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Kants Kategorienlehre
LEIBNIZ hatte gegen LOCKE, den empirischen Bekämpfer der angeborenen Ideen, insbesondere den Begriff des Notwendigen geltend gemacht, welchen die nur Zufälliges aufsammelnde und nur im Daseienden sich bewegende Erfahrung nimmer ergeben kann; er hatte die Ansicht, welche die Seele zu einer tabula rasa macht, in welche nur die Erfahrung ihre Schriftzüge einzeichnet, für das bloße Gebilde einer vollständigen Theorie erklärt, und hatte Begriffe, wie das Wesen, die Substanz, das Eine, das Selbige, die Ursache, die Vorstellung, die Schlußfolgerung, welche der Verstand in sich selbst trägt (1). Aber nirgends hat LEIBNIZ diese über der Erfahrung liegenden Begriffe, welche die Erfahrung selbst erst möglich machen, in ihrem Wesen und aus einem Allgemeinen abgeleitet und zu einem sich selbst verbürgenden vollständigen Ganzen entwickelt. Es war bei zerstreuten Begriffen geblieben, und als LEIBNIZens Philosophie in CHRISTIAN WOLFF und dessen Anhängern Schule machte, ließ man es, wie es in Schulen zu gehen pflegt, beim Überkommenen bewenden. Erst KANT führte in diesem, wie in anderen Punkten, LEIBNIZ weiter. Denn KANT will die reinen Begriffe bis
Wie bei CHRISTIAN WOLFF dem Intuitiven das Diskursive gegenübergetreten war, so ging auch KANT davon aus, daß es zwei Stämme der menschlichen Erkenntnis gibt, die vielleicht aus einer gemeinschaftlichen, aber uns unbekannten Wurzel entspringen, nämlich Sinnlichkeit und Verstand. Indem uns durch jene Gegenstände gegeben werden, werden sie durch diesen gedacht (3). Für beide sucht KANT die apriorischen Bedingungen der Tätigkeit, für jene in der transzendentalen Sinneslehre (Ästhetik), für diesen in der transzendentalen Logik. Raum und Zeit ergeben sich ihm als die in uns liegenden apriorischen Formen der Anschauung, und sie trennen sich daher nach der bezeichneten Unterscheidung von den Stammbegriffen des Verstandes, welche KANT ausschließlich Kategorien nennt. Auf diese Absonderung legt KANT Gewicht.
"Aristoteles", sagt Kant ähnlich in den Prolegomenen (Seite 118), "hatte zehn solcher reinen Elementarbegriffe unter dem Namen der Kategorien zusammengetragen. Diesen, welche auch Prädikamente genannt wurden, sah er sich nachher genötigt, noch fünf Postprädikamente (5) beizufügen, die doch zum Teil schon in jenen liegen (wie prius, simul, motus); allein diese Rhapsodie konnte mehr für einen Wink für den künftigen Naturforscher, als für eine regelmäßig ausgeführte Idee gelten, und Beifall verdienen, daher sie auch, bei mehrerer Aufklärung der Philosophie, als ganz unnütz verworden wurde."
Diese Verstandeshandlung, die alle übrigen enthält, ist ihm das Urteil, das sich nur durch verschiedene Modifikationen oder Momente unterscheidet, das Mannigfaltige der Vorstellung unter die Einheit des Denkens überhaupt zu bringen. Denken ist Vorstellungen in einem Bewußtsein vereinigen. Es kommt also darauf an, die Arten dieser Vereinigung zu bestimmen, welche in den Arten der Urteile vorliegen. Denn alle Urteile sind Funktionen der Einheit unter unseren Vorstellungen, indem statt einer unmittelbaren Vorstellung eine höhere, die diese und mehrere unter sich begreift, zur Erkenntnis des Gegenstandes gebraucht wird. Die Funktionen des Verstandes können also insgesamt gefunden werden, wenn man die Funktionen der Einheit in den Urteilen vollständig darstellt. Jeder dieser Weisen, nach denen eine Mannigfaltigkeit von Vorstellungen zu einem Ganzen von Urteilen vereinigt wird, entspricht ein besonderer reiner Verstandesbegriff, der die Art des Urteils zu dem macht, was sie ist, und das Eigentümliche der in einem solchen Ganzen zum Vorschein kommenden Einheit ausdrückt. Es handelt sich hiernach zunächst um eine vollständige Erkenntnis der logischen Funktion im Urteil, damit daraus die Stammbegriffe des Verstandes hervorgehoben werden.
