ra-1ra-1E. Dubois-ReymondK. MarbeL. NelsonA. Berkowitz    
 
EMILE MEYERSON
(1859-1933)
Identität und Wirklichkeit
[3/6]

"Bekannt ist die ungeheure Arbeit, der Jean Stas sich hat unterziehen müssen, um einigermaßen chemisch reines Silber zu erhalten; es ist übrigens auch bekannt, daß er gerade diesen Stoff als Ausgangspunkt für seine Bestimmungen gewählt hat, weil er ihm die wenigsten Schwierigkeiten zu bieten schien und es ist ferner bekannt, daß das Silber, das er erhielt, nicht wirklich rein war, so daß man später genötigt war, seine Ergebnisse zu berücksichtigen. Man kann aus diesem typischen Beispiel ersehen, in wie hohem Grad schon das Substrat der Gesetze, der allgemeine Begriff, ein Produkt unseres Denkens ist. Denn es würde uns auch nichts nützen, uns darauf zu berufen, daß das Silber doch ein ganz bestimmtes Element sei und folglich der reine Stoff notwendig in diesem Stück Metall enthalten sein müsse, das ich vor mir habe und mit demselben Namen bezeichne, obgleich ich weiß, daß es unrein ist. Die Existenz des Elements Silber ist nur eine Hypothese, zu der man durch verwickelte Schlüsse gelangt. Das reine Silber ist also genau wie der mathematische Hebel, das ideale Gas oder der vollkommene Kristall, von denen wir soeben sprachen, eine von einer Theorie geschaffene Abstraktion. Wie Duhem sehr richtig bemerkt, ist es unmöglich, das Gesetz zu verstehen, unmöglich auch, es anzuwenden, ehe man diese Arbeit der wissenschaftlichen Abstraktion vollbracht hat und ohne daß man die Theorie kennt, die das Gesetz voraussetzt."

Erstes Kapitel
Gesetz und Ursache

Eine Erscheinung hat unsere Aufmerksamkeit erregt. Im ersten Augenblick erschien sie uns rätselhaft. Wir haben sie untersucht und erklären sie uns jetzt. Wir kennen ihre Ursache.

Was bedeuten eigentlich diese Ausdrücke? Was ist eine wissenschaftliche Erklärung? Was ist die Ursache, die wir erforscht haben?

Darauf hat BERKELEY vor zwei Jahrhunderten eine präzise Antwort gegeben (1): "Sind die Gesetze der Natur einmal entdeckt," sagt der berühmte idealistische Philosoph, "so muß der Philosoph hinterher zeigen, daß aus der ständigen Beobachtung dieser Gesetze, d. h. aus diesen Prinzipien, eine beliebige Erscheinung notwendig folgt: das bedeutet Erscheinungen erklären und auflösen und ihre Ursache, d. h. den Grund ihres Auftretens, angeben." Aus dem Zusammenhang ersieht man, daß BERKELEY die Gesetze und Prinzipien, von denen an dieser Stelle die Rede ist, als experimentelle (experimentis comprobatae) ansah.

Also die Ursache einer Erscheinung, das ist das Gesetz, die empirische Regel, welche die ganze Klasse von ähnlichen Erscheinungen beherrscht. Diese Regel gibt uns an, daß die und die Gruppe von Erscheinungen die und die andere Gruppe nach sich zieht. Da wir nur in der Zeit, sukzessive, beobachten können, so läuft in Wirklichkeit das empirische Gesetz auf ein Gesetz der Sukzession von Erscheinungen hinaus. Infolgedessen ist diese Formulierung von BERKELEY gleichbedeutend mit derjenigen, die ein wenig später HUME ausgesprochen hat, nämlich daß der Begriff der Kausalität sich auf den der Sukzession zurückführen läßt. (2)

Der Ausspruch BERKELEYs ist später sehr oft wieder aufgenommen worden. Ein Stein hat die Tendenz zu fallen, sagt uns TAINE, "weil" alle Gegenstände diese Tendenz haben. (3) HELMHOLTZ schreibt: "Ich habe mir erst später klar gemacht, daß das Prinzip der Kausalität nichts anderes sei als die Voraussetzung der Gesetzlichkeit aller Naturerscheinungen". (4) HANNEQUIN erklärt gleichfalls, daß "die Ursache einer Tatsache suchen für den Physiker dasselbe ist wie ihr Gesetz zu suchen (5). Und OSTWALD formuliert das Kausalitätsprinzip folgendermaßen: "Daß bei Herstellung derselben Voraussetzungen auch derselbe Ablauf eintritt." (6) Eine Formulierung, die sich, wie man sieht, der Ansicht von HUME stark nähert.

Es findet hier also eine vollständige Gleichsetzung zwischen den beiden Begriffen der  Ursache  und des  Gesetzes  statt, wobei der zweite den ersten ganz in sich aufnimmt. Aber auch die entgegengesetzte Tendenz hat sich zuweilen geltend gemacht, indem man versucht hat, den Begriff des Gesetzes dem der Ursache unterzuordnen. So erklärt LUKREZ, nachdem er einen Satz ausgesprochen hat, der wie wir später sehen werden, eine der Formen des Kausalitätsprinzips ist, wenn man ihn nicht annehme, sei man gezwungen, auf jede Regelmäßigkeit in der Natur zu verzichten. "Dieselben Früchte würden nicht immer auf denselben Bäumen wachsen, sondern sie würden ohne Unterlaß wechseln und jeder Baum würde alle Arten Früchte tragen." (7) Und achtzehn Jahrhunderte später drückt sich JOHANN BERNOULLI ebenso aus, wenn er sagt, daß, wenn man das Kausalitätsprinzip verwirft, "die ganze Natur in Unordnung gerät." (8)

Man sollte meinen, daß eine solche Gleichsetzung nur zu erklären wäre, wenn zwischen den beiden Begriffen des Gesetzes und der Ursache eine wirkliche logische Identität bestände: wenn, mit anderen Worten, die beiden Ausdrücke synonym wären. Jedermann weiß, daß dem nicht so ist. Es ist jedoch wichtig, dieser Frage weiter zu klären.

Wenden wir uns noch einmal zu der HELMHOLTZschen Formulierung und betrachten wir sie als das, was sie wirklich ist, nämlich als einen Ausdruck für das Prinzip, nicht der Kausalität, sondern der  Gesetzmäßigkeit(9).

Wie gelangen wir zur Formulierung von Gesetzen? Durch Beobachtung und Verallgemeinerung von Erscheinungen. Das Verallgemeinerungsvermögen des menschlichen Geistes hat zu allen Zeiten das Interesse der Philosophen stark in Anspruch genommen. Das ist jedoch ein Kapitel der Logik, das wir hier ganz beiseite zu lassen beabsichtigen. Wir nehmen als gegeben an, daß der menschliche Geist die Fähigkeit besitzt, aufgrund der Wahrnehmung verschiedener Individuen den Begriff "Mensch" und ebenso aufgrund der Wahrnehmung verschiedener Stücke eines gelben brennbaren usw. Stoffes den Begriff "Schwefel" zu bilden. Das Prinzip der Gesetzmäßigkeit der Natur setzt offenbar die Bildung solcher Begriffe voraus; denn angesichts der unendlichen Verschiedenheit der Erscheinungen würden wir andernfalls gar keine Regeln aufstellen können und wenn wir selbst welche aufgestellt hätten, so würden sie uns ohne das Vermögen der Verallgemeinerung zu nichts nütze sein.

HELMHOLTZ bezeichnet, wie wir soeben gesehen haben, die Gesetzmäßigkeit als "Voraussetzung"; aber in gewissen Hinsichten ist sie viel mehr als das: sie ist eine echte Überzeugung und zwar vielleicht die stärkste, die wir überhaupt zu hegen imstande sind. In der Tat sind alle unsere bewußten Handlungen Zweckhandlungen, d. h. sie werden im Hinblick auf ein von uns vorausgesehenes Ziel vollzogen; nun aber wäre eine solche Voraussicht völlig unmöglich, wenn wir nicht unbedingt davon überzeugt wären, daß der Lauf der Natur geordnet ist, daß die und die Antezedenzien die und die Konsequentien bestimmen und immer bestimmen werden. AUGUSTE COMTE hat das folgendermaßen zusammengefaßt: "Wissenschaft, daher Voraussicht, Voraussicht, daher Handlung." (10)

Man hat zuweilen behauptet, diese Überzeugung gründe sich ausschließlich auf die Erfahrung. Das erscheint aber schwer vorstellbar. Freilich kann man rein  in abstracto  Beobachtung und Handlung vollständig trennen und einen Typus der Beobachtung konstruieren, dem jedes aktive Element fehlt. Denkt man aber an die Art, wie unsere Sinnesorgane funktionieren, an die elementaren absichtlichen oder halbabsichtlichen Akte, die dazu erforderlich sind, wie z. B. das Drehen der Augen, das Bewegen der Hände, so kommen einem Zweifel daran, daß es in der Natur jemals eine Periode der reinen Beobachtung gegeben haben sollte, die der des Handelns vorausgegangen wäre und in der die Überzeugung sich hätte bilden können, daß in der Natur Ordnung herrscht. Es ist vielmehr gewiß, daß der Urmensch, mag man ihn sich auch so tierähnlich vorstellen, wie man will, von dieser Überzeugung durchdrungen war, da er ja handelte; und selbst das Tier handelt, woraus folgt, daß sein Verstand in dieser Hinsicht vom unsrigen nicht grundverschieden sein kann; es sei denn, man betrachtete es mit DESCARTES als eine bloße Maschine oder man nähme an, daß es alles bloß aus Instinkt tue. Der Hund versteht, das ihm zugeworfene Stück Fleisch im Flug zu erhaschen; Beweis genug, daß er im Voraus die Bahn kennt, die der fallende Körper beschreiben wird; ohne Zweifel erscheint sie ihm, genau wie uns, als eine Art, sich zu verhalten, die dem unter bestimmten Bedingungen geworfenen Körper eigentümlich ist; d. h. sie erscheint ihm als  Gesetz.  GOETHE hat es gesagt: "Im Anfang war die Tat."

