K. H. RauJ. RuskinO. EngländerM. J. BonnW. Rein | ||||
Das sittliche Moment in der Volkswirtschaft
Indem die Wissenschaft auf diese Weise dem Egoismus im wirtschaftlichen Leben das Recht einer unbedingten Herrschaft einräumt, ihm zugleich die Wirkung eines patriotischen Strebens beilegt, und den Erwerbstrieb der Beachtung der höheren sittlichen Maximen des Handelns zumindest indirekt entbindet, so scheint sie uns auf einen bedenklichen, zu sehr gefährlichen Konsequenzen führenden Weg geraten zu sein. Trennt man nämlich das wirtschaftliche Streben los von allen tieferen Motiven und höheren Zwecken des menschlichen Handelns, sieht man in ihm lediglich das Walten des egoistischen Erwerbtriebs nach der einen, und der Genußsucht nach der anderen Seite, stellt man mit LOTZ (1) zum Beispiel der Volkswirtschaftslehre lediglich die Aufgabe, nachzuweisen, wie der Mensch seine Betriebsamkeit zum Gütererwerb, Besitz und Gebrauch als verständig sinnliches Wesen nach den Grundsätzen des verständigen Eigennutzes üben und entfalten möge, so scheint uns die Wissenschaft, wenn sie konsequent verfährt, nicht bloß eine wichtige Seite der Erfahrung von sich zu weisen, nämlich die Tatsache, daß die Sittlichkeit auf die wirtschaftlichen Bestrebungen, auf das wirtschaftliche Wohl der Einzelnen und der Völker einen mächtigen Einfluß ausübt; sondern sie scheint uns im Denken und mittelbar im Handeln auf Grundsätze zu führen, die verstoßen gegen die höheren Gesetze einer sittlichen Weltordnung und damit die Grundpfeiler allen gesellschaftlichen Wohles untergraben. Der Zweck des menschlichen Handelns löst sich, wenn man streng nach dieser Auffassungsweise verfährt, in einen reinen Materialismus auf; das berechtigte Prinzip des menschlichen Handelns wird innerhalb dieses Denkkreises lediglich der klug berechnende Egoismus; der Erwerbstrieb wird im Privat- und öffentlichen Leben zur Habsucht, zum Streben nach Monopolen und Privilegien; die Sparsamkeit wird zur Kargheit, zum Geiz, das durch keine höheren Gesetze geregelte und gezügelte Streben nach Genuß führt leicht zum sittenverderblichen Luxus, zur Schwelgerei. Der Grundherr und große Unternehmer, ohne sittliche Achtung der Persönlichkeit seiner Arbeiter, wird zum Unterdrücker derselben; sein Erwerbstrieb, seine Habsucht treibt ihn an, sie zu gewinnbringenden Arbeitstieren, zu Maschinen herabzusetzen; der Kapitalist wird zum harten, rücksichtslosen Gläubiger und Wucherer; der Käufer, wie der Verkäufer, lediglich durch den Eigennutz geleitet, hat keinen anderen Maßstab für sein Handeln, als die Rechnung über Gewinn und Verlust; die unter seiner Handlungsweise leidenden Menschen sind kein Gegenstand seines Kalküls; alle seinen Interessen widerstreitenden Forderungen der Menschen- und Bürgerpflicht prallen ab an seinen kalten Berechnungen. (2) Die Ehe, das zarte Kind wird ein Gegenstand der Spekulation; der Dienst in der Gemeinde, im Staat, in der Kirche, wird ein Mittel zum Erwerb, zur Ausbeutung der Untergebenen; der schwächere Stand ein Raub des stärkeren; das Volk im Ganzen "eine Schweizerei", eine Viehherde der Gewalthaber. Die unterdrückte Klasse aber, von der Sucht nach grenzenlosem Genuß beherrscht, wie die höheren Stände, durchbricht zuletzt alle Bande der geselligen Ordnung und greift mit verbrecherischer Hand nach den Gütern, deren Besitz ihr höchstes Ziel ist. Im Verkehr der Völker untereinander führt der ungezügelte Erwerbstrieb zum Streben nach Überlistung, Ausbeutung und Unterdrückung, zu einem Raub- und Eroberungssystem, von welchem die Geschichte der Handels- und Kolonialpolitik der europäischen Staaten in den letzten Jahrhunderten nur zu zahlreiche Belege an die Hand gibt; er führt zum schroffen Merkantilsystem, dem Ausdruck des wirtschaftlichen Egoismus in seiner höchsten Potenz. Diese Konsequenzen des Waltens rein eigennütziger Triebfedern im ökonomischen Leben erkennt LOTZ im allgemeinen selbst an, indem er zugesteht, daß die wirtschaftliche Tätigkeit, wenn nur verständiger Eigennutz ihr ewiger und steter Leitstern ist, leicht oft in Widerspruch geraten kann mit der allgemeinen Weltordnung, daß erst ein rechtliches und sittliches Handeln der Betriebsamkeit die Krone aufsetzt, und ihren regelmäßigen Fortgang am allermeisten sichert und fördert. Trotzdem will er den sittlichen Grundsätzen in der Volkswirtschafts lehre keinen herrschenden Einfluß gestatten, und überläßt es der Rechts- und Sittenlehre, da beschränkend und modifizierend einzuschreiten, wo diese höheren Gesetze in Widerstreit geraten würden mit den Forderungen der Nationalökonomie. Allein, wir wiederholen es, diese Verwerfung des Hereinziehens eines sittlichen Prinzips in die Volkswirtschaftslehre scheint uns bei einer Wissenschaft, die wesentlich dem Gebiet des praktischen Lebens angehört, und auf das praktische Leben den entscheidenden Einfluß ausübt, die, wenn sie alles sittlichen Gehaltes entblößt wird, anerkanntermaßen oft zu Grundsätzen führt, die "mit der allgemeinen Weltordnung in Widerspruch geraten können," jedenfalls einem ernsten Bedenken unterworfen werden zu müssen; es scheint bedenklich zu sein, Grundsätze aufzustellen, und als gültig im wirtschaftlichen Leben zu behaupten, die in sittlicher Hinsicht verwerflich sind, oder zumindest von einem sittlichen Standpunkt aus einer wesentlichen Restriktion unterworfen werden müssen; es scheint ein zur Erklärung wirtschaftlicher Erscheinungen wesentlich erforderliches Element bei einem Übergehen der Betrachtung sittlicher Triebfedern übergangen zu werden. Hieran erinnert schon die aus der Geschichte gezogene, anerkannte, allgemeine Erfahrung, daß ein sittenverderblicher Luxus stets der Vorbote des politischen und wirtschaftlichen Verfalls der Völker gewesen ist. Allein auch eine spekulative Begründung der Nationalökonomie knüpft sie notwendig an das sittliche Leben an; räumt den sittlichen Gesetzen eine durchgreifende Herrschaft ein, ohne daß sie ihr darum den vorherrschenden Charakter einer Wirtschaftswissenschaft nimmt. Zwar wird eine spekulative Begründung und Behandlung dieser Wissenschaft als der Natur derselben widerstreitend in der Regel verworfen. Die Volkswirtschaft wird als von Naturgesetzen beherrscht betrachtet, die wesentlich bestimmend auf die menschliche Handlungsweise einwirken, und darum der Wirtschaftswissenschaft wesentlich den Charakter einer Erfahrungswissenschaft aufdrücken. Allein wenn auch der Boden der Erfahrung in dieser Wissenschaft, auch unserer Ansicht nach, niemals verlassen werden sollte, so scheint uns doch eine völlige Ausschließung des spekulativen Moments nicht gerechtfertigt zu sein. Die Volkswirtschaft ist das Produkt zweier Faktoren: der Natur und des menschlichen Geistes. Soweit natürliche Elemente in ihr wirken, Boden, Klima, organische, chemische, mechanische Kräfte, fußt sie auf dem Boden der Erfahrung, ist beherrscht durch Naturgesetze. Soweit aber die Volkswirtschaft das Produkt der menschlichen Intelligenz, des menschlichen Willens, der menschlichen Tätigkeit ist, fällt sie in das Gebiet des praktischen Geistes, empfängt von ihm die leitenden Gesetze. Diese