ra-1L. BusseAenesidemusPyrrhonR. RichterE. G. Schulze    
 
LUDWIG BUSSE
Der Skeptizismus
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"Es ist möglich, daß andere Wesen, deren Organisation von der unsrigen abweicht, über die Dinge (falls sie überhaupt Dinge denken) ganz anders, als wir, denken. Müssen diese Möglichkeiten eingeräumt werden, so folgt aber, daß wir für unsere jetzigen Gewohnheiten zu denken keine objektive, sondern durchaus nur subjektive Notwendigkeit in Anspruch nehmen können, und so scheint dann der Zweifel an der objektiven Gültigkeit des Denkens auf solider empirischer Basis fest und dauernd begründet zu sein."

"Keine noch so lange andauernde, noch so sehr durch Vererbung, Anpassung, Akkumulation von Erfahrungen, Assoziation und wie die Schlagworte alle lauten, unterstützte, noch so schrittweise fortschreitende Entwicklung kann aus einer Empfindung logisches Denken machen."

"Sich mit dem Zauberwort Erfahrung sich über alle Schwierigkeiten hinwegzusetzen, geht nicht an, weil, wie Kant gezeigt hat, Erfahrung selbst zu ihrer eigenen Möglichkeit das Denken immer schon voraussetzt. Reine Erfahrung ist eigentlich nur das, was Bodhidharma erfuhr, als er neun Jahre lang eine Mauer anstarrte."


II. Der Subjektivismus
[Fortsetzung]

β Die Umformung, besser gesagt die Herabsetzung der logischen Denknotwendigkeit zu einem bloßen psychologischen Zwang ist es, welche das Charakteristische des Empirismus strengster Observanz, des Evolutionismus und Positivismus ausmacht. Das darwinistische Entwicklungsprinzip auf das geistige, und hier auch auf das logische Gebiet übertragend, faßt dieser Standpunkt die Prinzipien des logischen Denkens als Erzeugnisse unserer "psychisch-physischen Organisation", als durch akkumulierte Erfahrungen, Assoziation, Anpassung und Vererbung allmählich aus einfachsten psychischen Elementen entstandene Gewohnheiten des Denkens auf. Daß mit dieser Ansicht die Auffassung der Gesetze unseres Denkens als objektiv gültiger ontologischer Prinzipien nicht verträglich, vielmehr die Konsequenz derselben eine subjektivistische Auffassung des Denkens, die sich selbst "Probabilismus" [Es gibt keine absoluten Wahrheiten, sondern nur Wahrscheinlichkeiten. - wp] nennt, ist, kann nun freilich nicht geleugnet werden. Denn da der Evolutionsprozeß, der zur Bildung unseres menschlichen Organismus, unseres Nervensystems, unseres Gehirns und unserer Psyche geführt hat, zwar ein kausal bedingter, aber im Sinne des logischen Denkens doch ein zufälliger (der auch anders hätte verlaufen können) ist, so sind auch die Prinzipien unseres Denkens, wenn sie nichts weiter sind, als von der Natur des "psychisch-physischen Organismus" abhängige Funktionen desselben, zufällig. Sie würden andere sein, wenn die Entwicklung, wie es ja immerhin denkbar ist, einen anderen Verlauf genommen hätte, und sie werden vielleicht andere werden, wenn sich im weiteren Fortgang der (ja noch nicht abgeschlossenen) Entwicklung die Struktur unseres Organismus ändert. Es ist demnach nicht ausgeschlossen, daß wir einmal ganz anders denken, als wir jetzt gemäß der augenblicklichen Verfassung unseres Organismus denken müssen. Ebenso ist es möglich, daß andere Wesen, deren Organisation von der unsrigen abweicht, über die Dinge (falls sie überhaupt Dinge denken) ganz anders, als wir, denken. Müssen diese Möglichkeiten eingeräumt werden, so folgt aber, daß wir für unsere jetzigen Gewohnheiten zu denken keine objektive, sondern durchaus nur subjektive Notwendigkeit in Anspruch nehmen können, und so scheint dann der Zweifel an der objektiven Gültigkeit des Denkens auf solider empirischer Basis fest und dauernd begründet zu sein.

Daß nun, wenn die logische Notwendigkeit das wäre, für was sie hier ausgegeben wird, ihre objektive Gültigkeit zweifelhaft wäre, soll, wie gesagt, nicht bestritten werden. Es brauchte auch nicht bestritten zu werden, weil der Zweifel dann ebensowenig wie das logische Denken überhaupt existieren würde. Ich beabsichtige nicht, hier eine ausführliche Widerlegung des Empirismus zu geben; was ich an dieser Stelle gegen ihn vorzubringen habe, ist im Wesentlichen dies: daß, wenn das logische Denken ein bloß psychologischer Denkzwang wäre, es das nicht tun und leisten könnte, was unser Denken nach dem Zeugnis unserer unmittelbaren inneren Erfahrung täglich leistet und tut, sowie, daß der Widerspruch, der in der Anerkennung der Notwendigkeit eines Gedankens und der Bezweiflung seiner Gültigkeit liegt, auf diesem Standpunkt nicht nur nicht vermieden wird, sondern sich sogar noch schärfer und krasser gestaltet.

Wer das Denken und die Natur seiner Notwendigkeit richtig verstehen will, muß in aller Erkenntnis den psychischen Akt, durch welchen etwas, vom Inhalt, welcher darin gedacht wird, die psychologische Tatsache der Erkenntnis von der logischen Geltung ihres Inhalts unterscheiden. Die logische Notwendigkeit, welche das Denken denkt, ist nicht die psychologische Notwendigkeit, mit welcher es die logische Notwendigkeit denken soll. Dies zumindest muß auch der verbissenste Empirist anerkennen. Nun aber ist die Notwendigkeit des Gedachten etwas, das sich auf keine Weise aus der psychologischen Notwendigkeit, welche uns zwingen soll, etwas als notwendig zu denken, erklären oder ableiten läßt. Wie man auch den psychologischen Zwang im Übrigen fassen möchte: immer würde er nur erklären, daß wir dieses und jenes notwendig denken, nicht aber, worauf es eben ankommt, daß wir es als notwendig denken. Wäre die logische Notwendigkeit und psychologische Notwendigkeit ein und dasselbe, oder besser, gäbe es nur die letztere, so würde die Notwendigkeit im Denken auch dieselbe sein wie die, der wir jetzt in der unwillkürlichen Assoziation von Vorstellungen durch den psychischen Mechanismus und in der Bildung sinnlicher Wahrnehmungen unterworfen sind. Wir würden dann gezwungen sein, bald dies, bald das zu denken, wie wir jetzt gezwungen sind, bald grün, bald rot zu empfinden, aber wir würden so wenig das Gedachte für notwendig halten, wie wir die Empfindung als notwendig empfinden. Das heißt aber, wir würden es nicht denken, denn ein Denken, welches keinen Unterschied zwischen Notwendigem, Möglichen und Unmöglichem machen könnte, wäre kein Denken, sondern ein völlig gedankenloses Empfinden oder Erfahren. Das Bewußtsein der Notwendigkeit, welches es dem von ihm gedachten Inhalt hinzufügt, ist aber das, was das Denken erst zum Denken macht, so sehr, daß man Vernunft geradezu als Bewußtsein des Notwendigen, als Denken des Denknotwendigen definieren könnte. Es ist das, was das Denken von allen anderen psychischen Fähigkeiten, auch von Empfindung und Anschauung, unterscheidet. Aus dem Zwang, mit dem ein Gedanke "gedacht" wird, kann die Notwendigkeit, die in ihm gedacht wird, nie hervorgehen.

Wer daher die Denknotwendigkeit zu einem psychologischen Zwang zu denken macht, hebt sie auf, macht sie unmöglich. Dies muß man sich völlig klar machen: daß man etwas ganz Widersinniges sagt, wenn man behauptet, unsere psychische Organisation zwingt uns, etwas als notwendig zu denken. Unsere psychische Organisation würde dann die Notwendigkeit des Gedachten erst hervorbringen, die Wahrheit, welche diese Notwendigkeit bedeutet, schaffen. Aber dies ist unmöglich. Das Notwendige kann nie aus dem bloß Tatsächlichen hervorgehen, die Wahrheit ist von den ewig veränderlichen Tatsachen unabhängig; sie würde aufhören Wahrheit zu sein, wenn der psychische Denkakt sie erzeugen würde. So ist es nun nicht, vielmehr nötigt uns die Natur der Denknotwendigkeit zu einer ganz anderen Auffassung des Zwanges, dem unser Denken in seiner Tätigkeit unterworfen ist. Weil uns die logische Notwendigkeit im Denken mit einer unbedingten, Anerkennung heischenden Autorität entgegentritt, darum sehen wir uns genötigt, ihr zuzustimmen; unsere Zustimmung erfolgt nicht aufgrund eines blinden psychomechanischen Zwangs, sondern aufgrund der Einsicht in die Notwendigkeit des Gedachten. Es ist eine bewußte Selbstbestimmung der Vernunft, keine kausale Notwendigkeit, die hier stattfindet. Ich muß an dieser Stelle darauf verzichten, das eigentümliche Verhältnis des logisch Notwendigen zur Erkenntnis desselben näher auszuführen, weil eingehendere metaphysische Untersuchungen über die Beziehung denknotwendiger Wahrheiten zu Tatsachen zu erforderlich wären. Es soll genügen, zu bemerken, daß dieses Verhältnis nicht das einer mechanischen Ursache und Wirkung, sondern vielmehr das von Autorität und freier bewußter Anerkennung derselben ist. Das Denken, wenn es eine denknotwendige Wahrheit erkennt, ist sich bewußt, daß es sie nicht durch sein Denken schafft, sondern nur eine schon vorhandene Wahrheit anerkennt. Die Geltung derselben erkennt es als unabhängig von ihrem Gedachtwerden durch den Denkakt, als ewig zu Recht bestehend, an. In dieser Beziehung ähnelt die Autorität des logisch Notwendigen der der sittlichen Gebote, die wir auch als maßgebend anerkennen, ohne jedoch mechanisch gezwungen zu sein, sie im Handeln zu befolgen.