2. der Qualität nach: bejahende, verneinende, unendliche; 3. der Relation nach: kategorische, hypothetische, disjunktive; 4. der Modalität nach: problematische, assertorische, apodiktische. Seit ARISTOTELES war für die Lehre vom Urteil nicht viel Neues geschehen. Eigentlich war nur die Betrachtung des disjunktiven Urteils als etwas Wesentliches hinzugekommen, und auch dieses nicht in seiner ganzen Bedeutung; denn es steht z. B. bei CHRISTIAN WOLFF das disjunktive Urteil nur als eine Art des zusammengesetzten Satzes neben dem kopulativen. Es ist zuverlässig nicht ohne Grund geschehen, daß die früheren Logiker die Qualität der Urteile vor die Quantität gestellt haben. Beide Bezeichnungen, Quantität und Qualität des Urteils, kommen früh vor, z. B. im Index zu MELANCHTHONs "erotemata dialectices" (1551). Da sich zunächst in der bejahenden und verneinenden Art das Wesen des Urteils ausspricht, so geht die Qualität der Quantität billig voran, und es ist nicht klar, warum KANT die Folge umgekehrt hat. CHRISTIAN WOLFF (§ 224) rechnet unter die Quantität des Urteils das allgemeine, besondere und einzelne, wie KANT es aufgenommen hat. Hingegen stellt REIMARUS (§ 130) nur die allgemeinen und besonderen darunter, und lehrt (§ 132), daß einzelne Bejahungen oder Verneinungen (propositiones individuales) eigentlich keine Quantität haben, weil sie nur ein einzeln Ding, nicht aber mehrere zum Vorderglied haben. Es bezieht sich darauf, wie es scheint, KANT, wenn er für das einzelne Urteil eine eigene Stelle unter der Quantität anspricht. (8) Unter die Qualität wurde das bejahende und verneinende Urteil begriffen. Das unendliche wird bei WOLFF (§ 212) und bei REIMARUS (§ 151) nicht dem bejahenden und verneinenden nebengeordnet, sondern da die Form bejahend ist, zum bejahenden gerechnet. Dagegen richtet KANT seine zweite Bemerkung, um dem unendlichen Urteil eine eigene Stelle zu erwerben. Die Zusammenfassung unter dem Gesichtspunkt der Relation stammt, wie es scheint, von KANT her. Bei WOLFF steht, wie bei MELANCHTHON (9), das kategorische Urteil dem hypothetischen, als das unbedingte dem bedingten gegenüber, während das disjunktive mit dem kopulativen als ein zusammengesetztes erscheint. REIMARUS (§ 145) führt die bedingten und die teilenden Sätze als die "vornehmsten" Arten der vielfachen (zusammengesetzten) auf. So sind wenigstens die drei Arten, welche KANT zur Relation zusammenfaßt, bei den Früheren noch auseinander geworfen. Was endlich die Modalität betrifft, so ist sie bei WOLFF und REIMARUS übergangen, während bei MELANCHTHON (10) die propositiones modales noch in den vier Formen erscheinen, welche im ARISTOTELES "de interpretatione" erörtert werden (necesse, impossibile, contingens, possibile). Die drei Arten, welche KANT zusammenstellt, ergeben sich in ihrer gegenseitigen Beziehung leicht und stehen schon in einer Stelle des ARISTOTELES zusammen (Analytik, pr. I, 2). Es ist nach KANT das Unterscheidende der Modalität, daß sie nichts zum Inhalt des Urteils beiträgt, wie die Größe, die Qualität, das Verhältnis es tun, sondern nur den Wert der Kopula in Bezug auf das Denken überhaupt angeht. Es sind die Momente des Denkens selbst, indem dem Verstand der Gegenstand "gradweise einverleibt" wird (möglich, wirklich, notwendig). Aus Obigem erhellt sich, daß KANT die logische Tafel der Urteile nicht schlechthin aufgenommen, sondern erst zu der vorliegenden symmetrischen Gestalt ausgebildet hat, in welcher je drei Formen unter vier Grundbegriffen stehen. In der auf diese Weise entworfenen Tafel der Urteile ist der Weg vorgezeichnet, um die Kategorien zu finden. Denn dieselbe Funktion, welche den verschiedenen Vorstellungen in einem Urteil Einheit gibt, gibt auch der bloßen Synthesis verschiedener Vorstellungen in einer Anschauung Einheit, welche, allgemein ausgedrückt, der reine Verstandesbegriff heißt. Denn der Verstand ist durch die gedachten Funktionen völlig erschöpft und sein Vermögen dadurch gänzlich ausgemessen (11). Indem daher die sich in jenen Formen der Urteile ausprägenden Begriffe herausgehoben werden, geht folgend Tafel der Kategorien hervor:
2. der Qualität: Realität, Negation, Limitation; 3. der Relation:
b) Kausalität und Dependenz (Ursache und Wirkung) c) Gemeinschaft (Wechselwirkung zwischen dem Handelnden und Leidenden);
) Dasein - Nichtsein ) Notwendigkeit - Zufälligkeit. KANT hebt den Stammbegriff der Limitation aus dem unendlichen Urteil hervor. Das unendliche Urteil, so ist seine Ansicht, bejaht der logischen Form nach, aber der Begriff des Prädikats ist verneinend. Dadurch wird nur die unendliche Sphäre alles Möglichen insoweit beschränkt, daß ein Punkt, ein Prädikat vom Subjekt getrennt, aber ihm der übrige, bei dieser einen Ausnahme immer noch unendliche Raum der Prädikate offen bleibt. Diese unendlichen Urteile sind also in Anbetracht des Inhalts der Erkenntnis bloß beschränkend, und sie stellen die Limitation als Grundbegriff dar. KANT erläutert es durch ein Beispiel. Wird von der Seele gesagt, daß sie nicht sterblich ist: so wird durch ein verneinendes Urteil ein Irrtum abgehalten. Im unendlichen Urteil: die Seele ist nicht-sterblich, wird hingegen der logischen Form nach bejaht, indem die Seele in den unbeschränkten Umfang der nicht sterbenden Wesen gesetzt wird. Weil nun vom ganzen Umfang möglicher Wesen das Sterbliche einen Teil enthält, das Nichtsterbende aber den anderen: so ist durch den Satz nichts anderes gesagt, als daß die Seele eines von der unendlichen Menge der Dinge ist, die übrig bleiben, wenn man das Sterbliche insgesamt wegnimmt. Durch die eine Ausnahme, die das unendliche Urteil enthält, ist der Grundbegriff die