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Kants Problem und seine Problemlösung [4/4]
Die Ideen-Prinzipien der metaphysischen Erkenntnis Die Untersuchung über die Möglichkeit der metaphysischen Erkenntnis, wovon die transzendentale Dialektik, der zweite Teil der transzendentalen Logik, handelt, hat einen anderen Ausgangspunkt, als die Untersuchung über die Möglichkeit der mathematischen und physischen Erkenntnis. Diese geht von der Tatsache aus, daß Mathematik und Physik als Wissenschaften gegeben oder vorhanden sind. Die Metaphysik ist aber nicht ebenso als eine Wissenschaft gegeben, vielmehr ist sie als Wissenschaft zweifelhaft. Wenn aber auch die Metaphysik nicht als Wissenschaft, so ist sie als Naturanlage gegeben, denn die menschliche Vernunft geht unaufhaltsam, ohne daß bloße Eitelkeit des Vielwissens sie dazu bewegt, durch eigenes Bedürfnis getrieben, bis zu solchen Fragen fort, die durch keinen Erfahrungsgebrauch der Vernunft und daher entlehnter Prinzipien beantwortet werden können, und so ist wirklich in allen Menschen, sobald sich Vernunft in ihnen bis zu Spekulation erweitert, irgendeine Metahysik zu aller Zeit gewesen und wird auch immer darin bleiben. So viel Verfehltes auch liegen mag in der Beantwortung dieser Fragen durch die verschiedenen Systeme der Philosophie, so sei es doch ebensowenig zu erwarten, daß der Geist des Menschen metaphysische Untersuchungen einmal gänzlich aufgeben wird, als daß wir, um nicht immer unreine Luft zu atmen, das Atemholen einmal lieber ganz und gar einstellen würden, weil das Interesse der allgemeinen Menschenvernunft mit ihr gar zu innig verflochten ist (Prolegomena, Seite 145). KANT geht daher auch in dieser Untersuchung von der Tatsache aus, daß Metaphysik als Naturanlage gegeben ist und fragt daher nicht ob, sondern wie Metaphysik möglich ist, er fragt nach den Bedingungen der metaphysischen Erkenntnis, deren Existenz gewiß ist, selbst wenn die Metaphysik als Wissenschaft zweifelhaft ist. Das Eigentümliche der metaphysischen Erkenntnis besteht nach KANT darin, daß sie sich mit Begriffen beschäftigt, von welchen es in der Erfahrung keine entsprechenden Gegenstände gibt. Sie hat es nicht mit einzelnen Teilen der Empirie, von denen die besonderen Wissenschaften handeln, sondern mit dem absoluten Ganzen aller möglichen Erfahrung zu tun, welches daher niemals ein Gegenstand der Erfahrung sein kann. Diese Begriffe nennt KANT Ideen oder Vernunftbegriffe. Die Idee ist ein notwendiger Vernunftbegriff, dem kein kongruierender Gegenstand in den Sinnen gegeben werden kann; demselben entspricht keine sinnliche Anschauung. Die Begriffe beziehen sich nur auf Besonderes; die Ideen denken das Allgemeine schlechthin. Die Kategorien sind Verstandesbegriffe zur Interpretation der Empirie; die Ideen aber Vernunftbegriffe von der Totalität der Empirie. Die Begriffe der Welt, der Seele und von Gott sind Ideen, durch die das Ganze der Erfahrung gedacht wird. Metaphysik ist daher die Wissenschaft von den Ideen, und zwar von den drei Ideen: von der Seele der Welt und von Gott. Den Begriff der Metaphysik nimmt KANT im engeren Sinn, indem er die Ontologie, welche früher den ersten Teil der Metaphysik gebildet hat, ausschließt, wovon er in der Analytik handelt, da die Kategorien ihren Inhalt bilden. KANT findet das Wesen der Metaphysik in der Universalität ihrer Erkenntnisse, welche eine Totalität der Empirie zum Ziel haben. Die Untersuchung handelt von der Frage nach dem Ursprung und der Realität der Ideen. Den Ursprung der Ideen findet KANT in den Formen des Denkens. Wie die mathematischen Begriffe aus den Formen des Anschauens, die Naturbegriffe oder die Kategorien aus den Formen des Urteils, so sollen die Ideen aus den Schlußformen der Vernunft entspringen. Unsere Erkenntnis steigt allmählich auf, sie hebt an von den Sinnen, geht von da zum Verstand und endet bei der Vernunft. Die