Wie hier die Anerkennung der Autorität eine freie, selbstgewolte ist, so auch beim Denken. Und wie wir gegen die sittlichen Gebote fehlen können, ohne dadurch ihre Autorität aufzuheben, so können wir auch irren, ohne dadurch die Gültigkeit der logischen Gebote zu vernichten. Hieraus ergibt sich das Verhalten der Vernunft oder des Erkenntnisvermögens zu den logischen Wahrheiten. Die Vernunft kann zur Anerkennung der logischen Gebote so wenig mechanisch gezwungen werden, wie das Gewissen zur Anerkennung der moralischen. Es ist die von allem psychologischen Zwang unabhängige Notwendigkeit der Wahrheit, welche durch ihr bloßes Erscheinen im Bewußtsein dieses bestimmt, ihm beizustimmen. Erkennen ist auch Anerkennen; es bedarf keiner besonderen Veranstaltungen, um das Denken zu einem Anerkennen des von ihm als vernünftig Erkannten zu bewegen. Aber so wenig die Anerkennung mechanisch erzwungen werden kann, so wenig kann sie versagt werden. Die Vernunft kann gar nicht anders, als dem, was ihr einleuchtet, auch zuzustimmen; sie würde sich selbst aufheben, wollte sie anders handeln. Bewußt kann sie sich daher gegen die logischen Gesetze gar nicht vergehen, sondern der Irrtum entspringt immer einer Unachtsamkeit des Denkens. Hieraus folgt eben, daß, wenn die Vernunft zur Erkenntnis des Irrtums gebracht wird, sie zwar dennoch wieder in ihn zurückfallen kann, aber nur dann, wenn sie die Belehrung wieder vergißt; daß aber das Bewußtsein der Unrichtigkeit eines Gedankens zu haben und gleichzeitig ihn für notwendig zu halten, etwas ist, das auf dem Gebiet des Denkens nicht möglich ist. Die Sinnlichkeit ist in einer anderen Lage; sie kann, weil sie ja gar nicht denkt, auch gar nicht belehrt werden und wird also allen Protesten der Vernunft zum Trotz fortfahren, die Dinge so zu sehen, wie sie sie ihrer eigentümlichen Natur gemäß sehen muß. Die Vernunt aber kann das nicht, sie kann die logischen Wahrheiten weder ignorieren, noch umstürzen oder ander machen. In dieser Gebundenheit besteht zugleich ihre Freiheit. Denn wie ihre Freiheit an den Vernunftgesetzen ihre Schranke findet, so macht diese Schranke die Vernunft doch zugleich frei von einem mechanischen Zwang, von der kausalen Abhängigkeit psychischer Faktoren. Die Freiheit, die Vernunftgesetze zu ändern, würde nur durch ein Abhängigkeitsverhältnis zu bloß tatsächlichen psychischen Prozessen ermöglicht werden können; die Unmöglichkeit, gegen sie zu revoltieren, hebt dieses Abhängigkeitsverhältnis auf, setzt der psychologischen Analyse Schranken, welche die Psychologie wohl beachten sollte. Die Vernunft besitzt ein eigenes Gebiet, das da beginnt, wo die psychologische Analyse aufhört, und ist auf ihrem eigenen Gebiet freit, nur ihrer eigenen Gesetzlichkeit unterworfen.

Das tatsächliche Vorhandensein der Vernunft ist allerdings - beim Menschen zumindest und soweit unsere Erfahrung reicht - an gewisse psychische und physische Bedingungen gebunden. Sind diese nicht vorhanden oder infolge ungünstiger Umstände mangelhaft entwickelt, so kommt es überhaupt zu keiner Vernunfterkenntnis, also auch nicht dazu, etwas für denknotwendig, für unbedingt wahr und allgemeingültig zu halten. Ebenso ist auch die richtige Ausübung der Vernunfttätigkeit insofern an psychologische Bedingungen gebunden, als ungünstige psychische Umstände - Zerstreutheit, Abgespanntheit etc. - leicht zu einer Ungenauigkeit des Denkens führen können, welche der Quell aller Irrtümer ist. Auch der Irrtum bedeutet aber keine Aufhebung der Denkgesetze. Die Anerkennung der Gültigkeit der letzteren durch die Vernunft ist von gar keinen anderen Bedingungen, als denen, welche in der Vernunft selbst liegen, abhängig. Die Vernunft kann sie nur entweder nicht wissen, oder sie wissend anerkennen. Niemals vermögen psychische Verhältnisse irgendwelcher Art die Vernunft dahin zu bringen, andere als die von ihr anerkannten Denkgesetze für notwendig und gültig zu halten. Selbst der Irrsinn vermag nicht, ein Bewußtsein, daß andere Denkgesetze notwendig sind, zu erzeugen. Er kann die Vernunft völlig aufheben, er kann sie zu fortwährenden Irrtümern verleiten, aber er vermag nicht, eine andere Vernunft zu schaffen. Aus dem Gesagten erhellt sich die Verkehrtheit des Verfahrens, die Logik auf Psychologie zu gründen. Nur sehr wenig von dem, womit es die Logik zu tun hat, vermag die Psychologie zu begründen; an das eigentliche Thema der Logik als normativer Wissenschaft, die in der Bestimmung des logischen Wertes der Denkoperationen besteht, reicht sie so wenig heran, daß sie vielmehr für ihre eigenen Zwecke die Logik immer schon voraussetzen muß. Ebensowenig kann die Erkenntnistheorie, soweit sie Erkenntniskritik sein will, auf Psychologie gegründet werden, sondern setzt vielmehr aller psychologischen Analyse Schranken, welche diese nie überschreiten darf.

Mit dem Wort a priori [von vornherein - wp] bezeichnete KANT das, was seiner transzendentalen Notwendigkeit wegen den Zufälligkeiten der Wirkungsweise des psychischen Mechanismus entzogen bleiben muß. Daß er selbst die subjektive Notwendigkeit der dogmatischen Vernunft, die doch immer eine logische ist, der psychologischen annäherte, daß er die Notwendigkeit der Raum- und Zeitanschauung der des Verstandes koordinierte, daß er schließlich das transzendentale vom psychologischen a priori nicht durchweg genügend unterschied, ist zu beklagen, rechtfertigt aber nicht die Verflachung des a priori zu einem physiologisch-psychologisch bedingten Habitus des Denkens, wie sie von gewissen, sich kantisch nennenden modernen Richtungen - unter Berufung auf KANT! - vorgenommen worden ist. Es ist betrübend, zu sehen, wie trotz der oft bewiesenen Unvergleichlichkeit des spontanen Denkens und der aus der Wirksamkeit eines psychischen Mechanismus entstehenden sinnlichen Empfindung sich immer wieder Versuche des - besonders auf englischem Boden heimischen - Empirismus erneuern, die höheren psychischen Tätigkeiten, speziell das logische Denken, aus einfachsten und niedrigsten psychischen Elementen in lückenlos aufsteigender "allmählicher" Entwicklung abzuleiten, - als ob irgendeine noch so lange andauernde, noch so sehr durch Vererbung, Anpassung, Akkumulation von "Erfahrungen", Assoziation und wie die Schlagworte alle lauten, unterstützte, noch so "gradually" fortschreitende Entwicklung aus einer Empfindung logisches Denken machen könnte.

Mit dem Zauberwort "Erfahrung" sich über alle Schwierigkeiten hinwegzusetzen, geht nicht an, weil, wie KANT gezeigt hat, Erfahrung selbst zu ihrer eigenen Möglichkeit das Denken immer schon voraussetzt. "Reine" Erfahrung ist eigentlich nur das, was BODHIDHARMA erfuhr, als er neun Jahre lang eine Mauer anstarrte; jede an ein "Erfahrenes" sich anknüpfende Betrachtung oder Reflexion, jede Verknüpfung von Erfahrungen setzt immer schon höhere, durch die Erfahrung vielleicht angeregte, aber nicht aus ihr entstandene Vermögen voraus. Die Assoziation genügt da nicht. Warum machen wir im Traum keine fortschreitenden Erfahrungen? Daß die im Traum akkumulierten und "assoziierten" Eindrücke durch das wache Leben stets unterbrochen werden, kann der Grund nicht sein, da ja auch das wache Leben durch die Träume unterbrochen wird. Die Träume können uns ungefähr zumindest zeigen, wie weit wir im Denken kommen würden, wenn wir auf die Assoziation allein angewiesen wären; im Grunde kämen wir freilich nicht einmal so weit, weil selbst die Gestaltung und Verknüpfung der Traumbilder ohne das Eingreifen des logischen Denkens nicht erfolgen könnte. Daß aus der bloßen Assoziation von Vorstellungen nie ein Denken hervorgehen kann, suchte KANT gegen HUME besonders mit Bezug auf den Kausalbegriff darzulegen. Er hätte nicht nötig gehabt, die Allgemeingültigkeit des Begriffs der Kausalität, die dieser eben bestritt, gegen HUME auszuspielen; um seine empiristische Ableigung zu widerlegen, genügt die Tatsache, aß aus der beständigen Assoziation zweier aufeinander folgender Erscheinungen a und b immer nur die mechanische Gewohnheit, diesen Zusammenhang auch künftig zu erwarten, nie aber der Gedanke der Ursache und der notwendigen Verknüpfung - sei er selbst ein falscher - hervorgehen kann. Daß die Erfahrung einer beständigen Verknüpfung von a und b eben den Eindruck auf uns macht, den HUME voraussetzt, ist nur dadurch erklärbar, daß unser Denken den Gedanken von Notwendigkeit und Allgemeingültigkeit den Erfahrungen schon entgegenbringt; andernfalls würde eine tausend-, ja millionenfache Erklärung eines Zusammenhangs auf uns keinen anderen Eindruck machen, als eine einmalige, da wir keine Veranlassung hätten, den Zufall für weniger wahrscheinlich zu halten, als sein Gegenteil.