Freilich ist das Vermögen zu verallgemeinern und zu erforschen beim Hund außerordentlich beschränkt. Daher vermag er nur eine sehr begrenzte Zahl von Erscheinungen vorauszusehen. Der Urmensch war ihm darin schon ungemein überlegen. Allerdings bezogen sich seine auf die Überzeugung von der Gesetzgemäßigkeit gegründeten Voraussichten nur auf einen Teil der Natur; sehr viele Erscheinungen standen für ihn außerhalb jeder Regel und erschienen ihm als Ausfluß der Willkür unsichtbarer Mäche. Mag man aber den Bereich dieser Vorstellung auch als noch so ausgedehnt annehmen, sicher hat er doch stets nur den geringsten Teil der Erscheinungen des täglichen Lebens umfaßt, die große Mehrzahl dieser Erscheinungen muß immer als rein gesetzmäßig aufgefaßt worden sein. ADAM SMITH hat einmal darauf hingewiesen, daß es bei keinem Volk jemals einen Gott der Schwere gegeben habe. (11)

Der Fortschritt der Wissenschaft hatte die natürliche Folge, daß das Reich des Wunders immer mehr eingeschränkt wurde. Die Wissenschaft ist, wie HENRY POINCARÉ treffend gesagt hat, "eine Regel des Handelns, die Erfolg hat". (12) Wo unsere Vorfahren nichts als Wunder sahen, die sich jeder Voraussicht entzogen, unterscheiden wir mehr und mehr das Walten strenger Gesetze. Doch wie ausgesprochen dieser Fortschritt auch sein mag, wir müssen uns trotzdem die Frage vorlegen, ob er genügt, um die Überzeugung von der Gesetzmäßigkeit auch nur beim heutigen Menschen zu erklären. Die Zahl der Erscheinungen, deren Regel wir kennen, ist notwendigerweise verschwindend gering im Vergleich zu derjenigen der ganzen Natur, denn die erste ist endlich, die zweite aber unendlich; jeder Schluß, der von bekannten Erscheinungen ausgehend die ganze Natur umfaßt, erscheint also vom Standpunkt der Logik aus als hinfällig. Dieser Umstand erklärt ohne Zweifel die Tatsache, daß Philosophen, die allein von diesem Standpunkt aus urteilten, manchmal an der absoluten Herrschaft der Gesetzmäßigkeit in der Natur zu zweifeln schienen. Das schlagendste Beispiel hierfür bildet AUGUSTE COMTE. Dieser glaubte, daß "die Naturgesetze, die eigentlichen Objekte unseres Forschens, in keinem Fall mit einer zu sehr ins einzelne gehenden Untersuchung vereinbar bleiben würden." (13) Es handelt sich bei ihm, wie man sieht, nicht etwa um dieses oder jenes einzelne Gesetz, das er mangels eines besseren vorläufig aufrecht erhalten möchte, obgleich er weiß, daß es nur angenähert gilt, sondern vielmehr um  das  Gesetz, d. h. um die Gesetzmäßigkeit der Natur im allgemeinen. COMTE glaubt zwar nicht etwa, daß es hinter jenem Gesetz ein besseres geben könnte, das zwar komplizierter wäre, sich aber dafür den Erscheinungen genauer anpaßte, sondern er ist überzeugt, daß wir durch eine zu weit ins Einzelne gehende Untersuchung Erscheinungen kennen lernen würden, die sich jeder Regel und jedem Gesetz entziehen. Daher verbietet er auch streng alle solchen Untersuchungen; er häuft die Ausdrücke des Tadels, wenn er von den Arbeiten mit allzu genauen Meßinstrumenten spricht und nennt sie "unzusammenhängend und unfruchtbar" und spricht in dieser Beziehung von einer "stets eitlen und schwere Verwirrung stiftenden Neugierde" und an anderer Stelle von einer "knabenhaften Neugierde, die von eitlem Ehrgeiz angestachelt wird". Laut erhebt er den Einspruch gegen den "Mißbrauch des Mikroskops und das übertriebene Vertrauen, dasm an immer noch zu häufig einem so zweideutigen Untersuchungsmittel entgegenbringt". Und er zögert nicht gegen "die aktive Desorganisation", von der ihm das System der positiven Erkenntnis durch solche Versuche bedroht scheint, den weltlichen Arm der zukünftigen "echten Herrschaft der Philosophen" anzurufen. (14)

Wir werden später sehen, woher bei COMTE diese Ansichten stammten. Man hat nun ganz mit Recht hervorgehoben, daß die Wissenschaft seitdem die gerade entgegengesetzte Richtung eingeschlagen hat; sie kümmert sich nicht um die Anweisungen des Begründers des Positivismus, sondern untersucht unermüdlich immer feinere Erscheinungen und stellt immer genauere Messungen an; ihre ständige Sorge gilt der Vervollkommnung ihrer Untersuchungsmittel, darunter besonders des Mikroskops und des Thermometers, die beide COMTE so verhaßt waren und die doch seither weit über die damaligen Grenzen ihrer Leistungsfähigkeit hinaus verfeinert worden sind. Um jedoch ganz zu erfassen, wie wenig eigentlich COMTEs Gedanken den Prinzipien entsprechen, die in Wirklichkeit die Entwicklung der Wissenschaft beherrschen, muß man sich klar machen, daß trotz der großen Verbreitung der Werke COMTEs und des Ansehens, das sie genießen, niemals irgendein Naturforscher versucht hat, im Laufe seiner Forschungen die fraglichen Prinzipien zu befolgen. Ohne Zweifel kann ein Forscher sich angesichts einer gewissen Gruppe von Erscheinungen fragen, ob die Ergebnisse, die ihm zur Verfügung stehen, zusammen mit denen, die er mit Hilfe seiner Forschungsmittel erreichen kann, genügen werden, um die Gesetze der betreffenden Erscheinungen zu entdecken; aber noch niemals hat sich ein Physiker, ein Chemiker oder ein Astronom gefragt, ob die Erscheinungen, die er untersuchen will, überhaupt Gesetzen unterworfen seien. Niemals hat ein Naturforscher, der dieses Namens würdig gewesen wäre, daran gezweifelt, daß die gesamte Natur bis in ihre innersten Fasern der Gesetzmäßigkeit unterliegt. Ein Zweifel in dieser Hinsicht hätte, wie LÉCHALAS mit Recht hervorgehoben hat (15), genügt, um jede Untersuchung zum Stillstand zu bringen. (16)

Ist diese Denkweise nun aber vielleicht eine Eigentümlichkeit des Naturforschers oder des in seiner Schule aufgewachsenen modernen Menschen? Sicher nicht, wir haben ja im Gegenteil gesehen, daß sie nicht durch Erfahrung erworben sein kann, daß die Erfahrung sie auch heute nicht rechtfertigt und sie niemals rechtfertigen wird; und andererseits scheint es, daß auch der primitive Mensch, ja sogar das Tier, überall, wo sie sich der toten Natur allein gegenüber zu befinden wähnen, wo sie also nicht mit dem Eingreifen der Willkür eines lebenden Wesens rechnen, in dieser Hinsicht ganz ähnliche Ansichten hegen wie wir. Welches ist denn nun die Quelle dieser Überzeugung, wie kommt es, daß wir so unbedingt an den Wert der Gesetze glauben und ihre Existenz auch da voraussetzen, wo wir noch keine zu formulieren vermocht haben?

Um das zu verstehen, brauchen wir uns nur zu erinnern, daß die Voraussicht für das Handeln unentbehrlich ist. Nun ist aber das Handeln eine unbedingte Notwendigkeit für jeden Organismus aus dem Tierreich. Umgeben von einer feindlichen Natur,  muß  er handeln,  muß  er voraussehen, wenn er leben will. "Alles Leben, alles Handeln," sagt FOUILLÉE, "ist ein bewußtes oder unbewußtes Vorausahnen: ahne voraus oder du wirst verschlungen!" (17) Ich habe also gar nicht die Wahl, an die Voraussicht, d. h. an die Wissenschaft, zu glauen oder nicht daran zu glauben. Wenn ich leben will, so  muß  ich daran glauben; demnach ist es gar nicht so erstaunlich, daß diese Überzeugung, die unmittelbar auf dem mächtigsten Instinkte der Organismen, dem Selbsterhaltungstrieb, beruth, sich mit einer ganz besonderen Kraft geltend macht.

Aber haben wir den Bereich der Wissenschaft nicht dadurch verengt, daß wir diese durch ihre Nützlichkeit für das Handeln definiert haben? Zu allen Zeiten war der Forscher, der sich mit nicht unmittelbar nutzbaren Untersuchungen abgab, für den Pöbel eine Zielscheibe des Spottes; und sicherlich arbeiten in diesem Augenblick viele Physiker, Chemiker, Geologen usw. an Problemen, deren Lösung scheinbar gar keine praktische Bedeutung hat. Sind solche Untersuchungen deshalb unberechtigt?

