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Der Begriff der Wahrnehmung [1/5]
Kapitel 1 Der Begriff der Wahrnehmung, seine Wichtigkeit, Schwierigkeit und sein Mangel Das aber, was durch die Wahrnehmung erkannt wird, hat vor allen anderen Gegenständen menschlicher Erkenntnis die ausgezeichnete Eigenschaft, die Grundlage aller Erfahrung, also aller Erkenntnis der Wirklichkeit zu sein. - Mag uns die Wahrnehmung nicht die wesentlichen Eigenschaften des Wirklichen enthüllen, so ist für unsere Erkenntnis doch nur das wirklich, was mit ihr im Zusammenhang steht. Alles Denken, das allgemeine Gültigkeit haben soll, muß von der Wahrnehmung ausgehen und zu ihr beständig zurückkehren. Mag es sich überfliegen, mag es höhere Wirklichkeiten ersinnen, mag es diese mit ebenso festem Glauben umfassen, wie die Tatsachen der Wahrnehmung, - diese selbst bleiben der unerschütterliche Grund, von dem die höchsten Gebäude des Denkens sich nicht trennen lassen, ohne in sich zusammenfallen oder sich halt- und gestaltlos in nebelhaftem Dunst aufzulösen. Die Untersuchung der Wahrnehmung ist daher - und dies ist allgemein bekannt - eine der wichtigsten Aufgaben und Streitpunkte für die Erkenntnislehre und die Metaphysik. Jene frage nach dem Anteil, welchen die Wahrnehmung an unserer wissenschaftlichen Erforschung und Erkenntnis der Welt hat; diese sucht zu entscheiden, ob Wirklichkeit und welcher Wert den Gegenständen der Wahrnehmung zukommt. Beide aber setzen die vollkommene Einsicht in die Entstehung und die Bestandteile der Wahrnehmung und ihrer Gegenstände voraus. Da die Erforschung dieser letzteren den verschiedenen Naturwissenschaften anheimfällt, so bleibt für Physiologie, Psychologie und Logik die Untersuchung der leiblichen und geistigen Vorgänge, durch welche eine Wahrnehmung in den verschiedenen Geschöpfen zustande kommt. So ist dann einer der Hauptteile der Physiologie die Physiologie der Sinnesorgane und derjenigen Nervenprozesse, welche der Fortleitung, Aufbewahrung, Wiedererweckung, Umgestaltung von Sinnesreizen dienen. Aber auch in der Psychologie macht die Lehre von der Wahrnehmung einen Hauptabschnitt aus. In der Psychologie der Erkenntnis ist diejenige der Wahrnehmung von derselben Wichtigkeit, welche die Wahrnehmung überhaupt für die Erkenntnis hat. Und ebenso verhält es sich schließlich mit der +Logik, wenn wir sie, um ihr neben Psychologie und Erkenntnislehre ein bestimmtes Gebiet zuzuweisen, als die Theorie von den Gesetzen des Urteils ansehen. In dieser Wissenschaft haben die Fragen über das Wahrnehmungsurteil eine hervorragende Wichtigkeit. Denn es ist die ursprünglichste und einfachste aller und die Voraussetzung für alle höheren Urteilsarten. Somit ist die Wahrnehmung ein Problem, das allen Teilen der theoretischen Philosophie angehört und in allen von der größten Wichtigkeit ist, so daß es kaum eine philosophische Frage geben dürfte, für deren Beantwortung die Kenntnis des Wahrnehmungsproblems nicht erforderlich wäre. § 2. Andererseits freilich scheint gerade die Wichtigkeit des Problems der Wahrnehmung diesen Gegenstand besonders schwierig zu machen. In der Tat ist die Wahrnehmung ein schwieriges Problem, zugleich aber ein elementares. Über andere philosophische Fragen läßt sich vielleicht leichter nachdenken und eher eine bestimmte Meinung äußern. Das aber ist gerade ein Vorzug des Studiums der Wahrnehmung, daß ihm ein unendlicher Reichtum an Tatsachen vorliegt, über welche ein gewandter Flug des Denkens nicht hinweghilft, sondern die einzeln aufgefaßt, eingeprägt, verglichen und beurteilt sein wollen. Wenn es deshalb nicht leicht ist, zu den verschiedenen Fragen, welche das Problem der Wahrnehmung enthält, bald eine befriedigende Antwort zu finden, oder es gar um neue Fragen zu vermehren und neue Lösungen zu entdecken, so ist wiederum auf diesem Gebiet auch die Gefahr geringer, falsche Ansichten zu gewinnen oder bedeutungslose Behauptung aufzustellen. Die Schwierigkeit aber, welche die Vielseitigkeit des Problems der Wahrnehmung mit sich bringt, bleibt bestehen. Sie macht zunächst eine Wahl und Entscheidung erforderlich, von welcher Seite man das Studium der Wahrnehmung angreifen soll, ob von der erkenntnis-theoretischen und metaphysischen oder der logischen. Bei einiger