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JULIUS von KIRCHMANN
Über die Gegenständlichkeit
der in den Sinneswahrnehmungen
enthaltenen Eigenschaften der Dinge

[4/4]

"Was sind Kräfte anderes, als geistige Wirksamkeiten; denn wären sie körperlich, so könnten sie nicht auch da wirken, wo ihr Körper, dem sie innewohnen sollen, nicht ist und sie könnten sich nicht in der mannigfachsten Weise durchkreuzen, ohne dabei im mindesten einander zu stören. Die Erde zieht den Mond an und der Mond umgekehrt die Erde; diese entgegengesetzten Wirksamkeiten beider durchkreuzen sich im Raum zwischen beiden, ohne einander im Mindesten zu stören."

"Es ist ein bekanntes und viel gebrauchtes Mittel, daß man die durch die Sinne uns zugeführte Welt nur für eine erscheinende Welt erklärt, hinter der erst die wahre, wirkliche Welt verborgen ist. Dieses Mittel ist allerdings sehr bequem; bei allem, was sich nicht unserer Erkenntnis fügen will, trägt dann nur die Erscheinungsform die Schuld."


DISKUSSION
- Fortsetzung -

Da weitere Redner sich nicht meldeten, so erhielt Präsident von KIRCHMANN das Wort zur Schlußerklärung. Derselbe sagt:

Ich bin den geehrten Mitgliedern für die eingehende Prüfung meines Vortrages großen Dank schuldig.

Ich erlaube mir zunächst auf die Äußerungen der einzelnen Herren einiges zu erwidern und werde dann die Grundgedanken meines Vortrages noch einmal kurz zusammenfassen.

Herrn Professor MICHELET erwidere ich, daß ich mich dem "trostlosen Resultat der kantischen Philosophie" nicht "unterworfen" habe; ich habe dasselbe nur historisch erwähnt. - Ich habe ferner die Hypothesen der modernen Naturwissenschaft nur insofern anerkannt, als sie sich für die Erklärung der äußeren, in die Wahrnehmung fallenden Tatsachen als zureichend erweisen. Indem diese Hypothesen aber nicht ausreichen, um den Übergang der körperlichen Erregungen der Nerven und des Gehirns in das Wissen der Seele zu erklären, soll mein Vortrag diese Lücke ausfüllen und nur deshalb ist er von mir als eine Ergänzung jener bezeichnet worden. Ich habe eben jene Prinzipien der heutigen Naturwissenschaft nicht bekämpft, sondern ihnen nur durch eine weitere zusätzliche, mit jenen wohl verträgliche, Hypothese das Mittel gewähren wollen, auch jene Lücke auszufüllen.

Ich muß ferner dagegen prostestieren, daß ich "die Identität des Subjektiven und Objektiven bei den Wahrnehmungen anerkannt habe. Sein und Wissen sind nach meiner Ansicht zwar in ihrem Inhalt übereinstimmend, aber in der Form, in welcher sie diesen Inhalt befassen, die höchsten und nie verschmelzbaren Gegensätze. Ich kann in dieser Beziehung der Kürze halber nur auf das von mir in Bd. I der "Philosophischen Bibliothek", Seite 66 Gesagt und auf meinen hier gehaltenen Vortrag "Über das Prinzip des Realismus" verweisen. -

Indem ich die kunstvolle Gestaltung des Organischen auf geistige Sphären zurückführe, ist noch nicht im Mindesten damit die "Zwecklehre Lassons" anerkannt; vielmehr habe ich die Frage über den Ursprung dieser Sphären gar nicht in meine Untersuchung einbezogen. Übrigens hat schon DARWIN dargelegt, daß das, was hinterher für uns, als betrachtende Menschen, zweckmäßig eingerichtet erscheint, deshalb doch durch reine Naturkräfte, ohne Mithilfe eines leitenden Geistes entstehen kann. -

Die von mir aufgestellten geistigen Sphären sind keineswegs "dasselbe, wie die der Materie immanenten Qualitäten, vielmehr das gerade Gegenteil davon, indem ich diese Qualitäten ihrer Natur, Eigenschaften des Stoffes oder der Materie zu sein, entkleide und sie für Produkte erkläre, welche aus der Bewegung der körperlichen Atome innerhalb der betreffenden Sphäre in dieser, aber nicht an der Materie entstehen. Ich habe es gerade als einen Vorzug meiner Hypothese erklärt, daß sie eine Wirksamkeit, die sich weit ab und getrennt von ihrem Körper äußert, nicht, wie die Naturwissenschaft es tut, zu einer Eigenschaft desselben macht. Ebensowenig sind diese Sphären "Formen und Zwecke, welche die Materie beherrschen" und deshalb vertragen sich mit diesen Sphären die Atome und die leeren Stellen in den Körpern sehr wohl. Gerade, weil diese geistigen Sphren durchdringlich sind, die Atome aber nicht, sind jene nicht körperlich und gerade deshalb nimmt die Kontinuität der geistigen Sphären den "absolut-diskreten Atomen" nicht den Platz innerhalb ihrer weg. Die Stetigkeit des Raumes würde nur dann die leeren Stellen des Raumes unzulässig machen, wenn der Raum nicht auch die Körper durchdringen würde, welche ihn erfüllen. Da dies aber der Fall ist, so wird die vollständige Stetigkeit des Raumes dadurch nicht im mindesten aufgehoben, daß er an einzelnen Stellen von den Körpern oder deren Atomen ausgefüllt ist. -

Das, was der Redner über den Monismus sagt, wird schwerlich von den Anhängern dieser Lehre gebilligt werden. Nach ihm soll "auch der Monismus mit dem
    "Unterschied beginnen, weil die Einheit, wenn sie keine abstrakte, sondern eine konkrete sein soll, die Unterschiede zu ihrer Voraussetzung hat um sie identifizieren zu können."
Allein die "Einheit Unterschiedener" ist nicht das, was jene Lehre als Monas setzt oder fordert. Die Einheit Unterschiedener ist ein Begriff, den kein philosophisches System entbehren kann, ja welchen selbst das gewöhnliche Denken benutzt. Eine solche Einheit bezeichnet nur die mannigfachen Weisen, in denen mehrere Unterschiede zu einem Gegenstand verbunden werden können. So hat z. B. das Salz eine Menge verschiedener Eigenschaften, allein dadurch, daß alle diese Bestimmungen einander in ein und derselben Stelle des Raumes durchdringen, werden sie zu einem Salzkorn. Ebenso ist die Kopula in jedem Urteil derjenige Teil, welcher das Subjekt und Prädikat zu einem Urteil verbindet. Die Unterschiedenen bleiben bei dieser Einheit das, was sie sind; sie nehmen nicht die mindeste Veränderung an, sondern werden durch das verbindende Element nur zu einem, oder zu einem geeinten Gegenstand. Solche unterschiedenen Bestimmungen werden dadurch auch nicht "identifiziert"; die Eigenschaften des Salzes bleiben ja bekanntlich verschieden trotz dieser Verbindung. Ebenso ist der logische Begriff eine solche vollzogene Einheit seiner verschiedenen Bestimmungen, während im Urteil diese Bestimmungen in der Form von Subjekt, Kopula und Prädikat bloßgelegt sind. Dem Inhalt nach ist der Begriff dasselbe, wie das Urteil und schon nach ARISTOTELES besteht die Definition eines Begriffs oder eines Gegenstandes in der Angabe seiner Gattung als Subjekt und seines Art-Unterschieds als Prädikat, also aus einem Urteil. Dagegen ist die Monas, welche der Monismus setzt, das Prius (to proteron) [das Vorhergehende - wp] im Sinne des ARISTOTELES) gegen seine Unterschiede; sie sind in ihm als Erstem noch nicht enthalten, erst die hinzutretende Emanation oder Entwicklung erzeugt aus der Monas die Unterschiede. Die Monas ist deshalb nicht ein, die schon vorhandenen Unterschiede bloß verbindendes Element, sondern sie ist im Anfang völlig ohne Unterschiede, einfach und deshalb kann sie PLOTIN nur mit dem Zahlwort to en [das Eine - wp] bezeichnen, indem die Eins der Gegensatz aller Verbindung ist. Ebenso beginnt deshalb HEGEL mit dem abstrakten Sein, als dem durchaus Unterschiedslosen; erst die dialektische Entwicklung bringt die Unterschiede und das Konkrete hervor, ähnlich wie bei PLOTIN die Emanation den nous [Geist - wp] und weiter die ideai und die logoi. -

Es ist ein großer Übelstand in HEGELs Philosophie, daß diese wichtigen Begriffe der Einheit und der Eins fortwährend durcheinander gemengt und als gleichbedeutend behandelt werden. Daher rührt auch in ihr dieselbe Vermengung der Begriffe des Identischen und des Gleichen#; eine Vermengung, die sich schon bei ARISTOTELES findet, bei dem sie jedoch durch den Mangel der griechischen Sprache entschuldigt wird, welche für beide nur dasselbe tauton [dasselbe - wp] hat. ARISTOTELES bezeichnet deshalb mit tauton sowohl das Gleiche, wie das Identische und dies erschwert nicht wenig das Verständnis seiner Schriften. Das bloß Gleiche hat auch allemal das Ungleiche bei sich, sollte das Ungleiche auch nur in der Verschiedenheit des Ortes bestehen, welche jedes der Gleichen im Raum einnimmt; das Identische schließt dagegen allen Unterschied aus und kann nie für zwei Dinge gelten; vielmehr fallen mehrere Gegenstände, denen man alle ihre Unterschiede nimmt, zuletzt zu ein und demselben Gegenstand zusammen. Ebenso kann das, was unterschieden ist und bleibt, nie durch die Einheit zu einem Identischen, sondern nur zu einem Konkreten werden. Dieser Mißbrauch des Identischen erschwert nicht wenig das Verständnis von HEGELs Schriften, und ist neben seiner dialektischen Entwicklung der Hauptgrund, weshalb HEGEL seine Lehre vielfach nur in Widersprüchen hat darlegen können, obgleich ihn dies nicht gehindert hat, seine Gegner damit zu widerlegen, daß er ihnen Widersprüche in deren Aussprüchen nachweist. -

Die Kategorien sind kein Spielzeug, sondern sie werden erst zu einem Spielzeug, wie die Hölzer im Baukasten des Knaben, wenn man ihre Ähnlichkeit oder Gleichheit in einzelnen ihrer Bestimmungen nun sofort zu einer angeblichen Entwicklung der Begriffe benutzt, wo der konkretere aus dem abstrakteren hervorgehen soll, und wenn man darauf sich stützend, damit ein großes Gebäude errichtet. Indem diese Begriffe neben der Gleichheit in einzelnen Bestimmungen auch wieder in anderen, ebenso erheblichen voneinander unterschieden sind, so ist ein Anderer ebenso berechtigt, diese letzteren Bestimmungen, die sie wieder mit anderen Begriffen als gleiche haben, zu einer Entwicklung derselben aus letzteren zu benutzen, wie dies auch die Hölzer des Baukastens gestatten, da sie nach ihren verschiedenen Seiten mit verschiedenen anderen Hölzern zusammenpassen und daher je nach Belieben zu sehr verschiedenen Bauwerken oder Konstruktionen benutzt werden können. Dies ist der wahre Grund weshalb über den Gang dieser Entwicklung im Einzelnen die Anhänger HEGELs in vielfachen Streit geraten sind, was doch nicht eintreten durfte, wenn diese Methode so sachlich begründet wäre, daß damit ein ganzes System zustande gebracht werden könnte. Was würde man von einer Mathematik halten, welche eine Formel für die Multiplikation der Zahlen aufstellt, die so schwankend und biegsam wäre, daß selbst sehr gescheite Leute damit zu sehr verschiedenen Resultaten gelangen könnten.