Erfahrung befriedigt nicht; der Mensch strebt nach einer Erkenntnis des Ganzen. Die Ideen entspringen aus der Vernunft. Die Vernunft in formaler Beziehung ist das Schlußvermögen im Unterschied vom Verstand als dem Begriffsvermögen und der Urteilskraft. Ein Vernunftschluß besteht aus drei Sätzen, wovon der Obersatz eine allgemeine Regel aufstellt, der Untersatz ein Besonderes darunter subsumiert, und der Schlußsatz das Allgemeine des Obersatzes auf das Besondere des Untersatzes überträgt. Jeder Schluß verbindet drei Begriffe miteinander und ist schon ansich ein Ganzes. Der Vernunftschluß ist die Form der Ableitung einer Erkenntnis aus einem Prinzip. Die Vernunft ist daher das Vermögen das Prinzipien, das Besondere aus dem Allgemeinen durch Begriffe zu erkennen. Durch den Schluß erstrebt die Vernunft eine Vollständigkeit der Erkenntnis, sie will ein absolutes Ganzes an Erkenntnis hervorbringen. Alle Begriffe der Vernunft sind daher nicht reflektierte, sondern erschlossene Begriffe von etwas Unbedingtem, worin absolute Vollständigkeit gedacht wird. Realiter ist daher die Vernunft das Vermögen der Erkenntnis des Unbedingten. Ihr Prinzip ist, daß zugleich mit dem Bedingten die ganze vollständige Reihe der einander untergeordneten Bedingungen gegeben ist, welche folglich selbst eine unbedingte ist. Der Syllogismus ist die Wurzel des systematischen Verfahrens der Vernunft, worin etwas Unbedingtes gedacht wird. Jede Idee denkt ein Unbedingtes, Unendliches und Absolutes, wodurch selbst das systematische Verfahren der Vernunft in den Syllogismen ermöglicht wird.
Der positive Begriff eines Dings ansich ist der des Unbedingten, der erst hier hervortritt. Die "Kritik der reinen Vernunft" ist eine Exposition des Begriffs eines Dings-ansich, der nur negativ bestimmt wird in der transzendentalen Ästhetik, daß die Dinge ansich weder durch sinnliche Anschauungen a posteriori, noch durch die Anschauungen a priori können erkannt werden. Dasselbe ist der Fall in der transzendentalen Analytik, daß die Dinge ansich erkennbar sind weder durch empirische noch durch Begriffe a priori. Den letzten Versuch in der Kr. d. r. V., aber nicht den letzten Versuch überall, eine Erkenntnis der Dinge-ansich zu gewinnen, das Ziel von allem Denken, enthält die transzendentale Dialektik in der Untersuchung über die metaphysische Erkenntnis. Die Dinge ansich sind ihre Objekte. Metaphysik ist Wissenschaft vom Sein ansich, und das Sein ansich ist das Unbedingte, welches in den Ideen gedacht wird. Die Mathematik handelt von den Formen der Erscheinungen, die Physik von Phänomenen, von Erscheinungen durch Begriffe, die Metaphysik von den Dingen-ansich, welche alle Erscheinungen bedingen. Aus den Formen des Vernunftschlusses sollen die Ideen entspringen. In dieser Ansicht zeigt sich KANT abhängig von der überlieferten formalen Logik, wie es gleichfalls der Fall ist in seiner Urteilslehre. Die formale Logik gründet sich auf dem Begriff von der Wissenschaft, den ARISTOTELES gegeben hat, wonach die Wissenschaft ihr formales Wesen hat im Syllogismus, und daß alles systematische Verfahren in Syllogismen besteht. ARISTOTELES setzt dem Syllogismus vom Allgemeinen auf das Besondere die Induktion, welche nur zur Wissenschaft hinführt, entgegen, während der Syllogismus das der Wissenschaft immanente Verfahren ist. ARISTOTELES ist darin in Opposition und Polemik mit PLATO, der schon das Richtige vorher erkannt hatte. Denn das syllogistische Verfahren ist ein sehr bedingtes und abhängiges; es bedingt nicht nur durch vorhergehende Induktionen, sondern vorzüglich, was allgemein übersehen wird, durch vorhergehende Deduktionen, da der Syllogismus das Besondere nicht aus dem Allgemeinen ableitet, sondern es im Untersatz als durch die Erfahrung gegeben annimmt. ARISTOTELES hat aber, da er die platonische Methode der Deduktion verwirft, durch seinen zu engen Begriff von einer