Induktion und Generalisation, durch welche die für die Erkenntnis gültigen Wahrheiten aus der Erfahrung abstrahiert werden sollen, setzen das logische Denken mit seinen Gesetzen schon voraus; die Gesetze des Denkens können also nicht selbst wieder aus Induktionen entstehen. Somit wird es wohl bei den Worten KANTs: "daß all unsere Erkenntnis mit der Erfahrung anfängt, daran ist kein Zweifel. Wenn aber gleich alle unsere Erkenntnis mit der Erfahrung anfängt, so entspringt darum doch nicht eben alle aus der Erfahrnung" (20) sein Bewenden haben müssen. In der Tat, außer dem Versuch, das Denken aus den Bewegungen der Gehirnfasern zu erklären, kenne ich kein ungeheuerlicheres und unphilosophischeres Unternehmen, als das, es aus akkumulierten primitiven Erfahrungen, aus Assoziation und Gewohnheit abzuleiten.

Es bleibt noch, in aller Kürze darauf hinzuweisen, daß der Empirismus, abgesehen von seiner inneren Unmöglichkeit, die Berechtigung des Subjektivismus in einer Weise darzulegen imstande ist.

Wäre die Denknotwendigkeit ein bloßer psychologischer Denkzwang, so wäre, da die Einsicht in die Notwendigkeit des Gedachten gar nicht entspringen könnte, der Irrtum und seine Korrektur gar nicht möglich. Ein Fehlgreifen im Denken könnte nicht stattfinden, da ja der psychische Mechanismus mit derselben unfehlbaren Sicherheit, die er in der Empfindung (die "Sinnestäuschungen" sind ja ansich weder wahr noch falsch, erst das Urteil, das ihnen objektive Realität beilegt, macht sie zu Irrtümern) bewährt, auch dem Denken jedesmal vorschreiben würde, was es zu denken hat, und das Notwendige ja das für uns Richtige ist. Noch weniger würde aber ein Zweifel an der objektiven Gültigkeit des Gedachten jemals eintreten können. Zwänge uns unser Denken in mechanisch-physischer Weise etwas für notwendig und wahr zu halten, so könnte uns der Gedanke, daß dieser Gedanke vielleicht "bloß subjektiv", bloß unsere aus Erfahrung hervorgegangene Gewohnheit zu denken ist, gar nicht kommen, so wäre die ganze Argumentation des empiristischen Subjektivismus gar nicht möglich. Das bloße Vorhandensein des subjektivistischen Zweifels widerlegt die empiristische Theorie, da dieser Zweifel zu seiner eigenen Möglichkeit ein ganz anders geartetes Denken, als das von ihm angenommene, voraussetzt. Wäre der Positivismus als Tatsache wirklich, so wäre er als Philosophie unmöglich; das logisch spontane Denken, das seine Möglichkeit begründet, hebt ihn zugleicht auf. Der Widerspruch zwischen der Anerkennung des Denknotwendigen und der gleichzeitigen Bezweiflung desselben ist, wie man sieht, hier ein noch viel krasserer und ungeheuerlicherer, als es oben (a) der Fall war. Nicht einmal sagen könnten wir es, daß die Denkgesetze bloß subjektiv sind, wenn sie dies wären. Und dies tun zu können, müssen wir die logische Notwendigkeit schon voraussetzen. Daß wir, wenn wir das tun, zwar den Gedanken der Subjektivität fassen, ihn aber nie ernsthaft denken, d. h. als richtig denken können, haben wir oben gesehen. Wäre ferner das Denken, weil es nichts als eine bloße Denkgewohnheit, eine aus der Erfahrung abstrahierte Maxime ist, seiner objektiven Gültigkeit nicht gewiß, so müßte auch der Empirismus selbst dieses Schicksal teilen. Auch er wäre eine durch den zufälligen Gang der Entwicklung entstandene und durch ihn bedingt "zufällige" Ansicht, die sich mit dem weiteren Fortschritt der Entwicklung ändern und anderen Ansichten, z. B. dogmatischen, Platz machen könnte. Da nun in verschiedenen, besonders merkwürdig organisierten Individuen diese Ansichten wirklich bestehen, also offenbar durch den Lauf der Entwicklung hervorgerufen sind, so müßte der Empirist seinen eigenen Prinzipien zufolge ihnen zumindest dieselbe Berechtigung wie seinem eigenen Standpunkt zugestehen. Davon ist er nun weit entfernt. Seinen eigenen Standpunkt hält er für objektiv gültig, die andern für falsch. Er zweifelt nicht im mindesten daran, daß unser Denken sich so entwickelt hat, wie er annimmt, und daß es deshalb nur subjektiv ist; diese Ansicht hält er nicht für eine vorübergehende, sondern für eine allgemeine und ewig gültige Wahrheit. Damit wird er dogmatisch. Der Versuch, etwa den eigenen Standpunkt selbst wieder dem Subjektivismus unterzuordnen und aus der Subjektivität sogar des eigenen Standpunktes wiederum aufs Neue den Triumph desselben über alle anderen Standpunkte zu folgern, müßte auch hier ebenso wie beim absoluten Skeptizismus (siehe oben) mißlingen, da wir dieser Schlußfolgerung wieder nur dieselbe bloß subjektive Überzeugungskraft zugestehen würden, die der Subjektivismus den anderen Standpunkten einräumt. Somit bleibt dem Empirismus nur die Wahl, entweder alle Wahrheit aufzugeben und auf den Standpunkt des absoluten Skeptizismus zurückzusinken, oder mit einer dogmatischen Behauptung zu schließen. Beides bedeutet ein Aufgaben seiner selbst. Dasselbe Resultat würde sich ergeben, wenn etwa auch der Empirismus zum Auskunftsmittel eines doppelten Verstandes greifen wollte, eines dogmatischen, der eine bloß subjektive Gewohnheit, die Dinge so und so zu denken, ist, und eines kritischen, der diese Natur des dogmatischen Verstandes erkennt. Die Annahme eines solchen kritischen, doch nach logischen Prinzipien verfahrenden Verstandes würde eben die Behauptung, daß die logischen Gesetze bloße psychologische Gewohnheiten sind, Lügen strafen; der kritische Verstand wäre dogmatisch, und innerhalb desselben - dem man ja nicht von vornherein vorschreiben kann, was er denken soll - würde sich die Möglichkeit, dogmatisch-metaphysische Annahmen für notwendig zu halten, damit aber auch der Konflikt zwischen "dogmatischer" und "kritischer" Notwendigkeit erneuern.

2. Nicht nur kann der Subjektivismus dem Dogmatismus nicht, ohne das Denken überhaupt aufzugeben, verbieten, denknotwendige Annahmen über das objektive Sein auch für wahr zu halten: die Sünde, die er ihm vorwirft, eine metaphysische Annahme über transzendente Objekte zu machen, begeht er selbst und muß sie begehen, um seine eigene Lehre aufstellen und begründen zu können.

Zweck der nachfolgenden Überlegungen ist, den Beweis zu erbringen, daß der Subjektivismus, der die Möglichkeit der Metaphysik bestreitet, selbst ganz und gar auf metaphysischen Voraussetzungen über die Natur der Dinge und ihr Verhältnis zur Erkenntnis beruth.

a) Metaphysisch ist im Grunde schon die ganze Annahme, durch welche der Empirismus die Richtigkeit des subjektivistischen Standpunktes zu begründen sucht: der Evolutionismus. Der Entwicklungsprozeß, dessen Verlauf hier erkannt wird, ist doch genau so außerhalb meines Bewußtseins, genauso "transzendentes" Objekt, wie das "Ding ansich", dessen Erkenntnis nicht möglich sein soll. Daß er innerhalb von Raum und Zeit liegt, bedeutet keinen Einwand dagegen. Denn einmal ist die Behauptung, daß Raum und Zeit phänomenal sind, die Dinge-ansich aber jenseits dieser Formen stehen, selbst eine metaphysische, und dann würde die strikte Durchführung der Subjektivität dieser Formen eben die Ableitung der Erkenntnis aus Prozessen, die nur in durch die Erkenntnis selbst bedingten Formen möglich sind, unmöglich machen. Offenbar betrachtet der Empirismus, wenn er die Erkenntnisformen als die Produkte einer Entwicklung ansieht, diese Entwicklung selbst, zumindest aber einen dem phänomenalen Entwicklungsprozeß korrespondierenden intelligiblen Vorgang als objektiv real und mach damit die Erkenntnis desselben zu einer dogmatisch-metaphysischen oder transzendenten.

Dasselbe gilt aber von jeder Annahme, die eine Erkenntnis der historischen Wirklichkeit für möglich, Metaphysik aber für unmöglich hält. Die historisch-gesellschaftliche Wirklichkeit (soweit sie nicht unser eigenes Sein betrifft), insbesondere die historische Vergangenheit, ist keine Realität, die uns unmittelbar gegeben wäre. In unserem Bewußtsein sind zunächst nur die Vorstellungen, welche die historischen Zeugnisse, die "Quellen" in uns erzeugen; aus ihnen suchen wir nach den logischen Methoden, welche die historische Kritik uns an die Hand gibt, den wirklichen Tatbestand ebenso zu eruieren, wie wir in der Metaphysik nach den Regeln des logischen Denkens aus den Vorstellungen, welche die Dinge in uns erregen, diese selbst zu erkennen suchen. Natürlich sind beide, die erkannte historische Wirklichkeit und die erkannte Welt der "Dinge ansich", wieder nur Vorstellungen in unserem Bewußtsein. Mit welchem Recht wir der einen eine objektive Wahrheit zugestehen, die andere als bloß "subjektive" Annahme brandmarken, ist nicht einzusehen. Es ist zu beklagen, daß die auf dem engeren Gebiet der Geisteswissenschaften mit Recht zu tonangebendem Einfluß gelangte historische Schule vielfach zu dem falschen Vorurteilt fortgeschritten ist, daß historische Erkenntnis überhaupt und ansich zugänglicher und sicherer sein soll, als systematische.

