ra-2 A. VoigtH. CohnR. StammlerG. Schmoller    
 
EUGEN BÖHM-BAWERK
Rechte und Verhältnisse vom
Standpunkt der volkswirtschaftlichen Güterlehre


"Ehe wir uns erklären können, ob und in welchem Sinne etwa Rechte und Verhältnisse  Güter  sind, müssen wir vor allem betrachten, was denn unter Gütern im volkswirtschaftlichen Sinn überhaupt vorzustellen ist."

Vorwort

Ich habe in der vorliegenden Schrift den Versuch gemacht, eine entschiedene und unzweideutige Lösung für eine Frage zu geben, die - bei aller Schlichtheit ihres Gegenstandes - reichlichen Stoff zu Irrungen und Mißverständnissen geboten hat und noch bietet: für die Frage nämlich nach der wahren wirtschaftlichen Natur der im Kreis unserer Wirtschaftsgüter neben körperlichen Sachgütern und persönlichen Leistungen der  "Rechte"  und  "Verhältnisse".  Mir lag bei diesem Versuch ebensosehr an der Erledigung  des speziellen Problems,  das mir ansich nicht unwichtig und von der bisherigen Doktrin häufiger nur nach beiläufigen Eindrücken beurteilt, als mit erschöpfender Umsicht geprüft zu sein schien; als daran, daß von der Untersuchung des Speziellen weg ein helleres Licht auch auf die  ganze grundlegende Lehre  zurückfallen möchte, an und mit deren Begriffen die Untersuchung operieren mußte:  auf die volkswirtschaftliche Lehre vom Gut.  Daß mir die letztere in manchem Punkt einer Berichtigung oder doch einer vervollkommnenden Ausgestaltung zu bedürfen schien, darf ich wohl unumwunden bekennen. Eine solche Ausgestaltung anzustreben, mußte ich aber für umso wichtiger halten, je höher ich den systematischen Wert einer Lehre schätzen muß, auf deren Begriffen und Wahrheiten schließlich jeder nationalökonomische Gedanke fußt.

So wertvoll sonst das Lob der Originalität auch ist, so sehr, würde der Verfasser ihm gerade bei dieser Gelegenheit zu entgehen wünschen. Statt als Träger einer neuen Lehre, die in so einfachen Dingen meist, je origineller, desto gekünstelter zu sein pflegt, wünschte er lieber recht vielen Lesern nur als Dolmetscher von Ansichten zu erscheinen, die sie selbst bei sich gehegt und nur nicht ausgesprochen, oder sie auch ausgesprochen und nur nicht zur Widerspruchslosigkeit geläutert oder endlich, die sie vielleicht nur deshalb nicht ausgesprochen oder nicht weiter verfolgt hatten, weil sie von ihrer Selbstverständlichkeit durchdrungen waren. Was der Autor bei einem solchen Eindruck verliert, wird immer die Sache gewinnen und damit kann schließlich auch der Autor, dem ja mehr an der Überzeugung, als an der Überraschung seiner Leser liegt, wohl zufrieden sein. Daß er über  allzu  Selbstverständliches geschrieben, wird er dabei solange nicht zu besorgen haben, als sich die Einfachheit des Stoffes nicht auch in der Einmütigkeit und Unanfechtbarkeit der Meinungen über ihn zu erkennen gibt.