Überlegung zeigt sich jedoch, daß die Psychologie der Wahrnehmung jeglicher anderen Untersuchung derselben vorangehen muß. Dies ist durchaus einleuchtend für die logische Untersuchung der Wahrnehmungsurteile. Denn ein jedes Urteil ist nicht nur durch die beurteilten Gegenstände, sondern zugleich durch den psychologischen Zustand des Urteilenden bedingt. Überhaupt setzen alle Fragen der Logik die Psychologie des Denkens oder der Erkenntnis voraus, da man keine vernünftigen Vorschriften und Regeln, also auch keine logischen, geben kann, wenn man nicht die Fähigkeiten desjenigen kennt, der sie befolgen soll. Die gleiche Notwendigkeit psychologischer Vorkenntnisse gilt in noch höherem Maß für die erkenntnistheoretischen und metaphysischen Fragen, zu denen der Begriff der Wahrnehmung veranlaßt. Dagegen scheint die Physiologie des Wahrnehmungsvorgangs unabhängig von der Psychologie desselben zu sein. Wir werden aber, sobald wir die Aufgabe dieser letzteren genauer erörtern, einsehen, daß dieser Teil der Physiologie nicht möglich ist ohne psychologische Voraussetzungen. Aus diesen Überlegungen schließen wir, daß das Studium der Wahrnehmung mit der Psychologie derselben beginnen muß. Dies empfiehlt sich auch aus Rücksichten der Methode. Erstens ist die Psychologie nämlmich eine Erfahrungswissenschaft; alle Erkenntnis aber hebt mit der Erfahrung an und muß auf sie gründen. Die Psychologie hat es ferner mit Erscheinungen zu tun, deren einfachste einem jeden ebenso bekannt sind wie irgendwelche sonstigen elementaren Erfahrungen; vom Einfachen aber zum Zusammengesetzten, vom unmittelbar Bekannten zum Verborgenen ist der natürliche Gang aller Erkenntnis. Endlich aber umfaßt die Psychologie alle Arten der Wahrnehmung, und mittelbar sogar alles Erkennbare überhaupt. Sie ist deshalb, neben der allgemeinen Naturwissenschaft, diejenige Wissenschaft, welche allen übrigen den Rohstoff liefert. Aus all diesen Gründen, die sich gewiß noch vermehren ließen, wird man es gerechtfertigt finden, wenn ein Studium der Wahrnehmung, ja der Philosophie überhaupt, von der Psychologie jener seinen Ausgang nimmt. § 3. Nachdem nun die allgemeinen Gesichtspunkte und die Wichtigkeit des Gegenstandes der vorliegenden Arbeit auseinandergesetzt sind, wird es jetzt nötig sein, die Aufgabe, welche sich unsere Untersuchung der Wahrnehmung stellt, genauer zu umschreiben. - Eine jede Wissenschaft muß von der Kenntnis ihrer Gegenstände ausgehen. Um diese zu erlangen, müßte die Psychologie der Wahrnehmung zunächst alle diejenigen Tatsachen oder Vorgänge sammeln, welche als Wahrnehmungen zu bezeichnen sind. Die Ordnung derselben nach ihren Ähnlichkeiten und ihre Einteilung, sodann die Bestimmung und Beschreibung der Gattungen und Arten würde das zweite Geschäft sein. Bevor sich die Wissenschaft aber an die Ausführung dieser Aufträge machen kann, muß sie das Gebiet ihrer Arbeit ins Auge fassen und sich fragen, wo sie die Wahrnehmungen finden soll, deren Sammlung, Ordnung und Beschreibung man ihr aufträgt. Wo im ganzen Weltall findet Wahrnehmung statt? - Sind nicht vielleicht die Gestirne mit dieser Fähigkeit begabt? Oder haben wir nur auf Erden wahrnehmungsfähige Wesen zu suchen? Diese Fragen scheinen übertrieben zu sein; aber FECHNER, der sinnige und gelehrte Naturphilosoph, schreibt den Himmelskörpern eine Beseeltheit zu; sollte ihnen also die Wahrnehmung, diese so ursprüngliche Seelentätigkeit, fehlen? Diese Fragen, wie auch die folgenden, welche wir sogleich erwähnen werden, überläßt die Psychologie, der selbst diese Erde noch zu weit ist, der Metaphysik. Einer der Meister diser Wissenschaft, der große LEIBNIZ, hat bekanntlich mit allen, die ihm gefolgt sind, sämtlichen Substanzen die Fähigkeit des Perzipierens oder Wahrnehmens zugeschrieben. Auch SPINOZA und alle Pantheisten, ja genau genommen alle Philosophen, mit Ausnahme der Materialisten, halten alle Wesen entweder ihrer wahren Natur nach für geistige oder doch für solche, denen die Geistigkeit als Eigenschaft zukommt. Nach ihnen müßte man also einen jeden Gegenstand der Natur, sowohl der unbelebten als auch der belebten, für einen irgendwie wahrnehmungsfähigen halten. Indessen haben die Metaphysiker und die Dichter in der Belauschung der Stimmen, die in der toten