p-4BrentanoBrod/WeltschW. DiltheyB. KerryJ. H. WitteR. Kroner    
 
ULRICH DIEM
Das Wesen der Anschauung
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"Das Sehen ist eine Kunst, die gelernt sein will, dann aber, als gelernte Kunst, zu den edelsten und erhabensten Genüssen hinführen wird. Es ist klar, daß ein gutes, d. h. ein normal gebautes Auge für sich allein diesen höchsten Sinnengenuß nicht verschaffen kann, es muß noch etwas hinzutreten; erst in der richtigen Interpretation des Retinabildes durch die Seele liegt die Vollendung der Natur durch den Geist und zu ihr hin führt nur das eine: die Anschauung."

"Helmholtz betrachtet als den wesentlichsten Fortschritt der neueren Zeit die Auflösung des Begriffs der Anschauung in die elementaren Vorgänge des Denkens, die bei Kant noch gefehlt hat."


Einleitung

Vorliegende Schrift bildet den ersten Teil einer Arbeit über "Das Wesen der Anschauung bei Pestalozzi und bei Herbart". Die Notwendigkeit einer eingehenden Analyse des Begriffs der Anschauung lag also für mich auf der Hand. Anderen wird sich möglicherweise die Frage aufdrängen, ob ein derartiger Versuch wissenschaftlich wertvolle Ergebnis zutage fördern kann; man wird mir vielleicht vorhalten, daß eine ähnliche Untersuchung in Anbetracht der bekannten, allgemeinen Bedeutung des Wortes "Anschauung" zu keinem greifbaren Resultat führen dürfte.

Der Verfasser dieser Studie erlaubt sich, einen anderen Standpunkt zu vertreten. Allerdings kann es sich hier nicht um eine Reformbestrebung in dem Sinne handeln, als ob man sich der Hoffnung hingeben wollte, daß in der Willkür, welche hinsichtlich der populären Verwendung unseres Begriffes besteht, ein Wandel geschaffen werden könnte; das Wort Anschauung hat sich bereits derartig eingebürgert, daß ein ähnliches Unterfangen von vornherein als aussichtslose Bemühung erscheinen muß. Dagegen möchte der vorliegende Versuch einen bescheidenen Beitrag zur Klärung und Vereinheitlichung der spezielleren psychologischen Terminologie liefern. Die Lücken und Mängel dieser letzteren haben sich gerade in diesen Jahren mehr als jemals zuvor fühlbar gemacht und man ist allgemein der Überzeugung, daß neben der einen Aufgabe, die Unabhängigkeit der Psychologie von metaphysischen Voraussetzungen und spekulativer Philosophie sicherzustellen und die Geheimnisse der psychischen Vorgänge anhand von Experiment und Beobachtung ergründen zu suchen, das andere Ziel: die begrifflich klare Festhaltung der Ergebnisse aller Forschungen in einheitlichen adäquaten Sprachformen nicht vernachlässigt und übersehen werden darf.

Denn jede wissenschaftliche Behandlung irgendeiner psychischen Erscheinung geschieht doch durch die Sprache, deren Elemente, die Begriffe, notwendigerweise genügend verständlich und bestimmt sein müssen, wenn die sprachlichen Reproduktionen Anspruch auf allgemeinen, wissenschaftlichen Wert machen wollen. Jedes Einzelwort, auch in der nicht wissenschaftlichen Sprache, sollte, im Grunde genommen, nur eine einzige Bedeutung haben. Da aber die Sprache selbst das Produkt einer historischen Entwicklung ist, so gibt es keine allgemein verbindliche Worteindeutigkeit im strengen Sinn. Immerhin muß zumindest für den wissenschaftlichen Sprachgebrauch eine möglichst gesicherte Eindeutigkeit der verschiedenen Termini gefordert werden, denn je unbestimmter, je abstrakter die zu verwendenden Begriffe sind, umso näher liegt die Gefahr von Mißverständnissen, welche die Diskussion einer aufgeworfenen Frage zeitigen kann. Meinungsverschiedenheiten lassen sich wohl in den meisten Fällen auf die verschiedenen Auffassungen der einer Streitfrage zugrunde liegenden Begriffe zurückführen und daraus erhellt sich die Notwendigkeit, jede philosophische Forschung auf möglichst prägnante Begriffe zu gründen.

Die so oft gerühmte Sicherheit des mathematischen Sprachgebrauchs beruth auf nichts anderem, als eben der Bestimmtheit ihrer Begriffe und der Eindeutigkeit der Kombinationen von mathematischen Begriffen; wie weit wir aber in anderen Disziplinen von diesem Ziel entfernt sind, mag gerade der in unserer Arbeit gewährte Einblick in die heutige psychologische Terminologie, insbesondere die Übersicht über die verschiedenen Definitionen der Anschauung lehren. Leider übersehen die meisten psychologischen Schriftsteller die Ansprüche, welche an die Terminologie gemacht werden müssen; von Vielen wird diese wichtige Aufgabe mit Absicht vernachlässigt oder geradezu als pedantisch belächelt.
    "In unserer Periode philosophierender Geistreichigkeit ist sogar die Definition überhaupt als Schulzopf verpönt, weil man dann nicht mehr so rasch geistreich erscheinende Sprünge machen kann." (1)
Wie schon angedeutet, steht auch die bisherige Interpretation der Anschauung in einem schroffen Gegensatz zu einer einheitlichen, klaren Terminologie. Ganz abgesehen von der Verwendung dieses Begriffs in der populären Sprache, welche von Anschauungen im Sinne von "Ansichten" oder "Überzeugungen" spricht, liefert ein Vergleich der verschiedenen Definitionen den sicheren Beweis dafür, daß der Begriff der Anschauung, so wie er bisher gefaßt wurde, als wissenschaftlicher Terminus entschieden unhaltbar ist. Anschauung kann ohne weiteres mit Wahrnehmung, mit Vorstellung, mit Wahrnehmungsvorstellung oder mit anschaulicher Vorstellung, sogar mit "Denken" umschrieben werden, d. h. "Anschauung" ist ein sehr bequemer Sammelname, nichts weiter. Im besten Fall unterscheidet man zwischen "Anschauung im engeren Sinne" (als einem mixtum compositum [buntes Durcheinander - wp], welches von den Daten des Gesichtssinnes, namentlich Ausdehnung, Farbe, Form, Größe und Glanz berücksichtigt) und einer "Anschauung im weiteren Sinne" (als einem mehr oder weniger großen Komplex, in welchem unter Hinzuziehung anderer Sinne auch Glätte, Rauheit, Trockenheit, Feuchtigkeit, Härte, Weichheit, Schmelzbarkeit usw. assoziiert sind. (2)

Eine derartige Trennung zwischen einer eigentlichen und einer uneigentlichen Anschauung scheint mir aber weder annehmbar noch notwendig. Nach meiner Ansicht kann der Begriff der Anschauung so gefaßt werden, daß die Anschauung ein Bewußtseinsphänomen von charakteristischem Inhalt und gleichzeitig von bestimmtem psychologischen Wert repräsentiert. Hier soll also der Beweis geleistet werden dafür, daß unserem Begriff ein bestimmt umgrenzter Inhalt zuzuerkennen ist, ohne daß durch diese Einschränkung auf ein gegebenes Gebiet die bisherige Bedeutung der Anschauung wesentlich geschmälert würde (3).

Vor allem bildet die vorliegende Untersuchung das Fundament für eine Kritik der Idee eines "ABC der Anschauung", wie sie zuerst von PESTALOZZI, dann von HERBART vertreten worden ist. Ich werde in dieser Arbeit u. a. zeigen, daß auch die Anschauung, so wie ich sie definiere, in der Tat bildsam, entwicklungsfähig ist; in einem folgenden II. Teil soll dann klargelegt werden, inwiefern die Versuche PESTALOZZIs und HERBARTs fehlerhaft, wo sie zu verbessern und zu ergänzen sind und schließlich werde ich, gestützt auf mehrjährige Erfahrungen in der Praxis des Zeichenunterrichts, einen neuen Vorschlag für ein ABC der Anschauung aufstellen und zu begründen suchen.