Beschränkung. (12) Wenn KANT die Wechselwirkung im disjunktiven Urteil findet, so sucht er die Übereinstimmung durch Folgendes nachzuweisen: In allen disjunktiven Urteilen ist die Sphäre als ein Ganzes in Teile geteilt, die dem Begriff des Subjekts untergeordnet, aber unter sich nebengeordnet sind, so daß sie sich nicht einseitig wie in einer Reihe, sondern wechselseitig bestimmen. Wenn ein Glied der Einteilung gesetzt wird, so werden alle übrigen ausgeschlossen und umgekehrt. Eine ähnliche Verknüpfung wird in einem Ganzen der Dinge gedacht; z. B. die Teile eines Körpers ziehen sich einander und widerstehen sich wechselweise. Die Teile sind nicht einer dem anderen als seiner Ursache untergeordnet, sondern einander beigeordnet. Dasselbe Verfahren, das der Verstand da beobachtet, wo er sich die Sphäre eines eingeteilten Begriffs vorstellt, beobachtet er auch, wenn er ein Ding als teilbar denkt, und, wie die Glieder der Einteilung im ersteren einander ausschließen und doch in einer Sphäre verbunden sind, so stellt er sich die Teile des letzteren als solche, deren Existenz als Substanzen jedem auch ausschließlich von den übrigen zukommt, doch als in einem ganzen verbunden vor (13). Auf diese Weise entspricht der Begriff der Wechselwirkung der Funktion des Verstandes im disjunktiven Urteil. Wie die Modalität im Urteil kein besonderes Prädikat ist, so tun auch die Modalbegriffe (Möglichkeit, Wirklichkeit, Notwendigkeit) keine Bestimmung zu den Dingen hinzu. Die Tatsache der Kategorien ist hiernach dargelegt; die Kategorien sind in ihrer Ordnung gefunden. Aber KANT verlangt mehr. Denn ihre Befugnis muß aus einem Rechtsgrund dargetan werden und KANT nennt die Erklärung, wie sich Begriffe a priori auf Gegenstände beziehen können, die transzendentale Deduktion (14) derselben. Sie führt auf den letzten Grund der Einheit. Das Mannigfaltige der Vorstellungen kann in einer Anschauung gegeben werden. Aber die Verbindung eines Mannigfaltigen überhaupt kann niemals durch die Sinne in uns kommen. Sie ist ein Aktus der Spontaneität der Vorstellungskraft, und da man diese zum Unterschied zur Sinnlichkeit Verstand nennen muß, eine Verstandeshandlung (Synthesis), die ursprünglich einig für alle Verbindung gleich gelten muß. Wir können uns nichts als im Objekt verbunden vorstellen, ohne es vorher selbst verbunden zu haben; und der Begriff der Einheit macht die Verbindung möglich. Diejenige Einheit, die Verbindung möglich. Diejenige Einheit, die a priori vor allen Begriffen der Verbindung vorhergeht, setzen alle Kategorien, wie alle Funktionen der Urteile, voraus, und es muß daher ihr Ursprung höher gesucht werden, als sie selbst liegen. KANT findet sie demnach in der ursprünglich synthetischen Einheit der Apperzeption. Das "Ich denke" muß alle meine Vorstellungen begleiten können; denn sonst wären sie nicht meine Vorstellungen; es ist aber selbst ein spontaner Akt, der nicht zur Sinnlichkeit gehört; die ursprüngliche Apperzeption, die in allem Bewußtsein ein und dasselbe ist. Wir vereinigen die verschiedenen Vorstellungen sämtlich zu ein und demselben Bewußtsein und verknüpfen die verschieden modifizierten Zustände des Ich in die Vorstellung eines identischen Ich. Durch die synthetische Einheit wird die Vorstellung erst möglich, daß unser Selbstbewußtsein in den sämtlichen einzelnen Handlungen des Wahrnehmens dasselbe ist. Ohne diese Synthesis würden wir ein so vielfarbiges, verschiedenes Selbst haben, als wir Vorstellungen besitzen, deren wir uns bewußt sind. Die synthetische Einheit des Bewußtseins ist eine Bedingung aller Erkenntnis, unter der jede Anschauung stehen muß, um für mich Objekt zu werden, weil auf eine andere Art und ohne dieses Synthesis das Mannigfaltige sich nicht in einem Bewußtsein vereinigen würde. Ein Urteil ist nichts anderes als die Art, gegebene Erkenntnisse zur objektiven Einheit der Apperzeption zu bringen. Alle Urteile und daher auch alle Kategorien ruhen hiernach auf der transzendentalen Einheit der Apperzeption. So stammt aus dem Akt der Einheit, mit welcher sich das sich selbst treue, sich selbst gleichbleibende Ich erfaßt, die Einheit, welche die notwendige Form aller Erkenntnis ist und sich zunächst in der Gestalt der Urteile und Kategorien mannigfach ausprägt. KANT beschränkt den Gebrauch der Kategorien zur Erkenntnis der Dinge auf Gegenstände der Erfahrung (15). Denn sich einen Gegenstand denken und einen Gegenstand erkennen ist nicht einerlei. Zur Erkenntnis gehören nämlich zwei Stücke: erstens der Begriff, wodurch überhaupt ein Gegenstand gedacht wird (die Kategorie), und zweitens die Anschauung, wodurch er gegeben wird. Ohne den Gegenstand wäre der Begriff nur ein Gedanke der Form nach. Nun ist alle uns mögliche Anschauung sinnlich. Also kann das Denken eines Gegenstandes überhaupt durch einen reinen Verstandesbegriff bei uns nur Erkenntnis werden, sofern dieser auf Gegenstände der Sinne bezogen wird. Selbst die mathematischen Begriffe sind für sich keine Erkenntnisse, außer insofern man voraussetzt, daß es Dinge gibt, die sich nur der Form jener reinen sinnlichen Anschauung gemäß uns darstellen lassen. Dinge im Raum und in der Zeit werden nur gegeben, insofern sie Wahrnehmungen (mit Empfindungen begleitete Vorstellungen) sind, folglich durch empirische Vorstellung. Hiernach dienen die Kategorien nur zur Möglichkeit der Erfahrung. Indem die empirische Synthesis von der transzendentalen abhängt, so stehen alle Erscheinungen der Natur ihrer Verbindung nach unter Kategorien, als dem ursprünglichen Grund ihrer Gesetzmäßigkeit. So sind die reinen Verstandesbegriffe Prinzipien der Möglichkeit der Erfahrung, entsprungen aus der synthetischen Einheit