkürlich Gegebenen sprechen. Es ist aber kein einförmiger Strom. Es treten Qualitätsunterschiede hervor; sonst könnten wir zwischen den verschiedenen Elementen (Empfindungen, Stimmungen usw.) gar nicht unterscheiden. Und es kann Wirbel und Schlingen im Strom geben, so daß er sich nicht in einer geraden Linie bewegt. Das heißt, Strebungen verschiedener Art und Richtung können auftreten. Dadurch können dann Hemmungen bewirkt werden, während das Hingleiten in anderen Fällen, wo die verschiedenen Strebungen in dieselbe Richtung gehen, erleichtert oder beschleunigt werden kann.

Aus den unbestimmten und bildlichen Ausdrücken, die uns zu Gebote stehen und die Grundlage von Erlebnissen, die das Nachdenken voraussetzt, andeuten, ersieht man, daß diese Grundlage keinen absoluten Gegensatz zu den Resultaten der Arbeit des Nachdenkens bildet. Auch dort finden wir Einheit und Mannigfaltigkeit, Kontinuität und Diskontinuität, und wir finden viele Grade und Nuancen dieser Verhältnisse. Es ist zwar nicht berechtigt, mit der älteren englischen Schule (LOCKE, HUME, MILL) das unmittelbar Gegebene des Seelenlebens in atomistischer Weise aufzufassen, als bestände es aus einer Mannigfaltigkeit gegeneinander selbständiger Elemente. Sowohl auf psychischem wie auf physischem Gebiet ist es erst das Nachdenken, das Atombegriffe bildet, geleitet von dem Wunsch, die Verschiedenheiten so deutlich als möglich zu machen, damit die Verbindung umso klarer und anschaulicher sein kann. Die Einheit, die dem Nachdenken zugrunde liegt, und die es selbst zu finden sucht, wird dadurch rätselhaft. Andererseits aber ist es auch unrichtig, wie in unseren Tagen besonders WILLIAM JAMES (4) und HENRI BERGSON (5) versucht haben, jenes unwillkürliche Leben zu schildern, als stände es im schärfsten Gegensatz zum Nachdenken und seiner Arbeit. Es wird dann zuletzt das Unbeschreibbare und Unbegreifliche, und es wäre ein unlösliches Rätsel, wie es überhaupt eine Kenntnis von jenem "unmittelbar Gegebenen", aus dem das Nachdenken doch immer schöpfen soll, geben kann. JAMES und BERGSON bezeichnen eine bedeutungsvolle Reaktion gegen das Mißverständnis und die Überschätzung des Nachdenkens, deren sich der Intellektualismus in seinen verschiedenen Formen schuldig gemacht hat, - eine Reaktion, die in vieler Hinsicht an das Auftreten HAMANNs, HERDERs und JACOBIs gegen KANT erinnert. Sie behaupten, daß nicht die reine Vernunft, sondern der unmittelbare Strom des geistigen Lebens das Höchste und die Quelle der Wahrheit ist. Die Distinktionen und Definitionen des Gedankens sind notwendig, damit wir uns in der Welt zurechtfinden können. Und die analysierende Wissenschaft hat den Gegensatz gegen das unmittelbare Leben weitergeführt, diesen Gegensatz, den schon die Sprache begünstigt, indem sie selbständige Wörter für die einzelnen Erlebnisse bildet und unseren Anschauungsbildern räumliche Verhältnisse zugrunde legt. Es ist, als wäre ein Sündenfall geschehen, als das Nachdenken erwachte und sich forschend gegen das unwillkürliche Leben, aus dem es selbst hervorgegangen ist, wandte.

Ohne eine Verwandtschaft zwischen dem unwillkürlichen Seelenleben und dem Nachdenken wäre es unmöglich zu verstehen, wie dieses letztere entstehen könnte. Aber eben in den Beschreibungen, die JAMES und BERGSON uns vom unmittelbar Gegebenen geschenkt haben, - Beschreibungen, die Meisterstücke der deskriptiven Psychologie sind, - wird doch ausdrücklich angegeben, daß dieses Gegebene Verschiedenheiten und Zusammenhänge, Qualitäten und Kontinuitäten darbietet. JAMES hebt besonders die stetigen Übergänge (continous transitions) hervor, wie auch die Schwierigkeit, Verhältnisse und Elemente (relations and matter related) zu unterscheiden; BERGSON betont besonders das ungeschiedene und doch ungleichartige Wesen des inneren Stromes (durée hétérogéne et indistincte; durée dont les moments se pénetrent). Dadurch ist aber eine innere Möglichkeit des Auftauchens des Nachdenkens angegeben. Das ganze Gewicht darf nicht auf die äußeren Ursachen (den praktischen Bedarf, die Mechanik der Sprache und die Technik der Wissenschaft) gelegt werden. Das Motiv, aus dem das Auftauchen des Nachdenkens entspringt, ist schon mit dem Gegensatz zwischen Kontinuität und qualitativer Mannigfaltigkeit, zwischen der Verbindung und den einzelnen Elementen gegeben. Dadurch entsteht die Möglichkeit einer Hemmung des unwillkürlichen Stroms, einer Hemmung, die nur durch die Klarheit und Bestimmtheit, die das diskursive Nachdenken bringen kann, überwunden werden kann. Als ein Zusammenfassen, das durch Vergehen vollbracht wird, kann das Nachdenken das Verhältnis zwischen Kontinuität und Diskontinuität, Einheit und Mannigfaltigkeit ins Klare bringen. Und es führt durch seine Arbeit nichts ganz Fremdes hinein; denn schon im unmittelbar Gegebenen erscheinen ja Ähnlichkeiten und Unterschiede, Zusammenhang und Mannigfaltigkeit und zugleich, was von besonderer Wichtigkeit ist, ein unwillkürliches Streben, die verschiedenen Tendenzen zu harmonisieren. Gäbe es kein solches ursprüngliches Streben, dann wäre es unberechtigt, von einem Strom, von einer  continuité mouvante,  einer  unité de direction  zu sprechen. Es zeigt sich hier eine Analogie zu dem, was wir auf dem Gebiet des Nachdenkens  Synthese  nannten, eine Tendenz zum Sammeln und zum Verbinden. Das Nachdenken erwacht, wenn es ein besonderes Bedürfnis zur volleren Durchführung dieser Tendenz gibt, als sie innerhalb des unwillkürlichen Seelenlebens möglich ist. Schon während der Erlebnisse, nicht erst nach dem Erwachen des Nachdenkes, können Krisen und Katastrophen entstehen und kann ein Chaos drohen. Schon bevor das Nachdenken erwacht, kann eine Arbeit erforderlich sein; aber im unwillkürlichen Seelenleben entstehen die Schwierigkeiten, und werden bearbeitet und gelöst, unter anderen Bedingungen, als nachdem das Nachdenken das Steuer ergriffen hat. Vielleicht geschieht das Bedeutungsvollste unseres Seelenlebens in den Regionen unterhalb des Gebietes des Nachdenkens, und es sind oft nur die Nachwirkungen dieser tiefliegenden Prozesse, die sich dem Nachdenken kundgeben. Es wird immer unmöglich sein, zu beweisen, daß wir je ein unmittelbares Erlebnis in der absoluten Bedeutung des Wortes, das heißt ein solches, bei welchem gar keine psychische Arbeit getan ist, vor uns haben. Was wir im einzelnen Fall unmittelbar gegeben nennen, verdient diesen Namen nur in Bezug auf eine gewisse bestimmte Art oder einen bestimmten Grad psychischer Arbeit, während es im Vergleich mit anderen Erlebnissen vielleicht als das Resultat einer Arbeit zu betrachten wäre.

4. Wir kamen zum Begriff der Synthese, indem wir vom Nachdenken ausgingen und seine Arbeitsweise untersuchten. Nachher fanden wir, daß dieser Begriff auch auf das unwillkürliche Seelenleben, aus welchem das Nachdenken hervortaucht, angewandt werden konnte. Wir müssen aber festhalten, daß das unwillkürliche Seelenleben, wie es sich vor dem Entstehen des Nachdenkens entfaltet, nur auf dem Weg der Analogie beleuchtet und bezeichnet werden kann. Wir fassen es nur in Analogie mit dem klaren Nachdenken auf, und auch die sprachlichen Ausdrücke sind durchgehend von der Welt des Nachdenkes geliehen. Das unwillkürliche Seelenleben ist keineswegs am leichtesten zu erfassen: im Gegenteil, eine große Kunst ist notwendig, um es in seinem eigentümlichen Unterschied von dem mittels des Nachdenkens ausgebildeten Seelenleben zu begreifen. Was man den gesunden Menschenverstand nennt, operiert in seiner Psychologie mit Begriffen, die von der Welt des Nachdenkens ausgebildeten Seelenleben zu begreifen. Was man den gesunden Menschenverstand nennt, operiert in seiner Psychologie mit Begriffen, die von der Welt des Nachdenkens geholt sind. Es besteht eine kindliche Neigung, alles im Seelenleben als die Frucht der Überlegung und der Berechnung anzusehen. Man personifiziert sozusagen nicht bloß die äußere, sondern auch die innere Natur, legt eine Person hinter die Person hinein. Das persönliche Leben in seiner unwillkürlichen Entfaltung erklärt die kindliche Psychologie dadurch, daß es hinter ihm eine Person gibt, die unbewußt denkt, was sich in ihm regt, wie man in älteren Büchern über Optik das Bildnis eines Mannes innen im Kopf findet, das Bild betrachtend, das die Lichtstrahlen auf der Netzhaut bilden!

