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FRIEDRICH HARMS
Kants Problem
und seine Problemlösung

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"Aus den zwölf Urteilsformen entspringen nach Kant zwölf Begriffe, welche er die Kategorien oder die reinen Stammbegriffe des Verstandes nennt; Kategorien nennt er sie, weil sie allgemeinste Prädikate aller möglichen Gegenstände der Erfahrung bilden, und die Stammbegriffe des Verstandes, weil der Verstand diese Begriffe aus sich selber, aus den Formen des Denkens schöpft, durch deren Gebrauch er allein imstande ist, irgendeinen Gegenstand der Erfahrung zu erkennen."

"Wir können unsere Vorstellungen nicht mit den Dingen-ansich außerhalb unserer Vorstellungen und unabhängig von den Vorstellungen vergleichen, da wir stets nur Vorstellungen von den Dingen miteinander vergleichen können, über deren Übereinstimmung wir daher allein urteilen können. Wir können demnach nur formale Wahrheit erreichen in der Übereinstimmung der Vorstellungen miteinander, und diese Übereinstimmung besteht nicht in der Übereinstimmung einer Wahrnehmung mit einer anderen, den jede Wahrnehmung enthält nur Erscheinungen und hat nur subjektive Gültigkeit."

"In der Erkenntnis richtet sich deshalb das Denken nicht nach den Gegenständen, sondern diese richten sich nach den Formen des Denkens, d. h. die gegebenen empirischen Vorstellungen empfangen formale Objektivität oder Allgemeingültigkeit durch die Stammbegriffe des Verstandes, worunter sie in der Erkenntnis subsumiert und wodurch sie bestimmt werden."

"Der transzendentale oder kritische Idealismus, ist die Lehre, daß wir Menschen vermöge der Formen unseres Anschauens und Denkens nicht die Dinge-ansich, sondern nur ihre Erscheinungen zu erkennen vermögen. Denn wir können die Dinge nur erkennen in den Formen unseres Anschauens und Denkens und wissen daher nur, was sie sind, wenn wir sie in diesen Formen auffassen; nicht aber können wir wissen, was sie außerhalb dieser Formen, durch deren Gebrauch wir allein zu erkennen vermögen, ansich sind."


Die Kategorien: die Prinzipien
der Naturerkenntnis

Die Physik ist die zweite theoretische Wissenschaft, deren Möglichkeit KANT untersucht, indem er sich die Frage stellt, wie Erkenntnis von der Natur in synthetischen Urteilen a priori möglich ist. Von der Natur gibt es eine zweifache Erkenntnis nach der doppelten Bedeutung des Wortes Natur. In materieller Hinsicht ist Natur der Inbegriff aller Gegenstände der Erfahrung, wovon es nur eine empirische Erkenntnis gibt. Natur aber in formeller Bedeutung ist das Dasein der Dinge, insofern es nach allgemeinen Gesetzen bestimmt ist. Hiervor handelt die Physik oder die rationale Naturwissenschaften, welche die Gesetze der Phänomene.

Gesetze lassen sich nicht anschauen, sie können nur durch eine Intelligenz, durch den Gedanken erkannt werden. In sinnlichen Vorstellungen können Gesetze nicht aufgefaßt werden. Alle Gesetze bestimmen, wie etwas allgemein und notwendig ist. Alle Gesetze sind selbst ein a priori der Natur,, wodurch ihre Erscheinungen bestimmt werden. Das Allgemeine und Notwendige kann nicht gesehen, gehört und gefühlt, nicht durch die Sinne, sondern nur durch Begriffe vorgestellt werden.

Solche Gesetze enthält die allgemeine Naturwissenschaft, indem sie annimmt, daß in allem Wechsel der Erscheinungen Etwas bleibt und beharrt, daß die Quantität der Materie sich nicht verändert, daß Alles, was geschieht, jederzeit durch eine Ursache nach beständigen Gesetzen erfolgt. Durch diese Gesetze, welche Grundsätze für alle empirischen Erkenntnise der Natur enthalten, die darin zur Anwendung kommen, wird von den Gegenständen der Erfahrung etwas Allgemeines und Notwendiges ausgesagt. Das Problem, wie reine Naturwissenschaft möglich ist, ist daher die Frage, wie ist eine Erkenntnis von der Gesetzmäßigkeit aller Dinge, sofern sie Gegenstände der Erfahrung sind, möglich?

Da eine solche Erkenntnis aber nur durch den Verstand möglich ist, so kann die Frage auch so gestellt werden, wie sind Begriffe möglich, welche sich a priori, allgemein und notwendig auf die Gegenstände der Erfahrung beziehen.

Den Ursprung dieser Gesetze der Natur oder der allgemeinen und notwendigen Begriffe von der Natur vermögen wir nicht wie den Ursprung der Vorstellungen vom Raum und der Zeit in den Formen der Anschauung, sondern nur in den Formen des Denkens zu erkennen, da Gesetze nur intellektuell und nicht intuitiv erkennbar sind, und Begriffe nur aus dem Denken und nicht aus den Sinnen entspringen können. Die Untersuchung über den Ursprung und die Gültigkeit der Begriffe a priori heißt in der "Kritik der reinen Vernunft" die transzendentale Logik, wie die Lehre vom Ursprung und der Realität der Anschauungen a priori die transzendentale Ästhetik genannt wird.

Die Wissenschaft von der Anschauung heißt Ästhetik, die Wissenschaft vom Denken Logik. Es sei aber eine doppelte Art der Logik möglich, die formale und die transzendentale. Die formale Logik handelt von den Formen des Denkens, abgesehen von allem Inhalt, abgesehen von allen Objekten des Erkennens. Sie ist nur eine Formenlehre des Denkens. Die transzendentale Logik aber untersucht die Formen des Denkens, inwiefern dadurch die Gegenstände erkannt werden. Sie ist daher eine Erkenntnislehre und enthält eine Verbindung von Logik und Metaphysik oder Ontologie. Die Logik handelt für sich von der Form, die Metaphysik vom Gegenstand der Erkenntnis; die formale Logik und die dogmatische Metaphysik, welche durch die frühere Philosophie tradiert worden sind, beruhen auf der Scheidung und Trennung der Form vom Gegenstand und des Gegenstandes von der Form der Erkenntnis. KANTs transzendentale Logik enthält den ersten Versuch ihrer Verbindung, indem sie die Formen des Denkens untersucht nach ihrem Erkenntniswert, inwiefern dadurch die Gegenstände erkannt werden. Die Formen des Denkens untersucht sie nach der Wahrheit, welche dadurch erkannt wird. Die Formen des Denkens sind kein bloßes Kleid, das man beliebig anziehen und wieder ablegen kann, sondern die transzendente Logik zeigt, daß jede Form auch eine bestimmte Erkenntnis zur Folge hat. Die transzendentale Logik KANTs ist eine neue Wissenschaft der deutschen Philosophie, welche vorher nicht existierte und durch KANT erst begründet worden ist.

Die transzendentale Logik teilt KANT ein in die transzendentale Analytik und in die transzendentale Dialektik. Denn die intellektuelle Erkenntnis ist doppelt, sie bezieht sich entweder auf Gegenstände, welche in der Erfahrung gegeben sind, oder auf Objekte, wovon es in der Erfahrung keine angemessene Anschauung gibt. Die Logik, welche das Denken untersucht in Beziehung auf die Erkenntnis der Gegenstände der Empirie, heißt die Analytik, und die Logik, welche das Denken untersucht in Beziehung auf die Erkenntnis von Gegenständen, die in der Erfahrung nicht gegeben sind, heißt die Dialektik.

Die transzendentale Analytik beschäftigt sich mit der Auflösung der Frage, wie eine Naturwissenschaft von den Gesetzen aller Gegenstände der Erfahrung möglich ist, denn die Naturwissenschaft hat es immer mit Gegenständen einer möglichen Erfahrung zu tun, welche sie entweder empirisch erkennt aus den gegebenen Anschauungen, oder a priori nach den notwendigen Gesetzen, durch welche ihr Dasein bestimmt ist.

Für die Auflösung dieser Frage ist es zuerst notwendig, den Begriff des Denkens oder der intellektuellen Erkenntnis im Unterschied von der Erkenntnis der Sinne zu bestimmen. KANT bestimmt diesen Unterschied nach dem Ursprung und dem Gegenstand der Erkenntnis.

Vor KANT wurde die Erkenntnis nur nach ihrer logischen Verschiedenheit eingeteilt in die dunkle und verworrene Erkenntnis der Sinne und in die klare und deutliche des Verstandes, und die deutliche in die inadäquate und adäquate, in die symbolische und intuitive. Die adäquate und anschauliche Erkenntnis galt als die vollkommenste. Alle diese Verschiedenheiten sind nur Gradunterschiede und beziehen sich nur auf die Mittel des Verstandes in der Analyse der Begriffe.

KANT stellte eine andere Einteilung an die Stelle dieser aus der formalen Logik entnommenen Einteilung. Er unterscheidet die Erkenntnis zuerst nach ihrem Ursprung, sofern sie auf der Rezeptivität der Sinne ruht, oder auf der Spontaneität des Verstandes. Durch die Sinne empfangen wir Anschauungen; alle Anschauungen werden gegeben, da alle unsere Sinne rezeptiv sind, sie besitzen eine Erkenntnis nur aus der Einwirkung der Gegenstände auf die Sinne. Alle Begriffe aber entspringen aus der Spontaneität des Verstandes, sie werden nicht empfangen, sondern gebildet durch die Funktionen des Verstandes. Durch die Anschauung werden uns Gegenstände gegeben, durch den Verstand aber werden sie gedacht, indem er mannigfaltige Anschauungen miteinander zu einer Einheit verbindet. Der Gedanke einer solchen Einheit des Mannigfaltigen ist ein Begriff, den der Verstand hervorbringt.

Anschauungen und Begriffe sind die Elemente aller Erkenntnis, welche darin miteinander verbunden sind. Alle Anschauungen sind für sich, sagt KANT, blind. Blind heißt, wer nicht sehen kann. Aber in diesem Sinn sind die Anschauungen nicht blind, das würde ein Widerspruch der Worte sein. Blind heißt aber auch das, wodurch wir nicht sehen können, und in diesem Sinne nannte KANT die Anschauungen blind. Durch die Anschauungen können wir nicht auf den Grund und das Wesen der Sache sehen, sie enthalten einen Gegenstand, aber wir wissen nicht, was er ist.