der Apperzeption als der Form des Verstandes in Bezug auf Raum und Zeit als Formen der Sinnlichkeit. Es fragt sich jedoch, wie es möglich ist, die Kategorien auf Erscheinungen anzuwenden oder die Erscheinungen unter die reinen Verstandesbegriffe zu subsumieren. Denn während die Subsumtion Gleichartigkeit fordert, sind die Kategorien, die dem Denken für sich angehören, und die Erscheinungen als Gegenstände der Sinne durchaus ungleichartig. Es ist daher jene Anwendung der Verstandesbegriffe auf sinnliche Vorstellungen nur dadurch möglich, daß es eine vermittelnde Vorstellung gibt, welche einerseits durch ihre intellektuelle Beschaffenheit mit den Kategorien und andererseits durch ihre sinnliche Natur mit der Erscheinung verwandt und zugleich a priori ist. Eine solche vermittelnde Vorstellung ist die "transzendentale Zeitbestimmung". Denn sie ist mit den Kategorien insofern gleichartig, als sie Allgemeinheit besitzt und auf einer Regel a priori beruth; und sie ist mit der Erscheinung insofern gleichartig, als die Zeit in jeder einzelnen Vorstellung des Mannigfaltigen enthalten ist. Daher wird eine Anwendung der Kategorien auf Erscheinungen mittels der transzendentalen Zeitbestimmung möglich sein, welche als das Schema der Verstandesbegriffe die Subsumtion der letzteren unter die erste vermittelt. So nehmen nach KANT die reinen bildlosen Verstandesbegriffe durch die Zeit sinnliche Gestalt an, und dieser Schematismus, ein transzendentales Produkt der Einbildungskraft, wird von KANT für die einzelnen Kategorien dargestellt. (16) Zunächst in der Quantität. Das reine Schema der Größe als eines Verstandesbegriffs ist die Zahl. Da sie die Vorstellung ist, welche die sukzessive Addition von Einem zu Einem, insofern sie gleichartig sind, zusammenfaßt, so entsteht sie dadurch, daß ich die Zeit selbst in der Apprehension der Anschauung erzeuge. In der Qualität kommen die Begriffe der Realität, der Negation und der Limitation in Betracht. Realität und Negation, jene ein Sein, diese ein Nicht-Sein in der Zeit, stellen sich im Untershied einer erfüllten und leeren Zeit einander entgegen. Da die Realität im reinen Verstandesbegriff das ist, was einer Empfindung überhaupt korrespondiert, und jede Empfindung einen Grad hat, wodurch sie dieselbe Zeit, d. h. den inneren Sinn, mehr oder weniger erfüllen kann; bis sie in Nichts aufhört: so entspricht der Limitation in diesem Übergang von Realität zur Negation ein gewisser Grad der Erfüllung der Zeit. In der Relation ergeben sich folgende Gestaltungen. Das Schema der Ursache ist das Reale, worauf, wenn es nach Belieben gesetzt wird, jederzeit etwas anderes folgt. Es besteht also in der Sukzession des Mannigfaltigen, insofern sie einer Regel unterworfen ist. Das Schema der Wechselwirkung ist das Zugleichsein der Bestimmungen der einen Substanz mit denen der anderen nach einer allgemeinen Regel. Endlich kleiden sich die reinen Begriffe der Modalität in die Zeit ein. Das Schema der Möglichkeit ist die Zusammenstimmung der Synthesis verschiedener Vorstellungen mit den Bedingungen der Zeit überhaupt. Es kann z. B. das Entgegengesetzte in einem Ding nicht zugleich, sondern nur nacheinander sein. Das Schema der Möglichkeit ist daher die Bestimmung der Vorstellung eines Dings zu irgendeiner Zeit. Das Schema der Wirklichkeit ist das Dasein in einer bestimmten Zeit. Das Schema der Notwendigkeit ist das Dasein eines Gegenstandes zu aller Zeit. Hiernach sind die Schemata nichts als Zeitbestimmungen a priori nach Regeln und diese gehen nach der Abfolge der Kategorien auf die Zeitreihe, den Zeitinhalt, die Zeitordnung, endlich den Zeitinbegriff in Anbetracht aller möglichen Gegenstände. So empfängt alles Mannigfaltige der Anschauung in einem inneren Sinn Einheit und die Schemata geben den reinen Verstandesbegriffen Bedeutung, indem sie die Beziehung auf die Objekte vermitteln. Wenn wir unter den Kategorien die Grundbegriffe als solche verstehen, so schließt sich hier die Lehre derselben bei KANT ab. Isoliert entworfen und rein auf den Verstand beschränkt haben sie nun sinnliche Gestalt angenommen, da sie sich in die Bestimmungen der Zeit gekleidet haben. Indem dadurch ihre beschränkte Vereinzelung aufgehoben ist, sind sie der Anwendung fähig. Es gehört nicht mehr zu den Kategorien als solchen, wenn KANT weiter zeigt, wie sich mit Hilfe der Kategorien regelnde Urteile bilden, die Grundsätze des reinen Verstandes. Aus den Kategorien als den wahren Stammbegriffen des reinen Verstandes ergeben sich ebenso reine, aber abgeleitete Begriffe. KANT will sie im Gegensatz gegen die ursprünglichen, welche Kategorien, Prädikamente heißen, Präkadibilien des reinen Verstandes nennen, und behält sich vor, diese zur Ergänzung des Systems vollständig zu entwerfen (17). Er ist nicht dazu gekommen, aber er weist den Leser zu einem Versuch nach den ontologischen Lehrbüchern an. Man finde sie darin ziemlich vollständig und habe sie nur klassenweise unter die Kategorien zu ordnen. So fallen z. B. der Kategorie der Kausalität die Prädikabilien der Kraft, der Handlung, des Leidens zu, der Wechselwirkung die Gegenwart, der Widerstand; den Prädikamenten der Modalität die des Entstehens, Vergehens, der Veränderung usw. Werden die Kategorien mit den Modis der reinen Sinnlichkeit oder auch untereinander verbunden, so ergeben sich eine große Menge abgeleiteter Begriffe a priori, die sich bis zur Vollständigkeit verzeichnen lassen. Das System der Kategorien, bemerkt endlich KANT (18), macht alle Behandlung eines jeden Gegenstandes der reinen Vernunft selbst wiederum systematisch und gibt eine Anweisung oder einen Leitfaden ab, wie und durch welche Punkte der Untersuchung