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RUDOLF STOLZMANN
Die Kritik des Objektivismus
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"Woran sie alle zugrunde gehen mußten, ist ihr naturalistisches (materialistisches) Quantitätsprinzip in Verbindung mit dem grautheoretischen Gedanken einer abstrakten Produktionsgemeinschaft."
"Jede Natur betrachtung operiert mit der Kausalität und mit Mengen maßen. Dagegen wohnt der Kategorie der Regelung die Zweckidee und der Begriff der sozialen Funktion begrifflich inne. Die sozialorganische Betrachtung sieht in den Quantitäten nur variable Zweckgrößen, im Gegensatz zum volkswirtschaftlichen Naturalismus, dessen Lehren zum Mittel- und Ausgangspunkt das ursächliche Verhältnis fester und gegebener Quantitäten haben, wie es sich im Gesetz von Angebot und Nachfrage darstellt, diesem Allerweltsgesetz, nach dem sich auch der Wert der Güter bestimmen soll."
"Wie Marx das Kapital ein Produktions verhältnis nennt, so sind auch alle anderen Güter und Leistungen bei sozialer Betrachtung nicht als Dinge, sondern als soziale Verhältnisse, besser als Ausdruck von solchen vorzustellen. Erst mit dieser Anschauung wird allgemein das überwunden, was Marx den Fetischismus der Ware nennt. Es ist ein für allemal aus mit Gütern und Güterhaufen Böhm-Bawerkscher Fraktur. Alle ökonomischen Begriffe und Größen lösen sich in sozialorganische Funktionen auf."
"Die volkswirtschaftlichen Erscheinungen hängen letztlich viel weniger von subjektiven Motiven der handelnden Personen, als umgekehrt die bewegenden Motive von der Macht der objektiv gegebenen Verhältnisse ab. Selbst der Wirtschaftsmensch mit seinem Egoismus betätigt sich nur innerhalb der gegebenen Verhältnisse, indem er sie ausnützt und sich im gegebenen Bau der vorher gegebenen Sozialverhältnisse häuslich einrichtet. Seine persönliche Macht geht über einen Umweg, über die sozialorganisch bestimmten Bahnen." |
5. Arbeitslohn, Kapitalgewinne und Grundrente als sozialnotwendige Abfindungen
Die naturalistische und die sozialorganische Methode treffen in ihren äußerlichen Ergebnissen vielfach zusammen, ähnlich wie man den Lauf der Gestirne ebensowohl nach dem geozentrischen wie nach dem heliozentrischen Weltensystem so leidlich bestimmen kann und nach dem ersteren lange genug für den praktischen Gebrauch hinreichend bestimmt hat. So lassen sich dieselben volkswirtschaftlichen Tatsachen scheinbar zweifach, nämlich entweder durch Naturnotwendigkeit oder aber ebensogut durch Sozialnotwendigkeit erklären. Es ist deshalb begreiflich und verzeihlich, wie bei der Gleichheit der äußeren Folgen die inneren Gründe ihrer erkenntnistheoretischen Ableitung miteinander vermengt wurden, so daß man die große Kluft nicht sah, die beide Methoden wie Weltanschauungen voneinander trennt. Wenn man der naturalistischen Schule entgegnet, daß der ungeahnte langandauernde Aufschwung der letzten 50 Jahre ihre Lehre der naturnotwendigen Minimalabfindungen Lügen strafe, so würden sie sich dadurch nicht für geschlagen halten. Der Grund des Aufschwungs, würden sie entgegnen, liege in der Förderung des einen der beiden antagonistischen Elemente, die MILL (siehe oben) den Göttern des Lichts verglich: der Technik der Erzeugung und des Beförderungswesens, des langen Friedens und der Zunahme der Rechtssicherheit. Die Bevölkerung sei einfach in den unglaublich erweiterten Nahrungsspielraum hineingewachsen, der aufzuteilende Mehrertrag der Volks- und Weltwirtschaft habe deren Hebung überall gestattet und befördert. Der Satz von der Naturnotwendigkeit der Abfindungen behalte in allen Stücken Recht.
Schon die Klassiker haben hier zwei verschiedene Erklärungsarten zur Hand, eine für die Fülle und eine andere für die Kargheit der Natur. Nach ihrer Kernlehre können die Abfindungen ebensogut hoch wie niedrig sein, je nach der jeweiligen Ergiebigkeit des Kulturrandes. Daneben aber haben sie für den Handgebrauch eine zweite Garnitur in der anderen Theorie bereit, die dem Satz RICARDOs gerecht wird, "daß alle außerordentlichen Gewinne (was entsprechend auch auf den Arbeitslohn anzuwenden ist) ihrer Natur (!) nach nur von beschränkter Dauer sind". Mit Recht nennt RODBERTUS diese zweite Theorie, die sich auf die steigende Unergiebigkeit gründet, eine bloße akzessorische Modalität der ersteren, obgleich sie, wie er zutreffend ausführt, von entscheidendem Einfluß für die Ausbildung der klassischen Lehre vom Arbeitslohn und Kapitalgewinn, und so aus einer Nebensache zur Hauptsache geworden sei. Ihr kam dann die inzwischen emporgediehene MALTHUSsche Bevölkerungstheorie zur Hilfe, durch die nun, so in der oben wiedergegebenen Lehre MILLs, die ganze Lehre auf eine große Formel gebracht wurde. Nur so gewann man einen festen theoretischen Halt für die Aufstellung der Grenzabfindungen, und man konnte, wie es der Fall gerade erforderte, bald die eine, bald die andere Theorie ausspielen. Wie das im Einzelnen nicht ohne Widerspruch abging, habe ich im "Zweck" (Seite 386f und 403f) eingehender entwickelt.
Die sozialorganische Methode bedarf weder des einen noch des anderen Hilfsmittels, sie gründet, unabhängig von der Annahme der Enge oder Weite des Nahrungsspielraums, ihre Lehre von Haus aus auf das einheitliche Prinzip der sozialnotwendigen Grenzsätze, das sich aus dem immanenten Zweck der geregelten Volkswirtschaft in ihrer dreiklassigen Schichtung ergibt. An die Stelle der Dreigliederung der technischen Produktionsfaktoren tritt die Dreigliederung der gesellschaftlichen Klassen. Umfang und Wesen aller drei Abfindungen, wie aller übrigen Werterscheinungen sind durch ihre soziale Zweckbestimmung gegeben, welche MARX in klassischer Kürze dahin beschreibt, "auf die Dauer Bedingung der Zufuhr, der Reproduktion der Ware jeder Produktionssphäre zu sein". Es ist das nur ein anderer Ausdruck für das, was ich mit sozialorganischer Notwendigkeit bezeichne.
Über das sozialorganische Wesen des Arbeitslohnes im besonderen ist an dieser Stelle nur noch weniges nachzutragen. Es gibt keinen "natürlichen" Arbeitslohn, weder im Sinne der ersten noch der zweiten geschilderten Erklärungswege. Er ist weder natürlich im Sinne des sogenannten "ehernen" Arbeitslohnes, der nur hoch genug ist, "um die Arbeiter, einen mit dem anderen, instand zu setzen, zu bestehen und ihr Geschlecht fortzupflanzen, ohne Vermehrung oder Verminderung" (RICARDO, Seite 66), noch im Sinne der "Kerntheorie", nach der je nach dem Stand der natürlichen Ergiebigkeit im Verhältnis zum jeweiligen Stand der Volksvermehrung auf- und niedersteigt. Hier kann uns weder die Paralleltheorie helfen, die den Lohn mit der Enge des Nahrungsspielraums und der dadurch verursachten Erhöhung des Getreidepreises steigen, noch die Konträrtheorie, welche ihn mit der Erhöhung des Brotpreises sinken läßt. Vielmehr habe ich im Anschluß an KARL DIEHLs historisch-statistische Untersuchungen ("Zweck", Seite 452) die Tatsache hervorgehoben, daß der Arbeitslohn in den neueren Zeiten, immer unbekümmert um Parallel- und Konträrtheorie, "unentwegt" in die Höhe gegangen ist, ohne Beeinflussung durch die abwechselnde Höhe der Getreidepreise. Der Grund kann nur sozialorganischen Ursprungs sein, er liegt in den sittlich-sozialen Errungenschaften unseres Zeitalters. Zu den urwüchsigen "Sitten und Gebräuchen des arbeitenden Volkes", die schon nach RICARDO das "moralische Minimum" des Lohnes mitbestimmen, zur Macht der Gewohnheit und des Herkommens ist heute die bewußte und organisierte Selbsthilfe der Arbeiter, der gesellschaftliche Gemeinsinn hinzugetreten, der in der öffentlichen Meinung das Amt eines Richters vollzieht, die Religion mit ihrer erhabenen Lehre vom praktischen Christentum, die Staats- und Sozialwissenschaften, ein erleuchteter Arbeitgeberstand, der die Zeichen der Zeit würdigt und schließlich der starke Arm des Staates, der durch seine immer eindringlichere Sozialgesetzgebung das Werk dort fortsetzt, wo die Privat- und Selbsthilfe nicht hinlangt.Wer möchte angesichts dieser Tatsachen heute noch leugnen, daß erst diese sozialen Faktoren die bloße Natur möglichkeit der Standarderhebung in die Sozialnotwendigkeit und in die Wirklichkeit umgesetzt haben, und daß ohne sie trotz aller Errungenschaften unseres "naturwissenschaftlichen" Zeitalters das "eherne" Lohngesetz seine traurige Arbeit verrichtet hätte? Ja, es bleibt die große Frage offen, ob all jene sittlichen und organisatorischen Fortschritte die Lebenshaltung des Arbeiters schon immer ganz bis zur Obergrenze des potentiellen Nahrungsspielraums emporgehoben d. h. ihn ganz "ausgenützt" haben. Nur die Anhänger des Satzes vom "natürlichen" Arbeitslohn, all die Leute, die nichts gelernt und nichts vergessen haben, können die Frage keck bejahen. Hier lassen uns alle Theorien der natürlichen Grenzabfindungen im Stich, die der objektivistischen wie der subjektivistischen Richtung.
Dasselbe gilt vom Kapitalgewinn und seinen Gesetzen, auf deren Parallelität mit denen des Arbeitslohnes wir wiederholt hinwiesen. Der Kapitalgewinn steht mit dem Arbeitslohn mitnichten in einem ehernen Verhältnis komplementärer Größen. Die Behauptung RICARDOs und MILLs trifft nicht zu, wonach die Erhöhung des Arbeitslohnes die Erniedrigung des Kapitalgewinns deshalb notwendig mit sich bringt, weil er für ihn einen kleineren Rest übrig läßt. Der Kapitalgewinn folgt seinen eigenen, ursprünglichen Gesetzen (siehe oben). Steht jeder Betrieb still, wenn er nicht einmal den Lohn der beschäftigen Arbeiter einbringt, so ist dies in erhöhtem Maß der Fall, wenn er keinen Gewinn für den kapitalistischen Unternehmer abwirft, dessen Bezug für ihn der einzige Zweck und, wie wir sahen, die "Bedingung der Zufuhr und Reproduktion" der kapitalistischen Warenerzeugung bildet. Die kapitalistisch geführte Volkswirtschaft bedarf der Kapitalisten, sie müssen also einerseits das Minimum erhalten, was zur Durchführung ihrer Funktionen erforderlich ist, andererseits wird die Obergrenze, das Maximum des Gewinnbezugs, auf den Satz beschränkt, auf welchen die eigene Konkurrenz der Kapitalisten ihn herabdrückt.
Ich wußte und weiß deshalb keine schlichtere und durchsichtigere Formulierung des Gewinngesetzes als die in der "Sozialen Kategorie" und im "Zweck" vorgeschlagene: die Höhe des Kapitalgewinns richtet sich auf die Dauer nach dem Umfang, der nicht höher und nicht niedriger sein kann, als daß er die großen und kleinen kapitalistischen Unternehmner nachhaltig zur Erfüllung ihrer sozialorganischen Aufgaben bestimmt. Da aber, wie selbst von BÖHM-BAWERK jetzt ("Kapital" I, Seite 344f) anerkennt, überall der Satz gilt, daß bei den Betrieben, die mit verschieden großem Kostenaufwand arbeiten, diejenigen Grenzbetriebe entscheiden, welche zur vollen Versorgung des Marktes noch noch notwendig sind, so folgt daraus meines Erachtens mit zwingender Notwendigkeit der weitere Satz: Das Kapital muß so viel an Prozenten abwerfen, daß daraus im großen Durchschnitt die Klasse der letzten und kleinsten Kapitalisten (wirklichen Kapitalisten, nicht etwa Handwerker, die auch mit Kapital arbeiten) noch das zeit- und standesgemäße Einkommen bezieht. An die Stelle der auch von BÖHM-BAWERK übernommenen Lehre THÜNENs, wonach die Höhe des Kapitalgewinns von der Ergiebigkeit des letztangewendeten Kapital teilchens bestimmt wird, tritt die Lehre von der sozialnotwendigen Abfindung des letzten Kapitalisten ("Zweck", Seite 291 und 416). Sie ist nur eine Umsetzung der ersteren in das Persönlich-Menschliche und Soziale.
Aber ich halte nicht eigensinnig an meiner Formulierung fest, es kommt mir nur auf den Kerngedanken der sozialnotwendigen Grenzsätze an. Möge man versuchen, eine bessere Formel zu finden, ich lade freundlichst dazu ein; aber ich glaube nicht, daß es auf einem anderen als dem sozialorganischen Weg gelingen kann, nachdem alle naturalistischen Erklärungen gescheitert sind, so die aus der Produktivität, der natürlichen "Nutzung" der Kapitalgüter und dem Zeitablauf. Es gibt zurzeit überhaupt keine unbestrittene Kapitalgewinntheorie, nachdem auch die letzte, die von BÖHM-BAWERKs, wohl mit ihrem Urheber zu Grabe gegangen ist (vgl. auch von ZWIEDINECK in "Schmollers Jahrbuch" 1914, Seite 498f). Woran sie alle zugrunde gehen mußten, ist ihr naturalistisches (materialistisches) Quantitätsprinzip in Verbindung mit dem grautheoretischen Gedanken einer abstrakten Produktionsgemeinschaft.
