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FEITEL LIFSCHITZ
Die historische Juristenschule

"Die geschichtliche Methode Savignys wird von einer ganz bestimmten Grundauffassung über die Beziehungen zwischen Individuum  und Gattung getragen. Und diese Grundauffassung geht auf ein bestimmtes erkenntnistheoretisches Problem zurück; nämlich über die Beziehung zwischen Subjekt und Objekt, ein Problem der Erkenntnistheorie, das bereits die Philosophie des Altertums beschäftigte, und welches von verschiedenen Systemen der Erkenntnistheorie auch verschieden gelöst wurde."

"Die isolierende abstrakte Methode ist für die Erforschung des Rechts unzulänglich ist. Die organische Methode steht demgemäß im Gegensatz zur Methode der isolierenden Abstraktion. Die organische Auffassung im Sinne von Savigny ist die objektivistische Betrachtung der Entstehung des Rechts. Speziell in der organischen Betrachtung der Entstehung des Rechts gelangt der Objektivismus zum vollen Ausdruck. Das Recht kann nicht, nach Savignys Meinung, isoliert betrachtet werden, deswegen ist es falsch, den Ursprung des Rechts mechanisch zu erklären, d. h. die Entstehung des Rechts als eine Erscheinung für sich ohne einen Zusammenhang mit anderen Seiten des Volkslebens zu betrachten und lediglich auf die Betätigung des freien Willens zurückzuführen, der nur aus zweckmäßigen Rechtserwägungen geleitet wird."

"Nicht selten sind Ansichten über das Naturrecht von Naturrechtlern in der Literatur zu finden, die sich gegenseitig bekämpfen. Begriffe, wie ein Recht, das der Natur des Rechts entspricht, ein Recht, das der Natur des Menschen entspricht, oder ein Recht, das von einem Urzustand, einem Naturzustand, abgeleitet wird - sind gewiß nicht identisch. Und all das wird mit dem gleichen Begriff Naturrecht gekennzeichnet! Es ist klar, daß hier große Unklarheiten entstehen müsen."


E i n l e i t u n g

Vor dreißig Jahren geschah auf dem Gebiet der Wirtschaftswissenschaft ein bedeutungsvolles Ereignis. Es war das Auftreten KARL MENGERs mit seinen bahnbrechenden "Untersuchungen". Seitdem begann eine neue Epoche für unsere Wissenschaft. Es begann der Kampf um die Befreiung von der Überwucherung des Historismus, der schließlich dazu führte, daß die Theorie der Wirtschaftswissenschaft gerettet wurde. Es war seitens MENGER eine große Tat, die fast einzig in der Geschichte unserer Wissenschaft dasteht. Die Gefahr für die Theorie war zu groß. Es war eine Zeit, in welcher man mechanisch all das auf die Wirtschaftswissenschaft übertragen wollte, was in anderen Gebieten des Wissens auftauchte. Man wollte aus der Wirtschaftswissenschaft alle möglichen und unmöglichen Wissenschaften machen, wie Geschichtsphilosophie, Kulturgeschichte, eventuell Psychologie und Ethik etc., kurz: es fehlte nicht an Namen, denn
    Mit Worten läßt sich trefflich streiten,
    Mit Worten ein System bereiten.
Die Vertreter der Wirtschaftswissenschaft waren für alle Einflüsse zugänglich, wahrscheinlich aus dem Grund, weil sie sich in ihrer Auffassung von der Wissenschaft nicht sicher fühlten. Und so kam es dazu, daß der Inhalt, die Aufgaben und die Ziele der Wirtschaftswissenschaft mehr und mehr verwischt wurden. Erst mit MENGER beginnt die Klärung der Probleme der Wirtschaftswissenschaft. Mit MENGER beginnt sich der neue Zweig in der Literatur der Wirtschaftswissenschaft zu entwickeln, nämlich: die  logische  Behandlung der Probleme der Methodologie. Bis zum Auftreten von MENGER war die Pflege der  logischen  Behandlung der Probleme der Methodologie eine durchaus seltene Erscheinung (Ausnahmen sind hier KNIES' "Politische Ökonomie" und DIETZELs Abhandlung "Über das Verhältnis der Volkswirtschaftslehre zur Sozialwirtschaftslehre" von 1882). Von MENGER an vollzieht sich ein Umschwung, es entwickelt sich eine reichhaltige Literatur, es wird zum Bedürfnis, methodologische Klarheit zu schaffen.

Wie gesagt, beginnt mit MENGER die logische Behandlung der Probleme der Methodologie der Wirtschaftswissenschaft. Es braucht des näheren nicht ausgeführt werden, daß mit MENGER die Kritik der historischen Schule beginnt. Aber trotzdem ist die vorliegende Untersuchung keineswegs überflüssig. Es gilt, die Aufgaben, die sie sich gestellt hat, kurz zu umschreiben.

Zuerst müssen einige Bemerkungen vorausgeschickt werden darüber, was die vorliegende Schrift nicht sein soll.

Es liegt den vorliegenden Untersuchungen ganz fern,  sozialpolitisch  gegen die historische Schule auftreten zu wollen. Das muß mit Nachdruck betont werden, um Mißverständnissen vorzubeugen. Mit denjenigen Schriftstellern, die die Vertreter der historischen Schule, bzw. des "Vereins für Sozialpolitik",  sozialpolitisch  angreifen, haben die Ausführungen in dieser Schrift nichts Gemeinsames. Lediglich logische Erwägungen sind es, die mich bewegen, gegen die historische Schule aufzutreten. Ebensowenig liegt es im Bereich der Aufgaben dieser Schrift, mit den Vertretern der historischen Schule als  Historikern  sich auseinandersetzen zu wollen (1). Es wird ferner hier auch davon abgesehen, die Forschungen dieser Richtung aufgrund der Methode der historischen Schule selbst zu prüfen. So weit über die negativen Seiten unserer Untersuchungen.

Was diese Untersuchungen positiv wollen, ist folgendes: Die Ansichten der historischen Schule über die Methode der Wirtschaftswissenschaft analysieren, und zwar größtenteils vom Standpunkt der historischen Schule selbst, die Methode der Untersuchungen besteht darin, die logische Folgerichtigkeit zu prüfen, nachzuweisen, wie große die Widersprüche in dieser Richtung sind. Daß eine solche Analyse mit einer Analyse des Begriffs des Historischen überhaupt verbunden ist, ist ohne weiteres klar. Gerade ausgehend vom Begriff des Historischen in der Geschichtswissenschaft erscheint vieles in der historischen Schule als unhaltbar. Der Unterschied zwischen dieser Kritik der historischen Schule und der MENGERs ist klar. Hier handelt es sich nicht darum, die Auffassung der historischen Schule von der Wirtschaftswissenschaft zu widerlegen, sondern vielmehr ihre Auffassung von sich selbst, von der historischen Methode, als irrtümlich nachzuweisen. "Moors Geliebte soll von den Händen Moors selbst sterben!" Das ist die Methode der Untersuchung, die hier angewandt wurde. Da die historische Schule von anderen Richtungen beeinflußt wurde, so erschien die Untersuchung dieser Richtungen geradezu geboten. Aus diesem Grund werden hier die Richtungen in der  Rechtswissenschaft, Sprachwissenschaft  und  Geschichtswissenschaft  dargestellt. Es handelt sich darum, den Geist der historischen Richtung im 19. Jahrhundert überhaupt zu ermitteln. Erst dann ist eine fruchtbare Kritik der historischen Schule der Wirtschaftswissenschaft möglich, erst dann kann die Überwucherung des Historismus richtig überwunden werden.

Und schließlich noch eine Bemerkung: Bekanntlich hat die historische Schule die Methode der klassischen Schule scharf kritisiert und deswegen könnte die Frage auftauchen, ob die Auffassung der historischen Schule von der Methode der Klassiker die richtige ist, bzw. diese Untersuchung kann hier verlangt werden. Mit Bezug darauf ist hier darauf aufmerksam zu machen, daß diese Frage von mir in einer Reihe von Studien bereits untersucht worden ist, und diesbezüglich sei auch hier darauf verwiesen (2). Diese dogmengeschichtlichen Studien waren nötig, um auf allen Linien die Methode der historischen Schule mit Erfolg kritisieren zu können.


Die historische Schule in der Rechtswissenschaft bildet eine bestimmte Richtung, eine bestimmte Geistesströmung innerhalb der Jurisprudenz; "historische Schule" heißt ein Begriff, der gewisse Gedankengänge zusammenfaßt. Man muß sich vor allem darüber Klarheit verschaffen, was man unter dem Begriff "historische Schule" zu verstehen hat. Die historische Schule als Begriff besteht aus einer Reihe von Merkmalen, deren Summe und Zusammensetzung den Begriff bilden, d. h. die Merkmale  a, b, c, d, e f, g, h  etc. bilden die Bestandteile des Begriffs  historische Juristenschule.  Es ist aber klar, daß bei einer Zusammensetzung von mehreren Merkmalen, die einen Begriff bilden, die Frage gestellt werden kann, welches der Merkmale das wichtigste ist. Mit anderen Worten gesprochen: Sind mehrere Merkmale vorhanden, so kann die Frage auftauchen, welches Merkmal primär und welches sekundär ist usw. Es kann vorkommen, daß die verschiedenen Merkmale gleichen Grades mit Bezug auf die Wichtigkeit sind. Es kann aber auch das Gegenteil der Fall sein. Wenn z. B. behauptet wird, daß die organische Staatsauffassung, der Volksgeist, der Relativismus, die Verneinung der *Kodifikation, die kausale Betrachtungsweise der Entstehung des Rechts die Merkmale der historischen Juristenschule bilden, so kann gefragt werden, von welcher Bedeutung jedes dieser Merkmale ist. Und all dies, d. h. die Feststellung, daß sich der Begriff "historische Schule" aus mehreren Merkmalen zusammensetzt, die verschiedenen Grades  sein können,  ist durchaus wichtig für die vorliegende Untersuchung. Denn vergessen wir ncht, was ROSCHER von seiner historischen Methode sagt, nämlich sie wolle für die Staatswirtschaft  etwas Ähnliches  erreichen, was die SAVIGNY-EICHHORNsche Methode für die Jurisprudenz erreicht hat. Hier spricht ROSCHER also von "etwas Ähnlichem", nicht von einer vollständigen Übernahme der Methode. Diese Worte ROSCHERs können in ihrer Tragweite nur dann richtig erfaßt werden, wenn man das in Betracht zieht, was hier von der Zusammensetzung der Merkmale des Begriffs "historische Schule" gesagt wurde. Das muß aber mit Nachdruck betont werden mit besonderer Rücksicht auf die berühmten Worte von KARL MENGER (3), nämlich,
    "daß die historische Schule deutscher Volkswirte den maßgebenden Reformgedanken der historischen Juristenschule verkannt hat und sich in mißverständlicher Weise für eine historische im Sinne der letzteren hält."
Aber nicht nur mit Bezug auf die Probleme der Methodologie der "historischen Schule" der Wirtschaftswissenschaft, sondern selbst für die Literaturgeschichte der Methodologie der Rechtswissenschaft ist die Frage nach der Bedeutung der verschiedenen Merkmale, die den Begriff "historische Schule" bilden, wichtig. Es kann nicht die Aufgabe sein, dies in diesem Zusammenhang näher auszuführen, da uns die Methodologie der Wirtschaftswissenschaft hier beschäftigt. Es genügt nicht, wenn dies hier betont wird, speziell mit Rücksicht auf eine in der letzten Zeit geäußerte Ansicht (4).