Natur als Zeichen geheimnisvoller Seelentätigkeit laut werden, bisher einen besseren Erfolg gehabt als der Psychologe, der es nicht einmal sehr weit zu bringen vermochte im Verständnis der Vogelstimmen und der zahllosen Äußerungen, in welchen sich ein Denken und Fühlen der Tiere kund gibt. Freilich gibt es eine Psychologie der tierischen Wahrnehmungen; aber dieselbe setzt die menschliche Psychologie voraus. Denn ob ein Tier wahrnimmt und was es wahrnimmt, können wir nur erschließen aus seinen Äußerungen und Bewegungen, indem wir diese vergleichen mit den Äußerungen und Bewegungen, durch die wir unsere eigenen, menschlichen Wahrnehmungen ausdrücken. Die Wahrnehmungen der Tiere werden uns also nur verständlich, nachdem wir unsere eigenen und unserer Mitmenschen Wahrnehmungen erkannt haben. Damit ist der Psychologie der Wahrnehmung der Ausgangspunkt ihres Forschungsgebietes gegeben. Sie hat es zunächst nur mit menschlichen Wahrnehmungen zu tun. Innerhalb dieser aber bilden die eigenen Wahrnehmungen des Psychologen eine Gruppe, die seiner Erkenntnis am nächsten liegen. Diese sind ihm teils unmittelbar gegenwärtig, indem er sie gerade hat oder doch fortwährend machen kann; teils kann er sich derjenigen, welche er früher einmal gehabt hat, mit Hilfe der Erinnerung bemächtigen. Von dieser Grundlage aus werden die Wahrnehmungen anderer Menschen, die wir teils aus ihren Äußerungen unmittelbar erschließen, teils durch Mitteilungen kennen lernen, und schließlich diejenigen der Tiere und sogar möglicherweise der Pflanzen verständlich. § 4. Nach den vorhin aufgestellten Forderungen der Methode müßten nun alle auf dem soeben umschriebenen Gebiet überhaupt vorkommenden Wahrnehmungen zuerst gesammelt werden, um nach ihrer Ordnung und Einteilung einer weiteren wissenschaftlichen Bearbeitung und Untersuchung unterzogen werden zu können. - Abgesehen aber davon, daß diese Sammlung ein unausführbares Beginnen wäre, ist sie auch für die Zwecke der Wissenschaft nicht erforderlich, die es nie mit den einzelnen Gegenständen, sondern nur mit den Gattungen und Arten derselben zu tun hat. Eine einzelne Pflanze ist dem Botaniker nur ein Beispiel für die Art, welche sie vertritt. In der Psychologie verhält es sich nicht anders: Die Arten der Wahrnehmung sind die Grundlage für alle Erforschung derselben, und einzelne Wahrnehmungen brauchen nur berücksichtigt zu werden als Vertreter und Beispiele der Arten. Diese letzteren aber scheinen allgemein bekannt zu sein und liegen dem gewöhnlichen Wissen so nahe, daß ein jeder beliebige auf die Aufforderung einen Fall der Wahrnehmung zu nennen ohne Zögern antworten wird: Hören, Sehen. - Es macht eben viel mehr Schwierigkeit, sich auf eine einzelne Wahrnehmung zu besinnen, als sich eine Art derselben zu vergegenwärtigen. Aber nicht nur einzelne Arten, sondern sogar die sämtlichen glaubt das landläufige Wissen zu kennen und dadurch die ausführliche Sammlung derselben der Wissenschaft zu ersparen. Wenigstens übergehen in dieser Voraussetzung die meisten Psychologien eine genauere Bestimmung der Arten der Wahrnehmung und begnügen sich mit der Aufzählung der Wahrnehmungen der bekannten fünf Sinne, denen sie gewöhnlich noch einige andere Arten unter den Namen Gemeingefühle, Bewegungswahrnehmungen, Organgefühle hinzufügen. Das System wird dann mit einem usw. abgeschlossen. Es ist einleuchtend, daß ein so unvollständiges und so ungenaues System der Wahrnehmungen nicht als ein wissenschaftliches gelten kann. Ein solches ist bisher überhaupt nicht vorhanden. Mag es nun richtig sein, daß eine vollständige und genaue Unterscheidung der verschiedenen Arten von Sinneswahrnehmung bisher ohne ein erhebliches wissenschaftliches Interesse und deshalb zu den unwichtigeren Aufgaben der Psychologie der Wahrnehmung zu rechnen ist, so zeigen jedoch andererseits die obersten und allgemeinsten Arten dieses Begriffs die größten Schwierigkeiten. § 5. Eine seit ziemlich langer Zeit gebräuchliche, dem Voranschreiten LOCKEs ihre Verbreitung verdankende und allgemein anerkannte Einteilung unterscheidet als Hauptarten der Wahrnehmung die äußere und die innere. Als Grund dieser Unterscheidung wird angegeben, daß der Mensch außer den äußeren Sinnesorganen auch einen inneren Sinn besitzt, vermöge dessen