ra-1cr-4von RümelinWindelbandF. MauthnerK. Marbe    
 
HARALD HÖFFDING
(1843-1931)
Die psychologische Bedeutung
der Wiederholung
(1)

"Das ganz Neue könnten wir nicht wahrnehmen; es stände isoliert da und hätte gar keinen Bezugspunkt in uns. Kinder und operierte Blindgeborene müssen darum sehen lernen, müssen sich erst in der Welt orientieren, d. h. die Bezieungspunkte gewinnen, mit welchen sich die gewöhnlich vorkommenden Empfindungen assimilieren können."

"Erkennen ist Wiedererkennen. Alle Assoziation ist zuletzt immer Gleichheitsassoziation. Das Gleichheitsverhältnis ist der innerste Kern in jeder Vorstellungsverbindung. Alle Assoziation ruht zuletzt immer auf einem durch Gleichheit bedingten Wiedererkennen. Es findet bei jeder Assoziation ein unwillkürliches Vergleichen statt. Das eigentliche Denken entwickelt sich, wenn dieses Vergleichen präziser vor sich geht, wenn die Grade der Gleichheit gemessen werden, um danach wieder die Grade der Sicherheit und Gültigkeit zu messen. Dem undisziplinierten Vorstellung ist jegliche Gleichheit oder Ähnlichkeit genug."

"Mittels des gemeinsamen Merkmals gleitet der Vorstellungsverlauf von einem Gedanken zum anderen, ohne die Berechtigung des Übergangs zu prüfen. Es ist die Aufgabe der Logik, diese Berechtigung zu untersuchen. Eine andere Grundlage als wesentliche Gleichheit oder Identität kann sie nicht finden. Vermöge der Identität können Vorstellungen einander substituiert werden, oder, wie es vielleicht richtiger heißen soll, Identität will eben sagen, daß Vorstellungen einander substituiert werden können. Nur wenn eine solche Substitution möglich ist, können wir schließen. Dies sagt die alte logische Regel aus: «ex mere particularibus nihil sequitur» - aus rein partikulären Prämissen folgt nichts - oder, wie die neuere Logik es ausdrückt: aus lauter Verschiedenheiten kann nichts geschlossen werden.

"Eine Welt von lauter Verschiedenheiten wäre nicht nur eine solche, in der keine Perzeption, keine Ichvorstellung und kein logisches Denken entstehen könnte, sondern auch eine solche, in der kein Kausalgesetz gelten würde."

Wenn ein großer Dichter darüber geklagt hat, daß "alles wiederholt sich nur im Leben", und darum im Reich der Phantasie seine Zuflucht sucht, hat er gewiß nicht daran gedacht, welche außerordentliche Bedeutung die - von einem ästhetischen Gesichtspunkt freilich oft leidige - Wiederholung für das Bewußtseinsleben hat. Ich will in dieser Abhandlung die Thesis aufstellen: ohne Wiederholung kein Bewußtsein und kein Denken. Andererseits will ich auch versuchen, der Klage des Dichters gerecht zu werden und auf ihre mögliche Versöhnung hinzuweisen.


1. Die Perzeption als durch
Wiederholung bedingt

Versuchen wir es einmal, zu denken, wie sich eine Welt von lauter Neuigkeiten ausnehmen würde! Dann würde in jedem Zeitmoment ganz verschiedene, keinen früheren ähnliche oder verwandte Empfindungen in uns auftauchen. Das psychische Leben wäre in eine Reihe selbständiger Elemente aufgelöst; jeder Augenblick stände als etwas für sich Gegebenes und Selbständiges, ohne Zusammenhang weder mit dem Vorausgegangenen noch mit dem Nachfolgenden. - Jedes dieser Zeitmomente müßte als unteilbar gedacht werden, oder mit anderen Worten: die Empfindungen dürften keine Dauer haben; denn sonst würde eine Empfindung in zwei oder mehreren minimalen Zeitmomenten sich selbst wiederholen oder mit sich selbst identisch sein, und die Bedingungen des Experiments wären nicht erfüllt.

Gegen ein solches Gedankenexperiment würde die Psychologie protestieren. Die Erfahrung lehrt uns, daß schon die einfachen Empfindungen nicht mit absoluter Selbständigkeit einander gegenüberstehen. Die Empfindungen messen sich aneinander und erhalten erst dadurch jede ihre Eigentümlichkeit und Bestimmtheit. Die einzelne Empfindung hat dagegen keine angeborene Eigentümlichkeit; ihre Selbständigkeit und ihre Eigentümlichkeit sowohl im Hinblick auf Stärke wie auf Qualität beruhen auf ihrem Verhältnis zu den Nachbarempfindungen. Das einzelne Glied in der Reihe wird durch die anderen Glieder bestimmt. Oder mit anderen Worten: jede Empfindung ist eine Verhältnisempfindung. Die englische Psychologie hat dies schon seit HOBBES hervorgehoben; in der deutschen Psychologie haben besonders FECHNERs Untersuchungen auf dieses Resultat hingewiesen. Ich weiß wohl, daß FECHNER selbst diese Konsequenz abgelehnt hat; aber sie scheint mir unausweichlich zu sein (2). Jedenfalls gibt es Erfahrungen genug, die uns nötigen, schon bei einem in bloß einfache Empfindungen aufgelösten Bewußtsein von einem elementaren Vergleichen oder Denken zu sprechen, wenn wir nur nicht vergessen, daß diese Ausdrücke hier analog gebraucht werden; für so einfache psychische Phänomene wie jene unmittelbare Wechselwirkung der Empfindungen haben wir eben keine recht passenden psychologischen Ausdrücke. Was uns aber hier die Hauptsache ist: wenn jede Empfindung immer durch die vorausgehende bestimmt wird, dann gibt es keine absolute Neuigkeit; die Nachwirkung der Vorzeit zieht sich immer in die Zukunft hinüber und wirkt zur Bestimmung ihres Charakters mit.

Aber selbst mit dieser Einschränkung können wir das Gedankenexperiment nicht durchführen. Kein Leben, also auch kein psychisches Leben würde bei einer solchen ewigen Veränderung bestehen können. Das Leben setzt einen mehr oder weniger begrenzten Kreis von Bedingungen und Verhältnissen voraus. Daraus folgt, daß dieselben Verhältnisse nach einem längeren oder kürzeren Zwischenraum wiederkehren müssen. Das Leben besteht in einem Wechsel von Assimilation und Deassimilation, von Stoffaufnahme und Stoffverbrauch, von Vegetation und Funktion. Dieser Rhythmus des Lebens scheint nur ein besonderer Fall eines allgemeinen Gesetzes zu sein. Denn Vieles spricht dafür, daß alle Bewegungen und Veränderungen in der Natur periodisch sind. Dies ist eine notwendige Folge vom Zusammenwirken mehrerer Kräfte. Die neuere Naturwissenschaft hat eine Tendenz dazu, die Undulation [Schwingung - wp] zur allgemeinen Form der Bewegung zu machen (3). Soviel ist zumindest gewiß, daß Alles, was lebt, an einen Rhythmus der Lebensbedingungen gefesselt ist und in dieser Begrenzung sowohl seine Stärke wie auch seine Schwäche hat. Es kann sich nicht ins Unendliche ausdehnen und erweitern; es ist dafür gesorgt, daß die Bäume nicht in den Himmel wachsen. Aber eben dadurch kann es eine so viel größere innere Konzentration erreichen.

Durch diese Begrenzung der Möglichkeiten wird für die lebenden Wesen die Wiederholung derselben Empfindungen notwendig. Aber die Wiederholung würde keinen Einfluß haben, wenn das Bewußtsein nicht die Fähigkeit hätte, die früheren Empfindungen reproduzieren zu können. Die Wiederholung erhält seine psychologische Bedeutung dadurch, daß die früheren Erlebnisse sich mit den neuen kombinieren können. Dieses Reproduktions- und Kombinationsvermögen ist eine Grundeigentümlichkeit des psychischen Lebens. Es hat sein physiologisches Korrelat in dem für alles organische Leben geltenden Gesetz der Übung, kraft dessen alle öfter wiederholten Funktionen leichter und besser vor sich gehen. Ja, selbst außerhalb der Grenzen der organischen Welt fehlt es nicht an Beispielen einer solchen Übung; so werden die Resonanzböden musikalischer Instrumente durch häufigen Gebrauch immer feiner und empfänglicher. Die einfachste Form psychischer Reproduktion ist nun eben eine solche, die von der physischen und physiologischen Übung so wenig verschieden ist, als es überhaupt zwischen psychischen und physischen Vorgängen möglich ist. Der Inhalt der früheren Empfindung wird nämlich nicht frei und selbständig wieder hervorgerufen, sondern schmilzt unmittelbar mit der neuen Empfindung zusammen. Dadurch erhält diese Empfindung ein eigenes Gepräge, das sie von den anderen, zum ersten Mal auftauchenden unterscheidet. Während diese nur aneinander gemessen werden, wird die wiederholte Empfindung sozusagen auch an sich selbst gemessen. Es entsteht ein Kontrast zwischen der wiederholten Empfindung und den neuen Empfindungen, und dadurch wird der Grund gelegt zum Unterschied zwischen dem Alten und dem Neuen, dem Bekannten und dem Unbekannten, dem Eigenen und dem Fremden. Hierdurch wird eine Konzentration möglich, indem sich jetzt ein Unterschied zwischen Zentrum und Peripherie gebildet hat. Hier liegt darum auch der Ausgangspunkt alles eigentlichen Bewußtseins und Denkens, - wenn man will: aller Philosophie. PLATON nannte ja den Hund ein philosophisches Tier, weil er zwischen dem Bekannten und dem Unbekannten zu unterscheiden versteht.