Noch mehr jenseits meines Bewußtseins als die vergangene Wirklichkeit liegt die zufkünftige, mein eigenes zukünftiges Sein nicht ausgeschlossen. Ich bin mir meiner selbst und meiner Erkenntnis nur in dem Moment bewußt, wo ich sie habe; was aus ihr in Zukunft werden wird, darüber kann ich, wenn mein Denken "bloß subjektiv" ist, ebensowenig etwas wissen, wie über das, was sich gegenwärtig "außerhalb meines Bewußtseins" befindet. Aber hier macht der Subjektivismus, der die Möglichkeit, daß die objektive Wirklichkeit ganz anders ist, als ich sie aufgrund meines subjektiven Denkens denken muß, so lebhaft betont, die naiv-dogmatische Voraussetzung, daß mein subjektives Denken selbst nie anders werden wird, als es gegenwärtig ist. Er zweifelt keinen Augenblick daran, daß man zukünftiges Denken - welches doch für mich, den gegenwärtigen Beobachter, etwas Objektives, Transzendentes ist - dieselben Gesetze aufweisen wird, welche auch mein gegenwärtiges Denken beherrschen. Die subjektive Unveränderlichkeit des Denkens nimmt er - aufgrund des gegenwärtigen "subjektiven" Denkens - als etwas ganz Sicheres an. Damit aber macht er eine metaphysische Annahme über eine jenseits des Bewußtseins, jenseits aller Erfahrung liegende transzendente Wirklichkeit.

Metaphysisch ist auch die Annahme, daß meine Denkgesetze, aufgrund deren ich meine Mitmenschen von der Richtigkeit des subjektivistischen Standpunktes zu überzeugen suche, auch für sie gültig sind. Der Subjektivismus kann, wie der skeptische Idealismus, konsequenterweise immer nur ein Solipsismus sein; jedes Hinausgehen über den Standpunkt des theoretischen Egoismus ist schon eine Inkonsequenz, ist schon Metaphysik. Andererseits ist auch die Annahme, daß andere Wesen möglicherweise andere Formen des Denkens haben können, metaphysisch, denn sie ist eine aufgrund der meinem Denken eigentümlichen logischen Unterscheidungen dessen, was möglich, notwendig oder unmöglich ist (deren Gültigkeit folglich für die "anderen Wesen" in Anspruch genommen wird), gemachte Voraussetzung. Somit können wir, wenn wir uns auf den solipsistischen Standpunkt stellen, weder auf ihm verharren, noch aus ihm heraustreten, ohne uns in unlösbare Widersprüche zu verwickeln: - instabilis tellus, innabilis unda [die Erde war nicht fest, das Wasser nicht befahrbar - wp].

b) Daß auch die Behauptung der Unerkennbarkeit, ja Undenkbarkeit des Dings-ansich, das jenseits der Erscheinungswelt steht, nur durch Annahmen, welche eben dieses Ding-ansich schon immer voraussetzen, also durch Annahmen metaphysischer Art begründet werden kann, damit aber sich selbst aufhebt, möge den Gegenstand einer weiteren, unsere kritische Analyse des Inhaltes des subjektivistischen Standpunktes abschließenden Untersuchung bilden.

Die Behauptung, daß unsere Gedanken, weil sie "bloß subjektiv" sind, ihrer objektiven Gültigkeit nach zweifelhaft sind, begründet der Subjektivismus mit der Möglichkeit, daß die Welt außerhalb meines Bewußtseins ganz anders beschaffen sein kann, als ich sie nach meinen Denkgesetzen denken muß, und der Unmöglichkeit, die Übereinstimmung meiner Erkenntnis mit der Wirklichkeit durch einen Vergleich der ersteren mit der letzteren zu konstatieren. Hierbei wird aber, abgesehen davon, daß auch hier wieder die Denkkategorie der Möglichkeit auf einen transsubjektiven Inhalt angewandt wird, der Gedanke, daß es eine von der Erkenntnis unabhängige Welt, ein "Ding-ansich" gibt, als richtig vorausgesetzt. Das ist notwendig, weil sonst der subjektivistische Skeptizismus selbst allen Sinn verliert. Denn gäbe es gar keine Welt außerhalb meines Bewußtseins, so hätte es natürlich keinen Sinn, zu behaupten, daß sie möglicherweise ganz anders sein kann, als ich sie mir vorstelle. Dann gäbe es nur die Erscheinungswelt, und dann wäre mein subjektives Denken natürlich unbedingt gültig, da die Grenze seiner Kompetenz ja zugleich die Grenze der Welt wäre. Könnte dann der Gedanke eines Dings-ansich überhaupt entstehen, so würde der Satz, daß es keine Dinge-ansich gibt, natürlich unbedingt gültig sein. Ebenso aber auch der Satz, daß es Dinge-ansich gibt, falls er denknotwendig wäre. Andererseits wäre dieser Gedanken doch sachlich falsch und wir hätten somit das merkwürdige Schauspiel, daß aus demselben Grund ein Gedanke zugleich wahr und falsch wäre. Weil die transzendente Welt gar nicht ist, ist die denknotwendige Behauptung, daß sie ist, gültig, zugleich aber auch falsch, denn die Welt ist ja nicht. Oder, wenn der Gedanke richtig ist, so ist die Welt, "ist" sie aber, so wird die Richtigkeit des Gedankens wieder zweifelhaft; seine eigene Richtigkeit macht den Gedanken unsicher.

Dieser Gedanke nun: daß eine von meiner Erkenntnis unabhängige "Außenwelt" existiert, ist einerseits zur Begründung des Subjektivismus selbst unentbehrlich - weil ja, wenn er unsicher wäre, der Subjektivismus selbst unsicher sein würde -, andererseits nach den Prinzipien eben dieses Subjektivismus selbst unsicher. Denn braucht die Welt nicht so zu sein, wie wir sie denken, so könnte sie auch gar nicht sein. Andererseits würde doch die Ausdehnung der Unsicherheit des Denkens auf den Satz selbst ihn wieder voraussetzen. Denn nur deshalb könnte die Welt auch gar nicht sein, weil sie eben ganz anders sein kann, als wir sie denken, - wobei ihr Dasein eben wieder vorausgesetzt wird. Dieses Spiel würde sich endlos erneuern, immer wieder würde der Subjektivismus die metaphysische Annahme der Existenz der Welt voraussetzen, sie aber zugleich, und zwar wieder durch die Voraussetzung der Existenz der Welt, zunichte machen.

Einen ähnlichen Prozeß haben wir beim skeptischen Idealismus beobachtet. Aus der Endlosigkeit desselben folgt nicht etwa die Richtigkeit des Subjektivismus - auch diese Folgerung würde wieder endlos sich selbst aufheben -, sondern seine Unhaltbarkeit und innere Unmöglichkeit. Geht das Spiel ins Endlos weiter, so kommt der Subjektivismus sozusagen gar nicht auf die Beine; kaum sich erhebend, wird er durch die Behauptung, die er dabei aufstellt, gleichsam durch sein eigenes Gewicht, wieder zu Boden gedrückt. Macht er, um sich selbst einmal aufstellen zu können, dem Spiel durch die Annahme einer Außenwelt ein Ende, so hebt er sich damit selbst definitiv auf. Denn diese Annahme ist eine metaphysische, die auf gar keinem anderen Grund, als dem ihrer eigenen Notwendigkeit, auf den sich alle metaphysischen Annahmen stützen, beruth. Müssen wir aber der Annahme, daß eine transzendente Wirklichkeit "ist", ihrer Denknotwendigkeit wegen eine objektive Gültigkeit zugestehen, so ist es ganz willkürlich und inkonsequent zugleich, den weiteren denknotwendigen Annahmen, welche die Vernunft über die Natur, über das Was derselben macht, si zu versagen.

Und hier müssen wir wieder eine ähnliche Bemerkung wie oben beim skeptischen Idealismus machen. Wie die Dinge es anfangen, so zu sein, wie, wenn sie sein wollen, nach unserem Denken sein müssen, das bekennen wir nicht zu wissen, so wenig wie wir wissen, wie überhaupt ein Ding sein kann. Die Frage erwartet aber auch vom Denken etwas, das es - trotz der Transzendentalphilosophie - nicht leisten kann: nämlich nicht nur die Gesetze, welche die Dinge befolgen, zu erkennen, sondern auch die Dinge so zu machen, daß sie ihnen entsprechen. Diese schöpferische Gewalt besitzt das Denken nicht. Im absoluten Grund der Welt, welcher sowohl der letzte Grund der Wahrheit, wie aller Tatsachen ist, mögen wir auch den letzten Grund für ihre Konkordanz [Übereinstimmung - wp] suchen: für uns gilt nur, daß, was denknotwendig ist, auch von den Dingen gilt, d. h. daß die Dinge wirklich so sind, wie sie vom richtigen Denken gedacht werden müssen - eine Voraussetzung von so unausweichlicher Evidenz, daß auch der Skeptiker sie zu machen gar nicht umhin kann.

Daß der eigene, in der Bezweiflung der Möglichkeit der Metaphysik bestehende Standpunkt so ganz und gar auf metaphysischen Voraussetzungen, auf einer veritablen Annahme über das Ding-ansich beruth, ist natürlich für die Subjektivisten eine sehr unbequeme Tatsache, und so ist es dann begreiflich, daß sie der Notwendigkeit, sie anzuerkennen, sich auf jede mögliche Weise zu entziehen suchen. Das Mittel hierzu glauben sie nach KANTs Voranschreiten im Terminus "Grenzbegriff" (21), der die Erscheinungswelt begrenzt, selbst aber noch in ihr liegt. Indem man das Ding-ansich als Grenzbegriff denkt, geht man also über die Erscheinungen nicht hinaus - und so ist die Annahme des Dings-ansich keine metaphysische. Das unzulängliche Beispiel, durch welches F. A. LANGE den Grenzbegriff zu verdeutlichen suchte, (22) ist oft widerlegt worden (23). Boden und Wände des Teiches, gegen welche der Fisch, "der nur im Wasser, nicht in der Erde schwimmen kann", mit dem Kopf stößt, liegeben eben nicht innerhalb des Wassers, auf das er beschränkt ist, und ebenswenig auf der Grenze zwischen Wasser und Erde. Sie liegen tatsächlich jenseits der "Grenze" und wenn der Fisch sie berührt, so berührt er damit ein Jenseitiges, Transzendentes, dessen Existenz er erkennt und von seinem eigenen Element unterscheidet.