Es gehört Nachdenken dazu, das unwillkürliche Seelenleben zu entdecken und aufzufassen, und doch besteht seine Eigentümlichkeit eben darin, daß das Nachdenken keine Rolle spielt! Diese Schwierigkeit kann nur dadurch gelöst werden, daß wir, wenn sich eine Erinnerung des unwillkürlich Erlebten nach dem Erwachen des Nachdenkens erhält, dieses Erlebte in Analogie mit dem, was wir aus der Welt des Nachdenkes klar erkennen, auffassen und ausdrücken. Dies tun wir, wenn wir sagen, daß die Synthese die Grundform nicht nur des vergleichenden Nachdenkens, sondern auch des unwillkürlichen Seelenlebens und daher der umfassendste psychologische Begriff ist. -

Jetzt entsteht aber eine neue Schwierigkeit. Synthese ist Zusammenfassen - es muß dann aber etwas da sein, das zusammengefaßt wird, und dieses Etwas muß eine Mannigfaltigkeit sein. Die Erlebnisse, gegen welche sich das Nachdenken wendet, um sie zusammenzufassen und zu vergleichen, bilden einen zusammenhängende Mannigfaltigkeit; jedes einzelne Erlebnis setzt ein Unterscheiden voraus, wodurch es als ein Eigentümliches hervortritt. Und in jedem Erlebnis können wir wieder einzelne Seiten, Eigenschaften oder Teile unterscheiden, die wir Elemente nennen können. Enden wir dann nicht in einem Gegensatz von Synthese und Elementen, und ist die Mannigfaltigkeit der Elemente nicht die beständige Voraussetzung für das Wirken der Synthese? Müssen wir nicht den Schluß ziehen, daß das Ursprüngliche im Seelenleben eine Mannigfaltigkeit von Elementen ist, und daß erst später das zusammenfassende Wirken eingreifen kann? -

Wenn das Nachdenken erwacht, fängt das Seelenleben doch nicht erst an; dann würde es keine Erlebnisse besitzen. Aber die Elemente - d. h. die Teile, Seiten oder Eigenschaften, welche das Nachdenken in den Erlebnissen unterscheiden und mittels ihrer Ähnlichkeiten und Unterschiede bestimmen kann - sind eben erst die Frucht einer Gedankenarbeit. Sie sind aus dem Zusammenhang, in dem sie ursprünglich erschienen sind, herausgezogen und in einen Gegensatz zueinander gestellt, einen Gegensatz, ohne welchen sie nicht Gegenstände eines klaren Bewußtseins werden könnten. Und die Charakteristik, die jedem einzelnen Element und dadurch jedem einzelnen Erlebnis zuteil wird, wird durch sein Verhältnis zu anderen Elementen oder Erlebnissen bedingt. Auf keinem Punkt ist es berechtigt, isolierte, absulut selbständige Elemente, eine Art psychischer Atome, im Seelenleben anzunehmen. Dies wäre die Wirkung des Nachdenkens mit der eigenen Grundlage des Nachdenkens zu verwechseln - eigentlich wieder ein Beispiel der naiven Psychologie, welche Unterschiede, die erst der Gedanke macht mit ursprünglichen Unterschieden verwechselt.

Und insoweit es glückt, die Erinnerung des Zustandes der Unwillkürlichkeit festzuhalten, erscheint dieser Zustand - darin haben die Meister der deskriptiven Psychologie unzweifelhaft recht - nicht als ein Chaos von selbständigen Teilen, sondern als ein Strom, ein Pulsieren, nicht unterschiedslos, sondern so, daß es einen Zusammenhang sogar zwischen den tiefsten Wellentälern und den höchsten Wellenbergen gibt. Wir finden, soviel wir sehen können, Einheit und Mannigfaltigkeit so ineinander verwoben, daß sie nicht in äußerlicher Weise geschieden werden können. Es war eben der Drang nach größerer Klarheit über ihr Verhältnis, der das Motiv für das Erwachen des Nachdenkens war.

Bei keinem Element, auf dem Gebiet des Seelenlebens so wenig wie auf dem Gebiet der Materie, können wir stehen bleiben als bei einem absolut isolierten oder einem absolut einfachen. Es wird immer dem Nachdenken die Aufgabe gestellt, Verbindungen zwischen Elementen oder Erlebnissen, die isoliert scheinen, und eine innere Mannigfaltigkeit in den scheinbar einfachen Elementen oder Erlebnissen zu finden. Es ist ein Zeichen der Schlaffheit des Nachdenkens, wenn es in einer dieser Beziehungen zu früh abschließt. Mit anderen Worten, das Gesetz der Synthese muß immer wieder, auch was die Elemente oder Erlebnisse selbst betrifft, durchgeführt werden.

Andererseits kann es aber auch keine absolut abschließende Synthese geben. Solange das Leben dauert, werden neue Erlebnisse in den unwillkürlichen Strom aufgenommen und unwillkürlich hineingearbeitet. Es sind neue Tropfen oder vielleicht neue Bäche, die teils vom Strom umgeformt werden, teils auch auf die Beschaffenheit und den Lauf des Stromes Einfluß ausüben können. Dazu kommt die Beschaffenheit des neuen Flußbettes, welches der Strom sich bilden muß, wenn sich das Terrain ändert. Und solange das Nachdenken wach ist, wird es sich immer wieder die Aufgabe stellen, eine größere, mehr umfassende und innerlichere Synthese als vorher auszuüben. Es gibt immer psychische Arbeit zu tun. Die Synthese, die bis jetzt die Mannigfaltigkeit des Seelenlebens umschlossen hat, kann wieder als Erlebnis oder als Element für eine spätere Synthese dastehen. Sobald wir uns unserer früheren seelischen Zustände und Wirksamkeiten bewußt werden, wird ein solcher Übergang zu einer neuen Synthese gemacht, - dies möge nun einen Fortschritt zu einem wertvolleren Zustand bezeichnen oder nicht. Es ist ein neues Ich, das sich unserer früheren Iche bewußt wird. Keine Synthese ist die definitive. Auch diejenige Philosphie, die am meisten von einer höheren Einheit redet, kommt doch stets in Verlegenheit, wenn sie von einer höchsten Einheit sprechen sollte.

Freilich kann es ganz berechtigt sein, in einem speziellen Fall, in einer speziellen Untersuchung von diesen prinzipiellen Schwierigkeiten abzusehen und von absoluten und einfachen Elementen oder Erlebnissen zu sprechen. Jede spezielle wissenschaftliche Untersuchung setzt eine gewisse Abstraktion voraus. Wenn es z. B. für die experimentelle Psychologie wirklich eine Notwendigkeit ist, mit einer Art psychischer Atome, als wären sie selbständig und einfach, zu operieren, dann kann dies ebenso berechtigt sein, wie wenn man in der Naturwissenschaft mit materiellen Atomen operiert. Man soll nur den Dogmatismus fernhalten, der Begriffe, die wir für den Bedarf einer Untersuchung zurechtgelegt haben, mit letzten Realitäten verwechseln. Und ebenso kann es berechtigt sein, daß wir im täglichen Verkehr oder in praktischer, z. B. ethischer oder juristischer Hinsicht das einzelne Individuum als eine absolute Einheit mit einer abgeschlossenen Synthese betrachten, ohne Rücksicht darauf, daß die Synthese eine Arbeit, eine Wirksamkeit, nicht ein ein für allemal Gegebenes bezeichnet. Es besteht ein irrationales Verhältnis zwischen dem Seelenleben und seinen Elementen. Es gilt, so viele Elemente als möglich zu entdecken; aber es kann berechtigt und notwendig sein, sich an wenige Dezimalstellen zu halten, wenn man nur nicht vergißt, daß die Frage dadurch nicht erschöpft ist. Das Irrationale ist hier wie überall sowohl eine Aufgabe als auch eine Schranke.

Es äußert sich hier eine Antinomie, die mit dem Wesen des Seelenlebens innerlich zusammenhängt, und die dem Persönlichkeitsbegriff eigentümlich ist. Seelenleben und Persönlichkeit können nicht als Produkte im Voraus gegebener Elemente aufgefaßt werden, denn die Elemente, die wir kennen, besitzen selbst ihre Eigenschaften nur dadurch, daß sie Glieder des Seelenlebens sind. Wir werden uns in einem Kreis herumbewegen, wenn wir nicht darüber klar sind, daß sich hier eine unerschöpfliche Wechselwirkung kundtut. Die Teile sind durch das Ganze und das Ganze durch die Teile bestimmt. In jedem einzelnen Fall, bei jeder einzelnen psychologischen Betrachtung müssen wir untersuchen, wie weit die Synthese, die Bildung des Ganzen, fortgeschritten ist, und dann beobachten, wie jetzt das Auftauchen eines neuen Erlebnisses wirkt. Aber diese Sonderung zwischen Synthese und Erlebnissen ist stets mehr oder weniger künstlich im Verhältnis zu diesem bestehenden Wechselspiel von Begegnen und Scheiden, von Kontinuität und Diskontinuität, von Entwicklung und Auflösung. Es gibt hier eine seelische Rhythmik, die eine Analogie zu den Rhythmen bildet, die für den Verlauf des organischen Lebens charakteristisch sind, - eine Rhythmik, die keineswegs mit dem Nachdenken anfängt, sondern nach allem, was wir vermuten können, auch im unwillkürlichen Seelenleben herrscht. Ja, diese Rhythmik kommt auch im Verhältnis zwischen dem Nachdenken und dem unwillkürlichen Lauf des Seelenlebens zur Erscheinung. Die Schwierigkeit, das Entstehen des Seelenlebens zu erklären, beruth eben darauf, daß es nicht als das Produkt im voraus gegebener Elemente erklärt werden kann, sondern sich von seinem ersten Augenblick an in rhythmischer Bewegung befindet, ohne daß das eine Glied dieses Rhythmus eine absolute Priorität dem anderen gegenüber haben kann.