AUGUSTE COMTE war der Ansicht, daß es auch von dieser Seite her eine Grenze gebe, daß gewisse Untersuchungen vollständig nutzlos und übrigens zugleich von vornherein zur Unfruchtbarkeit verdammt seien; dazu sollten z. B. die Forschungen über den physikalischen Aufbau der Sterne gehören. Auf folgende Weise leitet COMTE die Existenz dieser Grenze ab:
    "Es gibt in allen Klassen unserer Forschungen und unter allen großen Gesichtspunkten eine beständige und notwendige Harmonie zwischen dem Studium unserer wahren intellektuellen Bedürfnisse und der effektiven gegenwärtigen oder zukünftigen Tragweite unserer wirklichen Kenntnisse. Diese Harmonie ... folgt einfach aus dieser evidenten Notwendigkeit: einerseits brauchen wir nur die Dinge zu kennen, die auf uns in mehr oder weniger unmittelbarer Weise wirken können und andererseits wird dieser Einfluß selbst, durch sein bloßes Dasein, für uns früher oder später ein sicheres Mittel der Erkenntnis." (18)
Man kann füglich daran zweifeln, ob COMTEs Beweis selbst unter der Voraussetzung seiner Definition der Wissenschaft schlüssig sei. Der ganzen Überlegung liegt nämlich das Postulat zugrunde, daß wir imstande seien, im voraus zu entscheiden, "was auf uns in mehr oder weniger unmittelbarer Weise wirken kann", d. h. die Kenntnisse, von denen zu erwarten ist, daß sie uns von Nutzen sein werden, von denen zu scheiden, die uns niemals irgendwie dienlich sein können. Wenn dem nämlich nicht so wäre, so wäre die von COMTE aufgestellte Unterscheidung sinnlos, da sie uns nicht erlauben würde, irgendeine Grenze zu ziehen. Nun ist aber leicht einzusehen, daß das Postulat nicht haltbar ist. In seinen Beziehungen zu uns ist das Weltall ein Ganzes; alles seine Teile müssen miteinander in Wechselwirkung stehen und jeder kann, mittelbar oder unmittelbar, auf uns wirken. Ein Teil des Weltalls, der zu uns in keiner irgendwie gearteten Beziehung stünde, wäre nicht etwas, "das zu kennen wir kein Bedürfnis hätten", wie COMTE meint, sondern etwas, das wir nicht kennen würden, ja dessen Dasein wir uns gar nicht vorstellen könnten, mit anderen Worten etwas nicht bestehendes.

LE DANTEC hat bei dem Versuch, die Vorschrift COMTEs genauer zu fassen, das sehr passende Beispiel einer Welt gefunden, die in einer Ätherkugel eingebettet ist, die von unserer Welt durch ein das Licht nicht übermittelndes Medium getrennt wäre. (19) In der Tat würden wir, wenn dieses Medium auch keine andere Art von Wirkung, nicht einmal die Gravitation durchließe, sicherlich niemals die Existenz einer solchen Welt erfahren.

Im speziellen von COMTE angeführten Fall des physikalischen Baus der Sterne wissen wir, daß er sich über die Tatsachen getäuscht hat: die Spektralanalyse, die nur einige Jahrzehnte nach dem Erscheinen des  Cours de Philosophie positive  entdeckt wurde, hat ihn in diesem Punkt in auffälliger Weise Lügen gestraft. Aber ist auch nur soviel wahr, daß diese Kenntnisse unter dem Gesichtspunkt des praktischen Nutzens unfruchtbar bleiben müssen? Was wissen wir darüber? Könnten sie uns nicht Daten über die Entstehung der Himmelskörper enthüllen und könnten wir aus diesen Daten nicht wiederum Schlüsse auf die Vorgänge im Innern der Sonne oder gar der Erde ziehen, wohin wir nur schwer gelangen können, während wir doch andererseits im Hinblick auf die Zukunft ein Interesse daran haben, zu wissen, was dort vorgeht? Ist es unvorstellbar, daß wir aus ihnen Erkenntnisse über die Konstitution der Materie schöpfen? Vermutungen dieser Art sind in der Tat bereits ausgesprochen worden und niemand kann wissen, ob sie nicht bestimmt sind, in der Wissenschaft von morgen eine Umwälzung herbeizuführen. So manche Erscheinung, die uns im Augenblick unendlich fernliegend erscheint, kann uns morgen Beziehungen enthüllen, deren Kenntnis uns von unmittelbarstem Nutzen sein wird.

COMTE selbst war nicht immer so schlecht beraten wie bei der Formulierung des oben wiedergegebenen Verbotes und dem Versuch, es zu begründen; denn er hat für das soeben Gesagte ein schlagendes Beispiel beigebracht, als er mit CONDORCET darauf hinwies, daß der Seemann von heute, der astronomische Ortsbestimmungen vornimmt, sich mathematische Entdeckungen über die Kegelschnitte zunutze macht, die wir griechischen Mathematikern verdanken, die vor zwanzig Jahrhunderten gelebt haben; (20) es ist aber wohl sicher, daß diese eine solche Nutzanwendung nicht voraussehen konnte.

So kann man also von einem utilitaristischen Standpunkt aus die ganze Wissenschaft rechtfertigen, einschließlich der Untersuchungen über die physikalische Natur der Sterne, freilich nur so weit, als das einzige Ziel der Wissenschaft in der Erkenntnis der Beziehungen zwischen den Erscheinungen und der sie beherrschenden Regeln und Gesetze besteht. Das scheint übrigens die ziemlich einhellige Ansicht aller der Philosophen und Naturforscher zu sein, welche die Ansicht AUGUSTE COMTEs hinsichtlich der Definition der Wissenschaft akzeptiert haben. Anscheinend ist niemand mehr geneigt ein solches Verbot, wie wir es oben erwähnt haben, zu erneuern.

Indem die Wissenschaft ihren Herrschaftsbereich erweitert, wird sie zugleich konziser [präziser, prägnanter - wp] und dieser Vorgang erklärt sich aus denselben Ursachen. Hier geht ein Lichtstrahl durch Wasser; wir bemerken, daß er seine Richtung ändert und es gelingt uns, festzustellen, daß der Brechungswinkel für gleiche Einfallswinkel derselbe, dagegen für verschiedene Einfallswinkel verschieden ist. Wir müssen also eine Tabelle der Einfallswinkel und der zugehörigen Brechungswinkel aufstellen und uns, wenn wir uns mit diesem Teil der Wissenschaft beschäftigen, wenigstens die Hauptwerte dieser Tabelle merken. Je genauer wir rechnen wollen, umso ausführlicher muß die Tabelle werden, bis es schließlich unmöglich wird, sie im Gedächtnis zu behalten. Nun aber zeigt sich, daß das Brechungsgesetz alle diese Beobachtungen zusammenfaßt. Wenn wir wissen, daß  sinα / sinβ = n  ist, so brauchen wir keine Tabelle mehr, wir brauchen nicht einmal ihre Hauptwerte zu behalten. Damit haben wir unsere Arbeit verringert und sind darin einer natürlichen und allen Organismen gemeinsamen Tendenz gefolgt. Übrigens ist die Zahl der Tatsachen in der Natur unendlich und unendlich ist auch ihre Mannigfaltigkeit. Unser Wunsch ist, sie alle zu umfassen, um sie alle voraussehen zu können. Dahin werden wir zweifellos nie gelangen; aber mindestens müssen wir eine möglichst große Zahl von Tatsachen kennen. Je geringer nun aber die Arbeit in jedem einzelnen Fall ist, umso weiter können wir offenbar unser Wissen ausdehnen. Das hat COMTE festgestellt, wenn er schreibt, daß "der Nutzen der Gesetze darin bestehe, daß sie uns, soweit die verschiedenen Erscheinungen es zulassen, jeder direkten Beobachtung entheben, indem sie uns gestatten, aus einer möglichst kleinen Zahl von unmittelbaren Daten eine möglichst große Zahl von Ergebnissen abzuleiten." (21) Mit anderen Worten: der Zweck der Gesetze ist eine  Ökonomie"  der Arbeit oder des Denkens. Wir entlehnen diesen Ausdruck, der sich nicht bei COMTE findet, aber seine Gedanken, wie man sieht, genau wiedergibt, den Schriften eines sehr bedeutenden modernen Denkers, nämlich ERNST MACHs, dessen Ansichten auf die Wissenschaft einen beträchtlichen Einfluß ausgeübt haben und noch ausüben.

Umfaßt die Wissenschaft die Gesamtheit der Naturerscheinungen? Es gibt Tatsachen, die mir nicht völlig durch ihre Bedingungen bestimmt zu sein scheinen. Es sind das die, die aus meinem Willen entspringen. Bin ich wirklich frei? Sicher ist, daß ich in diesem Augenblick das Gefühl habe, innerhalb gewisser Grenzen frei handeln zu können und daß ich rückschauend mich für die von mir vollbrachten Taten verantwortlich fühle.

Sollte dieses Gefühl, wie die Deterministen meinen, ein Epiphänomen und eine bloß Jllusion sein? Auf jeden Fall stehen wir hier einem der dornenvollsten Probleme gegenüber, die den menschlichen Geist beunruhigt haben. Sind wir genötigt, es zu lösen, bevor wir weiter gehen können? Es scheint ja seinem Wesen nach unlösbar zu sein und zu den Antinomien zu gehören, durch die das Unerkennbare sich kundgibt. Zum Glück aber können wir es hier ausschalten. Das dazu anzuwendende Verfahren entspricht vollkommen der von der Wissenschaft geübten Praxis. Die Wissenschaft hat, wie wir eben gesehen haben, die Voraussicht zum Ziel; ihr Reich wird daher alles umfassen, was voraussehbar ist, d. h. die Gesamtheit der Tatsachen, die Regeln unterworfen sind. Wo kein Gesetz ist, da ist auch keine Wissenschaft. Der freie Wille fällt, sofern er existiert, sicher außerhalb dieses Reiches.