Die Nutzanwendung, die LANGE an das Beispiel knüpft:
    "So könnten auch wir mit unseren Denkformen (Lange sprich spezielle vom Kausalitätsbegriff) wohl das ganze Reich der Erfahrung durchmessen und finden, daß jenseits desselben ein Gebiet liegt, welches unserer Erkenntnis absolut verschlossen ist",
ist daher nicht richtig. Sie wäre es nur dann, wenn der Fisch nie an die Grenze des Wassers gelangen könnte. Alsdann würde er freilich von den jenseits der Grenze liegenden Dingen nichts wissen, aber auch der "Grenzbegriff" würde ihm völlig unbekannt bleiben.

Welche besser gewählte Bilder man nun auch an die Stelle der von LANGE setzen wollte: stets würde man sich wieder vor die Alternative gestellt sehen, den "Grenzbegriff" entweder in die Erscheinungen hinein oder in das Jenseits derselben zu verlegen. Liegt er innerhalb der Erscheinungen, gehört er selbst zur Erscheinungswelt, so kann er die letztere nicht begrenzen. Es wird dann nur ein Teil der Erscheinungen durch einen anderen - eben den "Grenzbegriff" begrenzt, und das würde sich bei jedem neuen Grenzbegriff, den man errichten wollte, wiederholen. Liegt er aber jenseits der Erscheinungswelt, so ist er ein transzendenter Begriff, mit dem wir die Erscheinung überschreiten. Letzteres muß er nun sein, wenn er seine Aufgabe, die Erscheinungswelt zu begrenzen, erfüllen soll. Der Raum, der einen anderen begrenzt, kann nicht selbst innerhalb des begrenzten Raumes liegen, sondern muß, als der begrenzende, ewig jenseits desselben sein. Erst wenn wir beide, das Begrenzende und das Begrenzte, kennen, ist es ferner möglich, die Grenze zwischen beiden zu ziehen. Sie ist eben da, wo das eine aufhört und das andere anfängt, und sie bedeutet nichts weiter als die Summe der Berührungspunkte der beiden durch sie geschiedenen Körper oder Räume. Niemals kann also ein Grenzbegriff, wenn er die Erscheinung begrenzt, die Grenze selbst sein. Die Grenze begrenzt nicht, sie ist nur eine geometrische Linie, ein Verhältnis zwischen zwei gegebenen Dingen, nicht aber ein Ding für sich, gleichsam eine Schicht, die das eine Ding nicht mehr, das andere aber noch nicht wäre. Daß man trotzdem immer wieder die Grenze mit dem Begrenzenden identifiziert, hat wohl seinen Grund darin, daß man sich durch die räumlich-sinnlichen Bilder, die man zur Verdeutlichung des Gedankens benutzte, täuschen ließ.

Ich wähle, um dies an einem Beispiel zu erörtern, ein Bild, welches eine größere scheinbare Bestätigung des LANGE'schen Standpunktes enthält, als das von ihm selbst gewählte.

Denke ich mir eine weite Ebene, die ringsum von steil abfallenden hohen Gebirgsrändern begrenzt wird, so würden diese letzteren das Gesichtsfeld eines in der Ebene befindlichen Beobachters, der sie ihrer Steilheit wegen nicht erklimmen kann, allerdings auf ewig begrenzen. Diese Gebirge scheinen nun der Forderung, welche der "Grenzbegriff" enthält, zu genügen. Sie liegen innerhalb des Gesichtsfeldes des Beobachters und schließen es zugleich ab, begrenzen es. Aber eine tiefergehende Prüfung zeigt doch, daß wir es hier wieder mit einer - durch das sinnliche Bild veranlaßten - unklaren Auffassung der Natur des Denkens nach Analogie sinnlicher Wahrnehmungen zu tun haben, und daß sich der "Grenzbegriff" dem Denken gegenüber nicht halten läßt. Meine sinnliche Wahrnehmung würde allerdings durch die Randgebirge an einem weiteren Erkennen gehindert werden. Sie würden die Grenze meines Sehens bilden, sofern ich über sie nicht hinaussehen könnte. Aber das bedeutet noch nicht, daß ich sie auch als Grenze ansehen würde. Die Sinnlichkeit könnte das gar nicht, da sie überhaupt nicht reflektiert. Die Grenze auch als Grenze erkennen könnte nur der Verstand. Er kann es aber nur dann, wenn er selbst nicht auf das Gebiet eingeschränkt ist, über welches hier die Sinnlichkeit nicht hinaus kann. Er muß, um das Randgebirge als Grenze überhaupt denken zu können, ein Jenseits desselben, über dessen transzendente Natur er sich nicht täuschen kann, annehmen. Was dieses Jenseits ist, ob es ein Gebirge, eine Ebene, ein völlig leerer Raum ist, darüber mag er vorläufig zweifelhaft sein: daß es ein Jenseitiges, ein jenseits des Gebirges Gelegenes ist, kann ihm aber nicht zweifelhaft sein, da ein Zweifel hieran ja auch ein Zweifel an der Grenze sein würde. Nennt er dieses Jenseitige nun "Grenzbegriff", so kann er den letzteren nicht wieder zur Grenze selbst machen.

Die Grenze ist also nicht der Grenzbegriff, das Begrenzende nicht die Grenze. Der Grenzbegriff liegt immer jenseits der Grenze, im Transzendenten; die Grenze ist die - geometrische - Linie, welche beide scheidet. Sie würde auch in unserem Bild nicht die Gebirgswand, welche völlig innerhalb des Gesichtsfeldes liegt, sondern die ideale Linie des Gebirgskammes, die Linie, welche das Gebirge gegen den Horizont abgrenzt, sein. Sie selbst wäre eigentlich gar nicht zu sehen, zumindest nicht ohne das außerhalb ihrer liegende Transzendente. Auch die Horizontlinie, welche die Ebene begrenzt, ist ja nicht zu sehen ohne den Himmel, dessen Berührung mit der Ebene sie eben darstellt. Wollten wir aber selbst zugeben, daß man die Grenzlinie, ohne über sie selbst hinauszugehen, sehen kann, so müßten wir um so nachdrücklicher gegen den Versuch protestieren, diese für die Sinnlichkeit zutreffende Tatsache auf den Verstand zu übertragen und ihn, ohne die Erscheinungswelt im Mindesten zu überschreiten, einen "Grenzbegriff" als "Grenze" denken zu lassen. Ein Grenzbegriff, der die Grenze zwischen sich selbst und dem von ihm Begrenzten, ein Ding-ansich, welches die Grenze zwischen der Erscheinung und dem Ding-ansich sein soll, ist ein Unding. Nicht das Ding-ansich, sondern der Grenzbegriff ist ein "hölzernes Eisen", ein "Messer ohne Klinge, dem das Heft fehlt", kurz ein Selbstwiderspruch. - Wo wenig, wie der "Grenzbegriff", vermag natürlich auch die Fassung des Dings-ansich als "Frage" oder "Aufgabe" das Überschreiten der Erscheinungswelt zu verhindern. Wir haben uns (weiter oben) überzeugt, daß die Frage oder Aufgabe zu ihrer eigenen Möglichkeit den Gedanken des Dings-ansich immer schon voraussetzt. Letzterer aber ist transzendent. Wäre das Denken wirklich auf Erscheinungen eingeschränkt, so daß es in keiner Weise über sie hinaus kann, so würde es den Gedanken an ein Ding-ansich gar nicht aufwerfen, folglich auch nicht nach ihm fragen oder es sich als Aufgabe setzen können. So kommen wir dann, wenn wir den Gedanken des Dings-ansich nicht aufgeben können, auch nicht darum herum, die Grenze der Erscheinungen zu überschreiten, metaphysisch zu werden, ddamit aber unsere Behauptung, in Wissen vom Transzendenten sei nicht möglich, zu widerlegen. Ich finde auch, daß die praktischen Gründe, durch welche LOTZE (Logik, zweite Auflage, Seite 312) die transzendente Erkenntnis entbehrlich machen will, nicht stichhaltig sind, weil sie die Erkenntnis, deren Überflüssigkeit sie darlegen wollen, schon voraussetzen. Der vorgefaßten Meinung, daß wir in den Dingen-ansich ein Höheres, Besseres besitzen würden, als in der Erscheinung, mit der wir uns als dem Schlechteren begnügen müssen, läßt sich allerdings die andere entgegensetzen, daß in den Erscheinungen gerade das Höhere und Wertvollere liegt, die Dinge aber nur Mittel sind, das wertvolle Schauspiel der Erscheinungswelt in uns hervorzurufen. Aber beweisen könnten wir diese Ansicht doch nur, wenn wir die Kenntnis der Dinge ansich schon hätten und uns von ihrer Minderwertigkeit oder ihrem Nichtsein überzeugt hätten, und so würde dann auch unter diesem Gesichtspunkt die Kenntnis der Dinge-ansich wertvoller sein, als die bloße Erkenntnis von Erscheinungen, nicht wegen ihres Inhalts, sondern weil sie uns erst die Gewißheit, in den Erscheinungen das Höhere und nicht nur eine schlechtere Kopie eines ansich wertvolleren Originals zu besitzen, verschaffen würde.