Einleitung

Es gibt in der Nationalökonomie einige unscheinbare Probleme, die auf den ersten Blick recht abseits vom Hauptstrom der Entwicklung unserer Wissenschaft zu liegen und nur ein sekundäres Interesse seitens derjenigen zu verdienen scheinen, die auch für minutiöses wissenschaftliches Detail eine Teilnahme empfinden; Probleme, die aber, sowie man sich genauer auf sie einläßt, so viele unvermutete Verknüpfungen nach den großen und mitten im Fahrwasser der Erörterung befindlichen Fragen hin gewahren lassen, daß ihre Betrachtung auch vom strengsten Beurteiler nicht als müssige Geistesspielerei angesehen werden wird. Eines dieser unscheinbaren Probleme betrifft die Stellung, welche die Kategorien der  Rechte  und  Verhältnis  im Kreise der das äußere Objekt der Volkswirtschaftslehre bildenden Güter einnehmen.
    Sind Rechte, sind Verhältnisse in der Tat, wofür sie gemeinhin gelten, echte Güter in demjenigen Sinne, in welchem die Volkswirtschaftslehre diesen Namen gebraucht und gebrauchen muß? können sie es ihrer Natur nach sein? und welches ist überhaupt die Natur und wirtschaftliche Bedeutung jener eine so wichtige Rolle im Wirtschaftsleben spielenden immateriellen Dinge? 
Es ist nicht das erstemal, daß Fragen dieses und ähnlichen Inhalts die volkswirtschaftliche Theorie überhaupt als Güter und Vermögensbestandteile im volkswirtschaftlichen Sinn anzusehen seien, hat während der ersten Hälfte dieses Jahrhunderts einen nicht unansehnlichen Raum in den Lehrbüchern und Systemen der Nationalökonomie gefüllt und auch seither haben die Rätsel, welche speziell die immateriellen "Verhältnisgüter" umgeben, einen hervorragenden Schriftsteller Deutschlands zu einer inhaltsreichen Monographie über diesen Gegenstand veranlaßt (1), - Beleg genug dafür, daß jene Fragen ansich des theoretischen Interesses nicht unwert sind, das wir ihnen vindizieren [zurechnen - wp]. Ob aber dieses Interesse durch die bisherigen Bearbeitungen nicht schon erschöpft ist? ob nicht unser Stoff durch diejenigen Untersuchungen, die er bisher erfahren hat, schon so sehr ins Klare gestellt ist, daß an ihm ferner nichts mehr aufzuklären übrig ist und daß hier die Wissenschaft nur nach den reifen Früchten vollendeter Erkenntnis, wo immer sie ihrer in der Anwendung bedarf, zu greifen nötig hat? - Das ist eine Frage, die für die Existenzberechtigung unseres Versuches zu wichtig ist, als daß wir ihr nicht an einleitender Stelle einige Worte widmen müßten; zumal da die Meinung, als handle es sich um theoretisch schon völlig ausgetragene Fragen, leicht durch die Tatsache wachgerufen werden kann, daß die Polemik, deren Gegenstand die "immateriellen Güter" so lange waren, nun schon längst verstummt ist und sich in den nationalökonomischen Lehrbüchern eine feste, zwar nicht ausführliche, aber desto einmütigere Lehrmeinung über diesen Punkt eingebürgert hat.

Einen strikten  Beweis  dafür, daß unser Thema der Erörterung noch immer bedürftig und letztere selbst demnach nicht überflüssig ist, werden unsere Leser an dieser Stelle zwar nicht fordern: es liegt jat in der Natur der Sache, daß ein solcher Beweis viel besser am Schluß als am Beginn einer Erörterung und am besten stillschweigend durch seinen ganzen Inhalt erbracht werde. Um es jedoch nicht an allem fehlen zu lassen, wollen wir, wie es die Juristen nennen würden, hier wenigstens eine gewisse  Bescheinigung  zu erbringen suchen. Als solche mögen zwei Tatsachen gelten, auf die wir uns berufen.