Für sich sind alle Begriffe leer, sie sind nur Formen der Verbindung des Mannigfaltigen der Anschauungen zur Einheit. Zur wirklichen Erkenntnis gehören Anschauungen und Begriffe. Ohne Anschauungen haben wir keinen Gegenstand, ohne Begriffe wissen wir nicht, was er ist. Alle Anschauungen müssen auf Begriffe zurückgeführt werden, wodurch sie von ihrer Blindheit befreit werden; alle Begriffe müssen in Anschauungen dargestellt werden, wodurch ihre Leerheit aufgehoben wird.

In dieser Unterscheidung der Erkenntnis nach ihrem Ursprung findet KANT auch den Grund ihrer Wahrheit. Die sinnliche Erkenntnis ist keine Täuschung, denn wenngleich die Sinne nich vorstellen, wie die Dinge sind, so doch, wie sie uns erscheinen, worin die Wahrheit der sinnlichen Erkenntnis liegt. Sie würde nur eine Täuschung sein, wofür sie auch gehalten wird, wenn die Sinne nur dunkel und verworren vorstellen, was der Verstand klar und deutlich denkt. Sie hätte dann ihr Wesen nur in einer Verneinung, in dem bloßen Mangel, daß alle sinnlichen Vorstellungen dunkel und verworren sind, und was sie enthält, würde dann völlig verschwinden und aufgehoben werden, sobald es dem Verstand gelingt, diese Vorstellungen klar und deutlich zu machen. Sie würde keinen Gegenstand haben. Aber die Sinne liefern keine Täuschungen, sondern Erscheinungen, d. h. einen Schein, der mit Recht auf einen Gegenstand bezogen wird. Die Erkenntnis aus den sinnlichen Anschauungen ist empirisch in Beziehung auf den Stoff der Sinne, aber a priori in Beziehung auf die Formen von Raum und Zeit, in denen aller Inhalt der Sinne erscheint.

Die intellektuelle Erkenntnis des Verstandes durch Begriffe ist ansich gerichtet auf das Sein und nicht auf die Erscheinungen. Der Verstand will das Sein erkennen, was die Dinge sind, warum sie sind, die Gesetze der Erscheinungen, welche selbst keine Erscheinungen sind. Sein Prinzip ist, daß alle Erscheinungen unter Gesetzen stehen, die er erkennen will. Ob er es kann, ist erst die zweite Frage, deren Beantwortung voraussetzt, daß die intellektuelle Erkenntnis ein anderes Ziel als die Auffassung der Erscheinungen durch die Sinne hat.

Die Kraft des Verstandes besteht in der Bildung der Begriffe, indem er das Mannigfaltige der Anschauungen zur Einheit verbindet. Von den Begriffen macht der Verstand nach KANT keinen anderen Gebrauch, als daß er dadurch urteilt. Urteilen heißt: einen Gegenstand durch Begriffe bestimmen, ihn als unter einem Begriff stehend erkennen. In dem Urteil: Cicero war ein Gelehrter, wir die Person des Cicero durch den Begriff des Gelehrten bestimmt oder als unter diesem Begriff stehend gedacht. Das Besondere ist das Subjekt, das Prädikat ist das Allgemeine in diesen Urteilen. Die "Kritik der reinen Vernunft" hat es nur mit dieser Art von Urteilen zu tun, während die "Kritik der Urteilskraft" von einer anderen Klasse von Urteilen handelt.

Wenn alles Denken ein Urteilen ist, oder darauf abzielt, so müssen alle Formen des Denkens aus den möglichen Urteilsformen gefunden werden können. Dadurch wird der Umfang und das Vermögen des Verstandes gleichsam ausgemessen, da er nur in diesen Formen, durch welche wir über die Gegenstände der Erscheinung urteilen, seine Funktion ausüben kann. Wir werden das ganze Gebiet des Verstandes im Erkennen ermessen können, wenn wir alle nur möglichen Urteilsformen kennen.

Nach KANT gibt es zwölf Urteilsformen, nach vier Gesichtspunkten abgeteilt. Ihrer Quantität nach zerfallen die Urteile in allgemeine, besondere und einzelne Urteile. Die Quantität eines Urteils liegt im Subjektbegriff, da das Prädikat entweder von allen gilt oder von einigen oder von einem Gegenstand, der im Subjektbegriff gedacht wird. Der Qualität nach sollen alle Urteile entweder bejahende, verneinende oder unendliche sein. Die Qualität eines Urteils liegt im Prädikat des Urteils, welches vom Subjekt bejahend oder verneinend oder unendlich ausgesagt wird. Das sogenannte unendliche Urteil, eine scholastische Bezeichnung, ist sprachlich verneinend, aber logisch bejahend. Ihrer Relation nach sollen die Urteile kategorisch, hypothetisch oder disjunktiv sein. Die Relation der Urteile betrifft das Verhältnis, in welchem das Prädikat zum Subjekt steht, da das Prädikat vom Subjekt entweder schlechthin, oder bedingungsweise oder durch eine Einteilung ausgesagt wird. Der Modalität nach sind die Urteile problematische, assertorische oder apodiktische. Sie besteht im Verhältnis des ganzen Urteils selbst zum urteilenden Subjekt, indem die darin gedachte Verbindung von Subjekt und Prädikat als eine mögliche, wirkliche oder notwendige bestimmt wird.

Diese Lehre KANTs ist aus der Kritik der bis dahin in der Logik üblichen Einteilung der Urteile in einfache und zusammengesetzte entstanden. Das einfache Urteil ist das allgemeine oder partikular bejahende und verneinende Urteil. Die Zusammengesetzten sind die kopulativen, disjunktivischen und hypothetischen u. a. Urteile. Wenn auch KANTs Kritik dieser überlieferten Urteilsformen berechtigt ist, so ist doch seine eigene Aufstellung sehr mangelhaft, und dieser Mangel überträgt sich dann auf die Kategorien oder die Begriffe a priori, welche diesen Urteilsformen korrespondieren sollen.

KANT hat die Urteilsformen nicht abgeleitet, wie es für seine Philosophie vor Allem notwendig war, sondern nur aus der überlieferten Logik entlehnt. Seine Einteilung entspricht nicht dem Begriff einer logischen Einteilung, sondern geschieht nur nach mangelhaften Gesichtspunkten, weshalb ein und dasselbe Urteil unter verschiedenen Abteilungen vorkommt, sich aber nur dem Namen nach voneinander unterscheidet, wie das kategorische und das assertorische Urteil nur zwei Namen für dieselbe Urteilsform sind. KANT selber sagt (Kr. d. r. V. Rosenkranz-Ausgabe, Seite 75),
    "so sind die beiden Urteile, deren Verhältnisse das hypothetische Urteil ausmacht, ingleichen in deren Wechselwirkung das disjunktive besteht (Glieder der Einteilung), insgesamt nur problematisch",
trotzdem stehen sie bei ihm nicht in der Abteilung der Modalität, sondern der Relation. Das singuläre Urteil unterscheidet sich logisch nicht vom universellen Urteil, da in beiden das Prädikat vom Subjekt allgemein gilt. Dasselbe findet in Beziehung auf das bejahende und sogenannte unendliche Urteil statt, welche nur sprachlich verschieden sind. Die unvollkommenen Urteilsformen, welche nur Mittel für das Denken sind, stehen in gleicher Linie mit den anderen, wie das partikulare, das negative, das problematische Urteil, die nur Übergangsformen des Denkens sind. Das apodiktische Urteil ist überdies nur eine Sprachform, da die Notwendigkeit einer Verbindung eines Subjekts mit einem Prädikat überall nicht in einem einfachen Urteil erkannt werden kann. Diese Tafel der Urteilsformen bei KANT ist ein Schematismus, der für seine ganze Lehre von sehr nachteiligen Folgen ist, da er durch das Ganze hindurchgeht. Aber er ist es nicht allein bei KANT, sondern in der deutschen Philosophie aus KANT geworden, da KANTs Urteilslehre allgemein verbreitet ist und fast allgemeine Anerkennung gefunden hat.

Aus den zwölf Urteilsformen entspringen nach KANT zwölf Begriffe, welche er die Kategorien oder die reinen Stammbegriffe des Verstandes nennt; Kategorien nennt er sie, weil sie allgemeinste Prädikate aller möglichen Gegenstände der Erfahrung bilden, und die Stammbegriffe des Verstandes, weil der Verstand diese Begriffe aus sich selber, aus den Formen des Denkens schöpft, durch deren Gebrauch er allein imstande ist, irgendeinen Gegenstand der Erfahrung zu erkennen.

Diese Kategorien oder Stammbegriffe entsprechen den Urteilsformen und sind nach denselben vier Gesichtspunkten wie diese geordnet. Es ergibt sich daraus die Tafel der Kategorien, welche der Quantität nach sind: Einheit, Vielheit, Allheit; der Qualität nach: Realität, Negation und Limitation; der Relation nach: der Inhärenz und Subsistenz (substantia et accidens), der Kausalität und Dependenz (Ursache und Wirkung), und der Gemeinschaft (Wechselwirkung zwischen den Handelnden und Leidenden); der Modalität nach: Möglichkeit - Unmöglichkeit, Dasein - Nichtdasein, Notwendigkeit - Zufälligkeit.

Alle Erkenntnis besteht im Urteil, wodurch das Gegebene der Empirie, der Gegenstand, unter einen Begriff subsumiert und dadurch bestimmt wird. Wir können aber nur in den angegebenen Formen über die Gegenstände urteilen. In jeder Urteilsform liegt aber zugleich ein Stammbegriff des Verstandes, dem das Gegebene der Empirie untergeordnet wird. Diese Begriffe entspringen aus den Urteilsformen, durch deren Anwendung wir einen Gegenstand erkennen, oder der Gebrauch der Urteilsformen involviert die Anwendung der ihr entsprechenden Kategorien. Man kann sowohl das Eine als das Andere annehmen, da in der Tat beides auf dasselbe hinausläuft, denn wir haben das Eine nur in und mit dem Anderen: den metaphysischen Begriff, die Kategorie durch die Urteilsform, und die Urteilsform durch die Kategorie. Geht man von der Urteilsform aus, so induziert sie die Kategorie; geht man von der Kategorie aus, so involviert sie die Urteilsform. Allgemein würde der Kanon heißen: die Logik, die Formen des Denkens, induzieren eine Metaphysik, die Kategorie, und die Metaphysik involviert eine Logik, die Formen des Denkens.