3. Die Überzeugungen, welche sich uns aus den Erwägungen der vorigen Abschnitte (1-2) ergaben, waren, noch einmal kurz zusammengefaßt, folgende: Einer Metaphysik, welche die Denknotwendigkeit ihrer Sätze darzulegen vermag, kann der Skeptizismus nicht mit dem Argument der Subjektivität der Erkenntnis die Existenzberechtigung abstreiten, da er sich mit ihm ins eigene Fleisch schneidet. Der Begriff des Denknotwendigen fordert, daß, was die Vernunft als notwendig anerkennt, auch von jedem Vernünftigen als wahr anerkannt wird. Die Versuche, dieser unerbittlichen Forderung durch Unterscheidung verschiedener Vernunftarten auszuweichen, scheiterten alle an der Unmöglichkeit, eine andere als die auch der Metaphysik zugrunde liegende Vernunft auch als nur möglich anzunehmen. Auch die kritische Vernunft entpuppte sich als eine naiv-dogmatische, die nicht nur ihre (deshalb eben falschen) kritischen Behauptungen in dogmatischer Weise machte, sondern sie sogar durch metaphysische Annahmen begründete.

Gegen eine Metaphysik, gegen die vom Standpunkt der gemeinen Logik oder unzweifelhafter Tatsachen nichts einzuwenden wäre, vermag also der subjektivistische Skeptizismus schlechterdings nichts auszurichten. Seine Angriffe können sich daher immer nur gegen die Denknotwendigkeit metaphysischer Sätze richten. Mit dem Nachweis, daß sie nicht denknotwendig sind, fiele natürlich ihr Anspruch auf Wahrheit in sich zusammen. Dieser Nachweis kann aber nicht so geführt werden, daß man positiv die Unmöglichkeit, auf metaphysischem Gebiet notwendige und beweisbare Sätze zu gewinnen, beweist. Denn das würde ja wieder darauf hinauslaufen, daß entweder dem Denken untersagt wird, seine Prinzipien auf metaphysische Probleme anzuwenden, oder diesen Prinzipien die ihnen sonst zugestandene Gültigkeit auf metaphysischem Gebiet aberkannt wird.

Sobald aber das Denken durch seine Subjektivität nicht gehindert wird, die ihm eigentümlichen Erkenntnisformen auf metahysische Probleme, etwa die Dinge-ansich, anzuwenden, hat zwar jeder das Recht, für seine Person daran zu zweifeln, daß es Erfolg haben wird; die Möglichkeit eines Erfolges kann man aber nicht a priori bestreiten und kann folglich auch nicht jedes metaphysische System, welches mit dem Anspruch, eine notwendige Wahrheit zu enthalten, auftritt, achselzuckend mit der Behauptung der Unmöglichkeit, es auf diesem Gebiet zu hieb- und stichfesten Resultaten zu bringen ("das weiß ich schon im Voraus völlig gewiß, daß es nicht von all dem wird geleistet haben" (24), ablehnen.

Trotzdem wird auch dies immer wieder versucht, und die Unmöglichkeit, im Metaphysischen zu feststehenden, unzweifelhaften Erkenntnissen zu gelangen, damit begründet, daß jede metaphysische Ansicht subjektivität durch die Individualität des Autors und andere auf ihn einwirkende zufällige Umstände bedingt ist. Diese subjektive Bedingtheit bedeutet hier, daß das Denken des Autors durch Einflüsse, die außerhalb des metaphysischen Denkens selbst liegen, wie Zeitströmungen, persönliche Erfahrungen aller Art, Temperament und Charakter, Erziehung und Studiengang bestimmt wird. Daß solche Einflüsse stattfinden, daß sie dem Denken eine bestimmte Richtung zu geben vermögen, soll natürlich nicht bestritten werden. Eine Weltanschauung, die gänzlich unabhängig von allen Einflüssen, sogar unabhängig von der Individualität ihres Urhebers selbst wäre, dürfte schwerlich jemals aufgestellt werden. Aber müssen diese Umstände denn immer ungünstig sein, müssen sie denn das Denken immer von der Wahrheit abziehen? Offenbar läßt sich die Notwendigkeit, daß sie stets diese Wirkung ausüben, in keiner Weise dartun, und schließt dann auch dieses Argumet die Möglichkeit einer streng notwendigen Metaphysik - noch weniger natürlich die einzelner metaphysischer Sätze - keineswegs aus. Das Argument würd ja auch nicht nur die Sicherheit der Metaphysik, sondern auch die aller übrigen Wissenschaften ohne Ausnahme vernichten. Denn was hülfe es, daß die Denkgesetze ansich ganz richtig sind, wenn doch ihr Gebrauch immer den störenden Einflüssen ungünstiger Umstände ausgesetzt wäre. Auch das vortrefflichste Werkzeug nützt nichts in einer Hand, die es nicht richtig zu gebrauchen versteht. Daß aber diese Einflüsse sich nur, wenn das Denken metaphysische Probleme denkt, geltend machen sollten, sonst nie, ist eine so wunderliche Annahme, daß es sich nicht lohnt, näher auf sie einzugehen. Also wären wir bei keiner Erkenntnis sicher, ob sie nicht durch ungünstige Umstände nachteilig beeinflußt ist, und wären auch nicht in der Lage, sie daraufhin zu prüfen, da ja auch die Prüfung derselben Gefahr ausgesetzt sein würde. Der allgemeinen Unsicherheit allen Wissens überhaupt, die sich so einstellen würde, könnte aber auch der Standpunkt, welcher die Metaphysik für unsicher erklärt, nicht entgehen. Auch er wäre, wenn seine Voraussetzung zuträfe, eine durch zufällige Umstände beeinflußte, also nicht vorurteilslose, nicht unbedingt sichere Ansicht. Von sich selbst aber läßt er das nicht gelten, er selbst erhebt Anspruch darauf, unbedingt gültig, reine, unverfälschte Wahrheit zu sein. Damit aber hebt er seine eigene Voraussetzung auf und widerlegt sich selbst.

Man darf auch die Abhängigkeit der Vernunft von Einflüssen, die nicht in ihr selbst liegen, die bis zu einem gewissen Grad ja zuzugestehen ist, nicht übertreiben. Auf ihrem eigenen Gebiet ist die Vernunft, wie wir oben gesehen haben, doch schließlich unabhängig und läßt sich - solange sie noch Vernunft ist - nie von irgendjemandem andere Kriterien der Wahrheit aufreden, als die, welche sie selbst nach ihren eigenen Prinzipien anerkennt. Je weniger nun die Vernunft mannigfache und komplizierte Erfahrungstatsachen oder Gefühle in Rechnung zu ziehen braucht, je mehr sie auf sich selbst angewiesen ist und aus sich selbst schöpfen kann, umso geringer wird auch ihre Abhängigkeit von anderen Faktoren, umso sicherer - nach dieser Richtung hin - das Ergebnis ihrer Überlegungen sein. Nächst der Mathematik und Logik gibt es aber nun kaum ein Gebiet, wo das mehr der Fall wäre, als gerade das der Metaphysik, welche eine der nüchternsten Wissenschaften ist, die es gibt.

Von der Ansicht, welche die Möglichkeit der Metaphysik überhaupt in Abrede stellt, ist aber wohl zu unterscheiden eine andere, welche nicht die Metaphysik, wohl aber die Möglichkeit einer logisch-metaphysischen Konstruktion des gesamten Weltinhalts, d. h. die Möglichkeit einer nur metaphysisch bedingten Weltanschauung leugnet. Die letztere Ansicht beruth nicht auf einem Zweifel an der Kompetenz der Vernunft überhaupt, sondern auf der Einsicht, daß die Welt mehr enthält, als bloß Logisch-Notwendiges, daß es Vieles in ihr gibt, welches, obgleich es nicht gegen die Vernunft ist, doch aus reiner Vernunft nicht erkennbar ist, - wozu z. B. alle bloßen Tatsachen gehören. Die Metaphysik selbst bleibt dabei unangetastet.

Also die Unmöglichkeit der Metaphysik läßt sich in keiner Weise a priori feststellen. So wenig sich das Zweifeln, das Mißtrauen gegen alle metaphysischen Unternehmungen anders als durch die Tat, durch die Aufstellung eines metaphysischen Systems, dem niemand die Anerkennung versagen kann, beseitigen läßt, so wenig kann man auch die Ungültigkeit eines metaphysischen Systems anders als durch den Nachweis seiner tatsächlichen Unrichtigkeit darlegen. Einen solchen Nachweis zu liefern ist nun das Einzige, was der Skeptizismus zu leisten vermag. Wird er geliefert, so muß natürlich das System, gegen welches er gerichtet war, die Segel streichen. Aber es braucht kaum bemerkt zu werden, daß auch nur es, nicht aber die Metaphysik damit widerlegt sein würde. Gelänge es auch, die Falschheit aller bisherigen metaphysischen Systeme, die Unhaltbarkeit aller bisher aufgestellten metaphysischen Sätze überzeugend nachzuweisen, so wäre zwar ein gewisser Zweifel am möglichen Erfolg metaphysischer Unternehmungen gerechtfertigt, - die Metaphysik wäre aber auch damit noch nicht endgültig beseitigt.

Denn auch andere Wissenschaften sind lange in der Irre gewandelt, ehe sie "den sicheren Weg der Wissenschaft" gegangen sind, und so wären auch hier noch so viele fehlgeschlagene Versuche noch kein genügender Grund, an aller Möglichkeit eines besseren Erfolges in der Zukunft zu verzweifeln. Sehr richtig bemerkt KANT:
    "Alle fehlgeschlagenen dogmatischen Versuche der Vernunft sind Facta, die der Zensur zu unterwerfen immer nützlich ist. Diese aber kann nichts über die Erwartungen der Vernunft entscheiden, auf einen besseren Erfolg ihrer künftigen Bemühungen zu hoffen und darauf Ansprüche zu machen; die bloße Zensur kann also die Streitigkeit über die Rechtsame der menschlichen Vernunft niemals zu Ende bringen." (25)
Was KANT hier von der Zensur sagt, gilt aber auch von der Kritik, und so ist dann die Metaphysik auch durch die "Kritik der reinen Vernunft" nicht aus der Welt geschafft worden.

