ra-2R. LiefmannR. ZuckerkandlO. ConradR. StolzmannH. Oswalt    
 
OTTO von ZWIEDINECK
Über den Subjektivismus
in der Preislehre

[Überlegungen im Anschluß an Liefmanns Preistheorie]
[1/2]

"Amonn hält eine Feststellung des Begriffs des Wirtschaftlichen überhaupt für überflüssig für die Zwecke der theoretischen Nationalökonomie. Denn diese interessiert als Objekt nicht das Wirtschaftliche an den Tatsachen, sondern eine ganz bestimmte Form sozialer Erscheinungen, eine eigenartige, in sich einheitliche, aber von anderen unterschiedene Kategorie von Sozialphänomenen. Denn das Wirtschaftliche als solches ist nicht faßbar."

"Alle Beziehungen, die in dem, was der Sprachgebrauch mit Wirtschaft und Wirtschaftlichkeit verbindet, zum Ausdruck gebracht sind, haben einen natürlich-technischen und psychologischen Charakter."


I. Vorbemerkungen

Der Gegensatz von Subjektivismus und Objektivismus ist in der Preislehre immer noch Trumpf. Immer noch, so scheint es, gilt die Auffassung eines Theoretikers über das Preisproblem durch die Einreihung unter eine der beiden Kategorien, Subjektivisten und Objektivisten, als genügend charakterisiert. Immer noch wird gedanklich so operiert, als ob mit der Behauptung, der Preis entsteht auf der Grundlage der subjektiven Wertvorstellungen, etwasa diametral anderes gesagt wäre, als wenn man sagt, die Preise der Güter werden durch die Kosten ihrer Herstellung bestimmt. Es fehlt nicht an Theoretikern, die darauf verzichten, sich in den schon allzusehr ausgetretenen Pfaden dieser Antithese zu verlieren, aber sie sind sehr selten, allzu wenige.

Der derzeitige Zustand der Preisdiskussion in der deutschen Nationalökonomie ist zumindest noch wenig rühmlich. Angesichts der Tatsache, daß freie Konkurrenz ein Phantom geworden ist, oder, wie man genauer sagen könnte, daß die Summe jener Voraussetzungen für den Verlauf des sozialwirtschaftlichen Getriebes, die man als "freie Konkurrenz" zu einem Begriff zusammenzufassen sich gewöhnt hat, in der Welt der Tatsachen für die Masse der Erscheinungen nicht zutrifft, angesichts dieser Tatsache scheinen wirklich jene recht zu behalten, die es als eine Kraftvergeudung hinstellen, wenn man viel Arbeit auf theoretische Formulierungen verwendet, die von diesem Grundprinzip der freien Konkurrenz ihren Ausgang nehmen. Erwägt man noch, daß der Widerstreit der Meinungen zumeist immer wieder eine Vervielfältigung erfährt, daß ein Überzeugen der einen durch die andere Richtung so gut wie gar nicht zu konstatieren ist, so drängt sich in der Tat die Frage auf, ob der Kampf der Theorien nicht wieder einmal in ein Stadium von recht problematischem Wert gelangt ist.

Es wäre wahrlich zweckmäßig, wenn die Wissenschaft ab und zu auch wieder einmal an eine Revision der Schlagworte herantreten würde, unter deren Herrschaft sie arbeitet und wirklich nicht immer so arbeitet, daß es die Arbeitsmühe lohnt.

Die Antithese "Subjektivismus-Objektivismus" gehört auch in die Reihe der die Wissenschaft fast hypnotisierenden Schlagworte, die eine Überprüfung vertragen könnten. Es hat ganz den Anschein, als ob man mit diesem Gegensatz in der Preislehre hängen bleiben würde. Kommen wir denn vorwärts damit und ist es denn befriedigend, wenn von einer Seite immer wieder behauptet und verteidigt wird, daß der Kostenaufwand sozusagen das Primäre ist, Ursache und Maß des Preises, während dies von anderer Seite bestritten wird, die die Wertschätzung der Individuen für die Waren als das Entscheidende für die Preisgestaltung bezeichnet und die Kosten nur als abgeleitete, sekundäre Größe gelten läßt? Kann die Wissenschaft mit so schroffem Widerstreit der Ansichten die Geltung und Anerkennung ihrer Lehren der Praxis abringen?

Im Zusammenhang mit dem sehr aktuellen Problem der Erklärung der Teuerung ist das Abgehen von einseitigen Auffassungen wohl wieder stärker zu beobachten, aber theoretisch befriedigende Ergebnisse sind aus dieser Diskussion noch nicht gewonnen worden. Umso reizvoller ist eine in diesem Archiv veröffentlichte Theorie, die mit dem Anspruch auf völlige Neuheit ein in sich geschlossenes System zur Erklärung aller auf einer Preisbildung fußenden Vorgänge des Wirtschaftslebens geben will und in ihrem Grundgedanken mit Elementen arbeitet, die zum Teil in den Syllogismen der Objektivisten, zum Teil in denjenigen der Subjektivisten die Hauptrolle spielen: Nutzen und Kosten. Nicht, als ob der Verfasser selbst diese Vereinigung bewußt verfolgen würde. Im Gegenteil. LIEFMANNs Abhandlung zur Preislehre, die ich hier im Auge habe, zielt gerade auch wieder auf die Verteidigung des absolutesten Subjektivismus ab. Schon der Titel sagt das: "Die Entstehung des Preises aus subjektiven Wertschätzungen" (1). Da er aber, wie gesagt, Nutzen und Kosten oder genauer die Beziehung beider zueinander zum eigentlichen Erklärungsprinzip der Preisbildung macht, so liegt fürs erste wohl die Rechtfertigung für die Annahme vor, daß hier einmal der Schlüssel zur Überwindung der in Rede stehenden grundsätzlichen Gegensätzlichkeit zwischen Subjektivismus und Objektivismus in der Preistheorie gefunden ist.

LIEFMANNs Theorie hat bisher nur wenig Beachtung gefunden (1a). Vermutlich wohl, weil sie in den Hauptpunkten verfehlt und deshalb schon auch im Ganzen, zumindest als Preistheorie schlechthin, unhaltbar ist. Diese stillschweigende Verurteilung verdient LIEFMANN aber keineswegs. Wenn ich im Folgenden die Fehler und Schwächen der LIEFMANNschen Lösung des Preisproblems nachzuweisen unternehme, so soll der Großzügigkeit dieses LIEFMANNschen Lösungsversuches die Anerkennung keinen Augenblick versagt werden. Sie findet ihren Ausdruck schon darin, daß LIEFMANN auf der mit dieser Preistheorie geschaffenen Grundlage auch die Lösung anderer umstrittener Probleme der theoretischen Nationalökonomie aufzubauen vermochte. (1b)

Eine eingehendere Prüfung und Zurückweisung der Preistheorie LIEFMANNs findet ihre besondere Begründung darin, daß sich die Gelegenheit bietet, anhand der Fehler, die hier festzustellen sind, Fragen zur Erörterung zu bringen, die wirklich einer solchen bedürfen, wenn man endlich über das wichtigste Problem der sozialökonomischen Theorie zu einem gewissen Maß von Verständigung gelangen soll, ohne in dem angeblich grundlegenden Gegensatz subjektiver und objektiver Betrachtungsweise stecken zu bleiben.

Es wird unter anderem zu zeigen sein, daß die Rolle der sogenannten subjektiven Preisbestimmungsgründe gar nicht geleugnet zu werden brauch, um anerkennen zu können, daß auch den sogenannten objektiven Preisbildungsfaktoren ihre Bedeutung in der Preislehre zukommt. Es wird sich ergeben, daß die Problemstellung in der Preislehre eine größere Aufmerksamkeit verdient und daß eine sorgfältigere Differenzierung der Problemstellung Voraussetzung ist für eine Verständigung zwischen Objektivismus und Subjektivismus. Es wird zutage treten, daß der Gegensatz zwischen beiden nur dadurch zu einer solchen Schärfe kommen konnte, nur deshalb unüberbrückbar schien, weil weder im Objekt der Preistheorie noch in den Voraussetzungen die Identität bestand.

Nicht, als ob hier an der Bedeutung und den Verdiensten der subjektiven Preislehre abfällig Kritik geübt werden sollte. Das volle Erfassen der individuellen Willensregungen in ihrer Bedeutung für alles wirtschaftliche Geschehen und damit auch für das Handeln der den Markt bildenden Individuen ist von allergrößter Wichtigkeit. Aber wenn wir uns nicht mehr damit begnügen, die Vorgänge auf dem Markt selbst und demzufolge Kauf- oder Verkaufsentschlüsse der Individuen als fertige Tatsachen hinzunehmen, aus denen der Preis entsteht, wenn wir vielmehr diese Entschlüsse nicht mehr bloß als Komponenten, sondern auch als Resultierende aus einer Reihe von Komponenten ansehen und die Entstehung dieser Resultierenden als ökonomisches Problem erkennen, weil das Entschließen gewissen Gesetzmäßigkeiten unterliegt, dannt tritt eben die ganze Ursachenreihe, die hinter diesen Entschließungen steht, in den Bereich der theoretischen Forschung unserer Disziplin und es ergibt sich die Möglichkeit für einen anderen als bloß subjektiven Standpunkt in der Preislehre und es ergibt sich aber weiter auch die Notwendigkeit, das Preisproblem nicht als ein einfaches anzusehen, sondern die Mehrheit der Probleme endlich mit größerer Bestimmtheit zu erfassen, als dies bisher geschehen ist.

Ich hoffe, daß die von der Kritik der LIEFMANNschen Theorie ausgehenden nachstehenden Ausführungen etwas beitragen zur Klarstellung der hier angedeuteten, meines Erachtens recht aktuellen Fragen der Preislehre.


II. Das Wesen des Wirtschaftlichen und
anderes Grundsätzliches

Der  Hauptinhalt  der LIEFMANNschen Preistheorie gipfelt darin, daß man für die Erklärung der Preisbildung den Wertbegriff in irgendeiner Form nicht braucht, daß vielmehr alle Preisbildung "mit den Fundamentalbegriffen  Nutzen  und  Kosten,  bzw. ihrer Differenz" dem "Ertrag" zu erklären ist. Anknüpfend an GOSSENs Gesetz vom Ausgleich der Grenznutzen konstruiert LIEFMANN ein Gesetz des Ausgleichs der Grenzerträge: das wirtschaftende Individuum läßt sich bei seinen verkehrswirtschaftlichen Entschließungen nicht von einem absoluten Nutzen eines zu erwerbenden Gutes bestimmen, sondern von einem Nutzen verglichen mit den Kosten, und der Wirtschafter wird danach mit gegebenen Mitteln, wenn er verschiedenartige Bedürfnisse hat, die größte Bedarfsbefriedigung dann erlangen, wenn der Ertrag der letzten Teilquantitäten eines jeden Gutes, d. h. sein Grenzertrag, bei allen ungefähr gleich groß ist (Seite 32f) (1c).