Diese unmittelbare Verschmelzung einer Empfindung mit dem Inhalt einer reproduzierten Empfindung derselben Art nenne ich Perzeption oder Wahrnehmung. Es findet hier kein bewußtes oder freies Erinnern, sondern nur ein instinktives Wiedererkennen, sozusagen ein gebundenes Erinnern statt. Die reproduzierte Empfindung tritt nicht als selbständige und freie Vorstellung im Bewußtsein hervor, sondern wirkt nur dazu, der erneuten Empfindung das Gepräge der Fremdheit zu nehmen. Oft kann eine solche gebundene Reproduktion sogar eine Empfindung möglich machen, wo sie sonst nicht eingetreten wäre. So fand HELMHOLTZ, daß er die Partialtöne eines Klanges leichter hören kann, wenn die Erinnerung der Empfindung dieser Töne als einzelner noch lebendig war; ist diese Erinnerung aber ganz verschwunden, schmelzen die Partialtöne zusammen. Wenn nicht mehr als 10 Sekunden zwischen zwei Gewichtsempfindungen vergehen, konnte E. H. WEBER den Unterschied zwischen 29 und 30 Loth [zwischen 14 und 18 Gramm - wp] empfinden; nach dem Verlauf einer halben Minute konnte er nur den Unterschied zwischen 24 und 30 Loth empfinden. Wenn wir ein Beispiel aus höheren Regionen des Bewußtseins wollen, können wir an den Unterschied zwischen dem ersten und dem zweiten Lesen eines Buches oder zwischen dem ersten und zweiten Hören einer Oper denken. Alles steht das zweite Mal klarer und vertraulicher vor uns, ohne daß wir an das erste Mal zu denken brauchen.

Das ganz Neue könnten wir nicht wahrnehmen; es stände isoliert da und hätte gar keinen Bezugspunkt in uns. Kinder und operierte Blindgeborene müssen darum "sehen" lernen, müssen sich erst in der Welt orientieren, d. h. die Bezieungspunkte gewinnen, mit welchen sich die gewöhnlich vorkommenden Empfindungen assimilieren können.

Gewöhnlich versteht man unter einer Perzeption eine mehr zusammengesetzte Funktion als die, welche ich hier geschildert habe. Man unterscheidet dann zwischen Empfindung als der rein subjektiven Affektion unserer Sinnlichkeit und Perzeption als dem unmittelbaren Bewußtsein der Empfindungsursachen als äußerer Gegenstände. So die schottische Schule und die Sinnesphysiologie. Man streitet sich nur darum, ob die Perzeption in dieser Bedeutung eine unmittelbar und instinktiv hervortretende oder eine sukzessiv erworbene Funktion ist. Aber jedenfalls fehlt dann ein Wort für das einfache Wiedererkennen, das von aller Raumanschauung und objektiver Projektion des Empfindungsinhaltes unabhängig ist. Diese elementare psychische Operation setzt noch kein Bewußtsein von der Ursache des Einrucks als eines außer uns Bestehenden voraus. Dazu kommt, daß man ebensowohl von inneren wie von äußeren Wahrnehmungen sprechen kann; eben das Wiedererkennen unserer eigenen Gefühle und Stimmungen ist, wie sich später zeigen wird, von tief eingreifender psychologischer Bedeutung.

Wir haben bisher hauptsächlich von einfacher Perzeption gesprochen. Es können aber nicht nur einzelne Empfindungen, sondern auch feste Gruppen oder Reihen von Empfindungen wiederholt werden. Dadurch entsteht eine zusammengesetzte Perzeption, durch welche wir Gegenstände oder Begebenheiten als zusammenhängende Totalitäten auffassen. Erst hier wird eine gewisse Ordnung in der Zeit, vielleicht auch im Raum notwendig. -

Jede Perzeption besteht also in einer Verbindung zweier Elemente, der gebundenen Vorstellung und der wieder eintretenden Empfindung. Wir können jene das subjektive, diese das objektive Element nennen. Das Verhältnis zwischen diesen Elementen wird in jeder Perzeption und bei jedem Individuum verschieden sein können. Bald herrscht das Eine, bald das Andere vor, und je stärker das Eine ist, umso schwächer muß das Andere sein (4). Sie teilen ja die zur Zeit vorhandene psychische Energie, und je mehr das Eine davon verbraucht, desto weniger muß für das Andere übrig bleiben. Durch allzu großes Übergewicht des subjektiven Elements entsteht die Jllusion und wenn das objektive Element sich dem Nullpunkt nähert, die Halluzination.

Verschiedenheit und Veränderung sind notwendig, um das Bewußtsein zu erwecken und lebendig zu erhalten. Daher mußte auch jede Empfindung eine Differenzempfindung sein. Die Wiederholung und die Gewohnheit machen, daß wir die Eindrücke zuletzt gar nicht bemerken. Obgleich aber so die Empfindungselemente der Perzeption verblassen, wird die Aufgabe der Perzeption doch gelöst, nur mit so großer Leichtigkeit und Geschwindigkeit, daß der ganze Vorgang sich nicht über die Schwelle des Bewußtseins erhebt. Durch Übung geht also die Perzeption unbewußt vor sich; der Eindruck wird ohne Bewußtsein assimiliert, gleich wie wohl eingeübte Bewegungen ganz unbewußt ausgeführt werden können. Es ist eben ein psychologisches Hauptgesetz, daß Übung das Bewußte unbewußt macht.

Die neueren gehirnphysiologischen Untersuchungen scheinen darauf hinzudeuten, daß die zwei Elemente der Perzeption in zwei verschiedenen Organen lokalisiert sind. Während elementare Sinneseindrücke auch bei einem so großen Gehirnes beraubten Tieres möglich zu sein scheinen, kann die eigentliche Auffassung des Eindrucks nur geschehen, wenn das große Gehirn ungestört ist. Nach ausgedehnter Beschädigung beider Großhirnhemisphären versteht ein Hund nicht mehr, was er sieht und hört. Er achtet nicht darauf, daß man ihm mit der Peitsche droht, geht gleichgültig an seinem Futter vorbei, gehorcht nicht, wenn man ihn ruft und verzehrt (was er im normalen Zustand nicht tut) ohne Ekel einen Hundeleichnam. Solche Hunde sind, um MUNKs Ausdrücke zu gebrauchen, seelenblind und seelentaub, d. h. sie haben das Vermögen verloren, die Empfindungen mit den entsprechenden Erinnerungen zu kombinieren, - haben also das Vermögen der Perzeption verloren. Sie sind in den Zustand der frühesten Jugend zurückgesetzt und müssen alles von Anfang an wieder lernen (5). Ebenso gibt es sehr lehrreiche pathologische Fälle, in welchen das Vermögen, Worte (gesprochene oder geschriebene) zu verstehen oder zu perzipieren, verloren ist. Der Weg vom Begriff zum Wort war unbeschädigt, aber der Weg vom Wort zum Begriff war gesperrt. KUSSMAUL (6) nennt diese Krankheit Wortblindheit oder Worttaubheit.


2. Die Wiederholung und das Selbstbewußtsein

HUME hat bekanntlich darzulegen versucht, daß die Ichvorstellung keine Grundlage in der Erfahrung hat. Wenn es ein Ich geben sollte, dann müßte es - meinte er - eine konstante, das ganze Leben hindurch unveränderlich fortdauernde Empfindung geben. Aber eine solche existiert nicht. In unserem Bewußtsein finden wir immer einzelne vorübergehende Sinnesempfindungen, Lust- und Unlustgefühle, Leidenschaften, aber kein absolut dauerndes Element. Hierin hat HUME gewiß ganz Recht. Die Selbstbeobachtung zeigt uns nur eine Reihe einander ablösender psychischer Elemente, keine absolute Konstanz. Aber er (und dasselbe gilt von den späteren Kritikern der Ichvorstellung) sucht an der verkehrten Stelle. Es wäre geradezu absurd, wenn die Voraussetzung HUMEs gälte, so daß das Ich mit einer gewissen Einzelempfindung oder Einzelvorstellung oder mit einem bestimmten Gefühl identisch wäre. Wenn sich das Ich und ein einzelnes psychisches Element (selbst wenn dieses absolut konstant wäre) ganz decken würden, dann müßten ja alle anderen Empfindungen, Vorstellungen und Gefühle außerhalb des Ichs fallen, sobald sie mit dem konstanten Element nicht ganz verschmelzen konnten; und wie könnte dann gesagt weren, daß wir sie haben?

Durch die Wiederholung der Empfindung entsteht, wie wir gesehen haben, ein Kontrastverhältnis zwischen alten und neuen Elementen. Aber die neuen Elemente, welche einen gewissen Gegensatz gegen die verschmolzenen Elemente bilden, müssen von demselben Bewußtsein wie dieses umfaßt werden; sonst wäre das Kontrastverhältnis unmöglich. Selbst wenn wir das Bewußtsein in reine Empfindungen aufgelöst denken, weist doch die gegenseitige Bestimmung der Empfindungen im Hinblick auf Selbständigkeit, Stärke und Qualität darauf hin, daß sie Glieder derselben ursprünglichen Einheit sein müssen. Eine Rotempfindung, die ich habe, steht in keinem Kontrastverhältnis zur Blaugrünempfindung meines Nachbarn.

Die psychologische Grundlage der Ichvorstellung haben wir eben in der notwendigen Voraussetzung, daß alle psychischen Elemente in gegenseitiger Wechselwirkung stehen, und darum von einer gemeinsamen, einheitlichen Kraft umfaßt oder zusammengefaßt werden müssen. Schon die Reihe der einfachen Empfindungen setzt also ein Ich oder, mit KANT zu reden, eine Synthesis voraus.