Die metaphysischen Begriffe bilden keinen besonderen Inhalt der Erfahrung, der sinnlichen Wahrnehmung, sie sind keine Bestandteile derselben, sondern liegen in den Formen des Denkens, wodurch dieser Inhalt geordnet, das Mannigfaltige der Anschauungen zur Einheit verbunden wird. Daher können sie auch nicht von der Wahrnehmung, worin sie überall nicht enthalten sind, abstrahiert werden, sondern sind schon vorausgesetzt und angewandt, wenn über irgendetwas Wahrgenommenes geurteilt wird, sie entspringen und sind enthalten in den Urteilsformen selbst.

Wir urteilen in kategorischer Form: das Gold ist ein Metall. Den Inhalt des Urteils bilden die gegebenen Vorstellungen Gold und Metall; die Form des Urteils ist die kategorische, durch die der Inhalt in einer bestimmten Weise gedacht wird. Durch diese Form ist es bedingt, daß wir die Metallität als eine inhärierende Eigenschaft des Goldes, das Gold aber als ein subsistierendes Ding auffassen. Diese Begriffe bilden daher keinen Inhalt der Wahrnehmung, sondern sind nur die Form des Urteils, wodurch der Inhalt zugleich in der genannten Kategorie gedacht wird.

Wenn die beiden Wahrnehmungen: "die Sonne scheint, der Stein ist warm" gegeben sind, so können sie nur in der hypothetischen Urteilsform verbunden werden und wir fällen das Urteil: "wenn die Sonne scheint, wird der Stein warm, der Sonnenschein erwärmt den Stein". Die Kategorie der Kausalität liegt in der hypothetischen Urteilsform und entspringt aus ihrem Gebrauch.

Die Begriffe, welche KANT die Kategorien nennt, wurden früher abgehandelt in der Metaphysik, der "Wissenschaft der ersten Erkenntnisgründe in der menschlichen Erkenntnis", und zwar in ihrem ersten Teil, der Ontologie, der prima philosophia, oder der "Wissenschaft der gemeineren oder abstrakteren Prädikate des Dings" (ALEXANDER GOTTLIEB BAUMGARTENs "Metaphysik" § 1 und 2). Sie entnahm diese Begriffe aus der Beobachtung der Tatsache der menschlichen Erkenntnis, denn die Begriffe, womit sie sich beschäftigt, werden lange vorher schon in allem Erkennen gebraucht und angewandt, bevor die Metaphysik in ihnen die Kategorie und Prinzipien für alles Erkennen entdeckt. In allem Erkennen der Wissenschaften und des Lebens, des populären wie des wissenschaftlichen Bewußtseins, ist eine Metaphysik, wenngleich nich als eine Wissenschaft, so doch in der Form von Vorstellungsweisen enthalten, aus welchen die Metaphysik als Wissenschaft erst entsteht. Bevor wir daraus den Grundsatz der Kausalität entnehmen, haben wir schon in allem Erkennen ihn selbst und die Begriffe von Ursache und Wirkung im Gebraucht, worin die Metaphysik allgemeine Kategorien des Denkens auffindet. Sie sind allem Erkennen immenant, bevor sie selbst erkannt werden. Ohne sie findet gar keine Erkenntnis statt. Daher sind sie auch enthalten im Darstellungsmittel des Gedankens, der Sprache, in ihren Wort- und Satzformen, in denen wenigstens Analogien sich finden mit den Formen und Arten des Seins, welche bewußt oder unbewußt der Metaphysik für ihre Ausbildung dienen, wenn sie die allgemeinen Kategorien und allgemeine Grundsätze des Erkennens darstellt. "Ohne Charaktere, ohne Zeichen und Worte", sagt LEIBNIZ, "können wir nicht denken"; "das Denken", meint SCHLEIERMACHER, "ist die Tätigkeit, welche sich nur in der Sprache vollzieht und vollendet". Und indem wir uns der Sprache als Mittel für das Denken bedienen, gebrauchen wir zugleich die Begriffe und Vorstellungsweisen, aus denen sich die Metaphysik als Wissenschaft bildet.

Die Metaphysik ist ihrem Inhalt nach jederzeit eine philosophische Wissenschaft gewesen; allein sie war es nicht auch ihrer Form nach, sondern sie verfuhr wie eine empirische Wissenschaft, indem sie die Begriffe, von welchen sie handelt, als gegeben aus der Tatsache der menschlichen Erkenntnisse abstrahiert hat. Sie hat bald behauptet, diese Begriffe wären angeboren, insofern sie sich, was ohne Zweifel gewiß ist, in aller menschlichen Erkenntnis stets im Gebrauch und in Anwendung finden, bald aber auch, sie seien abstrahiert aus der Tatsache der menschlichen Erkenntnis, indem diese beobachtet wird. Allein zwischen beiden Auffassungen ist ansich keine Differenz vorhanden, man kann ebensogut das Eine als das Andere annehmen: daß sie angeboren sind, sofern sie in aller Erkenntnis vorausgesetzt und in Gebrauch sind, und daß sie davon abstrahiert sind, sofern die Metaphysik sie erst zum Gegenstand des Erkennens macht. Die Metaphysik verfuhr doch nur wie eine empirische Wissenschaft: sie nahm diese Begriffe als gegeben an und setzt ihre Virtuosität nur darin, sie zu analysieren und sie in eine formale Ordnung zu bringen. Allein dies ist nicht die Aufgabe der Metaphysik, welche vielmehr darin besteht, die Gültigkeit und die Wahrheit dieser Begriffe, welche Kategorien, Grundsätze und Prinzipien des Erkennens enthalten, zu erforschen, welches nicht direkt aus ihrem Gebrauch und ihrem Vorhandensein in allem Erkennen folgt. Eine solche Untersuchung aber hat die frühere Metaphysik nicht angestellt, worin ihr Dogmatismus besteht, der aus ihrer Form als Wissenschaft entspringt, da die frühere Metaphysik nur wie eine empirische Wissenschaft verfahren ist, welche ihre Grundbegriffe und Grundsätze nicht erklärt und nicht begründet.

Eine solche Untersuchung, Begründung und Rechtfertigung der Metaphysik, in Bezug auf die Ontologie, welche von den allgemeinen Kategorien der Gegensätze der Erfahrung handelt, fordert vor Allem KANT, indem er nach der Möglichkeit der Erkenntnis gefragt hat. Die Begriffe und Grundsätze der Ontologie lassen sich nur rechtfertigen und begründen, sofern sie zugleich als Bedingungen der Möglichkeit des Erkennens abgehandelt werden.

An die Stelle der dogmatischen Metaphysik und Ontologie, welche die Kategorien als gegebene Begriffe abhandelt und analysiert, setzt KANT die transzendentale Logik. Er verbindet die Metaphysik mit der Logik, da er in den Formen des Denkens den Ursprung der Kategorien glaubt gefunden zu haben, woraus ein Urteil über ihre Gültigkeit, Realität und Wahrheit sich gewinnen läßt. Die Metaphysik ist daher nicht außerhalb der Logik vorhanden, sondern ihr immanent, und diese Metaphysik ist die transzendentale Logik. Die dogmatische Metaphysik wurde getrennt und geschieden abgehandelt von der Logik und konnte daher ihre Aufgabe nicht lösen, weil sie nur möglich ist durch ihre Verbindung mit der Logik, welches die transzendentale Logik ist.

Die von der Metaphysik getrennte Logik ist die formale Logik, welche ihrem Inhalt nach stets eine philosophische Wissenschaft gewesen ist, es aber ebensowenig ihrer Form nach war, wie die dogmatische Metaphysik, sondern ihrer Form nach war die formale Logik nur eine empirische Wissenschaft, welche die Formen des Denkens als vorgefundene Tatsachen abhandelt, aber nicht begründet, welches auch nur möglich ist, wenn die Formen nicht für sich, sondern in Beziehung auf ihren Zweck, auf die Erkenntnis der Gegenstände abgehandelt und untersucht werden. Hierin aber besteht das Wesen und die Aufgabe der transzendentalen Logik, die erst die philosophische Logik ist, während die formale nur eine empirische Wissenschaft ist. Die transzendentale Logik hebt die formale auf und verbindet sie mit der Metaphysik zu einer Wissenschaft von der Möglichkeit der Erkenntnis. Dieses Problem involviert für sich und für seine Lösung notwendig die Verbindung der Logik mit der Metaphysik, welche nur integrierende Bestandteile sind einer Wissenschaft von der Erkenntnis, von deren Form die Logik, von deren Inhalt die Metaphysik handelt; Form und Inhalt der Erkenntnis machen aber erst in ihrer Übereinstimmung eine Erkenntnis aus.

Aus KANTs transzendentaler Logik ist durch die Vermittlung von FICHTE und SCHELLING HEGELs Logik entstanden. Man ist aber in einem Vorurteil befangen, wenn man glaubt, daß nur HEGELs Logik eine metaphysische Logik, eine Verbindung von Logik und Metaphysik ist. Eine solche Verbindung ist nicht bloß in HEGELs Logik, sondern auch in FICHTEs Wissenschaftslehre, in SCHELLINGs System des transzendentalen Idealismus, in SCHLEIERMACHERs Dialektik und in KANTs transzendentaler Logik enthalten. Diese Verbindung ist nicht überall die gleiche und hat ihre verschiedene Begründung, wie wir sehen werden; aber die Verbindung von Logik und Metaphysik aus der Aufhebung der dogmatischen Metaphysik mit der formalen Logik, die beide ihrer Form nach keine philosophischen Wissenschaften sind, gehört zum Charakter der deutschen Philosophie seit KANT.