1. Kapitel
Die Bedeutung und Mängel des Begriffs der
Anschauung im wissenschaftlichen Sprachgebrauch

"Auf welche Art und durch welche Mittel sich auch immer eine Erkenntnis auf Gegenstände beziehen mag, so ist doch diejenige, wodurch sie sich auf dieselben unmittelbar bezieht und worauf alles Denken als Mittel abzweckt, die Anschauung." - Mit diesen Worten beginnt KANT seine transzendentale Elementarlehre (4); er weist damit dem Begriff der Anschauung von Anfang an den Platz an, der die Bedeutung der Anschauung erkennen läßt.

Schon PROTAGORAS, der Sophist aus Abdera (480-410 v. Chr.) hatte auf die maßgebende Rolle, welche die wahrnehmende, d. h. die auf sinnlicher Erkenntnis beruhende, psychische Tätigkeit in der gesamten Erkenntnis zu spielen berufen ist, hingewiesen, um damit die Berechtigung eines unantastbaren und allgemein verbindlichen Wissens zu leugnen. "Der Mensch ist das Maß aller Dinge"; alle Erkenntnis, alle Wissenschaft beruth auf menschlich sinnlicher Wahrnehmung, bzw. auf der Erfassung durch die Sinnestätigkeit. Auf diese letztere gründet sich alles Erkennen; alles Wissen im eigentlichen Sinn des Wortes bezieht sich im letzten Grund auf das, was uns durch die Sinne auf dem Weg der Erfahrung übergeben worden ist. Die sinnlich erkennende Tätigkeit bildet den Ausgangspunkt jeder geistigen Entwicklung; von ihr aus gehen die Wege des Wissens nach allen Richtungen, zu ihr zurück führen sie schließlich wieder. Nur das, was wir sinnlich erfassen, erkennen wir als wirklich bestehend; die sinnliche Erkenntnis ist also schon nach PROTAGORAS gleichsam das Korrektiv unseres Denkens, mit ihrer Hilfe unterscheiden wir das, "was wirklich ist", von dem, "was nicht ist". Mögen auch unsere Sinne nicht in allen Fällen ganz zuverlässig sein, so bleibt doch, abgesehen von pathologischen Erscheinungen, der Satz von Ursache und Wirkung bestehen, denn insofern wir überhaupt affiziert werden, müssen wir das Vorhandensein einer Ursache dieser Erregung als bestehend voraussetzen. Es kann uns also kein Gegenstand auf andere Weise gegeben werden, als eben durch die Sinne, durch die sinnliche Wahrnehmung; umgekehr muß sich alles Denken, das einen allgemeingültigen Wert beansprucht, auf die sinnliche Erkenntnis zurückbiegen oder wie KANT sagt: "Alles Denken aber muß sich, es sei geradezu (direkte oder im Unschweif = indirekte zuletzt auf Anschauungen, mithin bei uns auf Sinnlichkeit beziehen." (5)

An der Bedeutung der Anschauung - wir verwenden den Begriff vorläufig noch einfach im Sinne KANTs als der unmittelbar durch die Sinne vermittelten Erkenntnis - ist denn auch nach PROTAGORAS stets festgehalten worden und die Untersuchung über das Wesen der sinnlichen Erkenntnis überhaupt, desjenigen der Anschauung im Besonderen, gehörte wohl stets zu den wichtigsten Aufgaben der Erkenntnistheorie und Metaphysik einerseits, der philosophischen Pädagogik - wenn man sich so ausdrücken darf - andererseits. Es würde aber viel zu weit führen und hätte auch für unsere Arbeit keinen unmittelbaren Wert, wollte man hier einem Rückblick auf die mit unserem Thema zusammenhängenden erkenntnistheoretischen Lehren rufen; an dieser Stelle mag der Hinweis genügen, daß vor allem KANT es gewesen ist, der einen ersten, ernsteren Anlauf zur Feststellung und Klärung des Begriffs der Anschauung gemacht hat, wenn auch der Versuch nicht mit genügendem Erfolg abgeschlossen worden ist. (6) Es wird sich weiter unten Gelegenheit bieten, auf die Ausführungen KANTs zurückzukommen; hier weise ich, rückwärtsschreitend, nur noch auf den Ausspruch LOCKEs: nihil est in intellectu quod non fuerit in sensu [Nichts ist im Verstand, was nicht vorher in den Sinnen war. - wp] hin. LOCKE hat bekanntlich mit diesem schon alten Satz nicht bloße die Devise des philosophischen Empirismus festgenagelt, sondern gleichzeitig das Losungswort für die aufstrebende, neuere Pädagogik gegeben.


Die Überzeugung, daß die sinnliche Erkenntnis die Grundlage und der Ausgangspunkt eines jeden Unterrichts sein muß, ist älter, als LOCKEs Schlagwort. Schon ROGER BACON (1214-1294) scheint ein Vertreter dieses Prinzips gewesen zu sein; nach ihm betonen LUTHER (1483-1546) und später der geistvolle FRANCIS BACON (1561-1626) die Notwendigkeit, überall und immer von den Dingen selbst auszugehen. Allgemein gilt aber AMOS COMENIUS (1592 bis 1671) als der eigentliche Begründer des anschaulichen Unterrichts; seine didactica magna und deren methodisch praktische Anwendung in der "sichtbaren Welt" dem orbis sensualium pictus werden als die ältesten, für den heutigen anschaulichen Unterricht noch maßgebenden Werke betrachtet (7). Das Wort des COMENIUS: "In intellectu nihil est nisi prius fuerit in sensu. Sensus ergo circa rerum differentias recte percipiendas, graviter excerce erit toti sapientiae totique eloquentiae fundamente ponere" [Im Verstand ist nichts, was nicht vorher in den Sinnen gewesen ist. Das richtige Verständnis der Unterschiede im Wahrgenommenen ist das Fundament aller Weisheit, die in der Beredsamkeit liegen kann. - wp]. Damit verweist COMENIUS also nachdrücklich auf die grundlegende Bedeutung der Anschauung (ocularis demonstratio). Er und alle seine Nachfolger in der Verfechtung dieses Grundsatzes, nämlich LOCKE (1632-1704, FRANCKE (1663-1727), "Ordnung und Lehrart, wie selbige im Pädagogium zu Glaucha in Halle eingeführt ist", ROUSSEAU (1712-1778, Emile 1762), die Philantropisten, zunächst BASEDOW (1723-1790, Methodenbuch 1770), dann SALZMANN (1744-1811, Ameisenbüchlein 1806), ferner der Domherr von Rochow (1734 bis 1805, Versuch eines Schulbuches 1772, Handbuch in katechetischer Form für Lehrer, zweite Auflage, Halle 1789), erachteten es als erste Pflicht des Jugendunterrichts, den Kindern die Augen zu öffnen, die Entwicklung der verschiedenen Sinne zu fördern und überall die Natur und die "wirklichen Gegenstände der Kunst" in den Unterricht einzubeziehen.

Die Betrachtung dieser wirklichen Dinge aber war und blieb bis ROCHOW immer nur Mittel zum Zweck, d. h. Mittel zur Belebung und Förderung des Unterrichts. Die Hebung und Ausbildung der Anschauungsübungen, ihre Ausgestaltung zu einem selbständigen Zweig, die Gründung eines eigentlichen Sach- und Anschauungsunterrichts blieb HEINRICH PESTALOZZI (1746-1827) vorbehalten.

PESTALOZZI verlangte nicht bloß, daß jede Erkenntnis von der Anschauung ausgehen und auf sie zurückgeführt werden muß (8), sondern rief in seinen Schriften einer besonderen, planmäßigen Entwicklung des kindlichen "Anschauungsvermögens", einer eigentlichen "Anschauungskunst"; denn:
    "aller Unterricht des Menschen ist nichts anderes als die Kunst, diesem Haschen der Natur nach ihrer eigenen Entwicklung eine Handbietung zu leisten und diese Kunst ruht wesentlich auf der Verhältnismäßigkeit und Harmonie der dem Kind einzuprägenden Eindrücke mit dem bestimmten Grad seiner entwickelten Kraft. Es gibt also notwendig in den Eindrücken, die dem Kind durch den Unterricht beigebracht werden müssen, eine Reihenfolge, deren Anfang und Fortschritt dem Anfang und Fortschritt der zu entwickelnden Kräfte des Kindes genau Schritt halten soll." (9)
Die Anschauung ist also nach PESTALOZZI das Fundament aller Erkenntnis (10) und so sucht er dann in seinen "Elementarbüchern" ("Buch der Mutter", von KRÜSI ausgearbeitet, 1803 und "Anschauungslehre der Zahl- und Maßverhältnisse"), vor allem aber in dem 1803 erschienenen, von BUSS bearbeiteten "ABC der Anschauung" oder "Anschauungslehre der Maßverhältnisse" (Zürich, Bern und Tübingen) nach der Urform, "durch welche die Ausbildung unseres Geschlechts durch die Natur selber bestimmt werden muß."