5. In der Geschichte des Synthesebegriffs ist diese Antinomie ein Stein des Anstoßes gewesen. Der Synthesebegriff selbst ist ein alter Gedanke, der von PLATON und ARISTOTELES angedeutet wird und von LEIBNIZ an mit mehr oder minder großer Energie in der Psychologie und in der Philosophie überhaupt zur Geltung gebracht worden ist. (6)

HUME zerhieb den Knoten, indem er das Seelenleben in absolut selbständige Elemente auflöste, und es war dann konsequent, wenn er in aller Einheit und in allem Zusammenhang innerhalb des Bewußtseins ein unlösbares Rätsel sah. Das Einheitsprinzip (the uniting principle) war ihm das Unverständliche. KANT gint vom entgegengesetzten Gesichtspunkt aus, daß eben das Zusammenhanglose, das Isolierte und gegenseitig Unabhängige uns unverständlich ist - in der Psychologie und wo wir es sonst treffen. Er hielt aber noch an der LOCKEschen Voraussetzung fest, daß eine Mannigfaltigkeit von Elementen, die erst verbunden werden soll, die Grundlage des zusammenfassenden und ordnenden Gedankens bildet. Dadurch gelangte er zu seiner folgenschweren Distinktion zwischen der Form und dem Stoff der Erkenntnis. Auch er zerhieb so den Knoten. Und doch fehlte bei KANT nicht die Einsicht, daß Formen, denjenigen analog, die bei klarem Nachdenken angewandt werden, schon im unwillkürlichen Seelenleben wirken. "Die Synthese ist", sagt er, "die bloße Wirkung einer blinden, obgleich unentbehrlichen Funktion der Seele, ohne die wir überall gar keine Erkenntnis haben würden, der wir uns aber selten nur einmal bewußt sind." (7) Es ist die Aufgabe des Gedankens, die Synthese in die Form des Begriffs zu bringen. Und eben diese blinde, seelische Funktion bedingt den Zusammenhang zwischen den zwei äußersten Punkten unserer Erkenntnis, der Sinnesempfindung und dem "Verstand". Es war gewiß nur der Unwille KANTs gegen psychologische Betrachtungen innerhalb der Vernunftkritik, der ihn davon abhielt, eine reichere Charakteristik des unwillkürlichen Verlaufs des Seelenlebens zu geben. JAKOB FRIEDRICH FRIES entwickelte von dieser Seite die Kantische Lehre weiter; er wird sogar von seinen Schülern als der eigentliche Entdecker der unwillkürlichen Grundlage betrachtet. (8) Er meinte dann aber in dieser Grundlage, in dem spontanen Streben, in der unmittelbaren Erkenntnis eine über allen Irrtum erhabene Wahrheitsregel zu haben. Leider ist diese Regel unerklärbar, da sie nur in unvollkommener und fragmentarischer Weise das Nachdenken zu Bewußtsein gebracht werden kann! Es zeigt sich in dem festen Glauben an die Gültigkeit des unwillkürlichen Seelenlebens ein Dogmatismus, der einen entschiedenen Rückschritt im Verhältnis zu KANT bezeichnet. Schon wenn FRIES sagt, daß "die Spontaneität" nicht nur kontinuierlich, sondern auch konstant ist, sagt er mehr, als ein Nachdenken jemals darlegen können wird. Das irrationale Verhältnis zwischen Unmittelbarkeit und Nachdenken ist nicht streng festgehalten.

Sehr scharf wird dagegen, wie schon erwähnt, dieses Verhältnis von HENRI BERGSON erwähnt. Dieser Forscher ist durch den Begriff der Synthese nicht befriedigt, weil dieser Begriff immer einen Gegensatz zwischen Einheit und Mannigfaltigkeit voraussetzen soll. Kommt dieser Gegensatz - so fragt er - nicht immer wieder, sobald man über irgendetwas denkt oder davon spricht? Das Entscheidende ist, daß man uns sagt,  welche  Art von Einheit und  welche  Art von Mannigfaltigkeit wir im Seelenleben haben. Das strömende Leben der Persönlichkeit kann durch Begriffe, die stets im Gegensatz zueinander stehen, nicht definiert werden. Man kann nicht durch Thesis und Antithesis eine wirkliche Einheit erreichen. Dagegen soll man sich in den unmittelbaren Strom des Seelenlebens vertiefen, um den Gegensatz aus ihm hervorgehen zu sehen. Das unmittelbare Schauen (intuition) muß an die Stelle des Nachdenkes treten. (9)

Der Standpunkt BERGSONs erinnert an FRIES; nur gibt er uns mit seiner deskriptiven Meisterschaft ein weit klareres Verständnis von der Spontaneität. Während aber FRIES und seine Schüler die wahre Erkenntnis dadurch zu erreichen meinten, daß jene spontane Grundlage so gut wie möglich in die Formen des Nachdenkens umgesetzt wurde, fordert BERGSON, daß wir das Nachdenken unterdrücken und mittels eines Willensaktes wieder in das Unmittelbare untertauchen, und uns ganz eins fühlen sollen. - Es steht hier als ein Rätsel, wie die Gültigkeit einer Erkenntnis ohne Nachdenken dargetan werden kann. Bei den speziellen Problemen werden wir Gelegenheit finden, diesen schwierigen Punkt in der Philosophie des geistreichen französischen Denkers zu untersuchen.

Der Bemerkung gegenüber, daß die Begriffe, mittels deren wir in unserem Nachdenken das Seelenleben charakterisieren - Synthese, Einheit, Mannigfaltigkeit usw. -, auf alle Erlebnisse Anwendung finden, behaupte ich, daß der Grund dazu, daß jene Gruppe von Begriffen auf alle Erlebnisse Anwendung findet und finden muß, eben darin zu suchen ist, daß sie die Formen entfaltet, in denen sich das Seelenleben, besonders die Erkenntnis, kundtut. Nur durch die Anwendung dieser Formen wird die Zuneigung, die Aufnahme in den Zusammenhang unseres Wesens, worin alles Verständnis, alle Erkenntnis besteht, ermöglicht. Kein Wunder, daß alle Erkenntnisprodukte ihr Gepräge tragen! Unsere Erkenntnis besteht in einer bewußten oder unbewußten Analogie mit unserem eigenen Wesen.

Den Gegensatz, den wir unter verschiedenen Ausdrücken (Erlebnis und Nachdenken, Stoff und Form, Spontaneität und Reflexion, Intuition und Analogie) erwähnt haben, bezeichnet STUMPF als einen Gegensatz zwischen Erscheinungen und psychischen Funktionen (10). Unter allem möglichen Vorbehalt stellt er die Hypothese auf, daß psychische Erscheinungen nicht geändert werden dadurch, daß sie analysiert werden. Wenn wir im Inhalt einer Wahrnehmung später auf etwas aufmerksam werden, das wir im ersten Augenblick nicht bemerkten, dann solle dies keine Änderung in der Wahrnehmung selbst, sondern nur in dem Grad von ausdrücklichem Bewußtsein bewirken, den wir auf sie anwenden. Ein Klang laute gleich, einerlei, ob ich einzelne Töne in ihm bemerke oder nicht; eine Speise mache denselben Eindruck, einerlei, ob ich etwas Saures oder Süßes in ihrem Geschmack unterscheiden kann, oder ob sie als ein Ganzes wirkt. - Es ist meiner Meinung nach nicht wahrscheinlich, daß es sich so verhält. Die besondere und sondernde Aufmerksamkeit, worin die Analogie besteht, muß das Objekt für uns ändern. Der Umstand, daß wir einen Fleck in einem schönen Bild, den wir zuerst nicht bemerkten, entdeckt haben, kann dem ganzen Bild einen anderen Charakter geben; die Klangfarbe wird geändert: ist ja doch auch ein neues Element hinzugekommen. Und jedenfalls ist das Verhältnis der einzelnen Teile nach der Analyse ein anderes als vorher. Es kann eine Willensanstrengung erforderlich sein, um zu einem unmittelbaren Schauen, in welchem die Einzelheiten noch nicht besonders erfaßt wurden, zurückzukehren. Es gibt hier einen Unterschied zwischen Erlebnis und Nachdenken, der gewiß nicht aufgehoben werden kann. Natürlich gibt es hier viele Grade, die wir im folgenden (in der Untersuchung über das Verhältnis zwischen Anschauen und Urteilen) sehen werden. Auch individuelle Verschiedenheiten werden sich geltend machen. Bei elastischen Naturen wird der Übergang vom Erlebnis zum Nachdenken, und umgekehrt, sehr leicht vor sich gehen, und doch glaube ich, daß sich auch hier eine gewisse Kontrastwirkung zwischen den zwei Zuständen geltend machen wird.

