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RICHARD WAHLE
Fragen betreffend
Ähnlichkeit und Intensität


"Der  Bestand des Gleichen und Verschiedenen kann nicht erklärt werden. So, wie ein Baum steht und so, wie Baum neben Baum steht, so steht das psychisch Verschiedene neben dem psychisch Verschiedenen; bzw.: es steht alles als Vorkommnis - Außenwelt und Bewußtseinsraum bedeuten nur Theorien."


Der Klärung in den Wissenschaften kann man vielleicht erfolgreicher dienen, wenn man sich an die Gesamtheit der Denker mit einigen Fragen wendet, die sie sich und eventuell auch dem Fragesteller beantworten, als wenn man die Lesenden mit der Fülle der langatmigen, dogmatischen, kritischen und historischen Ausführungen eigener Meinungen belastet. - So wollen wir auf einige Schwierigkeiten hinweisen, die sich beii der Annahme einer Verschiedenheit von Elementenn in einer Empfindung und beim Konstatieren der Ähnlichkeit zwischen Empfindungen zu ergeben scheinen. Daß beides zusammenhängt, ist wohl ersichtlich. Daß in dieser Richtung der Gegensatz von Nativismus und Empirismus, streben nach Vereinfachung und Bestehen auf geschiedenster Mannigfaltigkeit, frappante Leugnungen und Distinguieren sich geltend machen können, weiß man ja aus den Schriften und Werken von HELMHOLTZ, WUNDT, EXNER, HERING, PREYER, von KRIES, BOAS, STUMPF (1) u. a. - Die folgenden Fragen bewegen sich alle um das Hauptproblem, ob "Ähnlichkeit" ein eigenartiger,  irreduzibler  Inhalt des Urteilens und ob "Intensität" als solche ein eigentümlicher Inhalt der Empfindung, zumal der Töne, ist. Um auf die eigentlichen Entstehungsorte der Fragen zu führen, wollen wir zuerst von einigen Positionen unseren Ausgang nehmen.

Es soll - im Allgemeinen - nicht ausgeschlossen werden, daß es in einer Empfindung heterogene Seiten derselben, also eventuelle Qualität und Intensität (2) geben kann. Beim Erscheinen nur einer einzelnen Empfindung würden sie nicht zur Unterscheidung gekommen sein, sondern durch Variation der Empfindungen nach verschiedenen Veränderungsrichtungen hin (gleicher Ton  a  in verschiedenen Intensitäten, gleiche Intensität in verschiedenen Qualitäten  c, d, e ) hätten sie sich für uns differenziert. Diese durch durch Variation veranlaßten subjektiven Unterscheidungen hätten aber ihre volle Berechtigung, indem ihnen auch in der objektiven Empfindung ein Dualismus der Teilinhalte, wirklich verschiedenes entspräche (3). Nun kann aber nie ein Teilinhalt, ein Empfindungselement in seiner Heterogenität, separat existieren und auch nie separat wahrgenommen werden: es gibt nie eine Qualität (Ton  a)  ohne jede Intensität, noch Intensität ohne irgendeine Qualität. Was wird also, um doch die Abstraktion, die Differenzierung der doch stets verbundene Elemente zu ermöglichen, getrennt wahrgenommen? (4) Wenn man darauf sagt: getrennt wahrgenommen werden die verschiedenen  Änderungsweisen  des Inhaltes, die Verschiedenheit der Änderungsrichtungen - so steht man damit gerade am Anfang der Probleme. Es ist nämlich einleuchtend, daß man, um zu glauben,  ein  Inhalt habe  sich  geändert, beim Erscheinen des neuen Inhaltes Anhaltspunkte haben muß, um diesen auf den früheren zu beziehen, denn sonst würde er als ein völlig fremder, anderer, mit dem ersten nicht zusammenhängender gelten. Welches sind nun die Anhaltspunkte für die Rückbeziehung und Erkennung der Änderung? Man könnte darüber Folgendes denken.

1. Könnte das in der Veränderung gleichgebliebene Element mit seinem ursprünglich ihm beigegebenen Element als Teil in der neuen Form erkannt werden, und ein Überschuß als solcher würde sich präsentieren. Zum Beispiel "Ton  a  mit der Intensität  m"  (etwa  a ⋅ m)  könnte als Glied in "Ton  a  mit der Intensität  m + n" (a [m + n])  erkant werden. Der algebraische Ausdruck ist natürlich höchst unadäquat dem Verhältnis der Verbindung und des Überschusses. Der Überschuß an Fläche, wenn man zwei verschiedene große, rote Flächen übereinander legt, ist auch nur eine ganz mangelhafte Jllustration dieser Intensitätsübertragung. So eigentümlich unterschieden Intensitäten von Extensitäten wären, so eigentümlich wäre auch ihre Differenzbildung und so, wie dort ein Teilstrich die Diaeresis [Trennung - wp] bildet, so könnte vielleicht hier eine eigentümliche psychische Trennung den Überschuß markieren. Ob man sich dieser Annahme zuwenden will, ist also die erste Frage - zu der wir übrigens Nichts hinzufügen wollen. Gibt es demnach einen als solchen deutlich abgehobenen, herausfallenden Intensitätsüberschuß?