PESTALOZZI gelangt hierbei bekanntlich auf die vielangefeindete Trias Zahl, Form und Sprache, während als Mittel oder Grundformen der speziellen Anschauungslehre oder des "ABC der Anschauung", welche nach PESTALOZZI selbst als eine Vorübung zum Messen, bzw. der Erkenntnis der Form der Dinge zu betrachten ist, die gerade Linie und das Quadrat aufgestellt werden. Diese Elemente sind als die Kunstmittel zur "Entwicklung des Begriffs der Maßverhältnisse" aufzufassen und sollen als solche die Vorstellungen von den Maßverhältnissen verstärken und verdeutlichen helfen. Die Übungen in PESTALOZZIs "ABC der Anschauung" stehen somit in erster linie im Dienst des vergleichenden Zählens und Rechnens. Sie vermitteln "die Fertigkeit richtig auszumessen", wobei letztere in der Kunstbildung unseres Geschlechts sich unmittelbar an das "Bedürfnis der Anschauung" anreiht. Das ABC der Anschauung befindet sich in zweiter Linie im engsten Zusammenhang mit dem Zeichnen, denn
    "Zeichnen ist eine lineare Bestimmung der Form, deren Umfang und Inhalt durch die vollendete Ausmessungskraft richtig und genau bestimmt wurden" (12).
Es mag sich lohnen, diesem Gedankengang PESTALOZZIs und seinen Konsequenzen für die spätere Entwicklung dieser Fragen rasch nachzugehen. Die Bedeutung der Anschauung im Unterricht ist heute zumindest in dem Sinn unbestritten, als sie auch in unseren Tagen als das eigentliche Fundament, als Ausgangspunkt jeder methodischen Bearbeitung des Lehrgegenstandes betrachtet wird, während man in der Beantwortung der Frage über die Stellung des eigentlichen Anschauungsunterrichts im Lehrplan allerdings verschiedener Ansicht ist. Wir können hier nicht näher auf die Entwicklung dieses Unterrichtszweiges oder auf die bezüglich dessen Berechtigung obwaltenden Meinungsverschiedenheiten eingehen, sondern verweisen auf die betreffende Literatur (13).

Bekanntlich hat HERBART die in PESTALOZZIs "Wie Getrud ihre Kinder lehrt" niedergelegten, genialen Gedanken über die Zweckmäßigkeit eines eigentlichen "ABC der Anschauung" aufgegriffen und wissenschaftlich zu verarbeiten gesucht. Schon im Jahr 1802, also ein Jahr vor dem Erscheinen von PESTALOZZIs ABC veröffentlichte HERBART die erste Auflage seines Buches über "Pestalozzis Idee eines ABC der Anschauung", untersucht und wissenschaftlich ausgeführt", in welchem er den Gedanken PESTALOZZIs über die Bedeutung der Anschauung für die Entwicklung des geistigen Wachstums, über die Bildsamkeit der Anschauung, den pädagogischen Wert der gebildeten Anschauung und die maßgebende Bedeutung derselben für das gesamte Geistesleben, volle Gerechtigkeit widerfahren läßt (14). Dagegen verwirft HERBART, zumindest zum Teil, die Ausführungen PESTALOZZIs; so greift der das "Buch der Mutter" an, wo sich PESTALOZZI unzweckmäßig auf einen einzelnen, dem kindlichen Auffassungsvermögen keineswegs nächstliegenden Gegenstand beschränkte; ferner bestreitet HERBART die Berechtigung und Zweckmäßigkeit des von PESTALOZZI als Grundform so hoch gepriesenen Quadrates. HERBART möchte vielmehr
    "auf den Wink der Wissenschaft der Formen, ihm sein gleichseitiges Viereck ganz leise hier wegziehen und dafür eine Folge von Dreiecken unterschieben, die seine eigene Idee wohl etwas besser ausführen helfen würde." (15)
Ich werde, wie bereits in der Einleitung bemerkt worden ist, in einem folgenden zweiten Teil (16) meiner Arbeit über die Anschauung, mich eingehend mit HERBARTs Vorschlag beschäftigen und kann mich also hier mit dem bloßen Hinweis auf den ziemlich großen Widerstand, den die Schrift HERBARTs namentlich im Lager der eifrigeren Pestalozzianer fand, begnügen. Sodann ist festzustellen, daß weder Pestalozzis noch Herbarts methodisch-unterrichtliche Theorien des ABC der Anschauung einen tieferen Einfluß auf die Praxis der Volksschule ausübten, als sie zu einer allmählichen Reform des Geometrie- und des Zeichenunterrichts wesentlich beigetragen haben. Bezüglich der Fortschritte auf dem Gebiet der geometrischen Formenlehre sei nur an die fördernden Arbeiten von MAYER und FRESENIUS erinnert. Der Einfluß PESTALOZZIs auf den Zeichnenunterricht ist fühlbar geblieben bis auf den heutigen Tag. PESTALOZZI wird vielfach geradezu als "Vater des modernen Zeichenunterrichts" proklamiert und die große Bedeutung der geometrischen Grundformen im Lehrplan des Leipziger Künstlers FEDOR FLINZER, der seit den 70er Jahren mächtig Schule gemacht hat, weist offenbar auf eine Annäherung an den im Institut zu Yverdon erteilten Zeichenunterricht und die dort gepflegten Theorien hin. Wenn aber heute der Ruf nach einer Reform im Zeichenunterricht sich immer mehr Bahn bricht, so bedeutet das zwar eine Erhebung gegen schulmeisterlichen Pedantismus, gegen engherzige Schablonisierung und steife Formenreiterei, nicht gleichzeitig etwa eine Verneinung der Prinzipien PESTALOZZIs. Denn man darf nicht vergessen, daß PESTALOZZIs "ABC der Anschauung" nie und nimmer als Zeichenmethode betrachtet sein wollte. Wie bereits hervorgehoben, sind jene vorbereitenden geometischen Übungen nichts anderes als Vorübungen zum eigentlichen Zeichenunterricht und wenn sich in diesem letzteren im Laufe der Zeit ein eigener Kultus geometrischer Grundfiguren wie Quadrat, Achteck, Dreieck, Sechseck usw. gebildet hat, so dürfte die Erklärung dieser Erscheinung in der falschen Interpretation PESTALOZZIs bzw. dessen Idee eines ABC der Anschauung zu suchen sein.

Heute macht sich in der Kunst immer mehr das Bestreben geltend, die mit der Natur nach und nach verlorene Fühlung wiederzugewinnen und zurückzuerobern. Was man "modernen Stil" nennt, bedeutet doch im Grunde genommen nichts anderes, als das Ergebnis der bisherigen tastenden Versuche, die entfremdete Natur neuerdings allen künstlerischen Tendenzen dienstbar zu machen. Man ist eifrig bestrebt, neue Wege der Annäherung und Versöhnung zu finden, aber alle Bemühungen wären umsonst, wollte man nicht dafür Sorge tragen, daß die Entwicklung und Schärfung unserer Beobachtungskraft mit der Steigerung der an sie gestellten Anforderungen gleichen Schritt hält. Auch hier gilt eben der Satz: nihil est in intellectu quod non antea fuerit in sensu. Zurück also zu einem eingehenden, intimen und liebevollen Verkehr mit der unseren Sinnen sich darbietenden Natur. Was HERBART und PESTALOZZI jeweils so eindringlich betonten, wir dürfen es heute weniger als je zuvor überhören: das Sehen ist eine Kunst, die gelernt sein will, dann aber, als gelernte Kunst, zu den edelsten und erhabensten Genüssen hinführen wird. Es ist klar, daß ein gutes, d. h. ein normal gebautes Auge für sich allein diesen höchsten Sinnengenuß nicht verschaffen kann, es muß noch etwas hinzutreten; erst in der richtigen Interpretation des Retinabildes durch die "Seele" liegt die Vollendung der Natur durch den Geist und zu ihr hin führt nur das eine: die Anschauung.