Worin besteht nun das Wesen der historischen Juristenschule? Was wollte sie in methodischer Beziehung? Ihre Wege und Mittel, Aufgaben und Ansichten, die Stellung zur Theorie und Praxis des Rechtslebens? Ferner: Wie ist sie entstanden?

Wir beginnen mit der Darstellung der Entstehung der historischen Juristenschule, weil mit der Entstehng derselben, richtiger gesagt:  mit der Veranlassung  der Entstehung der historischen Juristenschule auch die methodischen Streitigkeiten verbunden und verknüpft sind. Historische Betrachtungen über die Entstehung des Rechts, historische Betrachtungen in der Rechtswissenschaft überhaupt fehlten auch nicht vor der Entstehung der historischen Juristenschule, aber erst mit dem Auftreten der letzteren ist der Name historische oder geschichtliche Methode entstanden. GUSTAV HUGO, FRIEDRICH KARL von SAVIGNY, KARL FRIEDRICH EICHHORN, GEORG FRIEDRICH PUCHTA u. a. sind die Repräsentanten der historischen Juristenschule. Aus verschiedenen Gründen ist SAVIGNY als der Bedeutendste zu betrachten: Er hat die "Schule" ins Leben gerufen, er hat die historische Methode theoretisch begründet, und zwar in verschiedenen Schriften und bei verschiedenen Anlässen. Bei SAVIGNY wird die historische Methode zu einer  Weltanschauung  und aus diesem Grund ist es erklärlich, warum sie weit über die Grenzen der juristischen  Fachwissenschaft  hinaus Bedeutung erlangt (5). Das mag auch der Grund gewesen sein, daß ROSCHER die Methode SAVIGNYs als Vorbild genommen hat, um die Wirtschaftswissenschaft zu reformieren. Und nun zur Entstehung der historischen Juristenschule.

Den Anstoß dazu gab die Frage nach der Abfassung eines allgemeinen deutschen bürgerlichen Gesetzbuchs, die damals ernsthaft und gründlich durchdiskutiert worden ist (6). Im ganzen Schulstreit stehen vornehmlich zwei Männer einander gegenüber. THIBAUT und SAVIGNY. Im Jahre 1814 veröffentlichte THIBAUT eine Schrift betitelt "Über die Notwendigkeit eines allgemeinen bürgerlichen Rechts für Deutschland", in welcher er forderte (7), daß, "nachdem Deutschland durch die Befreiung seines Bodesn seine Ehre zwar gerettet", alle Regierungen mit vereinten Kräften die Abfassung eines der Willkür der einzelnen Regierungen entzogenen, für ganz Deutschland erlassenen Gesetzbuchs zu bewirken suchen sollten, eines Gesetzbuchs des "bürgerlichen Rechts", wie er es heißt, worunter Privat- und Kriminalrecht und Prozeß zu verstehen sind. Bezeichnend sind für die eigene Meinung THIBAUTs Ausfälle gegen MONTESQUIEU und dessen Anhänger, die behaupten, daß das Recht nach dem besonderen Geist des Volkes nach Zeit und Ort und Umständen zu modifizieren sei (8). Diese Schrift THIBAUTs veranlaßte das Auftreten von SAVIGNY mit seiner Schrift: "Vom Beruf unserer Zeit für Gesetzgebung und Rechtswissenschaft" (1814), die die Grundlage der theoretischen Betrachtungsweise der historischen Juristenschule bildet (9). Es ist daher eine ausführliche Darlegung der in dieser Schrift entwickelten Ansichten von vornherein geboten. Denn hier gelangt das Wesen der historischen Juristenschule zum vollen Ausdruck, und aus diesem Grund ist diese Schrift von eminent historischer Bedeutung geworden.