Von diesem Gedanken hat sich selbst RODBERTUS nicht ganz freigemacht, geschweige den MARX. Schon KNIES hat die Anschauung des Ersteren zurückgewiesen, sich die ganze Gesellschaft in einem Arbeiter, einem Grundbesitzer und einem Kapitalisten vorgestellt ("repräsentiert") zu denken ("Zweck", Seite 369). Und was MARX betrifft, so ist auffällig, wie sich die Extreme berühren: MARX und von BÖHM-BAWERK! MARX geht von einer Gesamtgröße des Kapitalprofits aus, der "vom Gesamtkapital der Gesellschaft ... produziert", sich hinterher als Durchschnittsprofitrate auf die einzelnen Kapitalisten, wie unter "bloßen Aktionären einer Aktiengesellschaft", verteilt. Und so läßt auch von BÖHM-BAWERK einen abstrakten Gesamtdividendus wenigstens innerhalb der einzelnen Produktionszweige verteilen. Er sagt in "Strittige Fragen" (Seite 103), daß die "Erhebung der einzelnen technischen Produktionsstadien" eines Gutes "zu selbständig arbeitsteiligen Unternehmungen heutzutage außerordentlich oft" (nur? "oft") vorkommt, schließlich aber doch nur eine "Zufälligkeit" (!) ist, welche weder mit dem Wesen des Kapitalzinses noch mit den dauernden Gesetzen seiner Höhe etwas zu tun hat, noch zu tun haben kann. Es müßten vielmehr "alle Teilbetriebe, die miteinander an der Herstellung eines bestimmten genußreifen Endprodukts zusammenwirken, aus diesem Endprodukt als einer gemeinsamen Quelle ihre Vergütung finden. Der Wert des Endprodukts (welcher ist denn das und wie steht es um die Konnexität und die Produktionsverwandtschaft aller anderen Endprodukte?) "ist der einheitliche Dividendus". Es sei also die Höhe des Zinsfußes "abhängig von der Ergiebigkeit der letzten noch gestatteten Produktionsverlängerung ... im Durchschnitt des betreffenden (?) produktiven Gesamtprozesses ... Der durch sie herbeigeführte absolute (!) Mehrertrag wird auf die gesamte im betreffenden Produktionsprozeß kombinierte Arbeit repartiert" [zugewiesen - wp] (!).
Wir begegnen hier wieder der Verkennung der Rolle, welche die Individualwirtschaften in der Volkswirtschaft spielen, mit anderen Worten, jenem Subjektivismus, der ins Überobjektivistische umschlägt, das "Subjekt" vergißt, und der in dem mir entgegengehaltenen Satz von BÖHMs gipfelt:
"Wenn es irgendetwas gibt, was ... nicht Ursache, sondern Wirkung der Existenz und Höhe des Kapitalzinses ist, so ist es der Lebensfuß der Kapitalistenexistenzen. Es gibt kein Besitzeinkommen, bezüglich dessen eine produktionstechnische (?) oder sonstige (?) sozialwirtschaftliche (sic) Notwendigkeit bestünde, daß es seinen Mann mit Kapitaleinkommen auf einem bestimmten Fuß nähren muß!"
Was für ein Widerspruch mit der Anerkennung (siehe oben), daß der Kapitalist nicht ohne Gewinn leben kann, wie der Arbeiter nicht ohne Arbeitslohn, und mit dem weiter oben wiedergegebenen Geständnis, daß Grenzsätze und Grenzvergütungen entscheiden! Der "Gesamtprozeß" steht weder zeitlich noch logisch vor den Einzelunternehmungen, sondern ist erst deren Ergebnis, sie sind nicht seine automatischen Werkzeuge; er steht nicht über ihnen in den Lüften, sondern erst das Wechselverhältnis des Gesamtprozesses und der Sonderzwecke ergibt das Wesen des Organismus und seiner Glieder ("Zweck", Seite 368-371, 409-413 und "Subjektivismus", Seite 184).
Es ist hier nicht der Ort, all die gehäuften und ins Unendliche noch zu vermehrenden Bedenken wiederzugeben, welche ich in meinen beiden Büchern gegen von Böhm-Bawerks Kapitalzinstheorie vorgeführt habe. Ich greife hier nur andeutungsweise diejenigen heraus, die mit der Quantitäts- und naturalistischen Gesamtprozeßvorstellung mehr oder weniger zusammenhängen. Es sind diejenigen, welche die Unzulänglichkeit der Zinsableitung aus dem "Mehrertrag der letzten noch gestatteten Produktionsverlängerung" betreffen und worin, wie von Bortkiewicz in seinem Aufsatz "Die Kardinalfehler der Böhmschen Zinstheorie" sagt, ich "wirklich ihren schwächsten Punkt aufgezeigt" habe ("Zweck", Seite 320). Ich verweise ferner auf die von mir nachgewiesene Unmöglichkeit, aus der technischen Produktionsverlängerung heraus eine sozialorganische Abfindung zu begründen ("Zweck", Seite 320), sodann auf das Schiefe, das Wesen des Kapitals in einer solchen Produktionsverlängerung zu suchen und je nach deren Ausdehnung gar von Graden des "Kapitalismus" zu sprechen ("Zweck", Seite 343), ferner auf die Duplizität der Theorie, die nacheinander mit zwei ganz verschiedenen Kapitalbegriffen operiert, erst mit dem Kapital als "produziertem Produktionsmittel" und dann in einem kühnen Schwenk (Kap. II, Seite 525) mit dem Kapital als "nationalem Subsistenzfonds", und demgemäß erst den Kapitalgewinn aus der technischen Überlegenheit "gegenwärtiger Produktionsmittel", und dann plötzlich und widerspruchsvoll ihn aus der Überlegenheit der "gegenwärtigen Genußmittel" herleitet ("Zweck", Seite 321f). Schließlich liegt auch dieser zweiten Theorie wieder ein Gedanke zugrunde, der eine Art Ausbeutungs- oder Machttheorie darstellt. Denn a. a. O. Seite 572f führt von BÖHM als "Ergebnisse" seiner Lehre folgendes aus:
"Was sind also die Kapitalisten für Leute? - Kurz gesagt, sie sind Händler, die Gegenwartsware feilhaben ... glückliche Besitzer, ... Die vorteilhaft eingehandelte Zukunftsware (besonders Arbeit) wird immer wieder zur Gegenwartsware, wächst dabein in den vollen Gegenwartswert hinein ... Gegenwärtige Güter braucht jeder absolut notwendig, um leben zu können. Wer sie nicht hat, muß sie um jeden Preis zu erwerben suchen ... Der Besitzlose ... tritt in diesen Handel ... in einer ungünstigen Stellung ein ... Auf dem Markt für Gegenwartsgüter steht also eine Mehrzahl in einer Zwangslage (!) befindlicher Käufer einer Minderheit von Verkäufern von Gegenwartsgütern gegenüber - ein Verhältnis, das offenbar von Haus aus (!) dem Verkäufer günstig, dem Käufer ungünstig ist."
von Böhm-Bawerk behandelt auch hier wie alle Quantitätstheoretiker die Marktverhältnisse von Angebot und Nachfrage als gegeben, während es doch auf den tieferen sozialorganischen Grund ankommt, woher sie sich bestimmen, woher dieses Marktergebnis entsteht und immer von Neuem erzeugt wird. Da ist es nun nach seinen eigenen Ausführungen letztenendes der Zwang der Regelung, es sind die durch die gegebene Gesellschaftsordnung bedingten Besitzverhältnisse, aus denen sich das angebliche "Agio" für die Kapitalisten erklärt, kurz die Binsenwahrheit, daß es Arbeiter und Kapitalisten gibt.
Was noch über die Kritik der objektivistischen, d. h. klassischen Kapitalzinslehre nachzutragen ist, läßt sich am besten mit der nun folgenden Behandlung der Grundrentenlehre verbinden.
Fällt die Lehre vom naturgegebenen Kulturrand, so muß sich auch die hergebrachte Lehre vom dritten großen Einkommenszweig, die Grundrentenlehre, eine Umwandlung an der Wurzel gefallen lassen, zumindest in der immer noch herrschenden Gestalt, die ihr RICARDO gegeben hat. Mit den bisher beliebten beiläufigen "Korrekturen" ist es nicht getan. Zwar bleibt auch dann die Grundrente der Rest, besser der Überschuß, den die Bodeneigentümer nach der Abfindung der Arbeiter und Kapitalisten für sich "reklamieren". Denn dieser Überschuß ist eine Tatsache, deren bloße Hervorhebung das ewige Verdienst ihres Urhebers bleibt, und von der alle Theorien auszugehen haben. Aber sein Wesen und Maß ergibt sich dann nicht mehr aus den gleichbleibenden Naturgesetzen, sondern aus der Resultante der sozialorganischen Gestaltungen. Die bloße Tatsache des Überschusses bedarf erst der wissenschaftlichen Erklärung. Es bleibt sonst die triviale Wahrheit übrig, daß sich die Differenz der Renten untereinander nach der verglichenen Fruchtbarkeit richtet, es bleibt nur die Tatsache der Differentialrente.
Die Lücke der Erklärung konnten eben die Klassiker mit ihrem naturalistischen Apparat nicht ausfüllen. RICARDO versuchte es auf zwei verschiedenen Wegen ("Zweck", Seite 375f und 442). Zuerst suchte er nach einem "schlechtesten Boden", der frei verfügbar im Überfluß daliegt; der Ertrag dieses Bodens ergibt, wie er meint, die Höhe des Gewinns und des Lohnes, die deshalb in einem ehernen Verhältnis zueinander stehen, insofern der Kapitalgewinn sich mit dem begnügen muß, was die Vergütung der Arbeiter übrig läßt. Das ist die erste Methode. Dann sieht er ein, daß wegen der durchgängigen Verteilung der Erde heute in den alten Kulturstaaten kein Boden vorhanden ist, der keine Rente abwirft, und jetzt behilft er sich mit einer zweiten Methode. "Alsdann", sagt er Seite 297, "würde der Betrag der Rente des schlechtesten Bodens in einem geraden Verhältnis stehen zum Überschuß des Tauschwerts des Erzeugnisses über die Kapitalauslagen und den gewöhnlichen (!) Kapitalgewinn". Er schwenkt also: Der Ertrag des letztangewandten Kapitals rückt an die Stelle des letztbenauten Bodens, und die Rente ist letzthin "der Unterschied zwischen den Reinerträgen zweier gleicher Mengen von Kapital (!) und Arbeit in ihrer Anwendung auf den Boden". Das ist aber ein unzulässiges Quidproquo [dieses für jenes - wp]. RICARDO hat außer acht gelassen, daß er, um jenes x, den "gewöhnlichen", den "üblichen" Kapitalgewinn, zu gewinnen, erst künstlich den festen Punkt der Betrachtung im Boden aufsuchen mußte, der keine Rente bringt und aus dem sich erst der Gewinn ergab. Jetzt muß er dieses ganze Fundament seiner Lehre abtragen, er operiert mit dem "üblichen" Gewinn als einer gegebenen Größe: die Rente ist der Überschuß über zwei Unbekannte, nämlich über den angeblich "natürlichen" Arbeitslohn und über den üblichen (!) Kapitalgewinn. Er beginnt die Erklärung von hinten und zwar mit der Tatsache, die erst zu erklären war. Die sozialorganische Methode vermeidet dieses Dilemma. Sie bedarf nicht erst eines Lückenbüßers, sei es des Ertrages des letzt bebauten Bodens, sie es des letzt verwendeten Kapitals. Sie erklärt Kapitalgewinn und Arbeitslohn aus ihren ursprünglichen sozialen Funktionen.
Aber dieser Gewinn ist nicht der einzige: Es ist dann ferner nicht mehr das Gewaltmittel erforderlich, die Erzielung eines positiven Reichtums, den die Rente nun einmal darstellt, aus dem diametralen Gegenteil, aus der Kargheit und Armut der Natur zu begründen. Die Natur ist dann nicht mehr, wie RICARDO sagt, ein "bloßer Nennwert, eine bloße Übertragung eines Vermögens von einer Bürgerklasse auf die andere, ein bloßes Erzeugnis derjenigen Preiserhöhnung, welche der Verkäufer infolge eines besonderen Vorzuges erlangt" (Seite 168 und 369), nämlich dadurch, daß mit der stufenweisen Vorrückung des Kulturrandes immer ein Teil desjenigen Ertrages, der früher den Kapitalgewinn ausmachte, in Grundrente verwandelt wird und überdies als Geldgrundrente einen immer höheren Tauschwert erhält. In Wahrheit ist keine Rente auf die Dauer denkbar, wenn die Rohprodukte, aus deren Verkauf sie sich ergibt, kein wirkliches Mehr an natürlichem Reichtum, an effektivem Gebrauchs wert umschließen. Man wird während der ganzen Lektüre des RICARDOschen Hauptwerks nie recht die Frage los. woher denn eigentlich das sachliche Substrat zu entnehmen ist, aus dem die immer höhere Grundrente sich hervorzaubern soll, wenn, wie er doch meint, die Gegentendenz einer zeitweiligen Kulturverbesserung nur immer für vorübergehende Zeiträume den Nahrungsspielraum erweitert und dann eine bloße sukzessive Übertragung aus Anteilen darstellt, welche auf den zurückliegenden Stufen Kapitalgewinn ausmachten, wie diese RICARDO (Seite 88) zahlenmäßig versinnbildlicht. Es hängt das wohl mit der oben gerügten unorganischen Auffassung des Kapitals als einer einmal gegebenen und bleibenden Ansparung von Güterstücken zusammen. Aber, der Sparsinn in allen Ehren, woher soll denn der Stoff, die Masse dieses natürlichen Reichtums an leibhaften unmittelbaren und mittelbaren Mitteln der Bedürfnisbefriedigung entnommen werden, den überdies Lohn und Steuern bei der zunehmenden Unfruchtbarkeit wachsend verschlingen? Und woher soll denn gar die z. B. von MILL zugegebene zeitweilige "Kapitalübersättigung" stammen, die erst durch den "heilsamen Aderlaß" der Krisen und das Überfluten des Kapitals in die Kolonien sanieren läßt? ("Zweck", Seite 272) Es bleibt ein Rätsel, wie die wachsende Kargheit der Natur gerade dem Kapital zu einer Überfülle verhelfen soll. Es müßte schon vom Kapital gelten, was Moses von den Israeliten in Ägypten sagt: je mehr man sie drückte, desto gewaltiger vermehrten sie sich!