Mit diesem allgemeinen Prinzip, so folgert LIEFMANN weiter, sei aber auch das Vorgehen des Anbieters irgendwelcher Güter zu erklären, wie bei tatsächlich unbegrenzter, aber an Intensität der Bedürfnisse bzw. an Kaufkraft immer mehr abnehmender Nachfrage sich das Angebot stellt, warum also z. B. obwohl 100 000 Konsumenten ein Bedürfnis nach Winterröcken haben, 10 000 angeboten werden und wie es dabei zu einem für alle Käufer und Verkäufer gültigen Preis kommt (2). Die Lösung liege eben auch darin, daß, wie der einzelne Konsumwirtschafter, so auch der Erwerbswirtschafter vorgeht, daß also die Produzenten jedes Gut nur in solcher Menge herstellen, "daß der Grenzertrag. d. h. der Ertrag, den der teuerste noch produzierende (3) erzielt, für alle Produktionszweige ungefähr gleich hoch ist". Und damit ist eine Eigenart der LIEFMANNschen Theorie gegenüber den herrschenden Theorien zu erfassen: nicht die Angebots- und Nachfragemengen sind die gegebenen Größen für seine Theorie, sondern der volkswirtschaftliche Grenzertrag, von dem das Angebot usw. - was für die Theorie natürlich identisch sei - das wirklich abgesetzte Güterquantum und die wirklich befriedigte Nachfrage ihrem Umfang nach erst bestimmt werden (Seite 40).

Will man einer Theorie gerecht werden, dann gilt es, sich auch über die methodologischen Grundlagen, die für ihre Entstehung mit bestimmend waren, Gewißheit zu verschaffen. Die erkenntnistheoretische Grundauffassung LIEFMANNs ist allerdings nicht ganz so abgeklärt, als das nach der Bestimmtheit, ja man muß wohl sagen Schroffheit, mit der LIEFMANN gegen "Andersgläubige" zu Felde zieht, erwartet werden könnte. Die Aufgabe der ökonomischen Theorie formuliert er mit immerhin anerkennenswerten Streben nach Präzision damit, daß die Theorie darzulegen habe, "wie aus den subjektiven Bedarfsempfindungen ein objektiver Preis entsteht. Die Entstehung des Preises ist in der Tat das Zentralproblem der ökonomischen Theorie." (4) Diese Formulierung ist vor allem gegen eine materialistische Auffassung des Preisbegriffs und daran anschließend der Aufgabe der Preislehre, wie sie SCHUMPETER vertritt, gerichtet und man mag sich mit ihr immerhin abfinden. Nur möchte ich meinen, daß diese enge Auffassung zunächst schon nicht dem entspricht, was LIEFMANN in seinem jüngeren Aufsatz über den Produktivitätsbegriff (5) als Aufgabe der ökonomischen Theorie überhaupt ansieht, wenn er dort von ihr fordert, daß sie die Grunderscheinungen der heutigen tauschwirtschaftlichen Organisation erklärt, daß sie ein vereinfachtes, aber systematisches Abbild davon gibt, wie sich in der heutigen entwickelten Tauschwirtschaft die Bedarfsversorgung vollzieht. Denn hier haben wir es mit einer vorurteilslosen, zumindest voraussetzungslosen Fragestellung zu tun, während die ersterwähnte Aufgabenabgrenzung zur Voraussetzung hat,  daß  die Preise restlos aus den subjektiven Bedarfsempfindungen zu erklären sind.

Aber LIEFMANN begnügt sich gar nicht mit dieser in den Vordergrund geschobenen These über die Aufgabe der Preistheorie, er sagt an anderer Stelle, sie habe zu erklären, wie sich bei tatsächlich unbegrenzter, aber an Intensität der Bedürfnisse bzw. an Kaufkraft immer mehr abnehmender Nachfrage das Angebot stellt (vgl. oben). Ich widerspreche dieser Anschaung durchaus nicht, man hat darin  eine  der Aufgaben der Preistheorie anzuerkennen, sofern damit die Erklärung der Angebotsgestaltung als ein  Teil  der Preistheorie bezeichnet wird. Aber darin erschöpft sich doch auch nicht die Theorie der Preisbildung. Wir haben darauf noch besonders einzugehen.

LIEFMANN wendet sich mit seiner sehr energischen Kritik auch gegen die bisherige Auffassung vom  Wesen der Wirtschaft das ganz irrigerweise darin gesucht worden sei, daß ein Handeln eben das als wirtschaftlich zu kategorisierende, aus der beschränkten Verfügbarkeit über die Gegenstände der äußeren Natur entspringt. "Man kam so zum Begriff des Wertes = Bewußtsein der Abhängigkeit von Gegenständen der äußeren Natur als dem Grundbegriff der Nationalökonomie." Diesen Standpunkt bei einer Klarstellung des Wesens der Wirtschaft verurteilt LIEFMANN vollständig. Er setzt dagegen:
    "... Wirtschaftliches Handeln ist überall da vorhanden, wo Nutzen mit Kosten verglichen werden, d. h. wo ein Ertrag festgestellt werden kann." Nur darauf, daß ich Kosten aufgewendet habe, komme es bei Charakter der Wirtschaftlichkeit meiner Handlungen an, nicht auf den Wertbegriff. Ziel allen wirtschaftlichen Handelns (mit der Auffassung in diesem Ziel das Essentielle des Begriffs zu erblicken) ist also ein möglichst hoher Gesamtnutzen bei möglichst geringen Gesamtkosten, was nichts anderes heißt, als möglichst hoher Gewinn oder Ertrag. Wie  Liefmann  ausdrücklich zugibt, ist das auch wieder nichts anderes als eine neue Formulierung des ökonomischen Prinzips.
Methodologisch ist gegen diese Stellungnahme LIEFMANNs, soweit sie positiv einen neuen Gesichtspunkt einführt, nichts einzuwenden. LIEFMANN konstruiert primär den Begriff der Wirtschaft, indem er erklärt: "Ich sehe nur jenes Handeln als wirtschaftliches an, das nach jenen Erwägungen orientiert ist, die sich aus der Gegenüberstellung von Kosten und Nutzen ergeben". So schafft er die Voraussetzung für seine Theorie, grenzt seine Beobachtungssphäre ab und bestimmt den Gesichtspunkt, von dem aus er seine Lehre erfaßt und verstanden wissen will. Eine andere Frage ist dagegen, ob er sich dieser logischen Bedingtheit der Gültigkeit seiner Ausführungen bewußt ist. Und das ist zu bezweifeln im Hinblick auf seine Kritik an der "herrschenden" Auffassung.

Dabei muß allerdings hier schon auf eine erhebliche Schwäche der LIEFMANNschen Polemik aufmerksam gemacht werden: er orientiert sich zu wenig genau darüber, was andere vor ihm gedacht und geschrieben haben und generalisiert nur allzugern eine ihm bekannte Meinung als herrschende Lehre. So auch hier. Es dürfte ihm nicht leicht fallen, eine absolut herrschende Lehre über den Begriff des Wirtschaftlichen nachzuweisen (5a).
    Wie grundverschieden stellt sich z. B.  Adolf Wagners  Auffassung von der  Dietzels  (zu vgl.  Dietzel,  Theoretische Sozialökonomik, I. Buch, § 2f). Aber auch darüber befindet sich  Liefmann  sehr im Irrtum, daß er behaupten zu können meint, seine Gegenüberstellung von Nutzen und Kosten sei ansich ein Novum in der nationalökonomischen Literatur. Daß eine Verwandtschaft seines Ertragsprinzips mit dem "wirtschaftlichen Prinzip" besteht, bestreitet er nicht. Umsomehr hätte er sich darüber orientieren müssen, was im einzelnen unter dem ökonomischen Prinzip verstanden wird, wie die "herrschende Lehre" es inhaltlich faßt. Da würde er z. B. bei  Dietzel  (a. a. O., Seite 176) in der Erläuterung des Sparprinzips gefunden haben: "Angewandt auf das Gebiet des wirtschaftlichen Handelns lautet dieses Prinzip: Streben nach dem Maximum wirtschaftlicher Bedürfnisbefriedigung  oder Nutzens  für das Minimum wirtschaftlicher Mittel oder  Kosten.  Die Deckung des Bedarfs an Sachgütern muß derart erfolgen, daß jeder Zuwachs mit geringstmöglicher Schmälerung des zur Zeit vorhandenen Mittelvorrats gewonnen wird, mit anderen Worten: derart, daß ein größtmöglicher Rest für die Zukunft verfügbar bleibt." Und weiter: "... 2. Das Sparprinzip lautet nicht: gib so wenig wie möglich aus! sondern gib so viel aber nicht mehr aus, daß das Verhältnis zwischen Kosten und Nutzen sich so gestaltet, daß  die Kosteneinheit das Maximum von Nutzeinheiten abwirft".  (6) Wir kommen darauf zurück, wie sehr die  Liefmannsche  Formel mit dieser Auslegung des Sparprinzips übereinstimmt und worin sie Neues bringt. Aber auch vor  Dietzel  ist doch schon auf die Wesentlichkeit des Kostenmoments im Begriff des Wirtschaftlichen Gewicht gelegt worden. So von  Hermann:  einmal zur Betrachtung des außer Verkehr mit anderen stehenden Haushalts erklärt er: "Wirtschaft ist eine Aufrechnung der Lebensaufopferung gegen die Erreichung der eigenen Lebenszwecke, welche daher notwendigere und erwünschtere Formen des Daseins sein müssen, wenn sich die Aufopferung rechtfertigen soll"; und für die im Verkehr stehenden Wirtschaften nennt er Wirtschaft "die quantitative Zuratehaltung der Arbeiten und Güter, die nicht ohne Aufopferung zu erlangen sind." Und wieder (Seite 63 der "Staatswirtschaftlichen Untersuchungen", zweite Auflage) ist ganz ausdrücklich auf die Kontrolle hingewiesen, die mittels des Geldwertes ausgeübt wird, um mit dem gegebenen Quantum wirtschaftlicher Mittel den Bedürfnissen möglichst wirksam zu entsprechen.
Wenn ich mich gegen LIEFMANNs Polemik in der Sache selbst wende, so geschieht das aus folgenden Erwägungen heraus.