Übrigens will STUMPF nur die Möglichkeit behaupten, daß dasjenige, was erst vom Nachdenken gesondert wird, im Erlebnis gesondert bestehen kann. Und er räumt ein, daß eine absolute Unabhängigkeit von Erscheinung und Funktion unter den gewöhnlichen, komplizierten Umständen des psychischen Verlaufs wahrscheinlich nicht besteht. Ob experimentelle Untersuchungen, wie er vermutet, hier zu einem Resultat führen können, kann bezweifelt werden. Es ist nicht leicht zu verstehen, wie der Unterschied zwischen unmittelbarem Erleben und Nachdenken wegfallen könnte. Ein rein unmittelbares Erlebnis ist ja auch sehr schwer mittels eines psychologischen Experiments hervorzurufen.

Die Chemiker sagen oft, daß die Atome der Grundstoffe in den zusammengesetzten Stoffen bestehen, z. B. Kohlenstoff und Sauerstoff in der Kohlensäure. Und STUMPF meint, daß die Psychologen doch ein gleiches Recht haben müssen. Mir scheint hier doch ein Unterschied zu sein. Denn der Chemiker kann erweisen, daß es in der Kohlensäure ebenso viele Gewichtsteile wie im Kohlenstoff und Sauerstoff zusammen gibt; und eigentlich meint er nur das, wenn er vom Bestehen der Atome spricht. Eine solche Äquivalenz kann der Psychologe aus guten Gründen nicht beweisen. - Übrigens hat ein Chemiker wie Sir WILLIAM RAMSAY das Recht, jene Ausdrucksweise buchstäblich zu nehmen, ausdrücklich verneint, und ERNST MACH hat sich in ähnlicher Weise ausgesprochen. Jene Analogie ist also zweifelhaft. -

Über eine Antinomie zwischen Erlebnis und Nachdenken kommen wir nicht hinaus, und wir dürfen auf jenes nicht ohne weiteres anwenden, was von diesem gilt. Das Erlebnis selbst dürfen wir weder als absolute Kontinuität noch als ein Chaos von Verschiedenheiten denken. Das Kontinuierliche und das Diskontinuierliche kommen in ihm in allen möglichen Graden vor, und erst das Nachdenken ermöglicht ein scharfes Auffassen beider, indem es, wie wir später sehen werden, die doppelte Aufgabe hat, Unterschiede zu finden, wo es unmittelbar Kontinuität gibt, und Zwischenglieder, wo es unmittelbar Diskontinuität gibt.

6. Im Begriff der Synthese liegt, wie wir gesehen haben, ein Gegensatz von Erlebnis und Form, der zu großen Schwierigkeiten Veranlassung gibt, Schwierigkeiten, die unüberwindlich werden, wenn man unter Erlebnissen einen absolut ungeformten Stoff versteht. Wie schon angedeutet, wird jedes Erlebnis dem zusammenfassenden Gedanken eine doppelte Aufgabe stellen: sein Verhältnis zu anderen Erlebnissen zu bestimmen und Verschiedenheiten und Verhältnisse innerhalb des Erlebnisses zu finden. Dadurch entsteht das beständige Streben, das Diskontinuierliche kontinuierlich zu machen.

Wenn wir aber das Denken nicht von den anderen Seiten des Seelenlebens scheiden, gibt es noch ein drittes Element - außer Erlebnis und Form -, das wir beachten müssen. Wenn eine Aufgabe gestellt ist, wird ein Bedürfnis, ein Drang, die Aufgabe zu lösen, vorausgesetzt. Die Arbeit an der Lösung hat dann Wert, indem wir als wertvoll alles bezeichnen, was ein Bedürfnis befriedigt, ob sich dieses Bedürfnis, dieser Drang nun ausdrücklich kundgibt oder wir erst aus der Befriedigung, die wir an der Arbeit oder ihrem Resultat fühlen, schließen, daß ein Mangel ausgefüllt ist.

Das Denken hat biologische Bedeutung, indem die Beachtung der Begebenheiten der Außenwelt es ermöglicht, daß Gefahren umgangen und Vorteile erreicht werden können. Auch hier zeigt sich die Bedeutung der Synthese, indem die Beachtung einer einzelnen Veränderung nur in sehr einfachen Fällen hinreicht; es wird von Bedeutung sein, daß die einzelne Erfahrung in Verbindung und Wechselwirkung mit anderen vorliegenden oder früheren Erfahrungen gebracht wird; erst dann kann auch die Reaktion gegen das Erfahrene ganz zweckmäßig werden. Nur der Instinkt reagiert bei einem elementaren Reiz: wenn das Nachdenken erwacht ist, ist eine ernstere Orientierung und damit ein reicheres Verhältnis zu den Umgebungen möglich. Ein interessantes Beispiel einer Synthese, die vielleicht rein physiologischer Art ist, bieten die "bedingten Reflexe" PAWLOWs. Speichelabgang kann nicht nur durch direkte Reizung mittels eines in den Mund gebrachten Stoffes, sondern auch durch eine Reizung des Gesichtssinns, des Hörsinns, des Geruchssinns oder des Hautsinns bewirkt werden, wenn nur solche Reize nicht zu lange Zeit vorher zusammen mit dem Einwirken jenes Stoffes vorgekommen sind. Hier wirkt eine assoziative Synthese, die es möglich macht, daß eine Art von Reiz an die Stelle einer anderen treten kann, mit der sie ursprünglich nichts zu tun hatte. Schon in einem so einfachen Fall werden gegenwärtige und frühere Zustände kombiniert. Was in diesem einfachen Beispiel, das mehr der Physiologie als der Psychologie angehört, geschieht, wiederholt sich auf den höheren Stufen psychischer Entwicklung.

Unmittelbaren Wert hat zuerst das Resultat, im angeführten Beispiel der Speichelabgang (der natürlich, wovon wir hier absehen, selbst wieder seinen Wert als Glied des Verdauungsprozesses hat). Die Reize, die ihn direkt hervorrufen, haben zuerst nur mittelbaren Wert. Und analog hat auf mehr entwickelten Stufen das Resultat des Nachdenkens unmittelbaren Wert, während das Nachdenken selbst nur ein Mittel ist. Es ist aber sehr wohl möglich, daß ein Wert, der zuerst mittelbar war, unmittelbar werden kann. Es geschieht dann eine Motivverschiebung.

Wenn nur die bittere Not zum Denken führt, steht der Wert oder das Motiv in einem ganz äußerlichen Verhältnis zum Denken. Der Wert ist hier selbst ein Objekt, das, weil es nicht unmittelbar erreicht werden kann, die Aufgabe stellt, Mittel und Wege zu finden, und dadurch den Zweck darstellt. In dem bestimmten und unentrinnbaren Verhältnis zwischen Zweck und Mittel haben wir das erste Begegnen des Menschen mit der Gedankennotwendigkeit. Wenn er  A  (den Zweck) will, muß er auch  B  (die Mittel) wollen. Auf diesem Weg kommt der Mensch in die Welt des Nachdenkens hinein, auch wenn nicht mehr direkte Motivie ihn hineinführen. Es kann aber einen selbständigen Wert bekommen und Gegenstand eines direkten Interesses werden, jenes notwendige Verhältnis zwischen Zweck und Mittel, das ja mit dem Verhältnis zwischen Wirkung und Ursache eins ist, zu untersuchen, und der Wert wird dann unmittelbar an das Nachdenken selbst und seine Arbeit geknüpft. Das Nachdenken steht dann als eine an und für sich anziehende Wirksamkeit da.

Wenn eine Stufe erreicht ist, wo der Wert oder das Motiv sich innerlich an die Gedankenwirksamkeit selbst anschließt, so daß diese sowohl Zweck als auch Mittel ist, wenn sich, mit anderen Worten, ein intellektuelles Gefühle, eine Freude am Gedanken selbst, so wie dieser sich nach seinen eigenen Gesetzen entwickelt, gebildet hat, - dann brauchen wir nicht besonders die Motive der Erkenntnis zu erwähnen. Wir wollen dann nur die Befriedigung, die an die Ausübung unseres Denkvermögens geknüpft ist.

Eine solche Stufe setzen wir in unserer Untersuchung des menschlichen Gedankens voraus. Keine anderen Zwecke existieren dann als eben der, die Richtung und den Endpunkt eines konsequenten Denkens zu sehen, und es ist nicht nötig, an den Wertgesichtspunkt zu erinnern; dieser ist ein für allemal in und mit dem Trieb zu beobachten und zu schließen gegeben. Auch wo sich andere Motive als das intellektuelle Interesse bei einer Gedankenbewegung melden, wird es doch zweckmäßig sein, daß solche Motive, für welche die Gedankenarbeit nur als Mittel besteht, vorläufig durch Motivverschiebung von rein intellektuellen Interessen abgelöst werden. So wird die Arbeit am besten getan werden. Jedenfalls muß zuletzt immer eine aus rein intellektuellen Motiven angestellte Prüfung die aus anderen Motiven (welche auch diese sein mögen) geübte Arbeit revidieren.