Was aber ist "Anschauung"?

Bevor wir auf eine Analyse des Begriffs Anschauung eingehen können, sehen wir uns genötigt, vorerst auf die Tatsache hinzuweisen, daß der zu untersuchende Terminus außerordentlich verschieden gefaßt wird. Über die Bedeutung der Anschauung für die gesamte Erkenntnis, für die Bildung des menschlichen Geistes und Verstandes, darüber sind sich alle einig, sowohl die Philosophen und Pädagogen, als auch die Psychologen. Dagegen über das Wesen der Anschauung, über den Inhalt dieses Begriffs, bestehen ganz auffallende Meinungsverschiedenheiten und es dürfte ein kurzer Überblick über die verschiedenen Normierungen umso notwendiger sein, als sich erst aus einer derartigen Zusammenstellung die leitende Richtschnur für unsere Unternehmung erkennen lassen wird. Daß hierbei eine Auseinanderhaltung und Scheidung zwischen erkenntnistheoretischen, philosophisch-pädagogischen und rein psychologischen Gesichtspunkten konsequent beachtet werden muß, ist ohne weiteres einleuchtend; ich berücksichtige daher im Folgenden die Definitionen, wie sie sich aus dem Studium der Anschauung in den verschiedenen philosophischen Disziplinen ergeben und zwar erinnere ich mich dabei an die Feststellung KERRYs, daß die Geschichte der Analyse des deutschen Begriffs der Anschauung (denn nur mit dieser haben wir es ja hier zu tun) nicht weiter als bis zu KANT zurückreicht (17). Das Wort ALEXANDER von HUMBOLDTs: "Die Schriften Kants sind doch einmal der Kodex, den man nie in philosophischen Angelegenheiten aus der Hand legen darf" hat also auch in diesem Fall seine volle Berechtigung und wir werden in der Tat die begriffliche Analyse der Anschauung mit einem Rückblick auf KANT beginnen müssen. Daß die Ausführungen KANTs jedenfalls erkenntnistheoretische gefärbt sein werden, läßt sich schon aus dessen Abneigung gegen eine empirische Psychologie vorausahnen und die Berechtigung, KANTs Begriffsbestimmung der Anschauung somit als von erkenntnistheoretischen Standpunkten geleitete Definition betrachten zu dürfen, kann wohl kaum abgestritten werden. Von dieser Erwägung ausgehend, berücksichtige ich im folgenden Überblick über die Determinationen der Anschauung zunächst diejenigen Fassungen, welche durch erkenntnistheoretische Erwägungen beeinflußt sind; in zweiter Linie gebe ich diejenigen Definitionen, welche von Vertretern der Pädagogik bzw. der pädagogischen Psychologie aufgestellt wurden. Denn nach KANT bemächtigte sich zunächst die aufstrebende Pädagogik des Begriffs der Anschauung: Die tiefer gehende psychologische Analyse blieb, wie HELMHOLTZ nachweist (18) erst der neueren Zeit vorbehalten, und so soll dann auch hier der rein psychologische Standpunkt zuletzt berücksichtigt werden.


Die bezüglichen Ausführungen KANTs finden sich hauptsächlich in seiner transzendentalen Ästhetik. (19) In der Einleitung zu derselben nennt KANT die Anschauung eine Art der Erkenntnis und zwar diejenige, die sich unmittelbar, aber mittels der Sinne, auf Gegenstände bezieht. Diese Erklärung steht aber im Widerspruch mit der Definition der Erkenntnis, welche KANT in seiner transzendentalen Logik, am Anfang der Analytik gibt (20): Unsere Erkenntnis entspringt hier aus zwei Grundquellen des Gemüts, nämlich aus der Vereinigung von Sinnlichkeit und Verstand: denn zu jeder Anschauung gehört der adäquate Begriff.

Wie VAIHINGER ausführt (21), hat u. a. schon MELLIN auf diesen Widerspruch aufmerksam gemacht. Die Anschauung ist weder selbst Erkenntnis, noch eine Art der Erkenntnis, sondern nur ein notwendiger Bestandteil aller Erkenntnis; da nach KANT selbst eine Anschauung ohne Begriff blind ist, so kann nur "uneigentlich" gesagt werden, die Anschauung sei eine Art der Erkenntnis. (22) KANT gebraucht somit den Begriff "Erkenntnis" in einem zweideutigen Sinn, wie auch JACOBI in seinen "Briefen eines Engländers" dargelegt hat.
    "Es hängt dem Wort Erkenntnis unstreitig in den kantischen Schriften eine gewisse Ambiguität an, welcher nicht mit der gehörigen Schärfe vorgebeugt." (23)
Was nun KANTs Definition, die Anschauung beziehe sich unmittelbar auf Gegenstände, anbetrifft, so ist dieser Satz nach VAIHINGER so aufzufassen, daß eine Anschauung stets einen realen Inhalt hat, nicht bloß leer ist; ferner involviert die charakteristische Bestimmung "unmittelbar" die Ergänzung, das Denken beziehe sich nur mittelbar auf Gegenstände; alles Denken aber muß sich in letzter Linie auf die Anschauung beziehen. Diese letztere selbst wird also nach KANT durch die Sinne vermittelt (24) und zwar nicht nur durch den Gesichtssinn. KANT braucht vielmehr den Begriff Anschauung immer in einem weiten Sinn des Wortes, für die Affektionen aller Sinne überhaupt, so daß WEISHAUPT in den "Kantischen Anschauungen und Erscheinungen" (25) auf die Vermutung kommen konnte, daß das Wort "Anschauung" in der kantischen Schule für "Empfindung" steht und speziell zur Bildung des Begriffs der "reinen Anschauung" gebraucht wurde, wo doch unmöglich von einer "reinen Empfindung" gesprochen werden kann. (26) Dieser Vermutung gegenüber ist aber auf jene Stelle in der transzendenten Logik hinzuweisen, wo Anschauung als "Vorstellung" und zwar als einzelne Vorstellung, im Gegensatz zum Begriff, als der allgemeinen Vorstellung definiert wird; daher unterscheidet sich die empirische Anschauung von der reinen Anschauung durch ihren Inhalt. Sie ist
    "empirisch, wenn eine Empfindung darin enthalten ist, rein aber, wenn der Vorstellung keine Empfindung beigemischt ist". (27)
KANT nennt die Empfindung die "Materie der sinnlichen Erkenntnis"; in jeder empirischen Anschauung ist somit Empfindung als Element enthalten, allein die Anschauung selbst ist keine Empfindung.

Was ist dann also Anschauung nach KANT?