Es leuchtet ein, daß die so gezogene Grenze nicht anders als ganz unscharf sein kann: das ergibt sich aus dem hypothetischen Charakter des Zwischensatzes. Je nachdem wir den freien Willen anerkennen oder leugnen oder ihm einen weiteren oder engeren Spielraum einräumen, wird umgekehrt das Reich der Wissenschaft enger oder weiter. Dieselbe Handlung können wir einmal als Auswirkung des für verantwortlich gehaltenen moralischen Individuums und ein andermal als natürliches Produkt des Milieus auffassen: je nachdem, welchen Standpunkt wir einnehmen, wird uns die Handlung bald als eine freie, bald als eine determinierte erscheinen, die bei genügender Kenntnis der sie umgebenden Umstände und richtiger Würdigung ihrer Tragweite hätte vorausgesehen werden können. Wenn der Ausdruck "Psychologie" geschaffen worden ist und wenn er uns nicht als ansich unsinnig erscheint, so kann das nur daran liegen, daß wir an die Möglichkeit glauben, Gesetze zu formulieren, welche die Willensvorgänge beherrschen; denn nach einer richtigen Bemerkung FOULLIÉEs ist die Psychologie im wesentlichen die "Erforschung des Willens". (22) Wenn wir die Psychologie der uns umgebenden Personen treiben und zu erkennen suchen, weshalb sie gehandelt haben oder wie sie handeln werden, so setzen wir stillschweigend voraus, daß ihre Handlungen determiniert sind (23) Wollen wir ihnen damit die Willensfreiheit absprechen? Sicherlich nicht, denn wir halten sie für verantwortlich für ihre Handlungen. Aber wir versuchen vorauszusehen, wir treiben Wissenschaft und wer Wissenschaft sagt, sagt Vorausbestimmung. Das hat zur Folge, daß die Unschärfe der Grenzen in diesem Falle nicht wirklich die Unzuträglichkeiten mit sich bringt, die man erwarten könnte. LANGE hat gesagt, daß die Wissenschaft, sofern sie nicht auf die Erfüllung ihrer Aufgabe verzichten wollen, die vernünftige Bewegung als einen Spezialfall der allgemeinen Bewegungsgesetze erklären müsse. (24) Richtig ist jedenfalls, daß die Wissenschaft, sofern sie diese besondere Bewegung behandelt, gezwungen ist, sie als determiniert anzusehen. Aber sie behauptet nicht, daß sie es ist und kann das auch nicht behaupten. Die Annahme der Existenz freier Erscheinungen, die der Herrschaft des Gesetzes und unserer Voraussicht gänzlich entzogen sind, verstößte keineswegs gegen die Prinzipien der Wissenschaft. Ebensowenig widerspricht eine solche Annahme den Ergebnissen der Wissenschaft; denn da der Determinismus ein Grundpostulat der Wissenschaft ist und diese ihre Ansprüche von vornherein auf das Voraussehbare beschränkt, so ist es sicher, daß ihre Ergebnisse, sie mögen sein, wie sie wollen, uns nichts über die Dinge lehren können, die, nach vorheriger Übereinkunft, außerhalb des Bereiches unserer Untersuchungen geblieben sind.

Um die Tragweite dieser Behauptung genauer zu bestimmen, brauchen wir nur einen Augenblick das Gebiet der Wissenschaft zu verlassen und in das der Religion einzutreten. Nehmen wir den Ausdruck "Religion" in seiner allgemeinsten Bedeutung, so können wir sagen, daß die Religionen uns im Lauf der Welt das Eingreifen eines höheren, außerhalb der Natur stehenden Willens erkennen lassen wollen. Das gilt in umso höherem Grade, je weiter das religiöse Stadium zurückliegt, um das es sich handelt. Ursprünglich symbolisiert der Mensch häufig die Macht der ihn umgebenden feindlichen Natur in der Gestalt von Wesen, die, obgleich unsichtbar, doch handeln. (25) Diese Wesen handeln nach der Art der Menschen, wenn auch mit größerer Macht; es unterliegt wohl in der Tat keinem Zweifel, daß die Vorstellung der Gottheit eine rein anthropomorphe ist oder es wenigstens vor der Wandlung war, die sie im mehr oder weniger absoluten Monotheismus erfahren hat, der die Religion eines beträchtlichen Teils der Menschheit geworden ist. Der Gott hat also ganz wie der Mensch seinen freien Willen. Die Gläubigen können durch Gebete seinen Willen beeinflussen, so wie ja auch jeder Mensch den Willen eines anderen beeinflussen kann. In beiden Fällen aber ist jeder absolute Zwang unmöglich. Die Behauptung des Gegenteils, der Glaube, man könne durch bestimmte Akte die Gottheit zwingen, ist nicht mehr Religion, sondern Magie; diese aber stellt, soweit sie an die absolute Wirksamkeit ihrer Maßnahmen glaubt, eigentlich ein Gesetz auf und verwandelt sich also in eine experimentelle Wissenschaft. Daraus erklärt sich auch, daß die Alchemie, die doch bis zum Schluß einen so engen Zusammenhang mit der Magie bewahrt hatte, sich dennoch friedlich zur Chemie weiter entwickeln konnte.

Aber in der eigentlichen Religion sind die Handlungen des Gottes frei, d. h. sie sind nicht oder wenigstens nicht vollständig determiniert. Ebenso wie ich bei meinen eigenen Handlungen oder bei denen von meinesgleichen gewohnheitsmäßig annehme, daß sie durch Antezendenzien [Vorhergehendes - wp] verschiedener Ordnung teilweise determiniert und teilweise frei sind, so betrachtet auch der Gläubige die Handlungen der Gottheit ihm gegenüber als teilweise motiviert durch die Verdienste oder die Sünden des Bittstellers, durch seine Gebete usw. und zum Teil als frei. Andererseits bestimmen diese Handlungen Ereignisse, die ihrerseits wieder andere hervorrufen usw. ins Unendliche. Stoßen wir beim Rückgang in einer Kette von Ereignissen auf den freien Willensakt einer Gottheit, so bricht die ganze Reihe oder ein Teil von ihr an dieser Stelle ab; es liegt dann das vor, was RENOUVIER einen "absoluten Anfang" genannt hat. (26) Dieser Akt erscheint also als nicht durch seine Antezedenzien determiniert, d. h. als Verstoß gegen die Gesetze. So etwas nennt man ein Wunder.

Man sagt zuweilen, daß die Wissenschaft das Wunder leugne; das ist sehr ungenau ausgedrückt. Bei ihrem Fortschritt ist sie, wie wir gesehen haben, bestrebt, das Reich des Wunders einzuschränken: viele Vorgänge, die dem primitiven Menschen als Wunder erschienen, gehören für uns zum Bereich der Wissenschaft. Man kann sagen, daß in diesem Sinn die Wissenschaft das Postulat der Gesetzmäßigkeit bestätigt, man muß aber dabei im Auge behalten, daß diese Bestätigung niemals eine absolute sein kann. Was das Wunder betrifft, so bleibt es wie jeder freie Willensakt notwendig außerhalb der Wissenschaft und von ihr durch eine unübersteigbare Mauer getrennt. In der Tat haben zu allen Zeiten fromme Menschen den sehr begreiflichen Wunsch gehegt, durch den Versuch zu beweisen, wie wirksam das Eingreifen ihrer Gottheit sei. Man kann kühnlich behaupten, daß in einem gewissen Sinn vielleicht kein Versuch so häufig wie dieser angestellt worden ist. Dennoch ist der Beweis nie geglückt; das liegt daran, daß er seinem Wesen nach unmöglich ist. Würde die Grotte von Lourdes ohne Ausnahme alle Paralytiker heilen, die man hineintaucht, so wäre das ein Gesetz und man würde ohne Zweifel die Besonderheit in der Zusammensetzung dieses Wassers suchen, aus der sich diese Wirkung erklären ließe; schlimmstenfalls wären wir gezwungen, ein hypothetisches Element oder eine unbekannte Form der Energie zu erfinden. Wären die priesterlichen Zeremonien ein notwendigs und hinreichendes Hilfsmittel, so würde der Vorgang das Reich der Religion verlassen und in das der Magie eintreten; denn in diesem Fall hätten wir es mit einem determinierten Akt der Gottheit zu tun. Es handelt sich aber um einen religiösen Vorgang, denn die Gottheit bleibt frei. Die Erscheinung läßt sich weder voraussehen noch nach Belieben reproduzieren, d. h. sie steht ihrem Wesen nach außerhalb jeder Wissenschaft. Man kann also ein Wunder widerlegen, d. h. feststellen, daß der Vorgang in Wirklichkeit den uns bekannten Gesetzen gemäß stattgefunden hat; man kann aber nicht das Stattfinden eines Wunders wissenschaftlich beweisen. Allenfalls kann man nachweisen, daß der Vorgang anders hätte verlaufen müssen, wenn er von gewissen Gesetzen beherrscht gewesen wäre. Aber für die Ungläubigen wird es stets leicht sein, zu behaupten, daß Umstände und Gesetze im Spiel gewesen seien, die uns unbekannt geblieben sind.