Die erste ist die Entstehungsgeschichte dieser Zeilen selbst. Der Verfasser ist nämlich zur Betrachtung des vorliegenden Themas keineswegs durch bloßen Hang zum Theoretisieren, sondern gedrängt durch ein durchaus praktisches Bedürfnis gekommen. Als er nämlich ein Thema von sehr aktuellem Interesse, die Lehre vom Kapital und vom Kapitalzins, untersuchte, machte er die etwas überraschende Erfahrung, daß eine Reihe von Begriffen und Vorstellungen, welche in jener Lehre eine grundlegende Rolle spielen und welche man gemeinhin für sehr klar und unantastbar hält, keineswegs eine solche Klarheit besitzen, als man ihnen zuzuschreiben geneigt ist und als sie für fundamentale Vorstellungen, auf welchen der weitere Aufbau der Wissenschaft ruhen soll, unerläßlich ist. Namentlich waren es Begriffe und Vorstellungen der  Güterlehre,  an denen sich solche Beobachtungen machen ließen. Diese praktische Erfahrung drängte den Verfasser dazu, gleichsam vorbereitungsweise einige für sein Hauptthema relevante Partien der volkswirtschaftlichen Güterlehre in kritische Untersuchung zu ziehen und einen Teil dieser um eines praktischen Zielpunktes willen unternommenen Untersuchungen ist es, welcher im folgenden dem Leser unterbreitet wird.

Da jedoch diese Bescheinigung allzusehr auf der subjektiven Erfahrung und dem Urteil des Autors selbst ruht, müssen wir ihr wohl noch eine zweite und objektivere Bescheinigung beigeben. Zu einer solchen scheint uns nichts geeigneter, als die Tatsache, daß schiefe oder irrige Ansichten über unser Thema schon zu wiederholten Malen und auch noch in neuester Zeit den Anlaß zu weittragenden Irrlehren in unserer Wissenschaft gegeben haben und daß die letzteren eine endgültige, logische Widerlegung nicht anders finden können, als durch die Berichtigung ihrer in die Güterlehre fallenden Grundlagen. Die Irrlehre, auf die wir namentlich hier anspielen, ist die bekannte, wiederholt aufgetauchte Ansicht, daß der Kredit Güter nicht bloß  übertrage,  sondern solche  schaffe;  und ihre in die Güterlehre fallende theoretische Stütze ist die Meinung, daß ein Forderungsrecht ein selbständiges "immaterielles Gut" sei.

Wir brauchen nicht tief ins Detail zu gehen, um im Leser gewisse Betrachtungen zu erwecken, welche deutlich genug gegen die innere Vollendung derjenigen Partien der volkswirtschaftlichen Güterlehre, mit denen unser Thema in Berührung steht, Zeugnis ablegen werden.

Bekanntlich hat die Lehre von der güterschaffenden Kraft des Kredites, nachdem sie im vorigen Jahrhundert von LAW verkündet worden und mit ihm wieder gefallen war, in unseren Tagen neuerdings einen Vertreter in MacLEOD gefunden. Dieser mit Originalität und nicht geringem Scharfsinn begabte Gelehrte macht der bisherigen Theorie den Vorwurf, daß sie ein ungeheures Gebiet von Gütern einfach übersehen habe, die Forderungen (debts). Indem eine Forderung ein immaterielles Gut für sich sei, das schon gegenwärtig einen Wert hat und indem auch dem Schuldner einstweilen kein Abzug zu machen sei, da er die Forderung zu berichtigen zwar einst schuldig sein  wird,  es aber nicht schon jetzt  ist,  so sei der Satz: "Tout crédit n'est une emprunt" [Jeder Kredit ist eine Anleihe - wp] ein Irrsatz. Der Kredit schaffe "debts" und damit eine Summe selbständiger immaterieller Güter; er sei nicht bloß ein Mittel um bestehende Produkte zu übertragen, sondern auch um neue Produkte zu  schaffen  (creation of wealth) und die Zerstörung des Kredits sei eine Zerstörung von "real wealth". Von der Aufnahme dieser Einsichten, welche mit einem Wort das Dogma von der güterverdoppelnden Kraft des Schuldenmachens enthalten, prophezeit MacLEOD dann der Wissenschaft einen gänzlichen Umschwung und den Anbruch einer neuen bedeutungsvollen Aera. (2)