2. Es wird jeder Dualismus in der Empfinung geleugnet. Empfindungen seien völlig einfach; aber sie zeigen bei ihrem Zusammentreffen verschiedenes Verhalten und erzeugen verschiedene Wirkung. Solche Folgebeziehungen sind aber additiv, bzw. extensiv meßbar und die Empfindungen werden, im Hinblick auf solche ihnen äußerliche Vergleichungen in Reihen gestellt. Die ihnen äußerlichen Kategorien werden, in vermeintlicher Selbstverständlichkeit und kaum wieder loslösbar, auf sie übertragen. Die Skizze einer Ausführung einer solchen Theorie wollen wir später andeuten.

3. Man gibt die Heterogenität in der Empfindung zu, sagt aber, der Anlaß zur Abstraktion ist dadurch gegeben, daß man an eine Empfindung Etwas heranbringen kann, das, beim Wechsel der Empfindung, in Beziehung auf das für bleibend erklärte Element, absolut dasselbe bleibt, zum anderen für wechselnd erklärten Element aber gar keine Beziehung aufweist. Die Ähnlichkeit wäre den Empfindungen immanent, aber erkannt würde sie nur aufgrund einer externen partiellen Gleichheit und partiellen Verschiedenheit. Auch dieser fraglichen Meinung werden wir eine etwas konkretere Gestalt zu geben suchen.

4. Die Ähnlichkeit nach verschiedenen Richtungen in den Empfindungen soll direkt, unmittelbar ein Inhalt der Beurteilung sein. Ähnlichkeit, Unähnlichkeit, Grad derselben, Steigerung, Distanzverhältnis etc. seien wahrnehmbare Grundverhältnisse (5). Auch diese Ansicht werden wir näher beleuchten.

So liegen also Fragen vor betreffs der Möglichkeit eines eigentümlich psychisch-additiven Überschusses - der Simplizität der Empfindung - der Abstraktionsmotive durch partielle Gleichheit, partielle Ungleichheit einer empfindungsbezüglichen Operation - und der extrem nativistischen Ansicht des irreduziblen Ähnlichkeitsverhältnisses.

Bevor wir auf die Besprechung der drei letzten Fragen eingehen, - einige allgemeine, vielleicht auch problematische Bemerkungen! Die Frage - bezeichnen wir sie mit 5. - ob man eine Empfindung mit anerkanntem Dualismus als Einheit proklamieren soll, möge keinen Gegenstand des Streites bilden. Metaphysisch, reell getrennt können die Elemente der Empfindung nicht werden, psychisch (da man keine Intensität ohne Qualität erhaschen wird) müssen sie auch ungetrennt bleiben: so stünden wir vor einer Einigung. Einigung in einem gewöhnlichen Sinn setzt aber eine wirkliche Trennbarkeit voraus. Einheit im gewöhnlichen Sinne ist auch nicht etwas, worauf man den krausen Ausdruck anwendet, den man für die Einheit von Qualität und Intensität gebraucht, nämlich etwas, wobei das Element  a in  dem Element  b  und das Element  b im a  wäre. (6) Das erinnert an theologische Einheiten. Und das Bestehen auf der Subsumtion der Empfindung unter dieser Kategorie würde zu den weitläufigsten Kontroversen führen. (7)

Es sei erwähnt, 6. wenn man für irgendeine Empfindungsart einen Dualismus einräumt, müßte dadurch nicht die Möglichkeit für jede Empfindungsart zugegeben sein. Wenn man z. B. den Dualismus von Extensität und Farbe approbiert [gestattet - wp], ist noch kein Präjudiz für Tonqualität und -Intensität geschaffen.

Endlich 7. Es ist noch zu erwägen, ob  jeder  begrifflichen Unterscheidung eine objektive Unterschiedenheit in der Empfindung zugeordnet werden soll. Zum Beispiel ist gewiß der Begriff des "Sein" logisch zu distinguieren vom Begriff "Qualität". Will man aber in der Empfindung eine objektive Heterogenität von Sein und Qualität statuieren?