Wissenschaft und durch seine Meinung, daß das ihr immanente systematische Verfahren allein in Syllogismen besteht, durch die Reihe der Jahrhunderte bis zur Gegenwart sehr nachteilig auf die Bildung und den Bau der Wissenschaften durch die analytische und formale Logik gewirkt, welche, trotzdem Niemand von dieser Wissenschaft sehr erbaut ist, doch allgemein als die richtige Formenlehre des Denkens fast abergläubisch, jedenfalls aber ohne richtige Erkenntnis und Einsicht, verehrt wird. KANT aber folgt dem ARISTOTELES; indem er aus den Formen des Vernunftschlusses die Idee ableiten will, setzt er voraus, daß sie die alleinigen Formen des systematischen Verfahrens der Wissenschaften sind, durch welche ein Ganzes oder ein System von Erkenntnis entstehen soll. Aus den drei Formen des Vernunftschlusses sollen drei Ideen, die alles systematische Verfahren bedingen, entspringen. Die drei Formen des Vernunftschlusses sind der kategorische, der hypothetische und der disjunktive Schluß. Auch dies trifft nicht zu; denn die hypothetischen und disjunktiven Schlüsse sind, wenn sie nicht bloß sprachlich von den kategorischen Schlüssen sich unterscheiden, wo die Verschiedenheit nicht in der Sache, sondern nur in der sprachlichen Darstellung liegt, überall keine mittelbaren oder Vernunftschlüsse, denn sie haben keinen Mittelbegriff und enthalten daher keinen Beweis, sondern, wie KANT selbst in der "Logik" (Ausgabe von Rosenkranz, Seite 316) angibt, nur einen Beweisgrund, was nur zu oft übersehen worden ist, selbst von Denen, die in der neuesten Zeit die Restauration der formalen Logik oder der Syllogistik als den Fortschritt der Zeit unternommen haben. Die Ableitung der Ideen aus den drei Formen des Vernunftschlusses ist daher ebenso ungenügend wie die Ableitung der Kategorien aus den Urteilsformen, wovon der Grund in KANTs Abhängigkeit von der überlieferten formalen Logik liegt, gegen die er sich nicht kritisch genug verhalten hat. In der Habilitationisschrift, dem ersten Entwurf des Kritizismus, ist auch eine andere Ableitung des Begriffs der Welt enthalten. Die Ableitung aus den Schlußformen findet sich erst in der "Kritik der reinen Vernunft". Den drei Schlußformen liegen nach KANT verschiedene Ideen zugrunde als Prinzipien der Totalität des Erkennens, dem kategorischen Schluß die Idee eines ersten Subjekts, welches nicht wieder Prädikat von etwas Anderem sein kann. Wenn wir durch eine Reihe von kategorischen Schlüssen hindurchgehen, wodurch ein Ganzes von Erkenntnissen entsteht, so kommen wir zuletzt zu Schlüssen, die keine erfahrungsmäßigen Vorsätze mehr enthalten und danach am Ende zur Idee eines ersten Subjekts, welches nicht mehr Prädikat von etwas Anderem sein kann. Den hypothetischen Schlüssen, wenn wir durch sie gleichfalls ein Ganzes von Erkenntnissen bilden, liegt die Idee einer ersten Bedingung der ganzen Reieh des Bedingten zugrunde, der keine andere mehr vorhergeht. Dem disjunktiven Schluß entspricht, wenn er in derselben Weise zur Bildung eines Systems von Erkenntnissen verwandt wird, die Idee eines Aggregates der Glieder einer Einheit, welche sie alle in sich umfaßt, zu welcher daher nichts mehr hinzukommen kann. In der transzendentalen Analytik gewinnt KANT aus den drei Urteilsformen, dem kategorischen, hypothetischen und disjunktiven Urteil, drei Kategorien oder drei Begriffe a priori zur Beurteilung der gegebenen Erscheinungen der Empirie; hier aber aus diesen drei Formen in den Schlüssen, um ein Ganzes von Erkenntnissen zu bilden, die genannten drei Ideen. Diese Ideen denken aber etwas ganz Anderes als jene drei Kategorien. Denn diese werden zu bloßen Schematen der Phantasie herabgesetzt oder degradiert. Die ursprünglichen metaphysischen Begriffe, welche durch diesen Schematismus verloren gehen, werden hier nicht nur wiederhergestellt, sondern zugleich zu Ideen erweitert, in welchen sich erst der richtige