Es ist etwas schwieriger, den Begriff der Kausalität herauszuarbeiten und zwar gerade wegen der oben besprochenen Verwechslung. Einen sehr klaren Ausdruck dafür finden wir jedoch in den Schriften von LEIBNIZ, der das Kausalprinzip als "Prinzip des bestimmenden" oder auch des "zureichenden Grundes" bezeichnet. "Man muß bedenken," sagt LEIBNIZ, "daß es zwei große Prinzipien für unsere Schlußfolgerungen gibt; das eine ist das Prinzip des Widerspruchs, welches besagt, daß von zwei einander widersprechenden Urteilen das eine wahr und das andere falsch ist; das andere ist das Prinzip des Bestimmungsgrundes: es findet nichts ohne eine Ursache oder wenigstens einen Bestimmungsgrund statt, d. h. etwas, was dazu dienen kann, a priori zu begründen, weshalb die Sache gerade so und nicht anders existiert." Und er fügt hinzug: "Dieses große Prinzip hat für alle Ereignisse Geltung und man wird niemals ein Gegenbeispiel anführen; und obwohl in der Mehrzahl der Fälle diese Gründe nicht hinreichend bekannt sind, lassen wir doch nicht von der Überzeugung, daß sie existieren." (27) Schon PLATON hatte dasselbe Resultat mit den Worten ausgesprochen: "Jedes Entstehen ohne Ursache ist unmöglich." (28) Und ARISTOTELES sagt: "Die Natur tut nichts ohne vernünftigen Grund, noch umsonst." (29) Auch SCHOPENHAUER benutzt dieselbe Formel in seiner Abhandlung "Über die vierfache Wurzel des Satzes vom Grunde", wo er, WOLFF zitierend, sagt:  Nihil est sine ratione cur potius sit quam non sit  [Alles, was ist, hat seinen zureichenden Grund, warum es vielmehr ist, als nicht ist. - wp], (30) was, wie man sieht, wörtlich der Formulierung von LEIBNIZ entspricht.

LEIBNIZ jedoch hat an anderen Stellen genauer ausgedrückt, was er unter der Ursache oder dem Bestimmungsgrund versteht. In der Abhandlung "De legibus naturae et vera aestimatione virium motricium" liest man (es handelt sich um einen indirekten Beweis des Prinzips der Erhaltung der lebendigen Kraft): "Es würde daraus folgen, daß die Ursache nicht wiederhergestellt noch für ihre Wirkung eingesetzt werden könnte, was, wie man leicht einsieht, der Gewohnheit der Natur und den Gründen der Dinge durchaus widersprechen würde." (31) Und in der "Dynamica" heißt es (Satz 5): "Die gesamte Wirkung kann die volle Ursache oder ihresgleichen reproduzieren." (32) Denselben Gedanken drückt er in seinem "Essay de Dynamique" folgendermaßen aus: "Denn wenn diese lebendige Kraft sich jemals vermehren könnte, so gäbe es eine Wirkung, die mächtiger wäre als ihre Ursache, oder auch ein  perpetuum mobile,  d. h. eine Bewegung, die ihre Ursache und noch etwas mehr reproduzieren könnte, was absurd ist. Könnte aber sich aber die Kraft vermindern, so würde sie schließlich ganz aufhören; denn da sie niemals zunehmen, dagegen stets abnehmen könnte, so würde sie immer mehr zurückgehn, was der Ordnung der Dinge zweifellos widerspricht." (33) Kurz, das LEIBNIZsche Prinzip läuft auf die bekannte Formel der Scholastiker hinaus:  causa aequat effectum  [Ursache gleich Wirkung - wp].

JOHANN BERNOULLI, den wir weiter oben angeführt haben, bedient sich derselben Aussage: Die Gleichheit zwischen Ursache und Wirkung erscheint ihm als unentbehrliche Gewähr der Ordnung in der Natur. LUKREZ schreibt.  Nil posse creari de nihilo  [von nichts kommt nichts - wp] (34) was offenbar dasselbe ist, wie der Ausspruch des ANAXAGORAS: "Nichts entsteht und nichts vergeht", ein Ausspruch, den man zuweilen viel späteren Autoren, sogar LAVOISIER zugeschrieben hat. Es ist übrigens klar, daß dieser Satz unmittelbar aus dem vorangehenden folgt, denn da die Natur, so postuliert man, nichts anderes ist als eine Verkettung von Ursachen und Wirkungen, die Summe der letzteren aber der Gesamt der ersteren gleich sein soll, so ist ein Platz für eine Schöpfung noch für kein Platz für eine Schöpfung noch für ein Verschwinden.

Im Gegensatz dazu wird jetzt klar, daß das Postulat der Kausalität keineswegs mit dem der Gesetzmäßigkeit zusammenfällt. Eine eingehendere Analyse wird das nur bestätigen.

Wenn wir die Existenz von Regeln setzen, so fordern wir damit offenbar, daß sie auch erkennbar seien. Ein Naturgesetz, das wir nicht kennen, existiert nicht, im strengsten Sinne des Wortes. Gewiß erscheint uns die Natur geordnet. Jede neue Entdeckung, jede bestätigte Voraussage bestärkt uns in dieser Meinung. Man kann geradezu sagen, daß die Natur selbst ihre Ordnung verkündet; die Vorstellung davon scheint von außen in unseren Geist einzudringen, ohne daß wir mehr dazu tun, als sie passiv zu empfangen. Die Ordnung erscheint schließlich als eine rein empirische Tatsache und die von uns formulierten Gesetze wie etwas zur Natur Gehöriges, wie  Naturgesetze,  die von unserem Verstand unabhängig sind. Wer so denkt, vergißt - was doch alle Handlungen unseres täglichen Lebens beweisen - daß wir von dieser Ordnung, von der Existenz dieser Gesetze im voraus überzeugt waren. Auch vergißt man dabei, wie wir zu diesen Gesetzen gelangt sind. Wir haben einzelne und eigentlich einzigartige Erscheinungen beobachtet und aus ihnen allgemeine und abstrakte Begriffe gebildet und unsere Gesetze beziehen sich in Wirklichkeit nur auf die letzteren. Das Gesetz, das die Wirkung des Hebels regelt, bezieht sich nur auf den "mathematischen Hebel"; wir wissen aber sehr gut, daß wir dergleichen niemals in der Natur antreffen werden. Ebensowenig werden wir jemals die "idealen Gase" der Physik oder die Kristalle finden, wie sie uns die Modelle der Kristallographie zeigen. Aber selbst wenn wir behaupten, daß "der Schwefel" die und die Eigenschaften hat, so denken wir dabei nicht an dieses oder jenes bestimmte Stück des wohlbekannten gelben Stoffes. Zuweilen beziehen sich unsere Aussagen auf eine Art Mittelwert aus den im Handel vorkommenden Stücken, zuweilen sogar (wenn wir von "reinem Schwefel" sprechen) auf einen sozusagen idealen Stoff, dem wir uns nur mit Hilfe vielfacher Operationen annähern können; die Eigenschaften eines aufs Geratewohl herausgegriffenen Stückes Schwefel können von denen dieses idealen Stoffes erheblich abweichen. Bekannt ist die ungeheure Arbeit, der STAS sich hat unterziehen müssen, um einigermaßen chemisch reines Silber zu erhalten; es ist übrigens auch bekannt, daß er gerade diesen Stoff als Ausgangspunkt für seine Bestimmungen gewählt hat, weil er ihm die wenigsten Schwierigkeiten zu bieten schien und es ist ferner bekannt, daß das Silber, das er erhielt, nicht wirklich rein war, so daß man später genötigt war, seine Ergebnisse zu berücksichtigen. Man kann aus diesem typischen Beispiel ersehen, in wie hohem Grad schon das Substrat der Gesetze, der allgemeine Begriff, ein Produkt unseres Denkens ist. Denn es würde uns auch nichts nützen, uns darauf zu berufen, daß das Silber doch ein ganz bestimmtes Element sei und folglich der reine Stoff notwendig in diesem Stück Metall enthalten sein müsse, das ich vor mir habe und mit demselben Namen bezeichne, obgleich ich weiß, daß es unrein ist. Die Existenz des Elements Silber ist nur eine Hypothese, zu der man durch verwickelte Schlüsse gelangt. Das reine Silber ist also genau wie der mathematische Hebel, das ideale Gas oder der vollkommene Kristall, von denen wir soeben sprachen, eine von einer Theorie geschaffene Abstraktion. Wie DUHEM sehr richtig bemerkt (35), ist es unmöglich, das Gesetz zu verstehen, unmöglich auch, es anzuwenden, ehe man diese Arbeit der wissenschaftlichen Abstraktion vollbracht hat und ohne daß man die Theorie kennt, die das Gesetz voraussetzt.