So bleibt also nur die Alternative, entweder die Kompetenz des Denkens überhaupt aufzuheben und die Unmöglichkeiten des absoluten Skeptizismus auf sich zu nehmen, oder dem subjektiv Denknotwendigen auch objektive Wahrheit zuzugestehen, - also die Möglichkeit der Metaphysik zuzugeben.


3. Der Phänomenalismus

Unter Phänomenalismus verstehe ich hier den Standpunkt, welcher zwar die Gültigkeit der Denkformen für das objektive Sein nicht in Abrede stellt, aber ihre Brauchbarkeit zur Erkenntnis desselben deswegen bestreitet, weil das Denken nur in Verbindung mit Anschauung Erkenntnis liefern kann, die Formen der Anschauung - Raum und Zeit - aber nur phänomenal, subjektiv sind. Es ist die Ansicht, welche zwar nicht den einzigen, wohl aber den Hauptgrund des kantischen Subjektivismus bildet (26).

Man muß unterscheiden zwischen Denken und Erkennen. Denken ist das, was die Kategorien allein ohne Hilfe der Anschauung liefern, Erkennen ist das, was sie mit Hilfe derselben und nur mit ihrer Hilfe zustande bringen. Denken kann ich, was ich will, sobald ich mir nur nicht widerspreche, erkennen kann ich nur das, was die Anschauung anschaulich vorzustellen erlaubt. Da nun Raum und Zeit für die Dinge ansich nicht gelten, so werden die Denkformen, wie sie durch die Anschauung (die Schemata) realisiert werden, zugleich durch sie auf Erscheinungen restringiert (27). Was für den transzendenten Gebrauch noch übrig bleibt, sind gänzlich leere Formen, deren Gültigkeit - hierüber lauten die Äußerungen KANTs jedoch noch verschieden - zwar zuzugeben ist, mit denen sich aber nichts Rechtes mehr anfangen läßt. Sie können höchstens leere Schattenbilder entwerfen, die aber keinerlei Erkenntnis der Objekte, denen sie gelten, gewähren.

Also ist, da die objektive Gültigkeit von Raum und Zeit zweifelhaft ist und bleibt, Metaphysik doch unmöglich.

Daß nun mit den allen Inhalts entleerten Denkformen, die KANT zur Verwendung für die Dinge-ansich übrig läßt, nichts anzufangen wäre, soll nicht bestritten werden: - aber ist ein derartiges Denken, wie es KANT hier zum Unterschied von dem durch die Anschauungsschemata hierdurch gegangenen Denken = Erkennen aufstellt, eine Tatsache? Die Frage muß mit Nein beantwortet werden. Ein solches Denken existiert nicht, hat nie existiert, kann gar nicht existieren. Es ist eine künstliche Schöpfung, gewonnen durch willkürliche Abstraktion von allem anschaulichen Inhalt, ein Popanz, ein Phantom, ein Spuk, ein Schatten. Einige Beispiele, die ich aus KANT nehme, mögen dazu dienen, dieses Urteil zu rechtfertigen.

Um zu beweisen, daß der Satz 7 + 5 = 12 ein synthetisches und kein analytisches Urteil ist, führt KANT aus (28), daß ich aus dem bloßen Begriff des Subjekts nie durch Analyse desselben das Prädikat erlangen kann. Ich muß die Anschauung zu Hilfe nehmen, welche mir dann durch Synthesis von 7 und 5 die Summe 12 an die Hand gibt. Sehr wohl, aber was ist der Begriff des Subjekts, wenn man alle Anschauung aus ihm herausnimmt? Ist der Begriff 5 ohne Anschauung, also ohne die zeitliche oder räumliche Synthesis der Einheiten, die die Zahl 5 bilden, überhaupt denkbar, kann man damit noch irgendeinen Sinn verbinden? Offenbar nicht. Was nach der Entfernung aller Anschauung übrig bleibt, ist kein Begriff mehr, sondern ein bloßes Wort, ein Zeichen (29). Solche abstrakte Begriffe gibt es nicht, darin hatte BERKELEY Recht.

Ebenso verhält es sich mit dem Beispiel vom Triangel (30), aus dem der Philosoph gar nichts, der Mathematiker, der ihn anschaulich darstellt, aber sehr viel soll folgern können. Freilich, wenn sich der Philosoph unter einem Triangel nicht mehr denkt, als ihm hier zugemutet wird, so würde er allerdings nichts daraus folgern können. Aber er würde dann einen Begriff von "Triangel" auch gar nicht haben. Es ist nicht so, daß den Anschauungen gänzlich unanschauliche Denkformen gegenüber stehen, und es ist deshalb nicht richtig, daß man durch Denk- und Anschauungsformen erkennen, durch die Denkformen allein aber nur denken kann. Mit den kantischen Denkformen könnte man auch nicht einmal denken, sofern man unter Denken etwas anderes versteht als bloßes gedankenloses Hersagen von Worten. Aber solche Denkformen gibt es auch in Wirklichkeit gar nicht. Nur die schematisierten Begriffe sind wirklich Begriffe, nur anschauliches Denken ist wirkliches Denken und insofern könnte man alles Denken als "intellektuelle Anschauung" bezeichnen. Selbst die höchsten und abstraktesten Denkgesetze - z. B. das der Identität, können, obwohl sie die Inhalte, durch die wir sie vorstellen, nicht selbst sind, doch nur gedacht werden durch und an einem Inhalt. Das Urteil A = A, durch welches wir das Prinzip der Identität denken, ist selbst ein Beispiel des Gesetzes, aber nur in einem solchen Beispiel kann das Gesetz gedacht werden.

Aber wenn nun alle Anschauung phänomenal ist, so folgt doch, daß alles Denken, da es seiner Natur nach anschaulich ist, auch auf Erscheinungen eingeschränkt, eine Erkenntnis (ein Denken) der intelligiblen Welt also unmöglich ist! - Es folgt das allerdings, wenn alle Anschauung phänomenal ist. Wie steht es nun mit der Behauptung der Phänomenalität von Raum und Zeit?

Meine Antwort ist diese: Die Phänomenalität des Raumes gebe ich zu, wenn auch aus nicht ganz denselben Gründen, wie KANT, die der Zeit und, damit zusammenhängend, die der inneren Erfahrung bestreite ich, weil die Ansicht, die sie zu bloßen Erscheinungen macht, unhaltbar und in sich widerspruchsvoll ist. Ich habe den Nachweis für meine Behauptung zu erbringen.

Zunächst hat die Phänomenalität der Zeit KANT nicht gehindert, sowohl die Phänomenalität selbst, als auch die apriorischen Bedingungen, auf welchen sie beruth, zu "erkennen", - denn die Kritik der reinen Vernunft will kein bloßes Denken, sondern eine Erkenntnis sein. Daß die Behauptung der Subjektivität der Zeit ein mit KANTs Ansicht von der Unmöglichkeit des Präformationssystems zusammenhängende metaphysische Behauptung ist, kann an dieser Stelle nicht eingehend begründet werden; daß die Erkenntnis der apriorischen Konstituentien der "Erfahrung" eine transzendente ist, folgt aus dem Begriff des Apriorischen, das als Bedingung der Erscheinungen nicht selbst Erscheinung ist (31). Auf die mannigfachen Widersprüche sodann, in welche die Behauptung der Phänomenalität auch des Mannigfaltigen des inneren Sinnes KANT verwickelte: daß die "äußeren" Erscheinungen zu Bestimmungen des "inneren" Sinnes gar nicht werden können, daß sie, wenn dies trotzdem geschieht, noch einmal zu Erscheinungen, als zu Erscheinungen von Erscheinungen werden; daß auch die Erkenntnis der Erscheinungen als eine im Selbstbewußtsein vorhandene wieder zur Erscheinung wird und es somit zu einer eigentlichen Erkenntnis, die der Kritik eingeschlossen, gar nicht kommen kann, - kann ich hier nicht eingehen, da das eine besondere Abhandlung erfordern würde.

Das Nötige darüber wird in der zweiten Abteilung dieses Werkes gesagt werden.

Gegen die Phänomenalität der Zeit mache ich, um nur das Wesentlichste in aller durch den eigentlichen Zweck dieses Buches gebotenen Kürze zu erwähnen, hauptsächlich Folgendes geltend:

a) Ist die Zeit nur eine subjektive Anschauung, so ist doch die Zeitanschauung als eine psychische Tätigkeit selbst nur unter der Voraussetzung eines realen Zeitverlaufes möglich. Beim Raum ist das nicht der Fall; die Raumanschauung bedarf zu ihrer eigenen Möglichkeit keines Raumes, in dem sie selbst enthalten wäre. Hier aber zeigt es sich, daß, nachdem die Zeit aus der äußeren Welt fortgeschafft ist, sie mit umso größerer Hartnäckigkeit in der inneren Welt des Bewußtseins ihren Platz behauptet. Man darf hiergegen nicht einwenden, daß doch die Vorstellung einer Zeitstrecke eine simultane Apprehension [Zusammenfassung - wp] ist und sein muß, da nur wenn verschiedene Zeitteile gleichzeitig vorgestellt werden, sie auch unterschieden und verglichen werden können. Das ist ganz richtig, aber ebenso richtig ist doch auch, daß diese simultane Apprehension die Momente, die sie in der Zeitstrecke vorstellt, mag sie sie auch mit gewissen Temporalzeichen des Vorher und Nachher versehen, nicht als sukzessive, sondern als ko-existierende, gleichzeitige vorstellt. Um sich des zeitlichen Verlaufes derselben bewußt zu werden, ist es nötig, daß das Bewußtsein die vorgestellte Reihe auch in der Richtung von Anfang bis Ende durchläuft, und dieses Durchlaufen stellt dann einen psychischen Vorgang dar, welcher nicht wieder zeitlos gedacht werden kann, vielmehr selbst ein zeitlicher ist, und nur in der Zeit vor sich gehen kann.