Einmal ist der Unterschied zwischen seiner Charakterisierung des wirtschaftlichen Handelns durch den Vergleich von Nutzen und Kosten gegenüber jener, die auf die beschränkte Verfügbarkeit über die Gegenstände der äußeren Natur Gewicht legt, nicht so fundamental, wie er meint, uns sein Beispiel mit dem Wasser beweist nur, daß er die Tragweite der beschränkten Verfügbarkeit ebensowenig überlegt hat, wie den Sinn, in dem dieses Merkmal verstanden sein soll.
    Liefmann  schreibt: "Wenn ich eine Rinne grabe oder eine Röhrenleitung anlege, um das Wasser näher zu haben, so ist das eine wirtschaftliche Handlung, obwohl mir das Wasser an der Mündung in unbeschränkter Menge zur Verfügung steht." Das scheint sehr klar. Aber es handelt sich eben um die konkrete Verfügbarkeit über das Wasser nicht an der Mündung, sondern an der Stelle  wo ich es brauche.  Und Objekt des wirtschaftlichen Handelns gerade im Sinne  Liefmanns  ist dann, wenn ich eine Rinne oder eine Röhrenleitung brauche, nicht das Wasser, sondern die Rinne. Das, was  Liefmann  als wirtschaftliches Handeln ansieht, ist aber rein und ganz technisches Handeln, dessen strenge Scheidung vom wirtschaftlichen Handeln er selbst mit so großem Nachdruck fordert (Seite 15).
LIEFMANN hat doch auch beim Begriff des wirtschaftlichen Handelns die Erwerbung, den Kauf oder eine sonstige Beschaffung von Dingen oder Leistungen im Auge und da gilt für die beschränkt verfügbaren Güter im Verkehrswirtschaftsorganismus, daß man solche mit Opfern oder Kosten erwirbt. Daß aber Opfer mit dem Nutzen abgewogen werden, ist doch wahrlich kein Spezifikum des sozialökonomischen Verkehrs, sondern ein Gebot der Vernunft, was meines Wissens wohl als  communi opinio  [allgemeine Meinung - wp] bezeichnet werden darf, sich übrigens z. B. ebenso bei RICARDO wie bei neueren Nationalökonomen ausdrücklich formuliert findet.
    Liefmann  wirft namentlich den Grenznutzentheoretikern vor, daß sie den Wert begründen mit der Beschränktheit in der Verfügbarkeit von Gütern. Meines Erachtens ganz mit Unrecht. Die Lehre der Grenznutzentheoretiker kann in diesem Punkt doch nur so aufgefaßt werden, daß sie mit der beschränkten Verfügbarkeit immer nur die Beziehung zum Individuum im Auge haben, also den subjektiven Wertbegriff verstanden wissen wollen als Beschränktheit im Hinblick auf das Vermögen des Subjekts. Es ist geradezu eine Verdrehung der österreichischen Wertlehre, sie deshalb als objektive Werttheorie zu charakterisieren (a. a. O., Seite 451), weil von der beschränkten Verfügbarkeit statt vom Nutzen ausgegangen wird.. Man kann darin einen Fehler erblicken, daß nicht die Nutzenabnahme bei zunehmender Bedürfnissättigung als entscheidend angesehen wird (obwohl man auch darüber wird streiten können), aber das Ausgehen von der beschränkten Verfügbarkeit in ihrer Wirksamkeit auf das Bedarfsempfinden und das Werten eines Subjekts kann man nur bei einer gewissen Voreingenommenheit als Merkmal einer objektiven Wertlehre bezeichnen. (7)
Ich nehme aber keinen Anstand, im Anschluß an AMONN diese Feststellung des Begriffs des Wirtschaftlichen überhaupt für überflüssig für die Zwecke der theoretischen Nationalökonomie anzusehen. Denn diese interessiert als Objekt nicht das Wirtschaftliche an den Tatsachen, sondern eine ganz bestimmte Form sozialer Erscheinungen, eine eigenartige, in sich einheitliche, aber von anderen unterschiedene Kategorie von Sozialphänomenen (8). Denn das Wirtschaftliche als solches ist nicht faßbar.

Und damit komme ich zu einem weiteren Vorwurf gegen LIEFMANNs Polemik, insofern er der herrschenden Lehre als Fehler anrechnet, daß sie  technische Vorstellungen mit den ökonomischen verquickt.  Sofern sich diese Anklage LIEFMANNs auf die Theorie des Preises bezieht, komme ich darauf zurück. An dieser Stelle muß ich jedoch hervorheben, daß gerade LIEFMANNs Charakterisierung des Wesens der wirtschaftlichen Handlung ein Festhalten des Unterschieds zwischen wirtschaftlichem und technischem Handeln nicht ermöglicht, ganz abgesehen davon, daß LIEFMANN die Antwort darauf, was er als technisches Handeln zum Unterschied vom wirtschaftlichen verstanden wissen will, streng genommen schuldig geblieben ist. Bei allem technischen Handeln liegt ein Sich-Mühen, ein Opfern vor, um einen bestimmten gewollten Erfolg herbeizuführen, also immer das, was wie LIEFMANN jeder denkende Mensch als Kosten auffaßt zur Erreichung eines gewünschten Nutzens. Ja, das ganze Gebiet der reinen Ökonomik ist ein Summe von technischen Überlegungen.

Zu welchen Konsequenzen kommt man schließlich mit LIEFMANN? Wenn ein isoliert lebender Farmer für die Zwecke seiner Farmbewirtschaftung über einen Bach eine Brücke baut und überlegt, ob er sie aus Holz oder aus Stein bauen soll, so führt die Entschließung zu einem wirtschaftlichen Handeln, sofern er nur Nutzen und Kosten, beides etwa gemessen an eigenen Arbeitsstunden, verglichen hat. Wenn dagegen eine Gemeinde mitten in den verkehrswirtschaftlichen Beziehungen vor eine gleiche Frage gestellt einfach ohne exakte Ermittlung des schwer ermittelbaren Kollektivnutzens der Brücke für denen Herstellung durch Geschäftsleute 100 000 Mark bewilligt, dann ist trotz Überlegung der Dauerhaftigkeit und des Kostenbetrages (Nebenbemerkung: Dauerhaftigkeit ist ein technisches Element!) der Brückenbau keine wirtschaftliche, sondern offenbar nur eine technische Handlung und ist wohl auch kein Vorgang, der theoretisch relevant ist!

Derartige Beispiele ließen sich in großer Zahl aus der Praxis gewinnen, um die Unzulänglichkeit dieses Kriteriums darzutun. LIEFMANN hat also damit keinen Boden gewonnen, um das technische vom ökonomischen Handeln zu trennen. Und wieder ist das meines Erachtens für die theoretische Nationalökonomie von ganz sekundärem Interesse.  Alle Beziehungen, die in dem, was der Sprachgebrauch mit Wirtschaft und Wirtschaftlichkeit verbindet, zum Ausdruck gebracht sind, haben,  wie AMONN meines Erachtens ganz richtig hervorhebt (9), einen natürlich-technischen und psychologischen Charakter.  Objekt der nationalökonomischen Theorie werden sie erst durch die sozialwirtschaftliche und verkehrswirtschaftliche Relevanz, erst dadurch, daß sie nur im Zusammenwirken verkehrsmäßig in Abhängigkeit gestellter Wirtschaftsstrebungen der Wirtschaftssubjekte gedacht werden und zustande kommen können und dadurch, daß sie auf diese Weise für die sozialen Beziehungen Bedeutung haben. Eine andere Heraushebung der ökonomischen Erscheinungen und Vorgänge, die gleichzeitig technischen Charakter haben, für die Zwecke der theoretischen Untersuchung ist bisher nicht gelungen und wohl auch nicht zu erreichen, wenn man nicht dem Wesen der Technik Gewalt antun will und es, etwa wie LIEFMANN es zu tun scheint - aber ich wiederhole: klar ist das nicht zu erkennen -, darin erkennen will, daß es sich in der Technik nur um einen Vergleich von Güterquantitäten handelt. Denn die Technik arbeitet heute zumindest unablässig mit Marktwerten, und die intensivste Arbeit der Techniker ist auf die Ersetzung von Gütern durch andere gerade um der Kostenverhältnisse willen bei gegebenen Nutzengrößen gegeben. Es beweist Unkenntnis über die Arbeit der Technik, was LIEFMANN behauptet, und es bleibt unverständlich, was ein Vergleich von Güterquantitäten heißen soll. Doch nicht etwa  y  Kilogramm Messingwalzen =  x  Ballen Baumwolldruck!?

Natürlich ist all das, was der Sprachgebrauch und die wissenschaftliche Terminologie als Wirtschaft bezeichnen, mit dem Kostenbegriff verbunden. Damit steht auch die etymologische Grundlage des Wortes  Wirtschaft  im Einklang. Der Wirt ist der Haushalter, der über die verfügbaren Mittel disponiert: zweckmäßigstes Verwenden derselben im Hinblick auf die damit zu gewinnenden Nutzungen ist stets als Inhalt des Wirtschaftens aufgefaßt worden.

Aber LIEFMANN geht allerdings darüber hinaus und damit kommen wir zu einem dritten Bedenken gegen seine Definierung des wirtschaftlichen Handelns. Ich bringe dieses Bedenken zur Geltung, nicht ohne ausdrücklich einen richtigen Gedanken LIEFMANNs schon an dieser Stelle hervorzuheben. Es ist unbestreitbar richtig gewesen, daß er den Ertragsgedanken auf eine breitere Basis gebracht hat. Er hat den Ertragsbegriff nicht nur in der Theoretisierung des Verhaltens des Individuums zum einzelnen Gut verwertet, sondern der mit dem Begriff des Ertrags verbundenen Denkweise darin ihre Bedeutung zugewiesen, daß jeder wirtschaftliche Mensch für die Gesamtheit der Güter seines Interessenkreises eine Rangordnung nach der Höhe des Ertrages herstellt. Er hat damit den Ertragsgedanken auch für das individualwirtschaftliche Räsonnement zu jener weiteren Geltung gebracht, die ihm tatsächlich sehr vielfach zukommt. Während in der Literatur das ökonomische Prinzip zumeist nur im Verhalten des Individuums gegenüber einem einzelnen bestimmten Gut vorausgesetzt wird, zieht LIEFMANN das ganze Feld von Bedarfsempfindungen und die durch sie ausgelösten Erwerbsbestrebungen und nicht nur einen Erwerbsakt als ein Gebiet ökonomisch-taktischen Vorgehens heran, innerhalb dessen nun die für das sozialwirtschaftlich relevante Handeln - vor allem also für den Kauf - maßgebende Rangordnung nicht mehr bloß nach dem Gesichtspunkt des absolut kleinsten Mittels, sondern des größten Gesamtertrags mit dem gesamten Vorrat an Mitteln vom einzelnen für sich hergestellt wird.