Einen Beleg hierzu ergeben die späteren Äußerungen des Redners, wonach ich, bloß deshalb, weil ich dem Geistigen die räumliche Ausdehnung beilege, schon ein Spinozist sein soll; ebenso die Äußerung, daß der Redner selbst sowohl Dualist, wie Monist sein will. Ich habe ferner nicht gesagt, "daß das Geistige materiell ist"; Materie und Raum sind sehr verschiedene Dinge, deren Gegensatz ich fortwährend betont habe. -

Die Erklärung, weshalb die dichteren, der Erde näheren Dünste bei ihrer Beleuchtung von der untergehenden weißen Sonne, dennoch rot gefärbt erscheinen, kann der verehrte Redner bei HELMHOLTZ in dessen "Abhandlungen" nachlesen. Diese groben, schon viel mit Wasserbläschen und Staub vermischten Dünste werfen wegen ihrer gröberen Bestandteile nur die in längeren Wollen sich bewegenden Ätheratome zurück und erscheinen deshalb rot gefärbt, während die kürzeren Wellen der Ätheratome durch diese Dünste hindurchgehen. Indem bei den feineren und reineren Bestandteilen der höheren Luftschichten das Umgekehrte stattfindet, ist der Tageshimmel blau.

Der zweite Redner, Herr EBERTY, ist mit so viel Bescheidenheit aufgetreten, daß er mir keinen Anlaß zur Verteidigung bietet. Ich will nur bemerken, daß ich das Wesen des Räumlichen nicht in die Undurchdringlichkeit gesetzt habe, wie der Redner gesagt hat, sondern gerade in die Durchdringlichkeit. Deshalb habe ich den Raum auch als eine geistige Sphäre behandelt, und die von Herrn EBERTY zitierten Beispiele werden deshalb wohl nicht passen. Auch dürfte es wohl eine kleine Überschreitung der Bescheidenheit sein, wenn Herr EBERTY den Zusammenhang der Wahrnehmungen mit ihren Gegenständen zu einem Problem erklärt, zu dessen Lösung die Philosophie nie gelangen kann und wozu die Pforten des Tempels ihr niemals geöffnet werden würden.

Die Entgegnungen des dritten Redners, Dr. HOFFMANNs, waren mir sehr interessant, weil sie ein deutliches Beispiel vom Wesen und dem Verfahren des Idealismus in der Philosophie bieten. Indem ein solcher Idealismus sich in kühnen Aussprüchen bewegt und Begriffe der heterogensten Art zu Gliedern eines Gesetzes verbindet, überrascht er durch seine Neuheit, und indem er sich gern in Widersprüchen bewegt, umgibt ihn der Schein des Geistreichen und Tiefsinnigen, dessen Reizen man sich ebenso gern gefangen gibt, wie den Zaubergeschichten des ARIOST; denn in Wahrheit bildet der Idealismus den poetischen Gegensatz zu der trockenen Prosa des Realismus. Er wird deshalb auch, seitdem PLATO ihn begründet, nie aufhören, zahlreiche Anhänger unter jener großen Klasse der Gelehrten zu haben, deren Gemüt sich mit dem, was die äußere und innere Wahrnehmung und die denkende Verarbeitung dieses Inhaltes bieten, nicht begnügen mögen.

Indem wir beide über die Prinzipien aller Erkenntnis nicht einig sind, liegt auf der Hand, daß auch jeder Streit über philosophische Fragen uns nie zu einer Einigung führen kann, und ich erkenne vollkommen an, daß Herr Dr. HOFFMANN nach seinen Prinzipien völlig im Recht ist, wenn er meine Behandlung des gestellten Problems für eine "durchaus unphilosophische" erklärt. Nach meiner realistischen Auffassung hat die Philosophie mit den besonderen Wissenschaften nicht allein dasselbe Objekt, das Seiende in und außerhalb von uns, zu ihrem Gegenstand, sondern sie hat auch keine besonderen, ihr eigentümlichen Mittel zur Erreichung der Wahrheit, und kann dafür nur dieselben Mittel und Wege benutzen, welche auch die besonderen Wissenschaften gebrauchen. Insbesondere unterscheidet sich die Philosophie nicht dadurch, daß sie ein freies Erkennen ist; vielmehr ist sie, wenn sie sich nicht in Phantasien oder Spielereien verlieren will, ebenso wie die besonderen Wissenschaften an die bekannten Gesetze des Denkens gebunden und der Unterschied jenes angeblichen freien Erkennens vom Erkennen in den besonderen Wissenschaften liegt nicht darin, daß letztere sich an jede beliebige Hypothese für gebunden erachten, sondern darin, daß sie nur solche Hypothesen anerkennen, die auf das konkret Seiende und dessen Vorgänge angewendet, zur Erklärung derselben ausreichen und daß sie jede andere, dieses Kriterium nicht bis ins Genaueste einhaltende Hypothese zur Zeit noch nicht als eine Wahrheit gelten lassen. Dagegen entbindet sich der philosophische Idealismus von diesem Zwang; er begnügt sich, mit bloßen Ähnlichkeiten, um solche Begriffe ohne weiteres zu Gliedern von Gesetzen zu erheben. Daher die endlosen Streitigkeiten innerhalb dieser Systeme, da jeder halbwegs befähigte Kopf mit gleichem Recht andere Begriffe und Gesetze aufstellen kann. Für diese Freiheit bedankt sich der Realismus; für ihn liegt gerade in der Notwendigkeit, mit der das Denken seine Gesetze einhalten, und scharf beobachtete Tatsachen gelten lassen muß, das alleinige Mittel, um die allgemeine Anerkennung seiner Resultate zu erreichen. Insbesondere erscheint eine Prüfung von Prinzipien darauf, "ob sie in sich selbst vernünftig sind" ein höchst zweifelhaftes Unternehmen, weil der Begriff des "Vernünftigen" so biegsam und schwankend ist, daß jedermann ihn für seine Behauptungen in Anspruch nehmen kann. -

Herr HOFFMANN hat meine Hypothese ganz richtig skizziert; ich habe dabei die Prinzipien der modernen Naturwissenschaft akzeptiert, nicht um sie um jeden Preis aufrechtzuerhalten, sondern weil sie die einzigen sind, welche die Vorgänge in der Natur erklären und weil mittels der von ihr aufgestellten Gesetze dem Menschen eine Macht über die Natur gegeben worden ist, wie sie der Idealismus sich nie hat träumen lassen. -

Wenn ich gesagt habe, daß wir mit unseren Erkenntnismitteln die Frage, ob der Raum unendlich in seiner Ausdehnung ist, oder nicht, nicht entscheiden können und dann doch sage: "Als das Unbegrenzte durchdringt und umgibt der Raum alle begrenzten Körper", so liegt darin wohl kein Widerspruch, wie Herr HOFFMANN behauptet, denn dort habe ich nur von dem einen, stetig zusammenhängenden Raum gesprochen und deshalb auch nur das Wort: unendlich gebraucht, während ich beim zweiten Satz nur sage, daß die einzelnen Raumstellen, in denen sich ein begrenzter Körper befindet, noch immer über ihn hinausragen. Mit diesem Hinausragen über einen endlichen und begrenzten Körper ist daher nur dasselbe gesagt, wie vorher, daß wir nämlich in unserem Wahrnehmen keine Grenze für die Ausdehnung des Raumes haben; aber es ist damit nicht gesagt, daß der Raum selbst ansich eine unendliche Ausdehnung haben muß. Das "Unbegrenzte" gilt hier nur für die einzelnen übersehbaren Stellen, in denen ein Körper wahrgenommen wird. Will Herr HOFFMANN dagegen den Raum wirklich als unendlich nehmen, so kann ich natürlich dies so wenig, wie das Gegenteil bestreiten. -

In meinem Satz "daß der Raum alle Körper durchdringt", ist das "durchdringt" nur sprachlich ein Aktivum; aus den übrigen, ihm von mir beigelegten Eigenschaften erhellt sich zur Genüge, daß dieses Durchdringen keine Tätigkeit des Raumes bezeichnet, sondern nur eine einfache Folge von der Durchdringlichkeit des Raumes überhaupt, welcher von jedem beliebigen Körper erfüllt werden kann. Es dürfte daher der von Herrn HOFFMANN gerügte Widerspruch hier nicht vorhanden sein. -

Der Vergleich mit dem Fisch im Wasser dürfte nicht passen; denn der Fisch braucht das Wasser nicht bloß zu seiner Bewegung, sondern nach seiner Organisation auch zu seinem Atmen; während der Raum in gar keiner tätigen Beziehung zu den Körpern steht, die ihn erfüllen. Da zum Begriff des Körpers seine Ausdehnung und gestalt gehört, so folgt von selbst, daß ein Körper ohne Raum unmöglich ist; es ist dies nur ein analytischer Satz. -

Ebenso folgt aus der völligen Durchdringlichkeit und Unbeweglichkeit des Raumes, daß der Körper den Raum, den er einnimmt, bei seiner Bewegung nicht mitnehmen kann,sondern stetig in eine andere Stelle des Raumes eintritt, solange er sich bewegt. Der Raum als Einer wird ferner durch diese Bewegung in ihm nicht im Mindesten affiziert; es ist deshalb auch keine bestimmte Stelle des Raumes mit dem Körper wesentlich verbunden, wie Herr HOFFMANN sagt, während allerdings die räumliche Ausdehnung überhaupt dem Körper wesentlich ist. Deshalb würde, wie Herr HOFFMANN sehr hübsch sagt, "der Körper sterben müssen, dem der Raum entzogen ist"; nota bene [nicht zu vergessen - wp], der Raum überhaupt, nicht eine bestimmte Stelle des Raumes. Es ist wie mit den Fischen im Wasser; das Wasser überhaupt ist ihnen wesentlich, aber nicht eine bestimmte Stelle des Wassers.