Nun zu 2. Die Ausführung gemäß der Annahme der Simplizität der Empfindung und der auf sie übertragenen Heterogenität der Beziehungen könnte sich etwa so gestalten. Es gäbe nicht Farbe und Helligkeit, sondern nur Farbe. Es gäber aber Farben, welche durch eine additive (also extensive) Steigerung der Beleuchtungsquellen (2, 3, 4 . . . Kerzen, Gaslicht, Sonne) auf derselben Fläche sich folgen können, und Farben, die nicht durch einen Beleuchtungswechsel ineinander übergeführt werden könnten. Bei ein und demselben Stand der Sonne, gleicher Beleuchtung etc., stehen nebeneinander verschiedene Gegenstände, verschiedene Farben, z. B. grüne Tannen, rote Rosen . . . Die Nacht, die abwesende Beleuchtungsquelle, bedeutet Nichtsehen. Auf dem Weg zu diesem Extrem (Dämmerung etc.) verändert sich die Tanne und die Rose und nimmt immer andere Farben an. Weil wir aber die Farben der Tannen und Rosen, ebenso wie ihre Gestalt und Konsistenz, für Bestandstücke der Gegenstände und konstant nehmen, sagen wir, sie bleiben, und es ändert sich etwas an ihnen und nennen dies ihre Helligkeit. Tatsächlich hat sich die Farbe, das Einfache in ein anderes geändert; aufgrund der Hypostasierungstendenz [einem Gedanken gegenständliche Realität unterschieben - wp] lassen wir die Farbe bleiben und einen Teil von ihr ändern. Nun werden aber die Nuancen von hellgrün bis zum schwarzgrün in eine andere Reihe gedacht als grün und rot, - denn diese werden niemals, so wenig als Tanne und Rose ineinander übergeführt. (Späte Experimentalerscheinungen sind natürlich dafür irrelevant und werden nach den einmal herrschend gewordenen Ideen gedeutet. Dort, wo eventuell eine Farbe nicht nur ihre sogenante Helligkeit wechselte, sondern in eine andere Farbe umschlüge, würden die Reihen eben zusammentreffen und gerade das für die Wesensgleichheit von sogenannter Helligkeit und Farbe sprechen.) Es gibt also durchwegs verschiedene Farben, einige mit objektiver Übergangsfähigkeit; aufgrund von additiven Beleuchtungsbeziehungen werden sie in Reihen gestellt und hinterdrein wird nach ihrer Reihenzusammengehörigkeit eine Ähnlichkeit in sie fälschlich - aber zwingend - hineingetragen. (Vielerlei Möglichkeit der Ungenauigkeit der Reihenbildung spricht eben für das Fließende der Unterscheidungen: z. B. blaugrün bei Lampenlicht des einen, etc.) -

Zur Jllustration und Unterstützung der Hypothese! Sagt man dem Einen, man habe dieselbe vorgezeigte Fläche verschieden beleuchtet, so nennt er die verschiedenen Erscheinungen: verschiedene Nuancen derselben Farbe; verheimlicht man ihm dies, so wählt er zur Bezeichnung verschiedene Farbennamen. - Das "einander Näher- und Fernerstehen" der Farben behauptet man aufgrund der gedachten Möglichkeit der Überführung durch additive Beleuchtung. - Der Maler trägt für jede Helligkeit - z. B. beim Glanz eines Stoffes, oder sogar bei gemalten Lichtern - einfach eine andere Farbe - z. B. weiß - auf.