Gesetze empirisch aufzufassen, und in die Wissenschaft aufzunehmen, ist Aufgabe derselben. Aber es ist dies nicht ihre einzige Aufgabe. Sie soll zugleich zeigen, inwiefern die regelmäßige erfahrungsgemäße Handlungsweise der Menschen überhaupt im Einklang steht mit den höheren Gesetzen des Geistes, oder vielmehr sie soll, von den Gesetzen des Geistes ausgehend, den in der Wirklichkeit waltenden vernünftigen Geist in sich darstellen, diesen Geist zur Herrschaft zu bringen suchen, das in der Erfahrung sich findende Unvernünftige, Verwerfliche aber in seiner Nichtigkeit und Verwerflichkeit darstellen. Hiermit wird es zur Aufgabe der Wissenschaft, zu zeigen, nicht bloß wie das regelmäßige Handeln der Menschen in wirtschaftlichen Dingen beschaffen ist, wie die eine oder die andere Handlungsweise zum Wohl oder zum Verderben führt, sondern auch wie das wirtschaftliche Handeln beschaffen sein soll? Wenn dies aber die Aufgabe der Nationalökonomie ist, so kann zwar nicht an sie die Forderung gestellt werden, daß sie sich mit der Wissenschaft der Moral, so weit diese das wirtschaftliche Leben beleuchtet, völlig identifiziert, sie soll vorherrschend die Gesetze, Regeln, Maximen des wirtschaftlichen Lebens, als die besondere Wissenschaft dieser Seite der menschlichen Zustände darstellen; aber es kann von ihr gefordert werden, daß sie da, wo die höheren Gesetze des menschlichen Handelns wesentlich bestimmend auf den Gang der wirtschaftlichen Angelegenheiten einwirken, diese Gesetze hervorhebt, und daß sie da, wo das Handeln aus rein wirtschaftlichen Rücksichten verderblich ist, unter einem Hinweis auf die höheren Gesetze der menschlichen Natur entgegenwirkt; sie darf die Beachtung der sittlichen Fäden, die sich durch das wirtschaftliche Leben ziehen, nicht von sich weisen. Wir erkennen gerne an, daß die abstrakte Auffassung der wirtschaftlichen Tätigkeit den wünschenswerten Erfolg hat, die Macht des rein wirtschaftlichen Prinzips in allen seinen Konsequenzen zur vollständigen Erkenntnis zu bringen; aber wir glauben, daß sich eben dadurch das Ungenügende dieses Prinzips an den Tag stellen muß, wir glauben jedenfalls der Wissenschaft das Recht einer Auffassungsweise vindizieren [zusprechen - wp] zu müssen, welche die im wirtschaftlichen Leben waltenden höheren Triebe und Gesetze zu Bewußtsein bringt. Obgleich dem Prinzip nach RAU (3) die Pflicht dieser Auffassungsweise nicht der Wissenschaft auferlegen will, so gibt er doch zu, daß die Volkswirtschaftslehre, ohne ihre Grenzen zu überschreiten, auch die höheren Beziehungen ihres Gegenstandes beleuchten kann, daß sie die Sachgüter nur als Mittel für die persönlichen betrachten und die nachteiligen Wirkungen nicht übersehen darf, welche aus dem ungemäßigten Verfolgen der wirtschaftlichen Zwecke für den Zustand einzelner Familien, Volksklassen und ganzer Völker entstehen können. Ebendamit aber erkennt er an, daß die Grundsätze der wirtschaftlichen Tätigkeit zu bilden sind nach den stillschweigend vorausgesetzten höheren sittlichen Gesetzen. Dies ist es im Grunde, was wir zunächst hauptsächlich von der Wissenschaft anerkannt, aber auch in allen seinen Konsequenzen festgehalten wünschen. Allerdings führt der Widerstreit der Interessen, welchen der wirtschaftliche Egoismus aufregt, durch die Wirkungen, welche er in seinem Gefolge hat, zu der Überzeugung, daß das Interesse der Einzelnen, der verschiedenen Volksklassen und das gemeinschaftliche Wohl verschiedener Völker nur in der harmonischen Verfolgung der gemeinsamen Zwecke, bei gegenseitigem freieren Völkerverkehr seine wahre dauernde Befriedigung findet, daß der wahre verständige Egoismus in derjenigen Handlungsweise besteht, welche, indem sie zunächst egoistische Zwecke verfolgt, zugleich für die Interessen Anderer, für die Interessen der Gesellschaft wirksam ist. Der Grundherr, der zunächst durch die Ausbeutung seiner Pächter oder Arbeiter, durch die Hemmung der Entwicklung des gewerblichen Lebens seine Interessen zu fördern glaubt, muß allmählich zu der Überzeugung gelangen, daß sein wahres dauerndes Interesse nur durch eine liberale Behandlung seiner Arbeiter und Pächter am Besten begründet werden kann; daß die Entwicklung des städtischen Lebens, weit entfernt, seinen Interessen entgegenzustehen, diese Interessen vielmehr in einem hohen Grad zu fördern geeignet ist. Dem Handwerker, dem Fabrikanten, dem Kaufmann, der unmittelbar durch Monopole und Privilegien, durch hohe künstlich gesteigerte Warenpreise seinen Vorteil zu erreichen glaubt, muß sich die Überzeugung aufdrängen, daß die Verallgemeinerung eines monopolistischen Strebens den Nutzen des Monopols der Einzelnen aufhebt, die Vergrößerung der Konsumtion und des Absatzes und die Ausbildung einer regeren gemeinnützigen Tätigkeit zum Nachteil eines Jeden verhindert und daß die Verallgemeinerung einer freieren Konkurrenz zuletzt dem Interesse Aller am Besten entspricht. Vom fiskalischen Standpunkt der Regierung aus muß Erfahrung und Nachdenken zu der Einsicht führen, daß nicht bei der Ausbeutung einzelner Klassen durch die anderen, nicht durch übermäßige, die Quellen des künftigen Einkommens schwächende Besteuerung, durch lästige Staatsmonopole usw. ein großes, nachhaltiges Einkommen gesichert werden kann, sondern nur bei möglichster Entwicklung der Kräfte und des Wohlstands aller Klassen des Volkes, bei gleichmäßiger gerechter Berücksichtigung der verschiedenen Interessen, bei weiser Schonung der Quellen des künftigen Einkommens. Im Verkehr der Völker untereinander muß schließlich die feindliche Spannung, in welche der Kampf der Interessen versetzt ist, der Überzeugung Eingang verschaffen, daß unmöglich durch gegenseitige Überlistung, Beschränkung und Hemmung, sondern nur durch einen gegenseitigen Wettkampf in der Vervollkommnung der Tätigkeit, durch gegenseitigen freieren Verkehr das dauernde Wohl der Völker wahrhaft gefördert werden kann. Schon aus dem Kampf der egoistischen Interessen erwächst also die Einsicht, daß das wahre und dauernde wirtschaftliche Wohl der Einzelnen, der Stände und Völker nur erreicht werden kann durch gegenseitige Konzessionen, durch die harmonische Verfolgung gemeinsamer Zwecke. Zu dieser Stufe der Erkenntnis führt schon diejenige Behandlung der Nationalökonomie, welche lediglich die egoistisch-wirtschaftlichen Interessen ins Auge faßt, welche den Gesetzen der Moral keinen Einfluß auf ihre Ansichten und Maximen gestattet. Allein auch diese Stufe der Erkenntnis läßt dem schädlichen Kampf der egoistischen Interessen noch einen weiten Spielraum; sie setzt den wirtschaftlichen Strebungen keinen höheren Zweck, kein höheres Ziel; sie setzt, um eine große allgemeinere Gewalt im Leben auszuüben, eine allgemeine, dem verblendeten Egoismus selten eigene tiefere Erkenntnis der gesellschaftlichen Interessen, die Macht der einzelnen Stände, die Macht der Staatsgewalt voraus, die sich widerstreitenden Interessen in einen möglichst harmonischen Einklang zu bringen. Aber jene Einsicht und diese Macht fehlen so häufig. Zu einer wahrhaft höheren Stufe der Erkenntnis, zu einer Erkenntnis, die auch dem