Der eigenen Lehre des Herrn Dr. HOFFMANN über den Raum bin ich mit großem Interesse gefolgt; ich kann jedoch seine Ableitung der Unendlichkeit des Raumes aus dessen Stetigkeit nicht als richtig anerkennen. Die Stetigkeit des Raumes ist von der Größe der Ausdehnung des Raumes nicht bedingt; schon ein Kubikmeter Raum enthält in sich die Stetigkeit; für die Sinneswahrnehmung ist jeder Bogen Papier eine stetige Größe und wenn er für den Physiker nur aus getrennten Atomen besteht, so bezweifelt dieser doch nicht, daß der von diesem Bogen Papier eingenommene Raum eine stetige Größe ist, weil der leere Raum eben nicht aus Atomen oder getrennten Stücken besteht. An der Grenze einer Raumstelle hört allerdings deren Stetigkeit auf, aber nicht weil sie begrenzt ist, sondern weil eben über diese Grenze hinaus diese Raumstelle selbst aufhört. Die Stetigkeit des Raumes ist eine innere, allen Orten desselben gleichmäßig innewohnende Eigenschaft, welche daher von der Größe der Orte ganz unabhängig ist; nicht die Stetigkeit ist es, welche über jede Grenze hinaustreibt, sondern die für uns vorhandene Unmöglichkeit, sich eine reale Grenze für den Raum vorzustellen. -

Der Satz: "Unendlichkeit ist gleichbedeutend mit Maßlosigkeit und absoluter Bejahung" ist kaum verständlich; un endlich und maß los sind beides Verneinungen und es ist schwer einzusehen, wie sie als solche absolute Bejahungen sein sollen. Erst wenn man die Grenze als eine Verneinung faßt und diese Grenze in der Unendlichkeit verneint, könnte man sagen, diese zweifache Verneinung ist eine Bejahung. Wahrscheinlich hat der Redner dies auch so gemeint. Allein dieses Verneinen der Grenze geschieht doch bloß innerhalb unseres Denkens und ist bloß ein anderer Ausdruck dafür, daß unserem Vorstellen eine Bestimmung fehlt, welche den Raum begrenzen könnte. Dieser Mangel in unserem Vorstellen ist jedoch noch keine Beweis für die reale Grenzenlosigkeit des Raumes; sonst hätte auch der indische Gelehrte Recht gehabt, welcher die Unmöglichkeit des Eises behauptet, weil ihm die Vorstellung dafür fehlte. -

Nicht weniger sonderbar war der sich gleich anschließende Satz
    "daß, wenn etwas nach einer Richtung hin eine reine Bejahung erfährt, dies nur auf Kosten einer entsprechend anderen Richtung geschehen kann, die dadurch absolut verneint wird."
Der Redner brauchte allerdings diesen Satz als Obersatz, um seine weiteren Behauptungen als logische Konklusionen aus demselben hinstellen zu können; allein nichtsdestoweniger bleibt dieser Satz eine petitio principii [es wird vorausgesetzt, was erst zu beweisen ist - wp], für welche jeder Beweis fehlt; ja das Beispiel mit dem Rechteck beweist das Gegenteil, weil ein Rechteck von unendlicher Höhe und Null Breite in Wahrheit kein Rechteck mehr ist, sondern nur eine unendliche Linie. Der Redner kann übrigens selbst in seinem Sinn diesen Satz nur dadurch aufrecht erhalten, daß er die weitere Bedingung hinzusetzt, daß der Flächeninhalt des Rechtecks trotz seiner gesteigerten Höhe derselbe bleibt; allein diese Bedingung liegt nicht in seinem allgemeinen Satz; er müßte deshalb auch von einem Rechteck ohne diese Bedingung gelten, und da zeigt er sich als falsch. Die Höhe und Breite des Rechtecks überhaupt stehen in gar keiner solchen Beziehung; die Breite eines Rechtecks kann trotz der Vergrößerung seiner Höhe dieselbe bleiben; sein Inhalt wird dadurch zwar vergrößert, aber die Natur des Rechtecks nicht aufgehoben. -

Unzweifelhaft sehr ingeniös [geistreich - wp] war dann die Ableitung des grenzenlosen leeren Raumes aus einer unendlichen Verdünnung der unendlichen Dichtheit des Weltpunktes. Allein auch hier kann man entgegnen, daß diese unendliche Verdünnung die Dichte nicht bloß "latent" macht, sondern als Dichte oder Körperlichkeit aufhebt; es ist eben dann kein Körper mehr vorhanden, sondern nur noch ein leerer Raum. Es ist ebenso, wie mit dem Rechteck, welches bei seiner Nullbreite kein Rechteck mehr ist, sondern eine Linie. Diese Benutzung des mathematischen Unendlich-Kleinen ist allerdings eine geistreiche Erfindung von LEIBNIZ und NEWTON; allein sie ist doch nur für Rechenoperationen brauchbar, wo an deren Schluß dieses Unendlich-Kleine, soweit es nicht Verhältnisse ausdrückt, wieder ausgestoßen werden kann und muß, um ein Resultat zu gewinnen, was für endliche Größen verwendbar ist. Dagegen kann die Philosophie die Benutzung dieses Unendlich-Kleinen nicht gestatten, um fest abgegrenzte und voneinander dadurch scharf getrennte Begriffe, wie Linie und Fläche, als gleichartige Begriffe in der Art darzulegen, daß der eine kontinuierlich in den anderen übergehen kann.

Ich unterlasse die weitere Prüfung des vom Redner Abgeleiteten; die Dialektik ist ja meisterhaft benutzt, sie endet aber leider in dem Widerspruch, daß die Welt sowohl begrenzt als auch unbegrenzt ist und entzieht sich damit aller Widerlegung. Ebenso schwierig zu fassen ist, daß dieser Widerspruch durch die Schwingung aufgehoben wird. Dieses Spiel mit unverträglichen und disparaten Begriffen habe ich bereits charakterisiert; dem Realismus ist es unmöglich, hier zu folgen. Nur noch Eins möchte ich bemerken. Gegen diese Dialektik, welche den unendlich leeren Raum aus einem unendlich dichten Weltpunkt oder umgekehrt ableitet, erhebt sich nämlich das Bedenken, daß dabei, wenn der Weltpunkt "in welchem Alles ist" sich unendlich ausdehnt, er nur zu einem leeren unendlichen Raum wird, und daß, wenn sich umgekehrt dieser Raum verdichtet, er nur zu einem Weltpunkt wird. Nun haben wir aber nach dem Redner in der wirklichen Welt beides; sowohl einen unendlichen Raum wie eine zahllose Menge relativ dichter Körper; beides kann aber der eine Weltpunkt durch seine Verdünnung nicht leisten; entweder verwandelt er sich vollständig in den unendlich leeren Raum ohne Körper oder er bleibt bei der relativen Dichte der Körper stehen und dann fällt der unendliche Raum. Um also beides herzustellen, brauchen wir zwei Weltpunkte, obgleich doch jeder von ihnen schon Alles enthalten soll; oder auch zwei unendliche leere Räume deren einer bleibt was er ist, während sich der andere zu relativ dichten Körpern zusammenzieht. Ja, wir kommen auch mit zwei Weltpunkten noch nicht aus, weil es diesem Redner nach keine leere Stelle im unendlichen Raum gibt; er ist überall mit relativ dichten Körpern erfüllt, und um dies durch eine Verdünnung herzustellen müßten unendlich viele und unendlich dichte Weltpunkt vorhanden sein. -

Auch entsteht die Frage, wer diese Verdünnung oder Verdichtung besorgt? Sollen der Weltpunkt oder der leere unendliche Raum sich selbst verdünnen oder verdichten? oder besorgt dies die Dialektik oder ein Gott oder eine immanente Vernunft? Und wo bleibt dann der Monismus? Herr HOFFMANN hat dann auch die Untrennbarkeit des Subjekts vom Objekt behandelt; er meint, ohne Subjekt entsteht die Frage: "Wozu der Lärm; für wen ist das alles?" Allein diese Frage kann für den Realismus nicht entstehen, weil das Sein des Objekts durch das Wissen eines Subjekts nicht bedingt ist und weil der Zweck ein Begrifff ist, der nur dem Wissen angehört. Es stünde schlimm um unseren Planeten, wenn er selbst durch das Dasein wissender Geschöpfe auf ihm bedingt wäre. Nach dem Redner wäre die Erde ohne solche Geschöpfe gar "nicht existenzfähig" ein Satz, mit dem die Geologie sich schwerlich einverstanden erklären wird. -

Gleiches gilt für das "Sein für anderes" was ja nur ein anderer Ausdruck für den "Zweck" ist. - Sollte das Beispiel mit dem Klumpen Gold nicht gerade das Gegenteil beweisen? Derselbe war doch offenbar schon vorhanden, ehe Robinson ihn auf der einsamen Insel fand; er hatte vorher ein "Sein ansich" ohne "ein sein für Anderes", und zwar trotzdem nicht verhungert.

Wenn der Redner dann das Denken zum Allgemeinen aller Qualitäten macht, ja später zu den Sinnesqualitäten gerechnet hat, ohne die keine andere Qualität zum Sein und zur Perzeption gelangen kann, so kann man auch hier kaum folgen. Der Mensch müßte dann schon mit der Konzeption im Mutterleib sein Denken beginnen, denn alle seine anderen Qualitäten, die er schon als Embryo bekommt, sind dann von seinem Denken bedingt.

Ebensowenig habe ich dem Redner in der später gegebenen Erklärung des Bewußtseins und Wahrnehmens folgen können. Die Erklärung erfolgte mittels einer Dialektik, welche die disparatesten Dinge ohne Bedenken verbindet, auseinander ableitet und welche da, wo es nicht weiter geht, sich bei einem Widerspruch nicht bloß beruhigt, sondern ihn sogar zur höchsten Wahrheit erklärt. Allen Respekt vor einer solchen Geisteskraft, denn sie ist in ihren Produkten unangreifbar. Dasselbe gilt auch vom Logos, mit welchem der Redner geschlossen hat. -

Der größte Übelstand bei dieser dialektischen Behandlung der Philosophie liegt darin, daß zwischen dieser und den besonderen Wissenschaften eine breite Kluft bleibt, welche sie beide völlig geschieden hält; denn was kann die moderne Naturwissenschaft mit dieser Dialektik anfangen? Es ist für sie unmöglich, damit die großen Aufgaben, die ihr noch vorliegen, in einer Weise zu lösen, welche zu bestimmten und klaren Naturgesetzen führte und doch ist nur durch solche Gesetze jene große Macht des Menschen über die Naturkräfte erlangt worden, die alle realen Fortschritte der Menschheit ermöglicht hat. Diese Dialektik hält sich dagegen in einer Höhe, aus der es keine Brücke zur Methode der heutigen Naturwissenschaft gibt und auch keinen Weg auf dem sie der Naturwissenschaft in ihren wichtigen praktischen Aufgaben auch nur die mindeste Hilfe leisten könnte.

Der vierte Redner, Herr VOGEL, ein geschätzter Lehrer der Mathematik und Physik, macht es mir wieder möglich, eine beiderseits verständliche Sprache zu führen; auch beruhen seine Einwürfe teilweise auf Mißverständnissen meines Vortrags, an denen ich vielleicht selbst durch eine mangelhafte Ausdrucksweise die Schuld trage.

Herr VOGEL meint, meine Theorie sei nicht, wie ich behauptet habe, eine Ergänzung der Naturwissenschaft, sondern steht mit ihr in einem unversöhnlichen Widerspruch. Dies soll sich zunächst daraus ergeben, daß ich den Raum zu einer geistigen Sphäre gemacht habe. Aber sind damit irgendwelche von den Bestimmungen aufgehoben, welche die Naturwissenschaft für den Raum aufstellt? Habe ich nicht genau wie sie, ihn für stetig, ansich leer, durchdringlich, ohne erkennbare Grenzen angenommen, also alles, was auch die Naturwissenschaft von ihm aussagt. Liegt nicht in dem Wort "Sphäre" die Anerkennung seiner Ausdehnung? So bleibt nur der Unterschied, daß ich diese Sphäre zu einer geistigen mache. Allein indem ich dadurch keine der Bestimmungen aufhebe, welche die Naturwissenschaft dem Raum zuteilt, trifft dieses Geistige nicht zunächst den Raum, sondern den Begriff des "Geistes" mit dem die Physik ja nichts zu tun hat. Ich erweitere nur den Begriff des Geistigen; dagegen könnte sich vielleicht die Psychologie auflehnen, aber keinesfalls die Naturwissenschaft; für welche die "geistige Sphäre" nur ein anderes Wort ist, das sie nicht berührt, da ich allen Inhalt, den die Naturwissenschaft dem Raum zuspricht, ja ebenfalls dem Raum zuteilt und nichts weiter.