7. Der Begriff der Energie in der Bedeutung, in welcher wir ihn hier genommen haben, stammt von der Naturwissenschaft, und wir haben versucht ihn auf dem Weg der Analogie auf das Gebiet des Seelenlebens zu übertragen. Alle psychologischen Ausdrücke sind ja vom Materiellen auf das Geistige, von der Welt des Raumes auf die Welt des Geistes und des Gedankens übertragen. Die Durchführung der Analogie ist aber mit Schwierigkeiten verbunden. Eine exakte Messung ist auf psychischem Gebiet nur in Bezug auf die elementaren seelischen Erscheinungen, und auch da nur in unvollkommener Weise, möglich. Die moderne Physiologie steht in ihrer Methode auf dem Standpunkt, daß sie physiologische Zustände durch physiologische Ursachen erklärt haben will, sofern nicht physische Ursachen aus der Außenwelt eingreifen. Jeder Gehirnzustand oder jede Gehirnwirksamkeit soll daher aus den früheren Zuständen des Gehirns und des Organismus erklärt werden. Nach strenger naturwissenschaftlicher Methode muß jeder materielle Zustand in und außerhalb des Organismus seine Erklärung als eine andere Form der physischen Energie, die sich in vorausgehenden materiellen Zuständen äußerte, finden. Wenn also zwei Gehirnzustände einander ablösen, wird die Erklärung erst gefunden sein, wenn es erwiesen ist, daß alle Energie des vorhergehenden Zustandes ohne Rest in den folgenden Zustand umgesetzt ist, sofern sie nicht in andere physiologische Prozesse ausgestrahlt ist. Es ist vielleicht unmöglich, Experimente in dieser Richtung auszuführen; sie würden aber die Vollendung der physiologischen Methode sein, als deren Motto man die Worte SPINOZAs betrachten kann, daß derjenige, der einen körperlichen Zustand durch ein Eingreifen der Seele erklärt, eigentlich nur zugesteht, daß man diesen nicht erklären kann. Wenn nun auch ein Versuch zu zeigen scheint, daß physische Energie beim Entstehen eines organischen Zustandes entweder entsteht oder verschwindet, ohne daß ein physisches Äquivalent erwiesen werden kann, würde man von einem naturwissenschaftlichen Standpunkt aus eher glauben, daß ein Fehler beim Experimentieren unterlaufen ist, als daß man eine Grenze des Bestehens der physischen Energie gefunden hat. "Das Prinzip des Bestehens der Energie", sagt MAXWELL (11), "hat so großes wissenschaftliches Gewicht, daß kein Physiologe einem Versuch vertrauen würde, der einen bedeutenden Unterschied zwischen der von einem lebenden Wesen ausgeführten Arbeit und der Summe der empfangenen und verbrauchten Energie aufwiese." Seit MAXWELL diesen Satz niederschrieb, sind Versuche ausgeführt, die - innerhalb gewisser Fehlergrenzen - zeigen, daß der Stoff- und Kraftwechsel während der Ausführung geistiger und körperlicher Arbeit eine Äquivalnz zwischen dem Empfang und dem Verbrauch darbot (12). Es wird dadurch noch schwieriger als vorher, zu glauben, daß innerhalb des Organismus etwas geschehen sollte, das gegen den Satz der Energie streitet.

Wie wird es nun aber unter diesen Verhältnissen möglich werden, die psychische Energie als eine besondere Form der Energie festzuhalten? Ist es denn nicht natürlicher, anzunehmen, daß alle Energie physisch ist und daß die psychische Energie, die wir im vorhergehenden geschildert haben, nur das Symptom einer physischen Energie ist, zu welcher wir keinen direkten Zutritt haben? Wir können ja das Äquivalenzprinzip nicht auf psychischem Gebiet selbst in der Weise durchführen, wie es auf physischem Gebiet möglich ist. Es geschehen Abbrechungen innerhalb ein und desselben individuellen Bewußtseinslebens (durch Schlaf, Ohnmacht usw.), und zwischen verschiedenen bewußten Individualitäten können wir keine psychischen Kontinuität erweisen, so wie wir zwischen zwei Körpern, z. B. zwei Organismen, physische Kontinuität mittels materieller Medien erweisen können.

Man hat dann auch die Forderung aufgestellt, daß die psychologischen Definitionen von physiologischen Definitionen abgelöst werden sollen. In der dänischen Literatur hat CARL LANGE (in seiner "Nydelsernes Fysiologie") diese Forderung geltend gemacht. In streng erkenntnistheoretischer und psychologischer Form hat RICHARD AVENARIUS in seinem scharfsinnigen Werk "Kritik der reinen Erfahrung" eine ähnliche Auffassung behauptet. Vollständige wissenschaftliche Erklärung wird - meint er - nur erreicht, wenn die psychischen Zustände auf die korrelaten physiologischen Zustände zurückgeführt werden; daher nennt er die Reihe der psychischen Zustände die abhängige Vitalreihe. Und seine Begründung ist die, daß wir nur in dieser Weise die qualitativen Unterschiede, welche die psychischen Erscheinungen darbieten, auf quantitative reduzieren können, so daß eine exakte Formulierung des Verhältnisses der wechselnden Zustände möglich wird. Die Vollendung unserer Erkenntnis wird also in einer Reduktion des Psychischen zum Physischen bestehen (13).

Den Anschauungen gegenüber, die eine solche Reduktion des Psychischen zum Physischen fordern, damit eine wissenschaftliche Psychologie möglich wird, - die also eigentlich die Psychologie aufheben, um sie zur Wissenschaft zu machen, - müssen wir anerkennen, daß die faktische Diskontinuität und die qualitativen Unterschiede der psychischen Erscheinungen eine strenge Durchführung der Psychologie als Wissenschaft hindern werden. Die Frage ist aber die, ob der Weg, den sie weisen, zum Ziel führen kann, - ob die Methode, die sie preisen, nicht einen handgreiflichen Widerspruch enthält.

Wenn gefordert wird, daß die psychologischen Definitionen von physiologischen Definitionen abgelöst werden sollen, dann muß doch die Voraussetzung zugrunde liegen, daß die psychologischen Definitionen fertig und exakt sind. Aber es ist ja doch die eigene Sache der Psychologie, diese Definitionen hervorzuschaffen, und das ist nicht möglich und dann kann der Physiologe nicht wissen, was durch die Gehirnprozesse erklärt werden soll. Es wird keine Sicherheit dafür geben, daß man wirklich die mit den bestimmten psychischen Erscheinungen, an die man denkt, verbundenen Gehirnzustände gefunden hat. Die Selbständigkeit der Psychologie muß daher jedenfalls anerkannt werden; sie soll ja die Symptomenlehre herstellen, die der Physiologie ihre Aufgaben gibt. Nun hat aber jede Erfahrungswissenschaft eine lange und schwierige Arbeit zu tun, ehe sie zu den abschließenden Definitionen gelangen kann; solche sind erst möglich, wenn die betreffende Erfahrungswissenschaft im wesentlichen fertig ist; sie kommen am Schluß, nicht am Anfang der Untersuchungen. Allzu oft operiert man mit unfertigen psychologischen Definitionen, die als zuverlässige Ausgangspunkte gehirnphysiologischer Deutung betrachtet werden. So betrachtete DESCARTES, und in neuerer Zeit LOTZE, den Begriff der "Seele" als so deutlich und fest, daß man getrost die Physiologen und Anatomen dazu auffordern konnte, den "Sitz der Seele" zu finden. Und in der neuesten Zeit hat FLECHSIG (14) den Begriff der Vorstellungsassoziation als so einfach und klar betrachtet, daß er meinen konnte, besondere Bahnen im Gehirn für die Prozesse zu finden, die die physiologischen Korrelate der einzelnen Vorstellungen verbinden sollte. FLECHSIG arbeitet mit eier großen Abstraktion, wenn er die Verbindung (Assoziation) selbst von den Elementen (Vorstellungen), die verbunden werden sollen, in dem Grad scheidet, daß jene an anderen Stellen als diese lokalisiert werden können. Er übersieht dabei ganz die oben nachgewiesene psychologische Antinomie, die eine Warnung enthält, die Unterschiede und Distinktionen, die für unsere Untersuchung notwendig sind, mit Gegensätzen im Seelenleben selbst zu verwechseln. Es gibt in der Seele kein "Element", das nicht in der einen oder anderen Verbindung oder Relation steht und dadurch bestimmt wird. Wenn eine Vorstellung in eine sonst natürliche Assoziation einzutreten sich weigert, wird der Grund darin zu suchen sein, daß sie ein Glied einer anderen, innerlicheren Assoziation ist, aus welcher sie nicht gelöst werden kann. Die Verhältnisse sind hier sehr kompliziert, und nach einem rein mechanischen Schema kommen weder die Physiologie noch die Psychologie zu ihrem Recht.

Wir wollen aber einen Augenblick voraussetzen, daß die psychologischen Definitionen fertig und vollkommen sind. Auch dann bleiben große, ungelöste Probleme übrig. Wie können physiologische Zustände psychologische Symptome haben? Wir können qualitative Unterschiede quantitativen Unterschieden entsprechen, und wie können diskontinuierliche Erscheinungen an kontinuierliche Erscheinungen geknüpft sein? Solche Fragen werden durch die "Reduktion" von Psychologie und Physiologie nicht beantwortet, vielmehr noch verschärft. Jedenfalls steht es als ein unlösbares Rätsel da, wie die Verschiedenheiten und Diskontinuitäten entstehen. Wenn man gleich bewiesen hat, daß zwei Erscheinungen,  A  und  B,  die man bisher als verschieden betrachtet hat, in Wirklichkeit identisch sind, hat man dadurch nicht erklärt, wie  A  und  B  vorher als verschieden dastehen konnten. Diese Verschiedenheit "subjektiv" zu nennen, hilft nicht; sie wird dadurch nicht aus der Welt geschafft. Ist es ja doch schon die Tatsache, daß es in der Welt etwas "Subjektives" gibt, die die Psychologie sowohl möglich als notwendig macht. Und innerhalb dieses "Subjektiven" entsteht alle Erkenntnis der materiellen Welt, auch die Physiologie, und mit ihr die Kenntnis unseres eigenen Körpers, speziell unseres eigenen Gehirns. Die Erkenntnis selbst ist eine psychische Funktion, sowohl wo sie als Sinnesempfindung wie auch wo sie als Denken auftritt. Wenn der Naturforscher psychische Zustände und Wirklichkeiten als zufällige Anhänge ("Epiphänomene") betrachtet, dann sägt er den Ast ab, auf welchem er selbst sitzt. Diesen Ast zu studieren, ist freilich nicht seine Aufgabe; er tut aber wohl daran, nicht zu vergessen, wo er sitzt.