Darüber, daß der Hauptsatz dieser Lehre, ein Irrsatz ist, kann heute wohl kein Zweifel sein: die Doppelrechnung, die hier mit dem kreditierten Gegenstand und dem auf diesen Gegenstand gerichteten Recht oder mit der Forderung und Schuld gemacht wird, ist zu augenscheinlich. In der Tat hat MacLEODs Lehre auch trotz des großen Applombs [Dreistigkeit - wp] mit dem sie aufgetreten ist, nur eine allseitige und fast einstimmige Ablehnung gefunden. (3) Das Interessante an der Sache ist aber das, daß die MacLEODsche Lehre die von der herrschenden Theorie so einstimmig verurteilt wird,  durch eben dieselbe herrschende Theorie geradezu provoziert,  ja eigentlich nichts anderes als eine mit guter, aber blinder Logik gezogene Konsequenz derselben ist - ein rechtmäßiges, aber verleugnetes Kind der herrschenden Lehre.

Die Sache hängt so zusammen. Man kann die Voraussetzungen, auf denen die MacLEODsche Lehre ruht, in folgenden zwei kurzen Sätzen zusammenfassen:
    1. Wenn  A  dem  B  einen Taler leiht, so besitzt  B  in diesem Taler ein körperliches Gut im Wert von einem Taler.

    2. Im Forderungsrecht auf Rückgabe des geliehenen Talers besitzt  A  ein immaterielles Gut, das einen gegenwärtigen Wert von gleichfalls annähernd einem Taler hat und damit mit dem materiellen Taler selbst nicht identisch ist.
Es ist nun vor allem festzustellen, daß, sofern man die Richtigkeit dieser beiden Prämissen zugesteht, man auch gegen die ferneren Deduktionen, die MacLEOD aus ihnen zieht, nichts mehr einzuwenden berechtigt ist. Denn wenn es wahr ist, daß vor dem Darlehen  A  allein ein Gut im Wert von einem Taler, nach dem Darlehen aber  B  ein materielles und außerdem  A  ein  hiervon verschiedenes  immaterielles Gut, jedes im Wert von einem Taler besitzt, dann ist es in der Tat auch wahr, daß der Kredit  neue, vorher nicht vorhandene Güter geschaffen  hat und die güterverdoppelnde Kraft des Kredits wäre eine zwar wunderbare Tatsache, aber immerhin eine Tatsache. - Dieser Deduktion kann sich auch durch die beliebte, aber durchaus sophistische Ausflucht nicht entziehen, daß man in der Schuld des  B  eine Art  negativen Gutes  erblickt, das sich mit der Forderung des  A  kompensiere und die Gesamtmasse und den Gesamtwert des vorhandenen Gütermaterials auf  eins  drücke. Denn es gibt eben keine negativen Güter, wo wenig es überhaupt negative Dinge gibt. Wenn  X  einen Apfel und  Y  einen hiervon verschiedenen Apfel besitzt, so kann ich die Sachlage, daß beide zusammen doch nur  einen  Apfel besitzen, nur so herbeiführen, daß ich einem von ihnen seinen Apfel wegnehme. Diese Tatsache des Wegnehmens kann ich allerdings mathematisch in der Form zum Ausdruck bringen, daß ich einen "negativen Apfel" setze: allein der vorhandene Apfelt wird nie durch einen mathematischen Ansatz, sondern erst dann und dadurch verschwinden, daß er wirklich weggenommen wird. Ebenso hat freilich die Schuld des  B  die Folge, daß ihm sein Taler  einst  wird genommen  werden;  allein solange er nicht genommen  ist,  ist er eben noch da und die Anrechnung der Schuld als eines negativen Gutes ist solange nur eine von der Wirklichkeit noch nicht erfüllte symbolische Formel. - Will man daher die MacLEODschen Ergebenisse überhaupt ablehnen, - und daß sie abzulehnen sind, darüber ist alle Welt einige - so muß man die Ablehnung schon bei seinen Prämissen beginnen.