Schon in der Einleitung (10) sind die Ausführungen von SAVIGNY für seinen Standpunkt bemerkenswert. Indem er auf die Annahme eines gemeinschaftlichen Gesetzbuchs für die deutschen Staaten zu sprechen kommt und sie mit vielen ähnlichen Vorschlägen und Versuchen seit der Mitte des 18. Jahrhunderts in Verbindung setzt, sagt SAVIGNY von dieser Zeit folgendes:
    "In dieser Zeit hatte sich durch ganz Europa ein völlig unerleuchteter Bildungstrieb geregt. Sinn und Gefühl für die Größe und Eigentümlichkeit anderer Zeiten, sowie für die naturgemäße Entwicklung der Völker und der Verfassungen, also alles, was die Geschichte heilsam und fruchtbar machen muß, war verloren: An die Stelle getreten war eine grenzenlose Erwartung von der gegenwärtigen Zeit, die man keineswegs zu etwas Geringerem berufen glaubte, als zur wirklichen Darstellung einer absoluten Vollkommenheit."
Und er fährt weiter fort (11):
    "Man verlangte neue Gesetzbücher, die durch ihre Vollständigkeit der Rechtspflege eine mechanische Sicherheit gewähren sollten, indem der Richter, alles eigenen Urteils enthoben, bloß auf eine buchstäbliche Anwendung beschränkt wäre: Zugleich sollten sie sich aller historischen Eigentümlichkeit enthalten und in reiner Abstraktion für alle Völker und alle Zeiten gleiche Brauchbarkeit haben."
Und weiter meint er:
    "Vergleichen wir mit diesen vergangenen Zuständen die gegenwärtige Zeit, so dürfen wir uns freuen. Geschichtlicher Sinn ist überall erwacht, und neben diesem hat jener bodenlose Hochmut keinen Raum."
Nach ihm standen (12) jene Vorschläge in Verbindung mit einer allgemeinen Ansicht von der Entstehung allen positiven Rechts, die von jeher bei der großen Mehrzahl der deutschen Juristen herrschend wäre.
    "Nach (13) ihr entsteht in normalem Zustand alles Recht aus Gesetzen, d. h. ausdrücklichen Vorschriften der höchsten Staatsgewalt. Die Rechtswissenschaft hat lediglich den Inhalt der Gesetze zum Gegenstand. Demnach ist die Gesetzgebung selbst, sowie die Rechtswissenschaft von ganz zufälligem, wechselndem Inhalt, und es ist sehr möglich, daß das Recht von morgen dem von heute gar nicht ähnlich sieht. Ein vollständiges Gesetzbuch ist demnach das höchste Bedürfnis, und bei einem lückenhaften Zustand desselben kann man in die traurige Notwendigkeit kommen, sich mit Gewohnheitsrecht, als einer schwankenden Ergänzung, behelfen zu müssen. Diese Ansicht ist viel älter als die oben dargestellte, beide haben sich auf manchen Punkten feindlich berührt, weit öfter aber sehr gut vertragen. Als Vermittlung diente häufig die Überzeugung, daß es ein praktisches Naturrecht oder Vernunftrecht gebe, eine ideale Gesetzgebung für alle Zeiten und alle Fälle gültig, die wir nur zu entdecken brauchen, um das positive Recht für immer zu vollenden."
Mit Bezug darauf fährt er fort (14):
    "Ob diese Ansicht von der Entstehung des positiven Rechts Realität habe, wird sich aus der folgenden Untersuchung ergeben."
Nun ist das Objekt der Untersuchung festgestellt. Es handelt sich darum zu untersuchen, wie das positive Recht entsteht, da nach SAVIGNY die Ansicht von der Entstehung des positiven Rechts im Zusammenhang steht mit dem Vorschlägen der Kodifikation. Das Problem der Entstehung des positiven Rechts steht demnach hier im Vordergrund, und von der Lösung desselben ist die Kodifikationsfrage und ihre Lösung bedingt. Der Ausgangspunkt SAVIGNYs ist die Geschichte, die Geschichte als empirische Tatsache genommen.
    "Wo wir zuerst urkundliche Geschichte finden, hat das bürgerliche Recht schon einen bestimmten Charakter, dem Volk eigentümlich, sowie seine Sprache, Sitte, Verfassung." (15)
Ja, diese Erscheinen haben kein abgesondertes Dasein, es sind nur einzelne Kräfte und Tätigkeiten des Volkes, in der Natur untrennbar verbunden, die in unserer Betrachtung als besondere Eigenschaften erscheinen. Das heißt: Sitte, Sprache, Verfassung, Recht - diese Kräfte und Tätigkeiten eines Volkes bilden eine Einheit, sind untrennbar, bilden einen "Organismus", einen organischen Zusammenhang, haben "kein abgesondertes Dasein", nur unserer Betrachtung erscheinen sie als besondere Eigenschaften.
    "Was sie zu einem Ganzen verknüpft, ist die gemeinsame Überzeugung des Volkes, das gleiche Gefühl innerer Notwendigkeit, welches alle Gedanken an eine zufällige und willkürliche Entstehung ausschließt."
Und dieser organische Zusammenhang des Rechts mit dem Wesen und Charakter des Volkes bewährt sich auch mi Fortgang der Zeiten (16). Das Recht wächst also mit dem Volk weiter, bildet sich mit diesem und stirbt schließlich ab, so wie das Volk seine Eigentümlichkeit verliert. SAVIGNY faßt seine Ansichten über die Entstehung des positiven Rechts in folgenden Worten zusammen (17):
    "Die Summe dieser Ansicht ist also, daß alles Recht auf die Weise entsteht, welche der herrschende, nicht ganz passende Sprachgebrauch als  Gewohnheitsrecht  bezeichnet, d. h., daß er erst durch Sitte und Volksglaube, dann durch Jurisprudenz erzeugt wird, überall also durch innere, still wirkende Kräfte, nicht durch die Willkür eines Gesetzgebers."
Das Recht entsteht nicht lediglich durch die gesetzgebende Gewalt (18), sondern historisch notwendig, und demgemäß ist SAVIGNY ein Vertreter des Determinismus (19), d. h. er befürwortet jene Geschichts- und Sozialphilosophie, die eine große Rolle in den gesamten Geisteswissenschaften des vorigen Jahrhunderts spielt. Da das Recht vom Volksgeist erzeugt wird, und der Volksgeist von Nation zu Nation verschieden ist, ferner selbst der Volksgeist bei der gleichen Natrion von Zeit zu Zeit verschieden ist, so folgt daraus, was für große Schwierigkeiten für die Kodifikation entstehen müssen, wie ungeheuer schwierig die Aufgaben sind, die die Kodifikation zu erfüllen hat. Diese Fähigkeit spricht SAVIGNY seinem Zeitalter ab. Da das Recht in seiner Entwicklung eine empirische Mannigfaltigkeit aufweist, so ist das historische Studium desselben im Interesse der Kodifikation unentbehrlich (20), d. h. der Zeit einer Kodifikation muß das historische Studium der Rechtsquellen vorangehen. Wir haben es also hier mit einer bestimmten Theorie und der daraus konsequent folgenden Praxis zu tun. Es ist aber keineswegs lediglich eine Rechtstheorie, sondern vielmehr eine  Weltanschauung die SAVIGNY zu begründen sucht; die historische Juristenschule, wie wir sie in der Begründung SAVIGNYs finden, ist nicht bloß als Problem einer  Fachwissenschaft  zu betrachten, sondern als Grundlegung einer gewissen Welt- und Gesellschaftsauffassung. Dies erfahren wir aus den Ausführungen von SAVIGNY über den Gegensatz der "Schulen" in der Rechtswissenschaft, die wir hier ausführlich mitteilen wollen, da sie das Wesen der historischen Methode von SAVIGNY zum Ausdruck bringen.
    "Wer die mannigfaltigen Ansichten und Methoden, die von jeher unter den deutschen Juristen herrschend gewesen sind", sagt  Savigny  (21) - "genau betrachtet, wird finden, daß sie sich auf zwei Hauptklassen, die Juristen selbst auf zwei Schulen, zurückführen lassen, zwischen welchen alleine eine Grundverschiedenheit angenommen werden kann ... "
Und er (22) fährt fort:
    "Die eine dieser Schulen ist durch den Namen der  geschichtlichen  hinlänglich bezeichnet. Für die andere dagegen ist ein positiver Name kaum zu finden möglich, indem sie sich nur in einem Widerspruc gegen die erste eins ist, außerdem aber in den verschiedensten und widersprechendsten Formen auftritt, und sich bald als Philosophie und Naturrecht, bals als gesunder Menschenverstand ankündigt. Wir wollen sie daher in Ermangelung eines anderen Ausdrucks die  ungeschichtliche  Schule nennen."
Und er (23) sagt weiter:
    "Dies ist also die allgemeine Frage: In welchem Verhältnis steht die Vergangenheit zur Gegenwart oder das Werden zum Sein? Und hierüber lehren die einen, daß jedes Zeitalter sein Dasein, seine Welt frei und willkürlich selbst hervorbringt, gut und glücklich oder schlecht und unglücklich, je nach dem Maß seiner Einsicht und Kraft. In diesem Geschäft sei auch die Betrachtung der Vorzeit nicht zu verachten, indem von ihr gelernt werden kann, wie sie sich bei ihrem Verfahren befunden habe; die Geschichte also sei eine moralisch-politische Beispielsammlung. Aber diese Betrachtung sei doch nur eine von vielen Hilfskenntnissen, und das Genie könne auch ihrer wohl entraten."
Und er (24) fährt fort:
    "Nach der Lehre der andern gibt es kein vollkommenes einzelnes und abgesondertes menschliches Dasein: Vielmehr, was als einzeln angesehen werden kann, ist von einer anderen Seite her betrachtet, Glied eines höheren Ganzen. So ist jeder einzelne Mensch notwendig zugleich als Glied einer Familie, eines Volkes, eines Staates zu denken; jedes Zeitalter eines Volkes als die Fortsetzung und Entwicklung aller vergangenen Zeiten, und eine andere als diese Ansicht ist eben deshalb einseitig und, wenn sie sich allein geltend machen will, falsch und verderblich. Ist aber dies so, so bringt nicht jedes Zeitalter für sich und willkürlich seine Welt hervor, sondern es tut dies in unauflöslicher Gemeinschaft mit der ganzen Vergangenheit. Dann also muß jedes Zeitalter etwas Gegebenes anerkennen, welches jedoch notwendig und frei zugleich ist; notwendig, insofern es nicht von der besonderen Willkür der Gegenwart abhängig ist; frei, weil es ebensowenig von irgendeiner fremden besonderen Willkür (wie der Befehl des Herrn an seinen Sklaven) ausgegangen ist, sondern vielmehr hervorgebracht von der höheren Natur des Volkes als eines stets werdenden, sich entwickelnden Ganzen. Von diesem höheren Volk ist ja auch das gegenwärtige Zeitalter ein Glied, welches in jenem und mit jenem Ganzen will und handelt, so daß, was von jenem Ganzen gegeben ist, auch von diesem Glied frei hervorgebracht genannt werden darf. Die Geschichte ist dann nicht auch bloß eine Beispielsammlung, sondern der einzige Weg zur wahren Erkenntnis unseres eigenen Zustandes. Wer auf diesem geschichtlichen Standpunkt steht, urteilt ferner über das entgegengesetzte Verfahren auch so. Es ist nicht etwa die Rede von einer Wahl zwischen Gutem und Schlechtem, so daß das Anerkennen eines Gegebenen gut, das Verwerfen desselben schlecht, aber gleichwohl möglich wäre. Vielmehr ist dieses Verwerfen des Gegebenen der Strenge nach ganz unmöglich, es beherrscht uns unvermeidlich, und wir können uns nur darüber täuschen, nicht es ändern."
SAVIGNY (25) führt weiter aus, daß es eine Zeit gab, wo die Absonderung des Einzelnen vom Ganzen streng und mit großem Selbstvertrauen durchgeführt wurde, nicht bloß die Absonderung der Gegenwart von der gering geschätzten Vorzeit, sondern auch die einzelnen Bürger vom Staat. Diese letzte ist durch schwere Erfahrungen für verkehrt und heillos erkannt worden, und so viele sie auch noch jetzt in ihren Herzen hegen und praktisch üben mögen, so wird sie doch in der Theorie nicht mehr leicht gewagt. Ganz anders mit jener Absonderung der Gegenwart von der Vergangenheit, die noch jetzt überall laute und fröhliche Bekenner findet, obgleich es inkonsequent ist, die eine zu verwerfen, während man die andere bekennt.
    "Der Grund", meint  Savigny, - "warum sich dieser geschichtliche Egoismus (wie man jene erste Absonderung nennen könnte) so viel länger als der andere erhalten hat, liegt nahe darin, daß so viele, freilich ohne es selbst zu wissen, ihre eigene, persönliche Betrachtung des Weltlaufs mit dem Weltlauf selbst verwechseln und so zu dem täuschenden Gefühl gelangen, als habe mit ihnen und ihren Gedanken die Welt angefangen." (26)
Aufgrund (27) dieser allgemeinen geschichtsphilosophischen Ausführungen unternimmt es SAVIGNY, den Gegensatz der "Schulen" in der Rechtswissenschaft näher zu präzisieren, den Unterschied, der zwischen geschichtlicher und ungeschichtlicher Ansicht in der Rechtswissenschaft besteht, festzustellen.
    "Die geschichtliche Schule" - sagt  Sagvigny - "nimmt an, der Stoff des Rechts sei durch die gesamte Vergangenheit der Nation gegeben, doch nicht durch Willkür, so daß er zufällig dieser oder ein anderer sein könnte, sondern aus dem innersten Wesen der Nation selbst und ihrer Geschichte hervorgegangen. Die besonnene Tätigkeit jedes Zeitalters aber müsse darauf gerichtet werden, diesen mit innerer Notwendigkeit gegebenen Stoff zu durchschauen, zu verjüngen und frisch zu erhalten. Die ungeschichtliche Schule dagegen nimmt an, das Recht werde in jedem Augenblick durch die mit der gesetzgebenden Gewalt versehenen Personen mit Willkür hervorgebracht, ganz unabhängig vom Recht der vorhergehenden Zeit und nur nach bester Überzeugung, wie sie der gegenwärtige Augenblick gerade mit sich bringt. Daß also in irgendeinem Augenblick nicht das ganze Recht neu und vom vorigen völlig verschieden eingerichtet wird, kann diese Schule nur daraus erklären, daß der Gesetzgeber zur rechten Ausübung seines Amtes zu träge war, er müßte denn zufälligerweise die Rechtsansichten des vorigen Augenblicks auch jetzt noch für wahr gehalten haben. Wie durchgreifend der Widerstreit dieser Schulen sei, wird jeder inne, wenn er die Anwendung dieser Grundsätze auf das Einzelne versuchen will. Das Geschäft der gesetzgebenden Gewalt, besonders die wissenschaftliche Behandlung des Rechts - alles wird von Grund aus anders, je nach der einen oder anderen Ansicht." (28)
Und schließlich mögen, der Vollständigkeit halber, noch einige Äußerungen SAVIGNYs hier Platz finden, um seinen Standpunkt richtig zu erfassen.
    "Fragen wir ferner nach dem Subjekt", - sagt  Savigny (29) - "in welchem und für welches das positive Recht sein Dasein hat, so finden wir als solches das Volk. Im gemeinsamen Bewußtsein des Volkes lebt das positive Recht, und wir haben es daher auch  Volksrecht  zu nennen. Es ist dieses aber keineswegs so zu denken, als ob es die einzelnen Glieder des Volkes wären, durch deren Willkür das Recht hervorgebracht wurde; denn diese Willkür der Einzelnen könnte vielleicht zufällig dasselbe Recht, vielleicht aber und wahrscheinlich ein sehr mannigfaltiges erwählen. Vielmehr ist es der in allen einzelnen gemeinschaftlich lebende und wirkende Volkgsgeist, der das positive Recht erzeugt, daß also hier das Bewußtsein jedes Einzelnen nicht zufällig, sondern notwendig ein und dasselbe Recht ist."
Wie aus den Ausführungen hervorgeht, beantwortet SAVIGNY das historische Studium. Es muß aber betont werden, daß SAVIGNY es nicht einseitig befürwortete, d. h. das historische Verfahren war für ihn keine  ausschließliche  Methode. Darüber geben uns folgende Worte SAVIGNYs Aufschluß. Er (30) sagt:
    "Alles Gelingen in unserer Wissenschaft beruth auf dem Zusammenwirken verschiedener Geistestätigkeiten. Um eine derselben und die aus ihr vorzugsweise entspringende wissenschaftliche Richtung in ihrer Eigentümlichkeit zu bezeichnen, war früher von mir und andern arglos der Ausdruck der historischen Schule gebraucht worden. Es wurde damals diese Seite der Wissenschaft besonders hervorgehoben, nicht um den Wert anderer Tätigkeiten und Richtungen zu verneinen oder auch nur zu vermindern, sondern weil jene Tätigkeit lange Zeit hindurch von andern versäumt worden war, als vorübergehend mehr als andere einer eifrigen Vertretung bedurften, in ihr natürliches Recht wieder einzutreten."
Es ist klar, daß SAVIGNY die Befürwortung des einseitigen Historismus fern lag. (31)

