ra-2ra-2F. VorländerJ. RuskinK. W. C. SchuezM. J. BonnH. Dietzel    
 
OSKAR ENGLÄNDER
Die Erkenntnis des Sittlich-Richtigen
in der Nationalökonomie

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"Unter den Bestrebungen der Menschen sind jene, welche auf einer vorsorglichen Deckung ihres Güterbedarfs gerichtet sind, also die wirtschaftlichen, die weitaus richtigsten, wie auch unter den Trieben der Menschen jener, welcher jedes Individuum seine Wohlfahrt anstreben heißt, weitaus der allgemeinste und mächtigste ist."

"Wir sehen, daß sich in den außerhalb des Wirtschaftslebens liegenden Betätigungen des Menschen sittliche Momente derart stark geltend machen, daß sie das Selbstinteresse unter Umständen vollkommen verdrängen. Denken wir an Äußerungen der Religiosität, der Vaterlandsliebe, Nationalität usw. Warum soll nun gerade im Wirtschaftsleben das Selbstinteresse von so überragender Bedeutung sein, daß es die sittlichen Motive fast verdrängt?"

"Eine Gegenwirkung des sittlichen Empfindens gegen eine zu weit gehende Durchsetzung des Selbstinteresses kann auch deshalb entfallen, weil beim betreffenden Wirtschaftssubjekt entweder das sittliche Empfinden kein richtiges ist, oder sich diese Personen von einem sittlich-richtigen Empfinden gegen ihr Selbstinteresse nicht leiten lassen."

8. Das Problem, das sich der Wissenschaft entgegenstellt, wenn sie sich mit der Stellung des Selbstinteresses in der verkehrswirtschaftlich organisierten Volkswirtschaft beschäftigt, ist dieses: einerseits kann - wie erwähnt die Tatsächlichkeit sittlicher Motive und ihre Wirksamkeit im Wirtschaftsleben nicht bestritten werden; andererseits findet man keinen Weg zu einer richtigen Analyse und Erklärung der verkehrswirtschaftlichen Grunderscheinungen als den wenigstens vorläufig ihr Zustandekommen unter der Annahme eines alleinigen Wirkens des Selbstinteresses zu untersuchen. Der unbestreitbare Umstand, daß man auf diesem Weg zu richtigen und wertvollen Erkenntnissen hinsichtlich des wirklichen, also nicht bloß eines auf der Annahme des Selbstinteresses konstruierten Wirtschaftslebens gelangt, zeigt die Berechtigung der Methode bei der Erklärung volkswirtschaftlicher Erscheinungen. Wir fanden die Lösung des Problems - die Wirksamkeit sittlicher Motive einerseits, die Notwendigkeit, vom Selbstinteresse auszugehen andererseits - in der Vereinbarkeit des Selbstinteresses mit sittlichen Erwägungen. Die Lösungen, die man sonst versucht, sind der Hauptsache nach folgende: Die eine ist die, welche das Selbstinteresse als Erklärungsgrund volkswirtschaftlicher Erscheinungen durch das wirtschaftliche Motiv oder das wirtschaftliche Prinzip ersetzt und so den Bedenken, die sich gegenüber der Verwendung des Selbstinteresses als leitendes Motiv im Hinblick auf die sittlichen Motive ergeben, ausweichen zu können glaubt. Die andere Lösung begründet die alleinige Berücksichtigung des Selbstinteresses als leitendes Motiv bei wirtschaftlichen Handlungen mit der isolierenden Methode. Mit jedem dieser beiden Lösungsversuche wollen wir uns im folgenden besonders beschäftigen, wobei zu bemerken ist, daß sich der Lösungsversuch mit dem wirtschaftlichen Prinzip zwar auch auf die Isolierung beruft, die Isolierung aber andererseits auch, und zwar vornehmlich auf das Selbstinteresse unmittelbar angewendet wird, so daß die Isolierung neben dem wirtschaftlichen Prinzip als selbständiger Lösungsversuch zu behandeln ist.

Der Gedankengang, durch eine Setzung des wirtschaftlichen Prinzips anstelle des Selbstinteresses das Problem zu lösen, ist der folgende: Man ersetze den Eigennutz als Erklärungsgrund volkswirtschaftlicher Erscheinungen durch das wirtschaftliche Prinzip, und man wird der Schwierigkeit, die sich gegenüber dem Eigennutz vom Standpunkt sittlicher Motive ergibt, ausweichen. Man dürfe also bei der Erklärung der volkswirtschaftlichen Erscheinungen nicht von der Annahme des Eigennutzes als bestimmendes Motiv ausgehen, man müsse überhaupt von jeder ethischen Wertung der Beweggründe des wirtschaftlichen Handelns absehen, habe vielmehr die wirtschaftlichen Erscheinungen nur unter der Annahme zu erklären, daß sich die Wirtschaftssubjekte bei ihren wirtschaftlichen Handlungen von einem wirtschaftlichen Prinzip leiten lassen. Dadurch scheide man die Schwierigkeiten, die sich im Hinblick auf die dem Eigennutz entgegenstehenden sittlichen Motive ergeben, vollständig aus. (15)

Diese Lösung scheint aus folgenden Gründen unzulässig: Man versteht unter wirtschaftlichem Prinzip dort, wo man diesen Begriff verwendet, das bei wirtschaftlichen Handlungen auftretende Streben des Wirtschaftssubjekts,
    "den wirtschaftlichen Zweck - Erlangung wirtschaftlicher Vorteile, Vermeidung wirtschaftlicher Nachteile - mit geringstmöglichem Aufwand wirtschaftlicher Mittel zu verwirklichen."
Dadurch, daß man diesen Begriff anstelle des Selbstinteresses setzt, glaubt man der Schwierigkeit, die sich gegenüber dem Selbstinteresse vom Standpunkt sittlicher Motive ergibt, insofern beizukommen, als man beim wirtschaftlichen Prinzip von jeder ethischen Wertund des bestimmenden Motivs absieht, wie sie in den Ausdrücken Eigennutz und Selbstinteresse gelegen ist. Selbstinteresse oder Eigennutz enthält eine sittliche Wertung und zwar eine ablehnende, das wirtschaftliche Prinzip keine. Wenn man also anstelle des Selbstinteresses oder des Eigennutzes das wirtschaftliche Prinzip als bestimmendes Motiv setzt, braucht man sich, da man von der sittlichen Wertung überhaupt absieht, auch um entgegenstehende sittliche Motive nicht zu kümmern. Dem ist zu erwidern: Es ist zwar richtig, aß man, wenn man das Selbstinteresse oder sonst ein Motiv als Erklärungsgrund verkehrswirtschaftlicher Erscheinungen annimmt, einen Ausdruck vermeiden soll, der eine bestimmte und zwar ablehnende Wertung dieses Motivs enthält. Man macht dadurch tatsächlich das Problem unlösbar. Wenn man die Wahrung des Selbstinteresses bei Verkehrsakten als Eigennutz erklärt und den Eigennutz - wie dies mit dem Wort fast unlösbar verbunden ist - zugleich für etwas sittlich Verwerfliches annimmt, beraubt man sich entweder der Möglichkeit, dieses sittlich-verwerfliche Selbstinteresse als bestimmendes Motiv bei Verkehrsakten zu bezeichnen, wodurch man den richtigen Erklärungsgrund verliert oder man muß die ganze Wirtschaftsverfassung als von Grund auf unsittlich verwerfen, was man doch wieder vermeiden will. Dies wurde oben bereits ausgeführt. Man wählt daher lieber den Ausdruck Selbstinteresse statt Eigennutz, weil mit dem Ausdruck Selbstinteresse der sittliche Tadel nicht unmittelbar verbunden ist, vielmehr dieser Ausdruck eine sittliche Beurteilung auch in einem billigenden Sinn zuläßt. In dieser Beziehung leistet also der Ausdruck Selbstinteresse eben dasselbe wie wirtschaftliches Prinzip. Er läßt die Beurteilung von einem sittlichen Standpunkt offen. Wenn aber darüber hinaus der Ausdruck wirtschaftliches Prinzip noch einen Vorteil haben soll, Indifferenz des Beobachters gegenüber sittlichen Methoden auszudrücken, und im Besonderen in Bezug auf den sittlichen Charakter des Selbstinteresses, wie es sich bei Verkehrsakten geltend macht, so ist dies kein Vorzug, sondern ein wesentlicher Mangel. Denn das ist mit Entschiedenheit festzuhalten, daß man durch bloße Indifferenz gegenüber sittlichen Motiven das Problem nicht löst, daß man sich dadurch nicht von der Verpflichtung befreit, die Stellung des bestimmenden Motivs - nenne man es nun Selbstinteresse oder wirtschaftliches Prinzip - zu sittlichen Motiven klarzulegen und letztere so weit zu berücksichtigen, als sie dem Selbstinteresse entgegenwirken und so zu Mitursachen verkehrswirtschaftlicher Erscheinungen werden. Daß sich der volkswirtschaftliche Beobachter für seine Person von der sittlichen Wertung des bestimmenden Motivs befreit, genügt also nicht, um die Berücksichtigung der sittlichen Motive, soweit sie tatsächlich wirken, überflüssig zu machen. Eine angenommene Gleichgültigkeit des wissenschaftlichen Beobachters gegenüber sittlichen Motiven genügt nicht, um diese Gleichgültigkeit auch im Leben annehmen zu dürfen. Möge der wissenschaftliche Beobachter gegenüber sittlichen Motiven sich wie immer verhalten, bei der Beobachtung und Erklärung der tatsächlichen wirtschaftlichen Erscheinungen kommt es nicht auf sein sittlich-richtiges oder -unrichtiges Verhalten oder seine sittliche Indifferenz an, sondern auf jenes sittliche Verhalten, das sich im Wirtschaftsleben tatsächlich geltend macht. An dieses muß er sich halten, dies muß er als wirkende Ursache annehmen und er muß daher unter den Motiven, die er als bestimmend für die wirtschaftlichen Handlungen annimmt, die sittlichen so weit berücksichtigen, als sie tatsächlich wirken. Daher muß er auch die Stellung des nach dem "wirtschaftlichen Prinzip" erfolgenden Verhaltens zu tatsächlichen sittlichen Anschauungen feststellen, um zu wissen, ob sich nicht aus diesen sittlichen Anschauungen Gegenmotive und somit Hemmungen der freien Wirksamkeit des "wirtschaftlichen Prinzips" ergeben.

Die Verwendung des Begriffs "wirtschaftliches Prinzip" anstelle des Selbstinteresses entbindet also nicht von der Notwendigkeit, das bestimmende Motiv bei Akten wirtschaftlichen Verkehrs vom sittlichen Standpunkt aus zu beurteilen und nach Maßgabe dieser Beurteilung entgegenstehende sittliche Motive zu berücksichtigen. Es ist nun zu untersuchen, ob diese Beurteilung des wirtschaftlichen Prinzips von einem sittlichen Standpunkt tatsächlich anders ausfällt, als die der Wahrung des Selbstinteresses gegenüber anderen Wirtschaften.