weniger gebildeten Verstand zugänglich ist, die moralisch zu einer bestimmten Handlungsweise verpflichtet, führt allein das Hinausgehen über das reine Utilitätsprinzip, die Anknüpfung der wirtschaftlichen Maximen an die höheren Gesetze einer sittlichen Ordnung. Suchen wir daher im Folgenden die sittlichen Gesetze, welche das wirtschaftliche Leben beherrschen, die sittlichen Triebfedern, die in ihm walten, einer näheren Auseinandersetzung zu unterwerfen. Vor allem setzt diese Auffassungsweise die Anerkennung der höheren Persönlichkeit des Menschen, die Anerkennung der moralischen Würde desselben voraus. Auch im wirtschaftlichen Leben, bei seinen wirtschaftlichen Strebungen soll der Mensch nicht bloß als verständig-sinnliches Wesen, als höheres Tier betrachtet und behandelt werden, sondern zugleich als ein Glied einer höheren moralischen Ordnung, als sinnlich-vernünftiges Wesen. Aus diesem Grundsatz ergibt sich eine Reihe von Folgerungen: 1. Unter allen Umständen muß die Herabdrückung einzelner Volksklassen zu bloßen Produktionswerkzeugen, zu Lasttieren der Gesellschaft verworfen werden. Mag auch die ökonomische Berechnung die Vorteile der Aufhebung der Sklaverei, der Leibeigenschaft für die Beteiligten zweifelhaft machen, mag sie vielleicht erst in ferner Zukunft, für künftige Generationen einen ökonomischen Nutzen in Aussicht stellen; jene Zustände sind vom moralischen Standpunkt aus verwerflich, und schon deshalb aus dem gesellschaftlichen Leben zu verbannen. Die Volkswirtschaftslehre soll immerhin die ökonomischen Vorteile und Nachteile jener Zustände prüfen, die wirtschaftlichen Folgen, die aus ihrer Aufhebung entspringen, untersuchen, wo sie es kann, nachweisen, daß das wahre ökonomische Interesse den sittlichen Forderungen entspricht; daß ein sittliches Handeln auch wirtschaftlich nutzbringend ist; aber das Resultat der ökonomischen Berechnungen mag immer ausfallen, wie es will, das Gebot des höheren Gesetzes steht fest. Mag ferner das ökonomische Interesse einzelner Stände die Herabdrückung des Lohns der Arbeiter auf das äußerste Minimum anraten, mag es ökonomisch noch so ratsam erscheinen, zu einer Vervollkommnung und Vermehrung der Produktmenge das Maß der Kräfte der Arbeiter auf das Äußerste anzuspannen, mit der Zeit zur Arbeit auf das Höchste zu geizen, selbst die Stunden der Nacht, auch die zur physischen Erholung, zur Sammlung und Erbauung des Geistes bestimmten Tage zur Arbeit zu nutzen; mag es für Unternehmer und Eltern noch so erträglich sein, schon im zartesten Alter die Kräfter der Kinder auf Kosten ihrer physischen und geistigen Ausbildung auszubeuten; das höhere Gesetze der Sittlichkeit stellt an die Einzelnen, wie an die Gesellschaft die gebieterische Forderung, die Lage der armen arbeitenden Klassen, der schwachen hilflosen Kinder nicht auf eine Wiese zu mißbrauchen, die ihrem menschlichen Dasein allen Wert raubt, die sie zu tierischen Wesen erniedrigt. Das ökonomische Gesetz der Produktion, das die Hervorbringung der möglichst großen Masse von Gütern mit dem möglichst geringen Aufwand menschlicher Zeit und Kraft fordert, muß hiernach durch das Hinaufheben des ökonomischen Lebens in den Kreis der moralischen Welt eine wesentliche Restriktion erleiden. Unter dem Streben nach irdischen Gütern, nach den Mitteln zur Befriedigung der Bedürfnisse, soll bei keiner Klasse der Gesellschaft der Zweck des menschlichen Lebens selbst zugrunde gehen. 2. Ohne die Achtung der moralischen Würde, der sittlichen Rechte der Menschen gibt es keine unbedingte Verpflichtung einzelner Stände, für eine Verteilung des Einkommens unter sämtliche Klassen des Volkes Sorge zu tragen, die ihnen das Glück eines menschlichen Daseins sichert. Selbst die Staatsgewalt fordert nicht immer und unbedingt ihr Interesse hierzu auf. Die möglichste Größe der Produktion und des Erwerbs im Ganzen, selbst mittels Unterdrückung einzelner Klassen des Volkes kann ihrem Interesse als genügend erscheinen. Erst aus der Anerkennung der sittlichen Persönlichkeit aller Glieder des Staates erwächst die unbedingte Verpflichtung für die Regierung und die Gesellschaft, auf eine Verteilung des Volksvermögens und Einkommens hinzuwirken, bei welcher alle Klassen des Volkes ein menschliches Leben zu führen imstande sind. Es gereicht der neueren Wissenschaft zu hohem Ruhm, daß sie der Lehre von der Verteilung des Volkseinkommens eine große Sorgfalt widmet, daß sie eine gute Verteilung desselben als eine Hauptaufgabe im gesellschaftlichen Leben betrachtet, daß sie den Grundsatz ausgesprochen hat, nicht sowohl die Größe der Produktion, die Vermehrung der Reichtumsmasse im Ganzen soll das Hauptziel ihres Strebens sein, sondern die Verhütung der Armut, die Hebung des Wohlstands der unteren Klassen. Die volle Verpflichtung, abgesehen von äußeren Gründen, so ihre Aufgabe zu fassen, erhält sie aber erst dann, wenn sie sich auf einen sittlichen Boden stellt, wenn sie die sittliche Berechtigung aller Volksklassen anerkennt. 3. Wie der Erwerb und die Verteilung der Güter ihr höheres Gesetz von der Moral empfängt, so auch die Verwendung, der Verbrauch derselben. Ohne sittliche Auffassung des menschlichen Lebens kennt die Konsumtion kein höheres Gesetz als das der Nachhaltigkeit; die Bestimmung, welche dem Vermögen gegeben wird, sobald diesem Gesetz Genüge geleistet ist, liegt außerhalb ihres Kreises; mag die Verwendung lediglich dem sinnlichen Genuß dienen, mag sie den höheren Bedürfnissen des Geistes keine Rechnung tragen, mag sie sittlich noch so verwerflich sein, solange sie nicht direkt die Quellen des künftigen Einkommens zerstört, hat sie von der Volkswirtschaftslehre keinen Vorwurf zu befürchten. Erst wenn die Nationalökonomie den Gesetzen der moralischen Welt einen Einfluß auf sich gestattet, empfängt sie die Grundsätze, welche das Streben nach irdischen Güter regeln, ihm "ohne die Nichtigkeit und Geringschätzung derselben zu lehren", seine Grenze zu setzen, das rastlose Jagen nach immer weiteren und neuen Genüssen zügeln, welche den Geiz, wie die Schwelgerei verbannen, die, wo kein äußeres Gesetz die Grenzlinie zwischen schädlichem und unschädlichem Luxus vorzuschreiben vermag, die rechte Grenze bezeichnen, die der Verwendung der materiellen Güter eine Richtung geben, welche dem Adel des menschlichen Geistes entspricht, Wohlsein in möglichst weiten Kreisen verbreitet, und die Kraft zum Erwerben, die Kraft zum Handeln in der Familie, in der Gemeinde, im Staat für die Zukunft nicht bloß erhält, sondern stärkt und vermehrt. Versuchen wir also nach dieser Andeutung der allgemeinen, das wirtschaftliche Leben beherrschenden sittlichen Gesetze die Macht sittlicher Triebfedern in demselben näher im Einzelnen nachzuweisen. 