er die Kenntnis seiner eigenen Zustände, seiner Vorstellungen, Gefühle und Willensregungen erlangt. Diese Wahrnehmung durch den inneren Sinn soll die innere Wahrnehmung heißen. Nun aber ist diese innere Wahrnehmung ein ganz außerordentlich problematischer Gegenstand. Denn der innere Sinn, welcher ihr dienen soll, genießt mit Recht nicht den allgemeinen Glauben an sein Vorhandensein, welcher den äußeren Sinnen zukommt. Da er sein Dasein bisher weder dem Messer der Anatomen, noch dem physiologischen Versuch verraten hat, so gründet sich seine Annahme auf psychologische Hypothesen, oder wenn man lieber will, auf Forderungen, die aus einer vermeintlich sicheren psychologischen Erfahrung hervorgehen. Viele meinen nämlich, der inneren Wahrnehmung unmittelbar gewiß zu sein, als der Quelle, aus der alle psychologische Erkenntnis stammt. Dieselbe soll auf innerer Wahrnehmung beruhen. Mit welchem Recht aber diese Art der Erkenntnis Wahrnehmung genannt wird, darum kümmert man sich nicht. Man untersucht auch nicht, ob es nicht vielleicht ein bloßer Schein, eine Täuschung, eine Jllusion ist, daß man hier innerlich oder im Inneren etwas wahrzunehmen glaubt, ob ferner die Gegenstände dieser sogenannten inneren Wahrnehmung durchaus anderer Art sind als die der äußeren. Man übersieht, daß die Annahme der inneren Wahrnehmung auf das Engste mit der Frage zusammenhängt, ob überhaupt die psychischen Vorgänge eine ganz besondere Klasse von Erscheinungen sind, und daß es vielleicht nur ein schlimmer Zirkel ist, wenn man sie als Gegenstände der inneren Wahrnehmung genügend gekennzeichnet zu haben glaubt, während bei einer genaueren Untersuchung der inneren Wahrnehmung diese selbst vielleicht ihre Annahme nur der Voraussetzung des Daseins jener ihrer Gegenstände verdankt. Und wenn diese wirklich als Erscheinungen besonderer Art, als psychische im Gegensatz zu allen physischen anzusehen sind, so bleibt doch noch immer eine offene Frage, ob ihre Erkenntnis Wahrnehmung ist, oder auch nur auf eine Wahrnehmung zurückgeführt werden muß. Sind sie nicht vielleicht Gegenstände einer ganz andersartigen Erkenntnis? Wir erheben hier diese Fragen, ohne sie hier lösen zu wollen. Denn es ist klar, daß zu ihrer Lösung eine schwierige und tiefe Untersuchung erforderlich ist, welche nicht mit einigen auf das Geratewohl aufgegriffenen Gründen zur Entscheidung gebracht werden kann. Vielmehr kommen für dieselbe alle die Gedanken in Betracht, die man sich über die große und wichtige Frage nach dem Dasein und Wesen des Geistes, des Bewußtseins, des Ich gemacht hat. Eine Untersuchung über die Wahrnehmung aber auf die letzten und tiefsten Fragen der Psychologie, auf die nach dem Wesen der Seele, zu stützen, scheint nicht geraten zu sein. Sie führt in die schwierige und weitläufige Erörterung der allgemeinsten philosophischen oder metaphysischen Probleme, eine Erörterung, welche sich nicht selten auf gesicherte Tatsachen stützen muß, die zur Psychologie der Wahrnehmung gehören. Deshalb ist es erforderlich, wenn die Untersuchung eine Ordnung haben soll, die tiefsten und allgemeinsten Fragen aus der Psychologie auszuschließen oder sie in einen besonderen Teil dieser Wissenschaft zu verweisen. In diesen aber gehört das Problem der inneren Wahrnehmung und somit auch die Frage, ob die Wahrnehmung in eine äußere und innere eingeteilt werden kann. § 6. Für die vorliegende Untersuchung erscheint es nach dem soeben erörterten am zweckmäßigsten, die innere Wahrnehmung auszuschalten und einer besonderen Betrachtung zu überweisen. Die Frage nach dem System der Wahrnehmungen, welche jeder weiteren Untersuchung dieses Gegenstandes notwendig vorangehen muß, richtet sich also zunächst nur auf die sogenannte äußere Wahrnehmung. Daß diese vorhanden ist, kann ja nicht zweifelhaft sein. Denn es gibt, was niemand bestreiten wird, äußere Sinnesorgane, und wenn man die Wahrnehmung einstweilen als Funktion der verschiedenen Sinne ansieht, so ist damit zwar nicht das eigentliche Wesen der Wahrnehmung erklärt, aber doch ihr Dasein verbürgt. Zur Einteilung der Wahrnehmung genügt diese Bestimmung jedoch nicht, wie bereits angedeutet wurde, weil zwar die wichtigsten Sinne bekannt sind, aber nicht alle. Anatomie und Physiologie suchen vielmehr nach denjenigen