ra-2ra-1p-4G. StörringM. ReischleE. AdickesJ. EdwardsW. James    
 
ETTIE STETTHEIMER
Die Urteilsfreiheit als Grundlage der
Rechtfertigung des religiösen Glaubens

[mit besonderer Berücksichtigung der Lehre von James]

"Auf theoretischem Feld ist das Rationalitätsgefühl zu gewinnen, indem zwei Grundbedürfnisse befriedigt werden. Einmal: das Bedürfnis nach Vereinfachung der Mannigfaltigkeit, die durch Verallgemeinerung herbeigeführt wird, und zweitens: das ebenso große Bedürfnis nach einer Unterscheidung, um Klarheit über das Einzelne und Besondere zu erlangen. Offenbar ist die Vereinheitlichung nur eine Abstraktion, denn sie sieht die Dinge immer nur von einem bestimmten Gesichtspunkt aus, und kann niemals die wirkliche Mannigfaltigkeit ersetzen, d. h. den wirklichen Wesensgehalt der Dinge kann die theoretische Philosophie niemals bestimmen. Begriffe, Gattungen usw. sind teleologische Instrumente, die im Interesse eines besonderen Zwecks geschaffen sind. Und wenn auch das Ideal erreicht und die ganze Welt verallgemeinert ist, so ist damit doch nicht allzuviel gewonnen. Denn das letzte Warum, ist immer noch nicht beantwortet."

Einleitung

Die Lehre, die uns hier zu beschäftigen hat, kann man am einfachsten als eine Lehre von der Freiheit des Urteils bezeichnet werden. Es soll diese Theorie sowohl hinsichtlicher ihrer eigenen Richtigkeit untersucht werden, als auch im Besonderen in ihrer Rolle als Grundlage einer Rechtfertigung des religiösen Glaubens.

WILLIAM JAMES hat zuerst einer psychologischen Urteilslehre diesen Charakter gegeben, d. h. eine Theorie des Urteils ausführlich behandelt und mit anderen Denkrichtungen in Verbindung gesetzt, um aus ihr Folgerungen zu ziehen, die zur Annahme der religiösen Weltanschauung berechtigen. Deshalb wird seine Theorie zum Mittelpunkt unserer Diskussion zu machen zu sein. Von hier aus sind dann zugleich andere verwandte Theorie zu beleuchten.

Die allgemeine Richtung, der die Lehre von JAMES eingereiht werden kann, ist diejenige, die als "Voluntarismus" heutzutage eine hervorragende Bedeutung in der Philosophie hat, und von der eine Erlösung aus den engen Grenzen der intellektualistischen Weltanschauung erhofft wird, d. h. aus einer Weltanschauung, welche die mechanische Kausalität und den Determinismus als letzte Weisheit gelten lassen muß, und die, wo sie konsequent vertreten wurde, stets zum religiösen Skeptizismus geführt hat.

Es wird deshalb jeder Versuch, der sich in dieser Richtung zu bewegen scheint, mit besonderem Interesse erwartet und willkommen geheißen werden, und so ist in diesem Sinne auch JAMES' Beitrag zur voluntaristischen Erklärung der Welt aufgenommen, bewertet und interpretiert worden: so z. B. von DICKINSON-MILLER in seiner Beantwortung und Kritik von JAMES' "The will to Believe and other Essays", veröffentlicht im "International Journal of Ethics" (Januar 1899) unter dem Titel "The will to Believe and the Duty to Doubt". Am Anfang aller Versuche findet sich die folgende Stelle:
    "Der einfachste aller Versuche zur Erlösung vom Skeptizismus, an denen der spekulative Scharfsinn so reich ist, ist wohl derjenige, welcher durch philosophische Erörterung die ausschließliche Herrschaft des Begehrens begründen und beweisen will, daß ein jeder das Recht hat, seine Natur zu Rate zu ziehen und frei zu wählen, was er glauben soll.

    Allerdings ist die Lehre, daß der Glaube Pflicht und der Zweifel Sünde sei, daß beide infolgedessen dem Willen unmittelbar unterworfen seien, alten Ursprungs; jedoch findet sich in den meisten christlichen Ermahnungen zusammen mit dem Aufruf an den Willen auch der Aufruf an den Verstand, und die beiden werden nicht streng geschieden. Die bewußte Aufforderung zur "absichtlichen und mutigen Willensäußerung" scheint größtenteils erst innerhalb des 19. Jahrhunderts aufgetreten zu sein, infolge jener intellektuellen Behauptung des Ich und jenes Geistes spekulativen und abenteuerlichen Wagemuts, die der Revolutionszeit und der romantischen Bewegung angehören. Innerhalb dieses Jahrhunderts ist jene Behauptung häufig und leidenschaftlich gewesen. Sie war allerdings von  Kant  nicht buchstäblich ausgesprochen werden; aber mit seiner Theorie, daß Gott und Unsterblichkeit als  Postulate  in der Billigung des moralischen Gesetzes eingeschlossen seien, eröffnete  Kant  den Weg.  Fichte  folgte mit kühnerem Wort und predigte eine Theorie, ähnlich, aber umfassender, in neuer und glühender Sprache. Alle Überzeugung ist  Glaube, dieses freiwillige Beruhen  bei einer Ansicht, weil wir nur bei dieser Ansicht unsere Bestimmung erfüllen können. Die Überzeugung kommt aus der Gesinnung, nicht aus dem Verstand. Sie ist ein Willensentschluß. Ich nehme nicht an, weil ich muß, ich glaube ... weil ich will.

    Seit  Fichte  hat dieser Gedanke vom Primat des Willens einen großen Teil der Philosophie des 19. Jahrhunderts dauernd beherrscht. Er hat sogar auch die Theorie der induktiven Wissenschaften eingewirkt; denn einflußreiche Abhandlungen über Logik, einschließlich der allereinflußreichsten - derjenigen von  Lotze, Jevons  und Professor  Sigwart  z. B., sowie der von Professor  Bain - stützten das ganze Verfahren der empirischen Wissenschaften auf das  Postulat  oder die Voraussetzung der Gesetzmäßigkeit der Natur, frei angenommen und unbewiesen ... Es hat metaphysische Systeme in Fülle gegeben, die mehr oder weniger skeptisch in ihrer Grundlage, aber positiv ihrem Ziel nach, als natürliche Konsequenz die allerletzte Entscheidung auf den Willen übertragen haben. Daß diese Tendenz in Deutschland noch kräftig ist, hat u. a. Professor  Paulsen  durch seine klare und in mancher Hinsicht schöne Einleitung in die Philosophie bewiesen. Wie stark die Tendenz gegenwärtig in der englisch sprechenden Welt ist, ergibt sich (um aus einer Fülle von Beispielen die glänzendsten zu wählen) aus Mr.  Arthur Balfours Defence of Philosophic Doubt  und  Foundations of Belief  und am allerzwingendsten aus Professor  William James'  Buch, betitelt  The Will to Believe and other Essays. 