1. Die Volkswirtschaftslehre, indem sie der Macht sittlicher Triebfedern weniger Rechnung trägt, stützt die ganze wirtschaftliche Tätigkeit der Einzelnen in der Regel auf den Eigennutz, leitet von ihm alle wirtschaftlichen Handlungen, alle Anstrengung des Geistes, alle Tätigkeit ab, und erwartet von ihm im Einzelnen wie im Allgemeinen in der Hauptsache ein befriedigendes Ergebnis. Wir sind weit davon entfernt, die Macht des Egoismus in allen Verhältnissen des Lebens, namentlich aber in wirtschaftlichen Dingen in Abrede zu stellen. Er ist ein mächtiger Ansporn zur Tätigkeit; er übt innerhalb bestimmter Grenzen einen großen wohltätigen Einfluß im menschlichen Leben aus; es muß ihm selbst eine sittliche Berechtigung zugestanden werden. Jeder Mensch hat das Recht der Existenz, hat die Pflicht, sich in eine ökonomische Lage zu versetzen, die ihn befähigt, als freier Mensch Anderen gegenüber zu treten, das Recht seiner Persönlichkeit zu verteidigen, sich unabhängig von Anderen zu machen. Noch mehr! Er hat die Pflicht, zur Befriedigung seiner Bedürfnisse all seine Kraft anzustrengen, um Andere, um die Gesellschaft der Notwendigkeit zu entheben, ihn für den Fall der Verarmung aus ihren Mitteln zu unterstützen. Indem aber der Egoismus durch diese sittlichen Motive veredelt auftritt, wird seine Kraft zur Tätigkeit unendlich gestärkt. Der Einzelne produziert und erwirbt nicht mehr bloß getrieben durch die Not, durch das Streben nach Genuß, nach einer Auszeichnung vor Anderen, sondern zugleich getrieben durch das Gefühl der Pflicht und der Ehre, durch die Furcht vor der Schande, Anderen zur Unterstützung anheimzufallen, in ihre Abhängigkeit zu geraten, kurz durch Motive, die unenendlich mächtiger sind, als der jedes edleren Triebes entblößte Egoismus. In dieser sittlichen Triebfeder, welche den Menschen hebt, seinen Mut stählt, ihn vor einem moralischen Versinken verwahrt, liegt die unendliche Bedeutung der Herrschaft eines sittlichen Geistes, eines sittlichen Ehrgefühls unter allen Klassen des Volkes auch in wirtschaftlicher Hinsicht. Dieser Geist ist es aber nicht bloß, der die Kraft zur Erwerbstätigkeit erhöht, er ist es auch, der bei der Verwendung und Konsumtion der Güter die Beachtung und Befolgung der höheren Gesetze am sichersten verbürgt, der einen einfachen, zufriedenen Sinn bildet, der vorzüglich befähigt, den Lockungen des Augenblicks zu widerstehen, an Genüssen sich zu ergehen, Kapitalien zu sammeln und für die Zukunft zurückzulegen. Dieser Geist ist es, der für die Arbeit gern den verdienten Lohn bezahlt, den schuldigen Dienst zum angemessenen Preis gewissenhaft leistet, der Zutrauen bei den Mitbürgern erweckt, dem Produzenten, dem Kaufmann Abnehmer für seine Waren verschafft, die Kundschaft erwirbt und erhält, den Absatz in steigender Progression vergrößert. Er ist es schließlich, der den Kredit im engeren Sinn, das Leihvertrauen schafft, indem er den Willen, die eingegangenen Verbindlichkeiten zu erfüllen, stärkt, für die Erfüllung derselben die sicherste Gewähr leistet. 2. Die Macht des sittlichen Prinzips äußert sich aber weiter, indem sie sich hinauserstreckt über das Interesse der einzelnen Individuen, zunächst namentlich in der Sorge für das Wohl der Familie. Die Liebe zur Gattin, zu den Kindern ist in allen Kreisen der Gesellschaft eine so mächtige Triebfeder zur Erwerbstätigkeit und Sparsamkeit, daß der Einzelne seine Sorgfalt ausdehnt weit über sein eigenes persönliches Interesse, selbst über die Dauer seines eigenen Lebens hinaus; sie gibt Lust und Mut und Kraft zu Anstrengungen, zu welchen aus egoistischem Trieb allein, aus dem Streben nach Wohlleben, Auszeichnung und Nachruhm die Kraft nie hätte geschöpft werden können. Ebendarum ist das sittliche Institut der Ehe auch in wirtschaftlicher Hinsicht eines der wichtigsten Institute im Leben. Sie lenkt durch die Macht der häuslichen Neigungen den jungen Mann von Luxus und Verschwendung, das Mädchen von Leichtsinn, Putzsucht und unordentlichem Leben ab; sie stärkt das schwächere Geschlecht durch den Rat, die Unterstützung des Mannes; den Mann durch die Liebe, die Sorgfalt des Weibes; der Blick auf ihre Kinder kräftigt ihre Anstrengungen. Eine Zerrüttung der ehelichen Verhältnisse aber ist der sichere Vorbote der Zerrüttung auch der wirtschaftlichen Verhältnisse. Mit dem Zerreißen der ehelichen Bande erschlafft auch die Sorge des Familienvaters für Frau und Kinder, der Geist der Unordnung dringt in alle wirtschaftlichen Verhältnisse: die Wirtschaft geht zurück, anstatt vorwärts zu schreiten. Und diese Wirkungen greifen weit und tief. Nicht bloß das Wohl der Familie in der Gegenwart wird untergraben, nicht bloß das gegenwärtige Vermögen, das den Kindern zufällen könnte und sollte, wird geschmälert und verschleudert, das Beispiel der häuslichen Zwietracht und Unordnung wirkt in der Seele der Kinder oft durch Generationen fort. Wie unendlich nachteilig sind ferner die Folgen, die auch in wirtschaftlicher Hinsicht aus unehelichen Verbindungen namentlich für die daraus hervorgegangenen Kinder und für die Gesellschaft entspringen? Meist ohne väterliches Vermögen, und was mehr ist, ohne väterliche Zucht und Fürsorge, ohne Sinn für ein geordnetes Familienleben, fallen sie den Gemeinden, den öffentlichen Anstalten, oft den Strafhäusern anheim, und anstatt nützliche Glieder der bürgerlichen Gesellschaft zu sein, was sie im Schoße der Familie erzogen, hätten werden können, werden sie sich und anderen eine Last. Es ist daher auch vom wirtschaftlichen Gesichtspunkt aus betrachtet, eine in höchstem Grad leichtsinnige, allen sittlichen Sinnes, allen Verstandes bare Tendenz, welche auf die Lockerung des ehelichen Verhältnisses, selbst auf die Vernichtung dieses wichtigen sittlichen Institutes hinarbeitet; die das menschliche Glück durch einen Zustand der Gesellschaft zu begründen hofft, und welchem das Eigentum, das Erbrecht, die Ehe völlig verschwunden wären. Auf das Engste verbunden mit der der durch sittliche Motive veredelten Eigenliebe, mit der Liebe zur Familie nämlich, steht auch das Recht des Privateigentums und des Erbrechts. Indem nicht bloß das Interesse,, sondern auch die sittliche Pflicht jedem Menschen gebietet, sich in eine ökonomische Lage zu versetzen, die ihm ein freies menschliches Dasein verschafft, ist es zugleich eines der heiligsten Rechte des Menschen, den Schutz seines Besitzes und seines Erwerbs von der Gesellschaft in Anspruch zu nehmen. Die Nichtachtung dieses Anspruchs, die Aufhebung des Privateigentums würde die egoistische Triebfeder zur Erwerbstätigkeit in doppeltem Maß schwächen; denn sie würde auch das sittliche Motiv, das sich mit dem Egoismus verschwistert, und die Kraft zur Erwerbstätigkeit verdoppelt, in hohem Grad vermindern. Das Gleiche gilt vom Erbrecht. Würde die Verlassenschaft Verstorbener nicht an diejenigen fallen, die durch Bande des Bluts mit der Erblasser verbunden waren, denen er mit Freuden nach seinem Tod die Frucht seiner Anstrengungen hinterläßt, würd, wie die Saint-Simonisten und Kommunisten verlangen, das Vermögen Verstorbener der Gesellschaft anheimfallen, so wäre damit eine der wichtigsten sittlichen Triebfedern der Erwerbstätigkeit und Sparsamkeit aus der Gesellschaft genommen. Der sittliche Sinn in den Familien ist es aber ferner, der seine Fürsorge selbst auf entferntere Generationen ausdehnt; der Bäume pflanzt, die erst in entfernter Zukunft Nutzen bringen, der durch Familienstiftungen auch für ungeborene Geschlechter sorgt; der die