Das ist, wie gesagt, ein origineller und guter, an und für sich also ganz berechtigter Gedanke. Eine ganz andere Frage aber ist es, ob es gerechtfertigt ist zu sagen: Wirtschaftlich handelt nur, wer nach diesem System in seiner Bedürfnisdeckung verfährt. Die Frage wird zu bejahen sein, aber unter zwei verschiedenen Bedingungen, deren Erfüllung den Charakter der Theorie erheblich mitbestimmt. Es gibt zwei Möglichkeiten:

Entweder man  weist nach,  daß dieses System schlechthin die Menschen beherrscht, daß sie in aller Regel, also von Ausnahmen abgesehen, nach diesem System ihre Entschließungen beim Gütererwerb fällen, dann wird die von dieser Voraussetzung ausgehende Theorie dem Prinzip der Wahrheit entsprechen, ihr wissenschaftlicher Charakter steht außer Zweifel.  Oder  man setzt dieses System als Voraussetzung für die Zwecke der wissenschaftlichen theoretischen Untersuchung mehr oder weniger willkürlich, verzichtet also auf die Realität: so erhält die Theorie einmal überhaupt hypothetischen Charakter, außerdem aber besteht die Gefahr, daß die willkürliche Gestaltung des Begriffsinhaltes teleologisch verstanden wird. (10)

LIEFMANNs Auffassung ist nicht klar zu erkennen. Denn einerseits erklärt er allerdings, daß er die Tatsachenwelt nicht voll berücksichtigt wissen will (Seite 2), und es hat den Anschein, daß er die Feststellung von Ausnahmen und Abweichungen vom Grundzug der Erscheinungen überhaupt nicht als Objekt einer theoretischen Betrachtung gelten lassen will. Andererseits behauptet er aber, seine Sätze ausschließlich durch Beobachtung der Wirklichkeit gewonnen zu haben (Seite 2) und macht anderen Autoren Weltfremdheit und Wirklichkeitsfremdheit zum Vorwurf (11), scheint also doch einen Wirklichkeitswert von der Theorie zu fordern, tut aber gar nichts, um zu beweisen, daß seine Voraussetzung vom Grenzertragsstreben als Maxime jedes wirtschaftlichen Handelns so zutrifft, daß das Grenzertragsstreben als Massenerscheinung und als typisch angesehen werden muß. Ich erhebe deswegen noch keinen Vorwurf. Denn dieser Beweis ist direkt nicht zu erbringen, da es sich um Auswirkungen von unkontrollierbaren Wertungsvorgängen oder im Sinne LIEFMANNs um Nutzen-Vorstellungen und -Einschätzungen handelt. LIEFMANN nimmt daher das Recht für sich in Anspruch,  deduktiv  von der aus der Beobachtung seines eigenen Verhaltens und Abwägens gewonnenen Erfahrung auszugehen und bei jedem Individuum anzunehmen, daß immer eine bestimmte ziffernmäßige Ertragsgröße sein Handeln diktiert. Als Stütze für seine Deduktion dient ihm die theoretisch längst verschiedentlich formulierte Lehre vom Ausgleichsstreben der Kapitalerträge und Gewinne.

Nicht zu verzichten ist dagegen darauf, daß, wer so die ungeheure Tragweite einer Maxime des ökonomischen Handelns behauptet, wenigstens die Möglichkeit (wenn schon nicht die Wahrscheinlichkeit) glaubthaft macht, daß die Masse der wirtschaftlichen Handlungen (hier im weitesten Sinne genommen) durch das Ertragsstreben, wie es LIEFMANN behauptet, beherrscht wird. Mit dem obigen Beispiel vom Brückenbau wurde angedeutet, daß der Apriorismus LIEFMANNs ganz und gar nicht am Platz ist. Die Frage selbst, wie es mit der Realität dieser Ertragsvorstellung besteht, gehört schon zur Prüfung der eigentlichen Theorie, mit der LIEFMANN die Erklärung für die  tatsächliche  Preisbildung geben will. Darüber das Weitere in Abschnitt V. An dieser Stelle aber mußte festgestellt werden, daß jedenfalls darüber Zweifel auftauchen können, wieweit sich LIEFMANN über die Notwendigkeit des Zusammenhangs der Theorie mit der Wirklichkeit klar geworden ist, da schon über die Geltung seiner einen Voraussetzung (die andere ist die, daß die  homines oeconomici  ihren Vorteil immer wirklich erkennen) im realen Leben, im normalen Leben, von dem er ja ein Abbild geben will, die allergrößte Unsicherheit obwaltet.

Ich möchte diesen einleitenden Bemerkungen nur noch eines hinzufügen: Die starre und doktrinäre Einseitigkeit, mit der LIEFMANN zum Inhalt, den Aufgaben und dem Zweck der Theorie in der Nationalökonomie Stellung nimmt, erscheint mir verfehlt oder zumindest unzulänglich motiviert. Er geht von der Überzeugung aus, daß das Verfolgen des ökonomischen Prinzips theoretisch immer nur  eine  Lösung geben kann und daß das Streben nach dem höchsten Ertrag immer nur als das Streben nach einem individualwirtschaftlichen  Geld ertrag aufzufassen ist. Tatsächlich aber ist im Rahmen der Wirklichkeitswissenschaft all das als wesentlich und wie MAX WEBER einmal sagt, wissenswert zu behandeln und, zu bearbeiten ist, was Gesetzmäßigkeitscharakter hat oder haben kann, d. h. zu gewinnen verspricht, mag dann auch etwas von "sekundärer" Bedeutung herauskommen. Indem wir an die Arbeit des  theorein  herantreten, wissen wir freilich noch nicht immer, ob eine Tatsachenmasse oder die Kausalanalyse einer solchen ein positives Ergebnis im Sinne einer Gesetzmäßigkeit zu liefern vermag. (Wie bei den Naturwissenschaften ist auch in der Sozialökonomik Scharfsinn oder Instinkt zur Auffindung des Interessanten nicht zu entbehren.) Und deshalb ist der Versuch, ohne eine Materialverarbeitung auf der Grundlage eines Axioms den ganzen ungeheuren Komplex der Preistatsachen auf eine einzige Formel bringen zu wollen, zumindest angesichts der bisherigen Errungenschaften sozialökonomischer Arbeit allzusehr der Gefahr der Ungenauigkeit und unrichtigen Generalisierung ausgesetzt. Wir wollen sehen, ob ihr LIEFMANN entgangen ist.


III. Der Preisbegriff und die Preisprobleme

Es kann nicht überraschen, daß LIEFMANN eine von der "herrschenden Lehre" völlig verschiedene Auffassung vom Begriffsinhalt des "Preises" vertritt. Hält er doch die "Fundamente aller bisherigen Theorien für wacklig" und sind doch die Begriffe die unentbehrlichen Fundamente. Er verurteilt also "gleich die  übliche Definition des Preises,  die sich überall findet", sie sei falsch und der ihr zugrundeliegende Irrtum charakteristisch für zahllose auf derselben Grundlage beruhende Irrtümer der bisherigen ökonomischen Theorie.

"Der Preist ist die Menge von Güter, die man im Tauschverkehr für ein Gut erhält." So definieren, sagt LIEFMANN, seit den Zeiten HERMANNs alle neueren Schriftsteller. Der Begriff  Preis  sei aber undefinierbar, solange die Hauptprinzipien seiner Entstehung nicht erkannt sind und daran fehlt es vor allem und deshalb seien sämtliche Definitionen des Preises unbrauchbar, sowohl die der Objektivisten wie auch die der Subjektivisten, denn die Zugehörigen beider Richtungen seien  Materialisten,  Anhänger jener materialistischen Auffassung, die in den verkehrswirtschaftlichen Erscheinungen die Bewegung von Güterquantitäten sieht. Es sei aber ganz falsch, den Preis als Güterquantum aufzufassen. Indem LIEFMANN dagegen Front macht, daß beim Naturaltausch das eine Gut als Preis des andern bezeichnet wird, erklärt er, das Charakteristische beim Naturaltausch liege gerade darin, daß ein Preis nicht zustande kommt. Der Preis ist kein Güterquantum, sondern ein  Maßbegriff  und Messen sei ein Vergleichen. Wie Gewicht oder Länge  setze  daher der Preis einen allgemeinen Maßstab voraus, dieser sei das Geld.

Ich will über den Widerspruch, in den LIEFMANN verfällt, indem er doch selbst vorneweg den Preis zunächst allgemein als Maßbegriff "definiert", ohne seine Entstehung erklärt zu haben, hinweggehen und mich darauf beschränken, die Aufmerksamkeit LIEFMANNs darauf zu lenken, daß man sich in der Literatur mit dem Preisbegriff doch etwas gründlicher beschäftigt hat, als es LIEFMANN darstellt. Ich räume ohne weiteres ein, daß, sozialwissenschaftlich gedacht, LIEFMANN mit seiner abfälligen Kritik gegen die in der Tat überwiegendes Auffassung des Preises als etwas Substanziellem Recht hat. Aber wenn LIEFMANN so schroff über die Leistungen anderer doch wahrlich nicht verdienstloser Nationalökonomen aburteilt und wenn er so entrüstet Klage führt, daß ihm die anderen Nationalökonomen keine genügende Aufmerksamkeit schenken, "sich nicht die Mühe machen, seine Gedanken selbständig und losgelöst von den bisherigen Schulmeinungen zu durchdenken", dann hat er auch in erhöhtem Maß die Pflicht, sich das, was andere vor ihm gesagt haben, etwas genauer anzusehen, als er es getan hat. (12) Man darf sich von der Begeisterung über eine wissenschaftliche Lösung, die man gefunden zu haben glaubt, nicht so weit beherrschen lassen, daß die Sorgfalt der Literaturbehandlung und damit schließlich auch die Prüfung der behaupteten Originalität darunter leidet.

Die Kritik, die LIEFMANN an der substanziellen, oder wie er sagt materialistischen, quantitativen Auffassung des Preisbegriffs übt, hat in einem ähnlichen Sinn schon GUSTAV CASSEL geübt (13) und ich selbst darf für mich in Anspruch nehmen, dem Wesen des Preises eine andere Deutung gegeben zu haben und die Überwindung der substanziellen Auffassung ausdrücklich als eine Folge einer im eigentlichen Sinn sozialwissenschaftlichen Betrachtungsweise dargelegt zu haben (14). Allerdings unterscheidet sich meine Kritik an der substanziellen Auffassung des Preisbegriffs von der LIEFMANNs dadurch, daß ich meine Ablehung derselben auf eine andere  methodologische Grundlage  stütze. LIEFMANN weicht nämlich methodologisch von der Behandlung des Preisphänomens durch die von ihm befehdeten Vorgänger insofern nicht ab, als auch er den einzelnen Verkehrsakt, der zu einer Preisbildung führt, isoliert für sich betrachtet und im Preis nur das Ergebnis der im Verkehrsakt zusammengeführten tauschwirtschaftlichen Energien erblickt und diese auch wieder als etwas absolut Primäres auffaßt. Demgegenüber lege ich Gewicht darauf, daß der Zusammenhang des einzelnen Preisbildungsvorgangs mit dem Ganzen des sozialen Geschehens zu erfassen sei und daß damit eine weitere Aufgabe gestellt ist, die Erforschung und weitestgehende Berücksichtigung der  kongregalen  [übergreifenden - wp] Funktionalbeziehungen, das heißt der kollektivischen Wirkungen, die aus der Masse der Preisphänomene heraus zur Grundlage des Verhaltens der Individuen werden.