Wenn es zuweilen den Anschein hat, als seien die von uns formulierten Gesetze unmittelbar auf die Wirklichkeit anwendbar, so beruth das ausschließlich auf der Grobheit unserer Sinne und auf der Unvollkommenheit unserer Untersuchungsmittel, die uns nicht erlauben, all die feinen Unterschiede zwischen den einzelnen Erscheinungen wahrzunehmen. HENRY POINCARÉ macht darauf aufmerksam, daß diese Umstände die Entdeckung gewisser Gesetze begünstigt haaben und daß es für eine Wissenschaft einen Nachteil bedeuten kann, wenn sie in einem Augenblick entsteht, in dem die Meßinstrumente allzu genaue Untersuchungen ermöglichen. (36)

In Wirklichkeit gelangen wir nur dadurch zu den Gesetzen, daß wir die Natur sozusagen vergewaltigen, indem wir in mehr oder weniger willkürlicher Weise eine Erscheinung aus dem großen Ganzen herausheben und Einflüsse ausschalten, welche die Beobachtung  fälschen  würden. Daher kann auch das Gesetz gar nicht unmittelbar die Wirklichkeit beschreiben. Selten nur wird die Erscheinung, auf die es sich bezieht, die "reine" Erscheinung, ohne unser Zutun beobachtet; und selbst dann, wenn wir sie herstellen, bleibt sie unvollkommen und durch Nebenerscheinungen getrübt. Die Vorlesungsversuche, durch die man die Gesetze zu erläutern meint, erheben zuweilen den Anspruch, uns diese reine Erscheinung zu zeigen. Es ist bekannt, mit welcher Sorgfalt sie vorbereitet werden müssen, um zu gelingen. Aber selbst dann noch machen sie auf den Zuschauer den Eindruck von etwas durchaus künstlichem, der Professor kommt einem vor wie eine Art Zauberkünstler. (37) Jeder, der jemals in einem Laboratorium gearbeitet hat, erinnert sich, wieviel Mühe es zuerst kostet, die scheinbar so einfachen, in den Lehrbüchern beschriebenen Versuche auszuführen. Mit der Zeit bildet sich jedoch die Übung heraus, man ergreift die Vorsichtsmaßregeln immer weniger bewußt und glaubt am Ende, daß die Verifikationsversuche sich sozusagen von selbst machen, ohne daß wir die Natur zu zwingen brauchten; genau wie der Astronom dadurch, daß er ständig die Bewegungen der Gestirne beobachtet und berechnet, schließlich dahin gelangt, daß er  sieht,  wie der Mond auf die Erde fällt. Das ändert aber nichts daran, daß diese beiden Weltkörper für jeden unbefangenen Beobachter ungefähr in der gleichen Entfernung voneinander bleiben. - Bezogen auf die unmittelbar beobachtete Erscheinung ist das Gesetz stets nur ein mehr oder weniger angenähertes; durch fortgesetzte Korrektionen bemühen wir uns, daß Ganze der Gesetze dem wahren Naturlauf mehr und mehr anzupassen. Man muß sich aber darüber klar sein, daß diese Verbesserungen ohne Unterlaß die bestehende Wissenschaft verändern. "Die Physik schreitet nicht in der Weise der Geometrie fort, die zu den endgültigen und unbestreitbaren Sätzen, die sie bereits besitzt, neue ebensolche Sätze hinzufügt; sondern ihr Fortschritt besteht darin, daß die Erfahrung ununterbrochen neue Abweichungen zwischen den Gesetzen und den Tatsachen zum Vorschein bringt." (38) Das Gesetz ist eine ideale Konstruktion, die nicht das ausdrückt, was wirklich geschieht, sondern das, was geschehen  würde,  wenn gewisse Bedingungen erfüllt wären. Ohne Zweifel könnten wir keine Gesetze formulieren, wenn die Natur nicht geordnet wäre und uns nicht einander ähnliche Gegenstände zeigte, die uns allgemeine Begriffe zu liefern imstande sind. Aber diese Gesetze selbst sind nur ein Bild dieser Ordnung, sie entsprechen ihr nur in dem Maße, wie eine Projektion einem n-dimensionalen Körper enstprechen kann, sie drücken die Ordnung nicht besser aus, als ein Wort die Sache, die es bezeichnet, denn in beiden Fällen müssen wir uns der Vermittlung unseres Verstandes bedienen.

Da die Zeit (NEWTONs  einzige unabhängige Variable)  ohne Unterbrechung abläuft, so können die Gesetze, wenn sie erkennbar sein sollen, nur als Funktionen der Zeit erscheinen. Damit uns also die Natur als geordnet erscheine, wird es, streng genügen, daß wir die Form dieser Funktionen kennen, d. h. daß wir wissen, wie die Gesetze sich mit der Zeit ändern.

Es ist jedoch Beziehung zur Zeit vereinfachen, indem wir behaupten, daß diese in bezug auf die Gesetze homogen sei. Wenn der Schwefel - d. h. ein Stück von dem Stoff, der uns durch eine gewisse Kombination von physikalischen Eigenschaften bekannt ist - gegenwärtig bei seiner Verbrennung ein ganz bestimmtes Gas erzeugt, das man Schwefeldioxid nennt, so behaupten wir, daß dasselbe auch in den weit zurückliegenden geologischen Epochen der Fall gewesen ist und daß es immer so sein wird.

Um zu verstehen, warum diese Vereinfachung nötig ist, genügt es, sich klar zu machen, daß man, um eine Veränderung der Gesetze in der Zeit zu erkennen, diese selbst unabhängig von den Gesetzen müßte erkennen können. Nun ist aber eine solche Kenntnis unmöglich. Es gibt hinsichtlich der Prinzipien der Zeitmessung zwei einander widerstreitende Meinungen. Einige Autoren wollen sie aus der gleichförmigen geradlinigen Bewegung, d. h. aus der Inertialbewegung [kräftefreie Bewegung - wp] ableiten. Diese Theorie ist, wie es scheint, zuerst von CARL NEUMANN formuliert worden (39), dem in Deutschland LUDWIG LANGE (40) und in Frankreich HANNEQUIN (41) und E. LE ROY (42) geolgt sind. Aber selbst wenn man die Gültigkeit dieser Ansicht für die Gegenwart anerkennen würde, so gilt sie sicherlich nicht für frühere Zeiten: denn das Trägheitsgesetz ist eine ganz neuzeitliche Schöpfung. Nun besteht aber kein Zweifel darüber, daß die Menschheit sich schon immer des gleichförmigen Ablaufs der Zeit sehr klar bewußt war und ihn sogar seit vielen Jahrhunderten bereits zu messen verstand. Man braucht übrigens nur die Mittel zu prüfen, mit denen diese Messung vorgenommen wurde, um ihre Grundlage zu erkennen. Seit mehreren Jahrhunderten bedienen wir uns des Pendels, vorher benutzte man Wasser oder Sand, die man durch eine Öffnung laufen ließ oder sogar Kerzen von gleichförmiger Dicke; in einer noch früheren Epoche, bevor man irgendwelche Meßinstrumente zu bauen verstand, maßen die Menschen die Zeit am scheinbaren Lauf der Sonne und der Sterne und an den Jahreszeiten, d. h. an der Umdrehung und dem Umlauf der Erde, die man ja auch heute noch als Kontrolle benutzt. Nun beruhen alle diese Mittel auf demselben Prinzip, nämlich auf der Annahme, daß die Veränderung in der Natur ihrem Wesen nach gleichförmig ist, d. h. daß sich in gleichen Zeiten gleiche Wirkungen abspielen. Dies ist die Definition der Zeitmessung, wie sie d' ALEMBERT (43) und nach ihm POISSON (44) formuliert haben und wir können heutzutage sogar auf dieser Grundlage Erscheinungen benutzen, die zur Bewegung nur in sehr entfernten Beziehungen stehen und bei denen folglich der Begriff der Trägheit sicherlich gar keine Rolle spielt, wir können z. B. von der Geschwindigkeit irgendeiner chemischen Reaktion ausgehen, sagen wir, um die Begriffe zu fixieren, von der Umwandlung des weißen Phosphors in roten (45) oder noch besser, nach dem Vorschlag von Frau CURIE, von der Verminderung der Radioaktivität der Radium-Emanation, die in der Tat eine genaue Einheit liefern zu können scheint. (46)

Wir können übrigens von einer ganz beliebigen Erscheinung ausgehen, wenn wir sie nur so wählen, daß wir die Bedingungen, unter denen sie eintreten soll, ausreichend bestimmen und ihren Verlauf genau genug beobachten können. Wir werden dann immer finden, daß alle übrigen Erscheinungen sich danach richten. Gehen wir von der Pendelschwingung aus, so dauert das Ablaufen einer Menge Wassers oder Sandes zwischen zwei Strichen der Wasser-, bzw. Sanduhr, das Niederbrennen einer Kerze von gleichförmiger Dicke, die Erzeugung von rotem Phosphor in einem gegebenen Verhältnis und die Abnahme der Radioaktivität der Radiumemanation um einen gegebenen Betrag jedesmal, wenn diese Erscheinungen unter geeigeneten Bedingungen reproduziert werden, die gleiche Anzahl von Pendelschwingungen. Man könnte sagen, daß die Übereinstimmung im Ablauf dieser verschiedenen Erscheinungen uns dazu veranlaßt, uns die Zeit gleichmäßig ablaufend vorzustellen. Jedoch ist diese Übereinstimmung, wenigstens soweit wir sie unmittelbar beobachten können, niemals eine absolute. Die beste Uhr, die wir bauen können, wird von Zeit zu Zeit reguliert werden müssen; selbst von der Umdrehung der Erde, die man früher als die Veränderung ansah, nach deren Dauer sich alle übrigen richten müßten, vermutet man heute, daß sie nicht jedesmal genau denselben Wert habe, sie wird langsamer, was eine scheinbare Beschleunigung der Mondbewegung zur Folge hat. Wir vermögen auch diese Abweichung zu erklären: die Dauer der Umdrehung der Erde verändert sich unter dem Einfluß zweier Faktoren, nämlich der Gezeiten und der ununterbrochenen Zusammenziehung der Erdkugel, diese beiden Ursachen wirken in entgegengesetztem Sinn, aber die Wirkung der ersten überwiegt und die Differenz der beiden Wirkungen ergibt gerade die beobachtete Verlangsamung. Daß die Übereinstimmung nicht von vornherein eine vollkommene ist, sondern erst von uns dazu gemacht werden muß und daß uns diese Verlängerung des Jahres als eine der Erklärung bedürftige Tatsache erscheint, beweist jedenfalls, daß die Vorstellung der absoluten Gleichförmigkeit des Zeitablaufs nicht gänzlich auf Beobachtung beruhen kann, sondern daß dabei noch ein höheres Prinzip wirksam ist. Nun ist aber dieses Prinzip offensichtlich kein anderes als das, welches wir als das Prinzip der Gesetzlichkeit bezeichnet haben. Wir brauchen ja nur d'ALEMBERTs Formel zu nehmen, daß "sich in gleichen Zeiten gleiche Wirkungen abspielen" und sie mit der von OSTWALD zu vergleichen: "Bei Herstellung der gleichen Voraussetzungen tritt derselbe Ablauf ein". Es ist klar, daß die erste Formel in der zweiten enthalten ist, denn der Ausdruck "derselbe Ablauf" schließt notwendig ein, daß die Erscheinung auch dieselbe Zeit beansprucht. (47) Da übrigens, wie wir gesehen haben, der Zweck der Gesetze die Voraussicht ist, so ist es doch für uns genau ebenso interessant, voraus zu wissen,  wann  die Dinge sich zutragen werden, wie zu wissen,  was  geschehen wird. Der Hund, dem das Stück Fleisch zugeworfen wird, muß, wenn er es auffangen will, genau den Augenblick voraussehen können, in dem es in der Höhe seines Maules angelangt sein wird. Tatsächlich macht sich also auch hier unsere Überzeugung von der Regelmäßigkeit der Natur geltend; die Natur fügt sich ihr, das ist nicht zu bestreiten; aber diese Überzeugung überschreitet, wie wir sahen, die Grenzen der unmittelbaren Beobachtung, sie ist eine absolute und gewährleistet uns die Zukunft. (48)