    Bei keinem dieser Männer ist das Prinzip des freien  Postulats  so kühn hervorgetreten, bei keinem hat es durch eine ähnliche eindringliche Sprache der Überzeugung Befürwortung gefunden wie gerade bei dem letztgenannten Philosophen ...  Fichte  suchte sorgfältig seinen Standpunkt von dem:  des freien Entschlusses, das für wahr zu halten, was das Herz wünscht  zu unterscheiden ... Nachdem Mr.  Balfour  das Ergebnis seiner  Defence  in dem Satz zusammengefaßt hatte, daß die Logik keinen Einwand gegen "einen letzten Trieb, einem Bekenntnis Glauben zu schenken" zu bieten hat, versuchte er immerhin in seinem späteren Werk mittels eines ingeniösen Argumentes diesen  letzten Trieb  von seiner isolierten Bloßstellung zumindest in die geschützte Nachbarschaft des Verstandes hereinzubringen. Es ist ein wohltuender Schritt zur Klarheit, wenn sich Mr.  James,  anstatt die Metaphysik noch weiter zu foltern und eine neue Annäherung an einen Beweis für den religiösen Optimismus ihr abzuzwingen, auf  bloßes Wollen  stellt. Er predigt mit kräftiger Stimme  die Freiheit der Überzeugung, die Berechtigung eines freiwillig angenommenen Glaubens,  das Recht uns in religiösen Fragen auf den Standpunkt des Glaubens zu stellen, auch wenn unser rein logischer Intellekt sich nicht dazu gezwungen sieht ...  Glaube auf Wünsche gestützt, Für-wahrhalten durch Willensentschluß,  so charakterisiert er eine Geistesstimmung, die er dann mit unerschöpflichen Mitteln an Geist und Jllustration verteidigt, und mit jener Sprache, die unmittelbar aus einer gewaltigen Phantasie hervorquillt, eine Sprache, die schon in seiner  Psychologie  allem, was sie berührte, Leben verlieh."
Auch PAULSEN findet für JAMES eine historische Stellung, und zwar in seiner eigenen unmittelbaren Nähe. In der von ihm geschriebenen Einleitung zu der deutschen Übersetzung von JAMES (1), sagt er:
    "Professor  James  steht in einer Reihe, deren Richtungslinie durch die Namen  Hume, Kant, Fichte, Carlyle  bezeichnet ist: auf positivistischer Unterlage eine idealistische Weltanschauung mit energistischer Tendenz. Der Wille bestimmt das Leben, das ist sein Urrecht; also wird er auch ein Recht haben, auf die Gedanken einen Einfluß zu üben, zwar nicht auf die Feststellung der Tatsachen im einzelnen: hier soll der Verstand allein nach den Tatsachen selbst richten; wohl aber auf die Auffassung und Deutung der Wirklichkeit im Ganzen."
Wie PAULSEN diesen so interpretierten Standpunkt in eine Verwandtschaft mit KANT bringt, ergibt sich aus der Schlußbetrachtung seines KANT (2). Als einen von KANTs großen Grundgedanken dauernden Wertes nennt er dessen Auffassung des Verhältnisses von "Wissen>" und "Glauben". Wissen ist Sache des Verstandes, und der Verstand hat
    "volle Freiheit, alle Tatsachen der geistigen und geschichtlichen Welt kritisch zu untersuchen und unter der Voraussetzung des strengen Determinismus ursächlich zu erklären. ... Die wissenschaftliche Forschung ist das einzige Mittel, in Fragen geschichtlicher Tatsachen zur Wahrheit zu gelangen."
Jedoch ist diese wissenschaftliche Erkenntnis begrenzt, und zwar in empirischer sowie in transzendentaler Hinsicht; in empirischer, weil sie die unendliche empirische Welt niemals erschöpfen kann, und in transzendentaler Hinsicht, weil, wenn wir auch diese empirische Welt erklärt hätten, wir dennoch nur "eine zufällige Ansicht der Wirklichkeit selbst, eine Projektion der Dinge auf unsere Sinnlichkeit" erkennen würden; die intelligible Welt stünde als Schranke unserer wissenschaftlichen Erkenntnis gegenüber.

"Nur ein Verstand, der die Dinge schafft, ein  intellectus archetypus"  erkennt sie als das, was sie wirklich sind: ein Verstand, dem sie durch Sinnlichkeit gegeben werden, kommt nicht über eine Erkenntnis ihrer Außenseite hinaus. Die nicht phänomenale, sondern intelligible Welt ist also Sache des Glaubens; die Deutung des Sinnes der sensiblen Welt aus ihr, ist die Aufgabe des Glaubens und ergibt eine Metaphysik. Dieser Glaube ist ein praktischer Glaube, stammend aus der Willensseite des menschlichen Wesens, und ist deshalb den Anfechtungen des Verstandes entzogen.

Das zweite dauernde Verdienst KANTs ist nach PAULSEN, daß er dem Willen die ihm zukommende Stellung in der Welt gegeben hat, was natürlich mit dem Obigen im engsten Zusammenhang steht. Vom Willen, nicht vom Verstand hängt erstens der Wert des Menschen und zweitens seine Weltanschauung ab. Dieser zweite Satz ist die Grundlage zur richtigen Beurteilung des Wertes und der Gewißheit unserer Wahrheiten.
    "Moralische Gewißheit ist die letzte Klammer aller Gewißheit. Die letzten und höchsten Wahrheiten, die Wahrheiten, auf die und für die ein Mensch lebt und stirbt, sie haben ihren Grund nicht im wissenschaftlichen Erkennen, sie stammen aus dem Herzen, aus einem wesenhaften Willen." (3)
Ein jeder Mensch macht Voraussetzungen und hegt Überzeugungen, die nicht bewiesen werden können, das heißt, die keine "logische" Gewißheit haben, wohl aber eine "moralische" Gewißheit, da sie Bedingungen des Lebens und des Wirkens sind. Hierzu wird der Glaube an die Menschen, an die Zukunft und den Fortschritt, an den Sieg der Wahrheit und des Guten und auch der Glaube an die Religion gerechnet.

In der Ausführung dieses Standpunktes findet PAULSEN den historischen Platz für JAMES, indem er (JAMES) zeigt wie die Wissenschaft selbst zur Voraussetzung die Möglichkeit und den absoluten Wert der reinen Erkenntnis hat; dadurch aber, daß sie die reine Erkenntnis mit der verstandesmäßig bewiesenen identifiziert, glaubt sie alle abweichenden Auffassungen des absoluten Wertes als unbegründete Voraussetzungen verwerfen zu dürfen, was natürlich ihrerseits nur ganz willkürlicher und unberechtigterweise geschehen kann. (4)

PAULSEN weist zum Schluß noch hin auf seinen eigenen verwandten Standpunkt in seiner "Einleitung in die Philosophie", dessen nähere Kenntnisnahme uns später beschäftigen wird.

Ob nun die JAMES'sche Theorie berechtigterweise in diese historische Reihe gestellt werden kann, wird sich natürlich erst am Schluß unserer Kritik ergeben; die obigen Auffassungen zeigen jedenfalls, daß es nahe liegt, sie so zu interpretieren; daß aber durch diese Verwandtschaft ihr eine besondere Bedeutung und Dignität zukommt, liegt auf der Hand.

Es ist also keine vereinzelte Theorie, um die es sich hier handelt, sondern eine Theorie, die in eine unmittelbare Beziehung zu den hervorragendsten modernen Denkrichtungen gesetzt worden ist und deren Kritik die Kritik dieser ganzen Tendenz und ihrer Vertreter mehr oder weniger involviert, und zwar ganz besonders deswegen, weil, wie sich später finden wird, bei JAMES Töne zu vernehmen sind, die an fast jede Variation des "Voluntarismus" anklingen.

Unsere Aufgabe wird sein, nachdem wir eine ausführliche Darstellung dieser Theorie gegeben und erfahren haben, was sie sagt und wohin sie strebt, sie einer gründlichen Kritik zu unterziehen, um festzustellen, nicht nur inwieweit sie eine in sich logisch konsequente Lehre ist, sondern auch inwieweit sie Neues zur voluntaristischen Erklärung der Welt beibringt, und zu diesem letzten Zweck wird offenbar ein Vergleich mit verwandten Theorien erforderlich sein.


Abschnitt I.
Darstellung der Lehre von James

Einleitendes

Eine zusammenhängende einheitliche Darstellung der JAMES'schen Lehre ist mehr oder weniger eine Konstruktion. Es findet sich bei JAMES von streng systematischer Behandlung keine Spur (5). Aus einer reichen Fülle von Ausführungen muß vielmehr erst ein logischer Zusammenhang herausgeschält werden, eine Arbeit, die dadurch erschwert wird, daß nicht einfach beiseite gelassen werden darf, was nicht herein zu passen scheint, da die Inkonsequenz einer Lehre ebenso einer ihrer Bestandteile ist wie die Konsequenz.