Jede simultane Apprehension einer Zeitstrecke stellt ferner dieselbe als eine feste, unverschiebbare Reihe vor, in welcher die Temporalzeichen der Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft - falls es überhaupt einen Sinn hat, hier von Zukunft zu sprechen - auf die einzelnen Glieder nach unverrückbarer Ordnung verteilt sind. Eine Änderung dieser Ordnung, wie sie durch die unablässige Verschiebung des Punktes, der die Gegenwart bedeutet, nach dem Zeugnis unserer inneren Erfahrung tatsächlich fortwährend erfolgt, macht eine neue - ebenfalls simultane - Apprehension nötig, welche der veränderten Lage gerecht wird. Es ergibt sich somit eine Folge von Apprehensionen, die nicht wieder zu einer bloß subjektiven Erscheinung gemacht werden kann.

Das geistige Dasein mit dem lebendigen Wechsel seiner inneren Vorgänge ist ohne Zeit überhaupt nicht denkbar; was von ihm übrig bliebe, wenn wir das Zeitliche aus ihm entfernen, wäre so wenig noch Wirklichkeit, als das Denken nach der Entfernung alles anschaulichen Inhaltes noch ein Denken ist.

Auch das transzendentale Subjekt KANTs bedarf, um mittels der Kategorien und der Formen der Anschauung die Erscheinungswelt aufbauen, um sich selbst als ein zeitliches Wesen erscheinen zu können, - der Zeit. Nimmt man ihm diese, so kann nicht einmal die Vorstellung der Zeit stattfinden. Diese gibt KANT nun zu. Daß ich mir als ein zeitliches Wesen erscheine, d. h. daß ich ein unmittelbares Bewußtsein von der Erscheinungswelt, wie sie ansich ist, gewußt werden kann, ohne wieder der Gefahr ausgesetzt zu sein, durch meine ihn erfassende Erkenntnis in einen bloßen Schein verwandelt zu werden, so ist nicht einzusehen, warum das "Mannigfaltige des inneren Sinnes" die Sukzession [Aufeinanderfolge - wp] meiner inneren Zustände, die ich genau so unmittelbar erfasse, nur Erscheinung sein soll.

Das kantische transzendentale Subjekt, welches, selbst zeitlos, die Welt uns sich selbst als zeitlich vorstellen soll, ist ein Phantom, ein Schatten, der nie und nirgends Wirklichkeit gehabt hat, noch haben kann. -

Von einem geschichtlichen Verlauf der Welt, einer Entwicklung, einem Fortschritt, von Zwecken muß, wer die Realität der Zeit leugnet, natürlich gänzlich absehen. Dies alles ist nur in einer zeitlichen Welt möglich. Die kantische Ethik, der kategorische Imperativ, die Freiheit des Willens, die moralische Weltordnung der Zwecke, die sie statuiert, Vervollkommnung und Unsterblichkeit ist dann ganz unverständliches Gerede, wenn die Zeit, in welcher dies alles vor sich gehen soll, nur die subjektive Anschauungsweise eben des zeitlosen Subjekts ist, dem wir diese Leistungen zumuten. Zumindest in Form eines Postulats der praktischen Vernunft hätte KANT daher die Wirklichkeit der Zeit behaupten müssen.

b) Es ist nicht wahr, daß man, wie KANT behauptet, alle Erscheinungen aus der Zeit hinwegnehmen kann und dann noch die leere Zeit übrig behält. Es ist sehr fraglich, ob das selbst beim Raum möglich ist; bei der Zeit ist es sicher unmöglich. Man denke sich, daß die ganze Welt (auch die der Vorstellungen) einmal vollständig still steht, so daß sich schlechterdings nichts ereignet, und daß sie "nach einiger Zeit" aus ihrem Schlummer erwacht, um, wie im Märchen von Dornröschen, genau da wieder einzusetzen, wo sie beim Eintritt des Stillstandes stehen geblieben war. Wieviel Zeit wäre dann zwischen dem Endpunkt und dem Punkt des Wiederanfangs verflossen? Eine Minute? Eine Stunde? Ein Jahr? Hundert Jahre? Tausend Jahre? Eine Million Jahre? Jede dieser Antworten wäre gleich richtig - und gleich falsch sein, denn wir hätten absolut kein Mittel, die Dauer einer Zeit zu erkennen, nachdem wir aus ihr allen Wechsel der Erscheinungen entfernt haben. Eine Zeit aber, die sowohl eine Sekunde als auch eine Million bedeuten kann, ist keine Zeit, - und so würde dann die richtigste Antwort noch die sein, daß eben gar keine Zeit verflossen ist und der Stillstand gar nicht stattgefunden hat. Die leere Anschauungsform der Zeit, in die das transzendentale Subjekt das Mannigfaltige des inneren Sinnes gleichsam einfängt, ist eben eine Fiktion, ein Phantom. Wirklich ist nur der zeitliche Verlauf der Dinge, dieser aber ist auch real und kann durch keine noch so subtile Argumentation zu einer bloß subjektiven Anschauungsform eines imaginären Subjekts gemacht werden.

Ich behaupte nicht, mit dem, was ich gegen die Idealität der Zeit vorbringe, viel Neues gesagt zu haben. Die Argumente, auf die ich mich oben berief, sind schon vielfach gegen die kantischen Lehren ins Feld geführt worden (32). Indem ich sie mir aneigne, bekunde ich, daß ich ihnen ein Gewicht beimesse, gegen welches die Versuche, die Idealität der Zeit aufrecht zu erhalten, nicht aufkommen können.

Wenn nun die Zeit real ist und die innere Erfahrung uns nicht nur Erscheinungen, sondern Realität, wie sie ansich ist, liefert, so sind zwar die Begriffe, die sich auf räumliche Verhältnisse beziehen, direkt nur für die Erscheinungen gültig, diejenigen aber, welche sich auf geistige, in der Zeit verlaufende Zustände beziehen, können für die Erforschung des Seins verwandt werden, ohne daß man zu befürchten braucht, durch die Anschaulichkeit, welche man dadurch den metaphysischen Gedanken gibt, ihre Sicherheit zu gefährden.

Führen dann die metaphysischen Überlegungen zu dem Resultat, daß das Sein der Dinge dem, welches wir in unserem Bewußtsein unmittelbar erleben, gleich oder ähnlich ist, so werden wir die innere Erfahrung sogar mit Nutzen dazu verwenden können, uns eine anschauliche Vorstellung von der Natur außerhalb unseres Bewußtseins existierenden realen Dinge zu machen. Auch dem Phänomenalismus gegenüber bleibt also die Möglichkeit metaphysischer Erkenntnis durchaus bestehen.
LITERATUR - Ludwig Busse, Philosophie und Erkenntnistheorie, Leipzig 1894
    Anmerkungen
    20) KANT, Kritik der reinen Vernunft (Ausgabe KEHRBACH, Seite 647; Ausgabe ERDMANN, Seite 26, 27).
    21) KANT, Kr. d. r. V. (KEHRBACH 235, ERDMANN 227)
    22) F. A. LANGE, Geschichte des Materialismus, Buch II, 1881, Seite 403.
    23) Vgl. GIDEON SPICKER, Kant, Hume und Berkeley, Seite 48f; E. von HARTMANN, Kritische Grundlegung des transzendentalen Realismus, 1875, Seite 21. Zum Ganzen vgl. auch VOLKELT, a. a. O., Seite 138f.
    24) KANT, Kr. d. r. V. (KEHRBACH 575; ERDMANN 516)
    25) KANT, Kr. d. r. V. (KEHRBACH 582, ERDMANN 522). Vgl. BERGMANN, Geschichte der Philosophie, Bd. II, Seite 24.
    26) Vgl. meine Abhandlung "Zu Kants Lehre von Ding an sich", Zeitschrift für Philosophie und philosophische Kritik, Bd. 102, Seite 226-228.
    27) KANT, Kr. d. r. V. (KEHRBACH 148, ERDMANN 147).
    28) KANT, Kr. d. r. V. (KEHRBACH 651, 652; ERDMANN 38, 39).
    29) Vgl. VAIHINGER, Kommentar zur Kr. d. r. V., Bd. 1, Seite 296 Anm. 1; BERGMANN, Geschichte der Philosophie, Bd. 2, Seite 33. Derselbe nennt in seinen "Vorlesungen über Metaphysik", Seite 160 mit Recht einen leeren Begriff, eine contradictio in adjecto [Widerspruch in sich - wp].
    30) KANT, Kr. d. r. V. (KEHRBACH 550, ERDMANN 493, 494).
    31) Vgl. meinen Aufsatz über KANTs Ding-ansich a. a. O., Seite 231; BERGMANN, Vorlesungen über Metaphysik, Seite 23, 45-55, 314 und "Geschichte der Philosophie", Bd. 2, Seite 25; KUNO FISCHER, Geschichte der neueren Philosophie, Bd. V (zweite Auflage), Seite 82-84.
    32) Ich führe insbesondere an LOTZE, Metaphysik, Buch II, Kap. 3, Von der Zeit; Mikrokosmus, dritte Auflage III, Seite 602-606 und BERGMANN, Sein und Erkennen, Seite 72f, 168, 169, sowie ders. Vorlesungen über Metaphysik, Seite 218f, 293f und Geschichte der Philosophie II, Seite 37, 38, 44. Vgl. auch LAAS, Kants Analogien der Erfahrung, Seite 270-274. ÜBERWEG, Logik, fünfte Auflage, § 40, Seite 105. RIEHL, Philosophischer Kritizismus I, Seite 353, 354 und DÖRING, Was ist die Zeit?, in Vierteljahrsschrift für wissenschaftliche Philosophie, 1890, Seite 400 und die Übersicht bei VAIHINGER, Kommentar II, Seite 405-408.