Je mehr wir uns aber dem Anfang oder der Auflösung des Bewußtseins nähern, umso mehr verbirgt sich diese synthetische Energie. Darum ist eben der erste Ursprung des Bewußtseins (sowohl des Bewußtseinslebens im Allgemeinen wie auch jedes einzelnen individuellen Bewußtseins) ein so großes Problem. Es ist leich genug die Sache so zu beschreiben, daß das psychische Leben mit einzelnen, selbständigen, sporadisch auftretenden Empfindungen beginnt, die erst später zu einem einheitlichen Bewußtsein zusammenwachsen, gleich wiei z. B. der Ossifikationsprozeß [Bildung von Knochengewebe - wp] an gesonderten Punkten beginnt, und die an diesen "Knochenpunkten" oder "Ossifikationspunkten" eingeleiteten Prozesse erst später einander begegnen, so daß ihre Resultate verschmelzen können. Man könnte so von verschiedenen Anfangs-Ichen sprechen, aus deren Verschmelzung das definitive Ich hervorgeht. Aber kann man eigentlich einen solchen Prozeß psychologisch verstehen? Läßt man sich nicht in einer solchen Schilderung von physischen und physiologischen Analogien irreleiten? Und ist es nicht ebenso leicht, die Entstehung des "definitiven" Bewußtseins zu verstehen, selbst wenn jene vorläufige Iche, jene Bewußtseinsfunken nicht vorhergehen? - Die Verschmelzung zweier Zellen können wir verstehen; die Verschmelzung zweier Bewußtseine ist eine psychologische Absurdität.

Konsequenterweise geht HUME so weit, die psychische Souveränität von der Bewußtseinstotalität auf die einzelnen Elemente zu überführen. Er schreibt den einzelnen Empfindungen und Vorstellungen eine selbständige oder substantielle Existenz zu. Das große Problem wurde dann für ihn die Möglichkeit einer Verbindung dieser psychischen Atome. Er ist der wahre Anarchist in der Psychologie, und die neuere "Association Psychology" sowohl als die HERBART'sche Psychologie zeigt noch die Spuren dieser psychologischen Revolution. Wie alle berechtigten Revolutionen, ist auch diese sehr heilsam gewesen; sie hat die überlieferte dogmatische Zentralisation in der Psychologie gebrochen und den Weg für eine gesonderte und empirische Behandlung psychologischer Einzelfragen gebahnt. Aber mit der künstlichen und dogmatisch gefaßten Einheit ist nicht auch die natürliche Einheit und Zentralisation gebrochen.

Die Vorstellung des Ichs bekommen wir - darin hat HUME wohl ganz Recht - nicht aus unmittelbarer innerer Beobachtung, sondern wir bilden sie durch einen Schluß aus innerer Beobachtung. Aus der synthetischen Einheit unserer psychischen Elemente schließen wir, daß es eine zusammenhaltende, die gegenseitige Wechselwirkung möglich machende Kraft geben muß. Es ist also nicht die konstante Wiederholung eines gewissen Zustandes, sondern die Wiederholung einer gewissen Wirksamkeit, welche der Ichvorstellung zugrunde liegt. Aber eben weil diese Wirksamkeit die notwendige Bedingung und Voraussetzung allen Bewußtseins ist, können wir uns ihrer niemals vollständig bewußt werden. Diesen dunklen Grund unseres psychischen Lebens können wir nicht selbst ins Bewußtsein herauf beschwören. Ein solcher Versuch würde widersprechend sein: denn das Bewußtsein jener Wirksamkeit würde, ebenso gut wie jedes andere Bewußtsein, eine synthetische Wirksamkeit voraussetzen, und so ins Unendliche. Die Erfahrung zeigt uns aber, wie wir gleich sehen werden, daß jene synthetische Energie nicht immer die gleiche Intensität hat. Diese graduellen Unterschiede können dazu dienen, uns in der Überzeugung der Realität jener psychologischen Grundvoraussetzung zu bestärken. Was wir gar nicht bemerken würden, wenn es sich mit immer gleicher Intensität wiederholen würde, können wir mittels seiner Variationen dem Verständnis näher bringen.

Ganz Unrecht hatten doch HUME und seine Nachfolger nicht in ihrer Forderung eines konstanten psychischen Elements als Grundlage der Ichvorstellung. Jene synthetische Einheit ist an und für sich ganz formal. Sie ist die Bedingung allen Bewußtseins; aber jedes individuelle Bewußtsein muß außer dieser formalen noch eine reale Einheit haben. Die Form des Bewußtseins ist allen bewußten Wesen gemeinsam; die Individualität muß darum (außer in der verschiedenen Intensität der synthetischen Energie) in dem Inhalt, welcher von der formalen Einheit zusammengefaßt wird, bestehen. Und dieser Inhalt kann nicht ein in jedem Augenblick wechselnder sein; sonst könnte die formale Einheit nicht bestehen. Es muß einen festen, herrschenden, wenn auch nicht jedes Lebensmoment absolut erfüllenden Kreis von Vorstellungen und Gefühlen geben, an welchem das Individuum sich selbst wiedererkennen kann. Und hier sind nun offenbar das Gefühlsleben und der Wille von größerer Bedeutung als die Empfindungen und die Vorstellungen. Das Gemeingefühl mit seinen meist vagen, aber doch jeden psychischen Inhalt prägenden nuancierenden Stimmungen bildet den oft übersehenen, aber darum nicht weniger wichtigen Hintergrund, welche bei unserem realen Bewußtsein eine größere Rolle spielt als irgendwelche Vorstellungen und Gedanken. In mehr entwickelter und energischer Form tritt unser reales Ich in unserer herrschenden Leidenschaft hervor. Ohne eine solche Konzentration unserer Gefühle und unseres Willens bilddet sich keine wahre Persönlichkeit aus. Damit hängt zusammen, daß energische Charaktere meistens schroff und einseitig sind; die starke Konzentration wird um diesen Preis gekauft. Eine solche herrschende Leidenschaft macht auch erst die reale Einheit der Gedankenwelt möglich. Denn tiefer als alle Assoziation der Vorstellungen untereinander liegt die Assoziation zwischen Gefühl und Vorstellung, und die herrschende Leidenschaft bildet ein Assoziationszentrum, wodurch erst eine feste Ordnung und Zucht in das Vorstellungsleben kommt. (7)

Nur bis zu einem gewissen Grad kann die formale Einheit des Bewußtseins mit einem chaotischen Zustand des realen Inhalts bestehen. Doch kann auch das gesunde Seelenleben solche Epochen haben, wo die inneren Gegenstände und Veränderungen die Konzentration zeitweilig aufheben. So tauchen mit der erwachenden Pubertät ganz neue Gemeingefühle und Aspirationen auf; das Individuum fühlt sich über sich selbst hinausgezogen. Es versteht sich selbst nicht mehr. Diese unruhige Stimmung, dieser kühne Schwung der Phantasie macht es ihm selbst fremd. Ähnlich geht es in den sogenannten Gärungszeiten, den "Sturm- und Drangperioden". Verschiedene Impulse, Ideen und Triebe rühren sich sporadisch und chaotisch. Nur durch die geduldige Arbeit wird Ordnung und Harmonie in diesen von verschiedenen Seiten hervordringenden Stoff gebracht. Die Geschichte der Geistesheroen zeigt uns hier oft eine dem Ossifikationsprozeß ganz analoge sporadische Entwicklung vor sich gehen. Aber dieses Sporadische ist keine Auflösung. Dann könnte es nicht als solches gefühlt werden, und die Entwicklungsgeschichte des Genies würde dann nicht so oft eine Leidensgeschichte sein. Dies wird sie eben durch das Gefühl der inneren Geteiltheit. Die Möglichkeit, die inneren Gegensätze und Disharmonien als schmerzlich zu fühlen, setzt eben jene formale Einheit voraus, welche dann später, wenn die Entwicklung glücklich verläuft, in eine reale Einheit sich verwandeln kann. Bei unglücklichen Naturen wird die innere Geteiltheit zur Geisteskrankheit und damit Schritt für Schritt zur realen und zuletzt auch formalen Auflösung des Bewußtseinslebens führen.

Wir können in dieser Hinsicht die Erscheinungen der Geisteskrankheiten (8) auf vier Hauptstufen zurückführen.

Der Anfang einer Geisteskrankheit besteht gewöhnlich in einer dem Patienten selbst unerklärichen Änderung des Gemeingefühls. Die Gewohnheit des Daseins ist abgebrochen, die habituelle Stimmung eine andere als vorher. Der Patient zweifelt an seiner eigenen Existenz oder sieht seine Person und alles, was er erlebt, wie in weiter Ferne liegen. Noch schlägt die Erinnerung seine Brücke zwischen den alten und den neuen Gefühlen, aber diese Brücke schwankt wegen mangelnder Wiederholung der Grunderfahrungen.

Auf einer weiteren Stufe der Krankheit ist der Patient sich selbst so fremd geworden, daß er seine früheren, d. h. in der Zeit vor der Krankheit liegenden Erlebnisse einem anderen Subjekt zuschreibt. Er hat seine Vorzeit nicht vergessen, kann aber nicht sich selbst identifizieren. Er spricht von sich selbst als von einer dritten Person oder als von einem Gestorbenen; oft meint er wohl auch, daß er in der früheren Zeit geisteskrank gewesen ist.