Bei Klängen, bzw. Tönen würde sich die Sache 2. etwa so gestalten lassen. Von Obertönen, Kehlkopfempfindungen etc. brauchte man keinen Gebrauch zu machen und könnte doch verschiedene (nicht auf unmittelbarer Ähnlichkeit basierende) Beziehungen zwischen Tönen statuieren und sie in Hinblick auf diese und auf entsprechende äußere Relationen zu verschiedenen Gruppen, bzw. Reihen ordnen. Es hört jemand (ein Kind) genügend viel Töne, Variationen, Kombinationen derselben, um verschiedene Erfahrungen machen zu können - ohne zu wissen, was für und wie erzeugte Töne er hört. da wird sich herausstellen, daß er (natürlich bei seinerseitiger Unkenntnis der Namen etc.)  c, d, e, f  . . . sukzessive hört und auch für ihn, analog wie Farbe und Ton getrennt, zwei Töne getrennt sind. Andererseits wird ein Klang (erzeugt durch simultanes  cd, ce, cc1, dd1  . . .) entstehen, der ihm bald als neuer Ton vorkommen wird, bald als einer der alten, von der Erinnerung an die alten notwendig begleitet - und man wird ihm sagen, daß man als er schwankte, im Gegensatz zu früher, zwei Töne erzeugt habe. - Ferner wird er bei Simultaneität eines leisen und lauten  c  absolut nur ein  c  hören und man wird ihm sagen, daß zwei Töne erzeugt wurden, von welchen also der eine den anderen absolut untergehen macht. (Von Schwebungen und allen Feinheiten darf man wohl absehen.) So können sich ihm dreierlei Gruppen herausstellen, flüchtig bezeichnet, als: die Klaffungsgruppe, die teilweise Deckungs- und Erinnerungsgruppe, endlich die Absorptionsgruppe; das gibt die Grundtöne, die Oktaven, und sobald die der Absorptionsgruppe parallele, additive  Erzeugungs stärke erkannt ist, die Intensität desselben Tones. Die Distanz innerhalb der Oktave, ohne daß den Tönen ein Verhältnis immanent wäre, käme so zustand: Man erzeugt  c,  erhöht von hier aus, bis die Töne klaffen, der zweite Ton bleibe wieder, bis ein dritter klafft. Die (nun schon von früher her bekannten) Töne kommen bei der sukzessiven, in einer Richtung vorgehenden Behandlung des Produktionsmittels (Saite etc.) immer in der Art, daß nie einer, der einmal später kam, ein andermal früher kommt, also stets in denselben Durchgangsreihen. Die Stufenfolge kann natürlich dann, ansich dem Gedächtnis eingeprägt, aber auch stets durch Erinnerung an den Durchgang konstruiert werden. (Um aber  cd- Distanz und  ch- Distanz zu vergleichen, braucht man nicht etwa die Anzahl der beiderseitigen Zwischentöne zu wissen und zu vergleichen.) (8)

Was das Phänomen Konsonanz und Dissonanz anbelangt, könnte man sich folgendem anschließen (9): "Die Konsonanz zweier Töne beruth . . . auf einem eigentümlichen, sinnlichen Verhalten dieser zueinander, demzufolge sie weniger leicht und vollkommen, als eine Mehrheit erkannt werden, als die dissonierenden." Nur werden das vielleicht nicht  alle  für eine Entdeckung halten, da die Ausdrücke selbst wörtlich dasselbe besagen. Nur wenn man dabei etwa an Wohlklang und Mißklang denkt, wovor WUNDT z. B. warnt, kann man vergessen, daß sie bedeuten: Zu einem Klingen und Auseinanderklingen. - Man könnte vielleicht mit STUMPF (10) der 2. vorhalten wollen: "Wenn wir einen tiefen, mittleren und hohen Ton vergleichen, z. B.  C, fis, a3,  so bemerken wir sofort, daß der erste dem dritten weniger ähnlich ist, als der zweite, ebenso bei  cde  aus der gleichen Tonregion." Darauf könnte man sagen, wenn das "sofort" bedeuten soll, daß wir gleich als Kinder das bemerken, so müßte dieses Experiment, das wegen der Stellung der Frage an das Kind etwas schwierig wäre, wohl erst gemacht werden. Daß wir jetzt, als Ausgebildete, die Reihenverhältnisse blitzschnell mit Übergehung aller Zwischenmittel angeben können - wird man mit 2. wohl behaupten dürfen. Anfangs kann aber  c, d, e  sich so verhalten, wie rot, grün, grau - ohne eine Idee an der Reihenstellung zu bewirken. Ferner aber können  fis  und  a3  wohl in etwas ganz gleich sein gegenüber dem  C.  Durch ihre Miteindrücke - etwa freundlich, grollend, können sie gleichstehen. Es ist auch möglich, daß das jetzt als ähnlich Bezeichnete gar nicht unterschieden wurde, sondern als Eines dem Verschiedenen gegenüber stand.

Die Frage nach der Ähnlichkeit macht die Leute so befangen, daß sie nach allem Äußerlichen suchen, um nur eine Antwort geben zu können und ihre durch die Dinge angeregten Einbildungen auf jene selbst übertragen. Fragt man einen Unmusikalischen um die relative Ähnlichkeit bei  ca, cb, cgis  rasch und oft durcheinander, wird er vielleicht etwas herumreden, tatsächlich gibt es in ihm so wenig einen immanenten Ähnlichkeitsgrad wie zwischen rot und weiß etc. -

Schließlich müßte diese Ansicht noch hervorheben, daß man ihre hypothetisch-schematische Entstehung der Reihen nicht mit der wirklichen gewöhnlichen Entstehung unserer Urteile verwechseln darf. Diese wird derart begründet, daß die Beziehung auf das physische Additionsverhältnis gleich mit den Tönen selbst vorgebracht wird. So lehrt man ja Tonskala, Intervalle etc. - und das unmittelbare Merken kommt ins Spiel. Dieselbe Taste wird vor den Augen mächtier angeschlagen etc.