metaphysische Begriff findet, was im Schematismus der Phantasie nicht der Fall ist, denn die drei Modi der Zeit, worauf sie reduziert werden: die Beharrlichkeit in der Zeit, die Aufeinanderfolge in der Zeit und das Zugleichsein, können durch nur irrigerweise damit verwechselt werden und verleiten die Wissenschaften auf Irrwege, woraus nur Täuschungen in ihren Erkenntnissen entstehen. Den beharrlichen Glanz der Gestirne wird doch Niemand für eine Substanz halten, die regelmäßige Aufeinanderfolge von Tag und Nacht für kein Kausalverhältnis, das Zugleichsein von der Erscheinung eines Kometen und von Kalamitäten [höhere Gewalten - wp] für keine Wechselwirkung, und wir würden es doch müssen, wenn wirklich die metaphysischen Begriffe der Substanz, der Ursache und der Wechselwirkung nichts weiter wären als die drei Modi der Zeit, als Beharrlichkeit in der Zeit, die regelmäßige Aufeinanderfolge von Erscheinungen in der Zeit und bloßes Zugleichsein in der Zeit. Schemata sind Bilder und Erläuterungen der Begriffe, aber sie können nicht ihre Erklärung enthalten. Der Schematismus der Phantasie, durch welchen die metaphysischen Begriffe in der Analytik eingeschränkt und degradiert werden, ist nur ein Residuum des vorkantischen Sensualismus, und KANT hat Recht, wenn er in der transzendentale Dialektik diese Begriffe als Ideen wiederherstellt, wodurch er freilich zugleich die durch den Schematismus der Phantasie unwahren Erklärungen dieser Begriffe widerlegt und im Grunde zurücknimmt. Es erhellt sich daraus aber die Richtigkeit unserer Behauptung, daß KANT von diesen metaphysischen Formen des Seins doppelte und miteinander unverträgliche Begriffserklärungen gegeben hat. Sind die Ideen richtig, so enthält der Schematismus die nicht richtigen Erklärungen, und gelten diese als wahr, so sind die Ideen, was doch nicht KANTs Meinung ist, nicht mehr die Idee von einem ersten Subjekt, welches nicht wieder Prädikat von etwas Anderem sein kann, von einem absoluten Anfang aller Dinge und der Welt, von einer totalen Einheit. Die anfänglichen zwölf Kategorien der Kr. d. r. V. reduzieren sich in der transzendentalen Dialektik auf drei Ideen, nämlich auf die drei Kategorien der Relation, während alle übrigen neun verschwinden, bzw. in den Hintergrund treten, woraus ich folgere, daß in Wahrheit nur diese drei Ideen, die Kategorien der Relation, metaphysische Begriffe sind, und zwar die drei Ideen, wie ich sie bezeichne: des Seins, der Ursache und des Ganzen, bzw. der Gemeinschaft der Wechselwirkung. Alle übrigen aber nicht. Quantität und Qualität sind keine metaphysischen Begriffe oder Ideen, sondern nur Begriffe vom Inhalt und den Formen der sinnlichen Anschauung, und die modalen Begriffe fallen in der Tat zusammen mit den drei Ideen des Seins, der Tat oder der Ursache, und des Ganzen oder der totalen Einheit, welche alles und jedes Denken und Erkennen begründen und möglich machen. Diese Vereinfachung erscheint mir notwendig, wenn man aus dem Labyrinth der Metaphysik einen Ausweg finden will. Sie ist nur die Durchführung eines ursprünglich kantischen Gedankens, wozu aber eine Kritik seiner transzendentalen Analytik unumgänglich notwendig ist. Der kategoriale Schluß involviert die Idee eines absoluten Subjekts. Die rationale Psychologie glaubte, daß die Seele ein absolutes Subjekt ist, worin sich dann jene Idee realisiert findet. Daher sagt man, obgleich nicht ganz richtig, die Idee des kategorischen Schlusses ist die Idee der Seele. Die Idee des hypothetischen Schlusses hält die rationale Kosmologie für realisiert im Begriff der Welt. Daher nennt man auch den Begriff der Welt die zweite Idee, wovon die Metaphysik nach KANT handelt. Aus der Idee des disjunktiven Schlusses entspringt nach KANT der Begriff von Gott. Diese drei Ideen begründen daher die drei metaphysischen Wissenschaften, die rationale Theologie, Kosmologie und Psychologie. Die Metaphysik