Familiengüter durch eine Reihe von Generationen zusammenhält, und vermehrt; der entgegenwirkt gegen die Lockungen des Augenblicks, die zur Zersplitterung jener Güter, zur Hingabe derselben gegen flüchtige Güter der Gegenwart auffordern, gegen Güter, die nicht mehr zusammengehalten werden durch jenen sittlichen Geist, der sie geschaffen hat, der mahnend gleichsam aus ihnen selbst spricht. Nicht der Eigennutz, sondern der sittliche Sinn ist es vorzüglich, in dem die Sparkassen, die Wittwen- und Waisenkassen, die Lebensversicherungsanstalten, ihre tiefste Wurzel haben; ihr Gedeihen ist ein ehrendes Zeugnis für die Zunahme des sittlichen Geistes im Volk. Dieser Geist der Tätigkeit, der Sparsamkeit, der Vorsicht und Fürsorge auch für spätere Nachkommen ist eine der wesentlichsten Grundlagen auch der jetzt bestehenden Vermögensverteilung; er ist es, der die wirtschaftliche Lage der verschiedenen Volksklassen zu jeder Zeit vorzüglich bedingt. Dies mögen diejenigen wohl bedenken, welche den Besitz der Reicheren mit Neid und Haß betrachten, das Eigentum, wie es besteht, als einen aufgehäuften Raub der Einen an den Anderen zu bezeichnen sich erfrechen; sie mögen sich zu Bewußtsein bringen, daß Fleiß, Ordnung, Sparsamkeit, wenn sie in derselben Familie Generationen hindurch lebendig wirken, wenn sie durch die Macht der Erziehung und des Beispiels übergehen auf Kinder und Kindes-Kinder, in den meisten Fällen, zu befriedigenden äußeren Glücksumständen führen; sie mögen, um ihre eigene Lage und die ihrer Nachkommen zu verbessern, damit beginnen, sich selbst zu reformieren, sich in der Ausdauer zu üben, ihre Genußsucht zu zügeln, ihren eigenen unlauteren Sinn zu ändern. Sie mögen die Statistik der Armut nachschlagen, und sich überzeugen, wie häufig die Erscheinung derjenigen Armut ist, deren Quelle auf Leichtsinn, Laster und Verbrechen zurückgeführt werden muß. Wenn man die Zahl derjenigen Armen abrechnet, welche aus Greisen und Kindern, Gebrechlichen und Kranken bestehen, so ist es die Ausschweifung, die Verschwendung, die Unmäßigkeit, das Verbrechen, kurz die Unsittlichkeit in ihren mannigfaltigen Gestalten, die für sich mehr Arme macht, als alle anderen Ursachen zusammen. In Nordamerika sind drei Vierter der Armen ein Opfer der Trunksucht. 3. Die Macht sittlicher Triebfedern äußert sich in einem größeren allgemeineren Maß allerdings hauptsächlich in der Sorge für das eigene Familienwohl. Je entfernter die sittlichen Kreise der Familie stehen, desto weniger allgemein, desto schwächer ist in der Regel ihre Wirksamkeit. Allein es wäre doch eine wichtige Tatsache übersehen, wenn man die Macht des sittlichen Geistes, der sich in einem korporativen und politischen Leben wirksam zeigt, völlig außer Acht lassen wollte. Die korporative Verbindung der Menschen erhöht ihr Selbstbewußtsein, stärkt ihre Kraft, kontrolliert ihre Aufführung auch in wirtschaftlichen Beziehungen; sie treibt zur Unterstützung der Genossen durch Rat und Tat; zur Sorge für ihre Wittwen und Waisen, zur Verfolgung gemeinsamer Zwecke mit dem Gewicht vereinigter Kräfte. Aber auch in der Gemeinde, im Staat ist es der sittliche Geist, der Sparsamkeit, Zweckmäßigkeit und Ordnung in die Verwaltung bringt, den Kredit gründet und erhält, und auf das wirtschaftliche Wohl der gegenwärtigen und künftigen Generationen diesen mächtigen Einfluß ausübt; er ist es hauptsächlich, der der öffentlichen Konsumtion Maß und Ziel vorschreibt, schädlichen Luxus und Verschwendung verbannt, eine gute Verteilung der Lasten bewirkt; der bei der Auswahl der Einnahmequellen nicht bloß ihre Einträglichkeit für die Staatskasse, sondern auch ihre Wirkung auf das wirtschaftliche und sittliche Wohl der Bürger ins Auge faßt; der nicht spekuliert auf die Einfalt, Leidenschaft, Spielsucht des Volkes; nicht freventlich unerschwingliche Lasten auf künftige Generationen wälzt. Dieser sittliche Geist ist es schließlich, der eine Reihe von Kapitalien hinterlegt in Stiftungen und mancherlei Anstalten für wohltätige Zwecke, für Arme und Kranke, für Unterricht und Erziehung; der, wenn auch nur ausnahmsweise im Dienst der Gemeinde, des Vaterlands auch für wirtschaftliche Zwecke zu Anstrengungen treibt, wozu reiner Eigennutz oder Ehrgeiz der Einzelnen nie getrieben haben würde. 4. Wie im Ganzen die Produktion und Konsumtion von einem sittlichen Geist beherrschaft werden muß, wenn sie das gesellschaftliche Wohl wahrhaft begründen soll, wie beim Einzelnen, in der der Familie, in der Korporation, der Gemeinde usw. die sittlichen Triebfedern die festesten Träger des wirtschaftlichen Wohles bilden, so muß auch das Verhältnis der Stände untereinander, jeder Kreis des gewerblichen Lebens von jenem Geist durchdrungen sein, wenn die wirtschaftliche Tätigkeit zum Frommen [Nutzen - wp] der Gesellschaft ausfallen soll. Betrachten wir zunächst die Verhältnisse des Landbaues. Ein befriedigender Zustand der landwirtschaftlichen Verhältnisse eines Staates, wie sehr er auch durch die Ausbildung der Gewerbekunst, durch intelligenten Betrieb, durch die Verteilung des Bodens usw. bedingt ist, hängt doch wesentlich zugleich vom Geist ab, in welchem die Beziehungen der Grundbesitzer zur landbautreibenden Klasse geregelt sind. Und hierbei ist es hauptsächlich der Geist der mächtigeren Klasse, der Grundherren, der von vorherrschender Bedeutung ist, indem sie auf die wirtschaftliche und moralische Erhebung oder Erniedrigung der unteren Klassen den entschiedensten Einfluß auszuüben imstande sind. Oft hat die Macht der Verhältnisse die niederen Klassen in eine Lage versetzt, die ihnen die Verbesserung derselben in einem hohen Grad erschwert; die Fesseln der Sklaverei und Leibeigenschaft sind oft so fest um Millionen geschlungen, daß von einer Erhebung auf eine höhere Stufe aus eigener Kraft gar nicht die Rede sein kann. Schon das wohlverstandene eigene Interesse fordert zwar in vielen Fällen die Sklavenbesitzer, die Herren der Leibeigenen auf, die Bande zu lösen, welche die produktive Tätigkeit lähmen, und die Quelle der Verbesserung des eigenen Zustandes verschließen. Allein diese Einsicht reift meist langsam, wird langsam in größeren Kreisen zu einer die Kraft zum Handeln gewährenden Überzeugung, der zu hoffende Nutzen liegt oft in einer so fernen Zukunft, daß ohne die Macht der sittlichen Kraft, welche auch zu persönlichen Opfern befähigt, um die Lage der Kinder und Enkel zu verbessern, welche überhaupt weiter reicht, als wozu das persönliche, selbst das Familieninteresse antreiben würde, wir sagen, der Nutzen liegt oft dem gegenwärtigen Besitzer gegenüber in so unbestimmter Aussicht, daß ohne die Mitwirkung des sittlichen Prinzips, ohne die Anerkennung der sittlichen Pflicht, zur Verbesserung der Lage der unteren Klassen zur Erhöhung der Kraft des Staates beizutragen, von einem Fortschritt zum Besseren oft lange keine Rede sein würde. Sehen wir ab von den in unseren zivilisierten Staaten verschwundenen Zuständen der Sklaverei und Leibeigenschaft, so drängen sich der Betrachtung auch jetzt mannigfache Hemmnisse der Verbesserung des Zustands der unteren Klassen auf, zu deren