Unsere Theorie dagegen ist wohl imstande, diese Rätsel zu lösen und sie gewährt uns zugleich einen theoretischen Einblick in die Nützlichkeit oder Schädlichkeit gewisser sozialpolitischer Maßnahmen. So habe ich an ihrer Hand besonders die Klärung des umstrittenen Gebiets der Handels- und Schutzzollpolitik versucht. Ich muß auf meine eingehenden Untersuchungen im "Zweck", Seite 486-524 verweisen. Hier seien nur in summarischer Kürze einige Hauptpunkte berührt.
Sie betreffen vor allem das sogenannte Bodengesetz, das Gesetz der diminishing returns [verminderten Ertrag - wp], wonach eine vermehrte Anwendung von Kapital und Arbeit auf den Boden einen im Verhältnis kleineren Ertrag ergibt. Dieses rein technisch-naturwissenschaftliche Gesetz ist meines Erachtens durch ein anderes, volks wirtschaftliches, sozialorganisches Gesetz zu ersetzen, das ich, unmaßgeblich, das soziale Bodengesetz genannt habe. Es lautet: Die Überziehung des nationalen und schließlich auch des internationalen Bodens mit Eigentumsmaschen drückt selbst im fruchtbarsten Land Arbeit und Kapital in the long run [auf lange Sicht - wp] auf ihre sozialnotwendigen Abfindungen herab und drängt auf einen sozial bedingten "Kulturrand". Dieser Kulturrand, diese Abfindungen müssen sich selbstredend innerhalb der natürlich (technisch) möglichen Schranken des potentiellen Nahrungsspielraums halten. Der "Stoff" darf niemals über dem Prinzip der Regelung vernachlässigt werden, und auch der Staat hat die Pflicht, die Förderung der Technik und des Gewerbebetriebes, der Volksbildung und aller wirtschaftlichen Tugenden, kurz aller produktiven Kräfte der Nation, immer im Auge zu behalten, zumal in einem Land, wie dem unsrigen, das im verglichenen Naturreichtum keineswegs allen anderen Ländern voransteht. Ich habe immer wieder eindringlichst auf diese selbstverständlichen Vorbedingungen des volkswirtschaftlichen Gedeihens hingewiesen, zur Vermeidung von Mißverständnissen und zur Abwehr eines Optimismus, als ob sich die Produktion beliebig nach Maßgabe einer stetig steigenden Nachfrage der Bevölkerung ins Ungemessene vermehren lasse ("Soziale Kategorie", Seite 8; "Zweck", Seite 430 und 503f). Aber andererseits muß sich das Moment der natürlichen Ergiebigkeit statt der anspruchsvollen Rolle einer Ursache mit der bescheideneren einer Bedingung zufrieden geben. Zum Kern der Volkswirtschaft wird der soziale Zweck gedanke, wie er in der jeweiligen Regelung der Volkswirtschaft seinen körperlichen Ausdruck findet. Die natürlichen Elementarfaktoren sind bloße Mittel zur Erfüllung eines höheren Zwecks. Dieser ist nicht zu fördern durch eine bloße Produktionsvermehrung und eine Anhäufung von Güterballen, nicht, wie von BÖHM-BAWERK meint, durch die "Auffrischung" der sinkenden Skala der Mehrerträge", sondern vor allem durch die sozialen Veranstaltungen, welche die "Auffrischung" der sozialen Abfindungen bezwecken, durch all die großen und kleinen Mittel der Selbsthilfe und der Staatskunst.
Zu jenen Mitteln gehört unter Umständen auch der Schutz-, insbesondere der Getreidezoll. Es liegt eine nicht auszudenkende Oberflächlichkeit in dem allbeliebten Rückschluß, daß, weil in Europa, in Deutschland zurzeit nicht mehr als ein gegebenes Quantum an Rohprodukten erzeugt und tatsächlich ein nicht unerheblicher Bruchteil des Bedarfs aus dem Ausland bezogen wirden, dies auf einer natürlichen Notwendigkeit beruth, daß nur ein böser Wille und Klasseninteresse sich dieser elementaren Einsicht verschließen kann und sich gegen die Öffnung der Zollschranken hartnäckig sperrte. Demgegenüber ist zu betonen: das technische Bodengesetz, das Gesetz der diminishing returns ist zwar eine unzweifelhafte Naturtatsache, ein "ewiges" technisches Produktionsgesetz ("Zweck", Seite 432). Aber man hat im gegeben Fall immer erst zu untersuchen, wie weit seine soziale Wirkung reicht; es kann die natürliche Ergiebigkeit des reichsten Landes infolge des sozialen Bodengesetzes und der aus ihm folgenden Herabsetzung der Grenzabfindungen unausgenutzt bleiben, weil der Segen verkümmert wird und es nicht gelingt, den effektiven auf die Höhe des potentiellen Nahrungsspielraums zu erheben. Andererseits kann in einem ärmeren Land, durch die Auffrischung der sozialen Vergütungen, innerhalb des natürlich möglichen Rahmens dem erbarmungslosen Konkurrenzgesetz entgegengewirkt werden.
Was aber das Verhältnis der Länder untereinander betrifft, so ist hier bisher allzusehr die Tendenz einer internationalen Nivellierung unbeachtet geblieben. Wie kommt es, daß in so gesegneten Ländern wie Nordamerika, Australien und auch Frankreich, die im Verhältnis zu Deutschland und dessen auf Quadratkilometer berechneter viel stärkerer Bevölkerung einen ungleich größeren natürlichen Spielraum haben, dennoch keinen entsprechend höheren Arbeitslohn und Kapitalgewinn aufweisen? Wie kommt es, daß auch bei ihnen überall dieselbe soziale Frage auftaucht? Der Schluß liegt nahe: Alle diese Länder, selbst das Land der unbegrenzten natürlichen Möglichkeiten, Amerika, haben die sozialen Möglichkeiten und Notwendigkeiten gemein, aus dem einfachen Grund, weil ihnen alle dieselben Grundlagen der kapitalistischen Wirtschaftsordnung gemeinsam sind, welche erst die physikalischen Möglichkeiten in die soziale Wirklichkeit umsetzen, weil sie erst den Grad ihrer Ausnützung bestimmen. Die Eigentumsmashen ziehen sich schließlich überall in gleicher Enge zusammen, wenn auch, wie in Nordamerika, die bloße Möglichkeit der Abwanderung in den weniger ausgenutzten Westen vorübergehend die Abfindungen, besonders den Lohn, zurzeit noch etwas höher hält. Schließlich wirken all die nivellierenden Schwerkräfte der Konkurrenz überall auf die Herabdrängung der Grenzabfindungen zu einem internationalen, annähernd gleichen sozialnotwendigen Minimum zusammen. Die Bodenpreise gehen in die Höhe, wenn sie auch jetzt noch recht verschieden sind und sich deshalb für Deutschland die Schwierigkeit erklärt, mit jenen Ländern bedingungslos zu konkurrieren. Schließlich sagt SCHMOLLER ("Grundriß", Seite 901) wird der Boden Amerikas in weiteren zwei Generationen die europäischen Preise und Renten erreicht haben. Schon jetzt hat es mit der Einfuhr des Getreides aus Nordamerika nach Deutschland bekanntlich zu ziemlich sein Ende erreicht.
Für die Schutzzollfrage ergibt sich aus all dem, daß, bis zu jener vollständigen Nivellierung der internationalen Verhältnisse, durch entsprechend hohe und andauernde Schutzzölle verhindert werden muß, daß durch eine Überschwemmung mit Getreide usw., das in den Exportländern unter ganz anderen natürlichen und etwas anderen sozialen Bedingungen erzeugt wird, der Preis auf einen Satz herabgedrückt wird, unter dem unser Ackerbau teilweise zugrunde gehen muß. Besser wie jede Theorie hat der ausgebrochene Krieg uns über die Richtigkeit und Bedeutung der deutschen Schutzzollgesetzgebung belehrt. Wir können unserer Regierung und unserer Volksvertretung nicht dankbar genug sein, daß sie dem hartnäckigen Widerstand aller Freihändler und ihren aus England importierten Manchestertheorien zum Trotz, sich nicht haben vom Weg abdrängen lassen, der unserem Vaterland vorgezeichnet ist. Der Absatz und die Schaffung eines immer großen inneren Marktes im Frieden und die Unabhängigkeit von fremder Einfuhr im Krieg, das sind die unbezahlbaren Früchte der von BISMARCK inaugurierten Handelspolitik.
England ist uns zumindest mit seiner Freihandelslehre ein schlechter Lehrmeister gewesen. Nachdem es sich nach der Niederringung alles bequemen Wettbewerbs, durch eine rücksichtslose Kolonial- und Machtpolitik, durch seine Navigationsakte, die mehr wert waren wie alle Schutzzollmaßnahmen zusammen, und durch alle möglichen Gewaltmittel zur Zentrale des Weltmarktes erhoben hatte, konnte der erstarkte britische Löwe wohl nach Freiheit brüllen. Eine Nation, die auf der Höhe ihres wirtschaftlichen Könnens oder doch ihrer ausschließenden Macht steht, braucht keinen Schutzzoll. Wenn aber, wie JHERING unübertrefflich sagt, die schwächeren Schäflein in das Freiheitsgebrüll einstimmen, so beweisen sie damit nichts anderes, als daß sie - Schafe sind. ("Zweck", Seite 512, 515f)
Der Engländer MILL hat das Wort von der "internationalen Moral" geprägt. "Wenn ihre Grundsätze", sagt er, "sich auf die Förderung des Gesamtwohls der Menschheit gründen, so würden die Völker eine solche wechselseitige Engherzigkeit (wie Schutzzoll usw.) sicherlich verdammen". Demgegenüber ist zu bemerken, daß die beste internationale Moral doch immer diejenige sein wird, die es auch den anderen Einzelvölkern ermöglicht, ihrer Eigenart nachzugehen und ihre eigenen Lebensinteressen zu verfolgen. Denn die "Menschheit" besteht aus individuellen Staaten und wird deshalb die größte Summ an Glück und Wohlstand erreichen, wenn der Kulturfortschritt der einzelnen Völkerindividuen gehoben wird - ein Gedankengang, den die liberalistisch-individualistischen Schulen und der englische Utilitarismus doch ihrerseits selbst für das Verhältnis des Individuums zum Staat mit einem solchen Nachdruck vertreten haben.
6. Die Wertlehre und die große volkswirtschaftliche
Gleichung von Nutzen und Kosten, von Konsumtion und Produktion
Der Wert ist kein Ding für sich, keine primäre Erscheinung, sondern nur letzter Ausdruck der sozialorganischen Funktionen der Volkswirtschaft. Mit der Zergliederung dieser Funktionen haben wir also mittelbar schon die Wertgesetze selbst erklärt. Was uns an dieser Stelle übrig bleibt, ist nur die Zusammenfassung unserer Ergebnisse und der letzten Folgerungen, die wir aus ihnen zu ziehen haben, kritisch und positiv.
Naturalismus, Kausalitätsgedanke, Quantitätenanschauung, das sind die innig zusammenhängenden Grundirrtümer der meisten Theorien. Ich setze an die Stelle dieser Trias eine andere, deren Glieder ebenfalls einander bedingen: Soziale Regelung, Zweckbetrachtung, organische Qualitäts betrachtung. Der Zusammenhang der ersteren Reihe liegt auf der Hand. Jede Natur betrachtung operiert mit der Kausalität und mit Mengen maßen. Dagegen wohnt der Kategorie der Regelung die Zweckidee und der Begriff der sozialen Funktion begrifflich inne. Die sozialorganische Betrachtung sieht in den Quantitäten nur variable Zweckgrößen, im Gegensatz zum volkswirtschaftlichen Naturalismus, dessen Lehren zum Mittel- und Ausgangspunkt das ursächliche Verhältnis fester und gegebener Quantitäten haben, wie es sich im Gesetz von Angebot und Nachfrage darstellt, diesem Allerweltsgesetz, nach dem sich auch der Wert der Güter bestimmen soll.
Wir haben bereits festgestellt, wie die Subjektivisten wie auch die Objektivisten mit ihrem naturalistisch-mechanischen Begriffsapparat über dieses Gesetz der Quantitäten und Zahlen nicht hinauskommen konnten. "Mechanisch" blieben sie beide, da die ihnen eigene Kausalitätsbetrachtung begrifflich verurteilt ist, im Mechanischen stecken zu bleiben, sei es daß sie - wie bei den Objektivisten - von der Kostenseite, sei es daß sie - wie bei den Subjektivisten - vom entgegengesetzten Pol, von der Gebrauchswertseite ausgeht ("Zweck", Seite 760f), sei es daß sie - wie bei SCHUMPETER - die Grundirrtümer beider Schulen "ins Extrem treibt" und die Aufgabe der Wissenschaft in der rein "beschreibenden" Rolle der sogenannten "reinen Theorie" sieht: "die Veränderungen in den Güterquantitäten festzustellen, welche im nächsten Augenblick vor sich gehen", kurz in der Aufstellung eines "Systems interdependenter Güterquantitäten" (vgl. LIEFMANN, Entstehung des Preises" etc., Seite 13/14, der dagegen mit Recht anführt, daß die Aufgabe der Wissenschaft gerade in der zuvorigen Erklärung des Besitzes bestimmter Güterquantitäten gelegen sei, und vor LIEFMANN schon KARL DIEHL im Jhg. 1909 dieser Jahrbücher, Seite 813f.