Die Darstellung der zu behandelnden Lehre kann, wie der Titel andeutet, in zwei Hauptteile gegliedert werden.
    Erstens:  Die Urteilslehre selbst, welche die Grundlage der Rechtfertigung des religiösen Glaubens bildet.

    Zweitens:  Die Rechtfertigung selbst, wie sie sich auf der Grundlage dieser Theorie gestaltet. (6)
Es ist meine Absicht uns an die Anordnung der Teile, die sich im Denkprozeß des Autors findet, zu halten, demnach zuerst den Ort und die Bedeutung des religiösen Glaubens in seiner Weltanschauung aufzuzeigen, sowie die Rechtfertigung der Religion aufgrund der Urteilslehre und dann erst diese Theorie selbst.


Kapitel I
Die Rechtfertigung des religiösen Glaubens

§ 1. Die Weltanschauung

Am klarsten gibt JAMES seinen allgemeinen philosophischen Standpunkt im Essay "The Sentiment of Rationality" (7) (das Rationalitätsgefühl) zu erkennen. Der Mensch strebt in seiner Philosophie nach Rationalisierung der Welt, und das Merkmal der Rationalität, dasjenige, woran er erkennt, ob er sein Ziel erreicht, ist ein subjektives Merkmal - ein Gefühl des "Behagens, des Friedens, der Ruhe". Dieses "Rationalitätsgefühl" ist allerdings seinem Wesen nach eher eine Abwesenheit der Irrationalität, als ein positives Gefühl: denn wie beim ungehinderten Atmen kein besonderes Lustgefühl erweckt wird, bei verhindertem Atmen dagegen intensive Unlust, so erregt jeder völlig fließende Gedankenstrom nur wenig Gefühl; wird aber die Bewegung aufgehalten, so empfinden wir Unlust.
    "Dieses Gefühl, daß der gegenwärtige Augenblick uns Genüge leistet, daß er vollkommen ist, diese Abwesenheit eines jeden Bedürfnisses, ihn zu erklären, Gründe für ihn anzugeben oder ihn zu rechtfertigen, ist es, was ich das Rationalitätsgefühl nenne."

    "Kurz: sobald wir durch irgendeine Ursache instand gesetzt werden, mit völliger Geläufigkeit zu denken, erscheint uns der Inhalt unseres Denkens eben insofern rational."
Auf theoretischem Feld ist das Rationalitätsgefühl zu gewinnen, indem zwei Grundbedürfnisse befriedigt werden. Einmal: das Bedürfnis nach Vereinfachung der Mannigfaltigkeit, die durch Verallgemeinerung herbeigeführt wird, und zweitens: das ebenso große Bedürfnis nach einer Unterscheidung, um Klarheit über das Einzelne und Besondere zu erlangen.

Die Vermittlung dieser zwei Auffassungsarten ist das Ziel der philosophischen Vereinheitlichung; der erste Schritt ist die "Klassifikation der Dinge unter umfassende  Gattungen;  die Klassifikation ihrer Beziehungen und ihres Verhaltens unter umfassende  Gesetze  ist der letzte Schritt." (8)

Offenbar ist diese Vereinheitlichung nur eine Abstraktion, denn sie sieht die Dinge immer nur von einem bestimmten Gesichtspunkt aus, und kann niemals die wirkliche Mannigfaltigkeit ersetzen, d. h. den wirklichen Wesensgehalt der Dinge kann die theoretische Philosophie niemals bestimmen, nur verschiedene Wesenheiten; und Begriffe, "Gattungen" usw. sind teleologische Instrumente, die im Interesse eines besonderen  Zwecks  geschaffen sind. Nun ist das Interesse an theoretischer Vernunftgemäßheit zwar in unwiderstehlicher Trieb des Menschen, immerhin aber durchaus nicht der einzige, sondern nur einer unter vielen. Und wenn auch das Ideal erreicht und die ganze Welt verallgemeinert ist, so ist doch nicht allzuviel gewonnen. Denn das letzte "Warum", das uns durch den Begriff der Möglichkeit des Nichtseins aufgedrängt wird, ist immer noch nicht beantwortet.

Eine völlig rationale Weltanschauung ist auf theoretischem Gebiet also nicht zu erreichen; unser Denken wird an einem Endpunkt stocken, unsere geistige Tätigkeit ist gehemmt. Es fragt sich, ob dies nicht vermieden werden könnte, wenn der Strom der Geistestätigkeit in die praktische Sphäre gelenkt würde; es fragt sich weiter: wie muß eine Weltanschauung beschaffen sein, die imstande wäre, Triebe des Handelns zu erwecken, die diese Ablenkung vollziehen, auf solche Weise also dem Geist die freie Bewegung wiedergeben und so eine rationale Ansicht der Welt ermöglichen. Wodurch wird nun das Rationalitätsgefühl in der praktischen Sphäre gewonnen? Ist es möglich und denkbar, daß verschiedene Systeme unsere rein logischen Bedürfnisse in gleicher Art befriedigen, - dann wird die Theorie einer Kritik seitens unserer Willens- und Gefühlsseite unterzogen und wird als  rational  gebilligt oder verworfen werden. Um als rational gebilligt zu werden, muß die Weltanschauung nun erstens in allgemeiner Weise die Ungewißheit aus der Zukunft bannen. (Deshalb ist eine Philosophie, die  per substantiam [materiell - wp] erklärt, für die meisten so befriedigend.) Zweitens aber (und das ist das Wesentliche): die Zukunft muß so gedacht werden, daß sie im Einklang steht mit unseren spontanen Kräften, d. h. sie darf unseren Kräften nicht widersprechen, sondern sie muß ihnen ein Ziel setzen nämlich ein Objekt zur Anwendung, und muß unseren Gefühlen Sinn und Bedeutung geben. (9)

Näheres noch über dieses Verhältnis zwischen Rationalität in der theoretischen und in der praktische Sphäre lernen wir an anderen Stellen kennen. Die Philosophie ebenso wie die empirischen Wissenschaften erwachsen aus des Menschen untilbarem Trieb, die Welt der Erfahrung zu rationalisieren. Rationalität ist das Kritierium der Wahrheit. Die Welt hat sich dieser Umformung bisher gefügt und wie weit sie es noch tun wird, kann keiner voraussagen; es muß eben immer wieder der Versuch gemacht werden, und zwar müssen Begriffe moralischer Rationalität sowohl als solche mechanischer und logischer Rationalität zu diesem Zweck angewendet werden. Die beiden Arten der Rationalität sind also zu koordinieren; was dem Bedürfnis nach moralischer Rationalität nicht entspricht, darf mit genau demselben Recht bezweifelt oder über Bord geworfen werden, wie dasjenige, was dem logischen Intellekt widerspricht. Rationalität gibt immer nur eine subjektive Befriedigung: das Rationalitätsgefühl und das theoretische Bedürfnis nach Gesetzmäßigkeit ist ebenso subjektiv und gefühlsmäßig wie jedes moralische Bedürfnis (10). Und wirklich, vergegenwärtigen wir uns im Studium der Physiologie und Psychologie, daß die Fähigkeit des Theoretisierens - d. h. der Verstand selbst -, nur als Mittel zum Handeln dient und daß die Umwandlung der sinnlichen Erfahrungswelt durch den Verstand nur aus den Interessen der Willens- und Gefühlsseite des Menschen geschieht (11), so scheint es, als ob das sogenannte theoretische Wissen nur ein sekundäres sei,  ein  Mittel unter anderen zur Rationalisierung, die ihrerseits selbst eine subjektive Willensäußerung ist. Wir wollen eine rationale Welt, weil wir zu einer solchen in einem Verhältnis stehen müssen. In diesem Sinne nehmen wir die Postulate der Wissenschaft an - nämlich Uniformität und Kausalität, und bauen auf sie unser Wissen auf (12). Es wird nur nicht genügend erkannt, wie ausschließlich der Intellekt sich aus praktischen Interessen aufbaut, obgleicht heute die Entwicklungslehre viel dazu beiträgt, um klar zu machen, daß die Erkenntnis unvollkommen bleibt, so lange sie sich nicht in Handeln umsetzt. Die Kernfrage gegenüber einem dem Bewußtsein neu vorgestellten Objekt ist eben nicht die theoretische Frage "Was ist das?", sondern wie HORWICZ sagt, die praktische "Was fang ich damit an?" und genau so verhält es sich, wenn das Objekt der Kosmos in seiner Totalität ist. In irgendeiner Weise muß ich darauf reagieren und wenn eine Philosophie fordert, daß mein aktives Verhalten ihm gegenüber von einer bestimmten Art sein soll, so hat sie schon zugegeben, daß sie das Wesen dieses Universums erkennt. Faktisch sind auch alle großen Epochen der Belebung des menschlichen Geistes dadurch charakterisiert, daß sie dem Menschen gerade diesen Text verkündet haben "Das innerste Wesen der Dinge entspricht den Kräften, die du besitzt". (13)