Da haben wir nun zunächst zu berücksichtigen, daß das "wirtschaftliche Prinzip" nur eine Erscheinungsform des allgemeinen menschlichen Strebens ist, einen Erfolg auf dem Weg der geringsten Kosten zu erreichen. (16) Dieses Streben ist weder auf das wirtschaftliche Gebiet noch auch nur auf die eigenen Interessen eingeschränkt (17). Man sucht einen jeden angestrebten Erfolg, ob er nun Gegenstand des Wirtschaftens ist oder nicht, und ob er das eigene Interesse betrifft oder nicht, wenn man ihn wirklich anstrebt, immer auf dem Weg der geringsten Kosten - Übel - zu erreichen. Man wird z. B. ein Buch, das in mehreren Sprachen erschienen ist, lieber in der Muttersprache als in einer fremden Sprache lesen, da die Kenntnis so müheloser erworben wird. Man wird, um an einen bestimmten Ort zu gelangen, den geeignetsten Weg wählen. Das hat alles mit Wirtschaft nichts zu tun. Man wird ferner auch dort, wo man Werte welcher Art auch immer bei anderen Individuen zu verwirklichen strebt, jenen Weg wählen, der mit den geringsten Übeln verbunden ist usw. Diese allgemeine Streben der Menschen, den Erfolg auf dem leichtesten Weg zu erreichen, ist im sogenannten wirtschaftlichen Prinzip in zweifacher Richtung eingeschränkt gedacht. Einmal insofern, als der Zweck die eigenen Interessen betreffen muß; denn als Ziel des wirtschaftlichen Prinzips erscheint die Erlangung eines wirtschaftlichen Vorteils, die Vermeidung eines wirtschaftlichen Nachteils offenbar für die eigene Wirtschaft, also auch im Gegensatz zu fremden Interessen. Darin liegt eine nähere Bestimmung, eine Einschränkung des Wirkungsbereiches des oben angeführten allgemeinen Strebens, einen Erfolg mit den geringsten Kosten zu erreichen. Denn dies gilt - wie erwähnt - sowohl dann, wenn man den Erfolg für die eigene Person, als auch dann, wenn man ihn für eine fremde Person anstrebt. Allein damit erscheint das wirtschaftliche Prinzip ansich noch nicht als "wirtschaftliches" Prinzip spezisalisiert, denn auch außerhalb der Wirtschaft suchen wir, soweit wir ein Ziel im eigenen Interesse verfolgen, dies auf dem Weg der geringsten Kosten und unter Umständen gegen das Interesse fremder Personen zu erreichen. Die Determination durch das eigene Interesse genügt also nicht, um das oben erwähnte allgemeine Streben zum wirtschaftlichen Prinzip zu machen. Vielmehr wird das allgemeine Streben im Begriff des wirtschaftlichen Prinzips noch weiter determiniert, und zwar eben durch eine Beziehung auf das wirtschaftliche Gebiet. Diese Determination aber ist eine rein äußerliche, die sich nur auf den Umfang und nicht auf den Inhalt bezieht. Das wirtschaftliche Prinzip ist kein dem Wirtschaften eigentümliches Prinzip. Es ist kein "wirtschaftliches" Prinzip, sondern ist das nicht ausschließlich beim Wirtschaften und beim Wirtschaften auch bei Verkehrsakten nicht ausschließlich wirkende Streben der Menschen, einen Erfolg für die eigene Person mit möglichst geringen Kosten auch gegen das Interesse dritter Personen zu erreichen. (18)

Wollen wir nun die Stellung des wirtschaftlichen Prinzips zu sittlichen Motiven feststellen, so müssen wir von jenem allgemeinsten Streben der Menschen ausgehen, einen erwünschten Erfolg mit möglichst geringen Kosten zu erreichen, ohne zunächst die doppelte Determination durch das eigene Interesse und das wirtschaftliche Gebiet zu berücksichtigen. Dieses allgemeine Streben nun ist etwa ansich sittlich vollkommen Berechtigtes. Die sittliche Beurteilung im Sinne einer allgemeinen Billigung hört aber sogleich auf, sobald das Streben mit der eigenen Person verknüpft wird und in einen Gegensatz zu fremden Individuen tritt. Man kann nicht mehr sagen, das Anstreben eines Erfolges mit den geringsten Mitteln für die eigene Person im Gegensatz zu fremden Individuen sei sittlich stets vollkommen gerechtfertigt; vielmehr besteht hinsichtlich des Anstrebens eigener Erfolge gegen fremde Interessen eine sittliche Grenze. Es wird dieses Streben je nach den besonderen Verhältnissen sittlich berechtigt oder unberechtigt, und es werden sich im letzteren Fall sittliche Bedenken geltend machen können.

Wäre nun das wirtschaftliche Prinzipg einfach eine Anwendung des allgemeinen Strebens, einen Erfolg auf dem kürzesten Weg zu erreichen, auf wirtschaftliche Erscheinungen ohne Einschränkung auf das eigene Interesse, so würde das Fehlen sittlicher Gegenmotive dem wirtschaftlichen Prinzip tatsächlich zukommen. Das glaubt man mit dem wirtschaftlichen Prinzip auch tatsächlich zu leisten. Das würde aber eben nur gelten, wenn das wirtschaftliche Prinzip das oben erwähnte allgemeine Streben tatsächlichnur durch eine Anwendung auf wirtschaftliche Erscheinungen spezialisieren würde. In Wirklichkeit aber determiniert man das wirtschaftliche Prinzip - wie wir sahen - gegenüber dem allgemeinen Streben noch in der Richtung eines "Selbstinteresses" und zwar des Selbstinteresses gegenüber anderen Wirtschaften. Wirtschaftliches Prinzip heißt in seiner Anwendung zur Erklärung volkswirtschaftlicher Erscheinungen nicht, einen wirtschaftlichen Erfolg mit den geringsten Kosten zu erreichen streben, sondern danach zu steben, den Erfolg für die eigene Wirtschaft gegenüber anderen Wirtschaften mit den geringsten Kosten zu erreichen. Durch diese Einschränkung auf das eigene Interesse aber schwindet - wie gezeigt - die allgemeine sittliche Rechtfertigung dieses Strebens. Das wirtschaftliche Prinzip in dieser Einschränkung kann Gegenstand sittlicher Bedenken werden, es unterliegt je nach den Umständen einer sittlichen Billigung oder Mißbilligung. Es können sich ihm sittliche Bedenken entgegenstellen und es tritt somit die zu lösende Frage ganz genauso wie beim Selbstinteresse auf, warum und wie weit es gegenüber diesen Bedenken siegt und einen bestimmenden Einfluß auf wirtschaftliche Erscheinungen ausübt.

Wenn man aber aus dem Inhalt des wirtschaftlichen Prinzips die Beschränkung auf das eigene Interesse ausschaltet und nur das bloße Streben nach den geringsten Kosten, angewendet auf wirtschaftliche Erscheinungen, beläßt, den Begriff somit in dieser Beziehung erweitert - und es hat manchmal den Anschein, als ob man dies tun wollte - so ergibt sich sofort der Einwand, daß man mit dem wirtschaftlichen Prinzip in diesem weiteren Sinn die wirtschaftlichen Erscheinungen gar nicht erklärt, sondern den Begrif in einem engeren Sinn verwendet, also determiniert durch das Selbstinteresse gegenüber anderen Wirtschaften, ja daß selbst vom spezialisierten Inhalt des Begriffs die Wahrung des Selbstinteresses gegenüber fremden Wirtschaften allein als relevanter Erklärungsgrund anzusehen ist, während es auf den sonstigen Tatbestand des wirtschaftlichen Prinzips, der freilich gegeben sein muß, aber bei nicht verkehrswirtschaftlichen Erscheinungen, also Erscheinungen einer anderen wirtschaftlichen Organisation, ebenso gegeben ist, überhaupt nicht ankommt. Es ist nämlich Folgendes zu beachten: Die Wahrung des Selbstinteresses bei Verkehrsakten gegenüber fremden Wirtschaften erschöpft sicher nicht den Begriff des wirtschaftlichen Prinzips, auch wenn es durch das eigene Interesse determiniert gedacht ist. Das wirtschaftliche Prinzip äußert sich selbst bei dieser Determination auch noch "im Verhalten der Menschen gegenüber der Natur, in der Verwaltung und Verwendung gegebener Gütervorräte für die eigene Bedürfnisbefriedigung", also einem Verhalten, das mit der Wahrung des Selbstinteresses gegenüber fremden Wirtschaften nichts zu tun hat. Umgekehrt fällt die Wahrung des Selbstinteresses gegenüber fremden Wirtschaften vollständig unter das wirtschaftliche Prinzip. Gegenüber fremden Wirtschaften im Verkehr nach dem wirtschaftlichen Prinzip vorgehen heißt nichts anderes, als ihnen gegenüber das eigene Interesse insofern wahren, daß man gegenüber dem fremden Interesse den größten Vorteil zu erzielen trachtet, indem man für fremde Leistungen einen möglichst geringen Preis zu zahlen, für die eigenen Leistungen einen möglichst hohen Preis zu erlangen sucht. Die Wahrung des eigenen Interesses gegenüber fremden Parteien im wirtschaftlichen Verkehr ist so im wirtschaftlichen Prinzip mit enthalten, der letztere Begriff erscheint gegenüber dem ersten als der weitere, die Wahrung des Selbstinteresses im wirtschaftlichen Verkehr ist ein Anwendungsfall des wirtschaftlichen Prinzips. Es handelt sich nun darum, ob man bei der Erklärung der verkehrswirtschaftlichen Erscheinungen durch das wirtschaftliche Prinzip tatsächlich den ganzen Tatbestand des wirtschaftlichen Prinzips zugrunde legt oder ob man nicht vielmehr eben nur mit dem Spezialfall der unter das wirtschaftliche Prinzip fallenden Wahrung des Selbstinteresses gegenüber anderen Wirtschaften als dem für die Erklärung allein relevanten Moment erklärt. Das Letztere ist tatsächlich der Fall; denn das, was außer der Wahrung des eigenen Interesses gegenüber fremden Wirtschaften noch vom Begriff des wirtschaftlichen Prinzips übrig bleibt, nämlich - wie oben angeführt wurde - das Verhalten der Menschen gegenüber der Natur, die Verwaltung und Verwendung gegebener Gütervorräte, ist für die Lösung verkehrswirtschaftlicher, also der eigentlich volkswirtschaftlichen Probleme nicht entscheidend und wird deshalb auch dort, wo man den Begriff des wirtschaftlichen Prinzips anstelle des Selbstinteresses zur Erklärung volkswirtschaftlicher Erscheinungen heranzieht, nicht weiter in Betracht gezogen. Dieses wirtschaftliche Verhalten der Menschen gegenüber der Natur ist eben ein allgemein wirtschaftliches, keiner besonderen volkswirtschaftlichen Organisationsform eigentümliches. Es gilt ebenso für geschlossene Wirtschaften wie für die Verkehrswirtschaft, und für letztere ebenso bei kleineren wie bei größeren Kreisen des gegenseitigen Verkehrs und würde bei einer sozialistisch organisierten Volkswirtschaft mit einheitlicher Leitung der Produktion und Verteilung ebenso gelten. So muß das, was vom wirtschaftlichen Prinzip über die Wahrung des Selbstinteresses gegenüber anderen Wirtschaften hinaus an Tatbestand noch übrig bleibt, wohl auch bei der Erklärung verkehrswirtschaftlicher Erscheinungen als allgemeine Voraussetzung mit berücksichtigt werden. Zur wirklichen Erklärung kann es aber nicht herangezogen werden, da es diesen Erscheinungen nicht spezifisch eigentümlich ist, vielmehr bei Erscheinungen anderer volkswirtschaftlicher Organisationen in ganz derselben Weise gegeben ist. Als spezifischer Erklärungsgrund bleibt für die verkehrswirtschaftlichen Erscheinungen vom wirtschaftlichen Prinzip nur das unter dieses Prinzip fallende besondere Verhalten gegenüber fremden Wirtschaften, das nur der verkehrswirtschaftlich organisierten Volkswirtschaft eigentümlich ist. Dieses dem wirtschaftlichen Prinzip entsprechende Verhalten gegenüber fremden Wirtschaften ist aber nichts als die Wahrung des Selbstinteresses.

Der Ersatz des Selbstinteresses durch das wirtschaftliche Prinzip bei der Erklärung verkehrswirtschaftlicher Erscheinungen ist also ein bloß scheinbarer. Tatsächlich erklärt man auch dort, wo man mit dem wirtschaftlichen Prinzip statt mit dem Eigennutz oder der Wahrung des Selbstinteresses gegenüber anderen Wirtschaften zu erklären meint, doch nur mit dem letzteren, da es auf die übrigen Tatbestände des wirtschaftlichen Prinzips gar nicht ankommt. Dies zeigt sich bei den mit Hilfe des wirtschaftlichen Prinzips durchgeführten Erklärungen verkehrswirtschaftlicher Erscheinungen ganz deutlich. So vor allem bei der Entwicklung der Preisgesetze. Wenn man als Grundgesetz der Preisbildung jenes bezeichnet, das der Wirksamkeit des wirtschaftlichen Prinzips im Verkehr entspricht und dem gegenüber alle abweichenden Preisbildungen nur als Modifikationen dieser allgemeinen Preisbildung bezeichnet, so meint man unter der nach dem wirtschaftlichen Prinzip erfolgenden Preisbildung tatsächlich nichts als eine Preisbildung mit der Annahme, daß das Wirtschaftssubjekt beim Preiskampf das eigene Interesse gegenüber dem fremden Interesse durchzusetzen trachtet, und die Untersuchung des Grundgesetzes geht dann auch vollkommen in der Richtung dieser Annahme. Der sonstige Tatbestand des wirtschaftlichen Prinzips, also etwa die vorteilhafte Verwendung der erworbenen Güter innerhalb der eigenen Wirtschaft - soweit es sich im letzteren Fall nicht wieder um Einflüsse auf Preisgestaltungen handelt - wird zur Erklärung des Grundgesetzes gar nicht herangezogen. Der für das Grundgesetz relevante Tatbestand des wirtschaftlichen Prinzips schrumpft zur Wahrung des Selbstinteresses gegenüber anderen Wirtschaften zusammen. Man erklärt tatsächlich nur mit diesem. Und was so von der Erklärung des Preises gilt, gilt in ganz derselben Weise von der Erklärung sonstiger verkehrswirtschaftlicher Erscheinungen.