Es ließ sich allerdings erwarten, daß der Begriff "geistiger Sphären" großen Anstoß erregen wird, weil ich denselben eine räumliche Ausdehnung un in ihren höheren Arten auch eine unmittelbare Wirksamkeit auf die Körper oder Atome zuschreibe. Allein in dieser Ausdehnung des "Geistigen" liegt wesentlich der Kern meiner Lehre und nur wenn man den Begriff des Geistes auf die Besondere Art beschränkt, wie er in unserer Seele besteht, kann man diese Ausdehnung tadeln, insbesondere kann auch die Einheit und Natur des menschlichen Geistes durch eine solche Ausdehnung nicht leiden; im Gegenteil werden durch die hinzutretenden Ausbreitung desselben im ganzen Leib oder im ganzen Nervensystem eine Menge Schwierigkeiten beseitigt, die bei der Punktualität des menschlichen Geistes ganz unlösbar sind, z. B. die Vorstellung des ausgedehnten Raumes, die innerhalb eines punktuellen Geistes geradezu unmöglich ist. Auch ist diese räumliche Ausdehnung des Geistes bereits in der Allgegenwart Gottes allgemein anerkannt und selbst in der Philosophie findet sich das Gleiche in der, der Welt überall immanenten Weltvernunft und in dem All-Einen EDUARD von HARTMANNs, dessen überall gleichzeitig eintretende Hilfe bei den Vorgängen in der unorganischen und organischen Natur nur bei einer Ubiquität [Allgegenwart - wp] des Unbewußten möglich ist. Auch ist es ein Irrtum, wenn man meint, die Naturwissenschaft habe es nur mit Körperlichem zu tun. Was sind ihre Kräfte anderes, als geistige Wirksamkeiten; denn wären sie körperlich, so könnten sie nicht auch da wirken, wo ihr Körper, dem sie innewohnen sollen, nicht ist und sie könnten sich nicht in der mannigfachsten Weise durchkreuzen, ohne dabei im mindesten einander zu stören. Die Erde zieht den Mond an und der Mond umgekehrt die Erde; diese entgegengesetzten Wirksamkeiten beider durchkreuzen sich im Raum zwischen beiden, ohne einander im Mindesten zu stören. Dasselbe gilt auch von den Molekularkräften und von den in den elektrischen Strömen enthaltenen entgegengesetzten Wirksamkeiten. Die Naturwissenschaft ist auch weit entfernt, diese Kräfte als etwas Körperliches zu nehmen; sie schweigt nur über diesen Punkt. Ebenso hat die neuere Philosophie, insbesondere SCHOPENHAUER und von HARTMANN, den Begriff des Willens so ausgedehnt, daß darunter auch alle physikalischen Kräfte fallen; gerade hiergegen hat niemand protestiert und doch ist damit diesen Kräften die Natur des Geistigen beigelegt. Besteht doch selbst bei den niedersten Tieren das Geistige nur in einer Wirksamkeit auf ihre Bewegungen? Und ist es nicht ganz gerechtfertigt, bei Geistigen ebenso ein allmähliches Aufsteigen zu höheren Arten anzunehmen, wie bei den Formationen des Körperlichen? Noch ist die Naturwissenschaft trotz DARWIN u. a. nicht imstande gewesen, die formbildende Kraft innerhalb des Organischen aus rein physikalischen und chemischen Kräften abzuleiten; drängt diese Unfähigkeit nicht notwendig dahin, diese organische Kraft als eine geistige Kraft höherer Art aufzufassen, die nicht bloß geradeaus wirkt, sondern die Atome und die niederen Kräfte zwar benutzt, aber aus sich heraus so leitet, daß sie zu einer Zelle werden und von da aufsteigend zu den kunstvollen Gestalten der Pflanzen und Tiere? Kann die rätselhafte Vererbung körperlicher und geistiger Eigenschaften wohl anders erklärt werden, als daß die Konzeption nicht bloß ein körperlicher Vorgang ist, sondern auch eine Teilung des Geistigen der Eltern und eine Mischung desselben? Dies alles und vieles Andere drängt unabweislich dahin, den Begriff des Geistigen über die bisherige Gewohnheit hinaus weiter zu fassen, und insbesondere die Ausdehnung und die Durchdringlichkeit zu den Eigenschaften des Geistigen in seiner obersten Gattung zu machen. Dies führt dann ganz konsequent dazu, den Raum zu einer geistigen Sphäre zu erklären, was aber den physikalischen Begriff des Raumes nicht im Mindesten verletzt, sondern ihn nur ergänzt, indem er infolge seines Mangels höherer Eigenschaften als die niederste Art des Geistigen zu nehmen ist. Damit lösen sich die bisherigen Schwierigkeiten; nur weil man den leeren Raum weder zu den Körpern rechnen konnte, noch zu etwas Geistigem erklären mochte, geriet man auf den seltsamen Gedanken, dem Raum alle Gegenständlichkeit zu nehmen und ihn zu einer bloßen Form unserer Sinnlichkeit zu erklären; ein Ausweg, der sich schon dadurch als falsch zeigt, weil dann ganz unerklärlich wird, daß alle Menschen seit Adam die Sonne für rund gehalten haben und keiner für eckig oder für anders gestaltet; denn wenn der Einzelne die räumliche Gestalt nur aus sich selbst hinzufügt und das intelligible Ding ansich hierbei nicht den mindesten Einfluß üben kann, so ist diese allgemeine Übereinstimmung ein unbegreifliches Rätsel.

Ganz ähnlich wie KANT den Raum zur bloßen Vorstellung machte, weil er nicht wußte, wo er ihn sonst unterbringen sollte, verfährt nun auch die Naturwissenschaft mit den sekundären Qualitäten der Dinge. Indem sie die Elemente der Natur auf körperliche Atome und deren Bewegungen zurückführt, und aus diesen Elementen sich diese Qualitäten nicht ableiten lassen wollten, verstieß sie dieselben aus der äußeren Natur und schob sie in die Seele, als bloß subjektive Zustände derselben. Dies war nun allerdings sehr bequem; ja man kann auch mit Herrn VOGEL sagen, "konsequent", aber doch gewiß keine Lösung, sondern nur eine Verschiebung der Aufgabe. -

Ist denn die Seele mit ihren verschiedenen Zuständen nicht auch ein Gegenstand der Naturwissenschaft? bildet die Psychologie nicht einen Teil der Naturwissenschaft und ist das Wahrnehmen mit seinen mannigfachen Empfindungen nicht auch ein seiender Vorgang in der Seele, der so gut seine Erklärung fordert, wie die scheinbar so verworrenene Bewegung der Weltkörper? Die Frage ist also durch diese Umwandlung in etwas Subjektives nicht im Mindesten gelöst, sondern nur aus einem Teil der Naturwissenschaft in einen anderen verschoben, wo er aber ebenso seine Erklärung verlangt, wie die Vorgänge der äußeren Natur. Die Psychologen haben sich nun mit der ihnen zugeschobenen Sache auch nicht zu helfen gewußt, und so scheint mir jeder Versuch berechtigt, der diesen Qualitäten wieder ein objektives Dasein zu verschaffen und eine Erklärung dafür zu finden übernimmt. Wären sie nur subjektiver Natur, so bleibt zudem, wie beim Raum, unbegreiflich, weshalb alle gesunden Menschen mit dem objektiven Zucker einen süßen Geschmack verbinden. HELMHOLTZ statuiert zwar eine gesetzliche Verbindung des Objektiven mit dem Subjektiven und will deshalb das Subjektive, wenn auch nicht als Bild, so doch als sicheres Zeichen eines zu ihm gehörenden Objektiven gelten lassen; allein die Art dieser Verknüpfung beider bleibt dabei völlig unbestimmt und diese schwer zu fassende Gesetzlichkeit ist nur erst deshalb herbeigeholt worden, weil man diese Qualitäten aus dem Objektiven ausgeschlossen hatte. Eine Konsequenz, wie sie Herr VOGEL im bisherigen Verfahren der Naturwissenschaft annimmt, kann doch offenbar die Ergänzung der Wissenschaft durch neue Annahme nicht ausschließen; sonst hätte auch KEPLER die von KOPERNIKUS angenommene Kreisbewegung der Planeten nicht in Ellipsen umwanden und NEWTON diese Bewegung nicht durch eine Hinzufügung der Gravitation ergänzen dürfen. Ebenso hätte man aus der Elektrizität, die lange nur als Eigenschaft der Körper galt, nicht ein selbständiges Fluidum machen dürfen, was diese Körper nur durchströmt. Genauso verfahre ich in meiner Hypothese; sie nimmt der Naturwissenschaft nichts von ihren Atomen und von den Gesetzen ihrer Bewegung; sie leitet nur diese Bewegungen nicht mehr von Eigenschaften der Atome ab, sondern von geistigen Substanzen, welche diese Atome umgeben. Es mag bei meiner Hypothese noch vieles mangelhaft sein; allein ein Widerspruch mit der Naturwissenschaft ist in dieser Umwandlung der Eigenschaften in geistige Sphären nicht enthalten; alle Körper- und Ätheratome und ihre Bewegungen bleiben wie bisher und diese Sphären sollen zunächst nur den Widerspruch beseitigen, daß diese Eigenschaften der Atome da wirken, wo ihre Atome nicht sind, und sie sollen weiter eine Erklärung bieten, welche den Notbehelf, die Qualitäten zu subjektiven Vorstellungen zu machen, entbehrlich macht.