Es ist mir nun schlechterdings unerfindlich, mit welchem Recht LIEFMANN ausdrücklich (Seite 10) auch mir den Vorwurf macht, ich definierte den Preis nur als "Menge von Gütern, die man im Tauschverkehr für ein Gut erhält", ebenso irrig wie alle neueren Schriftsteller seit den Zeiten HERMANNs. Denn ich sage nicht nur an der von LIEFMANN zitierten Stelle, daß das Begriffproblem noch weitaus nicht gründlich genug untersucht ist (Seite 589) und betone weiter nicht nur (allerdings schon auf Seite 590) ganz ausdrücklich, es sei mindestens zu dürftig, den Preis als nichts anderes denn als Entgelt aufzufassen, sondern gelange (allerdings erst auf Seite 592) zu dem Schluß: Wenn man dem Preisproblem vom  sozialwissenschaftlichen  Gesichtspunkt aus zu Leibe rückt, dann müsse die Funktion der Preise im Gesamtzusammenhang als Teil der Gesamtfunktionalbeziehungen erfaßt werden und dann erscheint der Preis eben  nicht mehr bloß als Gegenwert, als sachliche Komplementärgröße überhaupt nicht substanziell,  sondern ausschließlich als Verhältnismäßigkeit von Quantitäten, in denen Güter und Leistungen gegeneinander getauscht werden. Falls aber LIEFMANN an diesem letzten Zusatz Bedenken getragen hatte, würde ihn der nächste Satz wohl darüber haben aufklären müssen, daß auch diese Quantitätsverhältnismäßigkeit mit der materialistischen Preisauffassung nicht identifiziert werden darf. Denn dort heißt es:
    "Für die kollektive Funktion des Preises scheidet der Charakter des Geldes als stoffliches Element aus. Das Geld funktioniert nur als Repräsentant abstrakter flüssiger Wertbeträge und spielt gewissermaßen die Rolle eines gemeinschaftlichen Nenners für die zahllosen echten Brüche, in die einerseits die Gesamtheit der nationalen Güter und Leistungen, andererseits die Gesamtheit nationaler Kaufkraft, sei es für einen Augenblick, sei es für einen bestimmten Zeitraum, gespalten erscheint."
Nicht als ob ich diese Formulierung in allen Ausdrücken und Teilen heute noch aufrechterhalten wollte; aber ich habe nur den Geldausdruck und keine Gütermenge als Preis verstanden. Und ganz ähnlich hat CASSEL ausdrücklich auf die einzige Basis der Wertvergleichungen (15) mittels Geldschätzungen das ganze Schwergewicht seiner Argumentation gelegt. Ich bin aber allerdings mit meiner Determinierung des Preises über die bloße Erfassung der Geldziffer hinausgegangen, indem ich in der  über greifenden Bedeutung jener Preisbildung, ihrer Einwirkung auf andere, ja streng genommen theoretisch auf alle anderen Preisgestaltungen und Warenbewegungsvorgänge, insbesondere auch auf die Gestaltung der Konsumtions- und Erwerbswirtschaftspläne ein das Wesen des Preises mitbestimmendes Moment hervorhob. (16)

Obgleich nun aber vom sozialwissenschaftlichen Interessenstandpunkt aus logischerweise der Preis nur als Geldausdruck bestehend oder zumindest nur in einem allgemein verwendeten Preisausdrucksmittel ausgedrückt denkbar ist und ich insoweit - aber eben ur für die sozialwirtschaftlichen Zusammenhänge - LIEFMANN recht gebe, wenn er sagt: "Es gibt keinen Preis ohne ein allgemeines Tauschmittel, ohne Geld" (17), so vermag ich in dem so vollständigen Verwerfen des Quantitätsgedankens doch durchaus kein ausschließliches Verdienst LIEFMANNs zu erkennen, vielmehr erweist sich im genannten Zusammenhang die Art und Weise, die Allgemeinheit, in der er gegen den Quantitätsgedanken Stellung nimmt, als Ungenauigkeit.

Denn LIEFMANN übersieht Folgendes: Es handelt sich um  zwei Betrachtungsweisen: I. Im allgemein-wirtschaftlichen Abwägen und Überlegen im Rahmen des individualen Wirtschaftskreises  ist es ein Preis,  wenn der  X  ein Gut  G1  durch die Hingabe eines Gutes  G2  erwirbt; ein Preis für den  X  ist  G2 ein Preis für den  Y,  den anderen Vertragsteil ist  G1 jenes Gut, das er für die Erwerbung von  G2  hingegeben hat. Bei diesem Tauschvorgang wie bei jedem naturalen Tausch kann von irgendeiner Äquivalenz keine Rede sein, denn der  X  schätzt tatsächlich offenbar  G1  höher als  G2  und umgekehrt  Y  schätzt  G2  höher als  G1
    Liefmann  wird sagen: das ist kein Preis was hier als solches bezeichnet wird, sondern das  G2 das der  X  um der Erwerbung von  G1  willen hingibt, ist für ihn ein Kostenaufwand. Das ist aber natürlich kein Gegenargument, denn der Preis ist auch im geldmäßigen Warenverkehr das, was man gleichzeitig als Kosten für die Erlangung des Gutes  G1  zu buchen hätte. Ich komme auf diesen Zusammenhang zurück.
Auf diesen rein ökonomisch als Verkehrsakt nicht zu bezweifelnden Vorgang kann LIEFMANNs ganz allgemein gehaltene Polemik gegen die Verwendung des Preisbegriffs nicht zutreffen und doch vollzieht sich gerade hier die Entschließung des handelnden Individuums aus rein subjektiven Nutzenvergleichungen am allerunmittelbarsten.

II. Im sozialwirtschaftlichen Verkehr kauft  X  die Ware  W1 mit dem Geldbetrag  B  von  Z,  nachdem er sich durch den von Verkauf von  W2  an den  Y  den Geldbetrag  B  erworben hat. In der subjektiven Nutzenskala des  X  können also die beiden Güter  W1  und  W2  die gleichen Stellen einnehmen wie im Fall I  G1  und  G2 Auf der anderen Seite hat vielleicht  Y  sich die Mittel zum Erwerb von  W2  durch den Verkauf einer anderen aber gleichen Menge  W1  um den Betrag  B  verschafft. So ist der Effekt genau derselbe für die Individuen wie im Fall I, das rein ökonomische Problem ist dasselbe. Aber für die sozialen Austauschverhältnisse ist durch das Dazwischentreten des Geldbetrages  B  die Sachlage wesentlich verändert. Diese Verkehrshandlungen sind in ihrem Zustandekommen bedingt durch die Geltung des  B  für die handelnden Individuen. Diese Geltung des  B  ist wieder ihrerseits nicht mehr bloß individual, durch die konkreten Nutzenskalen der auf den Erwerb von  W1  und  W2  abzielenden zwei Parteien bedingt, sondern sie ist  sozial bedingt.  Das wichtigste aber ist, daß unter der Mitwirkung der sozial bedingten Größe  B  eine Äquivalenz tatsächlich zustande kommt. Aber natürlich wie AMONN richtig sagt: Es besteht  keine technische  auf innere natürliche Qualitäten der getauschten Objekte beruhende und  keine wirtschaftliche  (d. h. rein ökonomische) auf die subjektive Bedeutung der Tauschobjekte für die Tauschsubjekte bezogene, sondern  es besteht eine soziale  Äquivalenz, d. h. eine sozial bedingte und im sozialen Verkehr für alle Verkehrssubjekte, die am Tausch beteiligt sind, in gleicher Weise gültige Äquivalenz (18).

Für die reine Ökonomik, die in den Lehrbüchern (da und dort unbewußt, das will ich gern einräumen) und jedenfalls ganz bewußt bei den Vertretern der Grenznutzenlehre im Vordergrund der Betrachtung steht (19), ist der Preis nur das Opfer, das man bringen muß, um ein Gut zu erlangen (Käuferstandpunkt) oder der Nutzen, den man bei der Hingabe eines Gutes erlangen will (Verkäuferstandpunkt). Er ist, wie AMONN sagt, eine lediglich individuell (psychologisch durch die subjektiven Wertschätzungen) und technisch (durch die gegebenen äußeren Verhältnisse der Dinge) (20) bedingte Relation zwischen Gütern verschiedener Art. Und von ihrem Blickpunkt aus haben die Lehrbücher und die Grenznutzentheoretiker vollständig recht.  Erst die sozialwissenschaftliche Problemstellung und die dadurch bedingte besondere kausale Betrachtungsweise führen  zu einer anderen,  engeren Fassung des Preisbegriffs. 

Vom Gesichtspunkt der reinen Ökonomik vollziehen sich die Tauschvorgänge im letzten Grund aufgebaut auf  Ungleichungen  und diese Tatsache, die,  pro foro interno  [mit Bezug auf interne Angelegenheiten - wp] bei jedem Tauschhandelnden sich abspielend, vorausgesetzt werden muß, wird natürlich auch im Rahmen des sozialwirtschaftlichen Warenverkehrs nicht geändert. Auch im tauschwirtschaftlichen durch Geld bewerkstelligten Kaufverkehr muß der Käufer die Ware höher schätzen als den als Preis gegebenen Geldbetrag. Insofern besteht also kein Unterschied. Aber nun muß die sozialwissenschaftliche Behandlung dieser Vorgänge Notiz nehmen davon, daß mit der Feststellung und Hingabe des Kaufpreises der Kauf für den Verkäufer noch nicht erledigt ist, geschweige denn mit dem Räsonnement der Kaufhandelnden, mit der Feststellung der Ungleichung, des Ertrages im Sinne LIEFMANNs, oder auch nur mit der Vergleichung dieser Ungleichung (Ertrages) mit anderen, die für sie nach ihrem Wirtschaftsplan noch in Frage kommen. Daraus ergibt sich ein Doppeltes.

1. Die Entstehung des Entschlusses zum Kauf oder Verkauf interessiert an und für sich die reine Ökonomik; die sozialwissenschaftliche Betrachtung oder sagen wir geradezu die theoretische  National ökonomie interessiert sich für diese Vorgänge  pro foro interno  nur, soweit sie Ergebnis oder Ursache der verkehrswirtschaftlichen Vorgänge überhaupt, soweit sie sozial bedingt sind. Ich hänge mit meiner Entscheidung beim Kauf nicht allein von anderen Bedürfnissen, sondern auch von der Vorstellung von so und so viel anderen Preisen, die durch ganz fremde, mit mir nur sozialwirtschaftlich verbundene Individuen zustande gekommen sind, ab, und die mich in meinem Verhalten zu dem einen durchzuführenden Verkehrsakt als ein  außer mir liegendes Objektivum,  als gegebenes Faktum bestimmen. Gerade die ausschließliche Betonung des geldlichen Charakters der Kosten weist in dieser Richtung aus der Natur des Geldes heraus mit zwingender Notwendigkeit auf einen  nicht-subjektiven Bestimmungsgrund  für die konkrete einzelne Verkehrshandlung und den dabei zustande kommenden Preis.