Beide Prämissen enthalten ein Urteil darüber, daß ein Ding ein Gut sei und es wird das Urteil über sie selbst daher  von  der volkswirtschaftlichen Güterlehre gefällt werden müssen. Die erste der beiden Prämissen welche besagt, daß der Taler ein körperliches Gut ist, ist so offenbar richtig, daß sie einer ablehnenden Kritik gar keinen Anhalt bietet. Letztere wird daher ihr vorzügliches Augenmerk auf die zweite Prämisse richten müssen, welche die Forderung des  A  für ein mit ihrem Objekt nicht identisches Gut erklärt.

Wie stellt sich nun die herrschende Lehre zu dieser Prämisse? - Wenn man es rund heraussagt: halb verlegen, halb zweideutig, aber gewiß nicht rückhaltlos ablehnend. Seit nämlich SAY die "produits immateriels" in die Wissenschaft eingeführt hatte, ist man fast einmütig übereingekommen, daß nicht bloß körperliche, sondern auch  immaterielle Dinge,  sofern sie nur nützlich sind, Güter sein können; und da z. B. Rechte, wie Forderungsrechte, für denjenigen, der sie besitzt, ohne Frage sehr nützlich sind, so fällt es schwer, ihnen die Eigenschaft von Gütern rundweg abzuerkennen. Dies schien auch schon die Rücksicht zu verbieten, daß man z. B. einem Rentier, dessen Vermögen ausschließlich aus Forderungsrechten bestand, doch nicht das Prädikat eines "begüterten Mannes" versagen konnte. Auf der anderen Seite konnte man nicht übersehen, daß es unmöglich angeht, die Rechte  neben  den materiellen Gütern, auf welche sie lauten, bei der Ziehung der Gütersumme, also z. B. bei der Schätzung eines Volksvermögens in Rechnung zu bringen. Unter dem Einfluß dieser Erwägungen, welche das Urteil über die Güterqualität der Rechte nach der entgegengesetzten Richtung hin zu bestimmen suchten, geriet man schließlich in der Tat ins Schwanken und man dürfte der Mehrzahl der nationalökonomischen Schriftsteller kaum zu nahe treten, wenn man behauptet, daß sie die verfängliche Frage am liebsten zugleich bejaht und verneint oder abwechslungsweise bejaht und verneint hätten, je nachdem sich ihnen der "güterlose" Rentier oder das mit zwei multiplizierte Volksvermögen gerade als drohende Konsequenz der Entscheidung vor Augen stellte. Daß dieser Vorwurf des Schwankens kein ungerechtfertigter ist, können wir leicht am Beispiel des hochgefeierten und tonangebenden Gelehrten WILHELM ROSCHER erweisen, der bald (Grundlagen der Nationalökonomie, § 90) MacLEOD im Ton der Mißbilligung vorwirft, daß er das verkäufliche Forderungsrecht des Gläubigers für ein "immaterielles Kapital halte", bald wieder  selbst  (Grundlagen usw. § 3) nützliche "Verhältnisse zu Personen und Sachen" zu den Gütern zählt und dabei durch Zitierung des  res incorporales  des römischen Rechts, ja sogar durch die ausdrückliche Erwähnung der Schuldforderungen außer Zweifel stellt, daß er auch  Rechte  prinzipiell den immateriellen Verhältnisgüter zugezählt wissen will. Man kann die Haltung der herrschenden Lehre zu unserer Frage vielleicht am treffendsten mit den Worten charakterisieren, daß sie  im Prinzip  die Gütequalität der Rechte rückhaltlos anerkennt, daß sie aber  gelegentlich  und zwar dann, wenn sich ihr gerade jene Konsequenzen vor Augen stellen, die MacLEOD aus diesem Prinzip gezogen hat und um sich vor eben diesen Konsequenzen zu retten, jene Anerkennung wieder abzuschwächen und zum Teil zurückzunehmen sucht; in der Form etwa, daß Rechte "natürlich" nur für den individual-wirtschaftlichen Standpunkt und nicht auch für den Standpunkt der Gesamtheit als Güter zu betrachten seien (4), wobei es der "Natürlichkeit" dieser Entscheidung überlassen wird, für sich selbst zu sprechen.