Von vielen Härten, die man hier gefunden haben mag, ist die 3. Ansicht frei. Es können ihr aber Prinzipien aus 2. auch dienstbar gemacht werden und umgekehrt Prinzipien aus 3. in 2. Anwendung finden.

Zu 3. Diese Ansicht leugnet nicht, daß in verschiedenen Empfindungen immanent etwas Dualistisches liegen könnte; Anwendungsgebiete für verschiedene Abstraktionen liegen in den Dingen; aber sie treten dadurch hervor, daß auf Verschiedenes (mehrere Empfindungen) etwas absolut  Gleiches angesetzt  werden kann. - Dieses Gleiche wirkt nicht, wie ein Resonator, so, daß es die Elemente separieren würde; sondern es gestattet, die Aufmerksamkeit auf einem Element festzuhalten. Die Kategorien des Vergleiches sind aber nur durch die Anlegung der äußerlichen Operation zu gewinnen. Zuerst mögen allgemeine Typen für diese Theorie betrachtet werden. Die Wahrheit scheint dem Urteil immanent zu sein; nun allerdings muß das Urteil selbst ein gewisse Beschaffenheit haben, um wahr zu sein; doch liegt das Wahre in etwas dem Urteil Äußerlichen, in der Übereinstimmung mit dem Objektiven, Wirklichen, Existierenden, und aus ihm erwächst die Kategorie des Wahren. [...] Das Wahre fügt dem Erkenntnisakt nichts hinzu; es ist als solches nicht in ihm. - Auch die Dauer in den Dingen kann nur additiv durch Dinge bestimmt werden. -

Noch ein Typus der Operation! Man ziehe sich zwei Halbkreise mit verschiedenen Radien konzentrisch. In beiden ist Linie und Figur, sozusagen Materie und Form. Beide sind in der Art völlig verschieden, daß man auch nicht die kleinsten Strecken deckend aufeinander legen könnte. Aber die Ähnlichkeit der Form ist ihnen immanent. Sie wird aber nur dadurch gewonnen, daß die Winkelbewegung beim Ziehen und Nachsehen der Kreise die  gleiche  ist, ja, wenn man innerhalb der dem Radius des größeren Kreises entsprechenden Zirkelöffnung eine Spitze für den Endpunkt des kleineren Radius einsetzt, überhaupt nur  ein  und dieselbe ist. Aufgrund dieses absolut Gleichen, bzw. Einen und des restierenden Verschiedenen, des Überschusses der Radien, spricht man von "ähnlich". - Jedes raschere, scheinbar unmittelbare Urteil über die Ähnlichkeit beruth auf einem abgekürzten Prozeß der geschilderten Art. Zwei Dreiecke werden ähnlich genannt, wenn sich die entsprechenden Winkel decken, gleich sind, die Schenkel einander überragen. Nach diesem Prinzip des Gleichen und Additiven werden auch Körperbewegungen und physische Intensitäten gemessen.

Zwei farbige Flächen sind einander in Bezug auf das Flächenhafte gleich, das ihnen auch immanent ist, weil z. B. eine Fläche - meine Hand etc., mein Fuß - in gleicher Weise rote und grüne Flächen deckt, weil man gleich auf ihnen stehen, sie berühren kann - ob sich darunter auch die Farbe ändert oder nicht. Farben sind ähnlich, weil sie in Bezug auf das Flächenhafte und Sichtbare (Inhalt des Gesichtssinnes) gleich sind. Töne sind vielleicht auch extensiv, dann hätten sie aber eine eigenartige Extensität? Sie werden lokalisiert; werden sie nun in mathematischen Punkten lokalisiert? Oder werden sie  ansich  nicht lokalisiert, sondern erklärt man nur: die Erzeugungsstätte, der ansich nicht lokalen Töne ist lokalisiert? Die Töne könnten eventuell rasch - wie Wachs auf einer erwärmten Platte - verschwimmende Extensitäten zwischen den Farben- und Berührungsextensitäten sein? Jedenfalls sind Tastqualitäten untereinander in Bezug auf die menschliche Fläche gleich etc. und wenn auch die Töne untereinander etwas absolut Gleiches positiv haben mögen, jedenfalls haben sie das absolut gleich, daß sie nichts Gesehenes, Getastetes etc. sind.

Diese Theorie behauptet also, das Ähnliche sei das partiell Gleiche, partiell Ungleiche; und das partiell Gleiche fiele entweder nach Theorie 1. heraus oder könnte durch die Gleichheit äußerer Mittel verfolgt und präzisiert werden - vollkommen rein durch sich aber wäre der Dualismus nicht erkennbar. (Es könnten auch für verschiedene Sinnesgebiete verschiedene Theorie, 1, 2, und 3, gelten.)