2. Der Verkehrsakt selbt und der dabei zustande gekommene Preis wirkt, wenn auch mit der ganzen Unsumme von Preisen, die bei anderen Verkehrsakten, zeitlich beiläufig zusammenfallen zustande kommen, auf das Verhalten aller später Kauflustigen und aller, die später Waren anbieten wollen, und zwar wirkt er  nicht als Ungleichung, sondern als Gleichung, als Äquivalenz.  Darin ist nun natürlich die Wurzel jenes tatsächlich verwendbaren, ja im sozialwirtschaftlichen Organismus unentbehrlichen Begriffs "objektiver Tauschwert" zu erkennen. Von diesem ist der Preis dadurch verschieden, daß er eine tatsächlich  Realität  gewordene Verkehrsbeziehung zweier beteiligter Kaufparteien zum Kaufobjekt ausdrückt, während der objektive Tauschwert nur die  Möglichkeit  oder  Wahrscheinlichkeit  ausdrückt, daß für Objekte gleicher Art auf der Grundlage dieser Preise ebensolche Verkehrsbeziehungen wieder zustande kommen. Bezüglich der großen praktischen Bedeutung des objektiven Tauschwertes sei hier nur an die heute gerade sehr aktuellen Probleme der Waldwertrechnung erinnert.
    Mit der den Tauschwertbegriff vollständig verwerfenden Kritik (Seite 11) setzt  Liefmann  sich über die Tatsachenwelt und insbesondere über das Bedürfnis der Verkehrswirtschaft glatt hinweg. Die Preise sind tatsächlich die Grundlage für Bewertungen, die nicht vom Standpunkt eines wertenden Subjekts, sondern einfach mit Rücksicht darauf vorgenommen werden, daß Dinge buch- oder rechnungsmäßig auf ihre Geltung im Verkehr hin erfaßt werden (21).  Liefmanns  Stellung zum Wertproblem ist allerdings überhaupt recht zweifelhaft. Seite 11 sagt er mit besonderem Nachdruck: unsere Theorie braucht den Wertbegriff in irgendeiner Form überhaupt nicht ... und Seite 17 erklärt er dann, daß seine Problemstellung (wie aus subjektiven Bedarfsempfindungen ein objektiver Preis entsteht) auch lauten könnte: wie aus subjektiven Wertschätzungen der objektive Preis entsteht.
Sehen wir nun zu, was LIEFMANN an Positivem zur Erfassung des Preisbegriffs gegen die von ihm bekämpfte bisherige Aufgabe zu setzen hat.

Wie schon gezeigt wurde, will er den Ton auf die Meßfunktion gelegt wissen. Im Weiteren zitiert LIEFMANN dann eine Preiserklärung KANTs, von dem er (nach dem was ich ausgeführt habe mit Unrecht) sagt "wie mir scheint, der einzige Schriftsteller, der bisher den Preis nicht materialistisch, sondern als einen  Schätzungsbegriff  und im Ganzen richtig, wenn auch vom Standpunkt des heutigen ökonomischen Sprachgebrauchs eigentümlich definiert hat". KANT erklärt: "Pretium [Preis - wp] ist das öffentliche Urteil über den Wert einer Sache, im Verhältnis auf die proportionierte Menge desjenigen, was das allgemein stellvertretende Mittel der gegenseitigen Vertauschung des Fleißes (des Umlaufes) ist."

Nicht eine Erfassung der Begriffsmerkmale, sondern schon eine Anweisung für die Auffindung der konkreten Preisziffer bei gegebener Sachlage ist es, wenn LIEFMANN die allgemeine Preisdefinition, die sowohl Konkurrenz- als auch Monopolpreise umfassen soll, mit den Worten gibt: Preis eines Gutes ist die Summe des Geldes, die für dasselbe gegeben werden kann oder muß, daß der am wenigsten kaufkräftige Konsument (Monopolpreis) wie der teuerste Anbieter (Konkurrenzpreis) noch den volkswirtschaftlichen Grenzertrag erzielen.

Was zunächst die Meßfunktion des Preises anlangt, so ist an diesem wesentlichen Begriffsmerkmal nicht zu mäkeln.  Der Preis einer Ware ist die in Einheiten eines allgemein gedanktlich erfaßten und verständlichen Tauschmittels ausgedrückte Geltung der Ware im Tauschverkehr auf dem betreffenden Markt, der zur Feststellung des Preises führte.  Mit dem Geldausdruck ist das Maß der Geltung beziffert, die Geltung gemessen. Dieser Maßbegriff hat aber seine Eigentümlichkeit: er ist nicht wie LIEFMANN behauptet (22), in gleicher Weise ein Maßbegriff wie Gewicht oder Länge. Wenn wir das Geld als Maß ansehen und verwenden, so darf das nie in einem absoluten Sinn geschehen, als ob wir es mit einer objektiv für alle Individuen und zu allen Zeiten konstanten Größe zu tun hätten. Gerade jene Qualität des Geldes, die es als Maßgröße verwendbar macht, ist nicht etwas im Geld schon Vorhandenes, wie etwa die Länge eines Stabes oder das Gewicht eines Liters Wasser bei 4° Celsius, sondern etwas von uns in das Geld Hineingetragenes. Daraus ergibt sich ein besonderes Problem für die Preistheorie, dessen Lösung ganz besonders für die Frage von Wichtigkeit ist, ob man die Grundvorgänge und Tatsachen, die zur Preisbildung führen, als subjektive oder objektive Wurzeln anzusehen hat.

Es ist bekannt (23), daß die Funktion des Geldes bei der Preisbildung von der Verschiedenheit der individuellen Geldverfügung ebensowenig zu trennen ist wie von seiner (des Geldes) eigenen Geltung im Verkehr.

Während also das Kilogramm oder das Meter die Dinge der Außenwelt in ein Verhältnis zueinander ganz abgesehen von unserem indidivuellen Wollen oder Können bringt, ist die Sache beim Geld anders. Damit hier ein Vergleichen der Außenwelt mittels des Geldes als Maß vor sich gehen kann, bedarf es einer Stellung, eines bestimmten Verhältnisses des Individuums zum Maßstab Geld und während die Länge oder das Gewicht einer Sache für alle Individuen ein und dieselbe Bedeutung hat, ist der Preis einer Ware als absolute Maßgröße für die verschiedenen Individuen etwas ganz Verschiedenes. Und was noch wichtiger ist: während das Längen- und das Gewichtsmaß eine Funktion erfüllt unabhängig von seinem Verhältnis zu anderen Dingen, die auch zu messen sind, ist ein solches Verhältnis des Geldes zu anderen Dingen die unentbehrliche Voraussetzung für seine Verwendbarkeit zu Messungen. Deshalb können wir auch beim Messungsvorgang ebensowenig wie beim Maßbegriff "Preis" von dieser Grundlage, auf der das Geld Maßstab geworden ist, absehen.

Die Maßfunktion des Geldes ruht auf seinem Wert. Der Geldwert ist eine von der Kaufkraft abgeleitete, bei der Preisbildung als elementare Kraft wirksame Vorstellung, die Käufer wie Verkäufer leitet. Und damit ist bei jeder Preisbildung immer - wenn auch bei jedem Individuum natürlich sehr verschieden bewußt - eine materielle und substanzielle Gegenwertvorstellung mit im Spiel, die in einer gewissen, wie wir sahen, sozial bedingten Verhältnismäßigkeit von Sach- und Leistungsquantitäten, in einer Äquivalenz der getauschten Objekte (ausgedrückt in den zuletzt zustande gekommenen und den Individuen bekannten Preisen) wurzelt, wobei aber noch die Veränderlichkeit dieser Äquivalenz zur Geltung kommt und die Maßqualität selbstverständlich beeinträchtigt. Die Relativität, die jeder Maßbegriff in schließt (24), ist also hier beim Preis durch die eigenartige Grundlage des Geldwertes außerordentlich gesteigert.

Auf eine Quantitätsbezeichnung weist nun allerdings auch der Maßbegriff ansich hin, denn der Zweck des Messens ist auch die Gewinnung von Vorstellungen über Beziehungen zwischen Objekten, soweit sie eine gemeinsame Eigenschaft haben, bezüglich der eben die Vergleichung vorgenommen werden soll. Das entspricht unbestreitbar dem praktischen Zweck des Preises, ebenso wie dem des Längenmaßes, Gewichtes oder sonst eines Maßes.

Der  praktische Zweck des Preises  erschöpft sich aber freilich ganz und gar nicht in der Meßfunktion. Denn durch den Preis wird eine sozialwirtschaftlich außerordentlich wichtige Aufgabe geleistet: es wird die Verteilung von Gütern reguliert, die in einer gegenüber der Nachfrage zu geringen Menge verfügbar ist. Indem nämlich der Preis eine gewisse Höhe erreicht, schließt er so und so viele von der Erwerbung aus, die auch als Nachfrager und zwar als Nachfrager mit zu geringer Kaufkraft auftreten. Diese Seite der Preisfunktion hat LIEFMANN mit der Formel, die er fälschlich eine Definition nennt (Seite 54), erfaßt und mit Recht hervorgehoben. Freilich, gerade in dieser Formel des Preises: "Er müsse so hoch sein, daß der am wenigsten kaufkräftige Konsument wie der teuerste Anbieter noch den volkswirtschaftlichen Grenzertrag erzielen", fehlt doch gerade die Bezugnahme auf den Vergleich, der mit dem Maßbegriff wesentlich ist. Und ebenso steht es mit der Wirkung des Preises auf die Gestaltung des Angebots. Denn durch den Preis werden auch wieder all jene Anbieter vom Markt verdrängt, die mit höheren Gestehungskosten, als der Preis es rechtfertigt, den Markt mit Ware beschickt haben. Auch diese Funktion, die bei LIEFMANN zu so großer Bedeutung kommt, wird mit der Kategorisierung des Preises als nichts anderes denn als Maßbegriff gänzlich übersehen. Gerade LIEFMANN hätte Veranlassung gehabt, die Einseitigkeit, die in der Kategorisierung des Preises als Maßbegriff liegt, zu vermeiden. Oder er hätte ausdrücklich hier sagen müssen: der Preis ist ein Maßbegriff und als solcher sozialwirtschaftlich ein Mittel zum Zweck und sozialwissenschaftlich ist der Zweck neben der Bewerkstelligung des Austausches von Waren in bestimmten Quantitäten darin zu erkennen, daß der Markt in zweckmäßiger Weise mit Ware versehen wird.

Die von mir oben gegebene Definition des Preises sollt mit dem Wort "Geltung" auch etwas von dieser polypragmatischen Bedeutung der einzelnen Preisziffer zum Ausdruck bringen, etwas von dieser Wirksamkeit, die über den speziellen, eventuell nur zwischen zwei Subjekten vor sich gehenden Tauschakt hinaus auf den gesamten Tauschverkehr besteht. Im übrigen möchte ich nicht unerlassen zu bemerken, daß die obige Begriffsbestimmung in dieser Fassung eine Präzisierung gegenüber einer einfacheren (im Unterricht verwendeten) bedeutet, sofern ich unter dem Eindruck der scharfsinnigen Ausführungen AMONNs den engeren Ausdruck "Geldeinheiten" durch den allgemeineren und korrekteren. "Einheiten eines allgemein gedanklich erfaßten und verständlichen Tauschmittels" ersetzen zu sollen glaube. Ich tat dies in der Überzeugung, daß die Betonung dieser Eigenschaften des Tauschmittels gleichzeitig den nationalökonomischen Standpunkt gegenüber dem Preisproblem ausdrücklich kennzeichnet. Denn die Einheiten des Tauschmittels werden durch die allgemeine Erfassung und das Verstehen von allen Verkehrssubjekten in demselben Sinne zu einer als sozial zu bezeichnenden Maßgröße, weil dadurch die Vergleichung der Preise verschiedener Objekte für alle Verkehrssubjekte ermöglicht wird.
    Im übrigen weicht  Amonns  Begriffsbestimmung von meiner ab, sofern er in ihr die Beziehung speziell der gerade miteinander verkehrenden, am Preis beteiligten Verkehrssubjekte gegenüber der betreffenden Ware hervorhebt (25). Natürlich ist der Preis  auch  ein Ausdruck für diese Beziehungen. Allein dies deutet mehr die Genesis des Preises an, aus dieser Beziehung heraus entsteht die Ziffer und es bedarf dieser Hervorhebung der individuellsten Beziehungen nicht, sie sind in dem weiteren Begriff der "Geltung" inbegriffen.