Eine der bedeutendsten Kräfte, die wir haben, als wollende und handelnde Menschen ist aber der Glaube.
    "Glauben heißt etwas für richtig halten, hinsichtlich dessen in theoretischer Hinsicht noch ein Zweifeln möglich ist; und da der Prüfstein des Glaubens in der Willigkeit zum Handeln besteht, so kann man sagen, der Glaube besteht in der Bereitwilligkeit, für eine Sache zu handeln, deren glücklicher Ausgang uns nicht im Voraus garantiert wird." (14)
Die Notwendigkeit und die Berechtigung des Glaubens als eines geistigen Verhaltens wird, wie gezeigt wurde, auch von wissenschaftlichen Philosophen zugegeben, aber ganz willkürlicherweise nur im Interesse einer einzigen Lehre - der Gleichmäßigkeit des Naturlaufs -, die ein Postulat ist, angenommen im Interesse des Erkennens und des Handelns, so daß sich HELMHOLTZ so ausdrücken konnte: "Hier gilt nur der eine Rat - vertraue und handle."

Genau so aber wird ein religiöses Dogma als Postulat im Interesse unseres Gefühlslebens angenommen.

Der Glaube hat eben immer die Bedeutung einer Hypothese, mit der man operiert, und die Unterschiede zwischen Hypothesen sind nur die, daß sich manche in fünf Minuten widerlegen oder beweisen lassen, und manche den Jahrhunderten trotzten, und daß sie außerdem manchmal nicht so wesentlich sind, daß wir sofort auf sie reagieren müssen, und wir deshalb abwarten können, bis sie sich "sinnlich verifizieren" lassen; manchmal hingegen derartig wesentlich, daß wir im individuellen Leben eine Wahl zu treffen gezwungen sind.

Auf unbewiesene Hypothese hin handeln ist deshalb allerdings ein Risiko, denn ich setze dabei fortwährend meine Person aufs Spiel: erst das Handeln wird zeigen, ob ich recht hatte. Aber im religiösen Glauben ist ein solches Verhalten ein Risiko, bei dem alles zu gewinnen und nichts zu verlieren ist, denn wenn es sich beim jüngsten Gericht herausstellen sollte, daß sich der Mensch geirrt hat, so muß er sich doch sagen, "besser sich in so einem Traum narren zu lassen, als kundiger Deuter einer andersgearteten Welt zu sein." (15)

Eine kurze  Zusammenfassung  ergibt folgendes: Es scheint nach JAMES, daß der Glaube, die praktische Seite der menschlichen Natur, am Anfang der Erkenntnis der Welt und am Ende der Erkenntnis der Welt liegt. Im weitesten Sinn am Anfang, da die theoretische Erkenntnis - die Rationalisierung der Welt - überhaupt nur aus praktischen Interessen erwächst und nur praktische Interessen zum Endziel hat (obgleich sie dies selbst nicht immer weiß), da Erkennen eben nur als Mittel zum Handeln da ist. Im engeren Sinn, insofern der Glaube, der unsere intensivste praktische Kraft ist, immer die Voraussetzung der Erkenntnis ist, da wir immerfort als rein erkennende Menschen mit unbewiesenen Postulaten und Hypothesen arbeiten und ihnen Glauben schenken müssen.

Am Ende der Erkenntnis tritt der Glaube wieder in sein Recht, im weitesten Sinne, weil die theoretische Erkenntnis ihre selbstgestellte Aufgabe zu lösen nicht imstande ist: die Welt nicht rationalisieren kann, und der fühlende wollende praktische Mensch es deshalb versuchen muß. In einem engeren Sinn, weil der Mensch fortwährend vor Hypothesen steht, die eine echte Option bilden, d. h., im Interesse des Handeln entschieden werden müssen und sich aus intellektuellen (theoretischen) Gründen nicht entscheiden lassen. Hier muß der Glaube eintreten gegenüber dem problematischen Verhalten und ein "Ja" oder "Nein" äußern.


§ 2. Der Ort des religiösen Glaubens
in der Weltanschauung.

Mit diesem letzten Fall haben wir uns nun zu beschäftigen um die weitere Frage nach dem Ort des religiösen Glaubens in JAMES' Weltanschauung zu beantworten.

Er wird im Essay "The Will to Believe" am ausführlichsten behandelt, und zwar wird dort von JAMES zuerst definiert, was unter einer echten Option verstanden werden soll (16). Als Hypothese wird alles bezeichnet, was mit Anspruch geglaubt zu werden an uns herantritt; und "lebend" ist die Hypothese dann, wenn sie von dem, welchem sie sich darbietet, wirklich als Möglichkeit empfunden wird; wenn eine Tendenz, sie zu glauben, vorhanden ist. Eine Option nun ist die Entscheidung zwischen zwei Hypothesen. Es gibt deren mehrere Arten, nämlich: erstens lebendige oder tote, zweitens unumgängliche oder vermeidbare, drittens bedeutungsvolle oder unerhebliche, und eine  echte Option  ist unumgänglich lebendig und Bedeutungsvoll. Lebendig ist sie, falls sie eine wenn auch noch so geringe Anforderung an unseren Glauben stellt; sie ist unumgänglich, wenn sie ein logisches Dilemma bildet, wo eine Wahl getroffen werden muß: z. B. wenn mir gesagt wird "Erkennen Sie diese Wahrheit an oder lassen Sie es bleiben", denn hier muß ich mich auf die eine oder andere Seite stellen. Endlich liegt es auf der Hand, daß mir eine Option mehr oder weniger bedeutungsvoll sein kann, daß mir eine Option mehr oder weniger bedeutungsvoll sein kann in ihren Konsequenzen. Es ist also die echte Option, mit der wir es hier zu tun haben, und in der unter Umständen der Glaube ein Rolle spielen muß.