Organen, durch welche Wahrnehmungen von Stoß und Druck, von Härte und Weiche, von Ermüdung und Anstrengung, von Wärme und Kälte, von eigentümlichen Schmerzen und Zuständen der verschiedenen Teile des Leibes vermittelt werden; und man hat doch nicht festgestellt, wieviele Arten spezifischer Nerven oder spezifischer Endapparate zur Vermittlung dieser mannigfaltigen Wahrnehmungsinhalte dienen. Daraus geht nun nicht allein hervor, daß die Einteilung nach den Sinnen unzulänglich ist, sondern auch, daß sie für die der Wahrnehmung entbehrlich ist. Diese braucht also nicht die Ergebnisse der Anatomie und Physiologie abzuwarten, welche vielmehr schon mit einer Kenntnis der Arten der Wahrnehmung an ihre Untersuchungen herangehen. Daß jeder Sinn einer besonderen Art von Wahrnehmung dient, ist eine spätere Erkenntnis als die der verschiedenen Arten der Wahrnehmung. Dieselben sind mit der Verschiedenheit der Gegenstände sogleich gegeben. Auch der gewöhnlichen Auffassung liegt die Unterscheidung der Wahrnehmungen nach ihren Gegenständen oder nach dem Wahrgenommenen ebenso nahe wie die nach den Sinnen oder den Werkzeugen der Wahrnehmung. Man spricht allgemein von einer Farbwahrnehmung, von Tonwahrnehmung usw. - Da nun jeder Sinn seine besonderen Gegenstände hat, deren Wahrnehmung er vermittelt, so fallen zunächst eine Anzahl der nach den Gegenständen unterschiedenen Arten der Wahrnehmung mit den nach den Organen unterschiedenen zusammen. Es sind dies diejenigen, deren Gegenstände die sogenannten einfachen Qualitäten, wie Farben, Töne, Gerüche, Geschmäcke sind, und auf die bereits hingewiesen ist. Als eine weitere Gruppe von Wahrnehmungsgegenständen werden häufig diejenigen zusammengestellt, die nicht nur durch einen Sinn, sondern sowohl durch den einen, wie auch durch andere wahrgenommen werden. Zu diesen rechnet LOCKE Ausdehnung, Gestalt, Ruhe und Bewegung. ARISTOTELES nahm für die Wahrnehmung dieser und anderer nicht den einzelnen Sinnen zuzuschreibender Gegenstände einen Gemeinsinn als besonderes Wahrnehmungsorgan im Innern des Leibes an. § 7. Sowohl durch diese Annahme wie auch durch Auffassung LOCKEs wird aber ein sehr berechtigtes, ja notwendiges Bedenken verdeckt, welches zu der Frage veranlaßt, ob denn und mit welchem Recht die genannten Gegenstände und andere ihnen ähnliche als Gegenstände der Wahrnehmung anzusehen sind. Die genannten vermehren sich nämlich noch um viele, von denen hier die wichtigsten folgen: es sind Ort und Zeit, Gleichheit, Verschiedenheit, Größe, Menge, Schönheit, Güte, Richtigkeit, Übereinstimmung, Widerspruch, ja das Dasein und viele diesen verwandte und entsprechende. Die erstgenannten einfachen Qualitäten werden gewöhnlich als Eigenschaften der Dinge angesehen und zusammengefaßt, die letzten als Beziehungen oder Zustände oder Formen der Dinge. Aber auch diese selbst gelten als Gegenstände der Wahrnehmung. Überblickt man nun diese Aufzählung, so scheint es, daß sie überhaupt alle Arten von Gegenständen enthält und daß somit alle Gegenstände Objekte der Wahrnehmung sind. Daraus würde ferner folgen, daß der Begriff der Wahrnehmung mit dem der Erkenntnis zusammenfällt; denn wenn alle Gegenstände durch die Wahrnehmung erkannt werden, so sind alle Erkenntnisgegenstände Wahrnehmungsobjekte und alle Erkenntnis ist Wahrnehmung. Es würde also auch das System der Wahrnehmungsarten mit dem der Arten der Erkenntnis zusammenfallen. Diese Auffassung vom Begriff der Wahrnehmung würde aber der Absicht oder zumindest der Voraussetzung unserer Untersuchung zuwider sein. Denn wir beabsichtigten nicht, die ganze Psychologie der Erkenntnis hier zu erörtern und setzten voraus, daß die Wahrnehmung einen Teil derselben ausmacht. Nach unserer Meinung und nach unserem Sprachgebrauch sind nicht alle Gegenstände Wahrnehmungsobjekte. Es besteht also jedenfalls eine Abweichung hinsichtlich des Begriffs, der mit dem Ausdruck Wahrnehmung verbunden wird. Die Aufgabe, die Arten der Wahrnehmung festzustellen, kann daher nicht ohne weiteres in Angriff genommen werden. Eine Voruntersuchung ist erforderlich, welche den Gebrauch des Ausdrucks der Wahrnehmung und den Begriff derselben betrifft. Da nun der Begriff, den sich jemand von der Wahrnehmung macht, abhängt von seiner Auffassung des Wesens und