Darauf besteht aber die Theorie, daß ihr "ähnlich" nichts Ursprüngliches sui generis [eigener Art - wp] ist. Eine - bedauerlich kurze - Orientierung daher über "Dasselbe", "Gleiche" und "Verschiedene"!

Der  Bestand  des Gleichen und Verschiedenen kann nicht erklärt werden. So, wie ein Baum steht und so, wie Baum neben Baum steht, so steht das psychisch Verschiedene neben dem psychisch Verschiedenen; bzw.: es steht alles als Vorkommnis - Außenwelt und Bewußtseinsraum bedeuten nur Theorien. (11) Besprechungsbedürftig ist nur das Konstatieren dieser Zustände des Verschiedenen und dgl. Das Konstatieren ist nun nichts anderes als das geistige (in den eigentümlichen psychischen Bildern bzw. Gestalten arbeitende) Nachbilden einer physischen Operation der Bewegung, Verbindung und Trennung. Jede Operation mit einem  festgehaltenen  (auch nicht konstatierten) "Demselben" ergibt, durch Berührung mit demselben, das "Verschiedene" und die "Bewegung". Wenn das Kind z. B., mit den Augen folgend, seinen in seinen Händen festgehaltenen Apfel vom Knie zum Mund führt, ist das Verschiedene markiert; durch das "Dasselbe vor verschiedenem Hintergrund" ist die Bewegung markiert; und wenn man Verschiedenes und Bewegung konstatieren will, kann man nichts tun, als "ein festhaltenes Dasselbe unter Verschiedenem operierend" nachbilden. Als wichtigstes "Dasselbe" gilt natürlich der eigene Körper, das Sehen. Das "Gleiche", bzw. "zwei Gleiche", sind Dinge, zwischen welchen nur eine Ortsoperation stattfinden kann oder Zeitunterschied herrscht, die sonst aber völlig vertauschbar sind, d. h.: einem über die Ortsoperation etc. im Unklaren Gelassenen als dasselbe gelten müßten. (Als "dasselbe gelten" heißt aber nicht verglichen und gleich befunden werden; der eine Sekunde lang dauernde Eindruck wird ja auch nicht als in in unendlich vielen unendlich kleinen Zeitteilchen sich gleich bleibender Eindruck akzeptiert.) "Dasselbe" wird aber konstatiert, wenn keinerlei Verschiedenheit konstatiert werden kann. Die Verschiedenheit zweier Farben oder Töne wird konstatiert aufgrund eben des Auseinanderstehens und Nichtzusammenfallens mit Erinnerung an ein "ein und dasselbe". - Wenn jemand glaubt, wir wollten Definitionen eben, dann werden wir ihm Ungenügendes geboten zu haben scheinen; wir haben aber nur auf den Vorkommniskreis hingewiesen, der je nach den einzelnen Operationselementen zu verschiedenen Begriffen führt. Dinge heben sich als separate von anderen heraus, indem sie sich separieren. Ein Ding umgrenzen mit Blicken heißt das gegenüber dem Hintergrund Bewegungsfähige in diesen Linien vorstellen. - (Einen schwarzen Knopf, ohne glanzfarbigen Rand, auf schwarzem Grund kann man nicht finden, denn er erscheint nicht distinkt.) - Ein Ding wird in sich klarer, besser, aufmerksamer beobachtet, je reicher es (durch Blick - verfolgte Diagonalen z. B. oder Ursprungs- Relationsbilder etc.) ausgefüllt ist.

Da also das Ähnliche als "Ursprüngliches" abweisend ist, könnte 3. außer primär herangezogener additiver Gleichheit auch noch andere, mittelbar äußerlich kontrollierbare Gleichheiten, als immanent berechtigte Motive der Ähnlichkeitskonstatierung anführen. Zum Beispiel den gleichen Drang und Zwang! Die Sept, auch ohne daß sie als solche erkannt würde, führt auf den Grundton, auch ohne daß er erkannt würde - notwendig. Oder, wenn man z. B. eine Terz einem Kind vorsingt, dann eine andere, dann einen Grundton gibt und verlangt, es solle wieder so etwas, wie früher dazu singen - so wird es vielleicht durch irgendetwas - nicht Verhältnismäßiges, sondern - Gleiches in seiner physischen oder psychischen Konstitution dazu getrieben. Hinterher wird der gleiche Trieb am gleichen Intervall gemessen. Auch könnte man auf den Gedanken kommen, in einem anderen als dem entwickelten Geistesstadium das "Gleiche" zu suchen.