Bei KANT ruht diese Verbindung auf der Analogie und dem Parallelismus, den er gefunden hat, zwischen den Formen des Denkens, den Urteilsformen und den ontologischen Begriffen, den Kategorien; und zwar geht KANT aus von den Formen des Denkens, um daraus die entsprechenden Kategorien zu gewinnen. Dieser Parallelismus ist nicht überall genügend durchgeführt, was seinen Grund wesentlich in KANTs Urteilslehre hat, welche, wie ich schon früher gezeigt habe, mangelhaft ist, woraus auch das Ungenügende in der Kategorienlehre und in der Abhandlung der ontologischen Begriffe entspringt. Allein dieser Mangel liegt nur in der Ausführung, er hebt nicht den Gedanken selbst auf, von dem KANT ausgeht, daß in den Formen des Denkens und der Anschauung der Ursprung der Begriffe liegt, welche sich a priori, allgemein und notwendig auf die Gegenstände der Erfahrung beziehen.

Durch diesen Gedanken ist KANT auch in den Stand gesetzt worden, zuerst in der Geschichte der Philosophie ein vollständiges System der Begriffe a priori aufzustellen. Auch die vorkantische Philosophie hat sich mit dieser Entdeckung beschäftigt, sie aber nicht gefunden. Der Rationalismus, welcher angenommen hat, daß die Begriffe a priori durch den Verstand selbst gegeben sind, konnte doch nicht ihre Zahl und ihre Ordnung, ihr System finden. LEIBNIZ, suchte vor Allem für die Universalmethode aller Wissenschaften dieses System zu entdecken, wovon ihre Möglichkeit selber abhängt. Allein er wußte es nicht zu finden. Der Sensualismus wollte alle einfachen Begriffe entdecken, um aus ihrer Zusammensetzung alle übrigen zu gewinnen, aber auch dieser Versuch führte nicht zum Ziel. Erst KANT hat ein System der Begriffe a priori in der theoretische, wie in der praktischen Philosophie aufgestellt, denn er besaß dafür eine leitende Idee in seiner Theorie über ihren Ursprung aus den Formen des Erkennens. Er geht daher auch überall aus von den Formen des Erkennens in Anschauungen und Begriffen, der Urteile und der Schlüsse, und gelangt dadurch zu einem System der Begriff a priori in der Kritik der reinen Vernunft, der praktischen Vernunft, der Urteilskraft; denn dieses System erstreckt sich über alle Arten der Erkenntnis. Ob dasselbe vollständig ist, ob es genügt, ob es richtig durchgeführt ist, darüber kann man streiten, muß aber einräumen, daß das, was die gesamte Philosophie von PLATO an gesucht hat, von KANT zuerst entdeckt worden ist: ein System der Begriffe a priori.

Durch die Anwendung der Stammbegriffe des Verstandes, der Kategorien, soll nach KANT unsere Erkenntnis erst Objektivität empfangen. Wir ordnen dadurch nicht bloß gegebene Anschauungen und Wahrnehmungen, wie Gold und Metall, Sonnenschein und Erdwärme, sondern diese Vorstellungen erhalten erst durch ihre Unterordnung unter die Kategorien Objektivität.

Jede Wahrnehmung hat für sich nur eine subjektie, aber keine objektive Gültigkeit. In der Wahrnehmung liegt keine Behauptung über die Existenz des Gegenstandes, sondern nur über seine Erscheinung in der Wahrnehmung. Ich sehe einen runden Turm, er mag ansich eckig sein, daraus folgt nicht die Existenz eines runden Turmes, sondern nur seine Erscheinung. Es ist möglich, daß er gar nicht rund ist, dennoch ist seine Erscheinung gewiß. Objektivität ist erst im Urteil, durch welches ein Wahrgenommenes unter einen Begriff subsumiert und dadurch bestimmt wird. Ich sehe die Sonne scheinen, empfinde den Stein warm. Erst dadurch, daß ich aus diesen Wahrnehmungen das Urteil bilde: wenn die Sonne scheint, wird der Stein war, oder die Sonne erwärmt den Stein, empfangen die Wahrnehmungen Objektivität.

Allein diese Objektivität, welche KANT meint, besteht nur in der Allgemeingültigkeit der Erkenntnis, daß der so Urteilende annimmt, daß jeder Denkende in derselben Weise urteilen wird. Objektivität und Allgemeingültigkeit sind daher bei KANT Wechselbegriffe. Diese Objektivität ist nur eine formale, sie besteht und entspringt aus der Gesetzmäßigkeit des Denkens, aus der das Bewußtsein der Notwendigkeit und Allgemeingültigkeit einer Erkenntnis, welche im Urteil besteht, hervorgeht.

Unter Objektivität der Erkenntnis wird sonst verstanden die Übereinstimmung der Vorstellung oder des Begriffs mit seinem Gegenstand, welcher dadurch erkannt wird. Diese Übereinstimmung der Erkenntnis mit dem erkannten Gegenstand, die reale Wahrheit in der Erkenntnis der Dinge ansich, können wir nach KANT nicht erreichen, sie ist für uns transzendental. Wir können diese Wahrheit auch niemals, meint KANT, prüfen oder ihre Gewißheit erlangen. Denn wir können unsere Vorstellungen nicht mit den Dingen-ansich außerhalb unserer Vorstellungen und unabhängig von den Vorstellungen vergleichen, da wir stets nur Vorstellungen von den Dingen miteinander vergleichen können, über deren Übereinstimmung wir daher allein urteilen können. Wir können demnach nur formale Wahrheit erreichen in der Übereinstimmung der Vorstellungen miteinander, und diese Übereinstimmung besteht nicht in der Übereinstimmung einer Wahrnehmung mit einer anderen, den jede Wahrnehmung enthält nur Erscheinungen und hat nur subjektive Gültigkeit, sondern nur in der Übereinstimmung der Wahrnehmung, der Anschauung mit Begriffen im Urteil, im synthetischen Urteil. Die entscheidenden Begriffe in diesen Urteilen, welche in jedem Urteil vermöge seiner Form liegen, sind die Kategorien, durch welche alle empirischen Vorstellungen der Sinne erst Objektivität, d. h. Allgemeingültigkeit erlangen, da keine Erkenntnis anders als in den Formen des Denkens, welche überall dieselben sind, stattfinden kann, aus deren Gebrauch die Anwendung der Kategorien von selbst folgt.

Der Begriff a priori, die Kategorien, sind so wenig angeboren wie die Anschauungen a priori, sondern erworben, jedoch nicht derivativ [abgeleitet - wp], sondern originär. Durch ursprüngliche Erwerbung entstehen sie. Sie werden erste produziert und dann reflektiert und abstrahiert aus ihrer eigenen Produktion. Sie werden nicht erworben derivatvi, durch Abstraktion von den sinnlichen Empfindungen, welche diese Begriffe nicht in sich enthalten, denn sie sind überall kein Bestandteil der sinnlichen Wahrnehmung, sondern sie werden ursprünglich durch die Formierung der sinnlichen Empfindung zu Erkenntnissen. Die sinnlichen Empfindungen enthalten nur den Stoff dafür, woraus Erkenntnis wird zuerst durch die reinen Anschauungsformen vom Raum und von der Zeit, und zweitens durch die Begriffe a priori oder die Kategorien, wofür gleichsam auch ein Stoff a priori in den Anschauungen vom Raum und von der Zeit enthalten ist, eine unermeßliche Mannigfaltigkeit, welche in Begriffen zur Einheit verbunden wird, und worunter der sinnliche Inhalt im Urteil subsumiert und dadurch bestimmt wird. Erkenntnis ist nur im Urteil enthalten, jedes Urteil ist aber die Subsumtion des Wahrgenommenen unter Begriffe, durch welche dasselbe bestimmt wird. Eine Wahrnehmung ist kein Begriff, er wird erst aus der Wahrnehmung durch den Verstand gebildet, indem er das Mannigfaltige der Wahrnehmungen zur Einheit verbindet. Ohne Begriffe ist kein Urteil möglich, falls man nicht, wie das freilich geschieht, bloße Wahrnehmungen mit Urteilen verwechselt. Die Möglichkeit aller Urteile ist bedingt durch Wahrnehmungen, über die geurteilt wird, und durch Begriffe, durch welche geurteilt wird. Woher stammen aber die Begriffe, welche alle Urteile erst möglich machen? ist das das zu entscheidende Problem. Im Urteil: "das Gold ist ein Metall", ist beides, die Wahrnehmung des Goldes und der Begriff des Metalls gegeben, und die Erklärung des Urteils durch ihre Verbindung hat keine Schwierigkeit, da die Möglichkeit des Urteilens darin schon vorausgesetzt und wirklich ist. Allein wie ist überall ein kategorisches Urteil, wobei, um die Frage zu beantworten, vom besonderen Inhalt, von allen Exemplifikationen eines solchen Urteils abgesehen werden muß, möglich? Es ist, wie jedes andere Urteil, nur möglich durch einen Begriff, der, wie die Theorie KANTs ist, durch diese Form selbst ursprünglich entsteht und erworben wird, im Falle des kategorischen Urteils der Begriffe der Inhärenz und Subsistenz, der nicht aus dem Inhalt, Gold und Metall, abstrahiert wird, sondern darin schon angewandt wird, und nicht im Inhalt, sondern in der Form des Urteils liegt.
Aus der Urteilsform ist der Begriff, die Kategorie; sie selber bedingt die Urteilsform. Das Urteil bringt den Begriff hervor, und der Begriff bedingt das Urteil, sie sind und entstehen zumal. Urteil und Begriff bedingen sich daher wechselseitig. Die formale Logik handelt von den kategorischen, hypothetischen, disjunktiven und anderen Urteilsformen, welche sie als gegebene Tatsachen aus den Erkenntnissen oder aus der Sprache entnimmt, sie analysiert sie und beschreibt sie. Die formale Logik mit ihrem ganzen Inhalt ist aber selbst ein Objekt der Untersuchungen der transzendentalen oder der metaphysischen Logik, welche die Möglichkeit und die Bedingungen der Urteile untersucht, die die formale nur als Tatsachen auffindet und beschreibt.