So erklärt man also, wenn man auf der Grundlage des wirtschaftlichen Prinzips verkehrswirtschaftliche Erscheinungen aufzubauen und zu erklären unternimmt, tatsächlich doch nur auf der Annahme der Wahrung des eigenen Interesses gegenüber dem fremden Interesse als dem für die Erklärung verkehrswirtschaftlicher Erscheinungen allein relevanten Verhalten des im wirtschaftlichen Prinzip enthaltenen Tatbestandes. Damit tritt aber dem wirtschaftlichen Prinzip als Erklärungsgrund verkehrswirtschaftlicher Tatsachen, wie erwähnt, dasselbe Problem entgegen, wie wenn wir gleich das Selbstinteresse als Erklärungsgrund annehmen würden, nämlich, ob tatsächlich und warum das wirtschaftliche Prinzip - soweit es eine Wahrung des Selbstinteresses im Verkehr bedeutet - gegenüber den seiner Durchsetzung eventuell entgegenstehenden sittlichen Motiven so durchdringt, daß man trotz einer Vernachlässigung dieser anderen Motive bei alleiniger Annahme des wirtschaftlichen Prinzips doch zu einer richtigen und der Wirklichkeit entsprechenden Erklärung verkehrswirtschaftlicher Erscheinungen gelangen kann.

Zusammenfassend ist zu sagen: Dadurch, daß man anstelle des Selbstinteresses das wirtschaftliche Prinzip setzt, gelangt man zu keiner Lösung des Problems, das sich mit Rücksicht auf sittliche Motive gegenüber dem Selbstinteresse als bestimmendem Motiv bei Verkehrsakten ergibt. Denn als relevanter Tatbestand wird auch beim wirtschaftlichen Prinzip schließlich doch nur die Wahrung des Selbstinteresses gegenüber anderen Wirtschaften zur Erklärung der verkehrswirtschaftlichen Erscheinungen herangezogen, und es bleiben daher auch gegenüber dem Begrif des wirtschaftlichen Prinzips die Schwierigkeiten hinsichtlich des Gegenwirkens sittlicher Motive in vollem Umfang bestehen. Die durch das Wort "wirtschaftliches Prinzip" gegenüber dem Ausdruck Eigennutz oder Selbstinteresse hervorgehobene Gleichgültigkeit gegenüber sittlichen Motiven hilft nichts, weil es auf die subjektive Stellung des wissenschaftlichen Beobachters gar nicht ankommt.

9. Die üblichste Begründung für die vorläufige oder alleinige Annahme des Selbstinteresses als bestimmendes Motiv bei Verkehrsakten ist die mit der isolierenden oder indirekten Methode. Man sagt, wenn man aufgrund der Annahme des alleinigen Wirkens des Selbstinteresses die verkehrswirtschaftlichen Erscheinungen erklärt, verfährt man nicht anders als der Physiker, der bei der Erklärung von Naturerscheinungen zunächst die Wirkung einer Kraft und erst, nachdem er so zu gewissen allgemeinen Gesetzen gekommen ist, sodann die Wirkung anderer in Betracht kommender Kräfte berücksichtigt.

Gegenüber dieser Begründung für die Zulässigkeit der Erklärung verkehrswirtschaftlicher Erscheinungen von der Annahme eines alleinigen Wirkens des Selbstinteresses aus wäre folgendes zu bemerken: Der Physiker kann bei der Erklärung einer physikalischen Erscheinung nur dann von der Annahme des Wirkens einer einzigen Kraft ausgehend allgemeine Gesetze dieser Erscheinung bestimmen, wenn der überwiegenden Wirkung dieser Kraft gegenüber die Wirkungen der bei der betreffenden Erscheinung mitwirkenden Kräfte als bloße Störungen der Wirkungen der ersteren Kraft aufgefaßt werden können. Sind die Wirkungen der anderen Kräfte mehr als Störungen, so müssen schon bei den allgemeinen Gesetzen auch die Wirkungen dieser anderen Kräfte mit berücksichtigt werden. Wenn z. B. die Gesetze des freien Falls festzustellen sind, wird man mit vollem Recht von der Annahme eines Falls im luftleeren Raum ausgehen und so das alleinige Wirken der Schwerkraft, als der Hauptursache, bestimmen. Auf diese Weise wird man zu Gesetzen des Falls gelangen, welche zwar nicht die des wirklichen Falls im lufterfüllten Raum sind, ihnen aber doch mehr oder weniger nahekommen. Um sodann die Gesetze des Falls im luftleeren Raum zu ermitteln, wird man die Störungen festzustellen haben, welche der Luftwiderstand gegenüber dem bloßen Wirken der Schwerkraft, die die Hauptursache bleibt, hervorbringt. Anders hingegen verhält es sich z. B. bei der Berechnung einer ballistischen Kurve. Hier wird man bei der Annahme nur einer Kraft, etwa nur der Triebkraft der Pulvergase oder nur der Schwerkraft, zu keinem auch nur annähernden Gesetz einer ballistischen Kurve gelangen können. Vielmehr läßt sich die ballistische Kurve auch in ihrer allgemeinen Erscheinung nur aus dem Zusammenwirken der Schwerkraft und der Triebkraft der Pulvergase, also nur bei gleichzeitiger Berücksichtigung dieser einander gegenseitig beeinflussenden Kräfte erklären. Erst die übrigen in Betracht kommenden Kräfte und Widerstände lassen sich dann in Form von Störungen berücksichtigen (19).

Wenden wir dies auf unseren Fall an, so ergibt sich, daß man die Erklärung verkehrswirtschaftlicher Grundtatsachen unter der, wenn auch nur vorläufigen, Annahme eines aleinigen, zunächst ungestörten, Waltens des Selbstinteresses mit einer Ausschaltung des sittlichen Moments nur dann mit der "isolierenden Methode" begründen kann, wenn man den neben dem Selbstinteress im Wirtschaftsleben, und zwar insbesondere bei verkehrswirtschaftlichen Erscheinungen, nur eine untergeordnete Rolle, eben die von bloßen Störungen des Waltens des Selbstinteresses zuerkennt. Wenn man dagegen dem sittlichen Moment neben dem Selbstinteresse nicht nur diese untergeordnete Rolle beilegt, sondern ihm eine gleiche oder auch nur annähernd gleiche Wirksamkeit zuspricht wie dem Selbstinteresse, und in dieser Hinsicht bei wirtschaftlichen Erscheinungen keine Ausnahme anerkennt, dann ist jene Methode, welche eine Erklärung dieser Erscheiungen auf dem bloßen Selbstinteresse unter Vernachlässigung des sittlichen Moments aufbauen will, und dies mit der Isolierung begründet, von vornherein unberechtigt, auch wenn man noch so sehr den provisorischen Charakter der Ergebnisse, welche noch einer realistischen Korrektur bedürfen, zugibt. (20) Denn, wie eben dargelegt - dort, wo man mehreren Kräften, die bei einer Erscheinungsgruppe stets zusammenwirken, eine annähernd gleiche Wirksamkeit zuerkennt, ist die isolierende Methode, welche die Erklärung, wenn auch nur vorläufig, unter der Annahme des Wirkens einer Kraft erklären will, von vornherein unberechtigt - wenn man nämlich auch bei der Isolierung einer Kraft bereits zu wenigstens annähernd richtigen Ergebnissen zu gelangen glaubt. (21)

Wenn man also aufgrund der isolierenden Methode, wenn auch nur vorläufig oder indirekt, zu einer Erklärung volkswirtschaftlicher Erscheinungen von der Annahme einer alleinigen Wirksamkeit des Selbstinteresses aus mit einer Vernachlässigung des sittlichen Momentes gelangen zu können glaubt, hat dies zur Voraussetzung, daß man im Wirtschaftsleben und speziell in der verkehrswirtschaftlich organisierten Volkswirtschaft dem sittlichen Moment neben dem Selbstinteresse nur eine untergeordnete Rolle zuerkennt, und es kann daher wieder umgekehrt aus der isolierenden Methode auf die Annahme eines überwiegenden Wirkens des wirtschaftlichen Selbstinteresses gegenüber sittlichen Motiven beim betreffenden Schriftsteller geschlossen werden. Die isolierende Methode wird dann auch häufig ausdrücklich mit der überwiegenden Bedeutung des Selbstinteresses begründet (22). Diese Annahme ist nun aber in dieser Form, nämlich als Annahme eines Überwiegens des Selbstinteresses über die sittlichen Motive bei verkehrswirtschaftlichen Erscheinungen, nicht gerechtfertigt. Zunächst sehen wir, daß sich in den außerhalb des Wirtschaftslebens liegenden Betätigungen des Menschen sittliche Momente derart stark geltend machen, daß sie das Selbstinteresse unter Umständen vollkommen verdrängen. Denken wir an Äußerungen der Religiosität, der Vaterlandsliebe, Nationalität usw. Warum soll nun gerade im Wirtschaftsleben das Selbstinteresse von so überragender Bedeutung sein, daß es die sittlichen Motive fast verdrängt? Diese Frage könnte man allenfalls noch als eine psychologische bezeichnen, deren Lösung der Psychologie und nicht der Volkswirtschaftslehre zufällt, die sich mit der Konstatierung begnügen muß, obschon es an und für sich schon unwahrscheinlich ist, daß sich gerade bei wirtschaftlichen Erwägungen sittliche Momente weniger geltend machen sollen als bei anderen Betätigungen. Warum aber soll dem Selbstinteresse gerade in der verkehrswirtschaftlich organisierten Volkswirtschaft eine solche überragende Bedeutung den sittlichen Motiven entgegen zukommen? Denn es ist klar, daß die Annahme, daß das Selbstinteresse das bestimmende Motiv für das Verhalten gegenüber fremden Wirtschaften darstellt, eben nur für die verkehrswirtschaftlich organisierte Volkswirtschaft gilt, daß sie z. B. für eine Wirtschaftsverfassung mit überwiegender Naturalwirtschaft nicht mehr in derselben Weise gilt, da sich in dieser die wirtschaftlichen Beziehungen zwischen den einzelnen Wirtschaften zum größten Teil in der gemeinwirtschaftlichen Sphäre bewegen, - gemeinschaftlicher Hausbau, gemeinsame Feldbestellung - und für eine sozialistisch organisierte Volkswirtschaft selbstverständlich überhaupt nicht gilt. Die verkehrswirtschaftliche Organisation der Volkswirtschaft kann nun aber doch nicht die sittlichen Motive beim Verhalten zum Mitmenschen in den Wirtschaftssubjekten auch nur im wirtschaftlichen Verkehr erstickt oder auf einen unbedeutenden Rest herabgedrückt werden. Sollen wir wirklich einen jeden Fabrikanten, Kaufmann, Landwirt, ja auch Ärzte und Rechtsanwälte, die alle heute am Markt ihre Leistungen unter Wahrung ihres Selbstinteresses gegenüber der anderen Partei veräußern, für Menschen halten, bei denen dieses Selbstinteresse selbst nur bei Handlungen ihres Erwerbs - über sittlichen Motiven mit überwiegender Kraft obsiegt? Hieraus ergibt sich, daß das Vorwalten des Selbstinteresses bei Verkehrsakten nicht als eine einfache psychologische Tatsache hinzunehmen ist, sondern daß hier besondere Verhältnisse vorliegen müsssen. Es konnte daher auch die Annahme einer derart geringen Wirksamkeit der sittlichen Motive, daß sie sich gegenüber dem Selbstinteresse nur als Störungen geltend machen, von den Gegnern der isolierenden Methode mit Recht abgelehnt werden, wogegen wieder die Anhänger der isolierenden Methode auf den unleugbaren Umstand hinweisen konnten, daß sie mit Hilfe dieser Methode zu Ergebnissen gelangen, bei denen weder die allgemeine Richtigkeit noch die Wichtigkeit als Grundlage spezieller Untersuchungen bestritten werden kann, und daß somit die Stellung, die sie der Wirksamkeit sittlicher Motive neben dem Selbstinteresse zuweisen, doch die richtige sein muß.