Also beruth letzten Endes die Zeitmessung auf dem Vorhandensein der Gesetze in der Natur und infolgedessen erscheint uns die Zeit, wie wir gesagt haben, als homogen in bezug auf die Gesetze. Im Gegensatz dazu verlangt das Postulat der Gesetzmäßigkeit keineswegs, daß die Gegenstände selbst in der Zeit unveränderlich bleiben müssen. Hier genügt es wirklich, wenn wir die Form der Funktion, d. h. die Art und Weise kennen, wie sie sich mit der Zeit ändern. Indem wir sie aussprechen, formulieren wir ein Gesetz. Man kann sogar sagen, daß dies die ursprüngliche Form des Gesetzes ist, weil sie am besten seinem Zweck entspricht. In der Tat, da wir voraussehen, die Zukunft erkennen wollen und da wir ja die Zeit zu messen verstehen, so wäre es das Einfachste, wir bestimmten die Änderungen an den Körpern der Außenwelt als Funktionen der Zeit. (49) Wenn uns dieser Satz nicht auf den ersten Blick einleuchtet, so liegt das in der besonderen Natur des Begriffs der Ortsveränderung. Dieser Begriff ist sozusagen doppelsinnig: ein Körper, der seinen Ort verändert hat, erscheint uns einerseits als verändert, andererseits als mit sich selbst identisch gebliebn. Wir werden noch Gelegenheit haben, ausführlicher auf diese Frage zurückzukommen. Für den Augenblick begnügen wir uns mit der Bemerkung, daß wir die Schwierigkeiten, die in unseren Gegenstand durch diesen Begriff hineingetragen werden könnten, dadurch vermeiden können, daß wir uns auf die oben besprochenen Erscheinungen beziehen, die in unserem Geist nicht direkt die Vorstellung der Bewegung erwecken. So werden wir sicher Gesetze aussprechen, wenn wir behaupten, daß, wenn weißer Phophor während  t  Sekunden sich in einer gegebenen Konzentration in Phosphorbromid gelöst befindet, er sich in einem ganz bestimmten Verhältnis in roten Phosphor verwandelt oder daß die Radium-Emanation nach  t  Tagen den  n- ten Teil ihrer Radioaktivität verloren hat. Es liegt übrigens auf der Hand, daß die Wissenschaften von den Organismen voll von solchen Gesetzen sind, z. B. nach einem Dasein von  n  Monaten wird die Raupe zum Schmetterling, oder: in ihrem  n-& ten Lebensmonat verlieren die Kaulquappen ihre Kiemen.
LITERATUR - Emile Meyerson, Identität und Wirklichkeit, Leipzig 1930
    Anmerkungen
    1) BERKELEY, De motu, Works, ed. FRASER, Oxford 1871, Bd. III, § 37. Es handelt sich hier nicht um eine bei BERKELEY isoliert stehende Äußerung; er ist auf diese Frage zu wiederholten Malen zurückgekommen; vgl. besonders "A Treatise concerning the Principles of Human Knowledge", Works, Bd. I, 3 62, 105
    2) DAVID HUME, Eine Untersuchung über den menschlichen Verstand, Ausgabe der Philosophischen Bibliothek, Leipzig 1907, Seite 90 - 93.
    3) HIPPOLYTE TAINE, De l'intelligence, Paris 1869, Bd. II, Seite 403 - 404
    4) HERMANN HELMHOLTZ, Über die Erhaltung der Kraft (Wissenschaftliche Abhandlungen, Leipzig 1882) Seite 68
    5) ARTHUR HANNEQUIN, Essai critique sur l'hypothése des atomes dans la science contemporaire, Paris 1895, Seite 8
    6) WILHELM OSTWALD, Vorlesungen über Naturphilosophie, Leipzig 1902, Seite 302
    7) LUKREZ, De natura rerum, Buch I, Vers 160 und folgende.
    8) JEAN BERNOULLI, Discours sur les lois de la communication du mouvement, Oeuvres, Lausanne et Genéve, 1742, Bd. III, Seite 58 - Dieselbe Deduktion wird im Zusammenhang mit dem Prinzip der Erhaltung der Materie sehr klar von KOZLOWSKI dargelegt. Bibliothéque du Congrés de philosophie, Paris 1901, Bd. III, Seite 536.
    9) Was wir hier mit "Gesetzmäßigkeit" bezeichnen (der Ausdruck ist dem HELMHOLTZschen Ausdruck "Gesetzlichkeit", dessen Tragweite freilich nicht ausreichend definiert wurde, nachgebildet) entspricht ungefähr dem, was KROMAN (Unsere Naturerkenntnis, Kopenhagen 1883) als "Kausalität" bezeichnet, ebenso wie unser Begriff der "wissenschaftlichen Kausalität" sich dem Begriff der "Identität" desselben Verfassers nähert. Allerdings scheint KROMAN manchmal die wahren Grenzen des ersten dieser beiden Begriffe zu verkennen (vgl. zum Beispiel Seite 204, wo er ihn ebenso wie HELMHOLTZ mit dem Postulat der Begreiflichkeit verwechselt; Seite 211f, wo er aus ihm die Existenz des Noumenon ableiten möchte; vgl. auch Seite 22, 195f, 199, 250). Er leitet den zweiten aus dem ersten aufgrund eines ähnlichen Irrtums ab, wie wir ihn bei HELMHOLTZ und HERTZ nachweisen. Die von KOZLOWSKI (Revue philosophique, 1905, Seite 250) formulierten Begriffe der "empirischen" und der "rationalen Kausalität" haben mi den unsrigen weniger zu tun; denn dieser Verfasser benutzt einerseits den Ausdruck "rational" zur Bezeichnung dessen, was einfach der Regel gemäß, also nach unserer Bezeichnungsweise "gesetzmäßig" ist (vgl. "Psychologiczne zrodla", Warschau 1899, Seite 11, Revue philosophique, Oktober 1906, Seite 407) und andererseits impliziert bei ihm der Begriff der Kausalität den des nicht umkehrbaren Werdens (Przeglad filozoficzny, 1906, Seite 200, 204).
    10) COMTE, Cours de philosophie positive, 4. Auflage, Paris 1877, Bd. I, Seite 51
    11) Bekanntlich hat COMTE dieses Beispiel häufig benutzt; es ist in der Tat ausgezeichnet gewählt. Vgl. LEVY-BRUHL, La philosophie d' Auguste Comte, 2. Auflage, Paris 1905, Seite 49
    12) HENRY POINCARÉ, La valeur objektive de la science, Revue de Metaphysique, Bd. X, 1902, Seite 265
    13) COMTE, a. a. O., Bd. VI, Seite 637f
    14) Vgl. a. a. O., Bd. III, Seite 369, Bd. VI, Seite 596. Besonders verdammenswert erschienen COMTE die Untersuchungen der Biologen, die zur Entdeckung der Zelle geführt haben (er bezeichnete diese verächtlich als "wahre organische Monade"), sowie diejenigen REGNAULTs über die Abweichungen vom MARIOTTEschen Gesetz. Nach den Ansicht von LEVY-BRUHL (a. a. O., Seite 111) glaubte COMTE dennoch, daß jene Erscheinungen Gesetzen unterworfen seien, daß aber diese Gesetze nur höheren Geistern als uns zugänglich seien. In der Tat finden sich Stellen, die eine solche Deutung zuzulassen scheinen (vgl. z. B. Cours, Bd. VI, Seite 640). Wie dem aber auch sei, da COMTE jedenfalls eine nicht nur zeitliche, sondern dauernde Grenze setzte, die sich aus der Natur des menschlichen Geistes selbst ergibt, so läuft diese Auffassung auf dasselbe hinaus, wie die im Text dargestellte. Da das Gesetz sicherlich eine subjektive Konstruktion ist, so ist die Behauptung, daß es uns ewig unerreichbar bleiben muß, gleichbedeutend mit der Leugnung seiner Existenz. - Später hat COMTE, durch SCHWANNs Entdeckungen belehrt, die Arbeiten über die Zelle gerechter gewürdigt (Politique positive, Bd. I, Seite 649). Im Gegensatz dazu ist es interessant, festzustellen, daß noch 1878, d. h. zu einer Zeit, da die Nützlichkeit von REGNAULTs Untersuchungen längst erwiesen war, P. LAFITTE, der autorisierte Schüler COMTEs, das Verdammungsurteil seines Meisters wiederholt hat, indem der REGNAULT als "akademischen Aufrührer" bezeichnete (Revue occidentale, Bd. I, 1878, Seite 288).