Im Vorausgegangenen sind die Ansichten SAVIGNYs ausführlich mitgeteilt worden, und zwar größtenteils mit seinen eigenen Worten selbst. Wegen der Wichtigkeit und der Bedeutung der Stellung SAVIGNYs innerhalb der historischen Juristenschule ist diese ausführliche Darstellung geschehen. Es darf nämlich nicht vergessen werden, daß SAVIGNY der einzige in der historischen Juristenschule ist, der es unternommen hatte, die geschichtliche Methode theoretisch zu begründen. SAVIGNY hat die geschichtliche Methode theoretisch und praktisch gefördert. Jeder, der mit der geschichtlichen Methode der Rechtswissenschaft zu tun hat, unabhängig ob in einem positiven oder negativen Sinn des Wortes, ist darauf angewiesen, auf SAVIGNY zurückzugreifen. SAVIGNYs Ansichten sind diesbezüglich grundlegend und epochemachend, und aus diesem Grund wollen wir sie nun zusammenfassen.

Wie wir gesehen haben, beruth die geschichtliche Methode bei SAVIGNY auf einer Reihe von theoretischen Erwägungen. Diese theoretischen Erwägungen bilden nicht nur eine spezielle Auffassung von der Rechtswissenschaft, sondern vielmehr eine ganze  Weltanschauung.  Mit anderen Worten: die geschichtliche Methode SAVIGNYs ist eine Weltanschauung, und eine nähere Betrachtung seiner Ansichten wird uns dies auch bestätigen.

Die geschichtliche Methode SAVIGNYs wird von einer ganz bestimmten Grundauffassung über die Beziehungen zwischen  Individuum  und  Gattung  getragen. Und diese Grundauffassung geht auf ein bestimmtes erkenntnistheoretisches Problem zurück; nämlich über die Beziehung zwischen  Subjekt  und  Objekt,  ein Problem der Erkenntnistheorie, das bereits die Philosophie des Altertums beschäftigte, und welches von verschiedenen Systemen der Erkenntnistheorie auch verschieden gelöst wurde. Dieses Problem beschäftigte auch die Philosophie der Neuzeit und steht gegenwärtig im Vordergrund der philosophischen Diskussion. Das Problem über die Beziehung zwischen Subjekt und Objekt verdichtet sich in verschiedenen "Fachwissenschaften" zu Problemen der Spezialwissenschaften, da durch die wissenschaftliche Arbeitsteilung der philosophische Zusammenhang mehr und mehr verloren geht. Faßt man aber die Spezialprobleme der Fachwissenschaften etwas näher in Auge, so stellt es sich heraus, daß diese Spezialprobleme auf Probleme der Erkenntnistheorie zurückgehen (32). Das Problem Subjekt-Objekt verdichtet sich in der Soziologie zum Problem über die Beziehung zwischen Individuum und Gattung, während es in der Geschichtswissenschaft im Problem über die Beziehungen zwischen den Heroen und der Masse zum Ausdruck kommt. Und in der Wirtschaftswissenschaft gelangt dasselbe Problem in der Frage des  Wertes  zum Ausdruck. Diesbezüglich nimmt SAVIGNY eine bestimmte Stellung ein, indem die  Gattung,  der Volksgeist, seinen Ausgangspunkt bildet, die  Masse die objektiven Bedingungen und nicht das Individuum (33). Die objektive historische Wirklichkeit mit ihrer Mannigfaltigkeit determiniert und bedingt den menschlichen Willen. Dementsprechend ist SAVIGNY Determinist und Vorläufer der  Milieutheorie,  einer Theorie, welcher bereits BODIN und MONTESQUIEU Bausteine geliefert haben, die BUCKLE nach einer physikalisch-geographischen Richtung weiter entwickelt haben, bis endlich HIPPOLYTE TAINE eine abgerundete Theorie daraus konstruierte. Aus diesem Gesichtspunkt erscheint SAVIGNY als Gesellschafts- und Geschichtsphilosoph.

Ein zweiter Punkt ist in der Lehre von SAVIGNY, von einem philosophischen Standpunkt her betrachtet, durchaus wichtig. SAVIGNY steht auf dem Boden der durchgängigen Kausalität, die  historische Kontinuität  der Rechtsformen und der Rechtsnormen im kausalen Zusammenhang bildet die Grundlage seiner Betrachtungsweise. Hier haben wir es mit zwei sehr wichtigen Problemen der Erkenntnis zu tun, mit Bezug auf welche SAVIGNY eine bestimmte Stellung einnimmt, Probleme, welche gegenwärtig in der Erkenntnistheorie und in den gesamten Geisteswissenschaften eine eminent wichtige Rolle spielen. SAVIGNY lehnt jede teleologische (34) Betrachtungsweise entschieden ab, indem er von der  historischen Notwendigkeit  ausgeht, er befürwortete also die  kausale  Betrachtungsweise. Und wenn gegenwärtig die gesamten Geisteswissenschaften (und zum Teil auch die Naturwissenschaften) der Streit beschäftigt, ob  Zweckbegriff  oder  Kausalitätsbegriff  für die wissenschaftliche Betrachtung das Richtige ist, so gehört SAVIGNY zu denjenigen Denkern, die mit Nachdruck die Kausalität betonen. Bekanntlich bekämpften die Auffassung von SAVIGNY, d. h. die kausale Erklärung des Rechtslebens, von JHERING (35) und RUDOLF STAMMLER, indem sie die Zweckbetrachtung in den Vordergrund stellen.  Zweck  und  Ursache - das sind die Scheidungslinien der verschiedenen Weltanschauungen.

Und schließlich ist SAVIGNY Anhänger einer  durchgängigen Kausalität,  die historische Kontinuität ist der Boden, auf dem seine geschichtliche Methode fußt,  post hoc, ergo propter hoc! [danach, also deswegen - wp] Das ist das Wesen seiner wissenschaftlichen Auffassung der Erscheinungen.

Der dritte Punkt in der Lehre SAVIGNYs ist der  Relativismus  in einem weiteren Sinn des Wortes. Er bestreitet die Erreichung einer "absoluten Vollkommenheit" in der Gegenwart und die Negierung der Vergangenheit. Auch unsere Vorfahren sind keine Toren gewesen! könnte er mit JUSTUS von MÖSER sagen. SAVIGNY ist ferner Relativist in dem Sinne, daß nach ihm jedes Zeitalter Produkt von bestimmten Bedingungen ist und damit auch das Rechtsleben von Zeit zu Zeit der Veränderung unterliegt. Das Recht kann nur unter dem Gesichtspunkt des ewig Fließenden begriffen werden, daß alles den Wandlungen der Zeiten unterworfen ist. Diesbezüglich, das heißt was den Relativismus der Rechtserscheinungen anbelangt, steht SAVIGNY unter dem Einfluß von MONTESQUIEU, er hat bei MONTESQUIEU viel geschöpft (36). Dieser Relativismus ist auch Gemeingut der Rechtswissenschaft geblieben (37). Die Ausfälle THIBAUTs gegen MONTESQUIEU sind daher begreiflich. Was SAVIGNY mit MONTESQUIEU theoretisch Gemeinsames hat, ist das  Entwicklungsprinzip,  aufgebaut auf einer relativistischen Grundlage. Die geschichtliche Methode SAVIGNYs bedeutet  Evolutionismus (38) und  Relativismus (39).

Der vierte wichtige Punkt der Lehre von SAVIGNY ist die  organische  Auffassung der Rechtserscheinungen. Allerdings war die Bezeichnung  organische (40) nicht glücklich gewählt, aber Name ist Dunst, Schall, Raum, daher können wir hier von der Form absehen und uns mehr mit dem Inhalt befassen, nämlich zu erfassen suchen, was SAVIGNY unter  organisch  versteht. Und dies läßt sich mit wenigen Worten charakterisieren. Das Recht kann nicht nach der Auffassung von SAVIGNY isoliert betrachtet werden, sondern nur im Zusammenhang mit dem ganzen Kulturleben. Sprache, Sitte, Religion, Recht, Verfassung u. a., kurz die verschiedenen Elemente, aus denen das gesamte Kulturleben zusammengesetzt ist, bilden eine Einheit, einen Zusammenhang, stehen zueinander in enger Fühlung und Wechselwirkung. Und da sie miteinander verknüpft und verbunden sind, so folgt daraus, daß mit der Veränderung eines Elementes notwendigerweise der ganze Zusammenhang davon getroffen sein wird. Hat beispielsweise die Sitte eines Volkes eine Veränderung erfahren, so wird dies auch auf die Gestaltung des Rechtslebens des betreffenden Volkes einen Einfluß ausüben. Das Gleiche gilt auch von den übrigen Elementen, die das Kulturleben bilden, z. B. von Religion, Erziehung, Politik, Verfassung etc. Daraus folgt, daß die isolierende abstrakte Methode für die Erforschung des Rechts unzulänglich ist. Die organische Methode steht demgemäß im Gegensatz zur Methode der isolierenden Abstraktion. Dies ist sehr wichtig für die Entwicklung der Methodologie der Wirtschaftswissenschaft, wie wir später sehen werden. Und nicht umsonst hat sie, die organische Methode, MENGERs (41) Widerspruch hervorgerufen. Die organische Auffassung im Sinne von SAVIGNY ist die  objektivistische Betrachtung  der Entstehung des Rechts. Wir haben bereits festgestellt, daß der  Objektivismus (42) eine der Grundlagen der Theorie von SAVIGNY bildet. Speziell in der organischen Betrachtung der Entstehung des Rechts gelangt der Objektivismus zum vollen Ausdruck. Das Recht kann nicht, nach SAVIGNYs Meinung, isoliert betrachtet werden, deswegen ist es falsch, den Ursprung (43) des Rechts mechanisch zu erklären, d. h. die Entstehung des Rechts als eine Erscheinung für sich ohne einen Zusammenhang mit anderen Seiten des Volkslebens zu betrachten und lediglich auf die Betätigung des freien Willens zurückzuführen, der nur aus zweckmäßigen Rechtserwägungen geleitet wird. Die  mechanische  Auffassung steht hier im Gegensatz zur  organischen.  Dies kommt folgendermaßen zum Ausdruck: Als  mechanische  Auffassung haben wir diejenige Betrachtungsweise zu verstehen, nach der die Teile einer Erscheinung primär sind, das Ganze umgekehrt sekundär ist. Das Gegenteil behauptet die organische Auffassung, primär das Ganze, die Teile hingegen sind sekundär. Der Streit bezüglich der Entstehung des Rechts ist dann nach folgender Weise aufzufassen: Recht, Sitte, Sprache, Abstammung, Religion etc. bilden das Volksleben als Einheit, als Ganzes, das aus verschiedenen Elementen zusammengesetzt ist. Nach der organischen Auffassung, nach der das Ganze primär ist, muß das Recht vom ganzen Zusammenhang abgeleitet werden, keineswegs für sich genommen und betrachtet werden, weil es seine Existenz dem Ganzen verdankt, von ihm bedingt wird. Umgekehrt nach der mechanischen Auffassung: zuerst sind die Teile, nachher das Ganze, die ersten bedingen die Existenz des letzteren, daher muß das Recht unabhängig für sich erfaßt werden. Das Recht erscheint in seiner Entstehung frei, durch Gesetzgebung, die durch Rechtszwecke geleitet wird. Diese mechanische Auffassung hat eine  individualistischen Ursprung,  denn nach ihr sind die Teile primär, und nicht mit Unrecht bezeichnete sie SAVIGNY als geschichtlichen Egoismus" (44). Die organische Auffassung von SAVIGNY bildet zugleich ein bestimmtes System der Gesellschafts- und Geschichtsphilosophie.