Bevor JAMES dies weiter ausführt, wirft er einen Blick zurük auf die tatsächliche Rolle des Glaubens (immer als Willensäußerung aufgefaßt). Er führt hier sehr klar und interessant aus, daß der Wille und das Gefühl im allgemeinen, d. h. nicht nur überlegte Willensakte, sondern alle Faktoren des Glaubens wie Furcht und Hoffnung, Vorurteil und Leidenschaft, Nachahmung und Parteigängerei, Kaste und Gattungsgefühl gewaltige Mitarbeiter m Gesamtbild unserer Meinungen sind. Wir glauben; weshalb? Wir wissen es kaum. JAMES zitiert als ein Beispiel hierfür unseren Glauben an die Wahrheit selbst; er sagt:
    "Daß es eine Wahrheit gibt, und daß sie und unser Geist füreinander gemacht sind - was ist er (der Glaube daran) anderes, als die leidenschaftliche Bejahung eines Verlangens, in welchem uns die Gesellschaft, in der wir leben, unterstützt? Wir brauchen eine Wahrheit; wir brauchen den Glauben, daß unsere Versuche, Studien und Erörterungen unser Verhältnis zur Wahrheit immer mehr verbessern, und wir entschließen uns demgemäß unser Denkerleben durchzukämpfen. Fragt uns aber ein pyrrhonistischer Skeptiker,  wie  wir dies alles  wissen,  kann dann unsere Logik eine Antwort finden? Nein, sicher nicht. Es steht da eben der eine Willensakt dem andern gegenüber, indem wir gewillt sind, durchs Leben zu gehen aufgrund einer Überzeugung oder einer Annahme, die jener seinerseits zu machen nicht beliebt."
Dieser Fall, obgleich als Beispiel der unbewußten, nicht intellektuellen Einflüsse auf unsere Meinungen und unsere Erkenntnis zitiert, führt doch zumindest dem Zusammenhang nach in das Gebiet, wo wir es mit der überlegten Willensäußerung zu tun haben; in das Gebiet der Optionen. Offenbar ist hier, wo ich bewußt vor einem Dilemma stehe und eine Wahl treffen muß - der überlegte Willensakt am Platz. Mein Glaube soll entschieden, das heißt die Willensseite meines Wesens soll durch meinen Glauben ausgedrückt werden, und ich soll glauben, was ich will. Dies findet im folgenden Satz seinen Ausdruck:
    "Die Gefühlsseite unseres Wesens darf nicht nur, sondern muß eine Option zwischen verschiedenen Behauptungen entscheiden (17), wo es sich um eine echte Option handelt, die ihrer Natur gemäß nicht aus intellektuellen Gründen entschieden werden kann; denn wenn man unter solchen Umständen sagt:  Triff gar keine Entscheidung, sondern laß die Frage offen!  so ist dies selbst eine gefühlsmäßige Entscheidung, - ebenso wie wenn man sich für Ja oder Nein entscheidet - und mit derselben Gefahr verknüpft, die Wahrheit zu verlieren." (18)
Diese These hat zwei allgemeine Anschauungen zur Voraussetzung. In erster Linie hat sie zur erkenntnistheoretischen Basis einen Standpunkt des empirischen Dogmatismus, wie JAMES es ausdrückt, d. h. obgleich mit dem Dogmatiker daran festgehalten wird, daß es eine Wahrheit gibt, die zu erkennen wir imstande sind, so wird andererseits dies nicht in absolutistischer Weise so aufgefaßt, daß wir immer wissen, wann wir die Wahrheit erfaßt haben, sondern im Geist des Empirismus wird anerkannt, daß wir gerade dies nicht unfehlbar wissen können. Also als Empiristen müssen wir zugeben, daß jede unserer Erkenntnisse umgestürzt werden kann; und des Empiristen einziges Kriterium der Wahrheit einer Hypothese ist deren Bestätigung durch die Gesamtströmung des Denkens. Dieser Standpunkt ist insofern die Voraussetzung der aufgestellten These, als wir nicht im Besitz eines unfehlbaren Intellekts mit objektiver Gewißheit sind, und da uns keine Glocke läute, wenn wir die Wahrheit erkannt haben, wir auch einem vollkommenen Organ nicht untreu sein können und auf eine Glocke, die nicht läutet, nicht verpflichtet sind zu warten. Zwar  können  wir auf sie warten, aber dann handeln wir auf unser eigenes Risiko hin, genau so, wie wenn wir uns entschließen, nicht zu warten, sondern zu glauben.

In zweiter Linie wird als Ideal der Erkenntnis die Ergründung der Wahrheit und nicht das Vermeiden des Irrtums vorausgesetzt. Diese zwei Imperative unseres intellektuellen Gewissens schließen sich logisch nicht gegenseitig ein; denn wir können Irrtümer vermeiden, ohne der Wahrheit näher zu treten. Welches Gebote uns als größere Pflicht erscheint, ist wieder im Grunde genommen Sache des Gefühls. JAMES selbst spricht sich als Empirist für dasjenige Verhalten aus, das sich um der wirklichen Erkenntnis willen in den Kampf wagt, wenn auch Wunden riskiert werden, anstatt im ewigen Zweifel stecken zu bleiben. Allerdings wird dies aber nur im Fall echter Optionen befürwortet; in rein naturwissenschaftlichen Forschungen hingegen kann wohl auf objektive Existenz gewartet und so dem zweiten Gebot ein Ohr geliehen werden; auch in menschlichen Dingen ist eine Option selten unumgänglich und dringend.

Wo liegen nun in unseren spekulativen Untersuchungen Optionen, die wir zu entscheiden haben und die wir auch intellektuellen Gründen nicht entscheiden können?

Wir sind JAMES nun so weit in unserer Forschung nach dem Ort des religiösen Glaubens in seiner gesamten Weltanschauung gefolgt, daß wir sahen:
    erstens,  daß das Ziel der philosophischen Erkenntnis die Rationalisierung der Welt ist;

    zweitens,  daß der Verstand allein, oder, wie sich James auszudrücken pflegt, die theoretische oder intellektuelle Seite unserer Natur dieses Ziel nicht erreichen kann;

    drittens,  daß sich vielmehr der Intellekt auf den Willen stützen muß in verschiedener Hinsicht, und vor allem insofern der Glaube, der eine Willensäußerung ist, dem theoretischen Erkennen zu Hilfe kommen muß in der Begründung der Wahrheit;

    viertens,  daß der Glaube nicht nur tatsächlich überall in der Erkenntnis mitgesprochen hat, sondern der Schiedsrichter sein muß, wo objektive Existenz einer Hypothese fehlt und eine Bejahung oder Verneinung dieser Hypothese dennoch unvermeidlich ist deshalb, weil sie eine echte Option darstellt.
Wir sind an dem Punkt angelangt, wo JAMES fragt: wo gibt es solche Optionen? Und die Antwort darauf ist zugleich die Antwort auf unsere ursprüngliche Frage nach dem Ort des religiösen Glaubens.

Unter den Fragen, auf die wir im Leben irgendeine Antwort finden müssen, und die der objektiven Evidenz nicht zugänglich sind, nennt JAMES zuerst Fragen nach Werten: Beurteilungen. Dies sind "moralische" Fragen.
    "Die Frage, ob wir überhaupt einen moralischen Glauben haben sollen oder nicht, wird durch den Willen entschieden."
Ebenso sind die Fragen, ob unsere moralischen Beurteilungen wahr oder falsch sind; die theoretische Vernunft kann hier nichts konstatieren.
    "Moralischer Skeptizismus kann mit den Mitteln der Logik ebensowenig widerlegt oder bewiesen werden, wie intellektueller Skeptizismus." (19)
Ist die religiöse Hypothese hier einzuordnen? Es scheint nicht, denn JAMES verläßt diese moralischen Fragen und kommt zu einem anderen Typus von Fragen, die einen Spezialfall der echten Option bieten, und hier erst findet die religiöse Frage ihren Platz.