enthält die Weltansicht der Wissenschaften, und jede Weltansicht der Wissenschaften entspringt aus diesen drei Ideen von Gott, der Welt und der Seele, worüber jede ihre Überzeugung und Erklärung enthält. Nach dem mittelalterlichen Platonismus ist die Metaphysik die Wissenschaft von den drei realen Prinzipien der Erkenntnis, von der Materie, der Seele und von Gott. Vielleicht ist diese Erklärung des Platonismus doch richtiger als die kantische, weil in ihr der Begriff der Welt unbestimmt ist, da er im Gegensatz zur Seele gedacht wird, welche doch zur Welt gehört. KANT folgt aber in seiner Auffassung der WOLFFischen Metaphysik, in der freilich die Seele eine exzeptionelle Stellung in der Welt einnimmt. Die hergebrachte Einteilung der Metaphysik ist die WOLFFische in Kosmologie, Psychologie und Theologie, und KANT folgt ihr jedoch mehr aus einem äußeren Grund, weil sich seine Kritik der dogmatischen Metaphysik auf die Gestalt bezieht, welche ihr WOLFF gegeben hat. Diese drei Ideen mittels der genannten Schlußweisen werden notwendig von der Vernunft gedacht, sie entspringen aus ihrem Wesen, denn die Vernunft will die Vollständigkeit aller Erkenntnis, welche ihr Ideal ist. Das absolute Ganze aller Erkenntnisse kann sie nur durch ein systematisches Verfahren hervorbringen, wodurch sich mit Notwendigkeit jene drei Ideen bilden. Zu allem Bedingten der Empirie denkt die Vernunft, welche Alles begreifen und erkennen will, notwendig ein Unbedingtes hinzu, ein letztes Subjekt, eine erste Ursache, ein vollkommenes Ganzes. Daran ist kein Zweifel, daß diese drei Ideen notwendig gedacht werden. Der Zweifel hat einen anderen Ursprung. Die Frage ist nicht, ob wir diese Ideen notwendig denken, sondern ob wir aus diesen Ideen eine Erkenntnis der Objekte zu gewinnen imstande sind. Nur auf diesen Punkt beziehen sich die Zweifel der Kr. d. r. V. Den Versuch, aus notwendigen idealen Gedanken der Vernunft eine Erkenntnis der Objekte zu gewinnen, enthält die frühere dogmatische Metaphysik in ihren drei Disziplinen: der rationalen Theologie, Kosmologie und Psychologie, welche aus den Ideen der Vernunft eine Erkenntnis der Realität erschließen wollen. Diese Schlußweisen hält KANT für unzureichend und unbegründet in allen drei Teilen der dogmatischen Metaphysik, sie erzeugen nur einen Schein und Täuschung, wovon sich selbst der Weiseste unter den Menschen nicht losmachen kann (Kr. d. r. V. Rosenkranz, Seite 274), wenn er diese Schlußweisen gebraucht. In der rationalen Psychologie entsteht daraus ein Paralogismus, in der rationalen Kosmologie Antinomien, in der rationalen Theologie der vergebliche Versucht, das Dasein Gottes zu beweisen. Alle Schlüsse, auf welchen sie ihre realen Erkenntnisse gründen, sind nur dialektisch, sie bringen nur Widersprüche und Täuschungen, aber keine wahre Wissenschaft hervor. Die Dialektik ist daher nur eine Logik des Scheins aber nicht der Wahrheit. Die dogmatische Metaphysik kann die Erkenntnis, welche sie zu besitzen glaubt, nicht begründen. Es handelt sich bei dieser Kritik der metaphysischen Disziplinen um die Gewißheit der Wahrheit. Sie haben keine Gewißheit diese Wissenschaften und vermögen keine Überzeugung zu begründen, indem sie aus den idealen Gedanken der Vernunft eine Erkenntnis der Objekte erschließen wollen. Mit zwei verschiedenen Schlußweisen beschäftigt sich die Kritik der reinen Vernunft in der Analytik und der Dialektik, worauf alle Erkenntnisse der Wissenschaften sich gründen. Wir schließen von den Erscheinungen der Dinge auf ihr Wesen, und vom Wesen der Dinge, wenn wir einen Begriff davon haben, auf ihre Wirksamkeiten oder die Tätigkeiten, aus denen die Erscheinungen entstehen. Mit der ersten Schlußweise beschäftigt sich die Analytik, mit der zweiten die Dialektik. Die Analytik gelangt zu dem Resultat, daß wir mit Recht schließen von den Erscheinungen auf ein Sein-ansich, auf die Dinge-ansich, daß