Die Lösung findet sich, wenn man der Wahrung des Selbstinteresses bei Verkehrsakten die richtige Beurteilung vom sittlichen Standpunkt zukommen läßt, wenn man sich vor Augen hält, daß sie nicht nur nichts sittlich Verwerfliches, sondern vielmehr mit Rücksicht auf das in der Verkehrswirtschaft verwirklichte Prinzip von Vorteil gegen Vorteil gerade in der verkehrswirtschaftlich organisierten Volkswirtschaft etwas vom sittlichen Standpunkt vollkommen Berechtigtes und als sittliche berechtigt Empfundenes, unter Umständen sogar etwas sittlich Lobenswertes ist. Daraus ergibt sich, daß sich gegen die Wahrung des Selbstinteresses bei Verkehrsakten ansich in einem Menschen mit normalem sittlichen Empfinden ein Gegenmotiv vom Standpunkt dieses Empfindens überhaupt nicht geltend macht. Diesen aus der Erkenntnis des Sittlich-Richtigen abgeleiteten Satz bestätigt jede Erfahrung über das tatsächliche sittliche Empfinden bei Verkehrsakten. Niemand wird behaupten, daß die Mehrzahl der Kaufleute, Fabrikanten, Landwirte usw. kein richtiges sittliches Empfinden hat. Ebensowenig wird man aber auch behaupten, daß bei diesen Personen jeder einzelne Verkehrsakt, bei dem sie mit Gewinn verkaufen, in ihnen etwa sittliche Bedenken mit Rücksicht darauf erweckt, daß sie den Gewinn durch die Wahrung des eigenen Interesses gegenüber einem fremden Interesse erzielen. Vielmehr fühlt man beim Verkehrsakt oder zumindest bei ihrer Gesamtheit, dem wirtschaftlichen Beruf, daß man sein Interesse wahren kann, und daß dabei doch der Akt etwas sittlich Berechtigtes bleibt, weil er eben auch der Gegenpartei zum Vorteil gereicht. Man hat das Bewußtsein, daß man im Beruf nicht nur für sich, sondern auch für eine unbeschränkte Zahl anderer, für die Mitwelt etwas leistet, man empfindet die Erfüllung des Berufs als sittliche Tat. (23)

Nur aus diesem Grund also, aus dem Grund, daß die sittlichen Motive der Wahrung des Selbstinteresses ansich nicht entgegenwirken, können wir die verkehrswirtschaftlichen Grunderscheinungen aus dem bloßen Wirken des Selbstinteresses erklären. Wir vernachlässigen dabei die sittlichen Motive tatsächlich nicht, wir setzen sie gegenüber dem Selbstinteresse nicht zurück, wir isolieren das sittliche Moment nicht vom Selbstinteresse, wir brauchen es nur nicht besonders zu berücksichtigen, weil sittliche Motive der Wahrung des eigenen Interesses nicht entgegenstellen. Es ist daher die Erklärung der verkehrswirtschaftlichen Grunderscheinungen aufgrund einer Annahme des Waltens von Selbstinteresse keine Isolierung im Sinne der Isolierung einer Hauptkraft von anderen, in abweichenden Richtungen wirkenden physikaischen Kräften, wie wir sie etwa bei der Ermittlung der Gesetze des freien Falls vornehmen, es ist aber auch keine Kombination notwendig, wie wir sie bei der Konstruktion einer ballistischen Kurve vornehmen. Denn dem Selbstinteresse als solchem wirken bei den Verkehrsakten sittliche Motive, die wir zu isolieren hätten, um zu der "reinen" Wirkung des Selbstinteresses zu gelangen, oder die wir mit dem Selbstinteresse zu kombinieren hätten, überhaupt nicht entgegen, das Selbstinteresse wirkt vielmehr zunächst in der Richtung der sittlichen Motive, die sittlichen Motive sind in der Annahme des Wirkens des Selbstinteresses grundsätzlich mitberücksichtigt. (24)

Es stellt sich also schließlich doch als methodologisch richtig heraus, bei einer Erklärung der verkehrswirtschaftlichen Grunderscheinungen vom Selbstinteresse als bestimmendem Motiv auszugehen. Nun könnte mit Rücksicht hierauf vielleicht bemerkt werden, wenn die Methode - das Selbstinteresse als alleiniges bestimmendes Motiv anzunehmen - richtig ist, ist es am Ende unerheblich, ob man dies als Isolierung, als indirekten Weg oder sonstwie bezeichnet. Dem ist jedoch nicht so. Wenn auch die Methode dieselbe bleibt, ist es doch von erheblicher Bedeutung, wenn man sich dessen bewußt wird, daß man bei einer Annahme des Selbstinteresses als bestimmendes Motiv bei der Erklärung verkehrswirtschaftlicher Grunderscheinungen vom sittlichen Moment nicht absieht, daß man das Selbstinteresse vom sittlichen Moment nicht isoliert, um die Wirkungen dieses Momentes erst später realistisch korrigierend zu berücksichtigen, sondern daß man im Selbstinteresse das sittliche Moment tatsächlich in Anschlag bringt, es nur nicht besonders zu berücksichtigen braucht, weil es beim besonderen Gegenstand der Untersuchung - Wesen und Entstehung der verkehrswirtschaftlichen Grunderscheinungen - dem Selbstinteresse nicht entgegen, sondern in seinem Sinn wirkt. Diese Erkenntnis ist zunächst deshalb von Wichtigkeit, weil sie erlaubt, jene Einwendungen, welche gegen die Erklärung verkehrswirtschaftlicher Erscheinungen auf der Annahme eines alleinigen Wirkens des Selbstinteresses mit der Begründung erhoben wurden, daß diese Methode das Selbstinteresse isolierte und das sittliche Moment nicht hinreichend berücksichtigt, auf das richtige Maß zurückzuführen. Dann kann man aber, was von besonderer Wichtigkeit ist, eben aus dem richtigen Sinn der Annahme des Selbstinteresses als bestimmendes Motiv sowohl die Begründung als auch die Grenze für die Zulässigkeit dieser Annahme erschließen. Faßt man die Annahme einfach als Isolierung auf, so gibt es eigentlich keine Grenze. Man kann mit den Deduktionen aus der Annahme des alleinigen Wirkens des Selbstinteresses bis zu den letzten Einzelheiten gehen und gelangt dann unter Umständen tatsächlich zu zwar logisch richtigen Schlüssen, welche aber mit der Wirklichkeit in einem derart krassen Widerspruch stehen, daß eine realistische Korrektur überhaupt nicht mehr möglich ist und diese Sätze somit zur Erklärung der Wirklichkeit - dem letzten Zweck jeder nationalökonomischen Forschung - wertlos werden. Hält man sich dagegen vor, daß man bei der Erklärung verkehrswirtschaftlicher Grunderscheinungen nur deshalb vom Selbstinteresse allein ausgeht, weil ihm bei diesen Grunderscheinungen sittliche Motive nicht entgegenwirken, so findet sich sogleich die Grenze für die Zulässigkeit der Annahme. Sie findet sich eben dort, wo Selbstinteresse und sittliches Moment nicht mehr in derselben Richtung gehen, wo sie anfangen zu divergieren. Diese Möglichkeit ergibt sich, wenn man die Erklärung der Grunderscheinungen als solcher verläßt und sich ihren speziellen Erscheinungsformen zuwendet. Dies gilt es nun noch weiter auszuführen.

10. Wir sagten ausdrückliche, die Übereinstimmung der sittlichen Erwägungen mit der Wahrung des Selbstinteresses sei nur grundsätzlich vorhanden, gelte nur im allgemeinen, ansich. Daraus folgt, daß die Annahme, Selbstinteresse und sittliches Moment gingen in derselben Richtung, nur soweit gemacht werden kann, wie es sich um eine Erklärung des Wesens und der Entstehung der verkehrswirtschaftlichen Grunderscheinungen handelt, also um die Erklärung des Wesens und der Entstehung des Preises ansich, des Geldes, der Entstehung des Produktionsgewinns, Handelsgewinns, Arbeitslohns usw. Nur hinsichtlich dieser Grunderscheinungen als solcher kann man behaupten, daß dem Selbstinteresse, dem sie ihre Entstehung verdanken, sittliche Erwägungen nicht im Wege stehen, und man kann daher bei ihrer Erklärung von der alleinigen Wirkung des Selbstinteresses ausgehen, ohne es vom sittlichen Moment zu isolieren. Denn zur Erklärung dieser Grunderscheinungen bedarf man, wie wir oben gesehen haben, nur der Annahme, daß sich das Selbstinteresse bei wirtschaftlichen Verkehrsakten überhaupt geltend macht, dem Selbstinteresse ansich aber stehen sittliche Bedenken nicht entgegen. Was aber so vom Wesen der Grunderscheinungen gilt, gilt nicht auch von allen ihren Erscheinungsformen. Denn bei den besonderen Erscheinungsformen handelt es sich um die Wirkung des Selbstinteresses unter bestimmten Voraussetzungen, aus denen sich gegebenenfalls doch Gegenwirkungen, wenn auch nicht gegen das Selbstinteresse ansich, so doch gegen seine ausschließliche Wirksamkeit ergeben können. Sobald also die theoretische Nationalökonomie daran geht, nicht mehr das allgemeine Wesen der verkehrswirtschaftlichen Grunderscheinungen, sondern besondere Erscheinungsformen derselben zu erklären, muß sie stets beachten, ob auch bei der speziellen Erscheinungsform die Wahrung des Selbstinteresses mit sittlichen Erwägungen in derselben Richtung geht, und sie muß, wenn dies nicht der Fall ist, die Wirkung der neben dem Selbstinteresse wirkenden sittlichen Motiv so weit berücksichtigen, als diese sittlichen Motive mit dem Selbstinteresse nicht mehr dieselbe Richtung verfolgen. Dies bezieht sich insbesondere auf die Größe des Preises und die damit zusammenhängende Größe der einzelnen Einkommensarten. Man kann die Größe des Preises, die Größe des Produktionsgewinns usw., wie sie sich tatsächlich ergibt, nicht restlos erklären, wenn man nicht als diese Größe beeinflussend die neben dem und gegen das Selbstinteresse wirkenden sittlichen Motive berücksichtigt. Von der Größe des Preises gilt eben nicht, was vom Preis als solchem, und von der Größe der einzelnen Einkommensarten nicht das, was vom Wesen der Einkommen gilt, daß sie sich aus der Wahrung des Selbstinteresses ohne Hinzuziehung sittlicher Motive erklären lassen, da ihnen sittliche Motive grundsätzlich nicht entgegenwirkten. Vielmehr können die sittlichen Momente, die dem Preis als solchem, dem Produktionsgewinn als solchem nicht entgegenwirken, bei gewissen Größenverhältnissen der Preise und unter gewissen Umständen doch eine Gegenwirkung ausüben, mit anderen Worten: während der Produktionsgewinn als solcher, der Handelsgewinn als solcher nichts Unsittliches ist, kann ein bestimmter Produktionsgewinn usw. das Ergebnis einer Gegenwirkung von Selbstinteresse und sittlichen Motiven sein, wobei das Ergebnis von den sittlichen Motiven je nach den gegebenen Umständen - unter denen insbesondere auch die tatsächliche Stärke der im besonderen Fall wirkenden sittichen Motive in Betracht kommt - in einem bestimmten Maß beeinflußt ist, also ein anderes ist, als es wäre, wenn es auf das Selbstinteresse allein zurückzuführen wäre.