    Mit dem Zustandekommen eines Preises entsteht auch eine für den ganzen gesellschaftlichen Verkehr eine wirksame Geltung der Ware im sozialwirtschaftlichen Verkehr und da diese Geltung für jede Ware, für die ein Preis zustande kommt, nicht in Abrede zu stellen ist und alle Preise in dem einen ideellen Tauschmittel Ausdruck finden, so ist mit dem Preis der einzelnen Ware unbestreitbar auch immer ein Ausdruck gefunden, der eine Verhältnismäßigkeit von Quantitäten der verschiedenen (aber  nota bene  eben aller nicht nur einer einzelnen als "Gegenwert" gegebenen) Waren, für die Preise bestehen, herstellt. Daß diese Verhältnismäßigkeit praktische Bedeutung hat, ist in der Literatur über den objektiven Tauschwert vielfach illustriert und nachgewiesen worden. Die Bedeutung dieser Verhältnismäßigkeit wird dadurch nicht vermindert, daß sie auf dem nächsten Markt schon verändert sein kann. Bis zu diesem kann sie eine außerordentliche Tragweite entfalten.
Nach allem Gesagten wird die ganz unzweideutige These LIEFMANNs über die Einzigkeit der Aufgabe der Preistheorie immer unhaltbarer. Ihn beschäftigt freilich weder der Gegensatz zwischen der reinen Ökonomik einerseits, sozialwissenschaftlicher Betrachtung und ihrem Objekt andererseits, noch läßt er sich von der Frage auch nur anregen, ob nicht das Handeln der im Tauschverkehr mit Preisbildung zusammentretenden Menschen außer durch rein subjektive Bedarfsempfindungen auch noch durch objektive Bestimmungsgründe - oder zumindest noch vorsichtiger ausgedrückt, mit unter dem Einfluß subjektiv unabhängiger Faktoren zustande kommt. Er interessiert sich nur für den Gegensatz zwischen Wirtschaft und Technik. Ist man sich nur einmal darüber im Reinen, daß das Ethisch-Teleologische aus den Beurteilungen, Schlußfolgerungen und Argumentationen fern gehalten wird, so meint er wohl, dann ist jede weitere Untersuchung und Erörterung über das Objekt der theoretischen Nationalökonomie eine müßige Sache. Das Zentralproblem der Theorie ist ja gegeben und über seine Formulierung kann kein Zweifel bestehen. All die Fragen, die den vorurteilslos an ein Problem Herantretenden beschäftigen, bereiten LIEFMANN keine Schwierigkeiten. Wie ein Refrain kehrt diese These immer wieder: der Inhalt und die Aufgabe der Theorie ist, zu erklären wie der objektive Preis aus subjektiven Bedarfsempfindungen, aus subjektiven Wertschätzungen entsteht. Mögen wir uns immerhin auch noch mit dieser Problemstellung abfinden, so können wir doch nicht verzichten, nochmals gegen den Apriorismus Protest einzulegen, mit dem die Erschöpfung des ganzen preistheoretischen Problems durch jene Themaformulierung behauptet wird. Die Formulierung "Aufgabe sei die Darlegung, wie aus subjektiven Bedarfsempfindungen ein objektiver Preis entsteht", geht nämlich schon von der Voraussetzung aus, daß der objektive Preis aus subjektiven Bedarfsempfindungen und aus nichts anderem entsteht. Daß diese Voraussetzung zutrifft, hatte LIEFMANN meines Erachtens erst zu beweisen. Er hatte von seinem Thema ausgehend zu beweisen, daß im wirtschaftlich handelnden Individuum, dem Käufer, nicht schon ein von außen her auf ihn einwirkender Tatsachenkreis, ein objektives Faktur gerade erst all jene Vorstellungen, von denen er sich beim Handeln leiten läßt - mögen diese Vorstellungen nun eine Nutzen-, eine Kostengröße, ein Wert oder was auch immer sein - erzeugt.

Aber der Beweis spielt bei LIEFMANN eine eigenartige Rolle. Seine logische Argumentation beschränkt sich mitunter wirklich auf den Syllogismus: Ich sage  A.  Wer  B  sagt oder  C,  irrt, weil ohne  A  die Erklärung des Preises nicht zu geben ist (26).

Gelingt es darzulegen, wie aus subjektiven Bedarfsempfindungen ein objektiver Preis entsteht, so ist solches (zunächst ohne Rücksicht auf die Frage, ob der dargelegte Zusammenhang selbst der Prüfung standhält) zweifellos ein wertvoller Beitrag zur Erklärung des Preisphänomens, aber es ist mit dem Nachweis auch noch immer nicht schon ohne weiteres erwiesen, daß darin "die" Preiserklärung schlechthin geliefert ist, daß sich darin die Preistheorie erschöpft.

Es muß leider nochmals gesagt werden, daß die Überzeugung von der Treffsicherheit seiner doch "so selbstverständlichen" Theorie und das Hochgefühl, "alle Nationalökonomen der Welt" zur Fehde herausfordern zu können, LIEFMANN verleiten in der Beurteilung anderer Autoren geradezu ungerecht zu werden. Das tritt in seiner Stellungnahme zu der Frage, welches die Aufgaben der Preistheorie sind, scharf zutage. Denn die Preistheorie ist  nicht bloß,  wie LIEFMANN meint,  vor eine einzige Frage, sondern vor eine Mehrheit von Aufgaben gestellt. 

Man hat allerdings in der Literatur bisher ganz überwiegend auch nur eine Frage als den Kern des Preisproblems behandelt: man hat die Aufgabe der Preistheorie darin erblick, zu ermitteln, welche Gesetzmäßigkeiten in der Entstehung der einheitlichen Preisziffer feststellbar sind, wenn die Angebots- und Nachfrage-Elemente gegeben sind. Dabei hat man wohl die psychologischen Wurzeln dieser Elemente erörtert und hat mit mehr oder weniger Änderung gegenüber der Fassung des Preisgesetzes durch JOHN STUART MILL zumeist Gebrauchswert der Ware für den Käufer und "anderweitigen" Gebrauchswert der Ware für den Verkäufer "oder vielmehr den Geldausdruck für diese beiden" als die Grenzen bezeichnet, zwischen denen der Preis nach Mengenverhältnis und Stärke der beiden Elemente ins Gleichgewicht kommen muß. LIEFMANN behauptet demgegenüber, daß diese Themastellung das preistheoretische Problem nicht erschöpft. Und ich stimme ihm darin vollständig zu. LIEFMANN  hat recht,  wenn er auf die Ermittlung derjenigen Faktoren die theoretische Untersuchung gerichtet sehen will, die die Entstehung der den Markt ausmachenden Elemente die Angebots- und Nachfragegröße und -stärke erklären und natürlich auf die Gesetzmäßigkeiten, die sich in der Wirksamkeit dieser Faktoren beobachten lassen. Die  Preistheorie hat diese "gegebenen Elemente" Angebot und Nachfrage nach Größe und womöglich nach der Seite ihrer Entstehung aufzuklären.  Wie weit man darin vor LIEFMANN schon vorgegangen ist, wird noch im nächsten Abschnitt zu berühren sein.

Hier handelt es sich nur darum, bei aller Anerkennung dafür, daß LIEFMANN in der angedeuteten Richtung eine Aufgabe der Preistheorie erkannt und ihre Lösung in Angriff genommen hat, doch ausdrücklich dagegen Verwahrung einzulegen, daß, was die Literatur bisher als Inhalt des Preisproblems ansah, nicht  auch  eine Aufgabe der Theorie sei. Mag auch die Lösung scheinbar sehr einfach sein, so ist die grundsätzliche Ermittlung des Schemas nach dem bei gegebenen Angebots- und Nachfragegrößen, der einheitliche Preis tatsächlich zustande kommen muß, wenn die Marktzwecke erreicht werden sollen (27), weder eine unbedeutende noch eine nebensächliche Aufgabe und was die Grenznutzenlehre hier geleistet hat, erfordert unbedingt Beachtung. Denn ihre Lösung dieses Problems, den Preis aus gegebenen Marktdaten zu ermitteln, bedeutet die Anwendung einer Gesetzmäßigkeitserkenntnis aus dem Gebiet der reinen Ökonomik (Grenznutzen) zur Erklärung sozialwirtschaftlicher Vorgänge. Es ist ein Versuch und zwar meines Erachtens ein gelungener Versuch, das nationalökonomisch interessierende Phänomen des Preises mit Hilfe gewisser Gesetzmäßigkeiten, die auf dem Gebiet der reinen Ökonomik erforscht worden sind, einer Erklärung näher zu bringen.

Daß diese Leistung nicht das Um und Auf der preistheoretischen Aufgaben bilden kann (28), daß vielmehr einerseits die letzten Wurzeln des der schematischen Lösung zugeführten Tatsachenkomplexes damit doch noch nicht geklärt sind, daß aber andererseits eine Fülle von Preisbildungsvorgängen unbeachtet bleibt, die sich doch auch nach bestimmten Gesetzmäßigkeiten abwickeln und daß die Erfassung dieser auch Objekt der sozialwissenschaftlichen Untersuchung sei, darüber kann für den, der die Literatur über die Preisfragen kennt, kein Zweifel bestehen. Ich halte daran fest, was ich schon an anderer Stelle ausgesprochen habe (29): gegenüber dem für eine gegebene Rechts- und Wirtschaftsordnung erkannten Idealtypus der Preisbildung, gegenüber der Tendenz gewisser Preisbestimmungsgründe sich durchzusetzen, wird es immer eine Aufgabe der Theorie bleiben, zu erforschen, daß und in welchem Sinn sich typische Abweichungen beobachten lassen und vielleicht das Übergewicht über die idealtypischen Zusammenhänge gewinnen.