In allen Erkenntnissen, die wir besitzen, sind stets die metaphysischen oder ontologischen Begriffe schon enthalten, im Gebrauch, ohne sie findet gar keine Erkenntnis statt. Es handelt sich in einer Wissenschaft über die Möglichkeit der Erkenntnis nicht um diese Tatsache und ihre Beschreibung, sie ist Voraussetzung und Grundlage der Untersuchung, sondern teils um den Ursprung dieser Begriffe, nach denen man nicht fragen kann, wenn nicht ihre Existenz gewiß ist, teils aber um ihre Gültigkeit, oder um die Berechtigung ihres Gebrauchs in der Erkenntnis, um die Wahrheit, welche dadurch erkannt wird.

Von der Realität der Kategorien und der Berechtigung ihrer Anwendung handelt die transzendentale Deduktion der Kategorien in KANTs "Kritik der reinen Vernunft". Auch in der transzendentalen Analytik gehört, wie in der transzendentalen Ästhetik beides zusammen, entspicht sich die Ansicht über den Ursprung und die Realität der Erkenntnis a priori. Es handelt sich dabei nicht um die Frage quid facti [welche Tatsache - wp], sondern um quid juris [mit welchem Recht - wp]; ersteres hat LOCKE untersucht, mit der zweiten Frage aber beschäftigt sich KANT.
    "Man kann", sagt die Kr. d. r. V., Rosenkranz-Ausgabe, Seite 83, "von diesen Begriffen, wie von aller Erkenntnis, wo nicht das Prinzipium ihrer Möglichkeit, doch die Gelegenheitsursachen ihrer Erzeugung in der Erfahrung aufsuchen, wo alsdann die Eindrücke der Sinne den ersten Anlaß geben, die ganze Erkenntniskraft in Anbetracht ihrer zu eröffnen und Erfahrung (Erkenntnis) zustande zu bringen, die zwei sehr ungleichartige Elemente enthält, nämlich eine Materie zur Erkenntnis aus den Sinnen und eine gewisse Form, sie zu ordnen, aus dem inneren Quell des reinen Anschauens und Denkens, die, bei Gelegenheit der ersteren, zuerst in Ausübung gebracht werden und Begriffe hervorbringen. Ein solches Nachspüren der ersten Bestrebungen unserer Erkenntniskraft, um von einzelnen Wahrnehmungen zu allgemeinen Begriffen zu steigen, hat ohne Zweifel seinen großen Nutzen, und man hat es dem berühmten Locke zu verdanken, daß er dazu zuerst den Weg eröffnet hat. Allein eine Deduktion der reinen Begriffe a priori kommt dadurch niemals zustande, denn sie liegt ganz und gar nicht auf diesem Weg, weil in Anbetracht ihres künftigen Gebrauchs, der von der Erfahrung gänzlich unabhängig sein soll, sie einen ganz anderen Geburtsbrief, als den der Abstammung von Erfahrungen, müssen aufzuzeigen haben. Diese versuchte physiologische Ableitung, die eigentlich gar nicht Deduktion heißen kann, weil sie eine quaestio facti betrifft, will ich daher die Erklärung des Besitzes einer reinen Erkenntnis nennen. Es ist also klar, daß von diesen allein es eine transzendentale Deduktion und keineswegs eine empirische geben kann und daß letztere, in Anbetracht der reinen Begriffe a priori, nichts als eitle Versuche sind, womit sich nur derjenige beschäftigen kann, welcher die ganz eigentümliche Natur dieser Erkenntnis nicht begriffen hat."
Diese Deduktion hat KANT aber seinen Lesern sehr erschwert durch eine übertriebene Peinlichkeit in der Darstellung und durch den Gebrauch einer scholastischen Terminologie. Sie läßt sich aber sehr vereinfachen und auch ohne den Gebrauch dieser Terminologie abhandeln.

Daß die Anschauungen a priori vom Raum und von der Zeit sich notwendig auf die Gegenstände als Erscheinungen beziehen, leidet keinen Zweifel und bedarf keiner besonderen Deduktion, weil sie selbst Anschauungen und keine Begriffe sind, und ohne sie überall keine einzelne Anschauung der Sinne möglich ist, welche stets mitbedingt ist durch die Form der inneren und äußeren Sinne, aus denen die Anschauungen a priori entspringen. Ganz anders verhält es sich mit den Kategorien, welche keine Anschauungen, sondern Begriffe a priori sind, denn Gegenstände werden nicht durch Begriffe, sondern durch Anschauungen gegeben. Die Begriffe a priori, die Kategorien, sind nur Formen des Denkens, dennoch werden sie beständig angewandt in der Erkenntnis der Gegenstände der Anschauung, und es wird daher angenommen, daß alle Gegenstände der Anschauung unter den Kategorien stehen, worunter sie in jedem Urteil subsumieren werden, und daß diese Begriffe, ansich nur Formen des Denkens, sich auf die Gegenstände der Anschauung a priori oder allgemein und notwendig beziehen. Die Berechtigung zu dieser Annahme ist nicht für sich einleuchtend, wie bei den Anschauungen a priori, sondern bedarf einer besonderen Deduktion oder Begründung.

Zur Erkenntnis gehören Anschauungen und Begriffe. Durch die Anschauungen wird ein Mannigfaltiges gegeben, in den Begriff wird dasselbe zur Einheit verbunden. Die ursprünglichen Formen dieser Verbindung des Mannigfaltigen zur Einheit sind die Kategorien. Jede Kategorie ist nur eine verschiedene Form des Denkens der Verbindung des Mannigfaltigen zur Einheit, denen insgesamt die ursprüngliche Einheit unseres Selbstbewußtseins zugrunde liegt. Daß wir überall imstande sind, diese Funktionen des Denkens auszuüben, wodurch wir Begriffe und zu oberst die Kategorien bilden, verschiedene Formen der Einheit des Mannigfaltigen, hat seinen Grund in der ursprünglichen Einheit unseres Selbstbewußtseins, welches wir durch den Satz aussprechen: "Ich denke, ich bin". Wir können nur denken, Synthesen der Verbindung zur Einheit ausüben, weil wir selbst in unserem Bewußtsein Eins sind. Daher kommt es, daß wir Alles zu einer Einheit im Denken miteinander verbinden wollen. Alle Kategorien oder Stammbegriffe des Verstandes sind daher nur verschiedene Darstellungsformen dieser Einheit des Bewußtseins, welche KANT die tranzendentale Apperzeption nennt, welche allen Funktionen des Denkens zugrunde liegt. Wären wir selber nicht Eins, könnten wir nicht denken.

Allein diese Funktion des Denkens durch die Verbindung des Mannigfaltigen zur Einheit ist doch nur eine Eigentümlichkeit des menschlichen Verstandes, dem zuvor ein Mannigfaltiges in Anschauungen gegeben sein muß, um seine Funktionen auszuüben. Ein Verstand, durch den das Mannigfaltige selbst gegeben wird, bedarf dieser Funktion nicht, er würde nicht denken, sondern anschauen und in seiner Anschauung zugleich mit dem Mannigfaltigen die Einheit desselben anschauen. Dies vermag der Verstand nicht, weil ihm das Mannigfaltige in Anschauungen gegeben wird, weshalb er es durch seine Funktionen erst zur Einheit verbinden muß. Diese verschiedenen Verbindungsformen in den Kategorien sind aber doch nur verschiedene Darstellungen der ursprünglichen Einheit des Selbstbewußtseins.

Hieraus folgt aber zugleich, daß alles Mannigfaltige der Anschauungen und Vorstellungen eine notwendige Beziehung hat auf diese ursprüngliche Einheit des Selbstbewußtsein, welche alle unsere Vorstellungen zu einer Einheit verbindet, wodurch wir allein das Bewußtsein haben, daß sie unsere Vorstellungen sind. Was ich auch denken mag: "die Erde ist an den Polen abgeplattet, es gibt Menschen, die Pflanzen grünen und blühen", zu Allem muß ich hinzudenken: ich denke es. Alle Vorstellungen sind meine Gedanken. Dies bezeichnet die Einheit unseres Selbstbewußtseins, auf welche daher alle unsere Anschauungen und Vorstellungen eine notwendige Beziehung haben, denn sonst könnte es Vorstellungen in uns geben, welche gar nicht gedacht werden könnten. Da dies unmöglich ist, so müssen auch alle gegebenen Anschauungen den Formen und Gesetzen des Denkens, den Kategorien oder den Begriffen a priori unterworfen sein; und sind wir berechtigt, die gegebenen Anschauungen unter die Kategorien zu subsumieren, wodurch erst alle Vorstellungen Objektivität empfangen, welche in der Allgemeingültigkeit der Formen des Denkens besteht, wodurch eine Verbindung der Anschauungen zur Einheit eines Begriffs bewirkt wird.

Die Kategorien, die Begriffe a priori, die Formen des Denkens sind ansich wohl von größerem Umfang, als das Gebiet unserer Erfahrung, und würden daher auch auf eine andere Erfahrung angewandt werden können, falls diese nur sinnlich ist. Allein die Begriffe sind nur Formen des Denkens und enthalten für sich keine Erkenntnis, welche nur durch ihre Anwendung auf durch die Sinne gegebene Anschauungen und Erfahrungen daraus entsteht. Nur im Gebrauch seiner Formen, Kategorien und Begriffe, aber nicht ansich, ist der Verstand durch die Erfahrung eingeschränkt. Ansich ist das Denken universell, ansich geht der Verstand und seine Begriffe auf alle möglichen Objekte, seine Beschränkung liegt nicht in ihm, sondern in der Erfahrung, deren er bedarf für die Anwendung der Begriffe.

Die Verbindung der gegebenen Anschauungen mit den Begriffen a priori, wodurch Erkenntnis entsteht, ist selber noch vermittelt durch ein Mittelglied zwischen den Anschauungen und Begriffen. Denn Begriffe und Anschauungen sind für sich ungleichartig, die Anschauungen werden gegeben, die Begriffe aber gebildet; die Anschauungen beziehen sich direkt auf einen Gegenstand, durch die Begriffe aber wird kein Gegenstand gegeben. Sollen die Anschauungen den Kategorien subsumiert werden, so muß es etwas geben, was ihre Verbindung vermittelt. Dieses Mittelglied zwischen den Anschauungen und den Begriffen ist das Schema, welches ein Produkt der Einbildungskraft ist. Das Schema der Zahl 5 sind fünf Punkte oder Striche. Solche Schemata der Einbildungskraft vermitteln die Anschauung des einzelnen Gegenstandes mit dem allgemeinen Begriff. Der Begriff eines Hundes, der alle Variationen umfaßt, entält eine Regel, wonach die Phantasie die Gestalt eines vierfüßigen Tieres entwirft ohne die einzelne Gestalt, wie die Anschauung sie zeigt. Alle unsere Begriffe sind von Schematis der Phantasie begleitet, welche sie versinnlichen und veranschaulichen und als Vermittlung dieser Anwendung im Einzelnen dienen. Schon jedes Wort ist ein Bild und ein Zeichen des Begriffs, aber doch nicht der Begriff selbst, der ansich universell ist, aber durch unzählige Sprachen im Wort schematisiert wird.