Wo die Quantitäten versagen, da versagen auch alle Quantitätstheorien. Die Subjektivisten müssen, um darüber hinauszukommen, die Quantitäten untereinander ausspielen, indem sie das logische Gewaltmittel des Güterfortfalls als passe-partout wählen und so, wie wir in der vorigen Abhandlung sahen, zu einem Ausbruch aus den in der Einzelwirtschaft gegebenen und zu bewertenden Gütermengen gelangen, und dann durch eine "Übersetzung ins Soziale" diesen Gedanken auf die abstrakte Pseudogesellschaft der "einfachen" Wirtschaft des großen Robinson übertragen. Die Objektivisten, sahen wir, bauten sich in den Quantitäten, die der Nahrungsspielraum ergeben soll, besonders aber in diesem Aushilfsmittel durchaus quantitativen Charakters, nämlich in den Ertragsqualitäten des letztgebauten Bodens oder des letztangewendeten Kapitals, ihre "Eselsbrücke" auf. Und auch Liefmann fällt trotz einiger richtiger Gedankenansätze in die Fehler seiner subjektivistischen Lehrmeister zurück, indem er in seiner ureigensten Begriffsschöpfung, dem "Konsumertrag" die Einheitsbrücke zum "volkswirtschaftlichen Grenzertrag" gefunden zu haben glaubt - einer Abstraktion, deren Kritik so vernichtend für ihren Urheber ausgefallen ist, aß ich meinem Vorsatz treu bleiben kann, im Gegensatz zu den übrigen Fachgenossen Liefmanns mich nicht mit den offensichtlichen Fehlgriffen Liefmanns aufzuhalten und dafür mehr seine positiven Verdienste zu betonen. Wenn es den einen oder anderen Leser sowie Liefmann selbst interessiert, so steht ihnen das Manuskript einer Abhandlung zur Verfügung, in der ich Liefmanns Gedankengänge schon vor Jahren anhand der sozialorganischen Betrachtung gewürdigt habe. Hier sei nur hervorgehoben, daß dieser Gegner der "materialistischen" Anschauung nicht sieht, wie er als ausgesprochener Subjektivist selbst im "Materialismus" befangen bleibt. Zwar hat er recht, und ich verstehe seinen gerechten Zorn über die materialistische Mengenanschauung, wenn er es zu einem nichtssagenden Ergebnis erklärt, daß die Subjektivisten der Grenznutzenlehre den Marktpreis innerhalb des Spielraums feststellen, der durch den noch letzten tauschfähigen und den schon ausgeschlossenen Tauschbewerber bestimmt wird. Die Mengersche Preistheorie, sagt er, ist nur eine Tauschlehre, nur eine Lehre von den Tausch grenzen, aber keine Erklärung des Preises. So sei die ganze so viel bewunderte österreichische Preistheorie "nichts weiter, als eine ziemlich kindliche ziffernmäßigie Berechnung einer oberen und unteren Preisgrenze bei gegebenem Angebot und gegebener Nachfrage", die beide als gegebene Größen angesetzt werden, während es die Aufgabe der Preistheorie ist, sie zu erklären (Liefmann, a. a. O., Seite 415f). Aber wenn er fortfahrend diese Erklärung in der Beantwortung der Frage sieht, wie bei verschiedener und dem Umfang nach nicht bekannt gewordenen "Bedarfsempfindungen der Konsumenten" ein Angebot entsteht und ein Preis zustande kommt, so meine ich nicht, daß er mit dieser subjektivistischen Erklärung zum Ziel gelangt. Die persönlichen Empfindungen und Schätzungen des Bedarfs sind immer nur Privatsache, aber hinter ihnen steht immer der ganze Zwang der sozialen Verhältnisse. Angebot und Nachfrage sind nur durch ihre sozialorganischen Verursachungen zu erklären.
Angebot und Nachfrage mit ihren gegebenen Quantitäten sind nur das Ergebnis dieser Verursachungen. Fertige Quantitäten gibt es für die volkswirtschaftliche Erklärung nicht, sie sind nicht Grund, nicht primär, sondern sie werden erst geschaffen. Angebot und Nachfrage "regulieren" den Preis nur im Sinne eines automatischen Formalapparates, sie sind nur Geschöpfe, und gehorsam dienen sie dem höheren Produktions- und Verteilungszweck. Ihre Größe und ihr Umfang ist durch den Zweck des sozialorganischen Getriebes bedingt. Sie sind bloße Summenbegriffe. Es heißt doch, die Sache auf den Kopf zu stellen, statt der Erklärung der Einzelerträge und ihrer Zusammenaddierung, aus den fertigen Marktbeständen die volkswirtschaftlichen Gesetze abzuleiten, aus der Summe also die Summanden zu erklären. Man vergißt dabei, daß der Summenbegriff des Gesamtprodukts und der Gesamtnachfrage sich erst auf privatwirtschaftlicher Grundlage aufbaut.
Ich habe die naturalistischen Quantitätstheorien immer mit einer Lehre verglichen, die aus dem molluskenhaften [gewebetierartigen - wp] Stoff der Materie ein Rückgrat und Wesen des Wirbeltieres erklären möchte. Stoff und Kraft sind indigesta moles [unverdauliches Zeug - wp] die erst von der Form und dem Wesen einer gebenden Idee der Zweck gestaltung in ihre Dienste gezwungen wird. Nicht anders steht es um den volkswirtschaftlichen Organismus, seinen Bau und sein Leben, sowie die Bestandteile seiner Gliederung, die sich in gewissen bleibenden Werteinheiten verkörpern. Diese festen Einheiten, aus denen sich in ewiger Erneuerung ihres stofflichen Inhalts alles volkswirtschaftliche Leben ergibt, hat LEXIS sehr treffend mit dem Begriff seiner "Wertgesamtheiten" erfaßt (Tübinger Zeitschrift, Bd. 44, Seite 222f). Ihr Stoff befindet sich in einer ständigen Metamorphose, aber ihre Einheit bleibt. Solche bleibenden funktionellen Bestandteile sind nach LEXIS z. B. die jährliche Konsumtionssumme, d. h. die Gesamtmenge aller in einer gegebenen Volkswirtshaft im Ablauf eines Jahres an die Konsumenten gelangenden Konsumtionsgüter bzw. die Preise, die für sie zu zahlen sind, ferner die dem entsprechende primäre Einkommenssumme, welche sich in Kapitalgewinn, Grundrente und Arbeitslohn sondert; dann die jährliche Produktionssumme, d. h. die in Geld ausgedrückte Gesamtsumme des Wertes, der durch die sachliche Arbeit in Verbindung mit Kapital und Naturfaktoren in demselben Jahr erzeugt wird. Alle diese Werteinheiten gehen durch den Geldausdruck. So nehmen die Lohngüter (die Güter des Arbeiterverzehrs), ihren Durchgang durch den Geldlohn, durch Geldsummen, welche von den kapitalistishen Unternehmerns als Anweisung auf die Konsumtionsgüter vorgeschossen werden. So wandelt sich ein Teil des Kapitals in einem ewigen Wechsel in Geldlohn, in Lohngüter für produktive lebendige Arbeit, dann wieder in stoffliches Kapital, dieses nach seinem Verkauf wieder in Geldlohn usw. Wie so dieselben Werteinheiten in der Arbeits lohnsumme, Arbeitereinkommen- und Konsumsumme, Arbeitssumme, Produktionssumme abwechselnd erscheinen, so hat uns das LEXIS entsprechend am Kapital gewinn, an der Kapitaleinkommen- und Konsumtionssumme und der Summe der Kapitalistenleistungen veranschaulicht. (Näheres im "Zweck", Seite 262f, 278f, 284f)
Da, wie gesagt, alle diese Werteinheiten im Leben als Geldsummen auftreten, so erscheinen uns eben alle Dinge überhaupt in ihrem vergoldeten Leib. Nicht nur das Kapital ist, wie MENGER sagt, "das in Geld bestehende oder kalkulierte Stammvermögen einer Erwerbswirtschaft", sondern es steht mit allen anderen Gütern ebenso, sie alle sind effektive in Geld bewertete bzw. bloß rechnungsmäßig in Geld dargestellte Vermögensbestandteile. Wie in den Kapitalgütern das Kapital, so "steckt" in allen Gütern der Geldwert und der Wert ansich. Alle Güter und Leistungen sind nur Träger des in Geld kalkulierten Wertes. Geld ist Anweisung auf irgendein stoffliches Ding, das gleichem Wert entspricht und sich in ihm gleichsam wieder findet. Nicht die naturalen Güter mit ihren naturalen Nutzleistungen, sondern ihre sozialen Werte, nicht also die Güter in ihrem stofflichen Leib, sondern die Güter als Verteilungs- und Aneignungsmittel, also in ihrer Macht, fremde Güter einzutauschen, sind die Gegenstände der entscheidenden volkswirtschaftlichen Betrachtung. Diese Funktion als Aneignungsmittel wohnt daher nicht bloß den Kapital-, sondern allen anderen Gütern neben ihrer Funktion der unmittelbaren und mittelbaren Bedürfnisbefriedigung gleichsam wie eine zweite Seele inne. Dieser wahrhaft entscheidende soziale, gemeinhin in Geld ausgedrückte Wert macht das Gut vom "Naturding" zum "Wertding". Er ist nur ein Repräsentant der in den Gütern enthaltenen sozialorganischen Funktionen. Wie MARX das Kapital ein Produktions verhältnis nennt ("Zweck", Seite 73 und 535), so sind auch alle anderen Güter und Leistungen bei sozialer Betrachtung nicht als "Dinge", sondern als "soziale Verhältnisse", besser als Ausdruck von solchen vorzustellen. Erst mit dieser Anschauung wird allgemein das überwunden, was MARX den Fetischismus der Ware nennt. Es ist ein für allemal aus mit Gütern und "Güterhaufen" von BÖHMscher Fraktur. Alle ökonomischen Begriffe und Größen lösen sich in sozialorganische Funktionen auf.
Die Eigenart dieser Funktion ist uns schon bekannt, es ist die Funktion der "Verteilung" im oben dargelegten weiteren Sinne, im Sinne einer sozialen Auseinandersetzung zwischen den Einzelwirtschaften als anteilsberechtigten Gliedern der Gemeinschaft. Es ist deshalb erklärlich, daß selbst Naturalisten durch die Logik der Tatsachen auf den notwendigen Zusammenhang von Wert und Verteilung gelegentlich geradezu gestoßen werden. So erkennt von BÖHM-BAWERK den Charakter des Zinsproblems im letzten Grund als ein "Wertproblem" an ("Kapital" I, Seite 600-604), dann aber Seite 204 als eine "Frage der Verteilung". Wie nahe hätte da der Schluß gelegen, nicht nur daß der Wert des Kapitals und der Kapitalzins auf Verteilung beruth, sondern auch, weil doch das Kapital ein Gut wie alle anderen ist, der Wert aller Güter aus ihrer Verteilungsfunktion stammt, mithin das ganze Wertproblem ein Verteilungs problem ist. Da eben die Verteilung aus der Tatsache der volkswirtschaftlichen Regelung folgt, so ist der Schluß nicht zu vermeiden, daß die Regelung, die Verteilung und der Wert zueinander im Verhältnis einer logisch geschlossenen Verkettung stehen, deren Glieder sich gegenseitig bedingen. Mit anderen Worten: Ist die Verteilung nur als eine Zweckfunktion der Regelung, der Wert wiederum nur als ein funktionell-organisches Medium der Verteilung zu begreifen, so gehorchen dem Wert so gut wie die Verteilung einem Dritten, nämlich der Regelung und ihren Zwecken. Es kann der Wert der zu verteilenden Gütermengen nur den größenmäßigen Ausdruck der Anteile darstellen, die den Klassen der Gesellschaft nach Maßgabe der Gesellschaftsordnung bestimmungsgemäßt zufallen ("Zweck", Seite 356). Nur weil man das Prinzip der Regelung übersah, konnte es nicht gelingen, die Gesetze der Verteilung und des Wertes "aus einem Guß" zu erklären.
Ich habe im "Zweck" eingehend dargelegt, wie es die Verkennung des organischen Zusammenhangs zwischen Wert und Verteilung war, die eine unheilbare Duplizität in die nationalökonomischen Lehrsysteme hineingetragen hat. Sowohl RICARDO wie später MARX lassen den Wert aus der Arbeit allein entspringen, dagegen die Verteilung der Güter nach dem "trinitarischen" Teilungsschlüssel erfolgen, und zwar so, daß die Abfindungen der Kapitalisten und Grundeigentümer durch einen nachträglichen Abzug vom Arbeitskostenwert gebildet werden (vgl. meine ausführlichen Darlegungen über diese Diskrepanz bei RICARDO im "Zweck", Seite 356-364 und bei MARX, ebd. Seite 536-539 und 555). Die Folge war bei RICARDO das ewige Schwanken und die unheilbaren Widersprüche zwischen der bei ihm "esoterischen" reinen Arbeitskostentheorie einerseits und der Theorie der Wertbildung nach Arbeit und Kapitalgewinn (vgl. "Soziale Kategorie", Seite 52f, 62f). Und bei MARX ist es die vielbesprochene unüberbrückbare Kluft zwischen Wert und Preis und das unfruchtbare Gequäle, Bd. III des "Kapitals" mit Bd. I in Einklang zu bringen ("Zweck", Seite 546-562). Über die gleichen Irrtümer bei RODBERTUS habe ich "Soziale Kategorie", Seite 73-79 gehandelt. (vgl. auch L. von BORTKIEWICZ, "Die Rodbertussche Grundrententheorie", Heft 1 und 3, Jhg. 1911 des Grünbergschen Archivs, wo von BORTKIEWICZ Seite 424 auf meine Kritik Bezug nimmt.