jede metaphysische Betrachtung, wenn wie vollständig werden soll, geführt werden muß; denn es erschöpft alle Momente des Verstandes, unter welche jeder andere Begriff gebracht werden muß. So werden bei KANT und in der kantischen Schule die Kategorien der uniforme Grundriß für die Behandlung jeglicher Begriffe und man hat einen Gegenstand, so meinte man stolz, systematisch ergründet und systematisch umschrieben, wenn man ihn nach dem von außen angelegten Maßstab der vier Kategorien streckt. Wollen wir nun über KANTs Kategorienlehre, die sich in obigen Grundzügen zu einem kleinen Ganzen zusammenschließt, urteilen, so dürfen wir nicht fremde Gesichtspunkte hinzubringen, sondern müssen KANTs eigene Prämissen untersuchen. Die Leistung muß sich an der Absicht, die Folgerungen müssen sich an den Voraussetzungen messen. Der letzte Grund der Kategorien ist, wie KANT in der transzendentalen Deduktion angibt, die synthetische Einheit der Apperzeption, die Einheit des Selbstbewußtseins. Die Arten der Urteile, welche die Weise darstellen, wie eine Mannigfaltigkeit gegebener Vorstellungen in die Einheit des Bewußtseins erhoben wird, sind Funktionen jener synthetischen Einheit der Apperzeption, und die Kategorien sind die eigentümlichen Grundbegriffe der Einheit (reine Verstandesbegriffe), die sich in den Arten der Urteile kundgeben. Hierdurch sind zunächst drei Punkte für die Untersuchung bezeichnet, erstens die synthetische Einheit der Apperzeption mit der ihr von KANT gegebenen Bedeutung, zweitens die zugrunde gelegten Arten der Urteile und drittens Kategorien, sofern sie aus diesen Urteilsformen herausgehoben sind. Es wird sich an diese Grundlagen der Schematismus des reinen Verstandes und die Anwendung der Kategorien als Gegenstand der Prüfung anschließen. Jeder Akt unseres Erkennens ist durch eine Richtung auf Einheit bezeichnet. Die Wahrnehmung faßt ein Mannigfaltiges zur Einheit zusammen; das Urteil stellt Besonderes unter die Einheit des Allgemeinen; der Beweis strebt zur notwendigen Einheit der Bedingungen im Grund; die Wissenschaft sucht die Einheit eines Prinzips und deren Entwicklung. Daß hiernach das Viele Eins und das Eine Vieles, d. h. das Viele nicht Vieles, und das Eins nicht Eins ist, wurde bald bemerkt und trat früh wie ein Widerspruch als eine dialektische Aufgabe hervor. Sie beschäftigt zuerst die Eleaten und beschäftigt noch HERBART, dda er in seiner Metaphysik dem Erfahrungsbegriff Widersprüche nachweist und zu ihrer Beseitigung die Methode der Beziehungen einführt. Nur da, wo später der Widerspruch zur eigentlichen Form des Wesens erhoben wurde, hat man die logische Schwierigkeit willkommen geheißen. KANT löst sie so, daß das Viele, das Mannigfaltige durch die Anschauung empfangen wird, aber die Verbindung ein Akt der spontanen Vorstellungskraft ist, der seinen letzten Grund in dem sich zur Identität zusammenfassenden Ich hat. Durch die transzendentale Einheit der Apperzeption wird das in einer Anschauung enthaltene Mannigfaltige zum Begriff eines Objekts vereinigt. Wie nach KANT schon auf dem Gebiet der Anschauung die Materie jeder Wahrnehmung (das Mannigfaltige der Erscheinung, das der Empfindung emtspricht) von außen gegeben wird, indem die Sinne von den Gegenständen affiziert werden; aber die Form, wodurch das Mannigfaltige der Erscheinung in gewissen Verhältnissen geordnet werden kann (Raum und Zeit), in unserem Gemüt bereit liegt: so wiederholt sich dieselbe Ansicht in Bezug auf den Verstand, dem das Viele gegeben wird, der aber die Einheit aus sich nimmt, aus der Grundtat des Selbstbewußtseins, die in einem "Ich denke" alle Vorstellungen begleitet. KANT hält auf solche Weise die Lehre von Raum und Zeit und die Lehre von den Kategorien in derselben Richtung des Subjektiven und vollendet dadurch jenes Ergebnis, das die Erkenntnis an die Erscheinung bindet und dem Ding-ansich entzieht. In jedem Urteil ist die Einheit so ausgesprochen, als sei sie im Zusammenhang der Sache begründet. Es liegt in der Sache, daß z. B. in dem Urteil: "die gerade Linie ist der kürzeste Weg zwischen zwei Punkten", Subjekt und Prädikat in eine Einheit und zwar in diese und keine andere treten. Diese Einheit wird nicht dadurch herbeigeführt oder erklärt, daß ich, der Denkende, eins bin und mich in einer sich gleich bleibenden Einheit weiß. Die innere Verbindung der Sache (gerade, kürzester Weg) hat mit dem sich zur Einheit zusammenfassenden Subjekt nichts zu tun; jene bleibt, sie mag gedacht werden oder nicht; es ist dies in der objektiven Gestalt des Urteils die stillschweigende Voraussetzung; erst wenn die Verbindung gedacht wird, ist sie von einem sich gleichbleibenden Selbstbewußtsein begleitet. Die synthetische Einheit der Apperzeption ist die Grundbedingung für die Tat des bewußten Denkens; aber nicht für die Sache, die gedacht, und für die Verhältnisse der Sahe, die im Urteil ausgesprochen werden. Insofern bleibt der angegebene Grund (die Einheit des Selbstbewußtseins) hinter dem, was er eigentlich begründen soll (der sachlichen Einheit des Urteils) weit zurück. Das Selbstbewußtsein meint im Urteil etwas Anderes ausgesagt zu haben, als eine eigene Einheit. Das Ziel und das Mittel der Erklärung bleiben hiernach im Widerspruch (19). Alle mögliche Erfahrung ruht nach KANT auf der Einheit des Selbstbewußtseins, von der die Funktionen der Urteile und die Stammbegriffe des Verstandes ausgehen. Daher beruth zuletzt auf demselben Punkt das Ergebnis, das KANT oft wiederholt: der Verstand schöpfe seine Gesetze nicht aus der Natur, sondern aus sich selbst und schreibt sie dieser vor (20). Es ist der Vergleich bekannt, womit er dieses Verhältnis erläutert hat (21).