Es dürfte kaum gelingen, auf diese Frage eine allseitig befriedigende, klare Antwort zu finden, denn, wie z. B. auch VAIHINGER hervorhebt, zeichnet sich der Satz, in welchem KANT den Begriff der Anschauung näher definiert und begrenzt, nicht durch "übermäßige Klarheit" aus (28). Die betreffende Stelle findet sich in § 1 der transzendentalen Ästhetik. Nachdem KANT die Empfindung (sensatio) als "die Wirkung eines Gegenstandes auf die Vorstellungsfähigkeit" definiert hat (29), fährt er fort: "Diejenige Anschauung, welche sich auf den Gegenstand durch Empfindung bezieht, heißt empirisch." Damit ist nun allerdings der primäre Charakter der Anschauung betont, allein der Vorwurf, daß KANT mit dieser Definition nichts Klares und Unmißverständliches geschaffen hat, ist wohl nicht unberechtigt. Auf alle Fälle wird der Unterschied zwischen Anschauung und Empfindung nicht genügend scharf gegeben. Offenbar ist hier die Anschauung - ich rede vorläufig nur von der empirischen, denn nur mit dieser kann es meine Arbeit eigentlich zu tun haben - als objektivierte Gegenstandsempfindung aufzufassen; allein es fehlt eben noch jede nähere Bestimmung der objektivierenden Bewußtseinstätigkeit (30) und es folgert z. b. VAIHINGER, daß nach KANT die Anschauung eine Vorstellung ist, die sich unmittelbar auf den Gegenstand bezieht und zwar wird diese Beziehung beim Menschen durch die Empfindung vermittelt. Es entsteht also vorerst auf dem Weg der Affektion die Empfindung, sodann eine vorläufig noch unerklärte Weise die Anschauung. Anders, und wie ich glaube, eher in KANTs Sinne, schließt REINHOLD (in seinen Briefen I, Seite 313).
    "Sinnlich heißt jede Vorstellung, welche durch die Art, wie die Rezeptivität affiziert wird, entsteht. Sie heißt Empfindung, sofern sie auf das Vorstellende, Anschauung, sofern sie auf das Vorgestellte bezogen wird." (31)
Diese Interpretation wird, wie aus ERDMANNs Nachträgen ersichtlich, durch eine Anmerkung KANTs in seinem Handexemplar unterstützt, wo gesagt wird: Anschauung beziehe sich auf das Objekt, Empfindung bloß auf das Subjekt.

Auf alle Fälle haften an der oben erwähnten Definition der Anschauung entschiedene Mängel. Bezieht sich die Empfindung auf den Gegenstand, ohne diesen näher zu bestimmen, oder wird jener als ein bestimmter Gegenstand bereits erkannt? Haben wir es hier bloß mit einer einfachen Affektion der Sinne und der adäquaten Nervenreaktion zu tun oder schließt die Anschauung bei KANT eine Bewußtseinstätigkeit, vielleicht bereits ein (primitives) Urteil ein? Der auf die besprochene Definition der Anschauung folgende Satz lautet: "Der unbestimmte Gegenstand einer Anschauung heißt Empfindung"; (32) auf Seite 373 aber lesen wir: "Ist Empfindung einmal gegeben (welche, wenn sie auf einen Gegenstand überhaupt ohne diesen zu bestimmen, angewandt wird, Wahrnehmung heißt)" etc. Was ist nun unter einem "unbestimmten Gegenstand" zu verstehen? Nach VAIHINGER setzte KANT "unbestimmt" im Sinne von beliebig; der Gegenstand, solange er bloß innerhalb der Sinnlichkeit gegeben ist, ist noch unbestimmt (33). Offenbar bedeutet "Erscheinung" die begrifflich noch unbestimmte Anschauung (34); andererseits ist der Inhalt einer Anschauung nach KANT also nicht näher bestimmt; er besteht einfach in der durch die Wahrnehmung gegebenen Perzeptionsmasse. Eigentümlicherweise hat aber KANT den Terminus Wahrnehmung hier nicht gebraucht, obschon er ihn, wie bereits gezeigt wurde, an anderen Orten als die mit Bewußtsein verbundene Empfindung anwendet.

So ist es also nicht schwer zu verstehen, warum die Zeitgenossen KANTs mit dessen Definition der Anschauung nicht zufrieden waren und verschiedene Einwände machten. Wie VAIHINGER nachweist, hat z. B. ein ANONYMUS in JAKOBs Annalen (Bd. III, Seite 190) festgestellt, daß durch die Quasi-Erklärung der Anschauung nicht klargelegt wird
    "ob dadurch eine besondere Klasse von Vorstellungen oder vielmehr ein besonderer Bestandteil aller Vorstellungen, der aber doch selbst keine Vorstellung ist, bezeichnet werden soll" (35).
In der Tat geht aus Kants Ausführungen nicht hervor, ob wir es in der Anschauung mit einer besonderen Art von sinnlicher Wahrnehmung oder aber nur mit der Anschauungstätigkeit oder einem Anschauungsvermögen zu tun haben. Der Grund dieser Unzulänglichkeiten der kantischen Formulierung ist sehr wahrscheinlich in unrichtigen Voraussetzungen zu suchen. KANT ging nämlich von der Annahme aus, der jeder Anschauung zugrunde liegende psychische Prozeß bestehe aus einem einfachen, nicht weiter analysierbaren Vorgang; denn der große Königsberger Philosoph war beeinflußt durch den noch nicht weit fortgeschrittenen Entwicklungsstand, in dem sich damals sowohl die Mathematik wie die Physiologie der Sinnesorgane befand. Und so betrachtet HELMHOLTZ, der im Übrigen die Forschritte in KANTs Philosophie zu jeder Zeit voll und ganz anerkennt und die Übereinstimmung der neueren Sinnesphilosophie mit KANTs Lehren mehrfach betont (36), allerdings ohne damit "auch in allen untergeordneten Punkten in verba magistri [auf die Wortes des Meisters - wp] zu schwören", als den wesentlichsten Fortschritt der neueren Zeit die Auflösung des Begriffs der Anschauung in die elementaren Vorgänge des Denkens, die bei KANT noch gefehlt hat (37). Wir verdanken diese Möglichkeit vor allem den neuen physiologischen Untersuchungen über die Sinneswahrnehmungen, welche uns in den Stand setzen, viele der letzten, elementaren Vorgänge des Erkennens endlich erklären und uns über Fragen Gewißheit verschaffen zu können, welche der spekulativen Philosophie, solange dieselbe nur die durch die Sprache gegebenen Erkenntnisse untersuchte, einfach unzulänglich waren und daher unbekannt blieben.


Der ältere Begriff der Anschauung anerkennt nach HELMHOLTZ nur das als durch die Anschauung gegeben an, dessen Vorstellung ohne Besinnen und Mühe gleichzeitig mit dem sinnlichen Eindruck zu Bewußtsein kommt (38).

Es handelt sich also bei dieser Auffassung sowohl um das blitzartige "Erfassen" eines zum erstenmal gesehenen Gegenstandes, als um das (assoziative) "Wiedererkennen", ein mit ungewöhnlicher Schnelligkeit und Leichtigkeit vor sich gehendes Eintreten bestimmter Wahrnehmungen bei gewissen Erregungen. Auch HELMHOLTZ scheint sich diesem Standpunkt zu nähern, wenn er sagt:
    "Die höchste Art des Anschauens, wie wir sie im Schauen des Künstlers finden, ist ein solches Erfassen der ruhenden oder bewegten Erscheinung des Menschen und der Natur. Wenn sich die gleichartigen Spuren, welche oct wiederholte Wahrnehmungen in unserem Gedächtnis zurücklassen, verstärken, so ist es gerade das Gesetzmäßige, was sich am regelmäßigsten gleichartig wiederholt, während das zufällig Wechselnde verwischt wird. Dem liebevollen und achtsamen Beobachter erwächst auf diese Weise ein Anschauungsbild des typischen Verhaltens der Objekte, die ihn interessierten, von dem er nachher ebensowenig weiß, wie es entstanden ist, als das Kind Rechenschaft geben kann, an welchen Beispielen es die Bedeutung der Worte kennen gelernt hat." (39)
Ob nun wirklich in diesem Bewußtseinsvorgang das Wesen der Anschauung zutreffend gekennzeichnet ist, oder ob derselbe nicht eher die Merkmale der Wahrnehmung enthält - ich sehe nämlich als selbstverständlich voraus, daß Anschauung und Wahrnehmung nicht ein und dasselbe sind - darüber werden wir später entscheiden können. Soviel scheint aber gewiß zu sein, daß HELMHOLTZ die Anschauung zu jenen primitiven Vorgängen zählt, auf denen das eigentliche Denken aufbaut. Noch in seinem Aufsatz "Neuere Fortschritte in der Theorie des Sehens" (40) bezeichnet er derartige psychische Verbindungen als "unbewußte Schlüsse", später jedoch hat er diesen Namen absichtlich vermieden. (41) Auch HELMHOLTZ' Begriff der Anschauung deckt sich, wie aus dem Folgenden ersichtlich sein wird, nicht mit dem unsrigen; allein hier ist nicht der Ort, diese Interpretation einer Kritik zu unterziehen; es bleibt uns vielmehr, den Rückblick auf die dem Anlauf KANTs nun folgenden Versuche, das Wesen der Anschauung zu definieren, fortzusetzen. Dabei berücksichtigen wir also zunächst jene Bestimmungen, welche vom Standpunkt der spekulativen Philosophie und Erkenntnislehre, nicht aber der empirischen Psychologie aus aufgestellt wurden. Bei KANT finden wir eigentlich weder den einen, noch den anderen. Seine transzendentale Ästhetik schwebt, wie VOLKMANN richtig bemerkt (42), in der Mitte zwischen der von KANT verworfenen rationalen Psychologie und der von ihm verschmähten empirischen Psychologie und stützt sich lediglich auf die Notwendigkeit der Apriorität der Mathematik, ohne jedoch den Beweis hierfür vollkommen erbringen zu können.