des Vorgangs derselben, so muß die Voruntersuchung nicht nur die Begriffsbestimmung, sondern auch den Prozeß der Wahrnehmung ins Auge fassen. Es wird sich in derselben somit darum handeln, die verschiedenen Ansichten über die Wahrnehmung, ihren Begriff und Prozeß zu sammeln, sie miteinander zu vergleichen, die zugrunde liegenden Gesichtspunkte festzustellen, gegeneinander abzuwägen und danach den Begriff der Wahrnehmung zu bestimmen. Erst wenn dies geschehen ist, kann die Beantwortung der Frage nach den Arten der Wahrnehmung wieder aufgenommen werden. - Somit fordert die erste Aufgabe einer Psychologie der Wahrnehmung eine Voruntersuchung, welche sich nicht direkt mit dieser selbst beschäftigen kann, sondern mit den verschiedenen Ansichten über diesen Gegenstand, die, wie gesagt, so sehr verschieden sind, daß selbst hinsichtlich dessen, was eigentlich "Wahrnehmung" zu nennen ist, die größten Meinungsverschiedenheiten bestehen. § 8. Wenn, wie zuletzt gezeigt wurde, der Begriff der Wahrnehmung mit dem der Erkenntnis zusammenzufallen scheint, so kann das entweder daran liegen, daß der Begriff der Wahrnehmung nicht gehörig bestimmt ist, oder daran, daß dieser Ausdruck willkürlich gebraucht wird, um auch solche Begriffe zu bezeichnen, die von dem der Wahrnehmung verschieden sind. Es können aber auch beide Umstände, die Unbestimmtheit des Begriffs und die Willkürlichkeit im Gebrauch des Ausdrucks zusammenkommen; und dies ist in der Tat bei der Wahrnehmung der Fall, deren wissenschaftliche Untersuchung dadurch gleichsam mit einem Wald von Schwierigkeiten umgeben ist. Das Wort Wahrnehmung gehört durchaus der gewöhnlichen Sprache an und wird in derselben häufig und in vielen Wendungen gebraucht. Der gewöhnliche Sprachgebrauch ist bei diesem Wort gewiß kein solcher, der aus einer gehörigen Einsicht in den Begriff oder das Wesen der Sache hervorgeht, aber er ist vielleicht in sich geschlossener und folgerichtiger als der wissenschaftliche, von welchem hier allein die Rede sein soll. In wissenschaftlichen Werken, selbst in speziellen psychologischen, wird das Wort sehr häufig angewendet, ohne daß der Begriff der Wahrnehmung bestimmt ist. Da nun die Wissenschaft einen weit größeren Kreis von Gegenständen betrachtet als die gewöhnliche Auffassung kennt und unterscheidet, so wird dadurch der Sinn des Wortes in der Wissenschaft ein weit mehr schwankender sein als in der gewöhnlichen Rede. Es wurde ja bereits erwähnt, daß der Ausdruck des Wahrnehmens vielfach ganz gleichbedeutend mit dem des Erkennens gebraucht wird. Sagt man nun nicht nur von Eigenschaften, daß man sie wahrnimmt, sondern auch von Dingen, von Beziehungen, Verhältnissen jeder Art und selbst vom Mangel, also vom Nichtsein, spricht man ferner von einer inneren Wahrnehmung, zu deren Gegenständen man alles sonstige Erfahrbare rechnet, und behauptet man schließlich, daß es überhaupt nichts gibt, was nicht entweder durch eine äußere oder innere Wahrnehmung erkannt wird, so bleibt in der Tat gar nichts anderes übrig, und man kann nicht nur den Begriff der Erkenntnis, sondern ast den des Bewußtseins im weitesten Sinn dem der Wahrnehmung gleichsetzen. § 9. Aber dies tun nicht alle, welche sich dieses Wortes in wissenschaftlichen Untersuchungen bedienen, sondern viele bestimmen den Begriff und machen dadurch das Wort zu einem wissenschaftlichen Terminus. Leider aber gibt es auch viele, welche das Wort ohne Begriffsbestimmung gebrauchen und nicht wenige, bei denen der Begriff einerseits bestimmt ist, andererseits jedoch das Wort noch in unbestimmter Weise nebenher gebraucht wird, in Anlehnung an den gewöhnlichen, ungenauen Sprachgebrauch. Zum Beispiel kommt es vor, daß die Wahrnehmung als die Erkenntnis oder Vorstellung eines den Sinnen gegenwärtigen Gegenstandes bestimmt ist, und derselbe, der sie so bestimmte, trotzdem von der Wahrnehmung der Abwesenheit oder des Mangels eines Gegenstandes redet. Bei einer solchen Unsicherheit des vorhandenen wissenschaftlichen Sprachgebrauchs könnte man vielleicht den Vorschlag empfehlen, aus einer neu zu begründenden, genauen und sorgfältigen Psychologie das Wort Wahrnehmung völlig zu verbannen, um die Vieldeutigkeit, die nun einmal mit dem Wort verbunden ist, zu vermeiden. Die Grundlegung oder Voruntersuchung