Der fünfte Punkt in der Lehre von SAVIGNY ist die Frage nach der Fähigkeit der  Kodifikation  seiner Zeit. Er hat seiner Zeit die Fähigkeit für Kodifikation abgesprochen, da die Bedingungen dazu noch fehlten. Es muß aber betont werden, daß die Frage nach der Kodifikationsfähigkeit in theoretischer Hinsicht nur einen  untergeordneten Wert  hat (45). Man kann der theoretischen Weltanschauung SAVIGNYs huldigen, ohne ihm bezüglich der Kodifikationsfrage beizupflichten; denn die Kodifikationsfähigkeit ist von SAVIGNY zum größten Teil deswegen abgesprochen worden, weil die deutsche Rechtswissenschaft nach seiner Meinung noch nicht reif genug dafür wäre; mit anderen Worten: Die Bejaung und die Verneinung der Kodifikationsfähigkeit zur Zeit SAVIGNYs war von einer wissenschaftlichen Wertung der damaligen Rechtswissenschaft abhängig.

In diesem Zusammenhang sei es gestattet, die Stellung SAVIGNYs zur Kodifikationsfrage näher auszuführen. Bekanntlich wird oft behauptet, daß SAVIGNY nicht nur  seiner,  sondern  jeder  Zeit die Kodifikationsfähigkeit abgesprochen (46) hat, was einer näheren Erörterung bedarf.

Aber bei näherer Prüfung muß die letzte Behauptung als irrtümlich bezeichnet werden. SAVIGNY lag fern, die Kodifikationsfähigkeit überhaupt zu bestreiten, denn was er untersucht, ist nämlich die Frage vom Beruf  unserer Zeit  für Gesetzgebung und Rechtswissenschaft. Dafür haben wir verschiedene Belege.

Im Abschnitt (47): "Unser Beruf zur Gesetzgebung" sagt SAVIGNY unter anderem:
    "Baco  forderte, daß die Zeit, in welcher ein Gesetzbuch gemacht wird, an Einsicht die vorhergehenden Zeiten übertreffen soll, wovon die notwendige Folge ist, daß manchem Zeitalter, welches in anderer Hinsicht für gebildet gelten mag, gerade diese Fähigkeit abgesprochen werden muß."
Er meint, daß die Meinung falsch ist, nach der jedes Zeitalter zu allem berufen ist (48). Und nachdem er ausführt, was für eine wissenschaftliche Bildung für die Kodifikation notwendig sei, sagt er (49) fortfahrend:
    "Nur fertig geworden ist von dieser Bildung noch sehr wenig, und aus diesem Grund leugne ich unsere Fähigkeit, ein löbliches Gesetzbuch hervorzubringen."
Und in einem anderen Zusammenhang (50) sagt er ausdrücklich, daß die historische Behandlung der Rechtswissenschaft nur als eine von verschiedenen Geistestätigkeiten aufzufassen sei, er ist also kein einseitiger Historiker. Demgemäß kann von einer Verneinung der Kodifikationsfähigkeit bei SAVIGNY überhaupt keine Rede sein.

Der sechste Punkt in der Lehre SAVIGNYs ist seine Stellung zum  Naturrecht die einen integrierenden Bestandteil seiner geschichtlichen Methode bildet. Jedenfalls, das muß hier betont werden, ist der Begriff  Naturrecht (51) kein genau umschriebener.  Naturrecht, natürliche Ordnung, natürlicher Lauf, natürliche Freiheit  sind Schlagwörter der Literatur des 18. Jahrhunderts. Nicht selten sind Ansichten über das Naturrecht von Naturrechtlern in der Literatur zu finden, die sich gegenseitig bekämpfen. Begriffe, wie ein Recht, das der Natur des Rechts entspricht, ein Recht, das der Natur des Menschen entspricht, oder ein Recht, das von einem Urzustand, einem Naturzustand, abgeleitet wird - sind gewiß nicht identisch. Und all das wird mit dem gleichen Begriff  Naturrecht  gekennzeichnet! Es ist klar, daß hier große Unklarheiten entstehen müsen. Es ist durchaus schwierig, einen allgemeinen Begriff über das Naturrecht aufzustellen, der der gesamten naturrechtlichen Literatur entsprechen würde. (52)

Bekanntlich wird von einem Gegensatz (53) zwischen  Naturrecht  und "historischer Schule" gesprochen, und da wir mit der Stellung SAVIGNYs zum Naturrecht zu tun haben, so ist hier am Platz, sich mit den diesbezüglichen Ausführungen STAMMLERs auseinanderzusetzen, da er eine besondere Stellung einnimmt.

STAMMLER (54) behauptet von der historischen Juristenschule, daß sie eine Widerlegung des Naturrechts geliefert hat. HUGO (55) habe selbst noch über "Naturrecht" gelesen und ein Lehrbuch verfaßt. Und was SAVIGNY anbelangt, so meint STAMMLER (56) folgendes:
    "Savigny  erklärt sich zwar gegen die Aufstellung eines über allen positiven Rechten schwebenden Normalrechts, welches eigentlich allen Völkern wohl tun würde, sogleich anstatt ihrer positiven Rechte anzunehmen",
und verwirft somit eine bestimmte Ausgestaltung der naturrechtlichen Frage durch einzelne Philosophen und politische Schriftsteller. Aber er widerlegt auch diese nicht, sondern fügt bloß hinzu:
    "Diese letzte Einseitigkeit entzieht dem Recht alles Leben überhaupt",
und steht dem Gedanken, daß es etwas Allgemeingültiges für alles Recht gebe, so wenig fern, daß er gerade eine  allgemeine Aufgabe  und ein  allgemeines Ziel  des Rechts postuliert. Jene allgemeine Aufgabe, welche sich auf die sittliche Bestimmung der menschlichen Natur, so wie sich dieselbe in der christlichen Lebensansicht darstellt, zurückführen läßt, hatten die einzelnen Völker auf ihre besondere Weise zu lösen. Sonach wirkt in jedem Recht das besondere, das nationale, aber auch das  allgemeine  Element,
    "aus reinsten und umittelbarsten, insofern darin die sittliche Natur des  Rechts im allgemeinen  wirksam ist; also die Anerkenung der  überall gleichen  sittlichen Würde und Freiheit des Menschen, die Umgebung dieser Freiheit durch Rechtsinstitute mit allem, was aus der Natur der Bestimmung dieser Institute durch praktische Konsequenz hervorgeht und was die Neueren  Natur  der Sache nennen."
STAMMLER glaubt dadurch den Beweis erbracht zu haben, daß SAVIGNY das Naturrecht nicht widerlegt hat, ferner daß er dem Gedanken nicht fernsteht, es demnach etwas Allgemeingültiges für alles Recht gibt. STAMMLER will dadurch den schroffen Gegensatz zwischen Naturrecht und geschichtlicher Rechtstheorie beseitigt wissen. Er geht weiter und behauptet (57):
    "Man beruft sich auf die verschiedenen Kulturzustände und auf die  mannigfachen Lebensinteressen.  Aber die natürliche Frage verlangt nicht notwendigerweise, daß gewisse Rechtssätze jetzt und überall angeführt werden sollten."
Demgegenüber muß entschieden betont werden, daß die Ausführungen von STAMMLER irrtümlich sind. SAVIGNY  hat sich mit dem Naturrecht auseinandergesetzt,  d. h. er hat diejenige Richtung zu widerlegen gesucht, die er mit dem Namen  Naturrecht  bezeichnete. Er sagt nämlich (58):
    "Als Vermittlung diente häufig die Überzeugung, daß es ein praktisches Naturrecht oder Vernunftrecht gebe, eine ideale Gesetzgebung für alle Zeiten und alle Fälle gültig, die wir nur zu entdecken brauchen, um das positive Recht für immer zu vollenden. Ob diese Ansicht von der Entstehung des positiven Rechts Realität hat, wird sich aus der folgenden Untersuchung ergeben." (59)
Diese Worte SAVIGNYs finden sich am Schluß seiner "Einleitung" zu seiner berühmten Schrift "Vom Beruf unserer Zeit" etc., in welcher er die Probleme ausführlich prüft und in einem anderen Sinn als in dem des  Naturrechts  (wohl gemerkt, Naturrecht nach der Auffassung Savignys) löst. SAVIGNY unterzieht die naturrechtliche Auffassung des Rechts einer Kritik, und trotzdem behauptet STAMMLER, er habe sich mit der Widerlegung des Naturrechts gar nicht beschäftigt!