Wenn AVENARIUS die "abhängige Vitalreihe" (den Inhalt der Psychologie) auf die "unabhängige Vitalreihe" (den Inhalt der Physiologie) zurückzuführen versucht, sieht man doch deutlich aus seiner Darstellung, daß er stets von der "abhängigen" auf die "unabhängige" Reihe schließt, nicht umgekehrt. Aus den psychologischen Beobachtungen, die er gesammelt hat, heraus konstatiert er das physiologische Schema, das für ihn der eigentliche Gegenstand der Wissenschaft ist, und was von der "unabhängigen" Reihe gesagt wird, kann ohne die Hilfe der Tatsachen der "abhängigen" Reihe nicht verstanden werden. Überhaupt ist die Gehirnphysiologie noch lange nicht hinlänglich fortgeschritten, um eine eingehende Belehrung über die materiellen Prozesse geben zu können, an welche die große, reich nuancierte Welt der psychischen Prozesse geknüpft ist. Was man in dieser Hinsicht bei physiologischen Psychologen und Experimentalpsychologen findet, sind bloße Schemen, die keine wirkliche Erklärung geben können. Niemand hat mehr Gelegenheit dazu, dies zu erfahren, als ein Irrenarzt, der zugleich ein erfahrener und kritischer Psychologe ist. So hat PIERRE JANET gesagt, daß, von einzelnen Wahrnehmungen und histologischen Untersuchungen abgesehen, die physiologischen Deutungen nur Übersetzungen der psychologischen Begriffe in eine andere Sprache sind, und daß, wenn man nur anatomisch sprechen will, man es ganz aufgeben muß, psychiatrisch zu sprechen. (15)

8. Die Schwierigkeiten der Psychologie stammen von der Diskontinuität und den qualitativen Verschiedenheiten. Sie werden aber oft stärker hervorgehoben, als durch die Erfahrung berechtigt ist. Genaues Nachdenken läßt uns oft entdecken, daß auch da, wo ein psychisch leerer Raum angenommen wurde, es in Wirklichkeit einen psychischen Inhalt gab, obgleich er von der Aufmerksamkeit nicht erfaßt, oder nicht wiedererkannt oder obgleich er vielleicht gleich nachher vergessen wurde. Und was die qualitativen Unterschiede betrifft, wird die Beobachtung oft mehrere und feinere Nuancen finden als diejenigen, bei denen man zuerst stehen blieb, und die man vielleicht ruhig für ganz disparat erklärte. Die Kontinuität des Bewußtseinslebens ist gewiß größer, als oft angenommen wird, und es kann eine wissenschaftliche Gefahr darin liegen, Diskontinuität und Qualitätsverschiedenheit einseitig als die Merkmale des Seelenlebens zu proklamieren. Der innere Zusammenhang des Bewußtseins, die Tatsache, daß, je mehr wir uns in den Verlauf des Seelenlebens vertiefen, er umso mehr als ein Ganzes hervortritt - ist und bleibt das Urphänomen auf psychologischem Gebiet. Wir übersehen nur dies so leicht, weil wir im praktischen Leben und im täglichen Verkehr am meisten von gewissen einzelnen Tropfen oder Wellen des ganzen, hingleitenden Stromes Gebrauch machen. Wir müssen eine Integration ausführen, wenn wir aus unserer mehr oder weniger mechanischen Praxis zum unmittelbar Gegebenen zurückgehen. Auch die Funktionen, die mit klarem Bewußtsein ausgeübt werden können, ja das Erinnern und das Vergleichen, zeugen von einem inneren Zusammenhang hinter den Einzelheiten. Sie sind Arten der Synthese, der Tendenz zum Zusammenfassen und Zusammenhalten, die das beständige Streben der Seele, ein Ganzes zu sein, bezeugen. Das Unzusammenhängende ist das psychologisch Rätselhafte, das der Psychologie ihre Probleme stellt. Die Aufgabe der Psychologie ist, einen Zusammenhang sowohl zwischen den Elementen des Bewußtseins als zwischen seinen Zuständen zu finden.

LEIBNIZ hat das Verdienst, das Kontinuitätsprinzip sowohl auf dem psychischen als auch dem physischen Gebiet behauptet zu haben. Besonders hat er auf die im Vergleich mit den klar bewußten Zuständen verschwindend kleinen Elemente hingewiesen, die erst durch Integration ein für die ungeübte Selbstwahrnehmung zugängliches Resultat hervorbringen. Schon ein Vergleich zwischen moderner und antiker oder mittelalterlicher Poesie zeigt, daß die Selbstwahrnehmung jetzt mehrere seelische Nuancen erblickt. Dies ist kaum ausschließlich dadurch zu erklären, daß die Nuancierung jetzt an und für sich größter ist als in früheren Zeiten. Die Kenntnis und das Verständnis des Unmittelbaren und Unwillkürlichen ist gewachsen. Die kindliche und primitive Psychologie ist geneigt, alles, was in der Seele geschieht, als klar bewußt und alle Handlungen als mit Überlegung und Vorsatz ausgeführt zu betrachten. Jetzt fordern wir einen ausdrücklichen Beweis dafür, daß Nachdenken und Überlegung mitwirkend waren. Und die Übergänge zwischen Unbewußtem und Bewußtem und zwischen Unwillkürlichem und Willkürlichem können durch viele Zwischenformen und Grade hergestellt werden. Je geübter die Selbstwahrnehmung und die Kritik sind, umso schwieriger wird es, eine bestimmte Stelle als Grenze aufzuzeigen.

LEIBNIZ war geneigt, alle psychischen Verschiedenheiten als Grundunterschiede in Bezug auf Klarheit und Unklarheit zu betrachten. Dieser Versuch war für das Jahrhundert der Aufklärung, das von LEIBNIZ eingeleitet wurde, charakteristisch. Es gibt aber andere Wege, auf welchen die Psychologie einen kontinuierlichen Zusammenhang trotz der qualitativen Verschiedenheiten finden kann. Es gibt immer Prozesse der Verschmelzung und der Zusammensetzung von Empfindungen, Vorstellungen, Gefühlen und Strebungen. Und es gibt Verschiebungen, mittels welcher das, was zuerst im Vordergrund stand, von dem, was Hintergrund war, verdrängt wird, oder das, was zuerst nur mittelbaren Wert hatte, als unmittelbar wertvoll hervortritt. Und in den voll tätigen Charakteren, den höchsten und edelsten Gegenständen der Psychologie, findet die Betrachtung eine so innerliche Abhängigkeit aller seelischen Bewegungen  einem  Zweck,  einem  bestehenden Gedanken gegenüber, daß wir hier einen Kausalzusammenhang vor uns haben, der nicht weniger fest und bestimmt ist als irgendein physischer Kausalzusammenhang. Jede einzelne Vorstellung, jede Stimmung und jedes Streben ist in einem solchen Charakter durch das Verhältnis zum Ganzen, dem er angehört, und bei dessen Bildung er selbst mitwirkt, bestimmt.

Wenn sich trotz allem ein Mangel an Zusammenhang auf psychischem Gebiet kundgibt, so brauchen wir doch nicht das Prinzip der Kontinuität aufzugeben, ebensowenig wie der Physiker es aufgibt, wenn die Energie in einem Ruhe- oder Gleichgewichtszustand verschwunden zu sein scheint. Wie der Physiker den Begriff der potentiellen physischen Energie einführt, um die Tatsache auszudrücken, daß, was verschwunden ist, wieder ausgelöst werden kann, so wird der Psychologe berechtigt sein, von potentieller psychischer Energie zu sprechen, indem er sich besonders auf die Tatsache stützt, daß psychische Elemente nach einem Zwischenraum, in welchem sie nicht im Bewußtsein gewesen sind, reproduziert werden können. Worte wie "Anlage", "Möglichkeit", "Vermögen", "Disposition", "Spur", "Tendenz", haben die gleiche Bedeutung wie das Wort  potentielle Energie.  Doch ist der Psychologe bei der Anwendung dieses Begriffes ungünstiger gestellt als der Physiker bei der Anwendung des entsprechenden physischen Begriffs. Erstens kann der Physiker die Erscheinung, in welcher die potentielle Energie ihren Sitz hat, z. B. die gespannte Feder oder den ruhenden Stein auf dem Dach, geradewegs aufzeigen. Dagegen bedeutet auf psychischem Gebiet ein vollständiges Gleichgewicht (Ruhe) dasselbe wie Unbewußtsein, also etwas für die psychologische Wahrnehmung Unzugängliches (was es sonst an und für sich auch sein mag). Zweitens kann man auf physischem Gebiet Umsetzungen vornehmen, indem ein Quantum von Energie ausgelöst werden kann, das genau dem Quantum der scheinbar verschwundenen Energie entspricht. Auf psychologischem Gebiet kann man nicht in dieser exakten Weise dartun, daß das Potentielle und das Aktuelle einander entsprechen. Und doch hat der Begriff der potentiellen psychischen Energie seine Berechtigung, weil er eine Aufforderung enthält, in Beobachtung und Analyse immer fortzuschreiten, um möglichst große Kontinuität zwischen den verschiedenen seelischen Zuständen zu finden. Es ist ein langer Weg zur absoluten Ruhe - und vielleicht existiert diese ebensowenig auf dem psychischen wie auf dem physischen Gebiet. Möglichkeit besteht immer in einer Wirklichkeit, sei diese nun zugänglich oder nicht.