    15) G. LÉCHALAS, Les confins de la science et de la philosophie, Revue des questions scientifiques, XIX, 1901, Seite 505. - Es ist wohl kaum nötig, daran zu erinnern, daß bei KANT der Begriff der Erfahrung eine strenge Ordnung im Reich der Erscheinungen voraussetzt (vgl. besonders "Kritik der reinen Vernunft", Ausgabe KIRCHMANN, Seite 215, 229).
    16) Dem könnte entgegengehalten werden, daß in der modernen Physik Wahrscheinlichkeitsbetrachtungen eine immer größere Rolle spielen und die neueste Entwicklung der Quantentheorie zu ernsten, keinesfalls abgeschlossenen Diskussionen über "Gesetzmäßigkeit oder Zufall" im Unendlichkleinen, d. h. in der Welt der Atome und ihrer Bestandteile geführt hatte. (Man vergleiche z. B. den Aufsatz von NILS BOHR, "Wirkungsquantum und Naturbeschreibung", Die Naturwissenschaften, Bd. 17, 1929, Seite 483-486). Sollte die Entscheidung, wie es sehr wohl möglich ist, zugunsten des "Zufalls" fallen, so wären die Behauptungen des Verfassers auf die "Massenerscheinungen" zu beschränken und seine Definition, die exakten Naturwissenschaften umfassen alle strengen Gesetzmäßigkeiten unterworfenen Erscheinungen, dahin zu erweitern, daß unter "Gesetzmäßigkeiten" auch die den "Zufalle" in Massenerscheinungen regelnden Gesetzmäßigkeiten zu verstehen seien. Übrigens bedient sich der Verfasser im weiteren Verlauf seiner Ausführungen öfter selbst stillschweigend dieser erweiterten Definition.  Ltn. 
    17) A. FOUILLÉE, Les origines de notre structure etc., Revue Phil. XXXII, 1891, Seite 576
    18) COMTE, Cours, Bd. II, Seite 11. Vgl. daselbst Seite 6-8.
    19) F. LE DANTEC, Les limites du connaissable, Paris 1903, Seite 98 - 99.
    20) COMTE, a. a. O, Bd. I, Seite 53. - LEVY-BRUHL, der doch sonst die Einheit der Lehre COMTEs zu verteidigen sucht (a. a. O. Seite 12), erkennt an, daß er über diese Frage seine Ansicht geändert hat. Er führt diesen Meinungswechsel darauf zurück, daß COMTE in wachsendem Maße das wissenschaftliche Interesse anderen von ihm als höher angesehenen Interesse unterordnete (daselbst Seite 173 - 175). Diese Entwicklung ist nach der Veröffentlichung des  Cours  weiter gegangen und in der  Politique positive  (1851) geht COMTE soweit, die Astronomie auf das Sonnensystem zu beschränken (a. a. O. I, Seite 510) und sich über die "angebliche Entdeckung" LE VERRIERs lustig zu machen, die "wenn sie wirklich stattgefunden hätte, wahrlich nur die Bewohner des Uranus interessieren können".
    21) COMTE, Cours, Bd. I, Seite 99
    22) A. FOUILLÉE, Le probléme psychologique, Revue Phil., XXXII, 1891, Seite 235
    23) "Man kann also einräumen, daß wenn es für uns möglich wäre, in eines Menschen Denkungsart, so wie sie sich durch innere sowohl als äußere Handlungen zeigt, so tiefe Einsicht zu haben, daß jede, auch die mindeste Triebfeder uns dazu bekannt würde, im gleichen alle auf diese wirkenden äußeren Veranlassungen, man eines Menschen Verhalten auf die Zukunft mit Gewißheit, so wie eine Mond- und Sonnenfinsternis, ausrechnen könnte." KANT, Kritik der praktischen Vernunft, Ausgabe ROSENKRANZ und SCHUBERT, Leipzig 1838, Seite 230
    24) F. A. LANGE, Geschichte des Materialismus, 4. Auflage, Iserlohn, 1882, Seite 20.
    25) Man kann diese Schlußweise mit derjenigen vergleichen, durch die LUKREZ auf die materielle Natur der Luft schließt (siehe weiter unten); es ist übrigens dieselbe, die uns zwingt, die Existenz des Äthers anzunehmen. Die Götter existieren, denn sie handeln. Die Behauptung, die Götter kümmerten sich nicht um die Welt, ist die eines Atheisten; das ist gerade so, als wenn man dem Äther die Masse absprechen wollte: er würde im selben Augenblick zwecklos und damit nicht-existent. (Der Verfasser denkt hier an den Äther der klassischen Wellentheorie des Lichts.  Ltn.) 
    26) RENOUVIER, Critique philosophique, Bd. VII, 1878, Seite 186.
    27) LEIBNIZ, Opera philosophica, Ausgabe ERDMANN, Berlin 1840, Seite 515
    28) PLATON, Timäus, 16, 46
    29) ARISTOTELES, De Coelo II, Seite 11
    30) SCHOPENHAUER, Sämtliche Werke, Ausgabe FRAUENSTÄDT, Leipzig 1877, Seite 5
    31) LEIBNIZ, Mathematische Schriften, Ausgabe GERHARDT, Halle 1860, Bd. VI, Seite 206. "Sequeretur etiam causam non posse iterum restitui suoque effectui surrogari quod quantum abhorret a more naturae et rerum rationibus facile intellegitur."
    32) LEIBNIZ, a. a. O. Seite 439. Effectus integer causam plenam vel ejus gemellum reproducere potest.
    33) LEIBNIZ, a. a. O. Seite 219
    34) LUKREZ, a. a. O. 1. Buch, Versuch 156
    35) PIERRE DUHEM, La théorie physique, son objet et sa structure, Paris 1906, Seite 272
    36) HENRY POINCARÉ, La science et l'hypothése, Paris, Seite 211-212
    37) Vgl. die amüsante Darstellung, die WELLS in "The new Macchiavelli", Leipzig 1911, Bd. I, Seite 33, von den Schwierigkeiten der Vorlesungsversuche und dem Mangel an Übereinstimmung gibt, die zwischen ihren Ergebnissen und den Beschreibungen der Bücher besteht.
    38) DUHEM, a. a. O. Seite 290
    39) CARL NEUMANN, Über die Prinzipien der Galilei-Newtonschen Theorie, Leipzig 1870
    40) LUDWIG LANGE, "Über die wissenschaftliche Fassung usw.", WUNDTs Philosophische Studien, Bd. 2, Leipzig 1883. Derselbe: "Nochmals über das Beharrungsgesetz, Königlich Sächsische Gesellschaft der Wissenschaften, Bd. XXXVII, Leipzig 1885, Seite 336f. Derselbe: "Die geschichtliche Entwicklung des Bewegungsbegriffs, Leipzig 1886. Derselbe: "Das Inertialsystem", WUNDTs Philosophische Studien, Bd. XX, Leipzig 1902
    41) HANNEQUIN, Essai critique, Paris 1895, Seite 79
    42) E. LE ROY, La science positive et la liberté. Congrés international de philosophie, Paris 1900, Bd. I, Seite 331
    43) D'ALEMBERT, Traité de dynamique, 2. Auflage, Paris 1758, Seite 13 - 14.
    44) POISSON, Traité de mécanique, 2. Auflage, Paris 1833, Seite 204f. - Eine ausgezeichnete Diskussion der beiden Prinzipien der Zeitmessung findet sich im Buch von STREINTZ, Die physikalischen Grundlagen der Mechanik, Leipzig 1883, Seite 81f
    45) Vgl. hierzu RUDOLF SCHENCK, Über den roten Phosphor, Berichte der deutschen chemischen Gesellschaft, XXXV, 1 (1905), Seite 352f
    46) Es ist bekannt, wie wichtig die Messung der Abnahme der Radioaktivität in diesem Gebiet der Physik geworden ist. Man betrachtet sie als die charakteristischste Eigenschaft der radioaktiven Stoffe, nach der man ihre Identität oder Verschiedenheit entscheidet. Vgl. RUTHERFORD, Radio-Activity, 2. Auflage, Cambridge 1905, Seite 223-232, 411, 412 und Madame CURIE, Revue scientifique, 17. November 1906, Seite 654
    47) Auch LUKREZ betont die Bedingung der Dauer, wo er feststellen will, daß die Natur dem Gesetz gehorcht (Buch II, Vers 175f).
    48) PAINLEVÉ (Bulletin de la Sociéte francais de philosophie, 1905, Seite 64-65) behauptet, daß die Vorstellung der Homogenität von Raum und Zeit in bezug auf die Gesetze vor aller Wissenschaft beim Menschen wie auch beim Tier bestände.
    49) POINCARÉ leitet sehr richtig diese Form des Gesetzes aus der "wissenschaftlichen Auffassung" der Welt, d. h. nach unserer Terminologie aus dem Prinzip der Gesetzmäßigkeit ab. Vgl. "Cournot et le calcul infinitésimal", Revue de métaphysique, XII, 1905, Seite 295