Als einen Umstand, welcher dafür zu sprechen scheint, daß die Kategorie der Intensität, z. B. der Töne, aus äußerlichem, additiven Zuwachs entnommen ist, könnte diese Hypothese anführen, daß alle Menschen im Gebrauch der Kategorie einig sind. Die Qualität, sowie überhaupt das Ganze aller Töne sind für alle Menschen gleich, aber das Verhältnis der Höhe und Tiefe wird nicht gleich angewendet, indem ein Volk das tiefer nennt, was wir höher nennen und umgekehrt; kein Volk aber wird das, was wir höher nennen und umgekehrt; kein Volk aber wird das, was wir stärker oder heller heißen, schwächer oder dunkler nennen.

Wem nun alle diese Fragen schon lästig sind und wer überhaupt nicht gerne analysiert, der wird sich rasch zur Ansicht 4. von der Ursprünglichkeit des Ähnlichkeitsverhältnisses wenden wollen. Wenn er aber glaubt, hier den Fragen und Schwierigkeiten zu entgehen, so irrt er, wie die folgenden Betrachtungen lehren werden.

Zu 4. Daß man Ähnlichkeit nicht zu definieren braucht, ist zugegeben. Doch darf man nicht - etwa mit Benützung eines komischen grammatischen Memorialverses - es zur Maxime erheben: was man nicht definieren kann, das sieht man als was Wahres an. Es wird doch immerhin merkwürdig bleiben, wenn sich jetzt im Fluß unserer Betrachtungen herausstellen sollte, daß dem "Ähnlich", als wahrnehmbaren "irreduziblen" Grundverhältnis gar nichts Objektives zu entsprechen scheint, - wenn nicht 1. oder 3. richtig ist, wenn es also nicht doch reduzibel ist.

Zwischen den Dingen soll dieses Verhältnis völlig einfach bestehen und soll den Inhalt des Urteilens, Bemerkens bilden. Eine besondere Empfindung, analog zu Farbe oder Ton, ist dieses "ähnlich" demnach nicht; sonst hätte es ja nicht eine Beziehung auf andere Empfindungen in sich. In der  einzelnen  Empfindung steckt nichts, was "ähnlich" heißen dürfte; wenn zwei Empfindungen bestehen, kommt wohl nicht als dritte Empfindung das "ähnlich" hinzu; es wäre ja dann gar nicht als eine Verhältnisangabe deutbar, sondern es stünden drei Empfindungen still nebeneinander.

Das Finden eines Verhältnisses zwischen zwei Empfindungen kann nur durch beide angeregt werden - und könnte vielleicht, wenn auch keine Empfindung, so doch eine eigenartige Vorstellung sein. Das wäre eine eigentümliche Kategorie. Ist es das, dann ist es entweder eine rein geistige Kategorie, welcher als solcher in der Erscheinung Nichts entspricht, welche aber doch zwingend angewendet wird, oder es entspricht ihr etwas in der Empfindung. Ersteres trifft z. B. nach KANT beim Begriff der Kausalität zu. Außer den Erscheinungen gibt es noch die zwingend angewendete Kategorie, Vorstellung der Kausalität; aber die Empfinungen zeigen nichts von ihr, als das Schema (12), das nur "nacheinander" etc. enthält, beweist. Ist Ähnlichkeit eine solche Vorstellung, dann entspricht ihr in den Dingen, außer der Reflexion, gar nichts - wir stehen vor einem unfundierten, subjektiven Zwang. Wird aber zweitens diese Vorstellung nicht nur durch Empfindungen angeregt, sondern ist sie in ihnen (etwa wie die Raumform KANTs) konkretisiert, dann muß das ihr Entsprechende in der Empfindung ersichtlich sein: nicht  nur  die Elemente, zwischen denen sie vermittelt, muß man bemerken, sonst wäre das "Vermitteln" so willkürlich, wie die Kategorie der Kausalität, sondern auch die objektive, in der Empfindung selbst gelegene Brücke, auf welcher die Ähnlichkeitskonstatierung Posto [Platz - wp] gefaßt hat. Das ist aber nur möglich nach Nr. 1, wenn - ebenso eigentümlich wie das Verhältnis des Ähnlichfindens sein soll - auch der psychisch eigentümliche Überschuß, analog dem additiven, sich präsentiert - und dann wäre "ähnlich" doch partiell gleich, partiell ungleich.

"Ähnlichkeit ist eingeräumtermaßen ein Verhältnis. Daß man Farbe und Ausdehnung, irreduzibel, nicht definieren will, ist klar; aber, daß auch das Ähnlichkeitsverhältnis zweier Ausdehnungen, z. B. doppelt, halb nach seiner Komposition nicht demonstrierbar, sondern etwas Irreduzibles sein sollte - wäre hart. Prüfe sich doch jeder, der gar nichts vom Analysieren wissen will und so als Zeuge für den Nativismus angerufen wird, ob ihm "ähnlich" nicht als partiell gleich, partiell ungleich erschienen ist.