In einigen Fällen kann auch dieser Zusammenhang periodisch verloren gehen. So beim sogenannten dopptelten Bewußtsein. Zwei Zustände lösen einander ab, und das Individuum scheint in jedem ein anderes zu sein. Der Charakter, die Erinnerungen und die Stimmung sind in den zwei Zuständen sehr verschieden. Kenntnisse, welche der Kranke im einen Zustand besitzt, sind im anderen Zustand verloren. Auch hier finden sich viele Nuancen. Eine Patientin konnte sich z. B. des Unterschiedes zwischen ihrem "alten" und ihrem "neuen" Zustand bewußt werden. In anderen Fällen, wo ein solches Bewußtsein nicht mehr möglich war, wirkten doch die Erinnerungen der Vorzeit als ein dunkler Unterstrom mit. Eine Dame verlor nach einem durch die Gefahr des Ertrinkens veranlaßten nervösen Anfall mehrere Sinne, das Sprachvermögen und alle deutliche Erinnerungen, geriet aber beim Anblick von Wasser, war es auch nur auf eine Gemälde, immer in große Aufregung. Die Kontinuität war hier noch nur, sozusagen, eine unterirdische.

Wenn aber alle gemeinsame Elemente der verschiedenen Zustände und Lebensmomente mangeln dann ist das Ende nahe. Die Wiederholung der Eindrücke ist jetzt vergebens; das Reproduktions- und Kombinationsvermögen ist verloren. Das psychische Leben nähert sich seiner vollständigen Auflösung.


3. Die Wiederholung und das Denken

A. Nur wenn die inneren und äußeren Erlebnisse sich bis zu einem gewissen Grad wiederholen, erkennen wir uns selbst und die Welt. Alles Erkennen ist Wiedererkennen. Wir fragen jetzt welche Bedeutung die Wiederholung für die rechte Verbindung der Vorstellungen untereinander, d. h. für das Denken hat.

Auch hier hat man diese Bedeutung an unrechter Stelle gesucht. Man hat sich daran gehalten, daß Wiederholung die Assoziation begünstigt. Je häufiger eine Vorstellungsverbindung in unserem Bewußtsein hervorgetreten ist, umso fester und tiefer eingewurzelt ist sie. Hierin glaubte die "Association Psychology" das einzig ordnende Prinzip unserer Gedankenwelt gefunden zu haben. Aber selbst wenn man sich auf den Standpunkt der Assoziationslehre stellt, zeigt sich diese Auffassung als unhaltbar. Wenn ich A und B sehr häufig zusammen gesehen habe, werde ich gewiß eine Tendenz haben, an B zu Denken, wenn sich A zeigt. Aber die Vorausseztung ist dann doch immer, daß ich A wiedererkannt habe, auch wenn dieses Wiedererkennen noch so instinktiv und unmittelbar ist. Wenn ich mich in diesem Wiedererkenenn täusche, habe ich auch keinen Grund, das Eintreten von B zu erwarten. Alle Assoziation ist darum zuletzt immer Gleichheitsassoziation. Das Gleichheitsverhältnis ist der innerste Kern in jeder Vorstellungsverbindung; der äußere Zusammenhang ist immer durch den inneren bedingt.

Aber solange wir uns auf dem Boden der bloßen Assoziationen bewegen, ist sowohl der innere Zusammenhang (durch Gleichheit) als auch der äußere (durch Zusammentreffen) zufällig. Jede Übereinstimmung und jedes Begegnen der Vorstellungen kann in diesem unwillkürlichen Vorstellungsverlauf hinreichend sein, eine Verbindung herzubringen. Die Mythologien, die Träume, die Kinderphantasien, die Delirien der Geisteskranken und die Übergänge zwischen den Bedeutungen ein und desselben Wortes scheinen darzulegen, daß es keine unmöglichen Vorstellungsverbindungen gibt. Der unwillkürliche Vorstellungslauf wird aber nicht ganz sich selbst überlassen. Er ist der scharfen und unablässigen Kritik der Erfahrungen unterworfen. Es findet eine natürliche Zuchtwahl der Assoziationen statt, indem die Erfahrung zu einem fortwährenden Bilden und Verwerfen von Vorstellungsverbindungen nötigt. Es ist zuletzt eine Frage auf Leben und Tod, die rechten Assoziationen zu bilden. Unsere Träume und Phantasien bringen uns nur dann in keine Gefahr, wenn wir sie in eine von der Wirklichkeit geschiedene Sphäre verlegen. Die Vorstellung des Jenseits hat sich ursprünglich ausgebildet als Wohnungssphäre der Assoziationen, welche bei fortschreitender Erfahrung keiner Anwendung in unserer irdischen Welt fähig waren, und welche man doch nicht aufgeben konnte. Auf diese oder andere Weise wird jede unpraktische Assoziation aufgehoben oder unschädlich gemacht. Der Rest, die unter der Zuchtwahl der Erfahrung entwickelten und geprüften Assoziationen, geben uns das, was wir die Wirklichkeit nennen. Schon der unwillkürliche Vorstellungslauf muß sich so der Wirklichkeit anpassen.

Der Mensch hat nun die Fähigkeit, diese unwillkürliche Kritik durch eine willkürliche zu antizipieren und zu ersetzen, gleich wie bei den höheren Tierarten die direkte Anpassung durch Übung und tätiges Eingreifen an die Stelle der indirekten, ausscheidenden Zuchtwahl treten kann. Schon auf dem reinen Empfindungsgebiet (wenn es ein solches gibt) sind wir nicht ganz passiv. Ohne bewußte Wahl suchen wir doch die Eindrücke auf, welche dem Sinnesorgan am angenehmsten sind. So wendet sich z. B. das Auge nach anhaltender Betrachtung einer Farbe mit Gefallen der Komplementärfarbe zu. Ebenso bilden, wie wir gesehen haben, unsere herrschenden Gefühle Assoziationszentren, von welchen aus die Wahl zwischen den möglichen Vorstellungen getroffen wird. Im eigentlichen Denken tritt diese Aktivität bestimmter und bewußter hervorf. Das eigentliche Denken entwickelt sich, wenn die Verbindung der Vorstellungen als eine ausdrücklich gestellte Aufgabe hervortritt. Wir sind klug durch Schaden geworden und haben nicht länger den ursprünglichen sanguinischen [bequemen - wp] Glauben an die Zuverlässigkeit der unwillkürlichen Assoziationen ; darum suchen wir feste Regeln, nach denen wir sie prüfen können. Das Denken ist eine Assoziation, aber nicht alle Assoziation ist ein Denken. Der unwillkürliche Vorstellungsverlauf liefert immer den positiven Stoff des Denkens, und über die Assoziationsgesetze kann sich das Denken nicht erheben. Die Gesetze des Denkens können darum nur durch eine Läuterung und stringente Bestimmung aus den Assoziationsgesetzen entwickelt werden. Diese Entwicklung wird dadurch möglich, daß das Grundgesetz des Denkens nur das präzisierte Grundgesetz der Vorstellungsassoziation ist. Alle Assoziation ruht nun, wie wir gesehen haben, immer zuletzt auf einem durch Gleichheit bedingten Wiedererkennen. Es findet also bei jeder Assoziation ein unwillkürliches Vergleichen statt. Das eigentliche Denken entwickelt sich, wenn dieses Vergleichen präziser vor sich geht, wenn die Grade der Gleichheit gemessen werden, um danach wieder die Grade der Sicherheit und Gültigkeit zu messen. Dem undisziplinierten Vorstellung ist jegliche Gleichheit oder Ähnlichkeit genug. Eine gemeinsame Eigenschaft ist oft hinreichend, um zwei Phänomene für identisch zu erklären. Nichts ist im gemeinen Leben häufiger als die schon von ARISTOTELES verbotenen positiven Schlüsse in der zweiten Figur. Mittels des gemeinsamen Merkmals gleitet der Vorstellungsverlauf von einem Gedanen zum anderen, ohne die Berechtigung des Übergangs zu prüfen. Es ist die Aufgabe der Logik, diese Berechtigung zu untersuchen. Eine andere Grundlage als wesentliche Gleichheit oder Identität kann sie nicht finden. Vermöge der Identität können Vorstellungen einander substituiert werden, oder, wie es vielleicht richtiger heißen soll (9), Identität will eben sagen, daß Vorstellungen einander substituiert werden können. Nur wenn eine solche Substitution [Unterordnung - wp] möglich ist, können wir schließen. Dies sagt die alte logische Regel aus: ex mere particularibus nihil sequitur [aus rein partikulären Prämissen folgt nichts. - wp] oder, wie die neuere Logik es ausdrückt: aus lauter Verschiedenheiten kann nichts geschlossen werden.

Die Möglichkeit des Denkens (wie aller Assoziation) ruht also darauf, daß es gleiche, bzw. ähnliche Fälle in der Natur (den inneren und äußeren Erlebnissen) gibt. Wenn sich nichts wiederholt, könnten die Begriffe der Identität, der Gleichheit und der Ähnlichkeit gar nicht gebildet werden.

B. Andererseits aber ist es gewiß, daß die Erfahrung uns keine absolute Wiederholung, keine reine Identität oder Gleichheit zeigt. Wenn eine Erfahrung sich wiederholt, ist sie immer mit neuen Nuancen, Nebenbestimmungen und Umgebungen verbunden. Sogar eine einfache Farbempfindung kommt nicht mehr in derselben Beleuchtung, in derselben Umgebung und unter denselben subjektiven Bedingungen vor. A kommt wieder als A2, nicht als A. Selbst unsere Einzelvorstellungen, d. h. unsere Reproduktionen der einfachen Empfindungen, haben darum einen abstrakten Charakter und das Problem der Abstraktion tritt uns schon hier entgegen. Wenn jede Vorstellung individuell bestimmt sein soll, und sich keine Empfindung ganz ungeändert wiederholt, wie können wir dann bleibende und typische Einzelvorstellungen bilden? Schon hier muß eine gewisse Willkür walten. Mehr oder weniger bewußt wähle ich eine der Vorstellungen, welche ich zum Typus aller gleichartigen mache, indem ich meine Aufmerksamkeit auf gewisse Seiten der gewählten Vorstellung konzentriere. Bei der typischen Rotvorstellung sehe ich z. B. von der Beleuchtung ab, obgleich ich, wenn ich eine wirkliche Vorstellung des Roten haben will, dieses nicht nur mit einer bestimmten Nuance, sondern auch mit einem bestimmten Helligkeitsgrad sehen muß. Das sogenannte akromatische [farblose - wp] Element der Gesichtsempfindung muß also auch in der typischen Vorstellung repräsentiert werden; ich ziehe aber dasselbe nicht mit in Betracht.