Auch dies ergibt ein näheres Eingehen auf die sittliche Beurteilung des Selbstinteresses vom Standpunkt des Sittlich-Richtigen, die wieder vom tatsächlichen sittlichen Verhalten bestätigt wird. Wir haben hinsichtlich des Zusammentreffens von eigenem und fremdem Interesse zunächst nur den Satz berücksichtigt, daß die Durchsetzung des eigenen Interesses ansich nichts Unsittliches ist, wenn die Handlung zugleich auch in einem fremden Interesse gelegen ist. Nun können sich aber noch andere Fälle eines Zusammentreffens von eigenem und fremdem Interesse ergeben, aus denen wieder besondere sittliche Erwägungen hervorgehen. Die Handlung kann dem eigenen Interesse nützen und dem fremden schaden. In einem solchen Fall darf sie vom sittlichen Standpunkt nur dann vorgenommen werden, wenn der Nutzen, den man für das eigene Interesse erzielt, wertvoller ist, als es die Vermeidung des Schadens für das fremde Interesse wäre. Die Zufügung eines Schadens, den nicht ein höherer Nutzen, sei es für die eigene Person, sei es für fremde Personen, entgegensteht, ist unsittlich. Andererseits kann es sittlich geboten sein, selbst einen Verlust zu erleiden, wenn hierdurch für das fremde Interesse ein überwiegender Gewinn erreicht wird (25). Schließlich ist dort, wo eine Handlung sowohl im eigenen als auch im fremden Interesse liegt, also beide Teile einen Vorteil erzielen, dann, wenn der eigene Vorteil nur auf Kosten des fremden Vorteils vermehrt werden kann, vom sittlichen Standpunkt der eigene Vorteil nicht derart zu übertreiben, daß der Zuwachs, den man erzielt, unter Berücksichtigung des Grenznutzengesetzes, weniger wertvoll wird, als es derselbe Zuwachs bei der Gegenpartei wäre.

Welche dieser sittlichen Erwägungen nun kann Gegenmotive gegen das Selbstinteresse bei Verkehrsakten hervorrufen und so auf ihre Gestaltung Einfluß nehmen? Offenbar nur die letzte, die die Größe des Vorteils betrifft. Die übrigen können bei Verkehrsakten deshalb nicht zur Geltung kommen, weil bei diesen Erwägungen die Absicht eines Schadens, eines Verlustes erforderlich ist, eine solche Absicht aber, soll nun der Schaden auf der eigenen oder der fremden Seite erfolgen, bei Verkehrsakten, wenn wir von den ganz bedeutungslosen Geschäften mit Schenkungsabsichten absehen, nicht in Betracht kommt. Der Satz hinsichtlich der eventuellen Zulässigkeit einer Schadenszufügung, einer Entziehung, kann den einzelnen auch schon deshalb nicht leiten, da eine solche Entziehung im Interesse der Rechtsordnung nur der Obrigkeit vorbehalten bleiben muß. Es darf also der einzelne dem anderen auch dann keinen Schaden zufügen, wenn er annimmt, daß der erzielte eigene Vorteil wertvoller wäre als die Vermeidung des fremden Schadens. Der Satz aber, einen Verlust zu erleiden im Interesse des höheren Vorteils eines anderen, führt zu Wohltätigkeitsakten, die die verkehrswirtschaftliche Organisation ergänzen, mit den Verkehrsgeschäften aber selbst nichts zu tun haben. Es bleibt also tatsächlich nur der Satz hinsichtlich einer Einschränkung des Vorteils, aus dem sich gegen den Grad der Geltendmachung des Selbstinteresses bei Verkehrsakten sittliche Bedenken ergeben können. Nicht gegen die Geltendmachung des Selbstinteresses und den Verkehrsakt selbst ergeben sich diese Bedenken; denn da der Verkehrsakt einen Vorteil für beide Teile bedeutet, wäre seine bloße Unterlassung nichts Sittlich-Richtiges. Das sittliche Motiv geht also nicht gegen den Verkehrsakt ansich. Wohl aber geht es, und zwar eben aus dem Empfinden, daß unter bestimmten Voraussetzungen der Zuwachs am eigenen Vorteil weniger wertvoll ist als der sonst eintretende Zuwachs bei der Gegenpartei, gegen die absolute Durchsetzung des eigenen Interesses bis zur äußersten Grenze der Möglichkeit, es setzt eine frühere Grenze, bei der die weitere Durchsetzung eines Vorteils im Preiskampf sittlich nicht mehr richtig erscheint. Über diese Grenze hinaus kann es als besonderes sittliches Motiv dem Selbstinteresse entgegenwirken. Es beeinflußt damit den Verkehrsakt nicht als solchen, sondern nur seine besondere Gestaltung.

Wenn also festgestellt werden soll, inwiefern das sittliche Gefühl dem Selbstinteresse bei der besonderen Gestaltung eines Verkehrsaktes entgegenwirken kann, wird davon auszugehen sein, wie sich die Steigerung des eigenen Vorteils beim Verkehrsakt zum fremden Vorteil verhält. Dieses Verhältnis kann verschieden sein. Dem höheren eigenen Vorteil kann ein höherer fremder Vorteil entsprechen, es kann aber auch die Erhöhung des eigenen Vorteils mit einer Minderung des fremden Vorteils verbunden sein. Dies festzustellen, ist von besonderer Wichtigkeit. Der Grundsatz, daß in der Verkehrswirtschaft der Vorteil einer Wirtschaft bedingt ist vom Vorteil jener Wirtschaft, mit der sie in Verkehrt tritt, ist in keiner Weise identisch mit dem Satz, daß jede Förderung des eigenen Vorteils bedingt ist von der Förderung des fremden Vorteils (26). Die Erhöhung des eigenen Vorteils kann wohl von der Erhöhung des fremden Vorteils begleitet sein, dies braucht aber nicht der Fall zu sein und ist sehr häufig nicht der Fall. Wird z. B. ein höherer Gewinn durch einen erhöhten Absatz bei geringeren Preisen erzielt, so ist unter sonst gleichen Umständen die Erhöhung des Vorteils auf beiden Seiten. Wird der höhere Gewinn ohne eine Änderung des Preises durch eine bessere Organisation, eine bessere Arbeitsweise usw. erzielt, ist der höhere Vorteil lediglich auf einer Seite, ohne daß ihm jedoch eine Minderung des Vorteils auf der anderen Seite entspräche. Wird schließlich der höhere Vorteil auf der einen Seite lediglich durch die Durchsetzung einer Preiserhöhung, also der Geltendmachung von wirtschaftlicher Macht, erzielt, entspricht dem Mehrvorteil auf der einen ein Mindervorteil auf der anderen Seite.

Dabei wird wieder die Erzielung eines Mehrvorteils auf Kosten des Vorteils der Gegenpartei unter bestimmten Voraussetzungen absolut nicht als etwas Unsittliches empfunden. Diese Empfindung, seinen Vorteil in unsittlicher Weise auf Kosten der Gegenpartei zu übertreiben, wird, selbstverständlich bei der Abwesenheit von Irreführung, z. B. dort nicht auftreten, wo man sich wirtschaftlich gleich starken und entsprechend erfahrenen Parteien gegenüber weiß. Dies wird von Preisgestaltungen auf Börsen usw. fast allgemein gelten. In solchen Fällen - Preiskampf gleichgestellter Parteien - wird eben nur die Absicht auf eine möglichste Durchsetzung des Vorteils auf beiden Seiten eine angemessene Verteilung des Vorteils auf beiden Seiten bewirken. Denn hier gilt, daß man sich um den eigenen Vorteil und nicht um den der Gegenpartei zu kümmern hat, in der berechtigten Voraussetzung, daß sie dasselbe tut. Eine Divergierung [Aufspaltung - wp] von Selbstinteresse und sittlichem Empfinden wird ferner dort nicht eintreten, wo die Voraussetzungen für die Empfindung einer Überspannung des Selbstinteresses nicht gegeben sind, wie z. B. bei der Forderung des Arbeiters hinsichtlich der Arbeitsbedingungen, die in der Regel am Widerstand des Arbeitgeber früher eine Grenze findet, bevor noch der Arbeit die Empfindung haben könnte, daß sein Mehrvorteil geringer wird, als es der entsprechende Mehrvorteil des Unternehmers wäre. Überhaupt können wir von der Empfindung einer unsittlichen Überspannung des Selbstinteresses dort nicht sprechen, wo sozial Schwächere gegenüber sozial Stärkeren ihr Interesse durchzusetzen trachten, da ansich der Zuwachs bei den sozial Schwächeren nach dem Grundsatz des größeren Wertzuwachses vom Standpunkt der Summierung der Werte vorzüglicher ist als der Abfall beim sozial Stärkeren und jedenfalls beim sozial Schwächeren, der die sich ergebenden Nebenwirkungen nicht berücksichtigt, so empfunden wird (27).

In diesen Fällen also setzt sich das sittliche Empfinden der möglichst weitgehenden Durchsetzung eines Vorteils überhaupt nicht entgegen. Es kann ferner die Gegenwirkung des sittlichen Empfindens gegen eine zu weit gehende Durchsetzung des Selbstinteresses aber auch deshalb entfallen, weil beim betreffenden Wirtschaftssubjekt entweder das sittliche Empfinden kein richtiges ist, oder sich diese Personen von einem sittlich-richtigen Empfinden gegen ihr Selbstinteresse nicht leiten lassen.

In solchen Fällen, welche selbstverständlich bei weitem nicht erschöpfend sein sollen, kommt also auch bei den besonderen Erscheinungsformen verkehrswirtschaftlicher Erscheinungen, bei speziellen Preisen, einer speziellen Gewinngestaltung usw. eine mit dem Selbstinteresse divergierende Richtung des sittlichen Moments nicht in Betracht. In anderen Fällen hingegen - und sie sind wohl zahlreicher, als man von vornherein anzunehmen geneigt wäre - muß man die vom Selbstinteresse divergierende Richtung des sittlichen Momentes berücksichtigen, weil sich in diesen Fällen das sittliche Moment neben dem Selbstinteresse geltend macht und die Gestaltung der speziellen verkehrswirtschaftlichen Erscheinung besonders beeinflußt. Das sittliche Moment wirkt in solchen Fällen nicht etwa mit voller Stärke gegen das Selbstinteresse, so daß sich das wirtschaftliche Subjekt vor die Frage gestellt sehen würde, ob es sein Interesse überhaupt wahren darf oder nicht - von solchen Erscheinungen, die nicht in den Rahmen der Wirtschaftsverfassung fallen, war früher die Rede -, sondern es divergiert nur von der Richtung des Selbstinteresses, es spricht sich nicht gegen die Wahrung des Selbstinteresses selbst, sondern gegen seine zu weit gehende Durchsetzung aus. Auf seine von der öffentlichen Meinung unterstützte Wirkung ist es zurückzuführen, daß sich Preise unentbehrlicher Lebensmittel, Wohnungsmieten usw. nicht so hoch, Arbeitslöhne nicht so niedrig, Arbeitsbedingungen nicht so ungünstig gestalten, als es bei einer vollkommen rücksichtslosen Durchsetzung des Selbstinteresses auf Seiten des sozial Stärkeren vielleicht der Fall wäre.

Wenn man nun trotzdem auch die Erklärung spezieller Erscheinungsformen verkehrswirtschaftlicher Erscheinungen auf dem bloßen Wirken des Selbstinteresses aufbaut, die divergierende Richtung sittlicher Momente somit vernachlässigt, so isoliert man zwar das Selbstinteresse nicht vom sittlichen Moment überhaupt, wohl aber isoliert man jene sittlichen Erwägungen, die sich gegen das Selbstinteresse richten, von jenen, die ihm nicht entgegenwirken und vernachlässigt die ersteren, um sie später auf dem Weg einer realistischen Korrektur zu berücksichtigen. Eine solche teilweise Isolierung widerspricht nicht unseren obigen Ausführungen über die Unzulässigkeit einer vollkommenen Isolierung des Selbstinteresses vom sittlichen Moment und erscheint ansich nicht unzulässig. Denn diese speziellen Mitwirkungen des sittlichen Momentes können als Störungen des sonst mit dem sittlichen Moment gleichlaufenden Selbstinteresses aufgefaßt werden. Ob die Isolierung in diesen Fällen auch als Methode richtig ist, wollen wir nicht weiter untersuchen. Es wird dies der Hauptsache nach davon abhängen, mit welcher Stärke sich die gegen die volle Ausnützung des Selbstinteresses auftretenden sittlichen Bedenken geltend machen. Je stärker ihr Einfluß ist, umso mehr wird naturgemäß eine auf der bloßen Annahme eines Wirkens des Selbstinteresses aufgebaute Erklärung spezieller verkehrswirtschaftlicher Erscheinungen an Realität verlieren, umso mehr wird eine Korrektur erforderlich, und umso mehr wird die direkte Methode, welche bei der Erklärung der betreffenden verkehrswirtschaftlichen Erscheinung alle Momente neben dem Selbstinteresse sogleich berücksichtigt, vor der indirekten Methode, welche, wenn auch nur vorläufig, nur mit dem Selbstinteresse operiert, den Vorzug verdienen (28).