der Psychologie kann aber das Wort nicht entbehren, weil es einmal vorhanden und so sehr verbreitet ist. Wer ihm den Tod geschworen hätte und es ausrotten wollte, müßte es gerades deshalb in alle seine Schlupfwinkel verfolgen. § 10. Unmöglich aber ist es, all die Unregelmäßigkeiten, welche beim Gebrauch dieses Wortes in wissenschaftlichen Werken vorkommen, festzustellen; es würde dies auch ein zweckloses Bemühen sein. Denn für die Wissenschaft hat nur der Sprachgebrauch einen Wert, der entweder auf einer absichtlichen und festen Begriffsbestimmung oder doch wenigstens auf einer mehr oder weniger klaren und deutliche Erkenntnis vom Wesen der Sache beruth. Ein Begriff aber ist einem dann deutlich, wenn man die einzelnen Arten, die unter ihn fallen, alle kennt; wenn er aber deutlich ist, so ist er auch klar, d. h. von anderen Begriffen gehörig unterschieden. Daraus folgt nun, daß ein Begriff umso leichter klar und deutlich erfaßt wird, je kleiner sein Umfang ist, je weniger Arten er unter sich begreift. Wer also den Begriff der Wahrnehmung recht eng faßt, wer etwa nur die Erkenntnis der einzelnen sogenannten sinnlichen Eigenschaften so nennt, der kann liecht einen deutlichen Begriff von der Wahrnehmung bekommen. In dieser Lage sind die Physiologen und die experimentierenden Psychologen. In den Bereich ihrer Untersuchungen fällt nur eine beschränkte Anzahl von Erscheinungen; und wenn sie von diesen nur das zu begreifen und zu benennen suchen, was sie wirklich erkennen und erforschen können, so erlangen sie deutliche Begriffe und unzweideutige Benennungen. Infolgedessen macht der Begriff der Wahrnehmung, wie ihn diese Forscher feststellen, und der entsprechende Sprachgebrauch keine Schwierigkeiten. Selbst, wo dieser ungenau ist, ist doch der Begriff, den ich den physiologischen nennen will, bestimmt und deutlich, weil durch eine genaue Beschreibung der Untersuchung, durch die Sichtbarkeit und Veranschaulichung ihrer Gegenstände die Ungenauigkeit im Ausdruck der Begriffsbestimmung und im Sprachgebrauch ausgeglichen wird. Aber sobald diese speziellen Untersuchungen ihr begrenztes Gebiet überschreiten und allgemein festzustellen versuchen, worin das Wesen der Wahrnehmung besteht, so verwickeln sie sich sofort in die eigentümlichen Unklarheiten, die diesem Begriff anhaften, und von denen wir jetzt eine genauere Darstellung geben wollen. § 11. Die Unklarheit des Begriffs entsteht immer dadurch, daß er mit anderen verwechselt wird und sie kann nur dadurch gehoben werden, daß man diese Verwechslungen aufhebt. Dazu aber muß man sie zunächst kennenlernen, und dies kann auf zwei Wegen geschehen, die beide eingeschlagen werden müssen. Man muß nämlich einerseits die Verwechslungen, welche stattgefunden haben, sammeln. Andererseits aber kann man die Verwechslungen, welche möglich sind, ausfindig machen, indem man den betreffenden Begriff mit denjenigen, welche ihm verwandt sind oder zu deren System er gehört, vergleicht. Auf die letztere Weise erkannt man nicht nur die Verwechslungen, welche möglich sind, sondern man erkennt auch die Gründe der Verwechslung und vermag dadurch die wirklich stattfindenden Verwechslungen, welche in ihren Ausdrücken vielfältig voneinander abweichen, auf eine kleine Anzahl von Hauptfällen zurückzuführen. Um diesen Versuch zu machen, ist es notwendig, von einer vorläufigen Begriffsbestimmung der Wahrnehmung auszugehen. Wir müssen eine System der sogenannten psychischen Funktionen voraussetzen. Man nennt dieselbe auch Seelentätigkeiten oder Seelenvermögen, und da hier keine endgültigen Sachklärungen gegeben werden sollen, so nehmen wir am Begriff eines Seelenvermögens gar keinen Anstoß. Der Begriff des Vermögens ist hier vielmehr in rein logischer Hinsicht ein ganz vorzüglicher, weil er gar kein Vorurteil einschließt über die Natur des Stoffes oder die Eigenschaften der Kraft, aus welchen sich die Äußerungen dieses Vermögens erklären. Unter einem Vermögen verstehe ich also die im Übrigen völlig unbestimmte, ganz allgemeine Ursache von irgendwelchen Erscheinungen oder Vorgängen. Man unterscheidet nun in hergebrachter Weise drei Haupt- oder Grundvermögen der Seele, dasjenige der Erkenntnis, das der Gefühle und das des Willens. Ob diese Einteilung richtig ist, d. h. ob