Auf ähnliche Weise geht es mit den Individualvorstellungen, d. h. den zusammengesetzten Vorstellungen von Ereignissen, Personen und Gegenständen. Wenn ich eine Person nur einmal gesehen habe, kann mein Erinnerungsbild ganz der Wahrnehmung entsprechen. Wenn ich aber eine Person öfter gesehen habe, dann entsteht die Frage: welche Wahrnehmung soll mein herrschendes Erinnerungsbild bestimmen? Es wird ein Kampf ums Dasein unter den Vorstellungen entstehen, ein Kampf, bei welchem wir uns nicht ganz passiv verhalten. Wenn die Sache so einfach wäre, wie man sie öfter geschildert hat, daß die gemeinsamen Elemente der Vorstellungen zusammenschmelzen, während die verschiedenartigen einander mehr oder weniger verdrängen, dann würde ich gar kein individuelles Erinnerungsbild bekommen. Nehmen wir an A = ax, B = bx und C = cx sind drei Perzeptionen derselben Erscheinung, x das gemeinsame und konstante Element, a, b und c die variierenden Elemente. Durch reine Vorstellungsmechanik würde nur x sich mit voller Bestimmtheit halten können; a, b und c würden einander teilweise verdunkeln. Will ich also eine bestimmte und deutliche Vorstellung haben, muß ich eine der Individualvorstellungen auswählen, die mir als Typus dient, und innerhalb welcher ich meine Aufmerksamkeit besonders auf gewisse Elemente (x) konzentriere. Solche typischen Individualvorstellungen können natürlich wechseln; ich ändere meine Wahl, wenn die Erfahrungen und die Aufgaben wechseln.

Ähnlich verhält es sich mit den Allgemeinvorstellungen. Mit Rücksicht auf diese wurde das Abstraktionsproblem aufgestellt und in den wichtigsten Punkten gelöst von BERKELEY. Man hat aber nicht immer gesehen, daß dieselbe Schwierigkeit auch bei den Einzel- und Individualvorstellungen vorhanden ist. Wie meine konkreten Individualvorstellungen darum kämpfen, meine typische Idealvorstellung zu bestimmen, so kämpfen wieder die typischen Idealvorstellungen darum, die Allgemeinvorstellungen zu bestimmen. Auch hier wird eine Wahl notwendig, wenn eine klare Vorstellung resultieren soll. Wir denken immer in Bildern, und allgemeine Vorstellungen haben wir nur insofern, als wir eine typische Vorstellung wählen und innerhalb ihrer unsere Aufmerksamkeit auf bestimmte Elemente richten können.

Von der bloßen Vorstellung unterscheidet sich der Begriff durch seine Bestimmtheit und Allgemeingültigkeit. Durch ausdrückliche Festsetzung werden im Begrif diejenigen Elemente für sich poniert [als gegeben angenommen - wp], an welche sich die weiteren Kombinationen halten sollen. Das Denken ist also der unwillkürlichen Assoziation gegenüber kritisch und negativ, ebenso wie der eigentliche Wille den unwillkürlichen Bewegungen gegenüber. Die gewollte Bewegung wird nur dadurch möglich, daß wir gelernt haben, unsere Energie auf gewisse motorische Bahnen zu konzentrieren und die unwillkürlichen Mitbewegungen zu hemmen. Wenn unser Leben nicht mit einer Menge von spontanen Bewegungen, die sich von Zeit zu Zeit wiederholen, seinen Anfang genommen hätte, würden wir niemals gelernt haben, uns selbst zu bewegen. In ähnlicher Weise setzt das eigentliche Denken den ursprünglichen rhythmischen Vorstellungsverlauf voraus.

C. Das logische Denken ruht auf einer Idealisierung der Wiederholung. Sein letztes Prinzip, das Identitätsprinzip (A = A) stellt ein Ideal auf, dem sich das wirkliche Denken immer nur annähern kann. Die Logik stellt die Forderung auf, daß jeder Begriff und jedes Begriffselement in allen möglichen Kombinationen mit sich selbst absolut identisch sein soll. Duch dieses Postulat scheidet sich die Logik von der Psychologie. Die Psychologie hält sich an die wirklichen Vorstellungen, die alle mehr oder weniger verschieden sind. Dieser Gegensatz zwischen dem idealen und dem wirklichen Denken ist schon von PLATON empfunden; weil es in der Erfahrung keine absolute Wiederholung gibt, konnte nach seiner Auffassung der Begriff der Gleichheit nur als eine Erinnerung aus einem früheren Dasein in der Welt der Ideen erklärt werden.

Während die Wiederholung das empirische Motiv der Entstehung der Logik ist, hat sie innerhalb der Logik keine Bedeutung. Der logische Wert eines Begriffs ändert sich gar nicht durch noch so häufige Wiederholung. Es nützt in der Logik gar nichts, einen Begriff mit sich selbst zu kombinieren. Das hat schon LEIBNIZ (10) gesehen und JEVONS hat es als das "law of simplicity" formuliert. Psychologisch hat es aber sehr großen Einfluß, wenn eine Vorstellung wiederholt wird. Durch jede neue Wiederholung wird im Bewußtsein etwas geändert; die Vorstellung wird immer mehr bekannt und leichter hantiert. Alle geistige Übung beruth auf dieser Summierung oder Integration der einzelnen Fälle. Die Logik ist aber nicht wie die Psychologie eine reale Wissenschaft; sie abstrahiert vom Einfluß der Zeit und kennt nur ein ewiges Einmal. Eine Mittelstellung zwischen der rein formalen und der realen Wissenschaft nimmt die Mathematik ein. Daß sie der Realität näher steht als der Logik, spricht sich in charakteristischer Weise darin aus, daß sie die Einheiten sich durch Wiederholung summieren läßt. Sie sieht nicht vom Dasein der individuellen Verschiedenheiten ab; nur ist es ihr gleichgültig, worin diese Verschiedenheiten bestehen. Wenn wir die Zahlen wiederholen, dann bedeutet jede Zahl andere Individuen als seine Vorgänger (11). -

Es tritt hier eine interessante Wechselwirkung des Apriorischen und des Empirischen hervorf. Die empirische Psychologie sagt: ohne Wiederholung könnte sich das Denken gar nicht entwickelt haben; denn alles Denken ist Vergleichen, wenn es aber nichts Gleiches gäbe, würde die Funktion des Vergleichens gar nicht ausgeübt werden können. Andererseits ist der Begriff der Identität, welchen wir unserem logischen Denken zugrunde legen, ein von uns selbst aufgestellter idealer Maßstab, und wir können diesen Maßstab nur dadurch festhalten und anwenden, daß wir unsere eigene Identität bei unseren verschiedenen Denkakten voraussetzen. Wenn A gleich B sein soll, muß das denkende Wesen, das A setzt, mit dem denkenden Wesen, welches B setzt, identisch sein. Ohne diese Voraussetzung würde jene Gleichung gar nicht gelten, ebensowenig wie wir ein Experiment anerkennen, bei dem sich die wesentlichen Bedingungen während des Experimentierens verändert haben. Ich setze eben A = B, weil der Inhalt von A und von B der Art ist, daß ich meine eigene Identität als denkendes Wesen verleugnen müßte, wenn ich die Gleichung nicht aufstelle. Wenn ich mich aber selbst wesentlich verändert habe, können A und B sehr wohl identisch scheinen, ohne es wirklich zu sein. Was mein mit Rot gesättigtes Auge Blaugrün (A) nennt, ist nicht dasselbe, was ich in einem anderen Zustand Blaugrün (B) nennen würde. Hier würde ich mich also täuschen, wenn ich mit A = B einen objektiven Zusammenhang behaupten wollte. Die Logik setzt ein reines, unwandelbares Bewußtsein voraus als Subjekt der verschiedenen Denkakte. Unser wirkliches, empirisches Bewußtsein ist unablässigen Veränderungen unterworfen, und das reine Bewußtsein der Logik ist nur unser idealer Ziel- und Maßpunkt, der Anfangspunkt der Gedankenkoordinaten, welche wir als feststehend ansehen, obgleich jeder wirklich gegebene Anfangspunkt immer wieder durch andere Koordinaten zu bestimmen ist.