Erst anhand der organischen Einheit von Wert und Verteilung läßt sich die größte und wichtigste Aufgabe der theoretischen Nationalökonomie bis zur Tiefe erfüllen, die Lösung der öfters berührten großen volks wirtschaftlichen Gleichung zwischen Nutzen und Kosten. Kosten und Nutzen stehen dann aus eine sozialorganischen Notwendigkeit heraus in engster Wechselwirkung, sie sind Komplementärbegriffe, gleichzeitig Bedingendes und Bedingtes. Sie sind nur die verschiedenen Seiten ein und desselben sozialen Geschehens, "das unter allen Umständen natürliche und notgedrungene Wechselverhältnis" (RODBERTUS). Alle Kosten lösen sich in entsprechende Nutzgrößen auf, sie sind auf irgendeinen Nutzen abgestimmt, entsprechen immer gewissen Abfindungen; Lohn so gut wie Kapitalgewinn sind auf entsprechende Kostensätze zu verrechnen und umgekehrt ("Zweck", Seite 276). Die Kosten sind Werteinsätze, sie lösen sich in Nutzgrößen auf, die den beteiligten Wirtschaftssubjekten zufließen. So wird erfüllt, was ich am Ende der vorigen Abhandlung als das Recht des Subjekts und des Subjektivismus andeutete, das Subjekt wird als soziales erfaßt, der Subjektivismus wird organisch. Kosten-Nutzen, Verkaufskraft-Kaufkraft bilden die unzertrennlichen Korrelate aller volkswirtschaftlichen Betrachtung. Der Kostenwert ist ein antizipiertes Einkommen. Die Güter, hat man in einem etwas harten Ausdruck gesagt, kosten Einkommen, der Produzent kommt im Einkommen auf seine Kosten, Zweck und Bedingung seiner Produktionstätigkeit besteht geradezu in der Einkommenserzielung. Die "Macht", mit der Arbeiter, Kapitalisten und Grundeigentümer als Konsumenten aus dem Schatz der fertigen Produktmasse schöpfen, fällt sozialteleologisch und kausal mit der Macht zusammen, die ihnen vorher als Entgelt für die von ihnen hergegebenen Kostengüter in Gestalt eine Anweisung auf den gesellschaftlichen Markt auf den Weg gegeben wurde. Die Kostengüter sind zu Recht mit dem Getreide auf dem Halm verglichen worden, es ist ihr eigener Wert, der im Wert ihrer Produkte nur wiedererscheint. Der Wert ist ein antizipierter Einkommenswert. Wert der Kostengüter und ihrer Produkte sind gleich, weil sie ein und demselben Prinzip gehorchen, also einem Dritten gleich, dem Zweckbegriff der sozialnotwendigen Abfindung. Diese ist die ultima ratio, der Zweck in der Volkswirtschaft. Die Abfindungen sind die sozialen Einheitsgrößen, die Wertgefäße, die den wechselnden Inhalt an Reichtum in sich aufnehmen. In ihrem vorweg gegebenen, wenn auch historisch variablen Rahmen fügt sich als Füllung erst der intermediäre [mittleren - wp] Stoff ein, und zwar nach den von den Gebrauchswertschulen näher beschriebenen Gesetzen des Konsumtions- und Produktionsniveaus. Für die Erklärung der bestehenden Volkswirtschaft ist nicht diese Füllung, sondern jener Rahmen die Hauptsache, erst mit ihm erhält man a posteriori die entscheidenden Quantitäten, von denen die Schulen fälschlich a priori ausgingen. Für die "einfache" Wirtschaft sind sie gegeben, für die Volkswirtschaft kommt es auf ihre Auffindung und Abgrenzung an, während sich alles andere erst sekundär daran anschließt. Erst innerhalb dieser festen Schranken setzt dann das von den liberalistischen Schulen gefeierte "freie Spiel der wirtschaftlichen Kräfte" auf dem Weg von Angebot und Nachfrage ein. Der ganze Kampf des praktischen Lebens läuft darauf hinaus, diese quantitativen Werteinheiten der Abfindungssätze im Wettkampf der Individuen und Klassen zu bestimmen. Wozu der ganze Lärm der sozialen Frage, wenn jene Quantitäten nach Ansicht der naturalistischen Schulen schon ansich naturnotwendig gegeben wären? ("Soziale Kategoeir", Seite 264, 265. "Zweck", Seite X und 765)
Erst durch diese Abfindungsgrößen ergibt sich die sozialorganische Zweckeinheit zwischen Produktion und Konsumtion. Wenn man vom sogenannten abgeleiteten Einkommen absieht, fallen die Produzenten in ihrer Gesamtheit mit den Konsumenten in deren Gesamtheit zusammen. Zwar bringt der einzelne Produzent nicht die Güter seines Verzehrs hervor, aber doch mit den von ihm erzeugten Gütern die Wertäquivalente seines Konsumtionsbedarfs, die nur die antizipierten Werte der zu honorierenden Produktivfaktoren darstellen, antizipiert in einem teleologischen Sinn von Mittel und Zweck. In der Grenznutzenlehre speziell fehlt diese Einheit, sie konnte die Brücke zwischen den beiden Seiten der Gleichung nicht finden, sie bewegt sich im Zirkel: ihre Theorie vom Wert der komplementären Produktivgüter soll das Einkommen und die Kaufkraft der Produzenten erklären, die Kaufkraft ist also eine abgeleitete Folge. Dann aber kehrt sich die Sache um, die Kaufkraft ist primär; denn sie "saugt die Produktivkräfte der Nation" und deren Erzeugnisse mittels der Kaufkraft und nach Maßgabe derselben zu sich heran ("Subjektivismus", Seite 184 und "Zweck", Seite 761f).
Der Zirkel schwindet erst durch den Monismus der sozialorganischen Zweckeinheit. In diesem großen Zweckgebilde der Volkswirtschaft wird dann ein jeder Produktionsfaktor von Haus aus mit dem Wert eingewiesen und das Produkt von "Stufe zu Stufe mit den Preisen weitergegeben (auf ihm "notiert", sagt RODBERTUS), welche die Produzenten und alle sonstigen Abfindungsberechtigten aus den Partikeln des zerstreuten Nationalprodukts nachher wieder einlösen. Der teleologisch vorweg genommene Wert der Konsumtionseinheiten ergibt erst die Kaufkraft, durch welche die Realisation der Kostenwerte erfolgt. Nur hierdurch wird a priori die Möglichkeit geschaffen, daß die durch die Kaufkraft der Konsumenten bestimmten "bestbezahlten Verwendungen" die Produktionsfaktoren bzw. deren Erzeugnisse an sich "saugen" können. Die Bilanz muß aufgehen. Das große clearing-house des "Marktes" vollstreckt nur die Zweckgesetze der Volkswirtschaft. Der Wert aber ist nichts Geringeres, als der automatische Kontrollapparat jenes großen Gesetzes, er begleitet und überwacht den Gang der Technik von der
Rohproduktion bis zur Aurteilung der fertigen Produkte an die letzten abfindungsberechtigten Konsumenten.
7. "Macht oder ökonomisches Gesetz?"
Unter diesem Titel hat jetzt von BÖHM-BAWERK die längst versprochene Auseinandersetzung mit der von mir unmaßgeblich als sozialorganische bezeichneten Richtung vorgenommen, und zwar hält er sich dabei gerade an mich, weil ich "der zur Diskussion der Prinzipienfrage bestlegitimierte Vertreter meines Typus" sei und dabei den "Vorzug biete, mich emsig bemüht zu haben, die von Früheren - seit RODBERTUS und WAGNER - gegebenen Anregungen prinzipiell zu fassen und auszugestalten, und dann noch den weiteren Vorzug, daß ich mich mit den ökonomischen Theorien eingehender vertraut zeige, als manche von anderen Wissenschaften ihren Ausgang nehmende Autoren." Er erkennt nach wie vor die Wichtigkeit des "bisher so stiefmütterlich behandelten Problems für die ökonomischen Wissenschaften" an, es handle "sich tatsächlich um nicht mehr und nicht weniger als um "die wissenschaftliche Fundierung jeder rationalen Volkswirtschaft". "Denn", sagt er, "es liegt auf der Hand, daß ein künstliches Eingreifen in die volkswirtschaftlichen Prozesse von vornherein nur dann einen Sinne hat, wenn man die Vorfrage, ob die Macht gegenüber den natürlichen Gesetzen des ökonomischen Geschehens überhaupt etwas vermag, bejahend zu beantworten imstande ist", und wenn man sich ferner - was den eigentlichen Inhalt des Problems bildet - "über das Maß und die Art des Einflusses", der der "Macht" gegenüber dem "natürlich-ökonomischen" Geschehen beschieden sein kann, klare und zutreffende Anschauungen zu bilden vermag. "Man müßte", sagt er, "heutzutage ein Idiot sein, wenn man einen Einfluß der sozial geschaffenen Einrichtungen und Maßnahmen auf die Güterverteilung leugnen wollte", so den Einfluß der Arbeiterorganisationen mit dem Kampfmittel der Streiks und Boykotte, der staatlichen Preistaxen in Hungerjahren, der Trusts, Kartelle, Pools, Monopole aller Art, "die überall in die Preisbildung und Verteilung eingreifen - der ebenfalls rapide anwachsenden künstlichen Beeinflussungen nicht zu gedenken, die von der staatlichen Volkswirtschaft ausgehen". Da so der Einschlag sozialer Machtmittel in immer stärkerer Zunahme begriffen ist, so müsse man allerdings dem großen, noch nicht befriedigend gelösten Problem zu Leibe rücken, "die Art und das Maß des von jeder der beiden Seiten (der Seite der natürlichen und der der sozialen Kategorie) kommenden Einflusses darzulegen; darzulegen, wieviel der eine neben (!) dem anderen und eventuell gegen (!) ihn vermag". Dieses Kapitel der Sozialökonomie sei noch nicht befriedigend geschrieben worden. Die Frage ist, "ob der Einfluß der Macht sich innerhalb oder aber gegen die ökonomischen Preisgesetze geltend macht; ob er dort, wo er auftritt, die Formeln der (? von BÖHM meint seiner) theoretischen Preisgesetze durchkreuzt und stört, oder aber sie erfüllt."
Machen wir Halt. Nicht nur der Inhalt, sondern schon die Überschrift der Abhandlung hat meine Erwartungen enttäuscht. Wie konnte von BÖHM nur so ganz das Thema verfehlen? Wie wenig er es erfaßt hat, zeigen schon die beiden Glieder der Antithese "Macht oder ökonomisches Gesetz". Beginnen wir mit dem zweiten Glied, dem "ökonomischen Gesetz" und setzen statt des Fremdwortes das deutsche Wort "wirtschaftlich" ein. Wie unklar und irreführend ist dieser Begriff des "Wirtschaftlichen", und welche Verwirrung und welchen unfruchtbaren Streit hat er gerade in der neueren Zeit angerichtet, so sich Abhandlungen an Abhandlungen über diesen Begriff, besonders in seinem Verhältnis zur Technik, reihen. So sprach und spricht man vom wirtschaftlichen Motiv, vom "wirtschaftlichen" Prinzip, vom "Wirtschaftsmenschen - homo oeconomicus, economical man, business man" und glaubt damit eine ureigene, die ganze Wissenschaft erleuchtende Sonderkategorie erfaßt zu haben. Leider gibt es, wie wir sahen, eine solche Kategorie neben den beiden Kategorien, der natürlich-technisch-psychologischen, auch "theoretisch" genannten einerseits und der sozialen (praktischen, sittlichen), überhaupt nicht, weder für die Geisteswissenschaften im allgemeinen, noch für die Nationalökonomie im besonderen. Überall ist immer nur die Wahl zwischen der notwendigen Kausal kette der naturgegebenen und der sozialorganischen (sozialethischen) Zweck elemente.
Auch der Nationalökonomie oder irgendeinem Zweig derselben ist kein besonderes Erkenntnisprinzip einzuräumen. Die Vertreter der gegenteiligen Annahme scheinen mir an einer recht alten Klippe des Denkens gescheitert zu sein, sie haben den Stoff (Gegenstand, Objekt) mit der Methode oder dem Erkenntnisprinzip der Wissenschaft verwechselt. Den Stoff der Nationalökonomie bildet die materielle Güterversorgung, ihre selbständige Stellung im Reich der Geisteswissenschaften hat sie sich, wie alle anderen Disziplinen, nur auf dem Weg praktischer Arbeitsteilung, aus Zweckmäßigkeitsgründen errungen ("Zweck", Seite 27, 106). Was das "wirtschaftliche Prinzip" betrifft, so habe ich ebd. Seite 187f seine Abwegigkeit geschildert. Es ist nichts mit dem anmaßenden Singular, ich kenne nur den Pluras "wirtschaftliche Motive". Das sind schlicht gedacht alle diejenigen Beweggründe des menschlichen Handelns, welche die "Wirtschaften", das ist die Veranstaltungen zum Zweck materieller Bedürfnisbefriedigung zum Ziel und zum "Gegenstand" haben, und woran sie sich beteiligen. ADOLPH WAGNER hat zutreffend eine ganze Tafel wirtschaftlicher Motive aufgestellt und dem in Ziffer 1) der Tafel angeführten Motive: "Streben nach dem eigenen wirtschaftlichen Vorteil" und weiteren drei egoistischen Motiven noch ein fünftes unegoistisches Motiv hinzugeführt: "Trieb des inneren Gebotes zum sittlichen Handeln, Pflichtgefühl und Furcht vor dem eigenen Tadel, vor Gewissensbissen." Aber daneben gibt es ja wohl noch die von Wieser (vgl. oben) schon betonten, mehr objektiv sozialen Motive, die auf die Einfügung des Subjekts in die Zwecke der Volkswirtschaft gerichtet sind. Jedenfalls ist es abzuweisen, wenn seit den Klassikern bis zu DIETZEL hinauf nur immer das natürlich-ökonomische Motiv des "Egoismus" berücksichtigt, oder, wie es von BÖHM tut, "das Grundgesetz der Preisbildung unter der Hypothese vom ausschließlichen Walten des Strebens nach unmittelbarem Tauschvorteil entwickelt" wird.