Es ist ferner unzutreffend, wenn STAMMLER es unternimmt, aufgrund einiger Zitate SAVIGNYs die Stellung des letzteren zum Naturrecht festzustellen, und zwar in einem für das Naturrecht günstigen Sinn, was SAVIGNY durchaus fernlag. Denn wenn SAVIGNY zwei Elemente (60), ein individuelles und ein allgemeines, im Recht findet, und das allgemeine Element auf das Gemeinsame der menschlichen Natur zurückführt, so hat dies mit dem  Naturrecht  wirklich gar nichts zu tun. Niemand wird es leugnen wollen, daß ein Gemeinsames in der Natur der Menschen vorhanden ist, selbst der erbitterste Gegner des Naturrechts. Besonders wird der Anhänger der "organischen Notwendigkeit" der Entstehng des Rechts das Gemeinsame im Recht kaum leugnen wollen. Es ist daher nicht einzusehen, wie STAMMLER dazu verleitet wird, eine nähere Berührung zwischen der Theorie SAVIGNYs und dem Naturrecht herstellen zu wollen (61). Das ist ein unzulässiges Verfahren (62).

Es ist ferner unzutreffend, wenn STAMMLER, wie bereits wörtlich angeführt wurde, vom Naturrecht behauptet, daß es nicht notwendigerweise verlangt, daß gewisse Rechtssätze oder ein bestimmtes Rechtssystem  jetzt  und  überall  eingeführt werden sollten. Derselbst STAMMLER weiß in einem anderen Werk etwas anderes vom Naturrecht zu berichten. Er (63) sagt:
    "Der Fehler des Naturrechts lag darin, daß es eine  absolute  Geltung nicht nur für die Methode, sondern zugleich für den danach zu bearbeitenden Stoff behauptete."
Und ferner meint STAMMLER (64):
    "Was vor einiger Zeit eine völlig berechtigte Folge war, das kann bei der Veränderlichkeit des zu richtenden Stoffs in späteren Tagen nicht mehr richtig sein. Hier gilt es, den Fehler des Naturrechts zu vermeiden. Dieses nahm, wie wir wissen, ein  absolut  richtiges Recht an, das zwar konkrete Bestimmungen enthalten, aber doch unabänderlich und unbedingt gültigen Inhalts sein sollte."
Man sieht, daß STAMMLER sich in Bezug auf seine Auffassung widerspricht. Aus unseren Ausführungen folgt mit Bezug auf die Stellung von SAVIGNY zum Naturrecht: SAVIGNYs Theorie und Naturrecht sind Gegensätze. SAVIGNY liegt es fern, ein Recht für "alle Zeiten und Fälle" zu suchen. Auch die Entstehung des Rechts vollzieht sich nach der Auffassung SAVIGNYs ganz anders, als nach der des Naturrechts. Die geschichtliche Rechtstheorie suchte verschiedene Theorien des Naturrechts zu überwinden.

Auch noch andere wichtige Konsequenzen ergeben sich aus der Lehre SAVIGNYs, besonders auf dem des wissenschaftlichen Arbeitens. Die Pflege des historischen Studium überhaupt und das der Rechtswissenschaft insbesondere ist die praktische Konsequenze seiner Lehre.

Obgleich SAVIGNY kein Gegner der Rechtsphilosophie war (denn er spricht von zwei Elementen der Rechtswissenschaft, von Rechtsgeschichte und Rechtsphilosophie, die beide notwendig sind), so führt doch seine Methode zu einer Vernachlässigung der Rechtsphilosophie. Und aus diesem Grund ist die Entstehung der Opposition gegen die geschichtliche Richtung erklärlich.

Und schließlich, was besonders wichtig ist, die geschichtliche Methode von SAVIGNY wird von einer bestimmten Auffassung der Geschichte getragen und geleitet. Daß die geschichtliche Methode in enger Fühlung mit der methodologischen Geschichtsauffassung stehen muß, ist ohne weiteres einleuchtend. Nichtsdestoweniger war dies nicht der Fall im 19. Jahrhundert, d. h. in der Zeit des Aufblühens von der geschichtlichen Methode. Vielmehr begründete man "geschichtliche Methoden", ohne Stellung zur Geschichte genommen zu haben. Aufgrund der Ausführungen SAVIGNYs über die geschichtliche Methode können wir seine Geschichtsauffassung in etwa folgenden Worten kurz zusammenfassen: nbsp;Geschichte und Naturwissenschaft  sind methodologisch  identisch,  die Geschichte muß unter dem Gesichtswinkel der strengen Gesetzmäßigkeit betrachtet werden, die Erscheinungen entstehen und vergehen, werden und entwickelns sich  notwendig,  sie stehen zueinander in einem  Kausalnexus,  die Geschichte kennt keine Zwecke. Auch die Geschichte befaßt sich mit quantitativen Unterschieden, die menschlichen Handlungen sind determiniert. Die Geschichte ist demnach eine Art Naturwissenschaft, d. h. die naturwissenschaftliche Betrachtungsweise ist auch für die Geschichte maßgebend. Der organische Zusammenhang der Erscheinungen ist Gegenstand der Geschichte.

Und wenn wir die geschichtliche Auffassung SAVIGNYs mit der methodologischen Terminologie der modernen Geschichtswissenschaft charakterisieren wollen, so können wir sagen: SAVIGNY (65) ist als Vorläufer der "kulturhistorischen Methode" zu betrachten. Die Schule von LAMPRECHT kann sich wohl auf SAVIGNY berufen. Die Trennung von "Natur" und "Geschichte" aufgrund einer Zweck- und Werttheorie, wie sie besonders durch das Auftreten von WINDELBAND und RICKERT in der Philosophie, JHERING und STAMMLER in der Jurisprudenz, von BELOW, MEYER, SCHÄFER u. a. in der Geschichtswissenschaft, die auch in der Wirtschaftswissenschaft, wie auch auf anderen Gebieten der Geisteswissenschaften Anhänger findet, diese Richtung und wird von SAVIGNY zurückgewiesen. Damit ist die Geschichtsauffassung SAVIGNYs charakterisiert.

Es ist nicht unsere Aufgabe, die Methode SAVIGNYs hier einer kritischen Analyse zu unterziehen, da die Methode SAVIGNYs nur soweit hier in Betracht kommt, als sie imstande ist, die Methodologie ROSCHERs begreiflich zu machen. Nur aus diesem Grund haben wir die Methode SAVIGNYs näher ausgeführt. Aber einige kritische Bemerkungen mögen hier Platz finden, da sie auch einen Bezug auf die Methodologie der Wirtschaftswissenschaft haben. Wir sehen dabei aber ab von der Kritik er historischen Juristenschule, die seitens der  Zwecktheorie (66) geübt wurde, und beschränken uns lediglich auf diejenigen Bemerkungen, die allgemein logischer Natur sind.

Zuerst ist es auffallend, daß die Auffassung von der organischen Notwendigkeit der Entstehung des Rechts gerade durch die Rechtsgeschichte widerlegt werden kann. Dem nationalen Gesichtspunkt SAVIGNYs widerspricht die Rezeption des römischen Rechts. Mit Recht hat JHERING diesbezüglich gesagt:
    "Denn was hat das römische Recht mit der gesamten Vergangenheit der modernen Nationen, ihrem innersten Wesen und ihrer Geschichte zu tun? Ein Eindringling ist es, dem jede Legitimation abgeht und dessen Entfremdung konsequenterweise niemand eifriger hätte begehren müssen als  Savigny  und die historische Schule."
Die organische Notwendigkeit der Rezeption ist nicht einzusehen. Überhaupt ist die Frage nach den Bedingungen, ob sie für die Durchführung von gewissen Maßnahmen, welche die notwendigen und die entsprechenden sein sollen, eine durchaus schwierige und führt oft zu entgegengesetzten Resultaten, so daß man oft Gefahr läut, den objektiven Standpunkt zu verlieren. Hier schöpft die Zwecktheorie ihre Argumente gegen die kausale Betrachtung, indem sie die Werttheorie heranzieht, um die Erscheinungen zu erklären.

Ohne der Zwecktheorie beizustimmen, muß doch die Wichtigkeit des Problems betont werden. Wie oft wird darüber gestritten, ob dieses oder jenes den Bedingungen entspricht? (67)

Weiter ist die Frage: Wenn wir von einem Prinzip der Entwicklung ausgehen sollen, so sind die Erscheinungen unerklärlich, die außerhalb des historischen Zusammenhangs entstehen, die gewiß vorhanden sind. Mit Recht hat dies mit Bezug auf die Entwicklungsauffassung der Historiker von BELOW betont. Denn wir sehen in der Erfahrung, daß gewisse Erscheinungen entstehen und verschwinden. Wir werden später noch auf diese Frage zurückkommen.