KANTs Auffassung der Anschauung ist von HEGEL beibehalten worden, immerhin unter Anpassung der Begriffe von Raum und Zeit, als den Formen der Anschauung, an die für HEGEL maßgebende, monistische Theorie. Während aber KANT den Unterschied zwischen Anschauung und Empfindung nicht konsequent und scharf auseinandergehalten hat, trennt HEGEL die Anschauung deutlich von der Empfindung und zwar in der Weise, daß die Anschauung in die Psychologie, die Empfindung in die Anthropologie gesetzt wird. Der Zusammenhang soll durch das Gefühl, welches in den verschiedenen Fällen in besondere Beziehungen zu den beiden tritt, vermittelt werden. Auch SCHALLER vertritt einen ähnlichen Standpunkt, versucht aber den Zusammenhang zwischen Anschauung und Empfindung von einem einleuchtenderen Gesichtspunkt aus zu erklären. Er glaubt die Annahme begründen zu können, daß der Raum als Form der Anschauung bereits in der Empfindung, und zwar unbewußt, darin enthalten ist und erst in der Anschauung ins Bewußtsein tritt. Den weitgehendsten Versuch in dieser Beziehung macht, wie VOLKMANN ausführt, DAUB, welcher zwischen Anschauung und Empfindung nur den Unterschied statuiert, daß jene die qualitativen Bestimmtheiten dieser abgestreift hat - eine Bestimmung, die Volkmann, sicherlich mit Recht, als einen Rückschritt bezeichnet.

Wie schon der kantischen "Anschauung" eine ausgesprochen erkenntnistheoretische Färbung anhaftet, wie bereits schon CAMPE feststellte (43), so findet sich diese Beeinflussung sicherlich auch bei seinen unmittelbaren Nachfolgern und bei seinen Schülern.

So bei MELLIN (44); dieser definiert Anschauung als das "was als Vorstellung vor aller Handlung irgendetwas zu denken, vorhergehen kann oder diejenige Vorstellung, die vor allem Denken gegeben ist"; sie ist die unmittelbare Vorstellung eines Objekts, welche nur durch einen einzigen Gegenstand gegeben werden kann, also einzeln, individuell ist. Die Anschauung an und für sich, die bloße Anschauung, ist blind; denn wenn ich etwas anschaue, denke ich noch nicht; ich bekomme nur eine Vorstellung, zu der erst das Denken treten muß, bis ich verstehe, was sie bedeutet. Niemand kann verstehen, was der angeschaute Gegenstand ist, bevor er angefangen hat, darüber nachzudenken.
    "So ist also Anschauung eine Vorstellung, die nicht nur allem Denken eines Gegenstandes vorangehen kann, sondern auch eine notwendige Beziehung hat auf das: Ich denke, in demselben Subjekt, darin sie angetroffen wird." (45)
Durch bloßes Denken können keine Anschauungen entstehen. Der Verstand ist also kein Anschauungsvermögen; vielmehr beruhen alle Anschauungen auf sinnlicher Affektion, bzw. darauf, "daß etwas Einfluß auf unsere Sinnlichkeit hat, wodurch Empfindung entsteht, die den Stoff zu Anschauungen gibt". Auch bei MELLIN, der in Übereinstimmung mit KANT zwischen einer empirischen Anschauung und der mit allen empirischen Anschauungen unzertrennlich verknüpften "reinen Anschauung", als deren notwendige Formen Raum und Zeit erkannt sind, unterscheidet, kommt der Anschauung kein höherer psychischer Wert zu. Er versteht unter Anschauung das, was die Schule HEGELs, welche die Anschauung höher stellt, als die bloße Wahrnehmung, mit Wahrnehmung bezeichnen würde.

Auf diesen letzteren (HEGELs) Standpunkt stellt sich auch KIESEWETTER (46), während MICHELET (47) den Begriff der Anschauung unter denjenigen der Wahrnehmung einordnet und behauptet, das Ding mit seinen verschiedenen Merkmalen ist Gegenstand der Wahrnehmung, nicht der Anschauung; denn MICHELET erkennt in der Anschauung, als einer Form des Erkenntnisvermögens, nur das Bewußtseins, welches das Ich über die Empfindung gewinnt; also "ein Erfassen des Selbstbewußtseins" und zwar ist Anschauung die Einheit von Bewußtsein und Selbstbewußtsein; als die Tätigkeit, einen bestimmten Inhalt des Bewußtseins in mein Selbstbewußtsein zu setzen und mir anzuzeigen, ist sie die Perzeption (48).

Ähnlich definiert ROSENKRANZ (49): das Anschauen wird durch sich selbst zum Vorstellen (Seite 259) und die Anschauung ist "der Inhalt des Gefühls, durch die Selbstbestimmung des Fühlenden von ihm selbst und jedem anderen Inhalt unterschieden", also wahrgenommen. Eine keineswegs klarere Begriffsbestimmung der Anschauung gibt FORTLAGE (50), der im § 31 die Analyse der Sinnenanschauung behandelt und schließlich behauptet: "Sämtliche Anschauungen der äußeren Sinnlichkeit sind nichts weiter als durch Sensation bestimmte und motiverte Empfindungsräume." Weit faßlicher und klarer urteilt hingegen RÖSE (51). Nach ihm soll zwischen äußerer und innerer Anschauung unterschieden werden. Die äußere Anschauung wird definiert als "unmittelbare Einwirkung der Außenwelt", und zwar liegen in dieser (unmittelbaren) Außenwelt die Dinge nach ihren Beziehungen "zur mir und zueinander", also nur sinnlich, nicht nach ihrem geistigen An-und-für-sich-sein vor uns. RÖSE betont vor allen anderen nachdrücklich den Zusammenhang zwischen Anschauung und Gefühl (Seite 201f); beide bedingen sich gegenseitig, denn der Inhalt des Gefühls findet und fand sich erst in der entsprechenden Anschauung; umgekehrt ist keine Anschauung denkbar, deren Veranlassung nicht irgendein Gefühl oder Begehren gewesen ist. Anschauung und Gefühl aber bedingen wiederum ein qualitativ bestimmtes Denken.

Die gegebenen Begriffsbestimmungen, die in ihrer Mehrzahl der ersten Hälfte des Jahrhunderts angehören, sind typisch für alle nun folgenden. Die Anschauung wird, zumindest die "äußere Anschauung", übereinstimmend mit KANT als auf sinnlicher Affektion beruhender Bewußtseinsvorgang definiert, bzw. umschrieben, denn nähere Bestimmungen werden umsonst gesucht. Entweder ist Anschauung gleichbedeutend mit sinnlicher Wahrnehmung überhaupt, oder man ordnet (mit HEGEL) die Anschauung über oder (mit MELLIN) unter die Wahrnehmung, ohne jedoch den Unterschied zwischen den beiden Begriffen konsequent festzuhalten.