9. Die einzige Weise, in welcher Psychologie und Physiologie zusammenarbeiten können, ohne daß diese oder jene ihre leitenden Gedanken aufgeben, kommt dadurch zustande, daß psychische Erscheinungen als Symptome physiologischer Zustände auftreten und umgekehrt. Wir können von der einen Reihe von Erscheinungen auf die andere  schließen,  obgleich wir die eine nicht aus der anderen  ableiten  können.

Es ist die naturwissenschaftliche Methode, die Schritt für Schritt zu einer solchen Auffassung führt. Das Gesetz der Inertie [Trägheit - wp] fordert, daß jede Änderung des Zustandes eines materiellen Punktes (sei dieser Zustand nun Ruhe oder geradlinige Bewegung mit einer bestimmten Geschwindigkeit) aus dem Einfluß eines anderen materiellen Punktes abgeleitet werden soll. Dadurch ist es ausgeschlossen, daß eine nicht-materielle (d. h. nicht-räumliche) Ursache eine naturwissenschaftliche Bedeutung haben kann, und es wird gefordert, daß für eine materielle Erscheinung eine materielle Ursache gesucht werden soll. MAXWELL findet den Erfahrungsbeweis des Inertiegesetzes darin, daß wir, so oft wir eine Änderung im Bewegungszustand eines Körpers antreffen, diese Änderung auf ein Wirken zwischen dem Körper und einem anderen Körper zurückführen können. Mit diesem Erfahrungsbeweis ist die Naturwissenschaft immerfort beschäftigt. - An das Gesetz der Inertie schließt sich das Gesetz des Bestehens der physischen Energie, das, wie schon erwähnt, auch für die organische Natur gelten muß.

Es gibt in der Physik unserer Zeit Andeutungen, die darauf hinweisen, daß die obenerwähnten Gesetze trotz ihrer großen Bedeutung für die ganze Naturauffassung, doch von den Gesetzen und Verhältnissen der Ätherschwingungen, in welchen man mehr und mehr das Fundamentale sieht, abgeleitet sind. Philosophisch betrachtet, würde dies an der Auffassung des Problems vom Verhältnis zwischen Psychischem und Physischem nichts ändern. Die Schwingungen des imponderabilen Äthers sind ebenso verschieden von den psychischen Erscheinungen wie die Bewegungen der ponderablen Atome. Das Problem bleibt das gleiche, obgleich Elektrone anstelle der Atome treten. Die räumliche Beschaffenheit ist für die Philosophie die entscheidende Eigenschaft der Materie; hier hat DESCARTES recht gesehen. Es darf hier nicht irreleiten, daß Physiker bisweilen das Wort "immateriell" in der Bedeutung von "imponderabel" [unwägbar - wp] gebrauchen.

Wenn sich das nun so verhält, kann man für das Seelenleben keinen Platz in der Reihe der physischen und physiologischen Erscheinungen finden. Die einzige Möglichkeit ist dann die Auffassung, daß wir ein Seelenleben derart haben, in dem die Selbstwahrnehmung das, was für die Sinne als organische Prozesse hervortritt, ausdrückt. Seele und Leib sind dann nicht zwei Dinge oder Wesen, sondern zwei Sprachen, in denen das Dasein zu uns spricht. Wir können vielleicht aus der einen Sprache in die andere übersetzen, aber wir können die eine Sprache nicht aus der anderen ableiten.

Weil das Seelenleben aus den Gesetzen und Kräften der materiellen Natur nicht abgeleitet werden kann, müssen wir annehmen, daß bei jeder materiellen Wirksamkeit außer den von der Naturwissenschaft konstatierten Eigenschaften andere, den Sinnen nicht zugängliche Eigenschaften mitwirken, in welchen das Seelenleben seine Erklärung finden könnte. Philosophische betrachtet kann der Materiebegriff der Naturwissenschaft das Dasein nicht erschöpfen. Indem wir auf diese Weise die Möglichkeit des Entstehen des Seelenlebens behaupten, erleidet die Anwendung, welche die Naturwissenschaft von ihren Erfahrungen macht, nicht den geringsten Abbruch. -

Die Auffassung, der wir uns nun hier anschließen, ist eigentlich die Rückkehr zur kindlichen und praktischen Anschauung, nach der der Körper der äußere, den Sinnen zugängliche Ausdruck der Persönlichkeit ist. Und wir bekommen damit zugleich die bequemste und haltbarste Arbeitshypothese, indem wir aufgefordert werden, die Reihen der psychischen und physiologischen Erscheinungen so weit als überhaupt möglich zu verfolgen und ihre Analogien und Proportionalitäten so genau wie möglich festzustellen. Diese Auffassung behauptet ein Funktionsverhältnis, in mathematischer Bedeutung des Wortes, zwischen den psychischen und den physischen Erscheinungen; eine Variation der psychischen Zustände, besonders der Gehirnzustände, und umgekehrt. Und weiter geht das Wissen, das wir von diesen Dingen haben, nicht. Ob diese Hypothese eine abschließende Erklärung des Verhältnisses von Leib und Seele, von physischer und psychischer Energie gibt, ist eine Frage, die wir an einem späteren Ort erörtern wollen. Auch Forscher, die unsere Hypothese als definitive Lösung verwerfen, gestehen doch zu, daß sie eine nützliche Arbeitshypothese ist. So HENRI BERGSON und CARL STUMPF. Ob dieses Zugeständnis von ihrem Standpunkt aus konsequent ist, ist eine Frage für sich. Eine Hypothese, die gar keinen Grund in der Natur der Dinge hat, wird auf die Dauer als Arbeitshypothese nicht geeignet sein. -

Man hat bisweilen gemeint, daß das Rätsel dadurch gelöst werden könnte, daß man annahm (oder sagte), daß psychische Energie nichts anderes als Nervenenergie mit psychischen Erscheinungen verbunden ist, muß man zwischen bewußter und unbewußter Nervenenergie unterscheiden - und das Problem wird dann wieder gestellt. Außerdem wissen wir so gut wie nichts von dieser sogenannten Nervenenergie und ihrem Verhältnis zu anderen Formen physischer Energie, und es nützt nichts, der Nervenenergie, an welche psychische Erscheinungen geknüpft sind, einen besonderen Namen zu geben. Der naturwissenschaftliche Energiebegriff ist, wo wir ihn auch antreffen, aus Erscheinungen mit räumlichen, geometrischen Eigenschaften abgeleitet. Die Naturwissenschaft kennt nur Energie als Ausdruck von Verhältnissen zwischen Erscheinungen im Raum. Leider können wir keinen Energiebegriff bilden, aus welchem sowohl der physische als auch der psychische Energiebegriff als besondere Form abgeleitet werden könnten (16). - In einem späteren Zusammenhang werden wir zu dem Problem, das wir hier verlassen, zurückkehren.

10. Im Vorhergehenden ist der Gedanke als psychische Energie bestimmt worden, und wir haben versucht eine vorläufige und methodische Darlegung seines Verhältnisses zur physischen Energie zu geben. Die Frage wird nun vielleicht von gewissen Seiten gestellt werden: Wer  hat  diese Energie, wer übt sie aus? Jede Wirksamkeit, meint man, muß von jemand oder von etwas ausgeübt werden, und man muß zwischen dem Wirkenden und der Wirksamkeit selbst unterscheiden; so muß man auch auf psychologischem Gebiet zwischen dem Denkenden, Fühlenden und Wollenden und dem Denken, Fühlen und Wollen selbst unterscheiden!

Eine solche Auffassung, die nicht nur in der täglichen Sprache, sondern auch bei Philosophen - Spiritualisten und Materialisten in brüderlicher Vereinigung - vorkommt, ist teils aus der sprachlichen Ausdrucksweise, teils aus dem Einfluß materieller Analogien zu erklären.

Die Sprache unterscheidet Subjekt und Prädikat und bezeichnet in der Regel jedes von beiden mit einem besonderen Wort. Daher wird ein Wort für das wirkende Wesen, ein anderes für seine Wirksamkeit gebildet. Auch wo es schwierig oder unmöglich ist, in der unmittelbaren Anschauung das Wirkende und die Wirksamkeit zu sondern, wendet die Sprache doch oft ein formelles Subjekt an: so in "unpersönlichen" Sätzen wie "es regnet". Wir haben hier ein grammatisches Schema, dem wir kein Recht haben philosophische - weder psychologische noch metaphysische - Bedeutung beizulegen. Schon längst hat der scharfsinnige Sprachforscher JENS HÖJSGAARD (17) den Unterschied von Grammatik und Philosophie eingeschärft. "Grammatisch", sagt er, "wird jedes Wort und jede Rede betrachtet, wenn man nicht so sehr die Dinge, die unter den Worten verstanden werden, beachtet als die Worte selbst, ihre Ordnung und Beugung und ihre gegenseitige Dependenz [Abhängigkeit - wp] oder Relation. Der Philosoph dagegen betrachtet nur die Dinge, an die die Worte erinnern." Diese Warnung ist immer notwendig. Daraus, daß die Sprache oft zwei Wörter braucht, um das, was bei einem Wirken geschieht, auszudrücken, folgt nicht, daß wir zwei "Dinge" vor uns haben. Und wie sollten wir uns eigenlich das Verhältnis zwischen diesen beiden Dingen denken - z. B. dem Bewußtsein und demjenigen, der das Bewußtsein "hat", der Energie und demjenigen, der sie "ausübt"?