Wenn eine neue Theorie es unternimmt, nicht nur eine andere Formel für den Idealtypus an die Stelle der bestehenden zu setzen, sondern wenn gleichzeitig damit auch eine Universalität der Formel für jedewede Erscheinung des sozialwirtschaftlichen Verkehrs erreicht werden will, so liegt dies vielleicht durchaus nicht außerhalb des Bereichs der Möglichkeit. Nur wird man eines nicht übersehen dürfen und auch nicht übersehen können: je allgemeiner die Geltung einer theoretischen Erkenntnis ist, je größer also logisch ihr Umfang, umso dürftiger ist auch nach aller Erfahrung auf dem Gebiet der Sozialwissenschaft zumindest ihr Inhalt. Auch von diesem Gesichtspunkt aus tritt man daher mit einiger Skepsis an die LIEFMANNsche Lösung des preistheoretischen Problems heran.
LITERATUR Otto von Zwiedineck, Über den Subjektivismus in der Preislehre, Archiv für Sozialwissenschaft und Sozialpolitik, Bd. 38, Tübingen 1914
    Anmerkungen
    1) Archiv für Sozialwissenschaft, Bd. 34, Seite 1 und 406
    1a) Jetzt HENRY OSWALT in dem Aufsatz "Der Ertragsgedanke", Zeitschrift für Sozialwissenschaft, Neue Folge IV, Seite 199f. In der forstwissenschaftlichen Literatur scheint LIEFMANNs Auffassung auch zu wirken.
    1b) Zu vgl. LIEFMANNs Aufsätze "Grundlagen einer ökonomischen Produktivitätstheorie", Jahrbücher für Nationalökonomie und Statistik, Bd. 98, Seite 273 und "Theorie des Sparens und der Kapitalbildung", Jahrbuch für Gesetzgebung, Verwaltung und Volkswirtschaft im Deutschen Reich, Jhg. 36, Seite 1565.
    1c) Ich kann mich auch hier ganz kurz fassen, da die Leser des Archivs über die Einzelheiten durch das Erscheinen der  Liefmannschen  Aufsätze im 34. Bd. dieser Zeitschrift orientiert sein dürften.
    2) ebd. Seite 37. Wo im Folgenden LIEFMANN zitiert ist ohne Angabe eines Titels, sind die Aufsätze in Bd. 34 dieses Archivs gemeint.
    3) Soll wohl heißen "der am teuersten Produzierende noch erzielt".
    4) Seite 17 ebd.
    5) Jahrbuch für Nationalökonomie und Statistik, Bd. 98, Seite 273f.
    5a) Der vorliegende Aufsatz war schon im Oktober 1913 gedruckt. In "Conrads Jahrbuch für Nationalökonomie", III. Folge, Bd. 46, Seite 603, veröffentliche  Liefmann  unterdessen eine Abhandlung "Das Wesen der Wirtschaft und der Ausgangspunkt der Nationalökonomie", deren Inhalt mich zur Änderung mancher Ausführungen, die ich in diesem Aufsatz gegen  Liefmann  gerichtet habe, veranlaßt haben würde, wenn ich ihn vorher gekannt hätte. Der Hauptinhalt meines Aufsatzes zielt freilich auf andere Dinge ab, weshalb ich von einer Änderung des betreffenden Abschnittes absehen zu können glaubt. Ich bemerke jedoch hier gern, daß sie  Liefmann  in seiner neuen Abhandlung einmal etwas mehr bemüht hat, besser zu verfolgen, was andere gesagt haben. Freilich immer noch nicht genügend und von Vorurteilen über den bisherigen Standpunkt in der Literatur vermag er auch da nicht sich ganz zu befreien. So bleiben auch insbesondere meine Bemerkungen Seite 11f bezüglich der Grenze zwischen Technik und Wirtschaft aufrecht. Was er Seite 631f gegen  Lexis, Dietzel, Philippovich  vorbringt, setzt sich über den Standpunkt und die Voraussetzungen dieser Autoren hinweg.
    6) von mir gesperrt.
    7) Völlig vergriffen ist  Liefmanns  Beweis. Er meint, man könne sagen: Wenn ich mehrere Äpfelt habe, schätze ich den ersten, den ich verzehre, am höchsten, den zweiten schon geringer usw.: Abnehmender Nutzen bei zunehmender Bedarfsbefriedigung. Man könne aber ebensogut sagen: der erste Apfel, den ich esse, ist mir am wenigsten wert, denn ich habe noch so viele andere zur Verfügung. Es läßt sich beides sagen, aber das zweite sei eine Kostenschätzung, keine Nutzenschätzung (Seite 21), denn, so erklärt  Liefmann,  dann schätzt und vergleicht man die Güter, sondern den Genuß als solchen und der einzelne Apfel ist das Opfer, um dadurch den Genuß zu erlangen! - - - Zunächst ist gegen  Liefmann  einzuwenden, daß die erste Formel (abnehmender Nutzen bei zunehmender Bedarfsbefriedigung) nur dann zutrifft, wenn ich alle Äpfel auf einmal einen nach dem andern konsumieren soll. Wenn ich die Äpfel im Laufe eines größeren Zeitraums essen will, dann kann ich doch nicht von der Höhe des physiologischen Genusses aus behaupten, der erste Apfel wird von mir höher geschätzt, weil ich am nächsten Tag nicht mehr einen gleich hohen Genuß beim zweiten Apfel habe. - Es ist aber überhaupt ein Spiel mit Worten, wenn er von der Wertschätzung der Äpfel redend, auf dem Weg einer Berücksichtigung der Quantitäten zur Wertschätzung des physiologischen Motivs der Äpfelwertschätzung hinüberleitet und dann ein  quid pro quo  [dieses für jenes - wp] zwischen Nutzen und Kosten konstruiert.  Liefmanns  Vorwurf ist aber auch falsch. Denn nach der Kostengrundlage müßte mit fortschreitendem Konsum jeder weitere Apfel wertvoller sein und gerade das Gegenteil ist der Grundgedanke der österreichischen Wertlehre, weil sie vom Wirkungswert der Güter ausgeht und das Werturteil von der Vorstellung der durch eine Mehrheit von Gütern bedingten Genußskala abhängig ansieht.
    8) Vgl. AMONN, Objekt und Grundbegriffe der theoretischen Nationalökonomie, Wien 1911, 2. Abschnitt, Kapitel 4 und dazu meine Besprechung im "Jahrbuch für Gesetzgebung, Verwaltung und Volkswirtschaft im Deutschen Reich", Jhg. 36. Seite 436.
    9) AMONN, a. a. O., Seite 99f
    10) Diese Gefahr wird allerdings immer auftauchen bei solchen apriorischen Begriffsbestimmungen. Man steht da immer vor der schwierigen Frage nach der Grenze, die zwischen den historisch-statistischen, aus den Tatsachen gewonnenen Erkenntnissen über das Seiende auf dem Gebiet der treibenden Kräfte einerseits und dem von einem Werturteil - das muß natürlich keineswegs stets ein ethisches sein - untrennbaren Imperativ andererseits gezogen werden müßte. Um diese Grenzfrage kommt man bei der Lösung des Inhaltes des ökonomischen Prinzips nicht herum.
    11) LIEFMANN, Subjektivismus, a. a. O. Fußnote 15
    12) Es sei hier nur beiläufig bemerkt, daß LIEFMANN gegen BÖHM-BAWERK mit Ausdrücken wie "Spielerei", "unsinnig", "dialektische Kunstgriffe" (Seite 441f) und dgl. operiert, sich in der Polemik aber selbst Flüchtigkeiten zuschulden kommen läßt wie z. B. Seite 452, wo das Mißverständnis gegenüber BÖHM zu augenfällig ist. Und wenn LIEFMANN verlangt, daß man auf seine Voraussetzungen eingehe, muß der das  nota bene  [wohlgemerkt - wp] bei einem Beispiel auch anderen zugestehen. Die Kritik (Seite 452f) ist zudem ganz unsachlich, die den Kern des Problems nicht im Geringsten trifft.
    13) GUSTAV CASSEL, Grundriß einer elementaren Preislehre, Zeitschrift für die gesamte Staatswissenschaft, 55. Jhg., Seite 412. Auch SPANNs Andeutung in seinem Aufsatz "Der logische Aufbau der Nationalökonomie und ihr Verhältnis zur Psychologie usw.", ebd., Jhg. 1908, Seite 34 und 44.
    14) In meinem Aufsatz "Kritisches und Positives zur Preislehre", Zeitschrift für die gesamte Staatswissenschaft, 1908, 4. Heft und 1909, 1. Heft.
    15) Was ja ganz im Sinne LIEFMANNs liegt, der das Vergleichen als Essentiale des Maßbegriffs Preis voraussetzt. Vgl. CASSEL, a. a. O., Seite 404.
    16) Es sei hier nur nebenbei bemerkt, daß LIEFMANN - freilich sehr unbewußt und ungewollt - dieser übergreifenden Bedeutung des Preises eine große Rolle zuweist. (vgl. darüber unter III.)
    17) LIEFMANN, a. a. O., Seite 13
    18) Zum Gesagten verweise ich auf die klare erkenntnistheoretische Kritik der Preislehre bei AMONN, a. a. O., Seite 315-363.
    19) Auch bei SCHUMPETER gegen den sich LIEFMANN besonders scharf wendet; allerdings wie AMONN (Seite 338) richtig bemerkt, gleitet SCHUMPETER öfters unversehens auf das nationalökonomische Preisproblem hinüber.
    20) AMONN hat mit der technischen Tauschbedingtheit die Beziehung im Auge, die dadurch zwischen zwei Gütern hergestellt ist, daß eines geopfert wird, wenn das andere gewonnen wird.
    21) Diese Rechtfertigung des Festhaltens am objektiven Tauschwert ist meines Erachtens ganz einwandfrei auch gegen AMONN (vgl. dessen Ausführung a. a. O., Seite 329) von PHILIPPOVICH (Grundriß I, Seite 262) aufrechterhalten worden.
    22) LIEFMANN, a. a. O., Seite 11
    23) Es erübrigt sich, hierfür besondere Belegstellen aus der Literatur anzuführen und ich habe auch nicht den Eindruck, als ob LIEFMANN darüber anders dächte.
    24) Beim Längenmaß die Beziehung zum Erdquadranten, auch beim Gewicht die Beziehung zu einer konstanten Kraft.
    25) AMONN definiert (a. a. O., Seite 344) den Preis als die Zahl solcher Einheiten, in der die Beziehungen der gerade miteinander verkehrenden, am Preis beteiligten Subjekte gegenüber einem Verkehrsobjekt in einer für alle Verkehrssubjekte in gleicher Weise verständlichen Art einheitlich zum Ausdruck gebracht sind.
    26) vgl. z. B. LIEFMANN, a. a. O., Seite 41
    27) Als Marktzweck sieht die Theorie dabei die Befriedigung des Austauschstrebens (Kauf oder Verkauf) der tunlichst größten Zahl von Marktbesuchern an. Von diesem "Telos" ist die Theorie auch wieder einmal nicht zu befreien.
    28) ZWIEDINECK, Kritisches und Positives zur Preislehre, Zeitschrift für die gesamte Staatswissenschaft, Jhg. 1908, Seite 602f, wo ich auch darauf hinwies, daß die Wertschätzungsziffern, die als Angebots- und Nachfragegrößen funktionieren, nicht einmal hinlänglich gedeutet zu werden pflegen.
    29) ZWIEDINECK, ebd. Jhg. 1909, Seite 126f.