Der Einfluß sittlicher Erwägungen auf die besondere Gestaltung der Preise in bestimmten Fällen ist nun aber selbstverständlich nicht der einzige Fall, in dem das sittliche Moment von der theoretischen Nationalökonomie berücksichtigt werden muß. Daneben gibt es noch andere weite Gebiete nationalökonomischer Forschung, bei denen man gleichfalls nicht umhin kann, sittliche Motive als zu der in Betracht kommenden volkswirtschaftlichen Erscheinung mitwirkend zu berücksichtigen. Denken wir z. B. an die Institution des Beamtentums, und zwar nicht nur an die öffentlichen Beamten, sondern auch an die Privatbeamten, denen mit fortschreitender Konzentration der Unternehmungen eine immer größere Bedeutung zukommt, ferner an jene wirtschaftlichen Verhältnisse, die sich in den "Rechtsgeschäften der wirtschaftlichen Organisation" ausdrücken. Für diese Verhältnisse ist es charakteristisch, daß, wenn auch beim Eingehen des Verhältnisses das Selbstinteresse eine mehr oder weniger bestimmende Rolle spielt, doch während der Dauer des Vertragsverhältnisses die Verfolgung des eigenen Vorteils gegenüber dem Mitkontrahenten unterbleiben muß (29). Während der Dauer des Vertragsverhältnisses können daher für das Verhalten des Kontrahenten gegenüber seinem Mitkontrahenten nicht das Selbstinteresse, sondern im wesentlichen nur sittliche Motive (Treue, Pflichtgefühl, Gemeinsinn) maßgebend sein. Von der Stärke solcher Motive wird es vielfach abhängen, ob und inwieweit sich gewisse wirtschaftliche Institutionen entwickeln können, die auf solchen Motiven gegenüber dem alleinigen Selbstinteresse aufgebaut sind, wie z. B. die Genossenschaften. Denken wir ferner an die wirtschaftlichen Klassenkämpfe und die bei ihnen auftretenden wirtschaftlichen Erscheinungen, wie Streiks, Boykott, die aus der Annahme, daß sich beim Einzelnen immer nur sein Selbstinteresse geltend macht - die Annahme, daß sich ein Selbstinteresse der Klasse geltend macht, wäre eine Fiktion -, nie erklärt werden können, denken wir schließlich an die unumgängliche Ergänzung der verkehrswirtschaftlichen Organisation - die bisher aufgezählten Fälle spielen sich wesentlich im Rahmen derselben ab - durch Wohltätigkeitsinstitutionen und gemeinwirtschaftliche Institutionen. Kurz: das Gebiet der theoretischen Nationalökonomie, auf dem sie das besondere Wirken sittlicher - und selbstverständlich auch sonstiger - Motive neben dem Selbstinteresse berücksichtigen muß, ist unabsehbar.

Allein es ist nicht unsere Aufgabe, den Wirkungsbereich des Sittlichen auf dem Gebiet wirtschaftlicher und im besonderen verkehrswirtschaftlicher Erscheinungen irgendwie zu umgrenzen. Unsere Aufgabe war nur, den Beweis der Notwendigkeit der Berücksichtigung sittlicher Motive für die theoretische Nationalökonomie zu liefern. Dieser Beweis ist erbracht, und zwar von der Erkenntnis des Sittlich-Richtigen aus. Denn es zeigte sich, daß das vom Sittlich-Richtigen abgeleitete sittliche Empfinden, das durch die Erfahrung auch als tatsächlich vorhanden gewiesen wird, auf dem Gebiet volkswirtschaftlicher Erscheinungen eine Kraft darstellt, die imstande ist, im Einzelnen Motive hervorzurufen, Motive zu verstärken oder Gegenmotive gegen sonstige Motive zu bilden. Es ist somit ein Faktor, der bei der Erklärung der wirtschaftlichen und im Besonderen auch der verkehrswirtschaftlichen Erscheinungen nicht vernachlässigt werden darf, will man zu den tatsächlich wirksamen Motiven und damit zu den tatsächlichen Ursachen der wirtschaftlichen Erscheinungen gelangen und aus den ersteren die letzteren erklären. Aus diesem Grund ist die Erkenntnis des Sittlich-Richtigen, mit dessen Hilfe sie das tatsächliche Verhalten bestimmt, für die theoretische Nationalökonomie unerläßlich. Wenn dabei die besondere Stellung der sittlichen Motive gegenüber dem Selbstinteresse bei der Erklärung der verkehrswirtschaftlichen Grunderscheinungen eingehender erörtert wurde, so geschah dies nur, um darzulegen, daß sich aus dem Umstand, daß man bei einer solchen Berücksichtigung des Selbstinteresses hinsichtlich der verkehrswirtschaftlichen Erscheinungen zu einer allgemeinen richtigen Erklärung ihres Wesens und ihrer Entstehung gelangt, kein Argument gegen die Berücksichtigung des sittlichen Moments durch die theoretische Nationalökonomie ergibt, daß vielmehr erst die auf der Erkenntnis des Sittlich-Richtigen aufgebaute Erkenntnis des tatsächlichen sittlichen Verhaltens zeigt, aus welchem Grund und innerhalb welcher Grenzen die Erklärung der verkehrswirtschaftlichen Erscheinungen auf der Annahme eines alleinigen Wirkens des Selbstinteresses berechtigt ist. Innerhalb dieser Grenzen wird der Methode, die vom Selbstinteresse allein als dem bestimmenden Motiv ausgeht, ihre grundlegende Bedeutung für die Erklärung verkehrswirtschaftlicher Probleme auch vom Standpunkt sittlicher Erkenntnis nicht bestritten werden können.

11. Wir gelangen nun zu dem Einwand, der das besondere Verhältnis der theoretischen Nationalökonomie zur wissenschaftlichen Ethik betrifft. Der Einwand besagt, daß eine gegenseitige Verwertung von Ergebnissen der Ethik und der Nationalökonomie ausgeschlossen ist, daß die Ethik lehrt, was sein soll, während die theoretische Nationalökonomie nur berücksichtigen darf, was tatsächlich ist.

Dem ist zu entgegnen. Es ist richtig, daß die theoretische Nationalökonomie sittliche Motive nur dann und insofern berücksichtigen darf, als sich solche Motive tatsächlich geltend machen. Nun beschäftigt sich aber auch die Ethik nicht nur mit dem, was sittlich-richtig ist, sondern sie muß sich zumindest kritisch auch mit all jenen Motiven befassen, die als unsittlich den sittlich-richtigen entgegenwirken oder die in unrichtiger Weise für sittlich angesehen werden oder die als letzte Sittengebote betrachtet werden, während sie nur relativ richtig sind. So erfährt also die theoretische Nationalökonomie aus der Ethik nicht nur die sittlich-richtigen, sondern die in sittlicher Beziehung überhaupt in Betracht kommenden Motive.

Allein dies ist schließlich nicht ausschlaggebend, da dieser kritische Teil der Ethik als Wissenschaft gegenüber ihrem eigentlichen normativen Teil stets von untergeordneter Bedeutung bleiben wird. Entscheidend ist vielmehr, ddaß die theoretische Nationalökonomie auch wissen muß, was sittlich-richtig ist, und daß sie daher eben den positiven Teil der Ethik zu verwerten hat, und zwar im besonderen jenen Teil, in dem die Ethik lehrt, was in letzter Linie sittlich richtig ist. (30) Dieses, in letzter Linie, das primär Sittlich-Richtige, wie es die wissenschaftliche Ethik wissenschaftlich zu erfassen hat, ist es nämlich, nach dem der einzelne mehr oder weniger richtig sein sittliches Verhalten einrichtet, ohne sich freilich darüber Rechenschaft abgeben zu können, soweit ihn hierzu nicht die Wissenschaft der Ethik befähigt, analog, wie er nach logischen Gesetzen urteilt, ohne diese Gesetze außer mit Hilfe der Logik formulieren zu können. Das primär Sittlich-Richtige bildet den eigentlichen Untergrund, die wahre, vom Einzelnen nur nicht oder ganz unklar erfaßte und daher wissenschaftlich aufzuklärende Ursache seines sittlichen Verhaltens. Dies hat wieder seinen Grund in dem von FRANZ BRENTANO aufgewiesenen Ursprung sittlicher Erkenntnis, dem Umstand, daß es Akte der Liebe und des Hasses gibt, deren sittliche Richtigkeit wir mit unmittelbar evidenten Urteilen erfassen, die den sonstigen unmittelbar evidenten Urteilen - wie z. B. dem Satz des Widerspruchs - gleichstehen (31). Von diesen letzten evidenten sittlichen Sätzen leitet sich im Einzelnen das, was er im besonderen Fall für sittlich-richtig hält, ab. Diese Ableitung kann mit größerer oder geringerer Richtigkeit erfolgen. Daraus ergeben sich verschiedene sittliche Anschauungen, die wieder je nach dem sittlichen Charakter des Handelnden mit größerer oder geringerer Stärke wirken, mehr oder weniger gegenüber anderen Motiven durchdringen.

Die theoretische Nationalökonomie kann nun zwar nicht das, was im gegebenen Fall das Sittlich-Richtige wäre, also allein in richtiger Weise aus den primären sittlichen Sätzen abgeleitet werden kann, sogleich als tatsächlich bestimmendes Motiv beim wirklichen Handeln annehmen. Sie kann nur jenes Sittliche als wirkend annehmen, das tatsächlich dafür gehalten wird, und kann es gegenüber unsittlichen Motiven nur mit jener Stärke wirkend annehmen, mit der es tatsächlich wirkt. Diesen realistischen Charakter muß die theoretische Nationalökonomie gegenüber der normativen Ethik stets wahren. Allein gerade zur Erkenntnis dessen, was im gegebenen Fall als sittlich wirkt, ist die Erkenntnis dessen, was im gegebenen Fall sittlich-richtig wäre, ein unentbehrlicher Behelf. Die Erkenntnis des Sittlich-Richtigen gibt den Leitfaden, an den die Erkenntnis dessen, was tatsächlich für sittlich gehalten wird, angeknüpft werden kann, mit dessen Hilfe man sich in der unübersehbaren Fülle der tatsächlichen sittlichen Anschauungen zu Recht finden kann, indem man im einzelnen Fall die "realistische Korrektur" an dem, was sittlich-richtig wäre, vornimmt. Dazu kommt, daß wir, soweit die uns beschäftigenden Fragen des wirtschaftlichen Lebens in Betracht kommen, mit keiner allzu großen Abweichung des für sittlich Gehaltenen vom Sittlich-Richtigen zu rechnen brauchen, und daß wir daher unter gewissen Voraussetzungen ohne allzu großen Fehler statt der tatsächlichen Anschauungen unmittelbar das Sittlich-Richtige als wirksam annehmen können. Analog nehmen wir ja auch in der Wirtschaftstheorie eine mit der Wirklichkeit übereinstimmende Erfassung der wirtschaftlichen Verhältnisse beim Wirtschaftssubjekt an und überlassen die Berücksichtigung der sich geltend machenden Irrtümer der realistischen Korrektur (32). Insbesondere dort, wo es sich nur um die Frage handelt, ob bei einer Erscheinung ein Gegenwirken sittlicher Motive gegenüber anderen Motiven berücksichtigt werden muß oder nicht, es also auf spezielle Wirkungen sittlicher Motive nicht ankommt, wird es im allgemeinen genügen, festzustellen, ob sich vom Standpunkt des Sittlich-Richtigen Bedenken ergeben oder nicht. Ergeben sich vom Standpunkt des Sittlich-Richtigen keine Bedenken, wird man im allgemeinen annehmen können, daß sich überhaupt keine sittlichen Bedenken ergeben, da solche eben nur aus einem überspannten sittlichen Gefühl folgen könnten, das nur in Ausnahmefällen als wirksam wird angenommen werden können. Ergeben sich umgekehrt vom Standpunkt des Sittlich-Richtigen Bedenken, so wird uns dies jedenfalls dazu führen, die Möglichkeit sittlicher Bedenken zuzugeben, und uns zu weiteren Untersuchungen in dieser Richtung veranlassen.