Ein solches Schema vermittelt auch die Unterordnung der Anschauungen unter die reinen Verstandesbegriffe. Dieses Schema ist die Anschauung a priori von der Zeit, welche als die Form des inneren Sinnes sich auf alle unsere Vorstellungen insgesamt bezieht, und daher als allgemeines Schema für diese Vermittlungen dienen kann.

Das Schema für die Kategorie der Quantität ist die Zeitreihe, wodurch wir diesen Begriff auf das Einzelne anwenden. Das Schema der Kategorie der Qualität ist der Zeitinhalt, für die Kategorie der Relation die Zeitordnung und für die Kategorie der Modalität der Zeitinbegriff.

Die Vorstellung oder das Schema der Zeit ist demnach für den Menschen das Mittel der Anwendung der Begriffe a priori auf die Gegenstände der Anschauung. Alle Anwendung dieser Begriffe soll durch dieses Schema bedingt sein.

So zutreffend KANTs Bemerkungen über dieses schematische Verfahren der Phantasie sind, wodurch die Begrife versinnlicht und veranschaulicht werden, so fraglich ist es doch nicht nur, ober die Vorstellung der Zeit das, wie KANT es nennt, transzendentale Schema ist zur Vermittlung der Begriffe a priori und der gegebenen Anschauungen, sondern ebenso zweifelhaft und bedenklich ist, daß dieses Schema nicht bloß ein Schema ist, ein Hilfsmittel im Prozeß des Erkennens, sondern daß die Begriffe dadurch zugleich eingeschränkt, restringiert werden sollen, wie es hervortritt bei der Abhandlung des Systems aller Grundsätze des reinen Verstandes; als wenn das Schema den Begriff und nicht der Begriff das Schema bedingt, so daß schließlich nicht der Begriff, sondern das Schema das Verständnis und die Interpretation der Erscheinungen ausmacht, worin nur ein Residuum des vorkantischen Sensualismus enthalten ist.

Es entsteht daraus eine Erklärung der Kategorien, wodurch ihr Gebrauch in der Empirie eine Handhabe erhält, die aber KANT selbst zuletzt nicht aufrecht erhalten kann, da er in der transzendentalen Dialektik sich genötigt sieht, andere Begriffsbestimmungen an die Stelle zu setzen, durch welche die ersteren aufgehoben werden, so daß sie bloße Schemata der Einbildungskraft sind nur zum Zweck der Interpretation der Empirie, und daher gar nicht sind, was sie sein sollen, ontologische Begriffe a priori. Diese sind in der transzendentalen Analytik gar nicht vorhanden, sondern finden sich erst in der transzendentalen Dialektik, wo wir in der Abhandlung derselben auf diesen Punkt zurückkommen werden.

Aus den Begriffen, den Kategorien, entspringen synthetische Urteile a priori über alle Gegenstände der Erfahrung oder allgemeine Grundsätze, deren System durch die Einteilung der Kategorien gegeben ist. Nach den vier Kategorien der Quantität, Qualität, Relation und Modalität ergeben sich diese allgemeinen Grundsätze oder synthetischen Urteile a priori.

Das Axiom der Anschauungen besagt: alle Erscheinungen sind ihrer Anschauung nach extensive Größen, und in Bezug auf alle Wahrnehmungen; in allen Erscheinungen hat das Reale, das ein Gegenstand der Empfindung ist, eine intensive Größe oder einen Grad; dieses letzte Axiom nennt KANT eine Antizipation aller Wahrnehmungen. Allein diese beiden Axiome sind nur Wiederholungen aus der transzendentalen Ästhetik, der Lehre vom Raum und der Zeit, als den allgemeinen und notwendigen Formen aller Erscheinungen, da sich hieraus von selbst ergibt, daß alle Erscheinungen extensive und intensive Größen sind, weil Alles notwendig im Raum und in der Zeit erscheint.

Hierbei bleibt es aber doch zweifelhaft, ob alle Qualitäten der verschiedenen Sinne, -und jede Empfindung ist für sich eine Qualität - nur eine intensive Größe sind, deren Abstufungen alle in einer Reihe liegen, oder ob es nicht vielmehr verschiedene sinnliche Qualitäten gibt, welche sich nicht als Grade voneinander darstellen lassen, da die qualitativen Empfindungen des einen Sinnes nicht als Grade der qualitativen Empfindungen eines anderen Sinnes sich faktisch auffassen lassen. In diesem Fll würden jene beiden Grundsätze selbst ungenügend und nicht ausreichend sein, sondern müßten ergänzt werden durch den Satz: es gibt nicht bloß eine einzige sinnliche Qualität, welche als intensive Größe aufgefaßt werden kann, sondern es gibt eine Mehrheit von sinnlichen Qualitäten, welche Ausgangspunkte verschiedener Forschungsgebiete, verschiedene Anfangsgründe des Erkennens bilden. Es ist ein falsches Ideal, welches der sinnlichen Erfahrung selber nicht entspricht, Alles nur zu reduzieren auf extensive und intensive Größen, da es eine Mehrheit sinnlicher Qualitäten gibt, worin verschiedene induktive Anfangsgründe des Erkennens enthalten sind, welches notwendig ist, wenn es überall eine empirische Forschung geben soll. Die Mannigfaltigkeit aller Anschauungen macht erst ein empirisches Erkennen möglich. Wir können nicht von einem Punkt aus den Inhalt aller Empirie konstruieren, sondern bedürfen für ihre Erkenntnis einer Mannigfaltigkeit. Der Unterschied zwischen dem Inhalt der inneren und der äußeren Wahrheit kann außerdem jedenfalls nicht auf einen Grad zurückgeführt werden, sondern ist ein spezifischer Unterschied, so daß umso weniger jenes Axiom als allgemeingültig angesehen werden kann.

Die anderen beiden Grundsätze, welche aus den Kategorien der Relation und der Modalität hervorgehen, gehören der transzendentalen Analytik eigentümlich an, sie beziehen sich nicht auf Anschauungen, sondern auf Begriffe und sind daher nicht mathemathische, welche die Anschauung betreffen, sondern, wie KANT sie nennt (Kr. d. r. V., Rosenkranz, Seite 140), dynamische, welche auf das Dasein einer Erscheinung gehen. Sie sind nicht, wie jene, Grundsätze des mathematischen Denkens der transzendentalen Ästhetik, sondern des metaphysischen Denkens innerhalb des Gebietes der Physik, sie enthalten allgemeine Grundsätze für die Begreiflichkeit und die Beurteilung der Natur, d. h. des Daseins der Dinge, sofern es nach allgemeinen Gesetzen bestimmt ist, wie KANT selbst diesen Begriff definiert hat.

KANT hat daher doch nicht, wie er intendierte, die Mathematik von der Metaphysik konsequent geschieden, weil er ihre Grundsätze von den extensiven und intensiven Größen wiederum abhandelt in der metaphysischen oder transzendentalen Logik, zu deren Gebiet sie nicht gehören. Die ontologischen Grundsätze, welche KANT hier behandelt, haben auch in einer ganz anderen Weise das philosophische Denken in Bewegung gesetzt, als die ersten beiden Grundsätze.

Die Grundsätze, welche aus den Kategorien der Relation mittels des transzendentalen Schemas der Zeit sich ergeben, nennt KANT Analogien der Erfahrung. Nur analogisch sollen wir diese Kategorien der Inhärenz und Subsistenz, der Kausalität und Dependenz, und der Wechselwirkung auf die Erfahrung anwenden können, indem zugleich ihr Gebrauch durch das Schema der Zeit eingeschränkt wird. In Wahrheit sind sie nicht vorhanden, sondern nur eine Analogie derselben, welche aus dem transzendentalen Schema der Zeitvorstellung entspringt, wodurch sie eingeschränkt werden. Sie sollen daher auch nur von regulativer und nicht von konstitutiver Bedeutung sein, denn das Dasein der Dinge kann nicht in Begriffen gegeben und daher auch nicht dadurch konstruiert werden, sie betreffen nur die Verhältnisse des Daseins. Sie werden aus den drei Modi der Zeit: der Beharrlichkeit, der Folge und des Zugleichseins abgeleitet als Grundsätze der Beharrlichkeit, der Erzeugung und der Gemeinschaft.

Der Grundsatz der Beharrlichkeit:
    "Bei allem Wechsel der Erscheinungenn beharrt die Substanz, und das Quantum derselben wird in der Natur weder vermehrt noch vermindert",
soll sich daraus ergeben, daß wir den Wechsel der Erscheinungen in der Zeit nur dadurch auffassen können, daß die Zeit selbst bleibt und nicht wechselt. Die Zeit selbst können wir aber nicht wahrnehmen, folglich muß am Gegenstand der Erscheinung dieses Bleibende, was die Zeit ausmacht, selbst zu finden sein, wenn wir den Wechsel der Erscheinungen in der Zeit perzipieren sollen. Also setzen wir, daß der Gegenstand beharrt und nur seine Bestimmungen wechseln.