Hinwegräumung die sittliche Pflicht der höheren Stände, die in diesem Geist handelnde und ordnende Macht der Gesetzgebung angerufen werden muß. Fassen wir zunächst das Verhältnis der Grundherren zu den unmittelbar im Landbau beschäftigten Unternehmern und Arbeitern ins Auge. Das unmittelbare Interesse des Grundeigentümers, das, wozu ihn das rein wirtschaftliche Prinzip zunächst auffordert, ist die Erzielung einer möglichst hohen Rente. Die Herabdrückung des Einkommens der Unternehmer und Arbeiter auf das Minimum des Lebensbedarfs, die widerrufliche, möglichst kurze Festsetzung der Pachtzeit, um jeden günstigen Moment zur Erhöhung der Rente benützen zu können; die Verpachtung seiner Grundstücke im Kleinen, um eine möglichst große Zahl von Pachtliebhabern herbeizuziehen, um durch die Konkurrenz die Pachtrente möglichst in die Höhe zu schrauben, scheint daher durch sein Interesse geboten. Diese Handlungsweise des Egoismus tritt uns in ihrer schroffsten Gestalt in Irland entgegen. Aber auch die Folgen, die aus dieser Handlungsweise entspringen, sind bekannt. Der kleine Pächter und Tagelöhner ist bei seinem geringen Einkommen ganz außer Stand, für Zeiten, in welchen er wegen Krankheit oder Mangel an Arbeit nichts verdienen kann, etwas zurückzulegen. Er vermag keine Ersparnisse zum einstigen Unterhalt in seinen alten Tagen, ferner für seine Wittwe und unerwachsenen Kinder im Fall seines Todes zu machen. Die Wohnungen von beinahe fünf Millionen Menschen dieser Klasse, bestehen in elenden Hütten. Mehrere Glieder der Familie schlafen zusammen auf Stroh und sogar auf bloßer Erde. Ihre Nahrung besteht einzig und allein aus in Wasser gekochten Kartoffeln, die ohne alles Salz und andere Zutat genossen werden. Ganze Massen dieser Bevölkerung haben häufig kein anderes Mittel der Erhaltung als den Bettel, und die Gewißheit, welche die Wohlhabenden von diesem Zustand der Dinge haben, macht, daß sie Almosen ohne alle Erkundigung nach den Umständen geben, wodurch aber der Faulheit, dem Betrug und vielen anderen Lastern Vorschub geleistet wird. Kurz der ganze Zustand der Gesellschaft ist in seinen Elementen zerrüttet. (4) Diese Folgen müssen den Grundherrn zu der Einsicht führen, daß sein wahres dauerndes Interesse, das Interesse der ganzen Gesellschaft nur durch eine Behandlung seiner Pächter und Arbeiter gefördert wird, die ihnen möglich macht, mit Lust und Liebe ihrem Erwerb nachzugehen, die bewirkt, daß der Pächter in seinem Grundherrn nicht seinen Bedrücker, sondern den Genossen seiner Interessen, seinen Freund und Schutzherrn erblickt. Schon das äußere Vertragsverhältnis, die billige Festsetzung des Pachtzinses, die Dauer der Pachtzeit, muß diese Beziehung des Grundherrn zu seinen Pächtern aussprechen. Aber dieses Verhältnis wird ein wahrhaft menschliches, förderliches erst dann, wenn es zugleich von sittlichem Geist durchdrungen wird, wenn der Grundherr seinem Pächter und Arbeiter nicht bloß das rententragende Stück seines Inventars, sondern zugleich den Menschen würdigt, auf dessen Lage er durch seine Stellung in der Gesellschaft, durch sein Vermögen und seine Bildung den mächtigsten Einfluß zu üben imstande ist, wenn sich das Verhältnis zu einem zugleich auf sittlicher Basis beruhenden Schutz- und Klientelverhältnis ausbildet, wenn sich der Widerstreit der Interessen auflöst, die Härten desselben sich durch gegenseitiges Händereichen auf sittlichem Boden mildern. Ähnliches gilt in Beziehung auf eine Reihe von Rechten, die dem Grundherrn auf den Boden zustehen. Nehmen wir z. B. das Zehentrecht. Stellt man sich auf den rein wirtschaftlichen Standpunkt der Zehentberechtigten, so kann kein Zweifel sein, daß die Umwandlung dieses Rechts z. B. durch die Fixierung des Zehent in vielen Fällen zumindest unter Berücksichtigung der künftig aus demselben zu erwartenden Vorteile von Nachteil ist. Denn eine Fixierung schneidet die Hoffnung auf eine Erhöhung des Einkommens, wie sie sich durch einen, wenn auch langsam fortschreitenden Bodenanbau wahrscheinlich ergeben würde, ab. Auf der anderen Seite hemmt eine Abgabe vom rohen Ertrag des Bodens jedenfalls auf einer höheren Stufe landwirtschaftlicher Kultur die nützlichstes Anwendung der Kräfte, die Verbesserung der Lage der landbautreibenden Klasse, den Fortschritt des gesellschaftlichen Zustands im Ganzen. Indem auf der einen Seite die Berechtigten sich auf ihr Interesse und ihr gutes Recht berufen, entsteht auf der anderen das Gefühl der Verletzung einer sittlichen Pflicht, der Versuch der Geltendmachung eines sittlichen Rechts. Man hielt den Zehent, bemerkt VOGELMANN ("Die Zehent-Ablösung in Baden", Seite 9) zuerst für gerecht, aber hart; dann für unbillig und zuletzt für ungerecht. Bei dieser Ansicht glaubten die Zehentpflichtigen ganz auf der rechten Bahn zu sein, wenn sie ihre Früchte in der Zeit einheimsten, die ihnen zur Ernte geeignet schien, wenn sie dem Zehentherrn soviel zurückließen, als ihnen gefällig war. Hatte aber das Gewissen der Zehentpflichtigen ein Leck bekommen, so war es Zeit für die Zehentberechtigten, ihre Rechte zu retten, und dem Zehentablösungsgesetz ihre Zustimmung zu geben. Auch hier kann der Zwiespalt der Interessen nur dann eine freie Lösung finden, wenn die Berechtigten sich auf den höheren sittlichen Standpunkt stellen, wenn sie im Interesse der Pflichtigen, im Interesse des gesellschaftlichen Wohls, wenn auch mit Aufopferung eines künftig zu erwartenden Vorteils, von selbst die Hand zur Lösung bieten. In diesem Fall aber sind sie gewiß, den Dank der Mit- und Nachwelt zu ernten, und aus der Entwicklung der wirtschaftlichen Zustände ihres Vaterlandes, der Kraft des Staates einen mannigfachen Ersatz zu erhalten für die Opfer, die sie im Gefühl ihrer Pflicht dem allgemeinen Wohl gebracht haben (5). Zu den grundherrlichen Rechten, welche zu einer Ausgleichung in einem höheren sittlichen Geist auffordern, gehört ferner namentlich auch das Jagdrecht. Indem dieses Recht auf der einen Seite für die Berechtigten die Quelle eines vielfachen Vergnügens ist, und in vielen Fällen auch durch eine reichliche Geldentschädigung ihnen nicht ersetzt werden kann, ist es auf der anderen Seite für diejenigen, auf deren Besitzungen dasselbe lastet, häufig eine Quelle zahlloser Plackereien und Beschädigungen, ein Hemmnis der Kultur des Bodens, ein Hohn auf die Arbeit von tausend fleißigen Händen. Auch hier ist es nur die sittliche Achtung der Arbeit des Landmanns, die zur Lösung eines Zwiespalts von Interessen führen kann, der bei einer Festhaltung des egoistischen Prinzips unaufgelöst bleibt, bis er oft auf eine dem Recht und der Moral widerstreitenden Weise seine gewaltsame Lösung findet. In der Forstwirtschaft, das in verhältnismäßig weit geringerem Maß als die Landwirtschaft Menschenkräfte in Anspruch nimmt, ergeben sich eben deshalb auch weniger persönliche Kollisionen. Indessen kommt beim Betrieb desselben eine sittliche Rücksicht in anderer Weise in Betracht. Das unmittelbare Privatinteresse der einzelnen Waldeigentümer, das oft zu einer gänzlichen Ausrottung der Waldungen auffordert, kann hier keineswegs unbedingt