Herr VOGEL hat sich an den Ausdruck von mir gehalten, "daß die Gesetze der Körperwelt auf die Wirksamkeit einer geistigen Sphäre keine Anwendung finden" und meint, darin läge der Widerspruch meiner Lehre mit der Naturwissenschaft. Ich gebe zu, dieser Ausdruck kann leicht mißverstanden werden; es sollte damit jedoch nur gesagt sein, daß die Gesetze der Bewegung der Atome innerhalb dieser Sphären dadurch nicht aufgehoben werden, wie sich dies ja aus dem Fortgang meines Vortrages deutlich erhellt; es sollte nur angedeutet werden, daß die Abnahme der Gravitation im quadratischen Verhältnis der Entfernung sich aus der Geometrie nicht ableiten läßt, weil ja die Gravitation nicht bloß an der äußersten Oberfläche ihres Wirkungskreises anzieht, sondern auch an allen Stellen innerhalb desselben. Die Gravitation, wenn sie also überhaupt durch die Entfernung abnimmt, muß deshalb im kubischen und nicht im quadratischen Verhältnis abnehmen, denn diese Wirksamkeit muß sich durch die ganze Kugel verbreiten; wenn also der Inhalt der Kugel im kubischen Verhältnis zunimmt, so muß auch die Gravitation in demselben Verhältnis abnehmen. Wäre hier eine geometrische Notwendigkeit vorhanden, so müßten auch die abstoßenden Kräfte im gleichen quadratischen Verhältnis abnehmen; allein hier nimmt selbst die Naturwissenschaft eine Abnahme in viel höheren Potenzen an. Ich bedauere, daß Herr VOGEL sich nicht näher auf diese Bedenken eingelassen hat; sie kehren auch bei der Abnahme des Lichtes wieder; die Beobachtung bestätigt allerdings das Gleiche, wie bei der Gravitation, nämlich eine Abnahme im quadratischen Verhältnis; auch ich will dies nicht bestreiten, allein ich kann nicht anerkennen, daß dieses aus geometrischen Gesetzen folgt. Meine Lehre ist also auch hier nicht im Widerspruch mit den Tatsachen und Gesetzen der Naturwissenschaft; sie kann nur deren Ableitung aus geometrischen Gesetzen nicht zulassen. Wenn eine Kugel von einem Fuß Durchmesser zu einer Kugel von drei Fuß Durchmesser ohne Hinzutun von neuem Stoff, ausgedehnt wird, so muß ihr Inhalt sich nicht um das 9-fache, sondern um das 27-fache ausdehnen. Genau derselbe Vorgang findet bei der Gravitation statt, denn sie wirkt an allen Punkten dieser Kugel, sie müßte also im kubischen Verhältnis abnehmen, wenn deren Abnahme mit der Entfernung überhaupt richtig sein soll. Da nun dies nicht der Fall ist, ja sogar die Anziehung innerhalb der Entfernung von einem Fuß vom Zentrum die frühere bleibt, trotz der Ausdehnung zu drei Fuß, so erhellt sich daraus, daß diese Ableitung der Abnahme im quadratischen Verhältnis hier durchaus nicht aus den Gesetzen der Geometrie erklärt werden kann.

Ein zweiter Vorwurf, der mir von Herrn VOGEL gemacht wird, hat in gewisser Hinsicht seine Berechtigung; ich habe das jedoch schon selbst in meinem Vortrag anerkannt. Herr VOGEL sagt:
    "Die Naturwissenschaft geht davon aus, alle komplizierten Vorgänge aus der Wirksamkeit der Elementarteil, ihrer ursprünglichen Kräfte und Bewegungsgesetze darzulegen; ich ließe dagegen alle Vorgänge und Wirksamkeiten zu lauter isolierten und voneinander unabhängige geistige Sphären erstarren" und "Herr von Kirchmann hat sich die Lösung seiner Aufgabe doch gar zu leicht gemacht, wenn er für jede Eigenschaft der Naturkraft flugs eine besondere Sphäre annimmt. Auf diese Weise läßt sich alles erklären usw."
Ich selbst habe in meine Vortrag gesagt:
    "Die sogenannte Lebenskraft, die zweckmäßig wirkende Weltvernunft, das Unbewußte von Hartmanns und viele andere Theorien leiden an dem einen Hauptmangel, daß sie die Rätsel und Verwicklungen, welche die organische Welt bietet, nicht lösen, sondern nur unter einem anderen Namen wiederholen und in einen Begriff zusammenfassen, in welchem alle diese Rätsel in derselben Weise fortbestehen. Der menschliche Geist verlangt dagegen eine Auflösung dieser verwickelten Bildungen in einzelne einfache, nach festen Gesetzen wirkende Kräfte."
Ich bin also auch in der Aufgabe, welche der Naturwissenschaft obliegt, ganz mit Herrn VOGEL einverstanden; aber ich habe auch sofort hinzugefüft, daß nach meiner Ansicht das Organische mittels der in der Naturwissenschaft bis jetzt aufgestellten einfachen physikalischen und chemischen Kräfte niemals in dieser Weise erklärt werden kann, wie alle bisherigen Versuche deutlich ergeben haben. Die Naturwissenschaft wird sich deshalb wohl oder übel zu einer Ergänzung entschließen müssen, die nicht in neuen einfachen und geradeaus wirkenden Kräften gesucht werden kann, sondern nur in einer Hinzunahme von geistigen Elementen, die mehr oder weniger schon nach einem gewissen Vorbild die Atome und die einfachen Wirksamkeiten der Natur kombinieren und so insbesondere die eigentümlichen gerundeten Formen zustande bringen, welche das Organische auszeichnen. Dabei ist es durch nicht notwendig, diesen geistigen Elementen schon ein Bewußtsein beizulegen, obgleich sie anscheinend zweckmäßig wirken. Etwas Ähnliches sei ja schon in den unbewußten tierischen Instinkten vorhanden. -

Aus diesen Erwägungen ist meine Ansicht geistiger Sphären für das Organische hervorgegangen. Ich gebe zu, daß diese Sphären schon eine Komplikation enthalten, wie sie innerhalb der unorganischen Natur nicht zugelassen werden darf; allein ich glaube auch, daß der Begriff des Organischen der Auflösung in einfache, geradeaus wirkende Kräfte widersteht und daß so wenig, wie man die Zustände der Seele aus solchen einfachen Kräften ableiten kann, dies auch für das Organische überhaupt nicht möglich ist. Ich habe deshalb auch entwickeltere Arten von Sphären angenommen, deren Unterschied gerade darauf beruth, daß diese elementaren Kräfte nicht ausreichen, sondern durch formbildende, nach einem Vorbild mit einer gewissen Beweglichkeit wirkende Sphären ergänzt werden müssen, und daß gerade darin die höheren Stufen des Geistigen sich von den niederen und einfacheren unterscheiden. Ich erkenne also an, daß ich hier der oben formulierten strengen Forderung der Naturwissenschaft nicht habe nachkommen können, aber ich habe auch zu zeigen gesucht, daß diese Forderung innerhalb des Organischen und Seelischen zu erfüllen unmöglich ist. Dagegen habe ich in meinem Vortrag bereits ausgeführt, daß durch die Annahme organischer Sphären dennoch ein Fortschritt in jener Erklärung erreicht ist, weil sie sich in ihrer Fassung der Einfachheit in der Erklärung rein physikalischer Vorgänge viel mehr nähert, als die bisherigen Hypothesen der Lebenskraft, des Unbewußten usw.

Wenn aber Herr VOGEL diesen Vorwurf auch auf meine geistigen Sphären in der unorganischen Natur ausdehnt, so erwidere ich, daß ich deren nicht mehr annehme, als die Naturwissenschaft besondere Kräfte setzt. Der Unterschied liegt also nur darin, daß ich diese Wirksamkeiten nicht zu Eigenschaften der Atome mache, sondern zu Wirksamkeiten besonderer geistiger Substanzen, welche diese Atome durchdringen und umgeben. Dadurch ist
    1) erreicht, daß der Widerspruch aufgehoben ist, wonach Eigenschaften angenommen werden, die weiter reichen, als ihre Substanz, die Atome,

    2) daß damit die Möglichkeit gegeben ist, die Objektivität der Qualitäten innerhalb dieser geistigen Sphären wieder herzustellen,

    3) daß durch die Geistigkeit dieser Qualitäten deren Übergang in die ebenfalls geistige Seele in der Form des Wissens viel begreiflicher wird, und

    4) daß dabei dennoch die Atome und die von der Naturwissenschaft festgestellten Gesetze ihrer Bewegung unverändert beibehalten werden können.
Dieser Versuch ähnelt gewissermaßen dem des KOPERNIKUS. Auch dieser ließ die von der beobachtenden Astronomie festgestellten Bewegungen der Gestirne unverändert; er substituierte nur diesen Bewegungen statt einer Umdrehung der Gestirne, die Umdrehung der Erde. So lasse ich alle von der Naturwissenschaft festgestellten Bewegungen der Atome unverändert, ich setze nur an die Stelle von Eigenschaften der Atome geistige Sphären als Substanzen, in denen und von denen diese Bewegungen ausgehen.

Von diesem Vorwurf des Herrn VOGEL bleibt daher nur das übrig, daß ich nicht erklärt habe, wie aus den Oszillationen der Ätheratome innerhalb der Lichtssphäre Farben und aus den Oszillationen der Körperatome innerhalb der Tonsphäre Töne entstehen können. Ich habe jedoch auch in dieser Beziehung in meinem Vortrag schon gesagt:
    "Allerdings kann man dieser Annahme entgegenstellen, daß sie die Entstehung der Farben aus den Ätherwellen setzt, ohne dies weiter zu erklären. Es liegt jedoch in der Natur jedes obersten Gesetzes usw."
Alles Erklären, auch das, wie es die Naturwissenschaft verlangt, hört nämlich beim obersten oder einfachsten Ausdruck des Gesetzes auf. So kann man die Bewegung der Himmelskörper, die Schwere der irdischen Körper, das Aufsteigen des Holzes innerhalb des Wassers usw. auf das eine oberste Gesetz der Anziehung der körperlichen Atome zurückführen und sie so erklären; allein bei diesem hört das Erklären auf. Weshalb das Körperatom mit einer Anziehung und das Ätheratom mit einer Abstoßung gegeneinander verbunden ist, kann nicht weiter erklärt werden. Hier muß sich selbst die Naturwissenschaft mit der bloßen Tatsache, daß es so ist, begnügen. Ähnlich ist es mit der kausalen Verbindung der Oszillationen der Atome mit den Farben und Tönen. Die Naturwissenschaft kann hier auch nicht weiter, als diese Verbindung als Tatsache anzuerkennen und mehr tue auch ich innerhalb meiner Sphären nicht. Ebenso habe ich nicht mehr Sphären, als die Naturwissenschaft besondere Kräfte annimmt; die Naturwissenschaft setzt für die Vorgänge besonderer Art besondere Kräfte, ich besondere Sphären. Gelingt es der Naturwissenschaft, mehrere ihrer besonderen Kräfte auf eine zu reduzieren, so kann auch ich folgen und die Zahl der Sphären vereinfachen. Ich mache es mir also durchaus nicht leichter, als die Naturwissenschaft es sich macht. Dagegen erreiche ich durch meine Sphären jene eben aufgezählten Vorteile, deren die Naturwissenschaft entbehrt; diese ist dagegen in diesen Punkten völlig ratlos und weiß sich nicht anders zu helfen, als daß sie diese Qualitäten zu Vorstellungen der wahrnehmenden Seele macht, d. h. daß sie die Erklärung dieser Qualitäten einer anderen Wissenschaft zuschiebt, obgleich diese andere Wissenschaft doch auch zur Naturwissenschaft gehört.