Der Grundsatz der Erzeugung:
    "Alle Veränderungen geschehen nach dem Grundsatz der Verknüpfung von Ursache und Wirkung",
soll daraus folgen, daß gewisse Erscheinungen nur in einer bestimmten Ordnung in der Zeit sukzedieren, wovon der Grund nicht im Subjekt, sondern nur im Objekt liegen kann als Bedingung der Vorstellbarkeit desselben. In uns sukzedieren alle Vorstellungen in der Zeit, auch die, welche im Gegenstand nicht sukzedieren, sondern zumal sind, die aber auch in jeder beliebigen Ordnung der Reihenfolge von uns aufgefaßt werden können. Dies ist aber bei gewissen Erscheinungen nicht möglich, da ihre Reihenfolge nur in einer bestimmten Ordnung aufgefaßt werden kann. Der Grund davon kann daher nicht in uns, sondern nur im Gegenstand liegen, welchen der Grundsatz der Kausalität ausdrückt, daß Alles, was geschieht, etwas voraussetzt, auf welches es nach einer Regel folgt. Der Grundsatz betrifft aber die Veränderungen der Dinge in der Zeit, aber nicht vor und außerhalb der Zeit und sein Gebrauch im Einzelnen ist von der Erfahrung selbst abhängig.

Der Grundsatz der Gemeinschaft:
    "Alle Substanzen, sofern sie als im Raum zugleich wahrgenommen werden können, sind in durchgängiger Wechselwirkung"
oder zugleichseiende Dinge stehen in durchgängiger Gemeinschaft, wird daraus bewiesen, daß das Zugleichsein der Dinge in der derselben Zeit sich nich wahrnehmen läßt, da die Zeit für sich nicht wahrnehmbar ist, es wird immer in jedem Augenblick nur eine Erscheinung und im nächstenn eine andere wahrgenommen. Daß sie aber in der Zeit zusammen sind, kann daher nur an Objekten erkannt werden durch den Begriff der wechselseitigen Einwirkung der Dinge aufeinander. Ihre Gemeinschaft ist daher der Grund ihrer Gleichzeitigkeit. Ihr Zusammensein im Raum, Communio, ist durch ihr Commercium [Handel, Verkehr, Geschlechtsverkehr - wp], die Wechselwirkung, bedingt. Zugleichseiende Dinge stehen daher in durchgängiger Gemeinschaft.

Die Grundsätze aus dem modalen Begriff heißen "Postulate des empirischen Denkens", weil sie die Bedingungen angeben, unter denen die modalen Begriffe entstehen, welche das Verhältnis der Objekte zu den Erkenntniskräften bestimmen. Möglich ist, was mit den formalen Bedingungen der Erfahrung (der Anschauung und den Begriffen nach) übereinkommt, im Unterschied vom bloß Denkbaren nach dem Satz des Widerspruchs. Wirklich ist, was mit den materialen Bedingungen der Erfahrung (der Empfindung) zusammenhängt. Notwendig ist, dessen Zusammenhang mit dem Wirklichen nach allgemeinen Bedingungen der Erfahrung bestimmt ist, im Unterschied von der bloßen logischen Notwendigkeit infolge des Grundsatzes des Widerspruchs, die kausale Notwendigkeit.

Daher erkennen wir nur die Notwendigkeit der Wirkungen in der Natur, deren Ursachen uns gegeben nsind, und das Merkmal der Notwendigkeit im Dasein reicht nicht weiter als das Feld möglicher Erfahrung; und selbst in diesem gilt es nicht von der Existenz der Dinge als Substanzen, weil diese niemals als empirische Wirkungen oder etwas, das geschieht und entsteht, können angesehen werden. Alles was geschieht, ist hypothetisch notwendig; das ist ein Grundsatz, welcher die Veränderung in der Welt einem Gesetz unterwirft, d. h. einer Regel des notwendigen Daseins, ohne welche gar nicht einmal Natur stattfinden würde. Daher ist der Satz: nichts geschieht durch ein blindes Ungefähr (in mundo non datur casus) ein Naturgesetz a priori; imgleichen: keine Notwendigkeit in der Natur ist blind, sondern bedingt, folglich eine verständliche Notwendigkeit (non datur fatum). Wenn man zu diesen Grundsätzen noch das Prinzip der Kontinuität, in mundo non datur saltus, non datur hiatus [In der Welt gibt es keinen Sprung, keine Lücke - wp] hinzunimmt, so ergeben sich die vier Sätze: in mundo non datur hiatus, non datur saltus, non datur casus, non datur fatum als Regeln aller Naturerklärung.

Durch dieses System der Grundsätze soll die Frage gelöst sein, wie eine Naturwissenschaft möglich ist. Sie ist möglich durch die in den Urteilsformen gegebenen reinen Verstandesbegriffe, welche, angewandt auf die Erfahrung, die synthetischen Urteile a priori geben, die in den angegebenen Grundsätzen enthalten sind. Von den Gesetzen der Natur besitzen wir eine Erkenntnis a priori, weil diese Gesetze nichts anderes sind, als die Gesetze unseres Verstandes, wie er genötigt ist, die gegebenen Erscheinungen zu denken und zu beurteilen. Der Verstand setzt voraus, daß wenn das Wasser bald fest, bald flüssig, bald dunstförmig ist, doch bei diesem Wechsel seiner Formen die Materie dieselbe bleibt und beharrt, weil er den Wechsel der Erscheinungen nicht anders aufzufassen vermag, als im Gegensatz mit dem Beharrlichen; denn wenn Nichts beharrt, sondern Alles nur wechselt, ist jeder Begriff, alle Auffassung von den Erscheinungen unmöglich. Ebenso ist das Gesetz der Kausalität nur ein Gesetz oder eine Form unseres Denkens, weil wir uns nicht vorstellen können, daß Etwas aus Nichts wird oder in Nichts vergeht, da wir alle Verändungen nur in der Zeit aufeinanderfolgend wahrnehmen können, dieses Sukzedieren aber, da wir die Reihe darin nicht beliebig ändern können, eine Regel voraussetzt, nach welcher es stattfindet.

Natur als Gesetzmäßigkeit aller Erscheinungen ist nur möglich durch einen Verstand. Gesetze können nur durch eine Intelligenz erkannt und gegeben werden. Diese Intelligenz, meint KANT, ist unser Verstand, da alle allgemeinen Gesetze der Naturerscheinungen nichts weiter sind als Formen des Denkens, wodurch wir die gegebenen Erscheinungen ordnen, woraus die Begriffe entstehen, wodurch wir synthetisch a priori über die Erscheinungen urteilen, und woraus alle allgemeinen Grundsätze der Naturerkenntnis entspringen. In der Erkenntnis richtet sich deshalb das Denken nicht nach den Gegenständen, sondern diese richten sich nach den Formen des Denkens, d. h. die gegebenen empirischen Vorstellungen empfangen formale Objektivität oder Allgemeingültigkeit durch die Stammbegriffe des Verstandes, worunter sie in der Erkenntnis subsumiert und wodurch sie bestimmt werden.

Diese Gesetze und Formen des Denkens aber lassen sich nicht weiter ableiten, sie sind eine gegebene Einrichtung unseres Verstandes. Warum wir so denken, wie wir denken, warum der Verstand in seinen Formen urteilt, sei nicht weiter erklärbar. Wir können uns selber nur auffassen in den Formen unseres Anschauens und Denkens und vermögen daher dieses Rätsel oder Wunder, welches wir selber sind, nicht zu erklären, warum wir in bestimmten Formen anschauen und denken. Ein unbegreifliches zufälliges Faktum ist daher bei KANT der letzte Grund aller Erkenntnis, daß wir diese Formen des Anschauens und Denkens besitzen, welche wir haben, woraus alle Erkenntnisse entspringen sollen, die die Welt der Erscheinungen begreifen und erklären, selbst aber eine bloße Faktizität sind. Diese Tatsächlichkeit ist der letzte Grund auch der Erkenntnis a priori bei KANT. Die allgemeine und notwendige Erkenntnis gründet sich zuletzt auf einer zufälligen und unbegreiflichen Tatsache. KANTs Erkenntnislehre endet mit einem Rätsel. Dieses Rätsel ist der Mensch, er ist sich selber das größte Wunder, das die Kritik der reinen Vernunft nicht erklären kann. KANT isoliert den Menschen und macht ihn zu dem einzigen zentralen Wesen, woraus der Anthropologismus in der deutschen Philosophie entstanden ist, der aber erst nach der Entwicklung von HEGELs Philosophie durch LUDWIG FEUERBACH seine Existenz und Ausbildung erlangt hat.

Den Anthropologismus hat KANT selbst nicht gelehrt, sondern ihn vielmehr, wenn er auch in der "Kritik der reinen Vernunft" einen ersten Anfang hat, in der "Kritik der praktischen Vernunft, die selbst die Kr. d. r. V. ergänzt und in der Tat ihren erklärenden Begriff enthält, aufgehoben und beseitigt, worauf wir später zurückkommen werden.

Das Problem, womit die Kr. d. r. V. in diesem Teil abschließt, und das sie für unlösbar hält, hat aber doch die deutsche Philosophie weiter fortbewegt und ist von ihr nicht als ein bloßes Rätsel und unerklärliches Wunder behandelt worden. Mit seiner Auflösung beschäftigt sich nicht nur FICHTEs Wissenschaftslehre, sondern vor allem auch SCHELLINGs Naturphilosophie, welche den Menschen mit seiner Erkenntniskraft nicht als ein isoliertes Wesen, sondern im Zusammenhang mit der ganzen Natur in seinem Begriff auffaßt und dadurch zugleich zu anderen Ergebnissen in der Erkenntnislehre gelangt. Die Naturphilosophie SCHELLINGs ist selber eine Erkenntnislehre.