D. Wie das logische Denken im Allgemeinen, setzt im Besonderen auch das Forschen nach der Ursache die Wiederholung voraus. Es besteht ein inniger und, wie mir scheint, nicht gehörig beachteter Zusammenhang zwischen HUMEs Lehre von der Substantialität der einzelnen Empfindungen und seiner Kritik des Kausalbegriffs. Eine Welt von lauter Verschiedenheiten wäre nicht nur eine solche, in der keine Perzeption, keine Ichvorstellung und kein logisches Denken entstehen könnte, sondern auch eine solche, in der kein Kausalgesetz gelten würde. Dies folgt schon aus dem genauen Zusammenhang zwischen den Begriffen der Identität und der Kausalität. Wir fragen nur dann nach einer Ursache, wenn sich etwas verändert hat, wenn eine Begebenheit eingetreten ist. Die Entstehung des Kausalbegriffs setzt also voraus, daß sich alles nicht in ewiger Ruhe oder im Gleichgewicht befindet. Den Begriff der Ursache bilden wir eben, weil wir das Neue und Verschiedene mit dem Alten und Wohlbekannten assimilieren wollen. Das Kausalgesetz postuliert, daß die Kontinuität immer nur scheinbar gebrochen ist, - daß es immer möglich sein muß, das neue Phänomen als Verlängerung eines früheren Phänomens zu deuten. Die Ursache zu suchen, ist, um mit SALOMON MAIMON (12) zu reden, "das Stetige aufzusuchen und die Lücken unserer Wahrnehmungen auszufüllen.

Ein Mann stirbt plötzlich; man hatte ihn eine Stunde vorher noch ganz gesund gesehen. Dies verstehen wir nur, wenn wir in seinem früheren Zustand einen Anfangspunkt zu entdecken vermögen, in welchem ein bis zum Tod führender Prozeß beginnen konnte. Der Arzt verschafft sich Aufschlüsse über Konstitution, Lebensweise, Herkunft; er findet vielleicht durch Obduktion eine Arterienembolie, welche die Blutzufuhr zum Gehirn oder die Bewegung des Herzens behindern mußte. So konstruiert er sich eine ganze Geschichte, welche im Organismus des Toten verlaufen ist, und dessen Abschluß das erst so geheimnisvolle Ereignis ist. Diese Geschichte besteht aus einzelnen Gliedern, zwischen denen immer mehrere Glieder entdeckt werden können. Für je zwei Glieder der Reihe kann das ganze Kausalitätsproblem wieder gestellt werden. Es kann immer möglich sein, eine noch tiefer liegende Kontinuität zu finden. Das Kausalitätspostulat führt uns in einen unendlichen Prozeß hinein. Es ist immer zufällig oder willkürlich, wo wir zu fragen aufhören. Die absolute Kontinuität steht, wie die absolute Identitätk und das reine Bewußtsein, als ein logisches Ideal, dem wir uns nur annähern können.

Warum gibt aber der Arzt sich vorläufig zufrieden, wenn er jene Embolie gefunden hat? Offenbar nur, weil er in früheren Fällen gesehen hat, daß sie der Anfangspunkt einer zum Tod führenden Entwicklung ist. Wenn das, was er sieht, wirklich eine Embolie ist, muß es auch von allen Folgen einer Embolie begleitet werden. Hier liegt also die Voraussetzung zugrunde, daß gleiche Bedingungen immer gleiche Folgen haben müssen. Daher kommt es, daß frühere Erfahrungen uns dazu helfen können, spätere Erfahrungen zu erklären. Jene Voraussetzung ist nur eine Form des Identitätsprinzips. Denn was A ist, wissen wir nur, wenn wir Alles kennen, zu dem es sowohl in der Zeit als auch im Raum in Beziehung steht. Einen Gegenstand kennen, ist, seine Eigenschaften zu kennen. Aber die Eigenschaften sind der Ausdruck seiner Beziehungen zu den gleichzeitigen und nachfolgenden Phänomenen. Wenn es also wirklich A ist, welches sich wiederholt - wenn z. B. dies wirklich eine Embolie ist -, dann muß auch - unter gleichen Umständen - das Nachfolgende so beschaffen sein, wie die ersten Male. In dem Satz, daß "gleiche Gegenstände unter gleichen Umständen gleiche Wirkungen erzeugen werden", sah HUME nur eine Resultat einer Gewohnheit. Er ist aber nur eine Definition des Begriffs von einem gleichen Gegenstand, ist also ein identischer Satz. Nur stellt er ein Ideal auf, das wir weder in Experiment oder Beobachtung vollständig realisieren können, - ein Ideal, welches auf dem Gebiet des realen Forschens das ist, was das allgemeine Identitätsprinzip auf dem des logischen Denkens ist. Es ist auch immer möglich, daß wir uns in der Konstatierung der Identität von A täuschen. Es wäre ansich sogar möglich, daß die Natur gar keine parallele oder ähnliche Fälle darbietet, - daß dieselben Bedingungskomplexe auch nicht annäherungsweise wieder eintreten. Dann würden wir auch auch den Kausalitätsbegriff gar nicht gebildet haben. Unsere Phantasien und Ideale sind gewiß nicht innerhalb enger Schranken gebunden, aber ein jedes Ideal, welches wir aufstellen, muß doch sein Motiv, seinen - sei es noch so unvollkommenen - Prototyp in der wirklichen Erfahrung haben. Daraus, daß wir wirklich etwas (es sei dies wenig oder viel) verstehen (wenigstens bis zu einem gewissen Grad verstehen), - daraus folgt, daß die Natur einen solchen Parallelismus nicht ganz verleugnet. Das Kausalgesetz steht darum nicht nur als ein Postulat, sondern auch als ein Resultat.

Die Empiriker warnen uns mit Recht, die Ähnlichkeiten in der Natur zu überschätzen. Aber die sanguinische Tendenz des menschlichen Geistes führt ebensowohl zur Überschätzung der Verschiedenheiten. Wir bauen oft kühne Schlüsse auf wenige und oberflächliche Ähnlichkeiten, aber andererseits meinen wir oft, selbst wo die Verhältnisse wesentlich dieselben sind, daß es doch "eine andere Sache ist"; darum ist es z. B. so schwer, von der Geschichte zu lernen.

Von tiefem Mißtrauen gegen alles, was im geringsten Grad an das Apriorische und Intuitive erinnern konnte, hat in neuerer Zeit JOHN STUART MILL versucht, das Kausalitätsgesetz auf einfacher Induktion (inductio per enumerationem simplicem) zu gründen. Er meinte sogar, daß wir durch hinlängliche Übung unseres Abstraktionsvermögens uns eine Welt denken könnten, in welcher die Begebenheiten einander auf zufällige Weise (at random), ohne alles Gesetz folgen. Wir dürfen dagegen behaupten, daß kein Mensch es so weit in der Abstraktion treiben kann. Es wäre ja sogar widersprechend, wenn dies möglich wäre; denn durch einen Denkakt, wie die Abstraktion es ist, können wir die Voraussetzung des Denkens nicht aufheben. Die Tatsache des Denkens zeigt schon, daß eine gewisse Harmonie zwischen uns und der Natur besteht. Darin, daß wir ein wenig von der Natur verstehen, liegt, daß wir keine Fremden in der Welt sind. - JOHN STUART MILL fordert eigentlich, daß wir unsere Auge ausreißen sollen und doch sehen, daß wir nicht - sehen!

E. Gewiß ist die Tatsache, daß wir keine Fremden in der Welt sind, nirgendwo so einfach und überzeugend erklärt worden, wie in der modernen Entwicklungshypothese. Dieser zufolge hat die Wiederholung nicht nur ihre große Bedeutung im individuellen Leben, sondern wirkt auch in der Reihe der Geschlechter; und ihre Wirkungen bringen durch Summierung eine solche sukzessive Änderung der Organisation hervor, daß jede einzelne Generation nicht immer wieder von vorn beginnen muß. Wir tragen die Resultate der Erfahrungen und der Bestrebungen, der Fortschritte und der Täuschungen unserer Ahnen in unserer psychologischen Organisation.

Während man früher nur die individuellen Eigenschaften und die Familien- und Rasseneigentümlichkeiten durch Erblichkeit erklärte, hat man in neuerer Zeit auch die für das ganze Menschengeschlecht, für alles menschliche Bewußtsein geltenden Formen und Charakterzüge auf diese Weise zu erklären versucht. Schon einige Jahr vor dem Hervortreten der Hypothese DARWINs von der Entstehung der Arten stellte HERBERT SPENCER (in der ersten Ausgabe seiner Psychologie 1855) die Theorie auf, daß die fundamentalen Formen und Kräfte des Bewußtseins sich durch die Anpassung der Urgeschlechter nach den Lebensbedingungen entwickelt haben. Die dem Menschengeschlecht typischen Vorstellungs- und Gefühlsformen sind darum dem einzelnen Individuum gegenüber apriorisch, d. h. sie können durch seine Erlebnisse nicht erklärt werden, sondern bilden eben die letzte Grundlage der Art und Form dieser Erlebnisse. Dagegen finden jene Formen ihre Erklärung durch ein Zurückgehen zum ganzen Geschlecht und zu den Erfahrungen, welche dieses im Laufe seiner Entwicklung gemacht haben muß. Was in einem Individuum apriorisch ist, ist also im Geschlecht als Ganzem aposteriorisch.

Diese Hypothese ist ein Versuch, die Debatte zwischen Apriorismus und Empirismus in eine neue Bahn hineinzuführen und dadurch zu entscheiden, daß man Jedem das Seinige gibt. Der eine Gesichtspunkt soll für das Individuum, der andere für das Geschlecht gelten. Die frühere Behauptung des Erkenntnisproblems nahm eigentlich nur auf das Individuum Rücksicht. SPENCER hat eine der am meisten vorgeschobenen Positionen des Empirismus aufgegeben, um desto energischer eine mehr zurückgezogene Stellung zu halten, eine Stellung, welche seine Vorgänger wegen ihrer rein empiristischen Richtung nicht einnehmen konnten.

Dieser Lösungsversuch weckt doch Bedenken doppelter Art.