sie der Natur der Dinge entspricht, ist hier völlig gleichgültig. Es genügt, daß sie klar und zu weiteren Einteilungen geschickt ist. Wir brauchen hier aber nur das Erkenntnisvermögen weiter einzuteilen, da zu ihm meistens die Wahrnehmung gerechnet wird. Dasselbe zerfällt in das Vermögen der Anschauung und in das des Denkens. Anschauung und Denken oder Begriffsvermögen unterscheiden wir nach KANT, wie wir überhaupt hier in diesem System kantischen Anregungen folgen. Wir glauben nämlich, daß KANTs Psychologie durchaus mit Unrecht von HERBART verworfen und geschmäht ist. Sie verdient vielmehr wegen ihrer feinen Unterscheidungen, ihren bestimmten Definitionen und ihrer ausgeprägten Terminologie eine ganz vorzügliche Würdigung. Zum Denken oder Begriffsvermögen gehören auch die Vermögen des Urteilens und des Schließens. Die Anschauung aber zerfällt weiter in Wahrnehmung und Erinnerung. Wenn KANT Anschauung und Denken so unterscheidet, daß er jene ein Vermögen unmittelbarer, dieses aber ein Vermögen mittelbarer Erkenntnis nennt, so unterscheiden sich in ähnlich einfacher Weise Wahrnehmung und Erinnerung so, daß jene die Anschauung gegenwärtiger, diese aber die Anschauung abwesender Gegenstände ist. Endlich ist der Wahrnehmung noch die Empfindung als eine Art jener unterzuordnen, sei es nun, daß man sie als eine einfache Wahrnehmung gegenüber einer zusammengesetzten oder als eine subjektive gegenüber einer objektiven kennzeichnet, worüber nachher noch genaueres folgen wird. § 12. Im vorliegenden System fehlt der Begriff der Vorstellung, oder vielleicht nicht der Begriff, sondern nur das Wort; denn es kommt darauf an, welchen Begriff man mit dem Wort verbindet. Sein Verhältnis zu dem der Wahrnehmung wird nachher erörtert werden. Es ist ferner nochmals nachdrücklich zu betonen, daß dieses System durchaus keine sachlichen Ansichten über die Wahrnehmung aussprechen soll, sondern nur ein methodisches Hilfsmittel ist, um die Schwierigkeiten, welche in diesem Begriff stecken, zu ermitteln. - Dies gedenken wir nun in der Weise zu machen, daß wir den Begriff der Wahrnehmung der Reihe nach mit sämtlichen Begriffen des angenommenen psychologischen Systems vergleichen. Dabei ergibt sich die eigentümliche Tatsache, daß die Wahrnehmung mit ihnen allen entweder gleichgesetzt oder zumindest in so enge Beziehung gesetzt werden kann, daß sie als eine Art eines jeden dieser Begriffe gelten könnte. Denn selbst die Zugehörigkeit der Wahrnehmung zum Erkenntnisvermögen erscheint so wenig zwingend, daß man sie auch dem Gefühl und dem Willen unterordnen könnte. Infolgedessen läßt das System alle möglichen Umwandlungen zu, indem die Wahrnehmung immer eine andere Stelle einnimmt, und es scheint nichts sicheres und festes übrig zu bleiben. - Wer nun über diese Erscheinung, welche im Folgenden dargestellt werden soll, sich wundert, dem bleibt die Wahl unter folgenden beiden Erklärungen derselben, die vermutlich vorgeschlagen werden; die einen nämlich werden sagen, der Begriff der Wahrnehmung sei wie die anderen psychologischen Begriffe notwendig ein unklarer wegen der eigentümlichen Natur des Geistes oder des Bewußtseins. Das Wesen desselben bestehe in einer besonderen Einheit, in einer gegenseitigen Durchdringung all seiner Funktionen, so daß in jeder besonderen Art oder Äußerung desselben alle geistigen Kräfte enthalten oder zmindest mitbeteiligt sind. Daher müsse die Beurteilung des Anteils der einzelnen Funktionen an jeder einzelnen Äußerung des Bewußtseins schwanken, und der notwendig schwankenden Erklärung der Erscheinung folgen die Schwankungen in der Begriffsbestimmung und in der Benennung. Andere aber werden meinen, daß solche unglaublichen Schwankungen, Verwechslungen, Unklarheiten nur beweisen, daß die Natur des Geistes oder des Bewußtseins gar zu ungenügend bekannt ist, ja daß eine Natur, die so viele verschiedene Ansichten zuläßt, daß eine Einheit, die ein Chaos, eine Durchdringung, die eine Unordnung ist, gar nicht den Namen einer Natur verdient. Um zu einer Entscheidung zwischen diesen beiden möglichen Ansichten einen kleinen Beitrag zu liefern, mögen jetzt genauer die Verhältnisse des Begriffs der Wahrnehmung zu den übrigen Begriffen des psychologischen Systems auseinandergesetzt werden. ![]() |