Es lag in der Ansicht etwas Großes, das seine Wirkung auf die Zeit nicht verfehlte. Der Empirismus war verlassen, der den Geist unter die gefährliche Herrschaft der materiellen Dinge gegeben hat und der Geist, im Empirismus dienstbar, wurde Herr und ihm wuchs die Vorstellung über seine eigene Bedeutung. Aber neben dieser Erhebung lag das an die Skepsis streifende Ergebnis und war von ihr nicht zu trennen. Wenn sich nämlich auf solche Weise die Erfahrung nach uns richtet, so erfahren wir nicht das Ding, wie es ansich ist. Wir suchen die Dinge und finden nur uns. Der Geist, der erkannt zu haben meinte, hatte sich in diesem Sieg die Erkenntnis abgeschnitten. Sein Sieg war eine Niederlage. Es blieb die Aufgabe, die Erkenntnis so zu begreifen, daß dem Geist gegeben wird, was des Geistes ist, und den Dingen, was der Dinge. Der Geist siegt nur, wenn er die Dinge bewältigt, aber nicht wenn er nur in sie seinen eigenen Schein hineinwirft, und sie selbst aufgibt. Daher geht gerade die Geschichte der Wissenschaft dahin, die subjektiven Elemente der Beobachtung und Erfahrung ins Objektive zu übersetzen und den Schein in seinen Grund aufzulösen. Zur Beurteilung KANTs muß auch hier der Punkt hervorgehoben werden, der bereits früher in Bezug auf Raum und Zeit geltend gemacht ist (22). Subjektives und Objektives bezeichnen in der Erkenntnis Beziehungen, die sich einander nicht ausschließen, sondern unter Bedingungen einander fordern können. Die letzte Notwendigkeit wird ebenso für den Geist wie für die Dinge eine Notwendigkeit sein, subjektiv und objektiv zugleich. In einer solchen Notwendigkeit wurzelt das Erkennen. Ist daher etwas als notwendig nachgewiesen, so stammt es zwar nicht, was den Erkenntnisgrund betrifft, aus der nur Zufälliges aufsammelnden Erfahrung, aber es ist ein Sprung, es darum von den Dingen abzutrennen. Eben dies ist auf KANTs Ansicht von der Einheit des Urteils anzuwenden. Weil die Einheit des Selbstbewußtseins die Bedingung allen Denkens, allen Urteilens ist, so ist dadurch nicht bewiesen, daß nicht in allem Erkennen die Einheit zugleich eine objektive Bedeutung hat. Ist die Verbindung zugleich in der Sache gegründet, so entsteht die Aufgabe, diese Einheit der Sache nachzubilden, und das Denken muß sie wieder erzeugen. Es ist nicht bewiesen, daß sich die subjektive Einheit des Selbstbewußtseins an die Stelle jener Einheit der Sache setzt oder wie sie dies tun könnte. Nach der von KANT gegebenen transzendentalen Deduktion gehen die zwölf Funktionen der Urteile als die verschiedenen Weisen der Einheit in die synthetische Einheit der Apperzeption zurück. Wäre dies richtig, so wäre diese Einheit des Selbstbewußtseins das Allgemeine und die Arten des Urteils müßten sich als besondere Gestalten ergeben, zu welchen sich diese Einheit des Selbstbewußtseins bestimmen würde. Aber so ist es nicht zu denken. Die Tat, womit das Ich sich zusammenfaßt, ist nur Eine und einförmig; und wenn es im Urteil die Vorstellungen in verschiedene Beziehungen der Einheit setzt, so faßt es darin nicht seine eigene Einheit verschieden, sondern die Einheit eines Fremden. Es ist unmöglich, daß die Urteilsformen Weisen und Modifikationen der das Bewußtsein zusammenhaltenden Einheit sind. So wird der eigentliche Grund der für nur subjektiv erklärten Kategorien zweifelhaft. Geben wir jedoch diesen Grund vorläufig zu, so kommen zweitens die von KANT für die Ableitung der Kategorien angenommenen zwölf Funktionen des Urteils in Betracht. Es dringt sich dabei für die Qualität und Relation ein wesentliches Bedenken auf. Das erste trifft das unendliche Urteil als eine besondere Art der Qualität. Ich will hier nicht wiederholen, was ich an einem anderen Ort nachzuweisen versucht habe (23). Das unendliche Urteil (z. B. "die Selle ist ein Nicht-Sterbliches" statt "die Seele ist nicht sterblich") ist eine künstliche Form, lediglich aus dem Experiment der Logiker entstanden, welche die Verneinung aus dem natürlichen Verband mit der Kopula gelöst und ins Prädikat hineingedrängt haben. Es ist der Form nach bejahend und dem Inhalt nach verneinend, worin der innere Widerspruch dieser gemachten Form deutlich erscheint. Wenn KANT das unendliche Urteil so angesehen hat, als würde ihm der eigentümliche Begriff der Limitation zugrunde liegen: so bleibt für die Formen des Urteils der Unterschied von Negation und Limitation zweifelhaft. Wenn in einem unendlichen Urteil, wie KANT es nimmt, ein Punkt, aber nur einer ausgeschlossen wird, indem die unendliche Möglichkeit der übrigen Prädikate offen bleibt: so ist eine solche Einschränkung sehr eingeschränkt und eine solche Limitation ist keine eigentliche Begrenzung, inwiefern diese nach mehreren Seiten hin geschehen wird. In diesem Sinn ist jede Negation eine Limitation und jede Limitation eine Negation. Jede Verneinung schließt ein Prädikat aus; jede Begrenzung hält Fremdes ab und diese Beziehung wird logisch zur Verneinung. Das zweite Bedenken trifft das kategorische und hypothetische Urteil als zwei unterschiedene Arten der Relation. ARISTOTELES hatte im Organon nur das später so genannte kategorische Urteil behandelt und darin die Grundform getroffen. Schon bald nach ihm fügte man das hyothetische hinzu, und daß es im ARISTOTELES fehlte, galt als eine Lücke. Es sind jedoch, wie an einem anderen Ort gezeigt wurde (24), die Grenzen schwer zu ziehen. Jedes kategorische Urteil schließt eine Hypothesis in sich und die hypothetischen Urteile lassen sich in kategorische umwandeln. Die Substanz ist die Bedingung für das Akzidenz [Merkmal - wp] und daher geht das Verhältnis der Inhärenz [des Innewohnens - wp], in welchem das Prädikat des kategorischen Urteils zum Subjekt steht, in das Verhältnis von Grund und Folge über. Dem hypothetischen Urteil dagegen liegt das Verhältnis einer wirkenden Ursache zugrunde, das sich auf das tätige