Bei materiellen Erscheinungen, die eben den größten Einfluß auf die Ausdrucksweise der Sprache geübt haben, unterscheiden wir leicht das Subjekt der Wirksamkeit (der Bewegung) und die Wirksamkeit (die Bewegung) selbst. Wir haben oft den Körper, der jetzt in Bewegung ist, scheinbar ruhig an seiner Stelle liegend gesehen; wir kennen ihn also sowohl ruhend wie auch in Bewegung. Wenn wir sagen: "Der Körper bewegt sich", vergleichen wir eigentlich diese zwei Zustände. Wir kommen daher in Verlegenheit, wenn wir entdecken, daß eine absolute Ruhe nicht angenommen werden darf. Besonders kommt man mit der Sprache in Verlegenheit, wenn man nicht von "ponderabler", sondern von "imponderabler" Materie sprechen soll, indem diese letztere in einer beständigen Wellenbewegung gedacht wird. "Äther" kann nur als "das, was wogt", definiert werden. Wenn man nun zwischen der Seele (dem Ich) und ihren Wirkungen unterscheidet, dann wirkt eben der Einfluß der Ananlogie mit der ponderablen Materie und ihrem scheinbaren Gegensatz von Gleichgewicht und Bewegung. Die Seele kennen wir (gleichwie den Äther) nur als wirkend. Was wir hier kennen, ist eben psychische Energie, kein ruhendes "Wesen". Das Wesen oder die Natur der Seele ist Wirksamkeit. Eine schauende, oft eine träge Phantasie, snicht das eigentliche Denken führt das Wort, wenn man jene Sonderung zwischen dem Denkenden und dem Denken macht. Räumliche Bilder oder Symbole werden mit psychologischen Begriffen verwechselt. Das Bedürfnis fester, ruhender Bilder, wie die materielle Natur sie darzubieten scheint, hindert daran, den Begriff der Wirksamkeit oder der Energie in seiner Eigentümlichkeit und Konsequenz festzuhalten. Oder man fürchtet, das Seelenleben verflüchtigt sich, wenn es snicht auf ein "Etwas", eine "Substanz" als auf einen starken Haken gehängt wird, obgleich man nicht so konsequent ist, zu fragen, woran dieser Haken wieder festgemacht ist. Die "Substanz" könnte ebensowohl einen "Träger" bedürfen wie die Wirksamkeit. Wie man fragte, wer die Energie "hat", so könnte man auch fragen, wer die Seele oder das Ich "hat". - Denker wie FICHTE, SIBBERN und WUNDT haben das Verdienst, in dieser Frage klar gesehen zu haben.

Wir können sehr wohl sagen, was wir unter unserer "Seele" oder unserem "Ich" verstehen, ohne auf spiritualistische oder materialistische Hypothesen einzugehen. Indem wir uns an die Erfahrung halten, sehen wir das Seelenleben sich durch verschiedene Stadien und unter verschiedenen Formen entfalten: dies suchen wir zu beschreiben und die Übergänge zwischen ihnen zu erklären. Auf jeder gegebenen Entwicklungsstufe haben wir dann das Seelenleben mit gewissen Eigenschaften und Dispositionen vor uns, und es gilt dann herauszufinden, was sich unter den gegebenen Bedingunen aus ihnen entwickeln kann. (vgl. Nr. 8) "Wir selbs" oder "unser Ich" hat auf jeder Stufe seinen Inhalt in den Eigenschaften und Dispositionen, welche die Bewußtseinserscheinungen kundgeben, und seine Form in dem Grad und in der Weise, wie sie zusammengefaßt und geordnet sind.

Je mehr nun die fortgesetzte seelische Entwicklung durch die gegebenen Eigenschaften und Dispositionen in ihrem gegenseitigen Verhältnis bedingt wird, umso größere Energie legen wir dem Seelenleben bei, und umso aktiver wird es genannt. Je mehr die fortgesetzte seelische Entwicklng dagegen durch Einflüsse bedingt wird, die unabhängig von der Vorzeit des individuellen Seelenlebens wirken, umso passiver wird dieses genannt.

Wie die Körper unseres Weltsystems sich mit einer gewissen Anfangsgeschwindigkeit und einer gewissen Anfangsrichtung von der großen Nebelmasse losrissen, so beginnt das Seelenleben - auf dem Punkt, wo es aus der Nacht des Unbewußtseins erwacht - damit, nach denselben Gesetzen, denen es auch später folgt, zu wirken. Es fängt mit gewissen Dispositionen an, die ihm eine gewisse Selbständigkeit äußeren Einflüssen gegenüber gibt. Hiermit stimmt die Tatsache überein, daß das Nervensystem eines von den Teilen des Organismus ist, die zuerst deutlich hervortreten, und daß es von Anfang an eine zentrale Stellung im Verhältnis zu anderen Teilen des Organismus einnimmt. Die Funktionen des Nervensystems, denen die geistigen Funktionen entsprechen, sind nicht bloße Wirkungen äußerer Einflüsse, sondern in Form und Richtung vom ersten Entstehen des Individuums an bestimmt.

Im folgenden untersuchen wir, zur näheren Beleuchtung der Natur des menschlichen Gedankens, zuerst die mehr unmittelbare und unwillkürliche Weise, in welcher sie sich in Anschauen, Assoziation und Vergleichen äußert (B), dann die mehr bewußte und bestimmte Weise, die sie im Urteilen annimmt (C).
LITERATUR - Harald Höffding, Der menschliche Gedanke, seine Formen und seine Aufgaben, Leipzig 1911
    Anmerkungen
    1) "Psychologische Untersuchungen" (1889), deutsch in der "Vierteljahrsschrift für wissenschaftliche Philosophie" (in einer Reihe von Aufsätzen in den Jahren 1889-90); "Die psychologische Grundlage logischer Urteile (1899), französisch in der "Revue philosophique" 1901; "Über Kategorien" (1908) deutsch in den Annalen der Naturphilosophie", Bd. VII
    2) "Philosophische Probleme", deutsche Übersetzung, Leipzig 1903
    3) Vgl. meine "Psychologie" IV, Seite 7; VI E, Seite 4 - 5
    4) WILLIAM JAMES, The Stream of Thought (Mind 1884), als Kapitel 9 der "Principles of Psychology" wieder abgedruckt. Vgl. auch "A pluralistic Universe" (1909), Sektion 7
    5) HENRI BERGSON, Les données immédiates de la conscience (1888). Vgl. auch "Introduction á la Métaphysique" (Revue de Métaphysique et de Morale, 1903)
    6) Über die Geschichte des Synthesebegriffs in neuerer Zeit vgl. GEORGES DWELSHAUVERS "La synthése mentale", Paris 1908, Seite 179 - 223 (Darstellung des Synthesebegriffs bei LEIBNIZ, KANT, WUNDT, HÖFFDING und PIERRE JANET). - Bei KIERKEGAARD tritt dieser Begrinn in einer energischen und tiefsinnigen, aber paradoxen Weise hervor, nämlich als Maßstab, den er in seiner Darstellung der "Stadie" anwendet und der in der Spannung der Lebenselemente besteht.
    7) KANT, Kritik der reinen Vernunft, Seite 103
    8) Vgl. meine Anzeige der "Abhandlungen der Fries'schen Schule. Neue Folge" in Göttingische Gelehrten Anzeigen, 1907
    9) HENRI BERGSON, Introduction á la Métaphysique (Revue des Métaphysique et de Morale, 1903, Seite 15 - 17)
    10) CARL STUMPF, Erscheinungen und psychische Funktionen, Abhandlungen der preußischen Gesellschaft der Wissenschaften, 1907, Seite 15 - 21.
    11) MAXWELL, Scientific Papers II, Seite 759.
    12) ATWATER, Neue Versuche über Stoff- und Kraftwechsel des menschlichen Körpers (Ergebnisse der Physiologie III, 1904)
    13) Vgl. meine Charakteristik der Philosophie RICHARD AVENARIUS' in meinem Buch "Moderne Philosophen".
    14) PAUL FLECHSIG, Gehirn und Seeele, Leipzig 1896, Seite 24f.
    15) PIERRE JANET, Les Obsessions et la Psychasthenie, Seite 496 und 605. Ähnliche Äußerungen von WUNDT (Über naiven und kritischen Realismus, Philosophische Studien XIII, Seite 363) und RAMON y CAJAL (zitiert bei HERRLIN, Minnet. Seite 21).
    16) Im Hinblick auf viele Einzelheiten der hier erörterten Frage verweise ich auch meine "Psychologie", Kapitel 1-3.
    17) JENS HÖJSGAARD, Methodisk Forsög til en fuldständig dansk Syntax, Kopenhagen 1752 (Anhang).