Es ist uns bei diesen Bemerkungen selbstverständlich nicht im entferntesten darum zu tun, ausgezeichneten Gelehrten einige Äußerungen nachzuweisen, die sich miteinander nicht ganz vereinbaren lassen. Woran uns liegt ist vielmehr zu zeigen, erstens, wie die ganze MacLEODsche Irrlehre ihren Ursprung sichtlich in einer unklaren Auffassung vom wirtschaftlichen Wesen der Rechte findet; und dann, wie die herrschende Lehre, statt MacLEODs Irrtum an seiner Wurzel zu berichtigen, hier sich selbst unentschieden und schwankend zeigt, so daß sie durch die prinzipielle Anerkennung, welche sie der selbständigen Güterqualität der Forderungen zollt, geradezu selbst die theoretische Handhabe zu dem Irrtum bietet, den sie dann in seinen Endresultaten mit mehr gesundem Takt als logischer Strenge wiederum ablehnt. Ein Praktier könnte sich vielleicht damit zufrieden geben,  daß  die irrigen Resultate abgelehnt worden sind. Der Theoretiker darf es nicht: er muß fordern, daß die Ablehnung  auch aus dem richtigen Grund  erfolge. Das will in unserem konkreten Fall soviel besagen, als daß die Irrlehre, welche, indem sie zuviele Güter zählt, sich offenbar gegen die Wahrheiten der Güterlehre versündigt, auch mit den Waffen der Güterlehre bekämpft und widerlegt werde. Nur hierdurch wird die Ablehnung des Irrtums des Charakters einer günstigen Zufälligkeit entkleidet, sie man nicht der Logik, sondern Stimmungen und am meisten vielleicht der Grobheit des unterlaufenen Irrtums selbst verdankt, auf die man aber nicht rechnen könnte, wenn ähnliche oder verwandte Irrtümer vielleicht in feineren Nuance auftauchen, in denen sie verborgener zu bleiben imstande sind; - und Irrtümer solcher feinerer Nuancen spuken vielleicht auch heute noch in unserer Wissenschaft viel stärker, als man denken sollte. Zu jenem Ende ist aber auch, wie wir glauben, eine größere Klarheit über das wirtschaftliche Wesen der Rechte, Verhältnisse und ähnlicher Kategorien erforderlich, als sie das schwankende Urteil der herrschenden Lehre und der immerhin etwas zweifelhafte Satz bekundet, daß Rechte Güter für die Individual-Wirtschaften und keine Güter für die Volkswirtschaft sind.

Diese größere Klarheit herbeizuführen, soll in den folgenden Blättern versucht werden. Wie es sich bei der Beschaffenheit unseres Themas und beim Anlaß uns auf seine Bearbeitung geführt hat, von selbst versteht, wird die Erörterung, um ihren natürlichen festen Boden zu gewinnen, mehrfach über den Rahmen des engeren Themas hinausgreifen und sich mit so manchem Punkt befassen müssen, welcher der allgemeinen Gütertheorie angehört. Mit einer solchen allgemeinen Erörterung müssen wir auch sofort beginnen, um den Schauplatz für das Spezielle zu beleuchten: ehe wir uns darüber erklären können, ob und in welchem Sinne etwa Rechte und Verhältnisse Güter sind, müssen wir vor allem betrachten, was denn unter Gütern im volkswirtschaftlichen Sinn überhaupt vorzustellen ist.
LITERATUR - Eugen Böhm-Bawerk, Rechte und Verhältnisse vom Standpunkt der volkswirtschaftlichen Güterlehre, Innsbruck 1881
    Anmerkungen
    1) ALBERT SCHÄFFLE, Theorie der ausschließenden Absatzverhältnisse, Tübingen 1864
    2) MacLEOD, Elements of Political Economy, London 1858, Seite 265, § 40 - 42
    3) Sehr scharf und gründlich neuerdings bei KNIES, Der Kredit, Berlin 1876, Seite 63 - 95
    4) WILHELM ROSCHER, Grundlagen der Nationalökonomie, § 3, A 7