von Böhm-Bawerk hält sich deshalb an dieses "Grundphänomen", er will "vor allem zum Verständnis bringen, wie die Preisbildung unter dem Einfluß" jenes einzigen Motivs erfolgt. Er überläßt dann einem "zweiten, besondernen Teil der Preistheorie die "Aufgabe, die aus den hinzutretenden anderen Motiven und Tatumständen sich ergebenden Modifikationen (!) des Grundgesetzes in dieses einzuweben (!)". Er führt als solche die genannten sittlichen Motive auf, dann aber den Einfluß "gewisser konkreter Voranstellungen, wie Monopole, Kartelle, Koalitionen, staatliche Preistaxen, Schieds- und Sühneämter, Arbeitervereine und (so ganz eklektisch angefügt), "manche andere Organisationen, die heutzutage die Selbsthilfe und Staatskunst als künstliche Wellenbrecher dem allzu stürmischen Anprall der egoistischen Preiswelle entgegenzustellen lieben." Diese ganze Antithese ist erkenntnistheoretisch falsch gestellt. Die volkswirtschaftlichen Erscheinungen hängen letztlich viel weniger von subjektiven Motiven der handelnden Personen, als umgekehrt die bewegenden Motive von der Macht der objektiv gegebenen Verhältnisse ab. Selbst der Wirtschaftsmensch mit seinem Egoismus betätigt sich nur innerhalb der gegebenen Verhältnisse, indem er sie ausnützt und sich im gegebenen Bau der vorher gegebenen Sozialverhältnisse häuslich einrichtet. Seine persönliche "Macht" geht über einen Umweg, über die sozialorganisch bestimmten Bahnen. Wie schief ist es doch, den Einfluß jener "besonderen Staatsgesetze und besonderen Veranstaltungen" unorganisch und beiläufig anzuführen. Es handelt sich nicht um solche vereinzelte "künstliche Wellenbrecher", die gleichsam als Störenfriede den rein-ökonomischen Aufbau der Grenznutzenlehre etwas verrücken, sondern um die ganze allgemeine und fundamentale Wirksamkeit der sozialen Kategorie, der Regelung und der Wirtschaftsordnnung. von Böhm meint, die Pflege dieses zweiten, "ergänzenden" Teils, der neben dem Allgemeinen das Besondere und Konkrete bringt, sei schon von der anderen, nämlich der historischen Forschungseinrichtung bearbeitet worden ("Kapital" II, Seite 352-357). Demgegenüber kann ich nur auf das früher Entgegnete verweisen. Es handelt sich nicht um eine "Ergänzung", um die Ausfüllung einer "Lücke", nicht um einen zweiten Teil neben dem skizzierten ersten Teil, sondern der erstere, der allgemeine, theoretische Teil ist innerlich zu ergänzen durch eine Einfügung der sozialen Kategorie und den grundsätzlichen Ausgang von den objektiv sozialen Grundlagen der Volkswirtschaft ("Zweck", Seite 37, 38, 59 und XVI). Die sozialorganische Methode ist nicht verurteilt, ein so "ärmliches Plätzchen", wie von Böhm meint, einzunehmen, sondern es gebührt ihr Krone und Zepter ("Zweck", Seite 565).
Auch das Gebilde des "Wirtschaftsmenschen" ist ein ganz luftiges, dieser economical und businessman enthält ebenso wie das "wirtschaftliche Motiv" eine naturalistische petitio principii [es wird vorausgesetzt, was erst zu beweisen ist - wp]. Man kann wohl den Begriff des Wirtschaftlichen abheben von anderen Betrachtungsweisen, vom Technischen, vom Juristischen, aber als bloßer Grenzbegriff erbringt er in sich, durch sich und aus sich keine besondere Kategorie. Das Wesen der Wirtschaft aus dem Begriff des Wirtschaftlichen abzuleiten, erinnert stark an Onkel Bräsigs Herleitung der Armut aus der "Powerte" [poverty = Armut | wp].
Wir kommen zum zweiten Glied der von BÖHMschen Antithese: der "Macht" oder den "Machtverhältnissen". Aber wie verschieden ist doch dieser Begriff bei von BÖHM von der Bedeutung, die ich damit verbinde. von BÖHM versteht darunter die Übermacht, die, wie er Seite 208 sagt, "man ja beim Schlagwort des Einflusses der Macht doch wohl (?) vornehmlich im Auge hatte"; er führt als Beispiele die schon oben bezeichneten an, und bezeichnet sie als "künstliche" Machteinflüsse, "Eingriffe" usw. Ich dagegen verstehe unter Machtverhältnissen gerade nicht diese irregulären oder abusiven [mißbräuchlichen - wp] Machteinflüsse, wie den Wucher oder die Ausbeutung, sondern ich meine damit den legitimen Zwang der Regelung, des Besitzes, des Rechtszwangs, ohne allen moralisierenden Beigeschmack. Ich führte das seitenlang gegen von BÖHM und MARX schon im "Zweck" (Seite 352f und 653) aus. Ich sagte unter anderem: Eigentum ist Macht und muß Macht bleiben, weil die Regelung selbst mit ihren Instituten einen Machtbegriff darstellt. Der Doppelsinn des Wortes Macht, wie er etwa in dem Satz hervortritt, daß Macht vor Recht gehe, läßt die Macht leicht mit Willkür verwechseln, Macht dagegen in dem von mir gemeinten Sinn ist ein Komplementärbegriff von Recht, es gibt kein Recht ohne Macht; denn das Essentielle des Rechts ist die Erzwingbarkeit. Die Macht ist ein ethisch neutrales Naturelement. So kann man selbst die "Ausbeutung" ganz objektiv verstehen. Jede Arbeitsteilung ist eine Ausbeutung in diesem Sinne, auf ihr beruth der Mehrerfolg alles sozialen Zusammenwirkens des einen für alle und aller für einen. Die Regelung ist eine konstitutive, nämlich die soziale Kategorie, die alle ökonomischen Begriffe und Verhältnisse durchdringt. Die natürliche und die soziale Kategorie sind immer miteinander verbunden und wirsam, sobald sich Menschen zu einer gemeinsamen Wirtschaft zusammenschließen, alle sozial wirtschaftlichen Erscheinungen sind ein untrennbares Ergebnis beider Kategorien ("Zweck", Seite 482, 114, 246). Ich nannte das mit STAMMLER den Monismus des sozialen Lebens: Die Sozialwirtschaft, sagt STAMMLER, "ist kein selbständiges Ding, so daß über ihr eine Rechtsordnung schwebt ... Ökonomische Phänomene sind nicht soziale Naturgebilde, treten nicht zufolge eines elementaren Triebes ökonomischer Mächte für sich besonders auf ..." (Seite 89).
von BÖHM hat daher das streitige Problem schon insofern falsch erfaßt, als er es in der Untersuchung der Frage gelegen sieht, was das eine Prinzip neben dem anderen und gegen das andere vermag. Das Kausalmoment der Regelung kann daher auch nicht nachträglich zwecks Ausfüllung einer "Lücke" in die Betrachtung eingesetzt werden, es müßte sich sonst ergeben, daß eine "Ergänzung", eine bloße Korrektur nicht ausreicht, daß vielmehr eine erkenntnistheoretisch neue und heterogene Betrachtung ab ovo [vom Ei weg - wp] einzusetzen hätte, alles noch einmal untersucht werden und eine völlige Um wertung der rein ökonomischen Ergebnisse vorgenommen werden müßte. Hypothesen, wie die von der Grenznutzenlehre benutzten, stellen nur eine vor soziale oder außer soziale Ökonomie dar, sie beweisen nichts und trügen, sie bilden ein bloßes Zerrbild der wirklichen, der sozialen Wirtschaftszustände, das durch eine nachträgliche Retuschierung nur noch bedenklicher wird ("Zweck", Seite 246 und 706). Ich habe das Gefährliche einer solchen nachträglichen Zurechtschiebung der aus der "abstrakten Gesellschaft" gewonnenen Destillationsprodukte (Seite 124) an der naturalistisch schiefen Behandlung aktueller politischer Tagesfragen dargelegt, ebenso das daraus erklärliche Kokettieren mit dem "natürlichen Wert" in der sozialistischen Gesellschaft (Seite 708, 709). Es führt das alles zu einer Quantitätenlehre, zur Lehre vom natürlichen Nahrungsspielraum, zur Idee des Weltbürgerstaates und einer "internationalen Moral" (siehe oben). Schon das bloße Totschweigen der gegnerischen Richtung machte gewisse Schulen zu unbewußten Bundesgenossen der überliberalistischen Bestrebungen. Hatten die Klassiker die Isolierung der natürlichen ökonomischen Momente nur naiv vorgenommen, so trieben neuere Richtungen, nicht bloß die Grenznutzenlhere, ihr Prinzip auf die Spitze, sie setzten einen Trumpf darin, der ganzen sozialen Anschauungsweise grundsätzlich den Krieg zu erklären und verschärften und verewigten damit den Methodenstreit ("Zweck", Seite 57, 58, 117).
Wie so die Glieder der Antithese "Macht oder ökonomisches Gesetz", so versagen notwendig die von BÖHM-BAWERK gezogenen Folgerungen. Er sagt Seite 208, 209, man müsse, ehe man die "zweite" Reihe der Untersuchungen beginnt, nämlich die über die Veränderungen, welche sich durch das Hinzutreten von Voraussetzungen sozialer Provenienz [Herkunft - wp] ergeben, "vor allem wissen und verstehen, wo der Verteilungs- oder allgemeiner der Preisbildungsprozeß ohne besondere (?) soziale Beeinflussung verlaufen würde", nämlich "unter der Voraussetzung des Waltens - nicht bloß rechtlich, sondern auch faktisch - freier und vollwirksamer Konkurrenz". von BÖHM hat die so eingehend vorgeführte Grundlage meiner Ausführungen nicht beachtet, daß in der bestehenden Volkswirtschaft die "Konkurrenz" und das ganze Konkurrenz system selbst schon ein durch und durch der Regelung entstammender Faktor "sozialer Provenienz" ist. Er scheint das auch selbst zu fühlen; denn er macht - aber nur beiläufig - in einer Fußnote (Seite 209) das etwas naiv klingende Geständnis: "Irgendein Einschlag sozialer Einflüsse muß immer vorhanden sein, weil ja doch immer eine, wie auch immer beschaffenene Rechtsordnung existieren muß." Mir fielen beim Lesen dieser Worte unwillkürlich die lustigen Worte des stolzen Hamburger Senators ein, die er dem jungen Mann entgegnete, als dieser ihm auf die Frage nach seiner Herkunft erwiderte, er sei Berliner: Nun irgendwo muß der Mensch ja geboren sein! Ähnlich und eingehender spricht von BÖHM seinen Gedanken Seite 223 aus, wo er hinzusetzt: "Es gibt buchstäblich keinen Preis und keine Verteilung - außer durch Straßenraub und dgl. - ohne rechtlich-historischen Einschlag. Es muß ja doch in jeder zivilisierten Gesellschaft irgendeine Rechtsordnung geben ..." Nun diese "Kleinigkeit" von gesellschaftlichem Einschlag ist es ja, um die es sich handelt, nur daß nicht bloß, wie von BÖHM meint, eine ergänzende Zutat, ein "künstlich" in den rein ökonomischen Bau der Dinge hineingetragenes Moment, sondern ein der Volkswirtschaft immanentes, indispensables [unverzichtbares - wp], in ihr verkörpertes, verwirklichtes und wirksames Element in Frage ist, das auch nicht mit dem Zugeständni von BÖHMs abgespeist werden kann, daß es "auch" wirksam sei. Dieses auch ist ungenügend, weil es nicht organisch gedacht ist. Und wenn von BÖHM darauf hinweist, daß ich zwischen diesem "Auch" und der von mir an anderen Stellen vertretenen Anschauung, daß schließlich die Machtverhältnisse entscheiden, dialektisch hin. und herschwanke, und zwar vermöge der fortwährenden Unterscheidung zwischen den natürlichen Faktoren als "Bedingungen oder Voraussetzungen" und der sozialen Faktoren als "bestimmender" und "entscheidender" - er könnte auch sagen zwischen Stoff (Materie) und Form (Gestalt, Regelung) - so bin ich ja in guter Gesellschaft, da diese fundamentale Unterscheidung der Dinge von ARISTOTELES und PLATO bis zu STAMMLER hinauf gang und gäbe ist.
Und nun setzt bei von BÖHM das Operieren mit dem kritisierten Begriff des Ökonomischen, des Wirtschaftlichen ein. Hier zeigt sich die ganze petitio [Unklarheit - wp], die in diesem unseligen Begriff ihr Werk verübt und zur unorganischen Vermischung der Kategorien führt. von BÖHM-BAWERK spricht in einem süßen Ineinander der beiden Glieder seiner Antithese von der "ökonomischen Macht". Das aber soll nicht etwa bedeuten, die Macht aus der Regelung, sondern die rein -ökonomische Macht, während doch geradei die Frage war, ob die Wirtschaft ein rein ökonomisches oder soziales Gebilde ist oder beides, letzterenfalls wie sich in dem ansich leeren Begriff des "Ökonomischen" die beiden Kategorien zueinander verhalten. Die ganze Verkennung der sozialorganischen Betrachtung und die Vermischung der Kategorien gipfelt dann in dem gegen mich gerichteten Satz (Seite 219): "Nicht die Leugnung, sondern die kasuistische Fortbildung der vermeintlichen (?) rein ökonomischen Verteilungsgesetze muß die Losung sein." Nicht "vermeintlich" sind die Verteilungsgesetze von BÖHMs rein ökonomisch, besser "natürlich", sondern wir sahen in der vorigen Abhandlung ("Subjektivismus") bei der Kritik der Zurechnungslehre, wie sie das in der Grenznutzenlehre wirklich sind, und nicht bloß "natürlich", sondern im Grunde rein technisch, produktions- und konsumtionstechnisch. Ich habe bereits in der "Sozialen Kategorie" (Seite 317) - in Bezug auf das "Tauschen" - und sonst auf die Verwirrungen hingewiesen, die der Zwitterbegriff des "Wirtschaftlichen" anrichten kann. Wie wenig aber von BÖHM die Kategorien als solche auseinanderhält, zeigt auch von neuem sein Satz (Seite 223): Diese Unterschiede zwischen den beiden Kategorien "spielen in der theoretischen Erklärung der Preis- und Verteilungsphänomene doch nicht diejenige Rolle, die ihre Urheber ihnen zuschreiben. Sie legen überhaupt keine glatte, scharfe Teilungslinie durch die sozialwirtschaftlichen Phänomene (!), weil sich in diesen immer und überall beides zusammenmischt (!)" Und (Seite 224): "Die genauere Analyse der sozialen Macht führt vielmehr notgedrungen quer über den Teilungsstrich zwischen sozialer und natürlicher Kategorie herüber; sie hat hüben und drüben desselben zu schaffen ... die von Stolzmann als extrem naturalistisch gescholtenen Darlegungen der Grenzwerttheorie sind ebensowenig ein unvermischtes Destillat aus Einflüssen der natürlichen oder rein ökonomischen Kategorie allein; sie haben vielmehr überall den Einfluß der Daten einer gegebenen oder vorausgesetzten Rechtsordnung (!) in sich mit (!) aufgenommen." Umso schlimmer für sie! Sie bieten dann nur wieder einen Beleg für die in der vorigen Abhandlung (Seite 149) gerügte gemeinübliche Verwechslung und Vermischung der Kategorien als Denkmittel mit den Phänomenen, die durch sie erklärt werden sollen. Es ist ja das Scheiden und Analysieren erst der Grund ihrer begrifflichen Existenz und ihr "Zusammenmischen" eine logische Sünde.