maßgebend sein. Vielmehr zwingt häufig das Interesse der Gegenwart und der zukünftigen Generationen, auch mit Aufopferung des pekuniären Gewinns die Waldungen in einem den Bedürfnissen der gesamten Gesellschaft in der Gegenwart wie in der Zukunft entsprechenden Zustand zu erhalten. Diese sittliche Pflicht muß, wenn nicht der Familiengeist der Einzelnen, die Vorsicht der Gemeinden und Korporationen von selbst ihr Genüge leistet, vom Staat in Schutz genommen und ihre Erfüllung durch polizeiliche Fürsorge gesichert werden. Auch bei der Verwertung des Holzes muß namentlich an den Staat, wenn er es als größter Waldbesitzer in seiner Macht hat, die Preise desselben monopolistisch zu steigern, die Forderung gestellt werden, daß er zugleich seiner Pflicht eingedenk ist, die Lager der ärmeren Klassen nicht durch eine fiskalische Steigerung eines der notwendigsten Lebensmittel auf eine wirtschaftlich und sittlich verderbliche Weise zu verschlechtern. Im Bergbaugewerbe steht wie bei der Forstwirtschaft häufig das Interesse der jeweiligen Unternehmer im Widerstreit mit dem Interesse künftiger Generationen. Aber die Pflicht des lebenden Geschlechts gebietet, den Bergbau auf eine Weise zu betreiben, der auch künftigen Geschlechtern in ihm eine Quelle lohnender Beschäftigung erhält; sie fordert die Verbannung des Raubbaus. Bei diesem Gewerbe sind es ferner mancherlei Einrichtungen und Verbindungen sittlicher Natur, welche sein Gedeihen wesentlich gefördert, auf die Lage der bei ihm beteiligten Unternehmer und Arbeiter einen sehr wohltätigen Einfluß geübt. Wir erinnern z. B. an die Assoziation der Gewerkschaften, die seit dem 16. Jahrhundert in Sachsen besteht, und die Bestimmung hat, einzelnen hilfsbedürftigen Gruben durch unverzinsliche Vorschüsse oder reine Geschenke zu Hilfe zu kommen; an die Ordnung des Arbeiterverhältnisses, wodurch Weiber und Kinder von der Arbeit in den Bergwerken ausgeschlossen, die Arbeitszeit bestimmt, die Disziplin geregelt und ein Knappschaftsverband unter den Arbeitern mit bestellten Führern und Vertretern zur Wahrung ihrer Interessen, zu gegenseitiger Hilfe in der Not, zur Unterstützung der Wittwen und Waisen der Bergleute gebildet worden ist. Und wie sehr hat im Leben der Bergleute, die in saurer schlecht bezahlter Arbeit ihre Tage verbringen, dieser Geist, der sie verbrüdert, gesichert, gehoben hat - sie mit ihrer harten Lage versöhnt, die Liebe zu ihrem schweren Beruf tief in ihre Seele eingeprägt! Weiter sind es namentlich die Verhältnisse der technischen Gewerbe die zu einer Regelung in sittlichem Sinn auffordern. Wie mächtig hat im korporativen Leben der Zünfte der sittliche Geist, der sie beseelte, auch auf die wirtschaftliche Lage ihrer Mitglieder eingewirkt! Wie sehr hat er das Ehrgefühl derselben erhoben, die Zucht und Ordnung bei Jung und Alt gefördert! Wie vieles vermag dieser Geist auch bei der veränderten Gestalt der Verhältnisse noch in unseren Tagen, wenn er rein erhalten wird von den schädlichen Auswüchsen des Egoismus und neu belebt in seinem wahren edlen Sinn! Wie wichtig ist aber namentlich die Herrschaft eines sittlichen Geistes in den großen gewerblichen Verhältnissen unserer Zeit; bei der Macht des großen Kapitals, beim Einfluß des einzelnen Fabrikherren auf Tausende von ihnen abhängiger Arbeiter! Bekanntlich ist es besonders die Anwendung kostbarer arbeitsparender Maschinen, was in Verbindung mit einem intelligenteren zweckmäßig geordneten Betrieb im Großen den kleinen Gewerbetreibenden die Konkurrenz auf dem Gebiet der großen Gewerbe unmöglich macht, was ihnen die Gelegenheit zum Erwerb in der bisherigen Weise entzieht. Bei den großen Vorteilen, welche aus der Arbeits- und Kostenersparnis bei der Produktion durch Maschinen entspringen, kann von einem Verzicht auf die Anwendung derselben aus Rücksicht auf die in ihrer Existenz gestörten Handwerker, überhaupt auf die mit kleineren Hilfsmitteln arbeitenden Gewerbetreibenden nicht die Rede sein. Dem überwiegenden dauernden Interesse der ganzen Gesellschaft muß das untergeordnete temporäre Interesse verhältnismäßig weniger weichen. Auch von einem Recht auf seiten der kleinen Gewerbetreibenden, eine Schadloshaltung für den ihnen zugehenden Nachteil zu fordern, sei es gegenüber von den großen Unternehmern, oder von der Gesellschaft kann in der Regel keine Rede sein. Nur die sittliche Pflicht und die Gefahr, welche aus dem ökonomischen Ruin einer Anzahl von Bürgerfamilien für die gegenwärtige und künftige Gesellschaft entspringt, fordert zur Fürsorge für diejenigen auf, deren Wohl dem allgemeinen Besten zum Opfer gebracht werden muß. Wenn aber auch dieser Verbindlichkeit der Gesellschaft Genüge geleistet worden ist, so bildet sich beim Großbetrieb der Gewerbe jenes nue so vielfach gefahrdrohende Verhältnis der Fabrikherren und Fabrikarbeiter aus, das, wenn bei ihm das rein wirtschaftliche Interesse zügellos waltet, zum größten Verderben der Gesellschaft ausfallen kann. Wenn man von einem rein eigennützigen wirtschaftlichen Standpunkt aus das Verhältnis des Fabrikherrn zu seinen Arbeitern betrachtet, so hat jener keine andere Aufgabe, als mit einem möglichst geringen Kostenaufwand die möglichst große Masse preiswerter Produkte auf den Markt zu liefern. Sein Bestreben, den Arbeitslohn auf einen möglichst geringen Betrag herabzudrücken, die Arbeitszeit möglichst auszudehnen, zur Ersparnis von Kosten die wohlfeilen Kräfte der Kinder in seine Fabrik zu ziehen, seine Arbeiter in der vollsten Abhängigkeit von sich zu erhalten, all dies erscheint auf seinem Standpunkt vollkommen gerechtfertigt, die Aufgabe seiner wirtschaftlichen Klugheit. Allein wenn so der Unternehmer in seinen Arbeitern nichts anderes als Werkzeuge erblickt, welche er, wie die Spulen und Kardätschen an seinen Maschinen für seinen Gewinn benutzt, die er wegwirft, wenn sie ihm weniger brauchbar sind, deren leibliches und geistiges Wohl ihm eine völlig fremde Rücksicht ist, der sich in seinem Gewerbebetrieb keine andere Aufgabe stellt als "seinen Gewinn und Verlust zu buchen," so kann es nicht fehlen, daß dieser Geist des Egoismus auch bei den Arbeitern seine Früchte trägt, daß der Zwiespalt der Interessen, die Rücksichtslosigkeit und Härte der Behandlung Erbitterung erzeugt, daß sich ein Verhältnis ausbildet, das ökonomisch, moralisch und politisch in hohem Grad gefahrdrohend ist. Um dieses Verhältnis zu einem Besseren zu gestalten ist es vor allem nötig, daß der Arbeiter nicht bloß als Produktionswerkzeug, als Teil einer seelenlosen Maschine, sondern als Mensch, als menschlich berechtigtes Wesen vom Unternehmer, von der Gesellschaft aufgefaßt wird. Bei dieser Auffassungsweise wird es namentlich die Aufgabe der Fabrikherren, den mächtigen Einfluß, den sie auf das Wohl und Weh der Arbeiterklasse auszuüben imstande sind, nicht rein nach dem pekuniären Kalkül, sondern zugleich in einem höheren sittlichen Geist auszuüben. Ich habe, sagt de GERANDO in seiner schönen Schrift über die Fortschritte des Gewerbefleisses in Beziehung auf die Sittlichkeit des Arbeiterstandes (Kassel 1842, Seite 70) den Herrn eines gewerblichen