Dies dürften die beiden wichtigsten Punkte sein, in welchen Herr VOGEL mir entgegentritt. Das Weitere in seinen Angriffen beruth auf Mißverständnissen. So habe ich bei der Lichtsphäre gesagt, daß sie gleich der Raumsphäre den Weltenraum stetig durchdringt und daß in ihr die Ätheratome durch ihre von der Naturwissenschaft gesetzten Wellen die Farben in dieser Sphäre da herbeiführen, wo diese Oszillationen in ihr stattfinden. Die Körperatorme veranlassen nur die Oszillationen dieser Ätheratome, ganz wie die Naturwissenschaft dies lehrt. Ich habe weiter gesagt, daß diese Oszillationen innerhalb dieser Lichtsphäre sich bis zu den Sehnerven des Auges fortsetzen, und da der, bis in diese Nerven reichenden Seelensphäre diese Farben zuführen, welche bei ihrer gleichen geistigen Natur es viel begreiflicher machen, daß diese objektiven Farben nun in die Wahrnehmung der Seele eintreten. Demnach ist es schwer begreiflich, wie Herr VOGEL meinen kann, daß "danach die Lichtsphäre mit dem Äther zusammenfällt", was allerdings zum Unsinn einer Oszillation der Lichtsphäre selbst führen würde. Da die Raum- und Lichtsphäre sich völlig durchdringen, so sind zwar die Körperatome auch in der Lichtsphäre, wie umgekehrt die Ätheratome auch in der Raumsphäre, aber deshalb entsteht nicht aus den Oszillationen der Körperatome die Farbe, vielmehr bringen sie in der Lichtsphäre gar keine andere Wirkung hervor, als daß sie durch ihren Stoß auf die Ätheratome diese zu Oszillationen veranlassen. Ich meine, das ist alles doch sehr verständlich und stimmt in Bezug auf die Atome und deren Bewegungen genau mit der Naturwissenschaft. Es weicht vor ihr nur insoweit ab, als die Entstehung der Farben durch diese Oszillationen des Äthers nicht erst beim Wahrnehmen innerhalb der Seele erfolgt, sondern schon in der geistigen Lichtsphäre; eine Annahme, die, wie gesagt, weit weniger rätselhaft ist, als die der Naturwissenschaft, nach welcher die Oszillationen der Ätheratome schon in den Sehnerven erlöschen, noch ehe diese in das Gehirn eintreten und also schon im Körperlichen die Erklärung abschnappt. -

Überhaupt versinken die Ätheratome keineswegs bei meiner Lehre zu Nichts; es bleibt denselben die Ausdehnung und die Undurchdringlichkeit übrig, nur ihre übrigen Eigenschaften werden ihnen abgenommen und in die sie umgebenden Sphären verlegt. Damit ist, wie gesagt, zugleich der Widerspruch gehoben, daß die Kräfte der Akzidenzen [Nebensächliches - wp] da wirken sollen, wo ihre Substanz, das Atom, nicht ist. Ebenso habe ich bereits dargelegt, daß alle diese Kräfte schon nach der Annahme der Naturwissenschaft geistiger, unkörperlicher Natur sind und daß es verkehrt ist, Geistiges zu Eigenschaften oder Akzidenzen des Körperlichen zu machen. -

Dann kehrt auch bei Herrn VOGEL die oft gehörte Behauptung wieder, "daß die Undurchdringlichkeit auf den abstoßenden Kräften der Elementarteile beruth"; als wenn das Atom als solches ein weicher Brei wäre, der sich ohne Hilfe solcher Kräfte bis zum Punkt zusammendrücken, d. h. vernichten ließe. Die Undurchdringlichkeit der Körper für unser Fühlen mag vielfach auf solchen Kräften beruhen, aber die Atome brauchen solche nicht, weil sie als das einfachste Körperliche unzerstörbar sind. Man kann ihre Undurchdringlichkeit auch wohl als eine "Fähigkeit, Widerstand zu leisten", bezeichnen, und im gewöhnlichen Leben mag diese sprachliche Metapher durchgehen, allein damit ist noch nicht entschieden, was dieser Fähigkeit zugrunde liegt, ob eine Kraft, oder eine Undurchdringlichkeit ansich.

Herr VOGEL hat gefragt: "Was ist mit diesen Sphären gewonnen?" Es müßte seiner Meinung nach noch dazu kommen, "daß in diesen Sphären selbst auch ein Innewerden oder eine Perzeption der Bewegungen stattfindet". Allein dies wäre ja nur ein nutzloses Zurückschieben des Problems von der Seele in die Außenwelt. Dann hätten schon die Sphären nur das Mittelglied zwischen Oszillation außerhalb und Empfindung innerhalb der Seele. In ihnen entstehen die objektiven Qualitäten, weil in ihnen selbst diese Oszillationen vor sich gehen, und vermöge der geistigen Natur der Sphären sind auch diese Qualitäten in ihnen schon etwas Geistiges und erklären so, daß diese Qualitäten als Geistiges auch in die geistige Seele eintreten und dort gewußt werden. Die Grenze des Naturerkennens, welche nach DUBOIS-REYMOND hier bestehen soll, ist also durch dieses Mittelglied erheblich weiter hinausgerückt, und der Vorgang des Wahrnehmens erheblich verständlicher geworden; aber deshalb sind diese objektiven Qualitäten in den Sphären noch keine Empfindungszustände, wie Herr VOGEL fragt, sondern nur Zustände einer geistigen Substanz (Sphäre) bei welcher das Geistige noch nicht zu der höheren Stufe gelangt ist, wo Empfindung und Bewußtsein sich in demselben entwickelt. Sollte dies, wie Herr VOGEL meint, so verkehrt sein? Ist nicht das Unbewußte jetzt sehr allgemein als ein Geistiges ohne Bewußtsein anerkannt? Sind die Kräfte der Naturwissenschaft nicht ebenfalls ein Geistiges ohne Empfindung und Bewußtsein? Ist der Instinkt der Tiere nicht ein Geistiges ohne Bewußtsein? -

Fällt damit nicht auch die Behauptung des Herrn VOGEL, daß diese äußeren geistigen Zustände und die bewußten Zustände unserer Seele etwas durchaus Unvergleichliches sind? Herr VOGEL sträubt sich fortwährend gegen die Annahme eines Geistigen und zugleich Ausgedehnten. Allein ist diese Abtrennung des Letzteren vom Geistigen nicht eben der Riegel, welchen man der Erkenntnis des Einflusses zwischen Seele und Körper vorschiebt? Sind denn die Ideen PLATOs (idea, Gestalt) nicht auch ein Geistig-Ausgedehntes? Ebenso die Allgegenwart Gottes, die in der ausgedehnten Welt immanente Weltvernunft, die Ubiquität des Unbewußten, ja selbst die in die Ferne gehenden Kräfte der Naturwissenschaft? -

Herr VOGEL sträubt sich auch gegen die Durchdringlichkeit des Geistigen. Allein durchdringen sich nicht die Kräfte der Naturwissenschaft? - Er möchte das Geistige nur als das "Anderssein des Körperliche" gelten lassen; allein ist nicht eine solche bloße Negation eine positive Bestimmung?, kann man daraus abnehmen, was das Geistige ist? Wenn ich sage, die Empfindung ist etwas anderes, als das Körperliche, ist damit irgendeine Erkenntnis ihrer eigenen Natur erreicht? Dann wäre auch der Satz: Der Blitz ist etwas anderes, als das Sandkorn, eine Definition des Blitzes. -

Das Licht leite ich nicht aus der Durchdringlichkeit der Ätherwellen ab, sondern die Lichtsphäre ist durchdringlich, wie der Raum, und die in ihr stattfindenden Ätherwellen bringen in der Lichtsphäre die objektiven Farben da hervor, wo diese Oszillationen stattfinden. Sollte die Unklarheit, die Herr VOGEL mir hier zur Last legt, nicht vielmehr daher kommen, daß er bei seinen vielen amtlichen Arbeiten meinem Vortrag, selbst als er ihm gedruckt vorlag, nur ein flüchtiges Durchlesen angedeihen lassen konnte.

Zum Schluß hat Herr VOGEL auch eine eigene Lösung des von mir behandelten Problems geboten. Nach ihm gibt es überhaupt keine
    "bloß objektive, ohne unser Zutun vorhandene Welt; eine solche Welt existiert nur in unserem abstrakten, von der Wirklichkeit absehenden Denken. Es gibt keine Natur, unabhängig vom Geist. Unser Geist ist ein Teil des gesamten Geistes. Seine Zustände sind Zustände des Daseienden und insofern objektiv, ja objektiver, als alle Atome und ihre Schwingungen zusammen, die man als die wahre Wirklichkeit anpreist. Nur auf diese Weise gelangt man aus dem Dualismus heraus."
Soviel man aus diesen wenigen Sätzen entnehmen kann, läuft dies auf das bekannte und viel gebrauchte Mittel hinaus, daß man die durch die Sinne uns zugeführte Welt nur für eine "erscheinende" Welt erklärt, hinter der erst die wahre, wirkliche Welt verborgen ist. Dieses Mittel ist allerdings sehr bequem; bei allem, was sich nicht unserer Erkenntnis fügen will, trägt dann nur die Erscheinungsform die Schuld; in der wirklichen Welt dahinter bestehen diese Schwierigkeiten nicht, obgleich man sie nicht kennt und nur in sehr vagen Bestimmungen etwas von ihr andeuten kann. Man muß sich dann nur wundern, weshalb sich die Naturwissenschaft seit Tausenden von Jahren so viel mit diesen bloßen Erscheinungen abmüht, die doch nur ein Schein, d. h. ein Nichts sind, wenn auch dieser Schein ein allgemeiner für alle Menschen ist. KANT gebührt das Verdienst, diesen ansich nebolösen Gedanken bis in das Einzelne mit voller Konsequenz durchgeführt zu haben. Nach ihm kennen wir auch uns selbst nicht; alles, was das Bewußtsein von den Zuständen und Tätigkeiten usneres Geistes uns lehrt, ist nur ein Schein, nicht die Wahrheit. Indem selbst die Zeit nur ein Schein ist, verschwindet sogar die Unmöglichkeit des sich Widersprechenden. Durch diese von KANT geschehene Ausführung in das Einzelne zeigt sich die ganze Hohlheit und Wertlosigkeit dieser Hypothese und selbst HERBARTs Versuche, der dahinter stehenden wirklichen Welt einen Inhalt durch sogenannte Störungen und Selbsterhaltungen unräumlicher Wesen zu geben, hat bald wieder aufgegeben werden müssen. Es ist das große Verdienst HEGELs, daß er diesen Dualismus von Erscheinungs und wirklicher Welt wieder beseitigt hat. Umso mehr fällt es auf, daß ein so gediegener Mathematiker und Physiker, wie Herr VOGEL, die Schwierigkeiten, welche in seinen Berufswissenschaften noch bestehen, damit lösen will, daß er deren Gegenstände nur zu einem Schein erklärt, hinter dem erst das Wirkliche aber Unerkennbare besteht. So wenigstens habe ich die Schlußworte seiner Rede aufgefaßt, zumal auch frühere Äußerungen desselben in unserer Gesellschaft ergeben, daß er der Lehre KANTs zugetan ist.