Soweit von BÖHM-BAWERKs Kritik. Man ist nun sehr gespannt, wie er die zugestandene "Lücke", die durch die bisher nicht genügende Beachtung der sozialen Einflüsse in unserer Wissenschaft entstanden ist, positiv ausfüllt. Leider ist darüber nicht viel zu sagen. von BÖHM hat sich darauf beschränkt, durch eine Darstellung an einem herausgegriffenen Einzelfall, nämlich dem Streik der Arbeiter und den Gegenveranstaltungen der Unternehmer, darzutun, daß alle künstlichen Machteinwirkungen "wohl temporär energische und tiefgreifende, auch sehr tiefgreifende Wirkungen erzielen", daß diese aber von bleibender Dauer nur dann sein können, wenn sie sich innerhalb der Sätze halten, welche die "Grenzproduktivität" der Arbeit ermöglicht und bestimmt. Entsprechend ergibt sich das für den Kapital gewinn, der ebenso auf die Dauer nicht höher oder niedriger sein kann, als die Grenzproduktivität des Kapitals und der "natürliche" Zins anzeigt. Es würden sonst immer "schließlich siegreich wirkende" Gegenkräfte rein wirtschaftlicher Natur ausgelöst, "mit dem Schlußerfolg, den Arbeitslohn vom Punkt des Machtdiktates wieder an den Konkurrenzpunkt zu rücken, das ist (?) an das Niveau des Grenzproduktes". Und dies soll also das wichtigste und das sicherste Ergebnis seiner Untersuchung sein, daß "auch das gebieterische Machtdiktat ... nicht gegen, sondern nur innerhalb der ökonomischen (was heißt das?) Wert- und Verteilungsgesetze wirkt, sie nicht aufhebend, sondern bestätigend und erfüllend".
Es ist eine eigene Art, eine ganze gegnerische Richtung damit widerlegen zu wollen, daß man sie an den fertigen Ergebnissen der eigenen Theorie kritisiert! Es ist ja ganz richtig, daß "künstliche Machteingriffe" auf die Dauer nichts gegen die Logik der Dinge ausrichten können, es fragt sich nur, welches diese Logik ist. In seiner ganzen Abhandlung geht von BÖHM-BAWERK mit keinem Wort auf all meine Einwendungen ein, die sich gegen die Grundlagen seiner Theorie und gegen die Ableitung der rein ökonomischen Zurechnung, des Grenzbeitrages und des Grenzprodukts richtet. Er spricht von ihnen wie von Axiomen.
Was von WIESER betrifft, so hat er - im Gegensatz zu von BÖHM - eine ausdrückliche Auseinandersetzung mit der sozialorganischen Richtung vermieden (siehe oben); aber der Sache nach bietet sein neues Werk von Anfang bis Ende den groß und weit angelegten Versuch, das System der Grenznutzenlehre durch die Aufnahme und Einfügung der sozialen Bestandteile der Volkswirtschaft zu einem abgerundeten und vollendeten Ganzen auszubauen. Er hat so tatsächlich dasselbe Problem wie von BÖHM mitbehandelt, aber viel tiefer und eingehender. Hier liegt wirklich das ernste Bestreben vor, von den weltfremden Abstraktionen, Isolierungen und Idealisierungen der Grenznutzenlehre zur sozialen Wirklichkeit durchzudringen. von WIESER unterscheidet viel reinlicher als von BÖHM die Macht von der "Übermacht", und hat ganz treffliche Beiträge über das Wesen und den Einfluß der Macht und der "gesellschaftlichen Schichtungen" geliefert. Er fügt die Ergebnisse dieses Einflusses überall in die rein ökonomischen Phänomene "ergänzend" ein, und lehnt gegen MENGER den Gedanken ab, "daß alle gesellschaftlichen Bildungen der Wirtschaft nichts weiter seie als unbeabsichtigte soziale Resultanten individuell-teleologischer Faktoren" (Seite 243). Aber wir sahen schon weiter oben, wie er schließlich den "Sinn" der ganzen Volkswirtschaft in den rein ökonomischen "Mengenverhältnissen" bzw. in den sich aus ihnen ergebenden wirtschaftlichen Handlungen erblickt. Was uns aber an dieser Stelle besonders interessiert, ist, daß er zu ganz ähnlichen Ergebnissen wie von BÖHM gelangt (vgl. Seite 389f). Auch bei ihm spielen sich alle Macht- oder, wie er auch sagt, alle monopolartigen (monopoloiden) Einflüsse auf die Dauer nur innerhalb des Rahmens ab, der durch den "Grenzbeitrag", das "Grenzprodukt" der Arbeit und des Kapitals bestimmt wird, obgleich wir sahen, daß beide Schriftsteller das "Zurechnungsgesetz", aus dem sie den Grenzbeitrag ableiten, so verschieden begründen, daß sie gegenseitig mit eigener Hand den "Grundpfeiler" zerstören, der die Tragfähigkeit des "logischen Unterbaus" ihrer Lehren bedingt.
Schluß: Die Bedeutung der sozialorganischen
Betrachtung für die Volkswirtschaftspolitik.
Kein Subjekt ohne Objekt, kein Objekt ohne Subjekt. Der scheinbar schlichte Satz birgt in sich das große Geheimnis des Menschentums. Nicht nur die Identitätsphilosophen, die ihre Namen davon erhielten, sondern die Denker aller Zeiten rangen in heißem Bemühen nach der Erkenntnis der rätselhaften Einheit von Objekt und Subjekt, von Sein und Denken, von Sein und Wollen, von causa und telos. Für die Natur philosophie wird der Schleier des Geheimnisses wohl nie gelüftet werden. Denn, sagt der Italiener VICO schon im Jahre 1725, die Wissenschaft von der Natur kann nur Gott allein haben, weil er sie schuf. Aber, so fährt er fort, die Wissenschaft von der Welt der Nationen und der bürgerlichen Welt können auch die Menschen erlangen, weil sie von ihnen geschaffen ist.
Wie das für alle geistigen Schöpfungen der Menschen gilt, so dürfte es auch für das Menschenwerk der Volkswirtschaft gültig sein. Es ist der menschliche Wille und die menschliche Tat, der Geist, der auch den sozialen Körper baut, aber nicht der atomisierte Einzelwille der Subjekte im Ergebnis einer kausalen Resultante, sondern der davon der Art nach verschiedene Gesamtwille, der im "Zweck" der geregelten Gemeinschaft seinen Ausdruck findet. Erst dieser Zweck der organisierten Gesamtheit drückt dann den Personen und Sachen seinen Stempel auf: die Sachen, die Objekte in Gestalt der Produktivfaktoren Boden, Kapital und ganz besonders der Arbeit, werden gewissermaßen subjektiviert, vermenschlicht, humanisiert, sozialisiert und ethisiert, es wird das Wort HERMANNs zur Wahrheit, daß sich der Mensch mit seiner Arbeit und seinem Vermögen in das Produkt versenkt, so daß es als ein Inbegriff menschlichen Daseins, als ein Stück Leben erscheint ("Soziale Kategorie", Seite 111 und 275). Andererseits werden die Subjekte mit ihren arbeitsteiligen Leistungen für die Gemeinschaft dadurch objektiviert, daß sie sich gegenseitig und im Verhältnis zur Gemeinschaft Mittel zum Zweck sind. Auch Mittel, nicht nur Mittel; denn sie geben zwar dabei ein großes Stück ihrer Selbstherrlichkeit auf; aber größer als der Verlust ist ihr geistiger und materieller Gewinn, mit dem sie, stärker und vollkommener als gesellschaftliches "Differenzierungsprodukt" aus der Gemeinschaft hervorgehen. Würde und Wert, Kraft und Stärke der Individuen und der Gesellschaft bedingen sich und wachsen miteinander empor ("Zweck", Seite 149 und 176). Ob man dann die nachträgliche Analyse der gegebenen Volkswirtschaft vom Individuum oder von der Gesellschaft aus beginnt, ist im Ergebnis gleichgültig, wenn sie nur voll ausgedacht wird und nicht mitten im Weg stecken bleibt (siehe "Subjektivismus", Seite 148).
Mit den Einzelwissenschaften steht es hier nicht anders wie mit ihrer Mutter wissenschaft, der Wissenschaft vom Allgemeinen, der Philosophie. Wir sahen schon im "Subjektivismus" (Seite 179), wie noch KANT seinen kategorischen Imperativ die "individualistische" Form gab: Handle so, daß das Motiv deiner Handlung die Maxime einer allgemeinen Gesetzgebung sein kann! Dagegen hat die Praxis unseres "sozialen" Zeitalters den subjektiven Imperativ längst dahin ergänzt: Regelt, organisiert den Staat und die Gesellschaft so, daß die freiwollenden Individuen die Gesetze und Gebote der Gemeinschaft in die Autonomie ihres Willens aufnehmen können! ("Zweck", Seite 201, 609, 653). Erst so werden die Menschen aus Sklaven des einst vergötterten "Spiels der natürlichen Kräfte" zu beseelten Herrschern über sie und nehmen im Vollgefühl ihrer Kraft die Lenkung ihrer Geschicke in sittlicher Freiheit und Selbstverantwortlichkeit selbst in die Hand. Diesen Zug der Zeit vorausgeahnt zu haben, ist das Verdienst HEGELs. Hatte KANT jenes Reich der Freiheit zunächst mehr formalistisch, als "regulative" Idee, vom Reich der Natur notwendigkeit reinlich abgeschieden, so versuchte HEGEL, beide Reiche durch die Einheit des Absoluten miteinander zu versöhnen, in der die Idee, die, wie er sagt, "mit der Vernunft identisch ist", sich zur "bunten Wirklichkeit der konkreten Erscheinungen verkörpert". So kommt man heute etwas spät zu der Erkenntnis, wie "modern" uns dieser Philosoph geworden ist, wenn man ihn im Kern erfaßt und über das verwirrende mystisch-logische Beiwerk seiner Dialektik hinwegsieht. Er ist durch und durch sozial. KANT und HEGEL gehören zueinander, sie ergänzen sich. Man sollte endlich mit der Oberflächlichkeit und Geschmacklosigkeit aufhören, beide Heroen deutschen Geistes gegeneinander auszuspielen.
Und wie HEGEL die Lehre FICHTEs und SCHELLINGs, d. h. den "subjektiven" und den "objektiven" zum absoluten Idealismus verband, so sollten sich auch in der Nationalökonomie Subjektivismus und Objektivismus zu einer "Vernunftehe" verbinden, "vernünftig" auch im tieferen Sinne HEGELs. Sie sollten dazu helfen, die Idee in die Existenz und die Wirklichkeit des Lebens umzusetzen und dadurch den Satz HEGELs durch die Tat zu verwirklichen: "Was vernünftig ist, das ist wirklich, und was wirklich ist, das ist vernünftig."
Diese Mahnung geht aber nicht bloß die Teil disziplin der Nationalökonomie an, die das Seinsollen lehrt, die Volkswirtschaftspolitik, sondern auch die Teillehre, welche das volkswirtschaftliche Sein behandelt, die theoretische Sozialökonomie. Will sie ihren Beruf erfüllen und der Politik das systematische Rüstzeug vorhalten, so darf sie die bestehende Volkswirtschaft nicht als hinzunehmendes "Naturgebilde" behandeln, sondern muß sie von Haus aus als ein geregeltes ethisches Zweckgebilde zu verstehen suchen. Erst dadurch gewinnt sie den Generalnenner zwischen dem, was ist und dem, was sein und werden soll, die Brücke von der Theorie zur Politik [rickert-idealpo]. Schon die alten Pandektisten haben eingesehen, daß die Natur nicht durch einen gesetzlichen Eingriff geändert werden kann. Das Geistige - und die Volkswirtschaft ist eine geistige Schöpfung - kann nur geistig gerichtet werden. Der oft genug gehörte Einwand der Zweckscheuen, der "Theophoben" ("Subjektivismus", Seite 187), daß die Erklärung des Bestehenden nichts mit der Ethik zu schaffen habe, geht nicht bis zum Kern. Das Gegenwärtige ist allerdings kausal zu erklären, aber die causa selbst ist vorher ethisch zu begreifen. Nicht die Natur ist "verantwortlich", ist Gegenstand des Fortschritts und der Reform, sondern das Menschenwerk der Regelung. Die theoretische Betrachtung umfaßt auch das Praktische, das ein Teil des Seins ist (WUNDT). Auch das volks wirtschaftliche Sein bleibt ohne die mitwirkenden ethischen Faktoren historisch wie systematisch überall unerklärbar ("Zweck", Seite 101f). Es ist ein logischer Verstoß, den ethischen Zweckgedanken als Grundlage für die Politik anzuerkennen, ihne aber für die Theorie rundweg abzulehnen (vgl. auch "Zweck", Seite 78f), und aus den seitdem erschienenen, dieses Thema von den verschiedensten Standpunkten aus behandelnden Schriften: ALBERT HESSE, "Die Werturteile in der Nationalökonomie" in diesen Jahrbüchern 1912, Bd. 43, Seite 179; EDUARD SPRANGER, "Die Stellung der Werturteile in der Nationalökonomie", Schmollers Jahrbuch 1914, Seite 557, ferner OSKAR ENGLÄNDER, "Die Erkenntnis des Sittlich-Richtigen und die Nationalökonomie", ebd., Seite 1509f und 1737f.