Das Endergebnis der Untersuchung über die Möglichkeit einer Naturerkenntnis a priori in synthetischen Urteilen ist dasselbe wie das Resultat der Lehre von den Anschauungen a priori, nämlich der transzendentale oder kritische Idealismus, die Lehre, daß wir Menschen vermöge der Formen unseres Anschauens und Denkens nicht die Dinge-ansich, sondern nur ihre Erscheinungen zu erkennen vermögen. Denn wir können die Dinge nur erkennen in den Formen unseres Anschauens und Denkens und wissen daher nur, was sie sind, wenn wir sie in diesen Formen auffassen; nicht aber können wir wissen, was sie außerhalb dieser Formen, durch deren Gebrauch wir allein zu erkennen vermögen, ansich sind. Unser eigenes Erkennen, Anschauen und Denken hindert uns, die Dinge ansich zu erkennen, denn es tritt zwischen uns und die Dinge-ansich und verhüllt uns die Dinge-ansich. Wir können freilich nur bestimmen, was die Dinge sind, wenn wir sie anschauen und nicht denken, was sie aber sind, wenn wir sie nicht anschauen und nicht denken, können wir nicht sagen, d. h. wenn wir nicht erkennen, können wir auch nicht erkennen. Der Grund von dieser sonderbaren Auffassung liegt aber bei KANT in der Isolierung des Menschen; er ist ein so wunderbar eingerichtetes und organisiertes Wesen, daß seine Formen des Anschauens und des Denkens nur seine Formen sind in exzeptioneller Einrichtung, daß, wenn er sie gebraucht, um zu erkennen, er sein Ziel, die Erkenntnis der Dinge-ansich, verfehlt, und etwas erkennt, das er nun eine Erscheinung nennt, von der es zweifelhaft wird, ob sie nur ein Schein ist, der aus den unbegreiflichen Formen unseres Erkennens entspringt, der uns täuscht, wenn wir ihn auf die Dinge-ansich beziehen, oder uns nicht täuscht, wenn wir ihn darauf beziehen, in welchem Fall doch, wie es scheint, auch die Dinge-ansich aus ihren Erscheinungen müßten erkennbar sein, was aber KANT in Abrede stellt. Daher bleibt der Widerspruch im transzendentalen Idealismus KANTs im Begriff der Erscheinung, welche mit Notwendigkeit Dinge-ansich voraussetzt, ohne deren Voraussetzung wir von gar keiner Beschränkung unserer Erkenntnis auf bloße Erscheinung sprechen können, und deren Annahme doch immer wieder zweifelhaft wird, weil wir aus den Erscheinungen doch nicht die Dinge ansich sollen erkennen können. KANT will nicht, daß die Erscheinung nur ein täuschender Schein ist, der allein in uns seinen Ursprung hat, sondern daß sie eine Bedingung außerhalb von uns hat in den Dingen ansich, denn aller Erscheinung muß etwas korrespondieren, was keine Erscheinung ist; der Vorstellung muß etwas entsprechen, was selber keine bloße Vorstellung ist; aber diese sonderbaren Erscheinungen verhüllen und verbergen die Dinge ansich, deren Erscheinungen sie sind. Die Dinge-ansich sind Positionen, die aber nur verneinen, sie negieren alles Erkennen und schränken all unsere Erkenntnis auf bloße Erscheinungen ein. Was wir erkennen durch Anschauungen und Begriffe, existiert nicht ansich, hat außerhalb unserer Erkenntnis keine Existenz, und was existiert, die Dinge ansich, kann nicht erkannt werden. Zwischen dem Denken und dem Sein ist eine tiefe Kluft, eine gänzliche Verschiedenheit, welche durch nichts überwunden werden kann. Wir können nicht denken, wenn nichts ist; ein absolutes Sein, Dinge-ansich, sind die Bedingungen von allem Denken, aber was ist, können wir nicht erkennen.

Daß wir nur Erscheinungen sollen erkennen können, hat nach KANT seinen Grund in den Formen unseres Erkennens. Trotzdem bleibt aber doch die Erkenntnis der Dinge-ansich das Ziel und das Kriterium, wonach Alles beurteilt wird. Es entsteht daraus ein Suchen nach einer anderen Erkenntnisart, als wir besitzen. KANT hilft sich mit Hypothesen. Der sinnlichen Anschauung stellt er die intellektuelle Anschauung entgegen, welche wir nicht besitzen, dem diskursiv denkenden Verstand den intuitiven, der nicht unser Verstand ist. In der intellektuellen Anschauung und dem intuitiven Verstand würden die Dinge erkannt sein, wie sie ansich sind, als Positionen ohne alle Verneinung, welche sie nur für uns haben, indem sie unsere Erkenntnis auf bloße Erscheinungen einschränken.

Was bei KANT eine bloße Hypothese ist, wird in der nachkantischen Philosophie zur Tatsache. FICHTE nimmt die intellektuelle Anschauung als eine Tatsache an; ihren Inhalt bildet aber nur die sittliche Handlung. SCHELLING erweitert sie, das Absolute soll ihr Inhalt sein. Statt des diskursiven Denkens, welches einen gegebenen Inhalt der Anschauungen voraussetzt, nimmt HEGEL ein absolutes Denken an, dessen Formen die Bestimmungen der Dinge an sich selber sind. In magischer Weise ergreift nach SCHOPENHAUER die innere Anschauung den Willen als Ding-ansich und bildet eine Exemtion [Ausnahme - wp] von allen übrigen Erkenntnissen, die nur Erscheinungen oder nur eine Scheinwelt erkennen. Nicht weit entfernt davon steht HERBARTs sogenannte ästhetische Erkenntnisweise, welche auf Gefühlen ruhen soll, die an der Beschaffenheit des Gefühlten haften und die die gewöhnliche sogenannte theoretische Erkenntnis in wunderbarer Weise ergänzen soll. Das Suchen nach einer besonderen Erkenntnisart, welche leistet, was durch die Formen des Anschauens und des Denkens nicht gefunden werden kann, veranlaßt durch KANT, geht durch die deutsche Philosophie als ein Charakterzug hindurch, der beweist, in welchem Grad sie eine Folge des Kritizismus ist.

Das Ergebnis der Untersuchungen in der transzendentalen Analytik über den Ursprung und die Realität der Begriffe a priori ist dem Namen nach dasselbe, wie das Resultat der Lehre von den Anschauungen a priori, nämlich der transzendentale Idealismus, daß wir nur Erscheinungen, die Dinge ansich aber nicht erkennen. Denn der Sache nach ist das Ergebnis aber nicht dasselbe, sondern ein verschiedenes; der transzendentale Idealismus begreift in sich verschiedene Lehren, da der Begriff der Erscheinung in beiden Teilen ein verschiedener ist, und KANT daher nicht einen, sondern zwei verschiedene Begriffe von der Erscheinung hat.

Erscheinung ist der Gegenstand der sinnlichen Anschauung a posteriori und a priori; dies ist der richtige und allein statthafte Begriff einer Erscheinung, wie er sich auch in der transzendentale Ästhetik findet. "Erscheinungen", erklärt die transzendentale Analytik (Rosenkranz, Seite 206), "sofern sie als Gegenstände nach der Einheit der Kategorien gedacht werden, heißen phaenomena", d. h. das griechische Wort hat einen anderen Begriff als das deutsche, oder KANT hat zwei Begriffe von der Erscheinung, einen anderen in der transzendentalen Analytik und einen anderen in der transzendentalen Ästhetik und die Behauptung, wir erkennen nur Erscheinungen, ist das eine Mal eine andere als das andere Mal, oder der transzendental Idealismus umfaßt sehr verschiedene Lehren.

Begriffe denken keine Erscheinungen, welche nur angeschaut wahrgenommen werden können, sondern Formen des Seins der Inhärenz und Subsistenz, der Kausalität und Dependenz, usw. Wenn nun die Erscheinungen durch die Begriffe bestimmt, beurteilt, interpretiert und erkannt werden, so wird doch mehr erkannt, als bloße Erscheinungen, falls man nicht die phaenomena als Erscheinungen der Erscheinungen oder als die Erscheinungen in zweiter Potenz bezeichnen will, wo aber doch immer der Begriff einer Erscheinung verdoppelt wird. KANT extendiert willkürlich den Begriff der Erscheinung, da er nicht bloß den Gegenstand der Anschauung, sondern den in Begriffen gedachten und dadurch erkannten Gegenstand der Anschauung gleichfalls Erscheinung nennt, wo das Wort aber stets doppelsinnig ist, ein Mangel, der KANTs Lehre selbst verwirrt.

Um herauszubringen, daß "Erscheinungen, sofern sie als Gegenstand nach der Einheit der Kategorien gedacht werden, Phaenomena sind" im Gegensatz zu en unerkennbaren Dingen ansich, welche Noumena heißen sollen, wird aus den Kategorien oder den reinen Begriffen a priori etwas ganz Anderes, als sie ursprünglich sein sollen. Sie sind am Ende nicht, was sie am Anfang waren, denn sie sind am Ende nur Schemata der Einbildungskraft in den zuletzt behandelten Grundsätzen von der Beharrlichkeit, der Erzeugung und der Gemeinschaft der Dinge, worin jene ursprünglichen Begriffe durch das transzendentale Schema der Zeit als modi der Zeit umgesetzt werden. Sie erkennen nur Phaenomena, weil sie nur noch Schemata der Phantasie sind, wodurch freilich nur Erscheinungen in zweiter Potenz aufgefaßt werden, während sie vorher durch sinnliche Anschauungen wahrgenommen worden sind. Daher hat KANT diese Begriffe in der transzendentalen Dialektik wieder anders behandelt, wo sie wiederhergestellt werden aus ihrer bloßen Schematisierung durch die Phantasie.

Im ursprünglichen Entwurf der kantischen Philosophie in der Habilitationsschrift "de mundi sensibilis atque intelligibils form et principiis" fehlt die transzendentale Analytik der Kr. d. r. V. Der Entwurf enthält nur eine sinnliche und eine intelligible Welt, aber kein Zwischenreich zwischen beiden Welten, welches erst durch die Kr. d. r. V. in der transzendentalen Analytik hinzugekommen ist. Es ist das auch nur ein Zwischenreich der schematisierenden Phantasie zwischen der sinnlichen und intelligiblen Welt. Von dieser handelt die transzendentale Dialektik der Kr. d. r. V., von den Formen der sinnlichen Welt aber die transzendentale Ästhetik. Das Zwischenreich zwischen beiden, die Phaenomena, welche nicht Noumena aber auch nicht Erscheinungen sind, halte ich für unhaltbar. Der erste Entwurf hat entschiedene Vorzüge vor der Ausführung in der Kr. d. r. V. durch das unhaltbare Zwischenreich zwischen der sinnlichen und der intelligiblen Welt. Obwohl die Analytik von Vielen als der eigentliche Schwerpunkt und die wesentliche Lehre KANTs angesehen wird, glauben wir, daß sie im Vergleich mit der Lehre von den Anschauungen a priori in der transzendentalen Dialektik der schwächste und unhaltbarste Teil der "Kritik der reinen Vernunft" ist.
LITERATUR: Friedrich Harms, Die Philosophie seit Kant, Berlin 1876