Ferner steht die "organische Auffassung" mit der Erfahrung und der Individualisierung des  nationalen  Rechts in Widerspruch. Einerseits wird das Allgemeine, andererseits das Besondere befürwortet. Und schließlich ist der Begriff  Volksgeist  gar nicht abgeklärt.
LITERATUR Feitel Lifschitz, Die historische Schule der Wirtschaftswissenschaften, Bern 1914
    Anmerkungen
    1) Das hat bereits GEORG von BELOW getan. (Vgl. Zeitschrift für Sozialwissenschaft, 1904: Zur Würdigung der historischen Schule in der Nationalökonomie; interessant ist es, zu wissen, daß dies bereits MENGER betont hat. Vgl. seine Schrift "Die Irrtümer des Historismus", Seite 25 und 41.
    2) "Zur Methodik der Wirtschaftswissenschaft bei J. H. von Thünen" in den Jahrbüchern für Nationalökonomie, 1903; "J. B. Says Methodologie etc.", ebd. 1904; "Zur Methode der Wirtschaftswissenschaft bei Ricardo", ebd. 1907; "Adam Smiths Methode", Bern 1906.
    3) vgl. MENGERs "Untersuchungen", Seite 200.
    4) In seiner Rektoratsrede "Die historische und die kritische Methode in der Rechtswissenschaft" (1910, Seite 7f) macht KARL WIELAND einen Unterschied zwischen SAVIGNY und seiner "Schule", indem er nachzweisen sucht, daß die "Schule" und nicht SAVIGNY die Bahnen eines ausgeprägten Historismus betreten habe. Es ist klar, daß die Scheidung zwischen "Schule" und Meister nur dann logisch begründet werden kann, wenn das Wesen der Richtung analysiert und die Bestandteile, aus welchen sich diese Richtung zusammensetzt, genau untersucht sind. Die Trennung zwischen "Schule" und Meister ist ein durchaus wichtiges Problem für die Literaturgeschichte der gesamten Wissenschaften. In den letzten Jahrzehnten ist wiederholt der Versuch gemacht worden, eine Trennung zwischen "Schule" und Meister vorzunehmen, und die Geschichte der Philosophie und die der Wirtschaftswissenschaft bieten dafür viele Beispiele. Merkwürdig ist es, daß die Probleme der Geschichtsschreibung der Wissenschaften ganz unbearbeitet sind. Es kümmert sich fast niemand um sie. Sie weit man befugt ist, zwischen "Schule" und Meister Unterschiede zu machen, das kann nur von der logischen Lösung der Probleme der Geschichtsschreibung der Wissenschaften entschieden werden. Daß man in der letzten Zeit wiederholt solche Unterschiede feststellt, ist auf die empirische Forschungsweise zurückzuführen, die Tendenz, die Tatsachen zu individualisieren, bietet diesbezüglich reiches Material. Ob das wissenschaftliche Erkennen, dadurch gefördert wird, das ist eine andere Frage.
    5) WIELAND, a. a. O., Seite 6.
    6) IMMANUEL BEKKER, Über den Streit der historischen und der philosophischen Rechtsschule, Akademische Rede, Seite 4f, Heidelberg 1886.
    7) THIBAUT, Über die Notwendigkeit eines allgemeinen bürgerlichen Rechts für Deutschland, Seite 12, Heidelberg 1814.
    8) THIBAUT sagt a. a. O., Seite 51: "Wie oft haben wir nicht seit  Montesquieu  davon reden gehört, daß das Recht klüglich nach den Umständen, nach dem Boden, dem Klime, dem Charakter der Nation, sowie auch nach tausend anderen Dingen zu modifizieren sei. Ist man ja sogar mit diesen vorsichtigen Berücksichtigungen dahin gekommen ... Allein - man verzeihe mir die Stärke des Ausdrucks - ich kann in solchen Ansichten fast nur Verkehrtheiten und einen Mangel tiefer rechtlicher Gefühle entdecken."
    9) Bemerkenswert ist die Besprechung HUGOs über diese Schrift von SAVIGNY, die in den "Göttingische Gelehrten Anzeigen" (1814, 194. Stück) erschienen ist. Er sagt (Seite 1932) unter anderem folgendes: "Wie freute sich nun der Rezensent (Hugo), als er von seinem Freund  Savigny  erfuhr, daß dieser, trotz seiner Beschäftigung mit den gelehrtesten Untersuchungen über die Geschichte des römischen Rechts im Mittelalter, doch in einer eigenen Schrift die Wissenschaft gegen die Gesetzbücher retten wollte! Und wie freue er sich, als er nun das Buch las und ganz  Savigny  darin fand!  Den sollt ihr hören!  möchte er Juristen und Nichtjuristen zurufen ..." (Vgl. auch HUGO in den "Göttingische Gelehrten Anzeigen", 1815, 108. Stück, Seite 1065-1075.
    10) SAVIGNY, "Vom Beruf etc.", Seite 4
    11) SAVIGNY, "Vom Beruf etc.", Seite 5
    12) SAVIGNY, "Vom Beruf etc.", Seite 6
    13) SAVIGNY, "Vom Beruf etc.", Seite 6-7
    14) SAVIGNY, "Vom Beruf etc.", Seite 7
    15) SAVIGNY, "Vom Beruf etc.", Seite 8
    16) SAVIGNY, "Vom Beruf etc.", Seite 11
    17) SAVIGNY, "Vom Beruf etc.", Seite 13-14. Vgl. auch HUGO, Civil. Magazin, 1815, Bd. IV, Seite 89f; E. HUBER, "Bewährte Lehre" in BURCKHARDTs "Politischem Jahrbuch"; Bern 1911, Seite 30, Note.
    18) "Die Epoche der deutschen Jurisprudenz, die man nachher mit dem Namen historische Schule bezeichnet hat, fand eine Theorie des Rechts vor, in welcher der Staat von seiner natürlichen Grundlage, der Nation, emanzipiert und zu einem rein willkürlichen, mechanischen Gebilde gemacht worden war. Das Recht wurde allein auf die gesetzgebende Gewalt zurückgeführt." PUCHTA, "Kritik von Georg Beselers Volksrecht und Juristenrecht, Berlin 1844, Seite 4. Und weiter (Seite 10) mein PUCHTA: "Die Zurückführung des Gewohnheitsrechts auf der Nation eingeborenen Rechtssinn, auf die unmittelbare Volksüberzeugung, die sich in de Gliedern des Volks und ihrem Rechtsleben manifestiert, ist der Schritt, den die historische Schule in der Theorie der Entstehung des Rechts getan hat."
    19) "Überhaupt wird sich jeder durch ein gründliches Studium der Literaturgeschichte überzeugen, wie weniges in ihren Erscheinungen ganz den einzelnen Individuen, unabhängig von den Kräften und Bestrebungen des Zeitalters und der Nation, mit Wahrheit zugeschrieben werden kann." (SAVIGNY, a. a. O., Seite 126)
    20) "Ihr Bestreben (der historischen Methode) geht vielmehr dahin, jeden gegebenen Stoff bis zu seiner Wurzel zu verfolgen und so sein organisches Prinzip zu entdecken, wodurch sich von selbst das, was noch Leben hat, von demjenigen absondern muß, was schon abgestorben ist und nur noch der Geschichte angehört." (SAVIGNY, a. a. O., Seite 117-118.
    21) SAVIGNY, "Über den Zweck dieser Zeitschrift" in der "Zeitschrift für geschichtliche Rechtswissenschaft", 1815, Bd. 1, Seite 1
    22) SAVIGNY, Über den Zweck etc., Seite 2
    23) SAVIGNY, Über den Zweck etc., Seite 2-3
    24) SAVIGNY, Über den Zweck etc., Seite 3-4
    25) SAVIGNY, Über den Zweck etc., Seite 4-5
    26) SAVIGNY, Über den Zweck etc., Seite 6
    27) SAVIGNY, Über den Zweck etc., Seite 5
    28) Wie weit SAVIGNYs Ansichten von einer bestimmten Geschichtsauffassung geleitet wurden, vgl. auch "Stimmen für und wider neue Gesetzbücher", in der Zeitschrift für geschichtliche Rechtswissenschaft, Bd. III, Seite 12
    29) SAVIGNY, "System des heutigen römischen Rechts", Bd. I, Seite 18-19, Berlin 1840.
    30) SAVIGNY, "System etc.", Bd. I, Seite XIII, Vorrede.
    31) Mit Recht sagt WIELAND: "Doch hat bereits  Savigny  die Gefahren einer zu ausschließlichen Pflege der Geschichte nicht verkannt. Die wachsende Entfremdung zwischen Theorie und Praxis, deren Versöhnung er von der Verwirklichung eines Programms vor allem erhofft hatte, ist ihm nicht verborgen geblieben. Zu sehr Historiker, um von einer einseitigen Verfolgung bestimmter wissenschaftlicher Richtungen alles Heil zu erwarten, betont er in der Vorrede zu seinem Lebenswerkt des selbst nur historisch bedingten Wert der geschichtlichen Forschung." (Die historische und die kritische Methode in der Rechtswissenschaft", Leipzig 1910, Seite 7)
    32) Vgl. meine Schrift "Untersuchungen über die Methodologie der Wirtschaftswissenschaft", Leipzig 1909
    33) Sehr charakteristisch ist es für SAVIGNY, wenn er sagt: "Überhaupt wird sich jeder durch ein gründliches Studium der Literaturgeschichte überzeugen, wie weniges in ihren Erscheinungen ganz den einzelnen Individuen, unabhängig von den Kräften und Bestrebungen des Zeitalters und der Nation, mit Wahrheit zugeschrieben werden kann." (Vom Beruf etc. Seite 126)
    34) Wenn hier von der  Teleologie  im Gegensatz zur  Kausalität  gesprochen wird, so geschieht es aus der Erwägung, daß diese terminologische Bezeichnung übersichtlich ist. Bekanntlich hat diese Bezeichnung seitens RICKERT Widerspruch hervorgerufen, denn der Zweckbegriff schließt die Kausalität nicht aus. Nach RICKERT müßte man von  zwei Arten  der Kausalität sprechen.
    35) von JHERING und STAMMLER sind die Rechtsphilosophen der Zweckbetrachtung, dabei bilden für JHERING die philosophischen Grundlagen die Lehren von LOCKE als  Erkenntnistheoretiker  und von BENTHAM als  Ethiker,  während STAMMLER von KANT ausgeht. Auch für SAVIGNY kommt LOCKE in Betracht, da der letztere auf MONTESQUIEU einen Einfluß ausgeübt hat. Übrigens beeinflußten SAVIGNY HEGEL und SCHELLING.
    36) Vgl. HEINRICH BRUNNER, Grundzüge der deutschen Rechtsgeschichte, Bd. 1
    37) "Wir kommen dabei zu dem Schluß, daß überhaupt die geschichtliche Auffassung und die Würdigung des Privatrechts nicht leicht anderswo so ganz in der Natur der Sache zu liegen scheint, wie gegenüber dem schweizerischen Privatrecht. Nur von der Geschichte aus gewinnen wir einen ausreichenden Einblick in den tieferen Gehalt des schweizerischen Privatrechts." - EUGEN HUBER, System und Geschichte des schweizerischen Privatrechts, Bd. 1, Allgemeine Einleitung.