wir aber aus den Erscheinungen nicht auf das Wesen der Dinge-ansich, aus dem Inhalt der Erscheinungen nicht auf den Inhalt des Seins, aus den Erscheinungsarten nicht auf die Existenzformen der Dinge-ansich schließen können. Wir können nur die Formen unseres Denkens, aber nicht die Existenzformen der Dinge ansich erkennen. Mit der umgekehrten Schlußweise von den idealen Gedanken der Dinge-ansich - denn jede Idee denkt ein Unbedingtes oder ein Ding-ansich - auf die Objekte beschäftigt sich die transzendentale Dialektik. Und auch diese Schlußweise ist, wie sie geübt wird in der dogmatischen Metaphysik und ihren Disziplinen, nach KANT unberechtigt, sie erzeugt Irrtümer, weil sie die Idee konstitutiv und nicht regulativ gebrauchen. und die Seele als innere Erscheinung des Dings ansich. Der rationalen Psychologie liegt die Idee des absoluten Subjekts zugrunde. Diese Idee bezeichnet aber nur ein Postulat der Vernunft, welche fordert, daß wir zu jedem gegebenen Prädikat ein Subjekt hinzudenken, und wenn dieses Subjekt selbst nur wieder ein Prädikat ist, so tritt immer von Neuem wieder der Gedanke eines absoluten Subjekts hervor, welches selbst nicht wieder Prädikat eines anderen Subjekts ist. Empirisch können wir aber ein solches Subjekt nicht finden, da alle unsere Vorstellungen und Begriffe nur mögliche Prädikate der Dinge sind, wo jederzeit das absolute Subjekt fehlt, aber doch wieder vorausgesetzt wird, als notwendige Bedingung für die Möglichkeit des Denkens, denn unsere Begriffe sind bloße Phantasien, wenn wir sie nich als mögliche Prädikate der Dinge-ansich, eines absoluten Subjekts ansehen können. Diese Idee der Vernunft ist der notwendige Gedanke eines absoluten Subjekts, das zu allem Empirischen hinzugedacht wird, aber niemals als ein solches absolutes Subjekt in der Empirie nachgewiesen werden kann. Der rationale Psychologe glaubt nun aber, daß diese Idee Realität hat und ein absolutes Subjekt gegeben ist in der inneren Erfahrung von der Seele. Die psychische Empirie findet in der Seele ein absolutes Subjekt. Kann man auch in der äußeren Erfahrung kein absolutes Subjekt nachweisen, so meint man doch, dasselbe in der inneren Erfahrung zu besitzen. Das Ich ist ein solches Subjekt, welches nicht wieder Prädikat von etwas Anderem sein kann. Alle meine Gedanken Vorstellungen, Empfindungen, Anschauungen sind Prädikate des Ich, das Ich selber aber ist kein Prädikat seiner Vorstellungen, es ist stets, was ich auch denken, vorstellen, anschauen mag, Subjekt. Es scheint daher, daß wir schließen können aus der Idee eines absoluten Subjekts auf seine Realität in der Seele. Hierauf ruht auch der Vorzug, den die Psychologie unter allen anderen Disziplinen in der neueren Philosophie seit CARTESIUS gefunden hat; sie gilt als das adäquate Realisationsmittel der Metaphysik, welches in der psychichen Erfahrung wie von selbst gegeben sein soll. Aus dem "Ich denke" schließt CARTESIUS nicht bloß auf die Existenz, sondern direkt auf das Wesen der Seele, sie ist das denkende Wesen. LEIBNIZ faßte die Seele als das wahre Ding ansich, das absolute Subjekt, auf und interpretierte dadurch die ganze Welt. Der psychischen Empirie gibt auch der Sensualismus einen unbedingten Vorzug vor jeder anderen Erfahrung, da er in ihr meint den Ursprung der Begriffe a priori durch bloße Beobachtung finden zu können. Einige meinen sogar, daß durch die bloße innere Wahrnehmung direkt die Seele als absolutes Subjekt gefunden wird, während es doch gewiß ist, daß diese Annahme nicht bloß auf einer Wahrnehmung, sondern auf einem Schluß beruth, wodurch das Ich als absolutes Subjekt bestimmt wird. Es ist ein Verdienst KANTs, daß er die Möglichkeit der Psychologie im Besonderen untersucht hat, ihre Grundlage und ihre Erfahrung, ob und wie weit die Berechtigung geht, aus der inneren Erfahrung weiter zu schließen als aus der äußeren, selbst wenn sich seine