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Die neuen Theorien der kategorischen Schlüsse [2/3]
II. Kapitel Von der Natur des Urteils § 9. Die Definition des Urteils als einer Beziehung von Vorstellungen - genauer Vorstellungsinhalten -, wie sie z. B. noch WOLFF gibt, ist in der modernen Logik längst nicht mehr als genügend betrachtet worden. Zunächst fiel es auf, daß man Inhalte beliebig miteinander verbinden könne, ohne über die Existenz des so Verbundenen irgendetwas auszusagen, wie ich wohl die Elemente Gold und Berg zu der Vorstellung "goldener Berg" verbinden kann, ohne deswegen an die Existenze eines goldenen Berges zu glauben (JOHN STUART MILL). Weiter war klar, daß die Verbindung zweier Inhalte ganz in derselben Weise vor sich gehen müsse, ob man die Existenz des Ganzen anerkenne, oder ob man sie leugne; da nun offenbar in beiden Fällen sehr verschiedene Urteile gegeben sind, so konnte das Moment des Urteils nicht in jenem Beziehen gelegen sein, das ja beiderseits in gleicher Weise gegeben ist. (1) Eine andere Überlegung hatte LOTZE dahin geführt, die alte Definition des Urteils für unzureichend zu halten. Bedenkt man, meint LOTZE, vom parikulären Urteil sprechend, daß nicht von S im Allgemeinen ausgesagt werden kann, sondern nur von jenem S, welches eben P ist, so stellt sich jedes Urteil als ein Fall des Identitätsurteils SP = SP dar. Da nun aber ein solcher Identitätssatz unsere Erkenntnis in keiner Weise erweitert, das Urteil "S ist P" hingegen unsere Erkenntnis bereichert, so müsse man annehmen, daß derartige Urteile "gar kein wechselseitiges Verhältnis zwischen den einzelnen Bestandteilen ihres Inhalts" behaupten, "sondern nur noch vom zusammengefaßten Ganzen ihres Inhaltes eine mehr oder weniger ausgedehnte Geltung in der Wirklichkeit" (2), ganz in derselben Weise, wie dies beim Existentialsatz der Fall ist. Ein weiteres Argument gegen die herkömmliche Lehr führt WUNDT ins Feld. Wenn die Verbindung zweier Vorstellungen ein Urteil wäre, so ist nicht abzusehen, warum nicht die Verbindung von mehr als zwei Vorstellungen auch mehr als ein Urteil konstituieren sollte. Dies sei aber augenscheinlich nicht immer der Fall, eine große Menge von Vorstellungen könne zusammentreten, ohne daß mer als ein Urteil zustande kommt. Also könne das Urteil nicht als bloße Verbindung zweier Vorstellungen definiert werden. (3) § 10. Durch diese und ähnliche Argumente veranlaßt, haben moderne Logiker die alte Definition zu berichtigen gesucht. Das Moment der Vorstellungsverbindung wurde zwar, da man die Zweigliedrigkeit als notwendige Eigenschaft des Urteils betrachtete, immer noch als wesentlich festgehalten; man glaubte jedoch nach dem Voranschreiten LOTZEs in dem Moment der objektiven Gültigkeit die richtige Ergänzung gefunden zu haben. So definiert ÜBERWEG das Urteil als "das Bewußtsein über die objektive Gültikeit einer subjektiven Verbindung von Vorstellungen . . . d. h. das Bewußtsein, ob zwischen den entsprechenden objektiven Elementen die analoge Verbindung besteht". "Einzelne Begriffe", sagt ÜBERWEG, "sind niemals Urteile, auch Relationsbegriffe nicht; auch nicht bloße Begriffskombinationen; erst die hinzutretenden Überzeugung vom Stattfinden oder Nichtstattfinden des Gedachten bildet das Urteil." (4) In ähnlicher Weise sagt SIGWART: "Mit der In-Eins-Setzung verschiedener Vorstellungen ist das Wesen des Urteils noch nicht erschöpft; es liegt zugleich in jedem vollendeten Urteil als solchem das Bewußtsein der objektiven Gültigkeit dieser In-Eins-Setzung." Und bald darauf: "Alle Definitionen des Urteils, welche dasselbe auf die bloß subjektive Verknüpfung von Vorstellungen oder Begriffen beschränken, übersehen, daß der Sinn einer Behauptung niemals ist, bloß dieses subjektive Faktum zu konstatieren, daß Ich im Augenblick diese Verknüpfung vollziehe, vielmehr macht das Urteil durch seine Form Anspruch darauf, daß diese Verknüpfung die Sache betrifft, und daß sie eben darum von jedem anderen anerkannt wird. Dadurch scheidet sich das Urteil von den bloß subjektiven Kombinationen geistreicher und witziger Vergleiche, welche die äußere Form des Satzes annehmen, ohne im Sinne des Urteils eine objektiv gültige Behauptung aufstellen zu wollen; und ebenso von den bloßen Vermutungen, Meinungen, Wahrscheinlichkeiten." (5) § 11. Zur Vorstellungsverbindung oder - wie SIGWART sagt - zur In-Eins-Setzung der Vorstellungen muß also, wenn es zu einem Urteil kommen soll, noch das Bewußtsein der objektiven Gültigkeit hinzutreten. Lassen