Unternehmens gesehen, welcher bei geschicketer Führung seines Geschäfts, bei Erreichung eines hohen Wohlstands, umgeben von der öffentlichen Achtung, die Überzeugung gewonnen hat, daß es für ihn einen schönen und süßen Beruf gibt, den, der Vater seiner Arbeiter zu sein, und der voll Bestrebens, ihnen nützlich zu sein, den Glauben hegte, daß er ihren Wohlstand nicht besser fördern kann, als durch die Besserung ihrer guten Sitten. In seiner Anstalt herrscht überall eine vollkommene Ordnung. Die äußere Zucht ist streng. - Man nimmt keinen Arbeiter an, dessen gute Aufführung nicht gehörig dargetan ist. Der Trunkenbold ist gänzlich ausgeschlossen, jede Person, die durch ihre Reden, oder ihr Betragen den Anstand verletzt, wird entlassen. Die Liederlichkeit kann nicht einmal den Versuch wagen, durch Verführungen einzudringen, die zu beobachtenden Vorschriften und die Ermahnungen, welche zur Erläuterung oder Vervollständigung derselben dienen, sind in den Werkstätten angeschlagen; wenn ein Arbeiter angenommen wird, muß er vorher Kenntnis davon nehmen; eine mit Gerechtigkeit gepaarte Festigkei und eine tätige Aufsicht sichern die genaue Beobachtung derselben. Aber der Arbeiter oder die Arbeiterin, welche sich durch eine musterhafte Aufführung auszeichnet, erhält auch aus dem Mund des Herrn selbst die Belobigungen, welche zugleich eine gute Lehre für alle sind. Auch begleitet er dieselben mit Belohnungen. An gewissen Tagen des Jahres verteilt er diese Aufmunterungen selbst; es sind das Feiertage für die Manufaktur, und dann folgen gemeinschaftliche Freuden auf die in Gemeinschaft getragene Arbeit. Er nimmt sich der Kinder an und fördert ihre Erziehung, seine Frau, seine Mutter, seine Töchter besuchen die kranken Arbeiter, er unterstützt im Verborgenen die, welche von irgendeinem Unglück betroffen wurden. Dem einen ist er zu seiner häuslichen Einrichtung behilflich, dem andern geht er mit gutem Rat an die Hand; er veranlaßt sie, sich Ersparungen zu machen; wenn es nötig ist, übernimmt er die Beiträge selbst und legt sie vorteilhaft an. Seine Arbeiter finden ihn überall, wo sie seiner bedürfen. Was täten sie auch nicht alles, um seine Liebe zu erwidern, um seine Achtung zu verdienen? Dies ist der Geist, in dem das Verhältnis des Fabrikherrn zu seinen Arbeitern aufgefaßt werden muß, dies ist eine Forderung der Pflicht, dies ist die Handlungsweise, die das Interesse der Gesellschaft, die zugleich das Interesse der Unternehmer wahrhaft fördert. "Wenn es einen Rechnungsmann gäbe, dem edlere Beweggründe unzugänglich wären, so würden wir ihm dartun, daß eine solche Art und Weise eine Fabrik zu leiten, auch eine sehr einträgliche Spekulation ist, und über 5 vom Hundert einträgt, jedoch vorausgesetzt, daß überhaupt eine solche Leitung da möglich ist, wo die Seele keiner solchen Begeisterung für die Tugend fähig ist. Wer aber von einer solchen Begeisterung beseelt ist, dem wird das Gute leicht, denn es macht sich von selbst." 5. Werfen wir nach dieser Betrachtung der Wirksamkeit des sittlichen Geistes im Innern der Volkswirtschaft noch einen Blick auf die gegenseitigen wirtschaftlichen Beziehungen der Nationen untereinander. Jede Nation, als große moralische Person hat wie das Individuum das Recht und die Pflicht, ihre Wirtschaft im Innern so zu entwickeln, daß ihr Verhältnis nach außen so geregelt ist, daß sie in ihrem ganzen Handeln gegenüber von fremden Völkern selbständig aufzutreten vermag. Ihr Streben ist somit zunächst ein egoistisches. Die Sicherung ihrer wirtschaftlichen Existenz, die Verbesserung ihrer wirtschaftlichen Lage ist ihr erstes Gebot. Läßt sie diesem egoistischen Streben nach Außen vollen freien Lauf, erkennt sie hierbei kein höheres Gesetz an, als das des wirtschaftlichen Interesses, als das Recht des Stärkeren und Listigeren, setzt sie jede Achtung der moralischen Persönlichkeit fremder Völker beiseite, so führt dieser nationale Egoismus zu jenem Unterdrückungssystem, jenem System der Habsucht und Überlistung, das in der Kolonial- und Handelspolitik des Merkantilismus seinem Wesen nach ausgedrückt ist. Allein wie der Egoismus einzelner Stände im Innern der Volkswirtschaft in der erwachenden Einsicht und Kraft der benachteiligten Klassen seinen Widerstand findet, wie er den Kampf der Interessen aufregt, zu Transaktionen und Konzessionen, schließlich zum Händereichen auf einem höheren sittlichen Gebiet führt, so auch im Verhältnis der Nationen zueinander. Die Kolonie, erbittert durch die selbstsüchtige Unterdrückung des Mutterlandes, greift zu den Waffen, erobert sich Zugeständnisse oder völlige Unabhängigkeit, der überlistete, wirtschaftlich niedergehaltene Staat, im Bewußtsein seines Interesses und seiner wachsenden Kraft lernt von seinem Gegner, entwickelt seine Kraft im Innern, regelt sein Verhältnis nach Außen, und zwingt zu Zugeständnissen, zur Entfernung der benachteiligenden Maßregeln des Auslands. So erzeugt zuletzt der wechselseitige Kampf des Egoismus der Nationen die Überzeugung, daß nur durch gegenseitige Anerkennung der Rechte und Interessen, durch gegenseitigen ehrlichen Verkehr, durch Verträge, die den Geist wahrer Gegenseitigkeit atmen, durch Gesetze und Handlungen der Politik, die - mit weiser Achtung der Rechte und Interessen der eigenen Nation - die Freundschaft und den Frieden unter den Völkern als ein auch wirtschaftlich kostbares Gut bewahren, - das wahre, dauernde Wohl gefördert werden kann, daß auch im Verkehr der Völker wie der Individuen eine sittliche Ordnung der gegenseitigen Beziehungen allein zum wahren Ziel führt. Fassen wir in Kürze zusammen, was wir mit der bisherigen Darstellung bezweckt haben:
b) Wir fordern, daß sich diese Anerkennung in dem Zugeständnis ausspricht, daß die Gesetze der moralischen Welt gebietend hereinragen müssen in das wirtschaftliche Leben, daß also auch die Grundsätze der Wissenschaft beherrscht werden müssen von den Gesetzen der moralischen Welt, wenn sie für die Richtung und Leitung der Wirtschaft der Völker die wahren endgültigen Maximen an die Hand geben will. c) Wir sprechen die Überzeugung aus, daß wie mächtig auch äußere Institute, Einrichtungen und Maßregeln das Wohl und Weh der Völker berühren, doch die Individuen selbst, die persönliche sittliche Kraft die Hauptquelle, die unerläßliche Bedingung eines wahren dauernden Wohlstandes bilden.
1) JOHANN FRIEDRICH EUSEBIUS LOTZ, Handbuch der Staatswirtschaftslehre, Bd. 1, Erlangen 1837. 2) Wir erinnern z. B. an den vor einiger Zeit in Halifax hingerichteten Schiffskapitän, der sein Schiff wegen einer Versicherungsprämie sinken und 273 Menschen umkommen ließ. 3) Vgl. die Vorrede zur vierten Ausgabe seiner Volkswirtschaftslehre, Seite XII. 4) vgl. z. B. die Schrift "Vom Ackerbau und Zustand der ackerbautreibenden Klassen in Irland etc.", Wien 1840. 5) Wir haben aus Württemberg rühmend das Beispiel des Fürsten von Thurn und Taxis zu erwähnen, der aus freiem Antrieb in einer großen Zahl seiner Gefallorte die Fixierung des Zehent unter billigen Bedingungen gestattete, und sich dadurch den Dank der Zehentpflichtigen in einem hohen Grad erworben hat. |