Wodurch sich meine Darlegungen von allen bisherigen Schriften unterscheiden, ist, daß die letzteren mehr allgemein das Verhältnis der Ethik zur Volkswirtschaft behandeln, während ich versucht habe, die Bedeutung der sozialen und ethischen Betrachtung durchgreifend für die Einzel materien der theoretischen Nationalökonomie (besonders für die Grundlehren von Preis und Einkommen) erstmals schlecht und recht durchzuführen und zu verwerten. Über den innigen Zusammenhang der sozialen Kategorie (Regelung) mit der Ethik verweise ich auf "Zweck", Seite 64 und 85: Alle "Regelung" will ein Ethisches bewirken, das von Natur eben noch nicht da ist. Meine Untersuchungen ergaben, daß die naturalistischen Quanitätstheorien in all jenen Einzellehren unausgefüllte und mit ihrer Methode unausfüllbare Lücken zurückgelassen haben, die positiv nur sozialorganisch ausgefüllt werden können. Da die Volkswirtschaft ein von den Menschen geschaffenes Organisationsprodukt ist, mit anderen Worten: ein variables Zweckgebilde, so ist der Weg der Politik für die weitere Organisation, für Fortschritt und Reform frei und geebnet. Die "soziale Frage" ist im weitesten Sinne eine Organisationsfrage. Es ist, wie ich zeigte, durch nichts erwiesen, daß der Umfang der heutigen Produktion und die Höhe der Einkommen aller Klassen durch den theoretisch möglichen sogenannten Nahrungsspielraum gegeben oder gar ihr bloßer "Ausdruck", ihre Funktion ist, wie mehr oder weniger alle bisherigen Theorien annehmen. Vielmehr zeigt jener Umfang immer nur, wie weit der natürliche Spielraum sozialorganisch zur Zeit ausgenutzt ist. Es genügt auch nicht, das von naturalistischer Seite öfters gemachte Zugeständnis, daß allerdings die Organisation innerhalb des im übrigen entscheidenden naturgegebenen Nahrungsspielraums ihr Feld habe, der letztere als letzten Endes den dividendus bestimmt, und daß nur in seinen Grenzen die Aufteilung nach den "Machtverhältnissen" der einzelnen Berufsklassen erfolgen kann. Es genügt auch nicht, wenn man zugibt, daß alle organisatorischen Fortschritte auf den Umfang der Produktion indirekt einwirken, daß z. B. besser bezahlte und genährte Arbeiter selbst bei verkürzter Arbeitszeit mehr und bessere Produkte hervorbringen. Das hieße immer nur, daß, wie von BÖHM sagt, die soziale Betrachtung in die Naturbetrachtung "eingebettet" ist. Wir sahen, wie umgekehrt die natürliche Ergiebigkeit nur in dem Maße ausgebaut wird, wie es die durch die sozial notwendigen Abfindungen bestimmte Kaufkraft zuläßt. Erst die letztere ergibt die "effektive" Nachfrage, die Aufnahmefähigkeit des Marktes, den sogenannten Marktmagen. Erst diese "ursprünglich", sozialorganisch aus inneren und eigenen Gesetzen bestimmte Nachfrage regelt auf die Dauer den Umfang und die Art der zu produzierenden Güter. Das Angebot paßt sich der Nachfrage an. Angebot und Nachfrage sind sozialkomplementäre Größen.
Das hat die Wirtschaftspolitik bei allen ihren Maßregeln im Auge zu behalten. Die Politik jedes Einzelstaates muß einerseits dahin gerichtet sein, mit allen großen und kleinen Mitteln der Kulturförderung den Nahrungsspielraum weit zu halten. Das ist die Vorbedingung allen Gedeihens (siehe oben). Aber andererseits hat sie im Bund mit allen Organisationen der Selbstverwaltung und der Selbsthilfe die Hebung der Kaufkraft aller Volksklassen zum Ziel zu nehmen. Unser deutsches Volk kann stolz darauf sein, in vorbildlicher Weise, unbekümmert um veraltete Theorien aus England, diesen Weg beschritten zu haben, und zwar in der Politik nach außen, wie in der inneren.
Seiner Zollpolitik ist es gelungen, Produktion und Absatz in gleicher Weise zu fördern. Sie hat uns vor der kosmopolitischen Nivellierung mit den durch die Natur besser ausgestalteten Ländern bewahrt. Unsere Schutzzölle haben bewirkt, daß der Volkswirtscahft anstelle des vielleicht billigeren Einkaufs ausländischer Produkte ein reicher Ersatz durch die Hebung der vaterländischen Produktion und des inneren Marktes geworden ist. Was nützt es, wenn die eingeführten Waren dem "Konsumenten" um ein Weniges billiger zu stehen kommen, wenn der Konsument, als gleichzeitiger Produzent, inzwischen selbst zugrunde gegangen ist? Der Krieg hat uns von Neuem bestätigt, wie richtig es war, allen Malthusianern und Freihändlern Trotz zu bieten Menschen brauchen wir, viele Menschen, gut genährt und gesund an Leib und Seele! Der Jungbrunnen unserer Kraft, die Landwirtschaft, ist uns erhalten worden, zu vergleichen die goldenen Worte aus der Begründung des deutschen Zolltarifs über den Beruf des Staates, dafür zu sorgen, "daß die drei großen Berufsgruppen sich als kaufkräftige Abnehmer gegenseitig fördern und ergänzen" ("Zweck", Seite 524).
Nun aber die innere Wirtschaftspolitik. Hier zeigt sich ganz besonders die Wichtigkeit eines harmonischen Verhältnisses zwischen Produktion und Absatz die uns das weiter oben entwickelte Gesetz der großen sozialorganischen Produktions- und Konsumtionsgleichung vorführte. Man kann die stetige Bilanzierung dieser volkswirtschaftlichen Gleichung geradezu als die Grundaufgabe alter Wirtschaftspolitik bezeichnen. Und es ist nun die schwierige, aber auch dankbare Aufgabe der Theorie, den Nachweis der Möglichkeit einer solche und überhaupt aller regelnden Wirtschaftspolitik zu liefern. Ihr Feld wäre ein recht enges, wenn die Höhe des Preises und der Einkommen ein bloßer "Ausdruck" der naturgegebenen Urkräfte wäre, eine bloße Resultante der beiden Faktoren: Bevölkerung und Naturausbeute. Die Erhöhung des Einkommens der einen Volksklasse, so etwa der Arbeiterklasse, könnte, da der Gesamt dividendus derselbe bliebe, nur auf Kosten einer anderen oder der beiden anderen Klassen erfolgen. Verteuernde Schutzzölle z. B. würden, wenn die Arbeitslöhne die gleichen bleiben würden, nur durch ein "Opfer" der Kapitalisten an ihren Gewinnen ermöglicht werden, wobei nur die oben erörterte Frage unerledigt bliebe, woher der Stoff zu nehmen wäre, aus dem uns all das Gute kommen soll. Gegen die "Kargheit" der Natur, gegen einen "natürlichen dividendus" ist nichts zu wollen, da hülfe kein Machteingriff und keine soziale Organisation, da würde auf die Dauer jeder ergiebigen Sozialreform der Boden unter den Füßen weggezogen. Und gar ein Schutzzoll paßte hier wie die Faust aufs Auge ("Zweck", Seite 474f). Mit dem wohlgemeinten Gedanken der "Opfer" der einzelnen Volksklassen und der "Tribute" an das Gemeinwohl ist hier nicht viel geholfen. Es ist immer erst die Vorfrage nach der dauernden Wirkung jeder sozialpolitischen Maßregel zu erledigen. Und dazu will die sozialorganische Methode ihren erkenntnistheoretischen Beitrag liefern, sie will die Erkenntnis fördern, daß die wirtschaftlichen Erscheinungen nicht naturnotwendig "ehern", sondern sozialorganisch beindt, also variabel sind, und daß deshalb der bestehenden Gesellschaftsordnung eine Geschmeidigkeit und Anpassungsfähigkeit innewohnt, die grundsätzlich den weitgehendsten Ansprüchen auf Weiterbildung und Reform gerecht werden kann.
Unsere Volkswirtschaft hat diese Anpassungsfähigkeit erwiesen. Es schien ein großes Wagnis, ein Sprung ins Dunkle, die Abfindungen der drei Volksklassen, insbesondere des Lohnes der Arbeiter, erst einmal durch die Mittel der Staats- und Selbsthilfe in die Höhe zu bringen, ohne bestimmt zu wissen, ob bei der neuen "Verteilung" auch die sie bedingende erhöhte "Produktion" gesichert ist. Die Welt schien auf den Kopf gestellt zu sein! Aber das große Wagnis gelang, weil man nur die "volkswirtschaftliche Gleichung" erfüllte, in der die Produktion vom Konsmu mindestens ebenso gefördert wird, wie umgekehrt; denn die Konsumtion ist der Zweck und die Produktion nur ein Mittel dazu. Ein typisches Beispiel jenes Gelingens bietet unsere soziale Schutz- und Versicherungsgesetzgebung.
Die vom Reichstag am 23. Januar 1913 durch die Resolution SPAHN und Genossen (Reichstagsdrucksache 660) aufgeworfene Frage "über die wirtschaftliche, gesundheitliche, sittliche und soziale Wirkung der Arbeiterschutz- und Arbeiterversicherungsgesetzgebung und ihre Rückwirkung auf die gewerbliche Entwicklung" hat der Krieg, besser vielleicht wie jede Denkschrift, zum großen Teil von selbst, und zwar in einem für jene Gesetzgebung günstigsten Sinne beantwortet. Vergleiche hierüber den Aufsatz von berufener Hand: Dr. PAUL KAUFMANN, "Die Arbeiterfürsorge - eine Quelle deutscher Kriegsbereitschaft" in Nr. 38 der "Woche" vom 19. September 1914 und in den "Monatsblättern für Arbeiterversicherung vom 17. Oktober 1914. Das dort für ein besonderes Gebiet der Staatsfürsorge Ausgeführte braucht man nur für die ganze Volkswirtschaftspolitik zu verallgemeinern.
Das Gold bewährt sich im Feuer. Die Not bricht die schönsten Theorien und eingerostetsten Vorurteile. Der große Lehrmeister Krieg hat uns die ganze Unzulänglichkeit der alten naturalistischen Quantitätentheorien und der absoluten Herrschaft des Marktgesetzes von Angebot und Nachfrage besser wie alle wissenschaftliche Kritik mit einem Schlag gelehrt. Wir wollen nicht länger die Sklaven dieses Gesetzes sein; denn Angebot und Nachfrage sind, wie wir oben bereits erkannten, nicht das Regelnde, sondern vor allem selbst in zu Regelndes. Hat sich die Gesellschaft die Konkurrenzgesetze selbst gegeben, so hat sie auch das Recht und die Pflicht, ihr eigenes Werk stetig zu überwachen und nach den Zeitumständen zu ergänzen. Wir waren und sind mit unserer Kriegswirtschaftslehre, wie sie mehr oder weniger ausgesprochen der Denkschrift "Über wirtschaftliche Maßnahmen aus Anlaß des Krieges" vom 23. November 1914 (Nachtrag vom 30. November 1914) - Reichstagsdrucksache Nr. 26 und 29 - zugrunde liegt, auf dem richtigen Weg. In überzeugender Weise hat Dr. W. ZIMMERMANN, "Soziale Praxis" Nr. 4 vom 20. Oktober 1914 in dem auch theoretisch beachtenswerten Artikel "Unser täglich Brot" dargelegt, wie uns die "Grenznutzenlehre" "eine ganz falsche Welt von Preisvorstellungen" suggeriert, wie neben dem Gesichtspunkt der Produktion das Moment der "Verteilung" mehr berücksichtigt werden muß, der verbrauchende Mensch, das soziale Ziel, und daß das Gesamt interesse der Verbraucher entschieden über das Privat interesse der Erzeuger und Händler zu stellen sei. Dem Gesetz von Angebot und Nachfrage aus "sparpolitischen" Motiven freien Lauf zu lassen, das ist auch meines Erachtens ein Austreiben des Teufels durch Beelzebub: Den Preis zugunsten gewisser Produzenten und Händler zu erhöhen, und so der Not noch durch größere Not begegnen, das ist ein starkes Stück! Die Bilanz der volkswirtschaftlichen Gleichung, der lebendige "Kreislauf" der Volkswirtschaft, wird dadurch nicht gefördert. Es ist vielmehr richtig, was WYGODZINSKI "Soziale Praxis" Nr. 10 vom 3. Dezember 1914 in die treffenden Worte kleidet:
"Es kommt in diesen Zeiten vor allem darauf an, daß der Kreislauf der Wirtschaft erhalten bleibt, daß die bisherige Lebenshaltng weitergeführt wird, damit zunächst einmal Kleinkaufleute und Handwerke als unmittelbare Konsumversorger und als deren Lieferanten Großhandel und Industrie beschäftigt bleiben. Die Stärke des inneren Marktes ist bei der Einschränkung des äußeren eine sozialpolitische Forderung ersten Ranges, die Beschäftigung von Millionen von Arbeitern ist an diese Voraussetzung gebunden."
Der Unzulänglichkeit der Vorräte ist nicht durch eine Verteuerung abzuhelfen. Wenn Pflichtgefühl, Belehrung und eigene Vernunft der Verzehrer nicht zur Sparsamkeit führen, so bleibt als letzte Vernunft, als ultima ratio, nur die öffentliche Regelung: Bestandsanzeige, Beschlagnahme und Zuteilung. Angebot und Nachfrage sind nur Mittel zum Zweck. Die Volkswirtschaft ist ein Werk der menschlichen Regelung, sie ist in Krieg und Frieden ein ethisches Zweckgebilde!
LITERATUR - Rudolf Stolzmann, , Jahrbücher für Nationalökonomie und Statistik, III. Folge, Bd. 49, Jena 1915
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