Subjekt eines kategorischen Urteils zurückführen läßt. In einer Hinsicht scheint das Verhältnis des hypothetischen Urteils (Grund und Folge) allgemeiner zu sein als das Verhältnis des kategorischen (Substanz und Akzidenz); denn die Bedingung zum Bedingten kann so äußerlich gefaßt sein, daß es sich in die kategorische Form nicht leicht fügt, wenn in ihr die Inhärenz streng soll festgehalten werden. Es ist jedoch nachgewiesen, daß die Inhärenz aus ihrer eigensten Natur kausal wird, und sich daher die kategorische Form nicht an die ruhende Eigenschaft binden läßt. Will man in einem einfachen Beispiel die Unmöglichkeit anschauen, das kategorische und hypothetische Urteil auf gleicher Linie mit dem disjunktiven als zwei unterschiedene Arten einander nebenzuordnen: so vergleiche man den doppelten gleichgeltenden Ausdruck des pythagoräischen Lehrsatzes: "Wenn ein Dreieck rechtwinklig ist, so ist das Quadrat der Hypotenuse gleich der Summe der Quadrate der beiden Katheten (hypotethisch), und: "Das rechtwinkliche Dreieck hat die Eigenschaft, daß das Quadrat der Hypotenuse der Summe der Quadrate der beiden Katheten gleich ist (kategorisch). Beide Formen (die kategorische und hypothetische) bilden zusammen eine Art und treten dem disjunktiven Urteil als der anderen gegenüber, indem jene den Inhalt eines Begriffs aussagen, dieses den Umfang gliedert. In diesem Sinn entspringen diese zwei Arten aus der logischen Natur des Begriffs, der dem Urteil zugrunde liegt (25). Wenn man die beiden Einwürfe, die gegen das unendliche Urteil und gegen die beiden unterschiedenen Arten des kategorischen und hypothetischen erhoben sind, anerkennt und anerkenenn muß: so hat man nun statt zwölf nur zehn Formen und die Symmetrie der triadischen Ordnung in den Kategorien ist gestört. KANT legte darauf ein Gewicht, daß in jeder der vier Klassen die dritte Kategorie aus der ersten und zweiten in einen Begriff verbunden entspringt (26). Indessen fällt dieses anziehende Gleichmaß, so weit es sich aus der Tafel der Urteile ergeben müßte, für die Qualität und Relation nach den obigen Erörterungen von selbst zusammen. Es hängt die folgende Frage, ob KANT aus den zugrunde gelegten Formen des Urteils den sie bildenden Begriff (die Kategorie) richtig herausgehoben hat, zum großen Teil mit dem Vorangehenden zusammen. Denn wir werden nach dem Obigen der Limitation neben der Negation, dem Verhältnis von Substanz und Akzidenz neben dem Verhältnis des Grundes und der Folge die Stelle bestreiten, inwiefern sie aus jenen unterschiedenen Formen des Urteils fließen sollen. Ich muß jedoch außerdem auf die Wechselwirkung aufmerksam machen, welche KANT dem disjunktiven Urteil entnommen hat. Er faßte es mit Recht als das Urteil der Einteilung. Ist aber die Wechselwirkung der logischen Einteilung, in welcher sich die Glieder streng ausschließen, ohne sich zu berühren, und nur zusammen den Umfang eines höheren allgemeineren Begriffs ausmachen, mit der realen Wechselwirkung der ineinander greifenden Kräfte eins? Die Einteilung ist eine Art logischer Wechselwirkung, aber eine solche, welche nicht für die Darstellung der Wechselwirkung überhaupt gelten kann. Neben der Division steht die Definition, neben der Einteilung die Erklärung. Wenn in der letzteren zusammenwirkende Begriffe, wie Teile, den Inhalt eines Begriffs als eines Ganzen bilden: so sind darin die Teil in einer logischen Wechselwirkung befaßt, welche der realen viel näher steht, als die Einteilung. Es würde eine sehr beschränkte Kategorie der Wechselwirkung ergeben, wenn der Verstand sie nur nach der Analogie der Einteilung denken würde (27). Waren die Kategorien reine Verstandesbegriffe und als solche der Anschauung entzogen, so mußten sie, um die Möglichkeit der Anwendung zu gewinnen, im Element der reinen Anschauung eine Gestalt annehmen. Es geschah durch die transzendentale Zeitbestimmung, und dieser Schematismus ist notwendig, um die isolierte Stellung der reinen Verstandesbegriffe aufzuheben. Wurzelten alle Kategorien in der Einheit des Selbstbewußtseins, so lag die Form des inneren Sinnes zunächst, um darin die reinen Verstandesbegriffe mit sinnlicher Klarheit zu begaben. So weit erscheint der Schematismus als konsequent. Aber kann man fragen: wenn sich die Kategorien nur in die transzendentalen Bestimmungen der Zeit kleiden, wie führen sie sich dann in den Raum ein? und bleiben diese reinen Gebilde der Zeit nicht immer noch in demselben Abstand vom Raum? Wenn man einzelne Weisen vergleicht, wie KANT die Kategorien mit Bestimmungen der Zeit verschmilzt: so wird es deutlich, daß sich ihm dabei stillschweigend Vorstellungen eingeschoben haben, welche über die Zeit hinaus räumliche oder gar materielle Elemente in sich tragen. Dies zeigt sich da, wo unter der Qualität als das Schema der Realität die erfüllte Zeit und unter der Relation als das Schema der Substanz das beharrende Substrat bezeichnet wird. Es ist schwer, die Anschauung ohne Sprung wieder zu gewinnen, wenn man nicht die Kategorie in und mit der Anschauung entstehen läßt. Es wird daher darauf ankommen, im Geist selbst ein produktives Prinzip, eine bildende Tat zu finden, die allem Anschauen und allem Denken zugrunde liegt, um aus ihr die Grundbegriffe abzuleiten. Dann bedarf es keines künstlichen Schematismus. Wenn der Verstand, wie KANT es ausspricht, der Erfahrung durch die Kategorien Gesetze vorschreibt: so muß in den Dingen, dem Inhalt der Erfahrung, die Möglichkeit liegen, ihnen zu gehorchen. Diese Folgsamkeit ist schon eine Tat. Indem sie sich den Gesetzen fügen und sich in Kategorien fassen lasen, gehen sie mit dem Verstand eine Gemeinschaft ein, wozu notwendig ein Teil der Bedingungen in ihnen liegt. Wodurch wird dies möglich? Soll der Anstoß, den nach KANT das Subjekt in der Erfahrung empfängt, ein Anstoß von außen bleiben und nicht in der konsequenten