Das neue Charakteristikum dieser Fälle ist, daß der Glaube nicht nur berechtigt ist einzutreten, wo auf objektiven Beweis gegründete Erkennenis nicht gewonnen werden kann, sondern daß hier der Glaube sogar zu einem notwendigen Faktor der Verwirklichung der geglaubten Wahrheit wird.
    "Wo der Glaube an eine Tatsache bei der Hervorbringung dieser Tatsache mitzuwirken vermag, da wäre das doch eine unsinnige Logik, die sagen wollte, ein Glaube, welcher dem wissenschaftlichen Beweis vorausläuft, sei die  tiefste Unsittlichkeit,  zu der ein denkendes Wesen herabsinken kann." (20)
Außer der religiösen Frage gehören zu dieser Klasse allerhand Fragen über persönliche alltägliche Verhaltensweisen und als Beispiel dafür und besonders auch, weil JAMES dies an mehreren Stellen als Analogie der religiösen Hypothese anführt, zitiere ich den folgenden typischen Fall:
    "Nehem Sie z. B. an, Sie klettern im Gebirge und haben sich in eine Stellung hineingearbeitet, aus der es keinen anderen Ausweg gibt, als einen furchtbaren Sprung. Haben Sie den Glauben, daß Sie ihn mit Erfolg ausführen können, dann haben ihr Füße die Kraft, ihn zu vollbringen. Haben Sie aber kein Vertrauen auf sich selbst, und denken Sie an all die schönen Dinge, die Sie von den Verteidigern der  Wissenschaftlichkeit  über das  Vielleicht  gehört haben, dann werden Sie solange zaudern, daß Sie sich schließlich, ganz aufgelöst und zitternd, in einem Augenblick der Verzweiflung gehen lassen und in den Abgrund stürzen. In einem solchen Fall, (und er gehört einer ausgedehnten Klasse an,) ist es Sache der Klugheit ebenso wie des Mutes,  das zu glauben, was in der Richtung Ihres Bedürfnisses liegt,  denn nur durch einen solchen Glauben findet das Bedürfnis seine Befriedigung. Halten Sie Ihren Glauben zurück, dann werden Sie allerdings recht behalten, denn Sie werden unwiderruflich zugrunde gehen. Glauben Sie hingegen daran, so werden Sie ebenfalls recht behalten, denn es wird Ihnen gelingen, sich zu retten. Durch Ihr Glauben oder Nichtglauben verwirklichen Sie die eine oder andere von zwei möglichen Welten - insofern jede von ihnen, bevor Sie Ihre Handlung beisteuern, in diesem besonderen Punkt nur ein  Vielleicht  darstellte." (21)
Wie sind Religion und der religiöse Glaube aufgefaßt, daß sie sich in diese Klasse hineinfügen lassen und eine Analogie des angegebenen Falles bilden?


§ 3. Das Wesen und die Bedeutung
der religiösen Hypothese
(22)

In "Reflex Action and Theism" lernen wir, daß Gott das Objekt des religiösen Glaubens ist, und zwar ein Gott, dessen Wesen darin besteht, daß er die tiefste Kraft des Universums ist. Auch muß er als eine geistige Persönlichkeit gedacht werden, weil er gewissen Handlungen Wert zuschreibt und unser Verhalten in guten und redlichen Handlungen anerkennt. Gott ist somit "eine Macht außerhalb von uns, die nicht nur Rechtschaffenheit will, sondern sie verwirklicht, und die uns darin anerkennt." ("A power not ourselves, then, which not only makes for righteousness, but means it, and which recognizes us." [Eine Macht, die wir nicht selbst ausüben, rechtfertigt uns nicht nur, sondern sie bedeutet auch die Erkenntnis von uns selbst. - wp]) (23)

Diese optimistische Seite der Religion betont JAMES besonders in denjenigen Essays, in welchen er den religiösen Glauben der freien Wahl anempfielt. Demgemäß wird in "The Will to Believe" die Religion so aufgefaßt, daß sie zwei Thesen aufstellt; erstens, daß die wertvollsten Dinge die ewigen Dinge dieses Universums sind, diejenigen, die "übergreifen", das letzte Wort äußern, kurz: die Vollkommenheit ist ewig; zweitens, daß wir schon jetzt besser dran sind, wenn wir an diese Behauptung glauben. (24)

Diese Erklärung findet in "Is Life worth Living" eine genauere Ergänzung. Hier wird das Wesen des religiösen Glaubens in einem glauben an eine "unsichtbare Weltordnung" irgendeiner Art, in der die Rätsel der natürlichen Ordnung aufgelöst werden, und dem gegenüber das Verhalten unsererseits die wirkliche Bedeutung unseres Lebens ausmacht, gefunden. Denn erst der Glaube an eine solche Weltordnung läßt das Leben, wie schwer es sich auch gestalten mag, dem Menschen lebenswert erscheinen, dadurch, daß er gewiß ist, daß sein Mut und seine Geduld sich in dieser geistigen Welt vollenden und dort Früchte tragen werden. Dieses Leben aber ist lebenswert, weil es moralisch ist, wie wir es gestalten, - es ist eben eine Möglichkeit, die unser Glaube erst verwirklicht. Die Frage, ob das Leben wert ist, gelebt zu werden, ist eine ähnliche wie im oben zitierten Fall: wenn ich daran glaube, so verwirkliche ich das wertvolle Leben (25).

Es scheint also, daß der religiöse Glaube an eine unsichtbare Weltordnung in den Glauben an den Wert des Lebens eingeschlossen ist; - nur durch einen religiösen Glauben kann ich an den Wert des Lebens glauben, und nur durch meinen Glauben kann ich das wertvolle Leben verwirklichen. JAMES drückt dieses Verhältnis folgendermaßen aus:
    "Nun habe ich bei dieser Beschreibung eine Glaubens, der sich selbst bestätigt, angenommen, daß eben durch unseren Glauben an eine unsichtbare Weltordnung jene Geduld und jene Anstrengungen inspiriert werden, welche die sichtbare Weltordnung für sittliche Menschen zu einer guten machen. Unser Glaube an die Vortrefflichkeit der sichtbaren Welt (wobei nun Vortrefflichkeit soviel heißt wie Tauglichkeit zu einem erfolgreichen sittlichen und religiösen Leben) hat sich selbst verwirklicht, indem er sich auf unseren Glauben an die unsichtbare Welt stützt. Wird sich aber unser Glaube an die unsichtbare Welt in ähnlicher Weise selbst verwirklichen? Wer weiß?"
JAMES' Antwort an dieser Stelle lautet (26):
    "Ich gestehe, ich sehe nicht ein, warum nicht die Existenz einer unsichtbaren Welt selbst teilweise von der persönlichen Erwiderung abhängen können soll, die der Forderung der Religion von unserer Seite zuteil wird. Kurz gesagt: Gott selbst schöpft vielleicht Lebenskraft aus unserem Glauben."
Wie ist diese Anwort zu verstehen? Erstens ist hier nicht klar, wie die Existenz einer Weltordnung nur  teilweise  abhängen kann und wie von Quantitätsunterschieden der Lebenskraft in Gott die Rede sein kann; aber es gibt da eine weitere Unverständlichkeit, die aus dem Weg geschafft werden muß. Eine solche liegt nämlich vor im Verhältnis zwischen dem auf einen Glauben gestützten Wert des Lebens und dem religiösen Glauben. Das Argument, das JAMES gebrauchte, läßt sich durch die Übertragung auf einen trivialen analogen Fall am besten bloßlegen. Das Kind fragt sich: "Ist der heutige Tag, der voll von unangenehmen Aufgaben ist, die ich entweder machen oder lassen kann, des Lebens wert oder soll ich im Bett liegen bleiben und tun, als ob ich krank wäre?" Sollte das Kind nun glauben, obgleich es dessen nicht sicher sein kann, daß die Mutter ihm "morgen" ein Geschenk mitbringen wird, falls es seine Aufgaben ordentlich macht, so wird diese Belohnung den Tag lebenswert machen und der Glaube an diese Folge seines Fleißes wird das Kind zum Fleißigsein anregen; es wird aufstehen, fleißig sein, arbeiten und etwas leisten. Aber wird der Tat dem Kind lebenswert gewesen sein? Was war denn die Definition vom Wert des Lebens? Er war ja abhängig von einem anderen "Tag", dem morgigen, der die Folgen des heutigen bringen sollte, Geschenke und dergleichen. Dieser Glaube und der Glaube, daß der Tag lebenswert ist, war ja ein und derselbe Glaube. Der Wert des Tages darf deshalb nicht ohne weiteres auf die Tatsache zurückgeführt werden, daß das Kind fleißig, arbeitsam, sittlich war; je er darf es prinzipiell nicht, denn nur auf jenen anderen Glauben hin lebte das Kind den Tag und verwirklichte so den Wert. Darin, daß es diesen Wert verwirklichte, ist logisch inbegriffen, daß es die Geschenke verwirklichte.