Der Beweis, den STUMPF (13) dafür bringt, daß das Ähnliche allgemein etwas Einfaches sein muß, ist an und für sich von keiner Kraft. - Er paßt gut auf diejenigen, die sich verleiten lassen, eine Ähnlichkeitsreihe herzustellen durch eine andere Reihe, welche, von ihnen übersehen, wieder Ähnlichkeiten enthalten müßte (z. B. eine Tonreihe durch eine Muskelempfindungsreihe). Wir zeigten, wie es denkbar ist, daß Reihen anders entstehen und zeigten die Addition, Superposition und Überschuß beim Gleichen.

Es scheint doch hart, zu sagen, "der Eindruck  a  liegt  b  räumlich näher als dem  c,  heißt schließlich: er ist ihm dem Ort nach ähnlicher"; und wie merkwürdig, daß wir dieses  ähnlich  sui generis" durch gemeines Messen und durch Reste finden!

So wandelten wir also auch bei 4. nicht gerade und gemächlich und Hilfe scheint wahrhaft nötig zu sein.

Wenn jemand sagt, das Ganze habe keine praktische Bedeutung, so können wir ihm teilweise recht geben. Es wäre schade, wenn die schönen psychophysischen Untersuchungen, die von Intensität, Ähnlichkeit etc. handeln, von Begriffsstreitigkeiten gestört würden. Aber das Recht auf Aufklärung muß man uns nicht verkümmern. Die Experimente würden sich je nach 4., 2. oder 3. kaum ändern doch ihre Deutung; aber selbst trotz der anderen Deutung würden die allverständlichen Ausdrücke herrschend bleiben. Wenn man bei Steigerung der physischen Intensität auf eine bisher stärker genannte Empfindung käme, müßte man nach 2. eventuell sagen: es trat eine neue Empfindung aus einer eigentümlichen Reihe ein. Bei gleichen Empfindungsabstufungen müßte 2. langatmig sagen: "Es besteht die Annahme, daß die den Empfindungen zugeordneten Reize oder physischen Intensitäten nun in gleichen Stufen stehen - und diese Annahme könnte eventuell der wirklichen Abstufung der letzteren widersprechen." Auf diese Redeweise würde man zugunsten der vielleicht saloppen, aber so ausreichend Verständnis weckenden, herrschenden Redeweise verzichten. Auf die Aufstellung von höchsten Gesetzen über Empfindung, wie sie FECHNER ja tendierte, hätten aber diese Fragen - die unentschieden und hoffnungsvoll vorgelegt wurden - wohl Einfluß.
LITERATUR Richard Wahle, Fragen betreffend Ähnlichkeit und Intensität,Vierteljahrsschrift für wissenschaftliche Philosophie, Bd. 13, Leipzig 1889
    Anmerkungen
    1) S. EXNER, Physiologie der Großhirnrinde. Handbuch der Physiologie von HERMANN II, 2, 1879, z. B. Seite 243. E. HERING, Zur Lehre vom Lichtsinn. Sechs Mitteilungen an die kaiserliche Akademie der Wisenschaften in Wien. Vierte Mitteilung: Über die sogenannte Intensität der Lichtemprindung, 1874. W. PREYER, Elemente der reinen Empfindungslehre. Sammlung physiologischer Abhandlungen I, 1877. J. von KRIES, Über die Messung intensiver Größen und das sogenannte psychophysische Gesetz. Vierteljahrsschrift für wissenschaftliche Philosophie VI, Heft 3, 1882. F. BOAS, Über die Grundaufgabe der Psychophysik, Archiv für gesamte Physiologie von Pflüger, 1882. C. STUMPF, Tonpsychologie, 1883. Es sei auch ein Hinweis auf mein "Gehirn und Bewußtsein", 1884, gestattet.
    2) CARL STUMPF, Tonpsychologie I, Seite 350
    3) STUMPF, Über den psychologischen Ursprung der Raumvorstellungen, Seite 129f, 109, 114, 135 - 139
    4) Vgl. ALEXIUS MEINONG, Hume-Studien
    5) STUMPF, Tonpsychologie I, Seite 96, 111, 115, 122
    6) STUMPF, Raumvorstellungen, Seite 114
    7) Über die Einheit des Bewußtseins siehe mein "Gehirn und Bewußtsein", Kap. III
    8) STUMPF, Tonpsychologie, Seite 127
    9) STUMPF, Tonpsychologie, Seite 101
    10) STUMPF, a. a. O., Seite 115
    11) WAHLE, Gehirn und Bewußtsein, Kap. I und III.
    12) KANT, Kritik der reinen Vernunft: Von dem Schematismus der reinen Verstandesbegriffe.
    13) STUMPF, Tonpsychologie I, Seite 116f.