Entwicklung, die FICHTE vollzogen hat, zu einer Tat des Subjektes werden: so wird hier zwischen den Dingen und den Kategorien mindestens ein Bezugspunkt gefordert, und diese Forderung würde weiter führen und dazu nötigen, zunächst in diesem einen Punkt die Unerkennbarkeit des Dings-ansich aufzuheben. Entweder folgt man dem Zug der subjektiven Kategorienlehre, und man kann dann nicht in den Voraussetzungen beharren, unter denen man in die kantische Untersuchung eingetreten ist, und namentlich nicht in der Voraussetzung einer äußeren Erfahrung, oder man hält diese Voraussetzung fest, jenen Anstoß von außen, und man muß dann die Kategorien und Raum und Zeit anders fassen; denn sie erfahren notwendig eine Umgestaltung, wenn man jener Anknüpfung an das Objektive, wie sie auch genommen wird, ernsthaft nachgeht. Endlich hat KANT den Wert der Kategorien darin gesetzt, daß sie jede Untersuchung, die sie zum Leitfaden nimmt, systematisch machen. Daher behandelt KANT nach dem Grundriß der vier Kategorien die Begriffe, die sich zu einem vollständigen Kreis abschließen sollen. In der Kr. d. r. V. bewegen sich selbst die Paralogismen der rationalen Psychologie und sogar die Bedeutungen des Nichts (28) nach der Vorschrift der vier Kategorien. Die metaphysischen Anfangsgründe der Naturwissenschaft werden unter vier Hauptstücke gebracht, deren erstes die Bewegung als ein reines Quantum nach seiner Zusammensetzung ohne alle Qualität des Beweglichen betrachtet und Phoronomie genannt wird, das zweite sie als zur Qualität der Materie gehörig unter dem Namen einer ursprünglich bewegenden Kraft in Erwägung zieht und daher Dynamik heißt, das dritte die Materie mit dieser Qualität durch ihre eigene Bewegung gegeneinander in Relation betrachtet und unter dem Namen Mechanik vorkommt, das vierte aber ihre Bewegung oder Ruhe bloß in Beziehung auf die Vorstellungsart oder Modalität, folglisch als Erscheinung äußerer Sinne bestimmt und Phänomenologie genannt wird. (29) In der Kritik der Urteilskraft werden die Begriffe des Schönen und Erhabenen nach den Kategorien bestimmt. In der Schrift "Die Religion innerhalb der Grenzen der bloßen Vernunft" (1798, Seite 135) wird die Kirche nach den vier Kategorien aufgefaßt und danach in ihrem Wesen als allgemein, lauter, frei und unveränderlich bezeichnet. Und es ist bekannt, wie vielfach man in der Blütezeit der kantischen Philosophie, selbst in alltäglichen Dingen, um den leichten Schein einer philosophischer Betrachtung zu verdienen, den Weg der Kategorien betreten hat, bevor man aus ihm ausgetreten ist. Waren doch auch später Formeln, die nur mit ein wenig mehr Mannigfaltigkeit den Gedanken die Bahn vorzeichneten, bequem und beliebt, ja ein Zeichen der spekulativen Erkenntnis. Schon bei KANT, dem prüfenden Forscher, kann man die Gefahr studieren. Wo er die Kategorien anwendet, entfernen sie sich häufig vom ursprünglichen logischen Gebrauch und bieten nur eine unbestimmte Analogie. So z. B. wird man kaum an die logische Qualität, an Affirmation (Realität), Negation und Limitation erinnert, wenn KANT in den metaphysischen Anfangsgründen der Naturwissenschaften die Qualität der Materie so behandelt, daß er darunter die bewegende Kraft faßt. Schließen wir mit einem Bekenntnis KANTs (30):
1) vgl. besonders Leibniz in den "Nouveaux Essays", Buch 2, Kapitel 1 und in einem Brief an Bierling bei Kortholt, Epistolae Ad Diversos, Bd. IV, 1742, Seite 15. 2) Kritik der reinen Vernunft, Ausgabe B, Seite 91. 3) Kr. d. r. V. a. a. O., Einleitung (gegen Ende), Seite 29. 4) Prolegomena zu einer jeden künftigen Metaphysik, die als Wissenschaft wird auftreten können, Riga 1783, § 39, von dem System der Kategorien, Seite 119. 5) Kant zählt die Prädikamente so auf 1) substantis, 2) qualitas, 3) quantitas, 4) relatio, 5) actio, 6) passio, 7) quando, 8) ubi, 9) situs, 10) habitus; die Postprädikamente: oppositum, prius, simul, motus, habere 6) Prolegomena, Seite 119. 7) Kr. d. r. V., a. a. O., § 9, Seite 96f. 8) Kr. d. r. V., Seite 96 9) Melanchthon, a. a. O., Seite 113. 10) Melanchthon, a. a. O., Seite 130. 11) Kr. d. r. V., § 10, Seite 104, 105. 12) vgl. Kr. d. r. V., Seite 97 13) Kr. d. r. V. § 11, Seite 111f. 14) Kr. d. r. V., § 13, Seite 116f. 15) Kr. d. r. V., § 22, Seite 146f. 16) Kr. d. r. V., Seite 176f und 182f. 17) Kr. d. r. V., Seite 108; vgl. Prolegomena, Seite 123. Kant formt hier den Sprachgebrauch der Prädikabilien um. Praedicabilia heißen in der alten Logik (z. B. Melanchthon, "erotemata dialectices", a. a. O., Seite 8) die fünf, zuerst in Aristoteles' Topik, dann in Porphyrius' Einleitung behandelten Grundbegriffe, die bei der Bildung von Definitionen in Betracht kommen: species, genus, differentia, proprium, accidens. 18) Prolegomena, Seite 121. 19) Vgl. meine "Logischen Untersuchungen", Bd. 1, Seite 301f. 20) vgl. z. B. Prolegomena, § 36. 21) Kr. d. r. V., Vorrede zur zweiten Auflage, Seite XVIf. 22) siehe meine "Logischen Untersuchungen I", Seite 129. 23) Logische Untersuchungen II, Seite 183f. 24) vgl. die Erörterung in "Logische Untersuchungen I", Seite 177f. 25) Logische Untersuchungen II, Seite 175f. 26) Kr. d. r. V., § 11, Seite 111. Prolegomena, Seite 122. 27) vgl. "Logische Untersuchungen I", Seite 309f. 28) Kr. d. r. V., a. a. O., Seite 348 29) "Metaphysische Anfangsgründe der Naturwissenschaften, 1787, Vorrede, Seite XX. 30) Kr. d. r. V., a. a. O., § 21, Seite 145f. 31) Man könnte vor und neben Kant Lambert vermissen, der sich allerdings um die Grundbegriffe bemühte (vgl. dessen "Neues Organon", Bd. 1, Leipzig 1764, Seite 453f und "Anlage zur Architektonik oder Theorie des Einfachen und des Ersten in der philosophischen und mathematischen Erkenntnis", Bd. 1, Riga 1771, Seite 141f). Indessen brachte er es so wenig, als Locke, an den er anknüpft, zu einer eigentlichen Kategorienlehre im Sinne der Logik. |