Deshalb darf JAMES nun mit keinem "Vielleicht" oder Kompromiß antworten. - Aus seinen Voraussetzungen folgt, daß, wenn ich durch Glauben dem Leben Wert verleihe, und das Leben Wert hat, weil die Opfer, die ich ihm bringe, in einer anderen Welt anerkannt werden, ich dann zugleich irgendwie (so schwer es dann auch zu verstehen sein mag  wie)  dieses andere Weltordnung verwirkliche. Eine plötzlich eingeführte zweite Auffassung des Lebens als wertvoll, weil ein moralisch guter Wille selbst Wert habe, hat hier keinen Platz; im Gegenteil, das "sittliche" Leben, das Leben der Anstrengung und Opfer der Pflichterfüllung, ist nur deshalb das wertvolle Leben, weil es nach JAMES dasjenige ist, das in der anderen Weltordnung "Früchte trägt", Der Gedanke ist dieser: Glaube an die geistige Weltordnung und du mußt dann glauben können, daß dein Leben wert ist, gelebt zu werden, denn dur wirst an die moralische Weltordnung glauben, und dadurch, daß du dein Leben sittlich verlebst, verwirklichst dur diese moralische Weltordnung, welche die religiöse Weltordnung, wenn sie es nicht selbst  ist,  zumindest einschließt.

Es scheint zwar, daß JAMES' geistige Weltordnung im Grunde genommen wirklich ein und dasselbe wie eine moralische Weltordnung ist, denn wie kann eine Weltordnung anders als moralisch aufgefaßt werden, in der unsere sittlichen Handlungen Früchte tragen, Resultate aufzeigen sollen, kurz, eine Weltordnung, in der unser wollendes Verhalten anerkannt wird.

Im Essay "The Sentiment of Rationality" scheint es auch, als ob JAMES die religiöse und die moralische Weltordnung gleichstellt. Hier wird die Frage, ob das Universum im Grunde moralisch ist oder nicht, als das Grundproblem des Lebens und die Verneinung der Frage als "Materialismus" bezeichnet. (27) An einer früheren Stelle wurde aber gesagt, daß derjenige, der an Gott, Unsterblichkeit, absolute Moralität und Freiheit glaubt, gegen den "Materialismus" in die Schranken tritt. Es scheint, als ob diese Fragen alle zusammen doch nach JAMES die religiösen Fragen wären. Die moralische Weltordnung aber gehört in die Klasse der Wahrheiten, in der das persönliche Mitwirken erst die Tatsachen und deshalb ihre Wahrheit zustande kommen läßt, das persönliche Mitwirken aber subjektive Energie erfordert, und diese wiederum den Glauben an die Tatsache zur Voraussetzung hat. (28)

An dieser Stelle wird auch eine ausführlichere Begründung hiervon gegeben. In allen Sätzen, die eine allgemeine Bedeutung haben, d. h. in allen philosophischen Sätzen (und hierunter wird später auch die Hypothese der moralischen Weltordnung gerechnet) müssen die Reaktionen des Individuums und dessen Folgen in alle Ewigkeit in die gesamte Formel des Weltbegriffs eingeschlossen werden. Wenn  M  die Welt minus die Reaktion des denkenden Individuums auf dieselbe darstellt, so ist die ganze Welt, das ganze Material des philosophischen Satzes  M + X,  wobei  X  die Reaktion des denkenden Individuums und seine Konsequenzen darstellt. Der Charakter des Ganzen kommt also auf den Charakter des  X  an. So verhält es sich in der Streitfrage des Optimismus gegenüber dem Pessimismus - das  X  erst macht die Welt gut oder schlecht dadurch, daß unser Handeln in der Welt Schlechtes oder Gutes erzeugt. Das  X  gibt erst dem  M  seinen Wert, und deshalb können wir sagen, daß
    "überall, wo die zu formulierenden Tatsachen eine solche Beisteuer enthalten, wir logischerweise das Recht haben, unwandelbar zu glauben, was wir wünschen. Der Glaube bringt seine Verwirklichung hervor. Der Gedanke wird im buchstäblichen Sinne Vater der Tatsache, wie der Wunsch Vater des Gedankens war."
Und gerade so verhält es sich mit der Frage, ob dieses Universum moralisch ist oder nicht. Die Materialisten verneinen absolute Werturteile, und die absoluten Moralisten glauben, daß die Welt auf einem letzten "Du sollst" ruht. Hier ist es wieder das  X,  das persönliche Verhalten, was der Welt die Form ihres Wertes gibt, und von einem Beweis kann erst die Rede sein, wenn der letzte Mensch sein letztes Wort geredet und sein Leben und Handeln geschlossen hat, das heißt, wenn das  X  voll ist. Und wenn ich hier nicht handle, weil ich zweifeln will, so treffe ich eben eine Entscheidung von praktischer Bedeutung schon aus dem Grund, weil ich mir durch diese Entscheidung möglicherweise das Gute entgehen lasse, das ich auf der anderen Seite hätte gewinnen können. In moralischen Dingen ist eine Entscheidung notwendig; wer nicht dafür ist, ist dagegen.

Wie auch JAMES hier verstanden werden mag, in seinem Essay "Will to Believe" haben wir einen festen Punkt, woran wir uns halten können; hier wird der religiöse Glaube, der besagt, daß die guten und rechtschaffenen Handlungen der Welt die ewigen Dinge sind, einfach als ein sich selbst verwirklichender Glaube aufgestellt und die religiöse Hypothese in die obige Klasse eingereiht. Ja, der ganze Aufsatz hat die Aufzeigung zum Zweck, daß die religiöse Hypothese eine Wahrheit ist, die on unserer persönlichen Handlung abhängt, und daß hier der auf einen Wunsch gestützte Glaube (der freie Glaube) deshalb ein berechtigter und ein unvermeidlicher ist.

Berechtigt  ist der Glaube erstens, weil wir hier vor einer wirklichen Option stehen; bedeutungsvoll ist die Option, weil wir durch unseren Glauben oder Nichtglauben ein großes Gut gewinnen oder verlieren; unvermeidlich ist sie, weil, wenn wir uns nicht zu glauben entschließen, wir das Gut ebenso sicher verlieren, wie wenn wir uns gegen die Religion entscheiden würden. Hier ist das skeptische Verhalten nicht die Vermeidung einer Option, sondern selbst die Option einer besonderen Art; es ist die Entscheidung, lieber den Verlust der Wahrheit zu wagen als die Möglichkeit des Irrtums auf sich zu nehmen. Es ist nicht der Intellekt im Gegensatz zu den Gefühlen, sondern  eine  Willensentscheidung im Gegensatz zu anderen,  ein  Risiko im Gegensatz zu einem anderen; und der Mensch ist berechtigt, seine eigene Art von Risiko zu wählen und sie zu tragen.