Fürs Erste ist Geschlecht ein kollektiver Begriff. Zu jeder Zeit besteht das Geschlecht aus einer gewissen Anzahl von Individuen, und es sind diese Individuen, welche um das Dasein kämpfen, in diesem Kampf ihre Kräfte üben und zu entwickeln und so mittels aktiver und passiver Anpassung nach den Lebensbedingungen eine Organisation erwerben, welche sie auf das nächste Geschlecht vererben können. Aber in diesem Kampf treten die Individuen - so weit wir auch zurückgehen - immer mit einer von ihnen selbst nicht erworbenen Organisation auf; es gibt also zu jeder Zeit etwas in Beziehung auf sie Apriorisches. In jedem Stadium des großen Entwicklungsprozesses wird die Wirkung aller Erfahrungen durch eine gegebene Grundlage bestimmt. Für das Geschlecht gilt es also ebensowohl für das Individuum, daß das Äußere stets das Innere voraussetzt, - daß das Erworbene durch das ursprünglich Angelegte bedingt wird. Es ist dies eben ein sich immer wiederholendes Grundverhältnis. Wir kommen hier in eine unendliche Reihe hinein; der Gedanke sieht keine Grenze, aber muß sich an geltende Gesetze halten.

SPENCERs Theorie erinnert an die mystische Lehre PLATONs von der Erkenntnis als einer Erinnerung aus der Präexistenz. Der große Unterschied ist, daß während PLATON den aus unseren Erfahrungen nicht erklärbaren Bewußtseinsinhalt als in einer geistigen Präexistenz erworben ansieht, in welcher die Seelen in Gesellschaft der Götter die ewigen Ideen anschauten, - nach SPENCER die Grundlagen unseres geistigen Lebens durch die Leiden und Kämpfe von unzähligen Generationen unserer Vorfahren gewonnen sind. Aber sowohl PLATON als auch SPENCER übersieht, daß es sich hier um eine Prinzipienfrage handelt, und daß, wenn die Existenz ein Apriorisches voraussetzt, dasselbe auch von jeder Präexistenz gelten muß, mögen wir nun diese Präexistenz in realistischer oder mystischer Art denken. Ein absolut Erstes oder Letztes erreichen wir niemals und nirgends.

Zweitens muß man hier bestimmt zwischen dem psychologischen und dem erkenntnistheoretischen Standpunkt unterscheiden. Psychologisch betrachtet ist die Entwicklungstheorie ein großer Fortschritt. Sie öffnet uns einen weiten Horizont, eine Aussicht auf Erklärung, wo sie der individuellen Psychologie verschlossen ist. Psychologisch wie physiologisch ist es ein vollständig berechtigtes und wird sich immer mehr auch als ein fruchtbares Prinzip zeigen, daß das, was innerhalb des Individuums unerklärlich ist, innerhalb des Geschlechts seine Erklärung erhalten kann. Erkenntnistheoretisch stellt sich aber die Sache anders dar. Die letzten Prinzipien, zu denen uns die Analysis unserer Erkenntnis führt, sind auch die letzten Voraussetzungen, welche unsere ganze Erkenntnis tragen. Auf ihnen ruhen alle Erklärungen, Beweise und Hypothesen - also auch die Entwicklungstheorie selbst. Wie umfassend diese logische Grundlage unseres Wissens sein mag, hat die Erkenntnistheorie, nicht die Psychologie als solche zu untersuchen.Die Psychologie ist eine spezielle Disziplin, welche selbst die allgemeinen Prinzipien unserer Erkenntnis voraussetzt und ihre Gültigkeit nicht erklären kann. Die jeder noch so realistischen Hypothese zugrunde liegende Gedankennotwendigkeit ist der letzte, unangreifbare Standpunkt des Idealismus. Alle Formen der spekulativen Philosophie, welche nach rationaler Begründung gestrebt haben, sind durch eine ontologische Deutung dieser Grundvoraussetzung entstanden. Wenn man aber auch eine solche Deutung verwerfen will, muß man doch einräumen, daß, so weit es auch gelingen mag, den Menschen durch die Welt zu erklären, so erklären wir immer wieder die Welt durch den Menschen.


4. Die Wiederholung und das Gefühlsleben

Die Wiederholung hat, wie schon von den älteren Forschern (13) hervorgehoben, einen verschiedenen Einfluß auf unser aktives und auf unser passives Leben. Auf unsere Aktivität wirkt sie übend und entwickelnd, auf unsere Rezeptivität abstumpfend. Die intellektuelle Seite unserer Natur ist überwiegend aktiv zu nennen; darum hat die Wiederholung hier eine unbestrittene günstige Wirkung. Dasselbe gilt natürlich auch vom Willen. Alle Erziehung, darunter auch die in der modernen Zeit vielleicht unterschätzte asketische Selbsterziehung, geht darauf aus, durch zweckmäßige Wiederholungen eine feste, unerschütterliche Willensrichtung zu schaffen. Aber mit der Gefühlsseite unserer Natur steht es anders. Wiederholung und Gewohnheit scheinen hier nachteilige Wirkungen zu haben.

In intellektueller und volitioneller Hinsicht gewinnen wir dadurch, daß eine zuerst mit ausdrücklichem Bewußtsein ausgeführte Operation durch Wiederholung ganz unbewußt und "mechanisch" vor sich gehen kann. Wir haben, um das eigentliche Denken von der bloßen Assoziation zu unterscheiden, das Willkürliche im Denken stark hervorgehoben. Aber beim geübten Denker wird dieses Willensmoment wieder latent, oder es vereinigt seine Energie mit der Energie der Vorstellungsverbindungen und tritt nur dann wieder deutlich hervor, wenn sich Schwierigkeiten und Widerstand zeigen. Ebenso geht es bei der Charakterbildung, Pflichten, welche wir mit bewußter Selbstüberwindung erfüllen, Tugenden, welche wir mit Anstrengung einüben, fällen ihre Resultate in unseren bleibenden, aber unbewußten Charakter nieder, und der ethische Fortschritt besteht eben darin, daß wir unbewußt tun können, was wir früher nur mit ausdrücklichem Bewußtsein tun konnten.

Aber dem Gefühlsleben scheint nicht damit gedient zu sein, daß das Bewußte vom Unbewußten abgelöst wird. Das Gefühlsleben erreicht eben seine höchste Intensität, wenn neue, frische Eindrücke die innere Welt beleben. Es war eine richtige psychologische Einsicht, welche DESCARTES und MALEBRANCHE dazu führte, ihre Darstellung der Gefühle mit der Verwunderung zu beginnen. Alle intensiven Gefühle haben etwas von Verwunderung in sich, und sie erschlaffen, wenn dieses Verwunderungselement durch Wiederholung abgeschliffen wird.

Es ist eine notwendige Folge des Gesetzes der Beziehung (14), daß häufige Wiederholung die Frische und Stärke des Gefühls schwächt. Der Hintergrund, auf welchem es sich ursprünglich so lebendig und energisch entfaltete, wird durch Wiederholung undeutlicher; durch eine gleichmäßige Verteilung von Licht und Schatten fällt der Kontrast zuletzt weg. Dieser Prozeß ist nur eine Form der allem Leben gemeinsamen Anpassung. Unter allen Verhältnissen strebt das Lebende danach, mit den Bedingungen ins Gleichgewicht zu kommen. Für das Gefühl hat dies aber oft die Wirkung, daß der ursprüngliche Enthusiasmus von Gleichgültigkeit abgelöst wird und zuletzt als eine unverständliche Erinnerung steht. Hieraus nehmen die Pessimisten eines ihrer gefährlichsten Argumente.

Freilich gilt es für Schmerz und Leid so gut wie für Freude und Begeisterung, daß die Anpassung und die Gewohnheit dämpfen. Aber wir betrachten nicht immer dies als einen Gewinn. Mit jeder starken Gemütsbewegung ist eine eigene Befriedigung verbunden, welcher Art auch die Bewegung sein mag. Selbst in der Sorge gibt es außer der Bitterkeit eine Tiefe und ein Leben der Stimmung, eine starke Bewegung der Seele, welche einen anlockenden und bezaubernden Einfluß haben kann. Es werden, sozusagen, alle Schleusen geöffnet; wir geben uns ganz hin. Diese Erregung wird noch durch die organischen Reflexe der Gefühlsbewegung verstärkt. In dieser psychischen und physischen Exaltation [Erregung - wp] ist der Grund der anlockenden Sorge (der "luxury of grief") zu suchen. Aber die Gewohnheit nimmt auch der Sorge ihre Frische und Tiefe, so daß wir uns sogar nach jenen Tagen der ersten schmerzlichen, aber doch lebendigen und idealen Gefühle zurücksehnen können. - Das Leben ist - wird der Pessimist also sagen können - so abscheulich, daß es uns nicht einmal recht sorgen läßt.

Ein dänischer Religionsphilosoph, SÖREN KIERKEGAARD, hat in diesem psychologischen Gesetz den Ausgangspunkt einer Bestimmung der Grenze zwischen ästhetischer und ethischer Lebensführung gefunden. Jede Erweckung und jeder Enthusiasmus - so ungefähr ist sein Gedankengang - ist ästhetischer Art; wir verhalten uns genießend, indem wir uns einem starken Einfluß öffnen. Das Ich läßt sich von den Gefühlswogen hinreißen. Aber unter der täglichen Arbeit, unter dem herabstimmenden und dämpfeden Einfluß der Wiederholung soll es sich zeigen, ob das Gefühl eine andere Stärke hat, als jenen augenblicklichen Aufschwung. Daher gilt die Frage, ob wir die Wiederholung aushalten, ja sogar wählen wollen, für KIERKEGAARD als ethische Grundfrage.
    "Wer hoffen will", sagt er, "der ist feige; wer nur erinnern will, der ist wollüstig; wer aber die Wiederholung will, der ist ein Mann. Wenn man die Welt umsegelt hat, dann soll es sich zeigen, ob man Mut genug hat zu verstehen, daß das Leben Wiederholung ist."
Mit feinem psychologischem Blick hat KIERKEGAARD das Problem gestellt. Aber es bestand nach seiner Auffassung eine zu große Kluft zwischen Psychologie und Ethik, als daß der Übergang erklärlich sein könnte. Nur durch eine "Transzendenz", d. h. durch einen unerklärlichen Willensakt kann das Problem bei ihm gelöst werden. Er übersieht, daß es ein psychologisches Naturgesetzt gibt, an welches die ethische Forderung anknüpfen kann, - wie denn die Ethik, wenn sie nicht in der Luft schweben oder ein stetiger Appell an das Übernatürliche sein soll, stets auf dem psychologisch Möglichen bauen muß.