eigene Kritik nicht in allen Stücken sollte verteidigen lassen. Der Gedanke des absoluten Subjekts ist der Begriff des Seins oder des Dings-ansich, der Substanz im metaphysischen Sinn. Ist die Seele ein absolutes Subjekt, so ist sie eine Substanz. Aus der Substantialität der Seele schließt die rationale Psychologie auf die Immaterialität, die Inkorruptabilität [Unveränderbarkeit - wp] und Immortalität [Unsterblichkeit - wp], auf die Personalität und auf die unabhängige Existenz der Seele von äußeren Dingen, mit welchen sie nur in Gemeinschaft steht. KANT meint nun, daß diese Schlüsse Paralogismen [Widersprüche - wp] sind, Fehlschlüsse der Form nach, da sie nicht aus drei, sondern aus vier Begriffen bestehen, indem der Mittelbegriff des Schlusses in beiden Prämissen in einem anderen Sinn genommen wird und daher zu einer nicht richtigen Folgerung verleitet. Der Paralogismus besteht nach KANT in folgendem Vernunftschluß: Was nicht anders als Subjekt gedacht werden kann, existiert auch nicht anders als Subjekt und ist also Substanz. Nun kann ein denkendes Wesen, bloß als ein solches betrachtet, nicht anders als Subjekt gedacht werden, also existiert es auch nur als solches, d. h. als Substanz. In diesem Schluß aber wird der Begriff des Subjekts oder der Substanz in beiden Prämissen in einem doppelten Sinn genommen, denn im Obersatz wird der Begriff der Substanz in einem metaphysischen Sinn genommen als ein Ding-ansich, als ein absolutes Subjekt, im Untersatz aber nur als Kategorie, d. h. als Schema der Einbildungskraft, als Beharrlichkeit in der Zeit, und der Schluß ist daher seiner Form nach, da er vier Begriffe hat, ein Fehlschluß. Dieser Paralogismus entsteht daraus, daß KANT selbst zwei Begriffe von einer Substanz hat, den metaphysischen der Dialektik, die Idee eines absoluten Subjekts, eines Dings ansich, und die Kategorie der Analytik, das Schema in der Beharrlichkeit der Zeit, und es würde daher erst die Frage zu entscheiden sein, welches der wahre und richtige ist. KANT sagt selbst (Kr. d. r. V., Rosenkranz, Seite 413):
Aus der Beharrlichkeit der Seele in der Erfahrung, d. h. in ihrem Leben, wenn hierin ihre Substantialität bestehen soll, kann man allerdings keine direkten Folgerungen ziehen über ihre Immaterialität, die Immortalität, die Einheit und Personalität der Seele, welche immer nur abgeleitet worden sind aus dem wahren Begriff der Substantialität der Seele und nicht aus dem Scheinbild derselben. Denn eben diese Begriffe sind nur gebildet worden, um das Leben der Seele, ihre zeitliche Beharrlichkeit zu begreifen, die keine Bedeutung mehr haben, wenn der letzte Begriff des Denkens nichts weiter ist als das "beharrliche Bild der Sinnlichkeit". KANTs Kritik selbst ist sehr ungenügend, sie ruht auf Einwendungen gegen jene Begriffe, welche von bloßen Possibilitäten entlehnt sind, daß z. B. die Einheit des Gedankens statt auf der Einheit des Subjekts, auch ruhen kann auf der kollektiven Einheit der daran mitwirkenden Substanzen, während KANT doch selber lehrt, daß gar keine Kategorie, gar kein Begriff möglich ist anders als durch die transzendentale Apperzeption, d. h. die Einheit des Selbstbewußtseins im "Ich denke", welches alle meine Gedanken muß begleiten können. Die Verbindung eines Mannigfaltigen zur Einheit des Begriffs ist nicht möglich, wenn das Ich selber Zwei ist. Nur der kritische Scharfsinn KANTs tritt bei der Betrachtung dieser Begriffe hervor, indem er die Möglichkeit aufstellt, wie das in diesen Gedachte auch anders sein könnte. Allein selbst für den Fall, daß die Schlüsse der rationalen Psychologie Paralogismen sind, folgt daraus nur, daß ihre Behauptungen über das Wesen der Seele nicht dadurch bewiesen werden, also ungewiß sind, es folgt daraus aber nicht, daß sie nicht wahr sind, da dies aus dem Mangel eines Beweises, wodurch ihre Gewißheit gewonnen werden soll, nicht geschlossen werden