Die Bestätigung ergibt sich aus dem Ergebnis der früheren Ausführungen. Wir konnten oben aus der Erkenntnis des Sittlich-Richtigen die Frage entscheiden, daß den verkehrswirtschaftlichen Erscheinungen als solchen sittliche Motive nicht entgegenstehen, daß sich solche jedoch gegenüber besonderen Erscheinungsformen der verkehrswirtschaftlichen Erscheinungen unter bestimmten Voraussetzungen geltend machen können und fanden dies von der Erfahrung im Hinblick auf die tatsächlich wirkenden sittlichen Motive bestätigt. Wir konnten also aus der Erkenntnis des Sittlich-Richtigen unmittelbar zu wichtigen methodologischen Schlüssen gelangen, ohne erst eine weitgehende Untersuchung über die tatsächlich mitwirkenden sittlichen Motive anstellen zu müssen. Wenn wir ddabei z. B. Ausnahmefälle, wo ein besonders - und wie wir wohl sagen müssen nicht normal - entwickeltes sittliches Empfinden auch die bloße Wahrung des Selbstinteresses bei Verkehrsakten und diese selbst verwirft, nicht berücksichtigten, so ist dies ohne Bedeutung, da diesen Ausnahmen als solchen für die nationalökonomische Forschung - allenfalls spezielle Untersuchungen ausgenommen - keine Bedeutung zukommt.

Es ergibt sich also aus der Notwendigkeit der Kenntnis der tatsächlichen sittlichen Motive die Notwendigkeit der Erkenntnis es primär Sittlich-Richtigen. Da uns aber eine solche "Erkenntnis" nur eine Wissenschaft vermitteln kann, ergibt sich hieraus wieder die Notwendigkeit der Berücksichtigung dieses Teils der Ethik durch die theoretische Nationalökonomie. So ist dann die Kenntnis des normativen Teils der Ethik und zwar des allgemeinsten normativen Teils, der Lehre vom letzten Sollen, für die theoretische Nationalökonomie von grundlegender Bedeutung, da sie dieser das Eindringen in die bei wirtschaftlichen Erscheinungen tatsächlich wirkenden sittlichen Motive ermöglicht und vielfach, wenigstens für den allgemeinen Teil der theoretischen Nationalökonomie, geradezu ersetzt.

Besonderes gilt hinsichtlich des Zusammenhangs mit psychologischen und ethischen Fragen vom Problem des wirtschaftlichen Wertes. Der wirtschaftliche Wert ist keine jener volkswirtschaftlichen Grunderscheinungen, die aufgrund der Annahme eines bloßen Wirkens des Selbstinteresses erklärt werden können. Denn er ist keine verkehrswirtschaftliche Grunderscheinung, also etwas, was dem wirtschaftlichen Verkehr in der verkehrswirtschaftlich organisierten Volkswirtschaft eigentümlich wäre, sondern eine allgemein wirtschaftliche Erscheinung, die an eine bestimmte Organisationsform der Volkswirtschaft nicht gebunden ist, wenn sie auch in ihren besonderen Erscheinungsformen von ihr wesentlich beeinflußt ist. Als allgemein wirtschaftliche Erscheinung ist das Problem des wirtschaftlichen Wertes mit dem des Wertes überhaupt derart verbunden, daß es nur aufgrund der Ergebnisse der psychologischen Forschung über den Wert als allgemein psychologische Erscheinung erforscht werden kann. Jenes Gebiet der Psychologie, in dem die Erscheinung des Wertes behandelt wird, ist das der Interessephänomene, welches wieder auf das engste mit der Ethik verbunden, deren eigentliche Grundlage bildet. So beruth die ganze Theorie des wirtschaftlichen Wertes auf der Psychologie, welche auf diesem Gebiet zugleich die Verbindung zwischen theoretischer Nationalökonomie und Ethik darstellt. Da nun die Theorie des Wertes die eigentliche Unterlage der theoretischen Nationalökonomie überhaupt bildet, ist die Psychologie und spezielle die Psychologie der Phänomene des Interesses eine der Grundlagen theoretischer nationalökonomischer Forschung überhaupt. Auf den Ergebnissen der psychologischen Forschung fußend, hat die theoretische Nationalökonomie jene Einzelheiten des wirtschaftlichen Wertes auszuarbeiten, welche für die Psychologie der allgemeinen Werterscheinung zu kasuistisch [fallbezogen - wp] sind, als daß sich diese mit ihnen besonders befassen könnte (33).

12. Ergibt sich so die Wichtigkeit von Ergebnissen der ethischen Wissenschaft für die theoretische Volkswirtschaftslehre, so sind andererseits aber auch die Ergebnisse der theoretischen Nationalökonomie über die im Wirtschaftsleben tatsächlich wirkenden Motive und die aus ihrem Zusammenwirken entspringenden wirtschaftlichen Handlungen und Erscheinungen für die Ethik von großem Wert. Nur mit Hilfe der theoretischen Nationalökonomie kann die Ethik ein Urteil über eine ganze Wirtschaftsverfassung fällen. Die Ethik wird ferner nur bei einer Berücksichtigung der Ergebnisse der theoretischen Nationalökonomie imstande sein, auch ein bestimmtes wirtschaftliches Handeln, eine wirtschaftliche Erscheinung vom sittlichen Standpunkt richtig zu beurteilen. Ebenso wird die Kenntnis des Wirtschaftslebens der Ethik nicht nur vielfach die gegenwärtigen Schranken für sittliche Forderungen aufweisen, sie wird ihr überhaupt die Grundlage für die aus den primären sittlichen Geboten abzuleitenden, auf das Wirtschaftsleben anzuwendenden Gebote liefern. Denn wenn auch die primären sittlichen Gebote immer dieselben bleiben und geblieben sind, so werden doch die abgeleiteten Gebote, soweit sie das Wirtschaftsleben betreffen, je nach der Wirtschaftsverfassung einen ganz verschiedenen Inhalt annehmen. In einer Naturalwirtschaft, wo jede Wirtschaft zum größten Teil ihre Güter selbständig oder in einer Zwangsgemeinschaft erzeugt, sind die Beziehungen zu anderen Wirtschaften, soweit sie nicht direkt widerrechtliche sind - Diebstahl, Raub -, vornehmlich altruistische, d. h. soweit man in die Lage kommt, sich um fremde Wirtschaften zu kümmern, geschieht es in ihrem unmittelbaren Interesse, ohne eine Berücksichtigung des eigenen Interesses - Unterstützung in der Not, bei Feldarbeiten usw. Auch in der geschlossenen Staatswirtschaft mit ihren engen Schranken für den Erwerbe sind die über diesen eng begrenzten Erwerb hinausgehenden Beziehungen zu anderen Wirtschaften wieder altruistisch. Ganz anders in der kapitalistischen Verkehrswirtschaft. Das Fallen der Schranken für den Erwerb gestattet und gebietet die Durchsetzung des eigenen Vorteils gegenüber fremden Wirtschaften. Die Beziehungen der Wirtschaften zueinander werden geschäftliche, d. h. jeder sucht seinen eigenen Vorteil, und zwar soweit sich keine besonderen sittlichen Bedenken geltend machen, den größtmöglichen Vorteil in der Voraussetzung, daß auch die Gegenpartei den größtmöglichen Vorteil sucht. Man kümmert sich wohl um die fremde Wirtschaft, und zwar viel mehr als in den anderen Wirtschaftsformen, da man für die fremde Wirtschaft arbeitet, aber man kümmert sich nicht um ihr Interesse, weil man die Wahrung ihres eigenen Interesses bei ihr von vornherein annimmt. Schon hieraus ergibt sich, wie durch den Übergang von einer Wirtschaftsverfassung zu einer anderen abgeleitete sittlich-wirtschaftliche Gebote unpraktisch, undurchführbar oder direkt unrichtig werden können - man denke z. B. an das Zinsverbot - und durch andere Gebote ersetzt werden müssen. Dies heißt selbstverständlich nicht, weder daß die Entwicklung die sittlichen Gebote durchbrochen hat, noch daß sittliche Geboten gegenüber den wirtschaftlichen Tatsachen überhaupt unangebracht wären, weil sie machtlos sind. Beides ist ganz unrichtig. Durchbrochen wurden keine primären sittlichen Gebote, sondern nur sekundäre und diese nur deshalb, weil ihre wirtschaftliche Grundlage dahinschwand. (34) Solange sie berechtigt waren, wirkten sie und wirkten gut. An ihre Stelle tritt kein Vakuum, im Gegenteil, wir sehen, wie die höhere wirtschaftliche Entwicklung immer weitergehende sittliche Gebote verlangt, weil die Beziehungen der einzelnen Wirtschaften umfassendere und damit auch die Interessenkonflikte immer häufiger werden. Die wirtschaftliche Entwicklung zeigt uns somit die immer größer werdende Notwendigkeit und das immer größer werdende Anwendungsgebiet sittlicher Gebote im Wirtschaftsleben und damit für die Ethik die Notwendigkeit, sich Kenntnisse des Wirtschaftslebens anzueignen, die ihr die theoretische Nationalökonomie übermittelt (35). Dabei ist immer zu berücksichtigen, daß das Wirtschaftsleben von den Lebensbetätigungen des Individuums jene ist, in der für die Beobachtung sittlicher Grundsätze die häufigste Gelegenheit und der größte Spielraum gegeben ist und die somit für die Ethik von ganz besonderer Bedeutung ist.