Nur insofern wir das Gefühl als absolut passives betrachten, gilt es, daß die Wiederholung eine abstumpfende Wirkung hat. Aber ohne Vorstellungs- und Willenselemente kommt das Gefühl gar nicht vor. Besonders sind hier die Vorstellungselemente hervorzuheben. Die Entwicklung des Vorstellungslebens kommt dem Gefühlsleben zunutze. Mittels Assoziation mit Vorstellungen wachsen die Gefühle, erweitern sich und heben sich von der elementaren (sinnlichen) zu einer ideellen (geistigen) Stufe (15). Die rein elementaren Gefühle, d. h. solche, die durch einzelne, bestimmte, sinnliche Eindrücke hervorgerufen werden, können nicht durch Wiederholung gewinnen, ebensowenig wie die einfachsten Sinnesempfindungen. Die ideellen Gefühle, d. h. solche, die an einen weiteren oder engeren Kreis von Vorstellungen geknüpft sind, können nicht nur ihre Stärke (wenn auch nicht ihre Heftigkeit) bewahren, sondern können auch durch die Wiederholung gewinnen. Dieselbe Summe von Energie, welche im Augenblick der Erweckung ausgelöst wird, kann auch später ausgelöst werden, obgleich nicht in so starker Konzentration. Unter dem Einfluß der Wiederholung kann das Gefühl an Mannigfaltigkeit und Innerlichkeit gewinnen, was es an Frische verliert. Während der Anpassung schließt der Gegenstand des Gefühls sein Wesen auf und stellt sich unter verschiedenen Gesichtspunkten dar: und andererseits werden die verschiedenen Elemente in der eigenen Natur des Individuums in eine Wechselwirkung mit dem Gegenstand gebracht. Innerhalb des ganzen Verhältnisses bildet sich also eine Mannigfaltigkeit von wechselnden Verhältnissen. Das Gefühl breitet sich dadurch über eine immer größere Lebenssphäre aus und kann darum auch aus weit mehr Quellen genährt werden, als am Anfang. So geht es z. B. im Verhältnis zu einem Menschen, mit dem wir zusammen leben. Das innere Wachstum des Gefühls wird oft erst offenbar, wenn das Verhältnis auf eine Probe gesetzt wird; dann kann ein Übergang von der verteilten zu einer konzentrierten Form eintreten, wodurch es sich zeigt, daß die Summe der Energie nicht vermindert worden ist.

In GOETHEs "Briefen aus der Schweiz" findet sich ein schönes Beispiel des Einflusses der Wiederholung auf das Gefühl. Es ist von den erhabenen Eindrücken einer Bergreise in der Schweiz die Rede. -
    "Ein junger Mann, den wir von Basel mitnahmen, sagte: es sei ihm lange nicht wie das erste Mal, und gab der Neuheit die Ehre. Ich möchte aber sagen: wenn wir einen solchen Gegenstand zum ersten Mal erblicken, so weitet sich die ungewohnte Seele erst aus, und es macht dies ein schmerzliches Vergnügen, eine Überfülle, die die Seele bewegt und uns wollüstige Tränen ablockt. Durch diese Operation wird die Seele in sich größer, ohne es zu wissen, und ist jener ersten Empfindung nicht mehr fähig. Der Mensch glaubt verloren zu haben; was er an Wollust verliert, gewinnt er an innerem Wachstum."
Vieles wird notwendig verloren, was nicht wieder gewonnen werden kann. Es geht mit dem ersten, frischen Gefühl wie mit dem ersten Atemzug des Neugeborenen, durch welchen die Lungen so erweitert und entfaltet werden, daß sie später nie ganz geleert werden können; kein späterer Atemzug kann also dem ersten gleich werden. Insofern ist eine Wiederholung der ursprünglichen Gefühlsbewegung unmöglich. Aber das ist nicht immer ein Verlust; es kann, unter den angegebenen Bedingungen, auch ein großer Gewinn sein. -

Der Gegensatz zwischen dem Einfluß der Wiederholung auf die passive und die aktive Seite des Gefühlslebens erinnert uns an den von der älteren Psychologie (besonders nach KANTs schöner Darstellung in Anthropologie § 71) aufgestellten Gegensatz zwischen Affekt und Leidenschaft. Der Affekt ist ein plötzliches Gefühlsaufbrauseh, welches das Gemüt überwältigt und die freie, natürliche Verbindung der Vorstellungen verhindert. Die Leidenschaft ist dagegen die zur Natur gewordene, durch Gewohnheit eingewurzelte Gefühlsbewegung. Was der Affekt im einzelnen Augenblick mit gewaltsamer expansiver Bewegung ist, das ist die Leidenschaft in der Tiefe des Gemüts als eine aufgesparte Kraftsumme, welche zur Anwendung bereit liegt. Die Leidenschaft schließt ein besonnenes Überlegen nicht aus; sie hat eben ihren Ausdruck in einem den ganzen Vorstellungskreis beherrschenden Gedanken. Das Gefühl fängt gewöhnlich als Affekt an und geht - wenn es Nahrung findet - zur Leidenschaft über. Andererseits kann die Leidenschaft, wie ein unterirdisches Feuer, in einen Affekt umschlagen.

In der Leidenschaft ist das Gefühl mit dem Willen eins. Bei der Beurteilung des Einflusses der Wiederholung auf das Gefühl wird es also darauf ankommen, ob man das Gefühlsleben als ein immer von neuem anfangendes Spiel oder als Übergang zur Charakterbildung betrachtet. Nur diese letzte Auffassung kann zu einer versöhnten und, im besten Sinne des Wortes, optimistischen Lebensanschauung führen.
LITERATUR - Harald Höffding, Die psychologische Bedeutung der Wiederholung, Vierteljahrsschrift für wissenschaftliche Philosophie, Bd. 7, Leipzig 1883
    Anmerkungen
    1) Diese Abhandlung ist eine Bearbeitung einiger Partien der 1882 in dänischer Sprache erschienenen Psychologie des Verfassers.
    2) Vgl. meine Abhandlung "Zur Psychologie der Gefühle", Philosophische Monatshefte, 1880, Seite 424f.
    3) HERBERT SPENCER hat in seinen "First Principles" darzutun versucht, daß alle Bewegung rhtythmisch ist. JEVONS, "Principles of Science", zweite Ausgabe, Seite 448 und 563f, schließt sich im Wesentlichen dieser Auffassung an.
    4) Dieses umgekehrte Verhältnis zwischen Empfindung und Vorstellung ist seit KANT (Anthropologie, § 19) oft von den Psychologen hervorgehoben worden.
    5) MUNK, Über die Funktionen der Großhirnrinde, Berlin 1881, Seite 29f und GOLTZ, Pflügers Archiv für Physiologie, Bd. 26, Seite 42f, weichen voneinander in der Erklärung, aber nicht in der Beschreibung der operierten Tiere ab. MUNK hebt den Verlust der Erinnerung, GOLTZ besonders den Verlust der Aufmerksamkeit hervor.
    6) ADOLF KUSSMAUL, Störungen der Sprache, Leipzig 1877, Seite 174f.
    7) Vgl. Zur Psychologie der Gefühle, a. a. O., Seite 442
    8) Näheres über die Erscheinungen, welche der im Folgenden gegebenen Charakteristik zugrunde liegen, in den Werken von GUISLAIN, GRIESINGER, BOISMONT, CARPENTER und RIBOT.
    9) LEIBNIZ definiert den Begriff der Identität durch den der Substitution. (Non inelegans specimen demonstrandi. Opera ed. ERDMANN, Seite 94).
    10) LEIBNIZ, Opero, ed. ERDMANN, Seite 95
    11) LEIBNIZ, Opera, a. a. O., Seite 95. Um diesen Unterschied zwischen Logik und Mathematik hervorzuheben, stellte BOOLE (An investigation of the laws of thought. London, 1854, Seite 37) als für die Logik charakteristisch die Gleichung auf: x2 = x. Als algebraische Gleichung hätte sie nur die zwei Wurzeln 0 und 1.
    12) LEIBNIZ stellte das Prinzip des zureichenden Grundes und des Gesetzes der Kontinuität als zwei verschiedene metaphysische Gesetze auf. KANT deutete den genauen Zusammenhang beider Prinzipien an, aber erst MAIMON (Versuch über die Transzendentalphilosophie, Seite 140) führt das Kausalgesetz entschieden auf das Kontinuitätsgesetz zurück.
    13) HUME, BICHAT, FRIES
    14) Vgl. meine Abhandlung "Zur Psychologie der Gefühle", Philosophische Monatshefte, 1880, Seite 426-430.
    15) Nach meiner in der öfter erwähnten Abhandlung (Philosophische Monatshefte) entwickelten Auffassung gelten die Assoziationsgesetze nicht für die Gefühle untereinander, sind aber durch die Verbindung zwischen Gefühlen und Vorstellungen von größter Bedeutung für die Entwicklung des Gefühlslebens.