Dem fünften Redner, Herrn Dr. DREHER, danke ich zunäächst für die nachsichtige Beurteilung meines Vortrages. Ich habe überdem weniger Grund, ihm in dem, wo wir verschiedener Ansicht sind, entgegenzutreten, da er zwar das Zweifelhafte mancher Annahmen in der heutigen Naturwissenschaft anerkennt, aber sich dabei begnügt, seine eigene Ansicht nur vorzutragen, aber nicht besonders zu rechtfertigen. Ich beschränke mich daher auf einige kleine Berichtigungen. Ich habe nicht gesagt, daß "alle Attribute des Raumes auch der Seele "zukommen", sondern ich habe nur die Durchdringlichkeit als das allgemeine Merkmal des Geistigen gesetzt, was nicht ausschließt, daß das Geistige in seinen höheren Arten eine eigentümliche Bestimmung hat, welche den niederen Arten nicht zukommen und nicht zum Begriff des Geistigen überhaupt gehören; ein Verhältnis, was ja bekanntlich überall da vorkommt, wo eine Gattung sich zu mehreren Arten besondert. Ebenso dürfte es wohl bedenklich sein, die Stetigkeit, die Durchsichtigkeit usw. zu bloßen Verneinungen zu erklären; man käme damit so weit, nur das als affirmativ [bejaht - wp] oder positiv gelten zu lassen, was man mit Händen greifen kann. Dann wäre auch die Gestalt der Körper eine bloße Negation, denn sie bezeichnet nur einen begrenzten Teil des Raumes. -

Wenn Herr DREHER unter "Geist" (Seele) nur das verstehen kann, "was dem menschlichen Geist verwandt ist, was somit empfindung und denkt", so läßt sich gegen eine solche Begriffsbildung des Geistigen nicht streiten; wenn man jedoch beobachtet, wie innerhalb der Tiergattungen diese empfindende und denkende Seele immer dürftiger wird, und eine Eigenschaft nach der anderen verliert, je tiefer man hinabsteigt, so folgt doch wohl hieraus, daß man den Begriff des Geistigen überhaupt weiter fassen muß, und daß deshalb auch die Kräfte der unorganischen Natur dazu gehören, wie ja auch von vielen Naturforschern und Philosophen anerkannt worden ist. Herr DREHER selbst nimmt ein unbewußtes Geistes an, also gehört auch nach ihm das bewußte Denken wohl nicht zum Gattungsbegriff des Geistigen. Ich habe ferner keine "Fernwirkung" angenommen, wie Herr DREHER meint, sondern gerade, um diesem bedenklichen Begriff auszuweichen, die Ursachen der Bewegung der Atome nicht in Kräfte verlegt, welche den Atomen immanent sind, sondern in ausgedehnte Sphären mit einem Atom in ihrer Mitte, welche an jedem ihrer Punkte eine abstoßende oder anziehende Wirksamkeit auf andere Atome äußern; deshalb wird auch die aus dieser irrtümlichen Annahme des Herrn DREHER von ihm gegen mich gezogene Folgerung wegfallen.

Herr Lizentiat [akademischer Grad der katholischen Theologie - wp] Dr. KIRCHNER, welcher nach Herrn DREHER gesprochen hat, stimmt in sehr wesentlichen Punkten mit mir überein. In Bezug auf seinen eigenen Begriff des Geistigen kann ich nur das wiederholen, was ich gegen Herrn VOGEL und DREHER über diesen Punkt gesagt habe. Sollte nicht auch selbst in der menschlichen Seele viel Unbewußtes vorkommen?

In Bezug auf die Berichtigung des Zitats aus den Schriften LEIBNIZ', bemerke ich, daß das Eclaircissement, auf welches Herr KIRCHNER mich verweist, gerade aus einem Brief an den Kanonikus FOUCHER besteht, wie der Beginn dieses Eclaircissement deutlich ergibt. Für die Verweisung auf ULRICIs "Gott und die Natur" meinen besten Danke. Leider habe ich mich über dieses Werk in einer Kritik desselben, die vor einigen Jahren in der "Nationalzeitung" erschienen ist, ungünstig ausgesprochen.

Der letzte Redner, Herr Professor LASSON, hat ohne Berührung des Details sich nur mit dem prinzipiellen Gedanken meines Vortrags beschäftigt, mit dem natürlich alles Einzelne steht oder fällt. Daß ich früher den Realismus als eine Fortbildung der Lehre HEGELs bezeichnet habe, kann ich mich nicht entsinnen; jedenfalls bin ich mit Herrn LASSON einverstanden, daß mein jetziger Vortrag nicht als eine solche Fortbildung gelten kann; die dialektische Methode HEGELs steht bei mir dem radikal entgegen. Auch dürfte es kein genauer Ausdruck meiner Ansichten sein, wenn Herr LASSON sagt, "daß ich die Grundform unserer geistigen Tätigkeiten im Wahrnehmen und nicht im Denken finde"; vielmehr habe ich mich wiederholt dahin ausgesprochen, daß der Inhalt alles körperlich und geistig Seienden nur durch die Sinnes- und Selbstwahrnehmung der menschlichen Seele zugeführt wird und daß dieses Wahrnehmen, welches den Übergang dieses Inhaltes in das Wissen vermittelt, keine geistige Tätigkeit, sondern ein bloßes Geschehen ohne Aktion und Reaktion ist; daß ferner das Denken für sich dem Wissen keinen Inhalt des Seienden zuführen kann, sondern daß dessen Tätigkeit neben der Reinigung des Wahrgenommenen von Widersprüchen nur darin besteht, diesen Inhalt später auch ohne Wahrnehmung im Wissen zu reproduzieren und denselben zu trennen oder zu verbinden und dadurch insbesondere diesen Inhalt in die Form der Allgemeinheit, als Begriffe und Gesetze, zu erheben; schließlich, daß dieses Trennen und Verbinden nicht bloß in den Formen geschieht, die im Seienden dafür vorhanden sind, sondern auch in Formen, welche nur dem Denken angehören und nichts Seiendes bezeichnen. Diese Formen habe ich im Unterschied von den im Sein dafür bestehenden Formen Beziehungsformen genannt.

Ich kann daher nicht zugeben, daß "alle Kraft der wissenschaftlichen Überzeugung im Denken liegt". Die Überzeugung, daß irgendein Inhalt unseres Wissens auch ein Sein, sei es ein körperliches oder geistiges, hat, kann nurdurch die Wahrnehmung vermittelt werden; das Denken kann dies vermögen der von ihm aufgestellten Gesetze nur dadurch, daß diese Gesetze selbst erst aus Wahrnehmungen abgeleitet worden sind und an Wahrgenommenes anknüpfen. Dagegen vermag das Denken für sich, wieder allein die Überzeugung zu gewähren, daß irgendein Inhalt unseres Wissens nicht ist und zwar mittels des Prinzips, daß das sich Widersprechende nicht ist. Dadurch ist das Denken auch imstande, das durch die Organisation unserer Sinne in die Wahrnehmungen mit eindringende Falsche zu beseitigen und so die Erkenntnis des Seienden von den Sinnestäuschungen frei zu machen. Der Satz: Das Wahrgenommene ist, ist deshalb dem Satz: Das Widersprechende ist nicht, untergeordnet.

Hieraus erhellt sich, daß ich nicht "zu beweisen habe, daß das Ergebnis der Wahrnehmung in seiner Bearbeitung durch das Denken unverändert bleibt"; vielmehr ist, wenn man die Ausscheidung des Falschen durch das Denken eine Veränderung des Wahrgenommenen nennen will, eine solch sogar für die Wahrheit des Wahrgenommenen notwendig und wird auch stündlich von Jedermann geübt. Ebenso könnte man wohl die Heraushebung des Allgemeinen aus dem wahrgenommenen Einzelnen wohl eine Veränderung nennen; allein diese Heraushebung trifft nur die Form, nicht den Inhalt unseres Wissens, da die Begriffe und Gesetze des Seienden ihren Inhalt nur aus dem Material des Wahrgenommenen entnehmen und gerade dadurch ein Reales bezeichnen, während nur ihre Form, die Allgemeinheit, ein Werk des Denkens ist. Dadurch löst sich der Streit der Nominalisten mit den Realisten des Mittelalters, der bis in dieses Jahrhundert fortgedauert hat; denn auch KANT war noch ein Nominalist in diesem Sinne. Hiernach werden sich auch die Folgerungen erledigen, welche der Redner aus der Entstellung meiner Fundamentalsätze gezogen hat. Herr LASSON legt seiner Kritik immer nur den Gegensatz von Wahrnehmen und Denken unter; allein ebenso notwendig ist die Unterscheidung der Form und des Inhaltes in unserem Wissen. Indem Herr LASSON diesen Unterschied nicht beachtet, kann er meine Ansicht nur falsch auffassen und so zu einer scheinbaren Widerlegung derselben gelangen. -

Herr LASSON meint, "der Satz des Widerspruchs verbietet, daß an einem bestimmten Ort ein A sein kann, ohne jedes Nicht-A zu verdrängen". Allein sind die verschiedenen Eigenschaften des Salzkornes, wie HEGEL in seiner Phänomenologie anerkennt, nicht an demselben Ort? Und sollten diese Eigenschaften, zu denen auch Gestalt und Größe gehören, deshalb unräumlich sein? Gilt nicht auch dasselbe von den anziehenden und abstoßenden Kräften der Körper, die sich in den mannigfachsten Weisen in denselben Raumstellen durchkreuzen, ohne sich zu stören? Ich muß es deshalb ablehnen, daß ich mit "durchdringlich" dasselbe meine, was man sonst "ideell, intelligibel" nennt. Ich nehme "durchdringlich" in dem strengen Sinn, daß auch das räumlich Ausgedehnte durchdringlich sein kann und habe gerade deshalb dem Geistigen auch die räumliche Ausdehnung beigelegt. -

"Besondere Sphären sind für jede einzelne Farbe anzunehmen" ist deshalb nicht notwendig, weil die ungleiche Lnge und Schnelligkeit der Ätherwellen innerhalb ein und derselben Sphäre genügt, die Unterschiede der Farben abzuleiten.

Meine Hypothese macht die Qualitäten nicht zu Substanzen, wie Herr LASSON meint, sondern nur zu objektiven Qualitäten; die Sphären sind die Substanzen und die in ihnen durch die Ätherwellen erweckten Farben sind deshalb Qualitäten in ihr, und nicht Qualitäten der Atome, aber dadurch auch objektive Qualitäten, und nicht erst in der wahrnehmenden Seele entstanden. -