Selbstverständlich müssen bei der Verwertung ihrer beiderseitigen Ergebnisse beide Wissenschaften ihr Gebiet und ihre Aufgaben einhalten. Die Ethik darf ihren prinzipiell normativen Charakter als Wissenschaft dessen, was sein soll, die theoretische Nationalökonomie ihren Charakter als Wissenschaft dessen, was ist, nicht aus dem Auge verlieren. Die Ethik darf nicht die im Wirtschaftsleben vorhandenen Strebungen etwa von vornherein als ethisch richtig ansehen. Andererseits muß wieder die theoretische Volkswirtschaftslehre mit den tatsächlichen wirtschaftlichen Erscheinungen und den sie tatsächlich bestimmenden Triebkräften rechnen, ohne ihnen mit Rücksicht auf ihre sittliche Beurteilung mehr oder weniger Bedeutung beizumessen, als ihnen tatsächlich zukommt. Dies wird immer festgehalten werden, wenn man nicht in den Fehler einer "realistischen" Ethik oder einer "ideellen" Volkswirtschaftslehre verfallen soll. Wird dies aber festgehalten, werden sich Ethik und theoretische Volkswirtschaftslehre gegenseitig die wertvollsten Dienste leisten.
LITERATUR Oskar Engländer, Die Erkenntnis des Sittlich-Richtigen in der Nationalökonomie, Schmollers Jahrbuch für Gesetzgebung, Verwaltung und Volkswirtschaft im Deutschen Reich, 38. Jahrgang, Leipzig 1914
    Anmerkungen
    15)
    16) Dies wird ziemlich allgemein anerkannt, z. B. auch von DIETZEL ausdrücklich hervorgehoben.
    17) "Das sogenannte wirtschaftliche Prinzip ... gilt ... durchaus nicht nur innerhalb des sogenannten Wirtschaftens, sondern ... sollte ... als Prinzip der größtmöglichen Wertsummierung alles menschliche Verhalten regieren." - OSKAR KRAUS, Die Grundlagen der Werttheorie, in Frischeisen-Köhler, Jahrbücher der Philsophie, 11. Jahrgang, 1914.
    18) Wir haben dabei zu beachten, daß der Ausdruck wirtschaftlich in einem doppelten Sinn gebraucht wird. Einmal bedeutet "wirtschaftlich" etwas, was sich auf die Wirtschaft als solche bezieht. In diesem Sinn sprechen wir im allgemeinen von wirtschaftlichen Erscheinungen. Dann aber heißt wirtschaftlich jene Handlungsweise, die geeignetist, den Zweck der Wirtschaft zu fördern. So können Handlungen, die der Wirtschaft dienen, einmal wirtschaftlich, ein andermal unwirtschaftlich sein. Beim wirtschaftlichen Prinzip denkt man an die zweite Bedeutung des Wortes "wirtschaftlich", läßt sich aber durch die Ableitung vom Wort Wirtschaft verführen, sein Geltungsgebiet auf die ganze Wirtschaft auszudehnen, und es für etwas der Wirtschaft Eigentümliches zu erklären.
    19) Wenn also DIETZEL (Artikel "Selbstinteresse" im Handwörterbuch der Staatswissenschaft, Bd. VII, Seite 441 das Beispiel der ballistischen Kurve wählt, um die Berechtigung einer Isolierung des Selbstinteresses - oder des wirtschaftlichen Prinzips - bei der Erklärung wirtschaftlicher Erscheinungen nachzuweisen, so ist dieses Beispiel zwar ansich geeignet, die Notwendigkeit und Ersprießlichkeit der isolierenden Methode darzulegen; hingegen im Hinblick auf die Frage der Berücksichtigung des Selstinteresses als einziges Motiv und seiner Isolierung von sittlichen Motiven bei der Erklärung wirtschaftlicher Erscheinungen ist das Beispiel der ballistischen Kurve geradezu ein Gegenbeispiel, ein Beispiel gegen die Berücksichtigung einer einzigen bestimmenden Kraft, da die ballistische Kurve - wie DIETZEL übrigens selbst hervorhebt - auch in ihrer einfachsten Gestalt stest wenigstens aus dem Zusammen- bzw. Entgegenwirken zweier Kräfte - Triebkraft und Schwerkraft - (DIETZEL führt als drittes auch den Luftwiderstand an) konstruiert werden kann.
    20) "Den Menschen unwandelbar und allgemein in seiner wirtschaftlichen Tätigkeit nur von eigennützigen Motiven geleitet hinstellen, ist tatsächlich nur gleichbedeutend mit der Ableugnung aller edleren und besseren Motive in jeglichem Beginnen des Menschen oder mit der Lehre, daß jeder Mensch so und so viele selbständig nebeneinander wirkende Mittelpunkte seines geistigen Lebens hat." - KARL KNIES, Politische Ökonomie, Seite 232
    21) Dies gilt auch für RIST in GIDE/RIST, Geschichte der volkswirtschaftlichen Lehrmeinungen, Seite 452, wenn er aus dem Umstand, daß in der Nationalökonomie der Versuch praktisch unmöglich ist, schließt, daß die Abstraktion und die Analyse die einzigen Mittel sind, die der Gelehrte zu seiner Verfügung hat, um sich in der Menge der Einflüsse, die sich in der Wirklichkeit kreuzen, zurechtfinden. Das Verfahren soll sogar gerechtfertigt sein, selbst wenn der isolierte Beweggrund nebensächlich wäre. Dies ist jedenfalls nicht richtig, besonders wenn man - wie erwähnt - die Isolierung auf einen Beweggrund beschränkt und damit schon zu im allgemeinen richtigen Ergebnissen gelangen will. Umso mehr soll die Isolierung im vorliegenden Fall zulässig sein, da der Beweggrund, die Jagd nach dem Gewinn oder die Befriedigung materieller Bedürfnisse, unbestreitbar auf die wirtschaftlichen Handlungen eine vorherrschende Wirkung ausübt. Aber darum handelt es sich eben, diese vorherrschende Wirkung, die mit der sonstigen Wirksamkeit des Motivs des Selbstinteresses nicht in Einklang zu stehen scheint, zu erklären.
    22) Vgl. z. B. BÖHM-BAWERK: "Es besteht ein ungeheurer Unterschied im Umfang und in der Macht, mit der die einzelnen Motive die Tauschhandlungen beeinflussen. Ein Motiv ragt hier weit über alle anderen hervor: es ist das Streben nach Erlangung eines unmittelbaren Tauschvorteils." (Positive Theorie des Kapitals, Seite 353); dann WAGNER, der aus dem Grund, daß von allen Beweggründen der Egoismus der einzige wirklich beständige und dauernde ist, es für gerechtfertigt erklärt, daß die Methode der Deduktion der politischen Ökonomie gerade dieses Prinzip als Ausgangspunkt genommen hat. (Grundlegung, Seite 267); ferner MENGER, Methode der Sozialwissenschaften, der zur Begründung der isolierenden Methode mit dem Selbstinteresse ausdrücklich anführt, daß die Menschen in ihren wirtschaftlichen Beziehungen, wenn auch nicht ausnahmslos, so doch vorwiegend und regelmäßig von ihren individuellen Interessen geleitet sind. "Unter den Bestrebungen der Menschen sind jene, welche auf einer vorsorglichen Deckung ihres Güterbedarfs gerichtet sind, also die wirtschaftlichen, die weitaus richtigsten, wie auch unter den Trieben der Menschen jener, welcher jedes Individuum seine Wohlfahrt anstreben heißt, weitaus der allgemeinste und mächtigste ist."
    23) Es bedarf also zu einem solchen Bewußtsein, welches sich aus dem sittlich-richtigen Fühlen einerseits und aus der verkehrswirtschaftlichen Organisation der Volkswirtschaft andererseits ergibt, keines besonderen religiösen Bekenntnisses.
    24) Wenn also nach SCHMOLLER (a. a. O., Seite 456) ADAM SMITH von einem durch Gerechtigkeit und Schicklichkeit gezügelten, sittlich berechtigten Erwerbstrieb ausging, RICARDO vom Erwerbstrieb des Geschäftsmanns seiner Zeit und beide damit das Seelenleben nicht gespalten, sondern im Ganzen erfaßt zu haben glaubten, so waren sie nach unseren Ausführungen hinsichtlich der Erklärung der verkehrswirtschaftlichen Grunderscheinungen gegenüber den späteren isolierenden Methoden im Recht, da - wie gezeigt - eine Spaltung insbesondere des gezügelten und sittlich berechtigten Erwerbstriebs von sittlichen Motiven, welche eben in derselben Richtung wirken, gar nicht möglich ist.
    25) Die sehr weitgehenden Einschränkungen, die sich hinsichtlich dieser Sätze im Leben tatsächlich ergeben, und die z. B. in der Unübersehbarkeit der Folgen von Handlungen, die aus dem gewöhnlichen Rahmen fallen, ihren Grund haben - Erschütterung der Rechtsordnung -, sind hier nicht weiter zu erörtern, da wir, wie sich sogleich ergeben wird, von der Anwendung dieser Sätze absehen können.
    26) Oder auch nur dem Satz, daß jeder Vorteil, den der einzelne im Verkehr erzielt, identisch ist mit einem Vorteil der Gesellschaft. Unser Satz vom Vorteil gegen Vorteil sagt nur, daß beim Verkehrsakt ein Vorteil der einen Wirtschaft in der Regel und der Natur des Verkehrsaktes nach mit einem Vorteil der anderen Wirtschaft verbunden ist. Wir können ferner sagen, daß die Summe der Verkehrsakte gegenüber ihrem Unterbleiben, also die Institution des Verkehrsaktes mit der Wahrund des Selbstinteresses als solche, der Gesamtheit - Gesellschaft - und zwar auch gegenüber gewissen anderen Wirtschaftsorganisationen einen Vorteil bringt. Nicht behauptet, sondern bestritten wird dagegen von uns der Satz, daß ein solcher Zusammenhang als ein natürlicher und notwendiger zwischen jedem einzelnen Verkehrsakt mit beiderseitigem Vorteil der beteiligten Wirtschaftssubjekte einerseits und dem Vorteil der Gesellschaft andererseits besteht. Noch weit mehr aber wird bestritten, daß das Streben nach dem höchsten Vorteil beim Einzelnen zugleich mit dem höchsten Vorteil der Gesellschaft verbunden ist, daß also mit dem höheren Vorteil des Einzelnen stets ein höherer Vorteil der Gesellschaft verbunden ist. Dies war wohl auch nicht der Sinn des Satzes von ADAM SMITH, der nur sagen wollte, daß die Institutionen, also nicht jeder einzelne Akt, bei der jeder seinen Vorteil sucht, zugleich für die Gesellschaft der vorteilhafteste ist. Wohl aber war dies der Lehrsatz der Freihandelsschule: "Im freien Marktverkehr kann keiner den eigenen Nutzen fördern, ohne auch den Nutzen anderer mitzufördern." (JOHN PRINCE-SMITH in RENTZSCHs "Handwörterbuch der Volkswirtschaftslehre", zitiert bei SCHÖNBERG, Handbuch der politschen Ökonomie I, Seite 5) Dies ist unrichtig, wenn man den Ausdruck "fördern" beachtet. Unrichtig ist daher auch die aus diesem Satz abgeleitete Harmonie der Volkswirtschaft und Ablehnung jedes Staatseingriffs. Aus dem allein richtigen Satz, daß Vorteil gegen Vorteil - also nicht Mehrvorteil gegen Mehrvorteil - das Grundprinzip unserer Verkehrswirtschaft ist, folgt diese Harmonie keinesfalls.
    27) Es handelt sich nur darum, ob sich beim sozial Schwächeren das Gefühl einer unsittlichen Überspannung seines eigenen Interesses ergeben kann. Dies ist im allgemeinen zu verneinen. Ein Arbeiter wird wohl kaum jemals die Forderung nach einem höheren Lohn oder einer kürzeren Arbeitszeit, wenn nicht ganz besondere Umstände vorliegen, gegenüber der Minderung des Vorteils des Unternehmers als etwas Unsittliches empfinden. Unentschieden bleibt dabei die Frage, ob nicht gleichwohl vom Standpunkt der allgemeinen Interessen und unter welchen Voraussetzungen Preisforderungen sozial Schwächerer unberechtigt erscheinen können.
    28) Vgl. die Abgrenzung der zwei Teile der Preistheorie bei BÖHM-BAWERK (a. a. O., Seite 354). "Ein erster Teil hat das Gesetz des Grundphänomens in seiner vollen Reinheit, d. h. die Gesetzmäßigkeiten zu entwickeln, welche sich an den Preiserscheinungen unter der Voraussetzung ergeben, daß bei sämtlichen am Tausch beteiligten Personen als einziges treibendes Motiv das Streben nach der Erlangung eines unmittelbaren Tauschvorteils ins Spiel kommt. Dem zweiten Teil fällt die Aufgabe zu, die aus dem Hinzutreten anderer Motive und Tatumstände sich ergebenden Modifikationen des Grundgesetzes in dieses einzuweben." Von unserem Standpunkt ist diese Ausführung nur durch eine Modifikatioin des "Hinzutretens anderer Motive" im Sinne eines "sich besonders geltend machen" sowie durch die eigentliche Begründung für die Zulässigkeit des ersten Teils, - kein Vorherrschen des Selbstinteresses gegenüber sittlichen Motiven, sondern eine Berücksichtigung der sittlichen Motive im Selbstinteresse - zu ergänzen.
    29) STEINBACH, "Erwerb und Beruf" und "Rechtsgeschäfte der wirtschaftlichen Organisation". STEINBACH unterscheidet in der letzteren Schrift (Seite 81f) drei Arten von Rechtsverhältnissen, bei denen als solchen der "wirtschaftlichen Organisation" die Verfolgung des eigenen Vorteils gegenüber dem Kontrahenten während der Dauer des Vertragsverhältnisses verboten ist. Zunächst die Verbindung selbständiger Subjekte zur Erreichung eines wirtschaftlichen Zwecks (societas), dann die Vertretung des Subjekts der Wirtschaft durch eine andere Person (Mandat) schließlich eine organische Ergänzung des Subjekts der Wirtschaft durch demselben untergeordnete Hilfskräfte.
    30) Vgl. zum Folgenden: OSKAR KRAUS, Die Grundlagen der Werttheorie, Philosophische Jahrbücher (hg. MAX FRISCHEISEN-KÖHLER), 11. Jahrgang, Berlin 1914
    31) BRENTANO, Der Ursprung sittlicher Erkenntnis. Vgl. ferner MARTY, Sprachphilosophie; O. KRAUS, Das Recht zu strafen, Seite 158f; ders. Theorie des Wertes, Seite 11f, Grundlagen der Werttheorie.
    32) Über die Berücksichtigung des Irrtums durch die theoretische Nationalökonomie vgl. MENGER, Methode der Sozialwissenschaften.
    33) Vgl. hierzu den Abschnitt "Hedonismus und Wertlehre" bei BÖHM-BAWERK, dann die zitierte Arbeit von KRAUS, Die Grundlagen der Werttheorie, Abschnitt VII.
    34) Abgesehen selbstverständlich von den Ausnahmefällen, in denen die betreffenden sekundären Gebote auch unter den gegebenen Verhältnissen von vornherein falsch waren.
    35) Es handelt sich hier nur umd die von der Ethik selbst aufgrund der Kenntnis des Wirtschaftslebens aufzustellenden sittlich-wirtschaftlichen Gebote für das Verhalten des Einzelnen. Die aus den letzten sittlichen Sätzen aufgrund der jeweiligen Wirtschaftsverfassung von der wissenschaftlichen Volkswirtschaftspolitik abzuleitenden volkswirtschaftlichen Maßnahmen, die sich als Gebote, oder besser gesagt, als Ratschläge an Leiter der Volkswirtschaft und nicht an die einzelnen Wirtschaftssubjekte richten, kommen an dieser Stelle nicht in Betracht.