Zum zweiten ist der religiöse Glaube nicht nur berechtigt, sondern auch logisch unvermeidlich, wenn wir uns vergegenwärtigen, daß die Religion ihrem Wesen nach eine Tatsache ist, die gar nicht ohne einem vorangehenden Glauben an sie entstehen kann. Von solchen Fällen wurde aber gesagt:
    "Und wo der Glaube an eine Tatsache bei der Hervorbringung dieser Tatsache mitzuwirken vermag, da wäre doch das eine unsinnige Logik, die sagen sollte, ein Glaube, der dem wissenschaftlichen Beweis vorausläuft, sie die  tiefste Unsittlichkeit,  zu der ein denkendes Wesen herabsinken kann." (29)
So ist der religiöse Glaube, ob wir ihn als den Glauben an eine unsichtbare Weltordnung, die der sichtbaren Welt ihren Wert verleiht, oder kurz als eine "moralische Weltordnung" bezeichnen, berechtigt und unvermeidlich, weil ohne diesen Glauben die religiöse Hypothese niemals verwirklicht werden kann; der Glaube ist eine "conditio sine qua non" [Grundvoraussetzung - wp], und so kann JAMES auf dem Gebiet der religiösen Frage "Glaube frei", "Äußere deinen Willen", "Erkenne frei an" predigen, denn davon, daß du dies tust, hängt die Wahrheit der religiösen Hypothese ab. -

Der "Wille zum Glauben" oder der "freie Glaube" ist also dasjenige Moment, worauf sich die Rechtfertigung des religiösen Glaubens sützt, denn die religiöse Hypothese wird dadurch verwirklicht, daß ich aus freier Wahl an sie glaube. Die Möglichkeit des freien Glaubens ist die Grundlage, auf der sich das ganze Gebäude der Rechtfertigung mit seinem "Glaube wie du willst" aufbaut. Theoretisch muß also die Annahme bewiesen werden, daß ich glauben kann, wie ich will, und somit treten wir an JAMES' "Urteilstheorie" heran, die gerade diesen Standpunkt vertritt.

JAMES' "Psychologie of Belief" (Psychologie des Glaubens) ist  deshalb  eine "Urteilstheorie", und zwar speziell eine Theorie der "Urteilsfreiheit", weil sie einmal, Glaube als Wesen des Urteils, zum andern, Urteil als Willensäußerung konstatiert und zum dritten, sich für die Freiheit des Willens entscheidet. Diese drei Schrite sind in der Urteilslehre zu unterscheiden, und sie ist deshalb in dieser Gliederung darzustellen.
LITERATUR Ettie Stettheimer, Die Urteilsfreiheit als Grundlage der Rechtfertigung des religiösen Glaubens, Wittenberg 1903
    Anmerkungen
    1) WILLIAM JAMES, Der Wille zum Glauben und andere populärphilosophische Essays, übersetzt von Dr. Theodor Lorenz, Stuttgart 1899.
    2) FRIEDRICH PAULSEN, Immanuel Kant, sein Leben und seine Lehre, Stuttgart 1899, Seite 393-397.
    3) PAULSEN, a. a. O., Seite 397-399
    4) PAULSEN, a. a. O., Seite 398 und Fußnote
    5) Dies soll natürlich keinen Vorwurf enthalten, da die "Essays" kein systematisches Werk vorstellen wollen. Es soll nur darauf hingewiesen werden, daß eine Darstellung, die systematisch zu sein strebt, in der Auswahl der wesentlichen Elemente, mehr oder weniger willkürlich verfahren muß, daß die Begründung seines Standpunkts von JAMES selbst nicht systematisch durchgeführt wurde.
    6) Ganz allgemein kann gesagt werden, daß die Urteilslehre in JAMES' "The Principles of Psychology", New York 1893, gefunden wird, und ihre Bedeutung für den religiösen Glauben in seinem Werk "The will to Believe and other Essays in Popular Philosophy", New York, London & Bombay 1898.
    7) The will to Believe, Seite 63 - Ich nehme immer auf die englische Ausgabe Bezug, da die deutsche Übersetzung nur einen Teil der Essays umfaßt. Hingegen zitiere ich, wo es möglich ist, mit den Worten aus LORENZ' Übersetzung.
    8) The Will to Believe, Seite 67f.
    9) The Will to Believe, Seite 82f.
    10) Das Dilemma des Determinismus: "Will to believe", Seite 146f. JAMES zitiert hierzu SIGWART, Logik, Bd. II, Seite 382.
    11) "Reflex Action and Theism": Will to believe, Seite 140.
    12) ebd., Seite 124-131. - Hierzu zitiert JAMES auch wieder SIGWART, Logik II, Seite 25, wo dem Willen der Primat auch in der logischen Sphäre zugestanden wird, deshalb, weil das Denken, das die Logik behandelt, auf dem Willen zur Wahrheit beruth.
    13) "The Sentiment of Rationality": Will to Believe, Seite 84f.
    14) ebd. Seite 90
    15) ebd. Seite 96
    16) Will to Believe, Seite 2
    17) Es wird hier auffallen, daß der Terminus "Option" in einem etwas schwankenden Sinn von JAMES gebraucht wird. "Will to Believe" Seite 2 wurde "Option" als die Entscheidung zwischen zwei Hypothesen definiert. Hier hingegen sowie im folgenden wird der Terminus so angewendet, daß er nur als  Wahl  verstanden werden kann und es sich demnach hier um die Entscheidung der Wahl zwischen mehreren Hypothesen handelt.
    18) ebd. Seite 11
    19) ebd. Seite 22f
    20) ebd. Seite 25
    21) "Is life Worth Living?", Will to Believe, Seite 59. Vgl. auch "The Sentiment of Rationalität", Will to Believe, Seite 96
    22) Es ist nicht möglich, in diesem Paragraphen, wie im letzten, eine rein objektive Darstellung zu entwickeln. JAMES' Erörterungen über die Religion gestalten sich im einzelnen zu kompliiert und scheinbar zu widerspruchsvoll, als daß man sie nebeneinander ohne Kritik hinstellen könnte, während es eine Vergewaltigung wäre, einfach den erheblichen Teil zu vernachlässigen, der inkonsequent erscheint.
    23) Will to Believe Seite 122
    24) Will to Believe Seite 25
    25) Will to Believe Seite 52f
    26) Will to Believe, Seite 61f.
    27) Will to Beliebe, Seite 103f
    28) Will to Believe Seite 95f
    29) Es ist jedoch an dieser Stelle (Will to Believe, Seite 36f) eine weitere Abweichung in der Auffassung des religiösen Glaubens zu finden. Es hat hier den Anschein, als sei es die Erkenntnis der religiösen Hypothese eher als ihre tatsächliche Verwirklichung, die vom vorangehenden Glauben an sie abhängt. Es wird (Seite 28) gesagt: "Wir haben das Gefühl, als wende sich die Religion, indem sie an uns appeliert, an unseren eigenen tätigen guten Willen; als möchte uns der zureichende Beweis für immer vorenthalten bleiben, wenn wir nicht der Hypothese auf halbem Weg entgegen kommen." Deshalb darf die Willensseite gar nicht aus dem Spiel gelassen werden, und deshalb wäre eine "Denkregel, die mich vollständig verhinderte, gewisse Arten von Wahrheit, wenn diese Arten von Wahrheit wirklich beständen, anzuerkennen, eine vernunftwidrige Regel." - - - Erstens stimmt diese Auffassung mit der ganzen vorhergehenden Begründung nicht überein, in welcher gezeigt wurde, daß in den Fällen wo eine Tatsache erst durch den Glauben an sie  zustande kommt,  der Glaube logisch gefordert ist, weil durch die Verwirklichung der Tatsache der Glaube ja recht behalten würde. Hier dagegen liegt nur ein hypothetischer Fall vor: denn nur wenn die religiöse Hypothese wahr ist, wird sie durch den Glauben erkannt. Hierfür fehlt aber jede Begründung, und wir können diese Auffassung vernachlässigen, um später nur noch kurz darauf zurückzukommen. Überdies hat auch sie einen "freien Glauben" zur Voraussetzung und zur Grundlage.