Ebenso wenig kann ich es zugeben, wenn Herr LASSON sagt: "was wir unter Farben, Tönen usw. verstehen, das sind Empfindungen". Dann müßte auch die bloße Vorstellung der Farbe, ohne Wahrnehmung, eine solche Empfindung sein. Allerdings unterscheidet sich das Wahrnehmen vom bloßen Vorstellen desselben Inhaltes durch eine eigene spezifische Empfindung, allein das Wahrnehmen selbst ist noch vieles mehr, als bloß eine Empfindung; es ist vielmehr zugleich auch das Vorstellen eines Inhaltes, was mit dieser spezifischen Empfindung verknüpft ist und uns mit Notwendigkeit treibt, den Inhalt dieser Vorstellung nicht bloß als etwas Subjektives zu nehmen, sondern ihn auch als ein Seiendes, Objektives zu setzen. Es ist ein seit KANT sich fortschleppender Fehler, daß man diese Empfindung als das Prius gegen das Wahrnehmen behandelt und meint, erst diese Empfindung veranlaßt die Seele, dieselbe mit den Formen des Raumes und der Zeit und mit den Kategorien zu bekleiden. Erst durch diese Operation der Seele soll nach KANT die Wahrnehmung zustande kommen. Vielmehr lehrt jede Selbstbeobachtung, daß jene Empfindung mit der Vorstellung und deren bestimmtem Inhalt gleichzeitig und in demselben Moment da ist, daß jene Empfindung nie für sich, getrennt von der Vorstellung auftritt und daß diese Empfindung allein das unterscheidende Kennzeichen ist, welches uns nötigt, ohne alle Verstandestätigkeit den Inhalt der mit einer solchen Empfindung auftretenden Vorstellung als ein, außerhalb dieser Vorstellung bestehendes, Seiendes zu nehmen. Der ganze Begriff des Seins beruth auf dieser Empfindung; ohne sie hätten wir keine Mittel, den Inhalt unseres Vorstellens nach außerhalb desselben zu verlegen. Ebenso ist die mit diesem Empfinden untrennbar verknüpfte Vorstellung in all ihrem Inhalt sofort mit diesem Empfinden da; dieser Inhalt gilt uns mit Notwenwendigkeit als ein gegebener, von einem Seienden ausgehender, und nicht als eine Operation, die das eigene Denken dieser Empfindung hinzufügt. Diese falsche, der Erfahrung widersprechende und durch eine irrige Anwendung der Begriffe von Aktion und Reaktion herbeigeführte Auffassung des Vorganges beim Wahrnehmen ist es hauptsächlich, was so störend in die Erkenntnis unseres Wissens eingegriffen hat und zu Systemen, wie das kantische, geführt hat. Insbesondere ist dies auch der Anlaß zu der Annahme, daß das reale Objekt nur die Ursache unserer Empfindung und Wahrnehmen ist; eine Annahme, die auch bei Herrn LASSON wiederkehrt. In natürlicher Konsequenz dieser Ansicht gilt die Wahrnehmung nur als eine Wirkung dieser Ursache, wobei dann die Wirkung deshalb von der Ursache verschieden und mithin unser eigenes Werk sein muß. Auch hier kann nur die Unterscheidung zwischen Form und Inhalt zur richtigen Auffassung führen. Wahrnehmung und Objekt sind nicht bloß im Verhältnis von Folge und Ursache, sondern sie sind auch beide im Inhalt sich gleich und in der Form verschieden; das Objekt hat diesen selben Inhalt in der Form des Seins, welchen die Wahrnehmung in der Form des Wissens befaßt. Dies ergibt dann auch den richtigen Begriff des Übereinstimmens, wenn man die Wahrheit als die "Übereinstimmung" der Vorstellung mit ihrem Gegenstand definiert; diese Übereinstimmung ist keine Identität, auch keine volle Gleichheit, sondern nur die Gleichheit des Inhaltes, aber Unterschied in der Form.

Die Frage nun, wie ein solcher Übergang des Inhaltes aus einer Form in die andere möglich ist und geschehen kann, ist das große Problem, mit dem sich auch mein Vortrag beschäftigt. Nach meiner Ansicht wird der Inhalt des Objektes nicht "auch vom Denken beschafft", wie der Redner sagt, auch nicht vom Denken erst in seinen mannigfachen Bestimmungen zu einem Objekt geeint, sondern diese Einheit der Eigenschaften, als ein Objekt, ist schon in der Wahrnehmung allein enthalten und nicht unser Werk. Das Denken hat, wie gesagt, es nur nur mit der Beseitigung des Falschen in der Wahrnehmung und mit der Heraushebung des Allgemeinen daraus zu tun. -

Herr LASSON gibt nun zumindest so viel zu, daß "aus der Empfindung die Wahrnehmung des Objektiven durch "einen, von unserem bewußten Denken unabhängigen, Akt unseres Geistes wird; dieser Schritt soll gedankenlos geschehen". Damit ist er meiner Ansicht ziemlich nahe gerückt. Es scheint mir deshalb bedenklich, "daß das ursprüngliche Objekt unsere Empfindung sein soll". Als Zustand der Seele kann sie wohl ein Objekt der Selbstbetrachtung werden; aber sie ist nie das äußere Objekt, welches die mit dieser Empfindung verbundene Vorstellung bietet; Herr LASSON erkennt selbst an, "daß wir unmittelbar von dieser Empfindung nichts wissen, sondern nur vom Objektiven". Auch kann ich nicht zugeben, "daß das Objekt der Wahrnehmung durch wissenschaftliches Denken schlechthin abgetan wird", man müßte schon das Denken der Naturwissenschaft nicht als ein wissenschaftliches anerkennen wollen. Kann man also diesen bedenklichen Prämissen nicht beistimmen, so fällt auch die Konklusion, "daß das schließliche Objekt durchaus ein Resultat wissenschaftlichen Denkens ist". Das wahre Objekt "ist", nach Herrn LASSON, "in keiner Empfindung enthalten, und die Wahrnehmung liefert es uns nur in trüber, verworrener Form". Was werden wohl der Astronom, der Benutzer des Mikroskops dazu sagen? Wenn sie dem nicht beistimmen, so werden sie wohl auch schwerlich "die Welt der Empfindungen, Vorstellungen und Gedanken als eine unwahre und trügerische ansehen", wie Herr LASSON meint, sondern die durch die innere oder Selbstwahrnehmung gegebenen Objekte, analog den äußeren Objekten, für seiende Zustände erklären, und zwar für Zustände unserer Seele, und nur die darüber durch die Wissenschaft aufgestellten Begriffe und Gesetze ihrer Form nach als das Produkt des Denkens oder als das Allgemeine anerkennen, wobei aber dessen Inhalt durch die Selbstwahrnehmung und Beobachtung gewonnen wurde. Auch kann man wohl dem nicht beitreten: "daß jedes normal empfindende und wahrnehmende ich die Farben und Töne in sich vorfindet"; vielmehr gilt dies nur für die bloße Vorstellung dieser Farben usw.

Das Ergebnis dieser Ausführungen des Redners war,
    "daß weder das Subjekt, noch das Objekt ansich etwas Wirkliches ist; erst ihr Zusammenwirken erzeugt die Welt. Das Objekt ist das werdende Subjekt und das Subjekt der Akt, sich zu objektivieren".

    "Es geht nicht an, sich die Welt als ansich frei von jeder Spur von Subjektivem zu denken, so daß Empfindung und Bewußtsein auch in ihr fehlen könnten; die Welt wäre dann ein formloses und qualitätsloses Nichts."
Ich erkenne gern an, daß dies ziemlich konsequente Folgerungen sind, wenn man das Wahrnehmen im Sinn des Redners behandelt; ich führe diese Folgerungen nur an, um zu zeigen, zu welchen befremdlichen und zum großen Teil unfaßbaren, Ergebnissen diese Auffassung führt.

Insbesondere auffallend bleibt, wie es sich bei einer solchen Mitwirkung des Subjektes zur Herstellung der Welt erklärt, daß alle Subjekte mit gesunden Sinnen trotz ihrer sonstigen großen Verschiedenheit in ihren Wahrnehmungen übereinstimmen? Herr LASSON hat dieses Bedenken wohl gefühlt und deshalb hinzugefügt,
    "daß die empfundenen Qualitäten zwar nur in der Empfindung existieren, aber nicht vermöge einer zufälligen und befremdlichen Einrichtung unseres Sinnesapparates, sondern vermöge der inneren Natur und Wesenheit der Objekte, die darauf angelegt sind, diese Empfindungen zu erregen".
HELMHOLTZ sagt dies kürzer mit den Worten: Die Wahrnehmungen sind, nicht Bilder, sondern Zeichen des Objektiven, weil sie in gesetzlicher Verknüpfung mit demselben stehen. Dies ist nun allerdings leicht gesagt, aber läßt das Rätsel der Wechselwirkung zwischen Objekt und Subjekt so ungelöst, wie vorher. Es ist dies ebenso, als wenn man die ganze Naturwissenschaft in den Worten zusammenfaßt: "Es geht in der Natur alles gesetzlich zu", oder: "die Objekte sind darauf angelegt, so zu wirken". Die Wissenschaft hat aber eine weitere Aufgabe, nämlich diese Gesetze nach ihrem Inhalt festzustellen. Sollte nicht in der geringschätzigen Behandlung des Wahrnehmens seitens der idealistischen Philosophie der Grund liegen, weshalb die in ihr herrschenden zahllosen Streitigkeiten nie zu einer Vereinigung gelangen? Gerade durch diese Behandlung ist ihr der feste Anhaltspunkt am Seienden entzogen, während die Naturwissenschaft durch ihren Respekt vor den, durch genaue Wahrnehmung und Beobachtung festgestellten Tatsachen sehr bald zu allgemein anerkannten Begriffen und Gesetzen und damit zu einer immer steigenden realen Macht über die Natur gelangt.

Ich schließe hiermit meine Entgegnungen auf die Angriffe meiner Herren Gegner und bitte um Entschuldigung, wenn ich länger dabei verweilt habe, als ich anfänglich wollte. Mein Thema berührt unmittelbar die Prinzipien der Erkenntnis überhaupt. Der Streit über diese ist aber durch logische Schlüsse nicht zu beseitigen; so ist man bei diesem Streit genötigt, sich hauptsächlich an die jedesmaligen Konsequenzen dieser verschiedenen Prinzipien zu halten, und deshalb ausführlicher zu werden, als eine direkte Widerlegung nötig haben würde, wenn sie möglich wäre.

Ich erkenne bereitwillig an, daß meine Hypothese die Wahrheit verfehlen kann. Insbesondere erscheint der Begriff eines räumlich ausgedehnten Geistigen beinahe für alle philosophischen Systeme bedenklich; man hat sich zu sehr von Jugend auf gewöhnt, den Begriff des Geistigen nur nach der Art, wie es in unserer Seele erscheint, zu bestimmen und deshalb als etwas Unräumliches zu behandeln, obgleich die Religion die Allgegenwart Gottes lehrt und die Naturwissenschaft in die Ferne wirkende Kräfte annimmt, die doch schwerlich als etwas Körperliches behandelt werden können; deshalb fällt es so schwer, sich diesem Begriff eines räumlich ausgedehnten Geistigen zu fügen. Befreundet man sich aber allmählich mit diesem Begriff, so erkennt man bald dessen hohe Bedeutung. Man gelangt durch ihn zu einer zumindest teilweisen Lösung des Problems über den Einfluß zwischen Körper und Seele, ein Problem, das seit DESCARTES alle Philosophen beschäftigt hat. Es besteht dann auch in der äußeren Natur viel mehr Geistiges, als man bisher gemeint hat; unser Geist ist dann ringsum von Geistern umgeben; das Körperliche sinkt dann zu einem Minimum herab, zu Atomen, denen alle Eigenschaften bis auf die Undurchdringlichkeit abgehen. Ja, wenn man durchaus nur den Monismus als die wahre Philosophie gelten lassen will, so kann auch meine Lehre dahin führen; man braucht dann nur das Atom zu einem Raum punkt zu machen, der durch die Wirksamkeit der Sphären bewegt werden kann. Diese Umwandlung des Atoms in ein punktuelles Zentrum der Kräfte besteht ja schon in der dynamishen Behandlung der Naturwissenschaft. -

Meine Ableitung und Benutzung des Begriffes von geistigen Sphären hält sich schließlich ganz innerhalb der Methode der modernen Naturwissenschaft. Deren Lehre bedarf nur geringer Modifikationen, um diesen Begriff in sich aufzunehmen, während sie von einer dialektisch-philosophischen Behandlung der Fragen durch eine breite Kluft geschieden bleibt und von deren höherer Weisheit zur Förderung ihrer Kenntnisse nicht den mindesten Gebrauch machen kann.
LITERATUR | Julius von Kirchmann, Über die Gegenständlichkeit der in den Sinneswahrnehmungen enthaltenen Eigenschaften der Dinge, [Vortrag gehalten am 26. April 1879 in der "Philosophischen Gesellschaft" zu Berlin] Verhandlungen der Philosophischen Gesellschaft zu Berlin, 16. Heft, Leipzig 1880.