In jene Kategorie von "Definitionen", welche Anschauung und Wahrnehmung identifizieren gehört z. B. HOFFMANNs 52) Bestimmung, nach welcher jede sinnliche Wahrnehmung Anschauung ((aisthema = perceptio) genannt werden kann. Ursprünglich bedeutet Anschauung allerdings nur die Wahrnehmung durch das Sehen, aber a potiori fit denominatio [nach der Hauptsache richtet sich die Benennung - wp] auch Gedächtnis, Erfahrung (energeia)! SCHLEIERMACHER (53) stellt die Wahrnehmung über die Anschauung und auch IMMANUEL FICHTE (54) vertritt die Meinung, daß die Wahrnehmung ein höheres psychisches Gebilde ist. Immerhin muß konstatiert werden, daß diese Ansicht hier nicht überall durchgeführt ist. Vorerst betont FICHTE, daß die Sinnesempfindung an und für sich noch nicht Anschauung und "noch viel weniger eine Wahrnehmung bestimmter Sinnesobjekte" ist; denn es fehlt dem Empfinden die Selbsttätigkeit des Geistes, "welche aus den verworrenen Elementen der Empfindung die Anschauung äußerer Gegenstände und des eigenen Selbst erst hervorbringt. Was daher die Wahrnehmung (!) aus der bloßen Empfindung hervorgehen läßt, ist dieses Prinzip der Selbsttätigkeit". FICHTE beschränkt im Gegensatz zu KANT die Rezeptivität auf Empfindung und schreibt Spontaneität nicht bloß dem Vaterland, sondern schon der Wahrnehmung zu (55). Die Anschauung aber ist das Produkt einer doppelten Tätigkeit: erstens der immer bestimmteren Unterscheidung der Mannigfaltigkeit des Empfundenen durch das Bewußtsein, und zweitens des Verbindens zu Gruppen und Einheiten (56). Die Anschauung entsteht also durch Unterscheiden und Zusammenfassen und zwar wird der Empfindungsinhalt objektiviert. Während aber nach FICHTE in der "bloßen Anschauung" das Wahrgenommene noch nicht als das Bestimmte erkannt wird, vollzieht sich dieser Akt in der Wahrnehmung, denn, sagt FICHTE: "damit ein vollständiger Wahrnehmungsakt zustande kommt, bedarf es (nicht nur eines dem Empfinden immanenten Denkens, sondern auch) einer direkt der Rezeptivität des Empfindens entgegengesetzten, darüber hinausreichenden, frei vorstellenden Tätigkeit". So kommt FICHTE also zu dem Schluß: die Wahrnehmung sei die "Einheit von Empfindung, Anschauen und Anerkennen" - eine Definition, welche mit der an einer früheren Stelle gegebenen Normierung der vollständigen Wahrnehmung als "werdende Anschauung" denn doch in einem Widerspruch stehen dürfte. (57)

Auch VOLKMANN steht auf dem Boden jener Philosophen, welche, wie MELLIN, die Wahrnehmung über die Anschauung setzen. Nach seiner Ansicht, welche sich, wie VOLKMANN bemerkt, mit derjenigen SPENCERs deckt (58), entstehen Wahrnehmungen dadurch, daß sich gewisse Empfindungen zu Anschauungen und gewissen Anschauungen zur Wahrnehmungen fortentwickeln (59). VOLKMANN betrachtet somit als Wahrnehmung ungefähr das, was ARISTOTELES zum zufälligen Inhalt der Empfindung rechnete und WOLFF mit idea belegte; der "vielmißbrauchte Ausdruck Anschauung" (Seite 114) aber bedeutet "jene Komplexe von Empfindungen, deren Glieder die Zeit oder Raumform angenommen haben". Anschauungen entwickeln sich aus Empfindungen infolge der ihnen immanenten Eigentümlichkeiten. VOLKMANN beruft sich hierbei auch auf STEINTHAL und behauptet, daß dessen Ansichten über die Anschauung mit den seinigen übereinstimmten (Seite 139). Nun gibt aber STEINTHAL (60) folgende Erklärung ab:
    "Nach dem üblichen Sprachgebrauch, meine ich, nennen wir erstens die Tätigkeit, eine Gestalt oder ein Bild durch das Gesicht auffassesn und auch das Ergebnis dieser Tätigkeit, Anschauung. Wir nennen aber auch den Inhalt der ganzen Wahrnehmung eines Dings und selbst den Wahrnehmungsinhalt einer Art ganz ebenso Anschauung und zwar deswegen, weil von allen Sinnen das Gesicht die meisten und die eigentlich objektiven Erkenntnisse gibt oder zu geben scheint."
Sodann behauptet STEINTHAL, daß der Inhalt der entwickelten "Anschauungsvorstellung" von dem des niedersten Begriffs nicht verschieden sein kann. Anschauung nennen wir den Inhalt, insofern derselbe wesentlich aus sinnlicher Wahrnehmung gebildet ist; wir nennen ihn Begriff, "wenn und insofern er in Worten ausgedrückt wird, welche doch allemal einen abstrakteren Sinn haben" (61). Einen Beweis dafür, daß STEINTHAL nicht, wie VOLKMANN vorgibt, die Wahrnehmung über die Anschauung stellt, glaube ich an jener Stelle finden zu können, welche ENOCH mit Recht als Beispiel eines "seltsamen Sprachgebrauchs" zitiert (62). STEINTHAL spricht dort von einem "Inhalt, der dem Bewußtsein durch Wahrnehmung oder als erinnerte Wahrnehmung, also als Anschauung gegeben ist."

In einem bemerkenswerten Gegensatz zu den bisherigen Begriffsbestimmungen der Anschauung, welche in ihrer Mehrzahl die Anschauung einfach als Perzeption darzustellen versuchen, befindet sich J. E. ERDMANN (63), welcher die Anschauung, als eine Stufe der Intelligenz, von der Wahrnehmung unterscheidet und, auf Seite 77 seines "Grundrisses", folgende Definition gibt:
    "Die Formen der Äußerlichkeit sind Raum und Zeit und die Intelligenz, wie sie sich auf die in Zeit und Raum hinausgeworfene Totalität ihrer Bestimmtheit bezieht, ist Anschauung."