kann. Noch viel weniger aber folgt daraus, KANT habe bewiesen, daß die Seele keine Substanz, nicht unsterblich, nicht einfach, nicht identisch ist, denn aus dem Mangel eines Beweises für Etwas, kann nur ein völlig oberflächliches Denken die Folgerung ziehen, daß nun die entgegengesetzte Behauptung wahr und noch dazu ohne allen Beweis gewiß ist. Die transzendentale Dialektik KANTs hat es überall nur zu tun mit der Gewißheit, sie gelangt nur zu dem Resultat, daß die Beweise der rationalen Psychologie dargestellt in solchen Syllogismen, wie KANT sie formuliert, Fehlschlüsse sind. Dabei bleibt die Frage mach der Wahrheit jener Lhren und ihre Beweisbarkeit selbst völlig unentschieden. Denn daß man durch bloße Syllogismen die Wahrheit nicht einzufangen vermag, dieses scholastische Vorurteil der mittelalterlichen Philosophie, welche den Wert des Syllogismus überschätzt hat, sollte doch endlich verschwinden. Aber auch KANT ist in diesem scholastischen Vorurteil in der Überschätzung des Syllogismus befangen, indem er in ihrer Kritik meint eine Beurteilung der Lehren und Begriffe zu besitzen, welche unabhängig von einem Syllogismus bestehen. Die Wahrheit des Syllogismus ist eine sehr bedingte. Er selbst ist nur eine Formel, durch welche der Abschluß eines Erkenntnisprozesses dargestellt wird, der ihm vorhergeht und mit dem er selbst gar nichts zu tun hat, der auf vorhergehenden Induktionen und Deduktionen beruth, deren Ergebnis er dann in eine bloße Formel zusammenzieht. Selbst ein regelrechter Schluß und eine legitime Konklusion entscheiden nicht über die Wahrheit. Was tut und leidet, sagen die Stoiker, ist ein Körper; die Seele tut und leidet, folglich ist die Seele ein Körper. Dieser Schluß ist völlig regelgerecht, noch dazu ein Schluß in der ordentlichen ersten Figur, und die Folgerung ist legitim. Dennoch wird Niemand die Entscheidung, ob die Seele ein Körper ist oder nicht, von diesem Schluß abhängig machen, denn die Entscheidung ruht auf vorhergehenden induktiven und deduktiven Untersuchungen, welche durch den Schluß nur in eine Formel gebracht werden, wodurch bereits auf anderen Wegen Erkanntes zusammengefaßt wird. Der Schluß enthält nur eine Analyse von drei gegebenen Begriffen, über deren Wahrheit und Gewißheit er selbst nichts ausmacht. Denn seine Entscheidung betrifft nur ihre Verbindung, deren Wahrheit abhängig ist von den mit einander zum Ganzen verbundenen Elementen; diese Elemente bringt er nicht hervor. KANTs Kritik der Psychologie, indem er Paralogismen in ihr aufzeigt, hat daher nur einen sehr relativen Wert, sie zeigt nur einen Mangel in der Form der Schlüsse, wodurch über die Sache selbst doch keine Entscheidung zu gewinnen ist. KANT gewinnt aber doch aus seiner Kritik ein positives Resultat. Denn wenn wir auch die Seele nicht als ein absolutes Subjekt, als ein Ding-ansich, als eine Substanz in einem metaphysischen Sinn zu bestimmen vermögen, da wir überall nicht erkennen können, was die Dinge ansich sind, so sind doch Körper und Geist zwei verschiedene Erscheinungen, welche nicht aufeinander reduziert werden können, weshalb wir auch den Materialismus zurückweisen können. Der Körper ist die äußere, der Geist ist die innere Erscheinung eines Dings; was dieses Ding ansich ist, wissen wir nicht, aber die Erscheinungen sind total verschiedene. Daß die Seele daher kein Körper ist, ist gewiß, weil sie uns nicht wie ein Körper äußerlich, sondern innerlich erscheint. Beide Erscheinungsarten der Dinge sind spezifisch verschieden. Auch KANT nimmt keinen Gradunterschied an zwischen Körper und Geist, sondern, wie CARTESIUS, einen spezifischen Unterschied, aber nicht substantialiter, sondern nur phänomenal. Es ist möglich, daß das Ding-ansich dasselbe ist, welches äußerlich als ein Körper und innerlich als ein Geist erscheint, aber die spezifische Verschiedenheit ihrer Erscheinungsarten können wir nicht aufheben. ![]() |