    38) "Savignys  Lehre von der zeitlichen Bedingtheit und Wandelbarkeit des Rechts schließt, wie  Merkel  darlegt, bereits die konstituierenden Merkmale des später von der Naturwissenschaft mit so viel Erfolg verwerteten Entwicklungsbegriffs in sich, das Moment der Metamorphose, der Kontinuität und der Vererbung". - WIELAND, a. a. O., Seite 6. Wie bekannt, wurde SAVIGNY als Reaktionär hingestellt. Demgegenüber ist interessant, was LASSALLE diesbezüglich sagt: "So gilt in Deutschland besonders  Savigny,  der Chef der historischen Schule, als ein Hauptrepräsentant der reaktionären Partei, während seine Prinzipien über die erworbenen Rechte noch wahrhaft revolutionär und umwälzend zu nennen wären". (System der erworbenen Rechte, Bd. 1, Vorrede Seite VIII, 1861.
    39) Es ist daher unzutreffend, wenn MENGER (Untersuchungen Seite 205-206) von SAVIGNY sagt: "In diesen, dem Standpunkt  Burkes  auf dem Gebiet des Staatsrechts analogen Anschauungen, im Gegensatz zum Pragmatismus und Rationalismus auf dem Gebiet der Jurisprudenz, nicht aber etwa im Grundsatz der Relativität des Rechts und in der schon lange vorher von französischen Juristen betonten Bedeutung historischer Studien; für das Verständnis des letzteren liegt das Wesen der von  Savigny  und  Niebuhr  begründeten Juristenschule."
    40) Vgl. ALBERT THEODOR van KRIEKEN, Über die sogenannte organische Staatstheorie, 1873.
    41) Vgl. MENGERs "Untersuchungen".
    42) "Denn sie (die historische Juristenschule) beruth nicht auf  subjektiver Meinung,  sondern auf dem  objektiven Charakter der Wissenschaft."  - J. C. BLUNTSCHLI, Die neueren Rechtsschulen der deutschen Juristen, zweite Auflage, Zürich 1862, Seite 26.
    43) "Die damals herrschende Ansicht der älteren Juristen, in der auch  Thibaut  befangen war, ließ alles  positive Recht  aus Gesetzen entstehen, aus Gesetzen im Sinne von  ausdrücklichen Geboten oder Verboten der gesetzgebenden Gewalt.  Das  Gewohnheitsrecht  galt als eine trübe Quelle der Rechtsbildung ...  Savigny  faßte nun das Recht wie die Sprache und die Sitte wieder auf als eine Seite des  Volkslebens ..." (BLUNTSCHLI, a. a. O., Seite 14). "Vor der historischen Schule war das Verhältnis so aufgefaßt, daß das Recht nur aus der bewußten menschlichen Tat entstanden ist, zunächst durch Vertrag, dann auf dem Weg der Gesetzgebung, und Gewohnheits als mittelbare Gesetzgebung (Thibaut) betrachtet.  Hugo  hob zuerst hervor, daß die Gewohnheit eine selbständige Rechtsquelle ist, wenn auch von minderem Belang. Erst  Savigny  vertiefte das Problem und gab ihm die uns heute beschäftigende Gestalt." - EUGEN HUBER, "Bewährte Lehre" im  Politischen Jahrbuch,  Bern 1911, Seite 30, Note.
    44) Vgl. "Zeitschrift für geschichtliche Rechtswissenschaft", Bd. 1, Seite 6.
    45) Mit Recht meint BLUNTSCHLI: "So wichtig nun aber die Frage über die Zweckmäßigkeit neuer vollständiger Gesetzbücher ansich ist, so hat sie doch für die Bedeutung und wissenschaftliche Stellung der  historischen Schule  nur einen  untergeordneten Wert.  Und es ist ein großer Irrtum, zu meinen, daß die historische Ansicht vom Recht sich vornehmlich dadurch von den anderen wissenschaftlichen Richtungen in der Jurisprudenz unterscheidet, daß die Anhänger der ersteren  gegen  die Abfassung neuer Gesetzbücher, die der letzteren dagegen  für  dieselbe eingenommen sind." (a. a. O., Seite 12-13).
    46) "Denn daß  Savigny  nicht sowohl  seiner  Zeit, als vielmehr jeder irgendwelchen den Beruf zur (kodifizierenden) Gesetzgebung abgesprochen hat, ist oft genug schon mit Fug hervorgehoben worden." - STAMMLER, "Über die Methode der geschichtlichen Rechtstheorie", Halle/Saale, Seite 4.
    47) SAVIGNY in seiner Schrift "Vom Beruf " etc., Abschnitt 6, Seite 45
    48) SAVIGNY, ebd. Seite 45.
    49) SAVIGNY, ebd. Seite 49. Und ferner meint er: "Hat nun diese Arbeit (System der Pandekten) bei vielem Fleiß und guten Talenten bis jetzt nicht gelingen wollen, so behaupte ich, daß in unserer Zeit ein gutes Gesetzbuch noch nicht möglich ist, denn für dieses ist die Arbeit nicht anders, nur schwerer." (vgl. auch ebd. Seite 50). Ferner sagt er: "Der historische Stoff des Rechts, der uns jetzt überall hemmt, wird dann von uns durchdrungen sein und uns bereichern. Wir werden dann ein eigenes, nationales Recht haben, und eine mächtig wirksame Sprache wird ihm nicht fehlen." (ebd. Seite 133) Und weiter meint er: "Als das jüdische Volk am Berge Sinai das göttliche Gesetz nicht erwarten konnte, machte es aus Ungeduld ein goldenes Kalb, und darüber wurden die wahren Gesetzestafeln zerschlagen." (ebd. Seite 134)
    50) vgl. SAVIGNY, "System des heutigen römischen Rechts", Bd. I, Vorrede, Seite VIII, 1840. Auch WIELAND, a. a. O., Seite 7.
    51) Vgl. meine Schrift "Adam Smiths Methode", Bern 1906, Seite 53f. - "Unter dem Namen des  Naturrechts  fassen sich außerordentlich zahlreiche und voneinander abweichende Theorien zusammen." (STAMMLER, "Über die Methode der geschichtlichen Rechtstheorie", Seite 28. "So ist es, wenn eine  geschichtliche Schule  einer  naturrechtlichen  entgegengesetzt wird, als ob die Geschichte nach anderen als natürlichen Gesetzen vor sich ginge ..." (ALBERT van KRIEKEN, "Die sogenannte organische Staatstheorie", 1873, Seite 3.
    52) "Die Philosophie (des Naturrechts", welche nur anerkennt, was aus der Natur folgt, kann auch diese Quelle des Ethos nirgends anders als in der Vernunft suchen. Darin besteht das Naturrecht." (F. J. STAHL, "Geschichte der Rechtsphilosophie", Bd. I, 1878, Seite 111) Man kann fragen, ob die Vernunft als Erkenntnisvermögen des Rechts oder als Handlungsprinzip zu verstehen ist. Jedenfalls ergeben sich dabei verschiedene Konsequenzen, und die Einheit der begrifflichen Fassung geht verloren. STAMMLER (a. a. O., Seite 29), nachdem er betont, daß unter dem Namen "Naturrecht" sich außerordentlich zahlreiche und voneinander abweichende Theoreme zusammenfassen, meint: "Gemeinsam ist ihnen allen nur das eine, daß sie nach einem allgemein gültigen und notwendigen Prinzip für alles Recht durch das Mittel der Vernunfterkenntnis suchen." Demgegenüber ist zu betonen, daß es Schriftsteller gibt, die das Naturrecht und die historisch-empirische Methode zugleich befürworten. (Vgl. meine Besprechung in "Deutsche Literaturzeitung", 1907, Nr. 15)
    53) "Eine weit verbreitete Annahme geht dahin, daß durch die geschichtliche Rechtstheorie das  Naturrecht  wissenschaftlich überwunden worden ist. Innerhalb unserer gelehrten Jurisprudenz gibt es sogar wenige Behauptungen, die so gleichförmig zum Ausdruck kämen, wie die genannte." (STAMMLER, a. a. O., Seite 28)
    54) "Es ist eine feststehende Tatsache, daß die Koryphäen der historischen Rechtsschule eine wissenschaftliche Widerlegung der naturrechtlichen Frage gar nicht geliefert haben." (Stammler, ebd. Seite 30)
    55) STAMMLER, a. a. O., Seite 30
    56) 54) "Es ist eine feststehende Tatsache, daß die Koryphäen der historischen Rechtsschule eine wissenschaftliche Widerlegung der naturrechtlichen Frage gar nicht geliefert haben." (Stammler, ebd. Seite 30)
    55) STAMMLER, a. a. O., Seite 30
    56) STAMMLER, a. a. O., Seite 30
    57) STAMMLER, a. a. O., Seite 37
    58) SAVIGNY, "Vom Beruf unserer Zeit" etc., Seite 7.
    59) SAVIGNY, "Vom Beruf unserer Zeit" etc., Seite 7.
    60) "In demselben (Volksrecht) finden wir ein zweifaches Element: Ein individuelles, jedem Volk besonders angehörendes, und ein allgemeines, gegründet auf das Gemeinsame der menschlichen Natur. Beide finden ihre wissenschaftliche Anerkennung und Befriedigung in der Rechtsgeschichte und in der Rechtsphilosophie." (SAVIGNY, System des heutigen römischen Rechts, Bd. I, Seite 52)
    61) Es muß bemerkt werden, daß die Berufung STAMMLERs (a. a. O., Seite 31, Note) auf Seite 290 des "Systems des heutigen Rechts" unzutreffend ist; denn was er beweisen will, wird dort gerade bestritten.
    62) Ein ähnliches Verfahren ist es, wenn BERGBOHM in GIERKEs "Rechtsidee" die Gefahr des Rückfalls in das Naturrecht sieht. Vgl. OTTO GIERKE, "Johannes Althusius", Seite 366, Note, zweite Auflage, Berlin 1902.
    63) STAMMLER, Die Lehre vom richtigen Recht, Berlin 1902, Seite 118.
    64) STAMMLER, a. a. O., Seite 135-136.
    65) Mit Recht sagt von BELOW, daß SAVIGNYs Schule der "Neuen historischen Methode" vorgearbeitet hat. (Vgl. Historische Zeitschrift, 1898, Seite 200-201)
    66) Die  Zwecktheorie  ist zuerst von JHERING hervorgehoben worden und wird gegenwärtig aus anderen theoretischen Erwägungen von STAMMLER verfochten. Befremdend ist es, wenn KOHLER in einem abschätzigen Ton von JHERING spricht. So sagt er unter anderem:  "Jherings  Zweck im Recht fehlt jede metaphysische Grundlage." und ohne sich mit JHERING auseinanderzusetzen, fährt er fort: "Geht man gar über zu  Jherings  Zweck im Recht, so hat man das Gefühl einer Armeleutestube, den Boden mit Sand bestreut, die Fensterchen mit dürften Vorhängen versehen, soweit es die Geniertheit verlangt, und alles zusammengefaßt nach dem Nützlichen ..." (Enzyklopädie der Rechtswissenschaft, sechste Auflage, 1904, Seite 12-13) Daß eine metaphysische Grundlage notwendig ist und eine philosophische Grundlage nicht genügt, ist umso sonderbarer von einem Vertreter der  vergleichenden  Methode zu hören. Weniger Metaphysik und mehr Erkenntnistheorie würde KOHLER aufgeklärt haben, in welche Widersprüche er sich dadurch verwickelt. Übrigens findet man in seinem Beispiel mit der "Armeleutestube" als Auseinandersetzung mit JHERING wehr wenig Metaphysik. Oder ist dieses Beispiel mit der "Armeleutestube" als die Metaphysik der rechtsvergleichenden Methode anzunehmen?
    67) Charakteristisch ist diesbezüglich der Schmerzensruf GIERKEs gegen das BGB; da es nicht dem deutschen Rechtsbewußtsein entspricht, weil der Mann nicht mehr als der geborene Vertreter der Frau gilt! Die entgegengesetzte Meinung äußerte PLANCK. Welche von diesen Meinungen ist die  entsprechende,  ausgehend von der "organischen Notwendigkeit"?