LITERATUR - Ulrich Diem, Das Wesen der Anschauung, Berner Studien zur Philosophie und ihrer Geschichte, Bd. 19, Bern 1899
    Anmerkungen
    1) SCHMITZ-DUMONT, Theorie der Begriffebildung, Vierteljahrsschrift für wissenschaftliche Philosophie, Bd. X, Seite 44.
    2) KERRY, Über Anschauung und ihr psychische Verarbeitung, Vierteljahrsschrift für wissenschaftliche Philosophie, Bd. IX, X, XI, XIII.
    3) Dieser Versuch, wie naheliegend er auch erscheinen mag, ist offenbar bisher noch nicht durchgeführt worden. Man hat allerdings, daran ist kein Zweifel, die außerordentliche Dehnbarkeit und die Mängel des Begriffs längst erkannt, allein eine eingehende Analyse der Anschauung vom Standpunkt der speziellen psychologischen Terminologie aus, wurde, soviel mir bekannt ist, bis heute nicht gemacht.
    4) Vgl. KANT, Kritik der reinen Vernunft (Ausgabe KEHRBACH), zweite Auflage, Seite 48.
    5) KANT, Kr. d. r. V., a. a. O., Seite 48. Die sensualistische Tendenz der ganzen Stoa geht von der (allerdings nicht immer konsequent durchgeführten) Voraussetzung aus, daß die sinnliche Wahrnehmung der Anfangspunkt der Erkenntnis und unsere gesamte Erkenntnis daher aus der sinnlichen Wahrnehmung abzuleiten ist (vgl. LUDWIG STEIN, Die Psychologie der Stoa, Bd. II, 1886, Seite 138).
    6) vgl. auch KERRY, a. a. O., Bd. X, Seite 433.
    7) vgl. RAUMER, Geschichte der Pädagogik, erster Teil.
    8) PESTALOZZI, Wie Gertrud ihre Kinder lehrt, in SEIFFARTH, Bd. XI, Seite 240, Ausgabe 1871.
    9) PESTALOZZI, Gertrud a. a. O., Seite 109
    10) PESTALOZZI, Gertrud a. a. O., Seite 234
    11) PESTALOZZI, Gertrud a. a. O., Seite 234
    12) PESTALOZZI, Gertrud a. a. O., Seite 209
    13) Vgl. z. B. KARL RICHTER, Der Anschauungsunterricht in den Elementarklassen, dritte Auflage, Leipzig 1887. - Eine übersichtliche Zusammenstellung findet sich in DEUSSING, Der Anschauungsunterricht in der deutschen Schule, Dissertation, Jena 1884.
    14) "Übung im Anschauen ist also jenes Allererste, Allerhilfreichste, aller Allgemeinste, was wir vorhin suchten. Manche haben solche Übungen empfohlen. Pestalozzi, soviel mir bekannt, dringt zuerst darauf, daß dieser und kein anderer Unterricht, auch in der Schule, auch in der niedrigsten Dorfschule, die erste vorderste Stelle in allem Unterricht, so wie sie ihm gebührt, auch wirklich einnehmen soll." - Herbart, Über Pestalozzis neueste Schrift "Wie Gertrud ihre Kinder lehrte", in RICHTER, Pädagogische Bibliothek, Leipzig 1878, Bd. XIV, Seite 255.
    15) HERBART, Über Pestalozzis neueste Schrift etc., a. a. O., Seite 255.
    16) MAYER, Das Wesen der Anschauung bei Pestalozzi und bei Herbart, mit besonderer Berücksichtigung der Idee eiens ABC der Anschauung.
    17) KERRY, a. a. O., Seite 6, Anm. 2
    18) siehe Anmerkung 37
    19) Man vergleiche hier und im Folgenden KANTs Kr. d. r. V. (Ausgabe KEHRBACH, zweite Auflage.
    20) KANT, Kr. d. r. V., a. a. O., Seite 76
    21) VAIHINGER, Kommentar zu Kants Kr. d. r. V., 1892, Bd. 2
    22) Nach MELLIN ist "Anschauung" offenbar nur sinnliche Wahrnehmung, ein Produkt der Perzeption überhaupt.
    23) VAIHINGER, a. a. O. II, Seite 2
    24) Zumindest ist die spezifisch menschliche Anschauung eine sinnliche (vgl. Kr. d. r. V., Seite 61. "... unserer (menschlichen) Anschauung, welche jederzeit sinnlich ist, insofern wir von Gegenständen affiziert werden." Ferner a. a. O., Seite 67: "Anschauung d. h. unsere Sinnlichkeit". Nach KANT ist aber auch eine "unsinnliche" d. h. "intellektuelle Anschauung" denkbar, welche nicht durch eine Affektion der Sinne zustande kommt, sondern auf der produktiven Tätigkeit der Seele beruth, wobei der Gegenstand uns durch unsere eigene Tätigkeit gegeben wird. Bekanntlich ist einer der wichtigsten Unterschiede in der kantischen Philosophie die Unterscheidung der passiven, bloß rezeptiven Sinnlichkeit vom Verstand, der eine aktive Tätigkeit voraussetzt. KANT trennt demgemäß zwischen Anschauung und Begriff; aber diese Trennung ist nach meiner Meinung in seiner intellektuellen Anschauung nicht konsequent durchgeführt.
    25) vgl. VAIHINGER, a. a. O. II, Seite 4.
    26) Der Ausdruck "reine Anschauung" ist bekanntlich stets lebhaft angefochten worden.
    27) KANT, Kr. d. r. V., a. a. O., Seite 76
    28) VAIHINGER a. a. O., Seite 29
    29) Kr. r. V., a. a. O., Seite 48. An einer anderen Stelle (Seite 278) spricht KANT von der Empfindung als subjektiver Perzeption: "Eine Perzeption, die sich lediglich auf das Subjekt, als die Modifikation eines Zustandes bezieht, ist Empfindung.
    30) Später findet sich allerdings eine ergänzende Andeutung: - "eine objektive Perzeption ist Erkenntnis (cognitio). Diese ist entweder Anschauung oder Begriff (intuitus vel conceptus). Jene bezieht sich unmittelbar auf den Gegenstand und ist einzeln, dieser mittelbar, mittels eines Merkmals, was mehreren Dingen gemeinsam sein kann." (Kr. d. r. V., a. a. O., Seite 278)
    31) VAIHINGER, a. a. O., Seite 30.
    32) Kr. d. r. V., a. a. O., Seite 48
    33) VAIHINGER, a. a. O., Seite 30.
    34) Vgl. Kr. d. r. V., Seite 109: "Es sind aber zwei Bedingungen, unter denen allein die Erkenntnis eines Gegenstandes möglich ist, erstens Anschauung, dadurch derselbe nur als Erscheinung gegeben wird; zweitens Begriff, dadurch ein Gegenstand gedacht wird, der dieser Anschauung entspricht". Die begrifflich oder kategorial bestimmte Anschauung nennt KANT Phänomen. "Erscheinungen, sofern als Gegenstände nach der Einheit der Kategorien gedacht werden, heißen Phänomena." (Kr. d. r. V., Seite 231)
    35) VAIHINGER, a. a. O., Seite 30.
    36) Vgl. z. B. HELMHOLTZ, Über das Sehen des Menschen, Vorträge und Reden, Bd. I, vierte Auflage, 1896, Seite 116
    37) HELMHOLTZ, a. a. O., Bd. I, Seite 244.
    38) HELMHOLTZ, a. a. O., Bd. II, Seite 231
    39) HELMHOLTZ, a. a. O., Bd. II, Seite 232
    40) HELMHOLTZ, Vorträge und Reden, Bd. I, Seite 359.
    41) "Um den Verwechslungen mit der, wie mir scheint, gänzlich unklaren und ungerechtfertigten Vorstellung zu entgehen, die Schopenhauer und seine Nachfolger mit diesem Namen bezeichnen; aber offenbar haben wir es hier mit einem elementaren Prozeß zu tun, der allem eigentlichen Denken zugrunde liegt, wenn dabei auch noch eine kritische Sichtung und Vervollständigung der einzelnen Schritte fehlt, wie sie in der wissenschaftlichen Bildung der Schlüsse eintritt." - HELMHOLTZ, Tatsachen der Wahrnehmung, a. a. O., Bd. II, Seite 231
    "#42a"> 42) VOLKMANN, Lehrbuch der Psychologie, 1876, Seite 114f.
    43) CAMPE, J. HEINRICH, Seelenlehre, 1818 (Einleitung)
    44) MELLIN, Enzyklopädisches Wörterbuch der kritischen Philosophie, 1797.
    45) vgl. die entsprechende Stelle in der Kr. d. r. V., a. a. O., Seite 74.
    46) KIESEWETTER, Logik, 1832, Seite 5
    47) C. L. MICHELET, Anthropologie und Psychologie, 1843
    48) MICHELET, a. a. O., Seite 268 und 270. Hiermit vgl. GEORGE, Lehrbuch der Psychologie, 1854, Seite 342: "Das Anschauen ist eine reine Tätigkeit des Bewußtseins, aber es überwieg darin das objektive Bewußtsein und die Einbildungskraft, während das Selbstbewußtsein und der Verstand ganz zurücktreten."
    49) ROSENKRANZ, Psychologie oder die Wissenschaft vom subjektiven Geist, 1843.
    50) KARL FORTLAGE, System der Psychologie, 1855.
    51) FERDINAND RÖSE, Die Psychologie als Einleitung in die Individualitätsphilosophie, 1856.
    52) HOFFMANN, Abriß der Logik, 1868
    53) SCHLEIERMACHER, Psychologie, 1862, Seite 71, 421f, 440, 534.
    54) IMMANUEL HERMANN FICHTE, Psychologie, 1864.
    55) I. H. FICHTE, a. a. O., Seite 268f
    56) I. H. FICHTE, a. a. O., Seite 370.
    57) vgl. FICHTE, a. a. O., Seite 370. FICHTE spricht sogar von einer Selbstanschauung im Sinne von Selbstbewußtsein (Seite 372).
    58) Allerdings, wenn die deutsche Übersetzung von VETTER (Bd. 2, § 353 und 355) für diese Frage in Betracht fallen kann. Aber welchen englischen Begriff übersetzt VETTER mit Anschauung? Welches soll dieser englische, unserem deutschen Wort "Anschauung" adäquate Begriff sein?
    59) VOLKMANN, Lehrbuch der Psychologie, 1876, Seite 139.
    60) STEINTHAL, Einleitung in die Psychologie und Sprachwissenschaft, 1871, Seite 98
    61) STEINTHAL, a. a. O., Seite 99
    62) ENOCH, Der Begriff der Wahrnehmung, 1890, Seite 28.
    63) J. E. ERDMANN, Grundriß der Psychologie, 1873