wir zunächst unberücksichtigt, daß die objektive Gültigkeit selbst von SIGWART anders als von ÜBERWEG definiert wird (nämlich nicht als "Übereinstimmung der Vorstellungsverbindung mit einer objektiven Verbindung"), so wird doch von beiden eine Bewußtsein dieser objektiven Gültigkeit gefordert. Wir werden also vorerst fragen, was unter jenem "Bewußtsein" gemeint ist. Ein psychischer Akt offenbar. Ist dieser Akt ein Vorstellen oder ein Urteil? Ohne Zweifel das Letztere: nur die Erkenntnis (also ein Urteil), daß eine subjektiv vollzogene Kombination objektiv gültig ist, kann die Vorstellungsverbindung zum Urteil ergänzen. Wenden wir auf jenes Urteil über die objektive Gültigkeit nun wieder jene Definition an, die nach ÜBERWEG und SIGWART für jedes Urteil zutreffen soll, so bleibt nichts übrig als zur Verbindung der Vorstellungskombination (SP) mit dem Begriff "objektiv gültig" (X) noch ein weiteres Bewußtsein von objektiver Gültigkeit hinzuzunehmen und so fort ins Unendliche. Was wir meinen, läßt sich in folgender Weise recht deutlich machen. Die bloße Verbindung von S mit P gibt noch kein Urteil, wie SIGWART ganz richtig lehrt; es muß erst erkannt (also geurteilt) werden "S P ist objektiv gültig". Dieser letztere psychische Akt darf, wenn er in Wahrheit ein Urteil sein soll, nicht eine bloße Vorstellungsverbindung sein, mithin nicht etwa eine Kombination der Elemente S, P und X (wobei X "objektiv gültig" bedeutet) (6): offenbar muß also wieder die Überzeugung (d. h. ein Urteil) von der objektiven Gültigkeit der Begriffsverbindung S P X als ergänzendes Moment hinzutreten. Es ist aber klar, daß auch diese Überzeugung nicht die bloße Verbindung von S, P X und Y sein kann, daß vielmehr wieder ein weiteres Urteil dazukommen muß. Soll nun ein regressus in infinitum vermieden werden, so müßte notwendig an irgendeinem Punkt ein psychischer Akt angenommen werden, der sich nicht wieder in der von SIGWART angedeuteten Weise auflösen läßt. Dann sieht man aber nicht ein, warum ein derartig primitiver Urteilsakt nicht gleich für die Materie S P selbst statuiert wird? Indessen stehen den Ansichtenn ÜBERWEGs und SIGWARTs noch andere Bedenken entgegen. Haben wir schon gesehen, daß der Begriff des Bewußtseins der objektiven Gültigkeit zu unlösbaren Schwierigkeiten führt, so ist dies in Bezug auf eine objektive Gültigkeit selbst in ebenso hohem Maß der Fall. Wir müssen hier die Ansichten der beiden Forscher getrennt behandeln, da sie unter "objektiver Gültigkeit" nicht das Nämliche verstehen. Für ÜBERWEG, der dieselbe in einer Übereinstimmung der objektiven Verbindung mit der Vorstellungsverbindung sieht, ist jedenfalls der Begriff der Existenz in ihr enthalten. Von der Provenienz [Herkunft - wp] dieses Begriffs aber vermag ÜBERWEGs Theorie keine Rechenschaft zu geben. In der sogenannten äußeren Wahrnehmung ist er ohne Zweifel nicht enthalten. Die Vorstellungen der äußeren Wahrnehmung bieten uns Qualitäten, Intensitätsgrade, lokale Bestimmungen, aber keine Existenz. Es ist absurd, zu behaupten, eine Farbe setze sich aus ihrer Qualität und ihrer Existenz zusammen und dgl. Betreffs der inneren Wahrnehmung kann der Existenzbegriff auch nicht aus dem Vorstellen gewonnen werden; es ist ja klar, daß man nicht sagen kann, existierend sei dasjenige, was vorgestellt wird, da man doch auch dasjenige, dessen Existenz man leugnet, gerade um sie zu leugnen, vorstellen muß. Desgleichen kann der Existenzbegriff auch nicht aus Gefühlen, Wünschen, Strebungen hergeleitet werden. Es bleibt also von den psychischen Phänomenen nur noch das Urteil übrig, aus dem er etwa genommen werden könnte. (7) Der Theorie ÜBERWEGs zufolge wird aber der Existenzbegriff - insofern er im Begriff der objektiven Gültigkeit enthalten ist - bereits vorausgesetzt, damit ein Urteil zustande kommt; sie muß also auf eine Erklärung der Provenienz dieses Begriffs verzichten. (8) Anders bestimmt SIGWART den Begriff der objektiven Gültigkeit. Nach ihm beruth dieselbe "nicht unmittelbar etwa darauf, daß die subjektive Verknüpfung den Verhältnissen des entsprechenden Seienden entspricht, sondern auf der Notwendigkeit der In-Eins-Setzung" (d. h. der Vorstellungen, die Subjekt und Prädikat bilden) (9) sei es nun, daß diese Notwendigkeit eine "sinnlich gegebene" ist (wie in dem Urteil "hier steht der Buchstabe A"), sei es, daß dieselbe im Verhältnis der Begriffe zueinander begründet ist (wie in dem Urteil "ein schlechterdings unteilbares Atom kann keine Ausdehnung haben"). "Die objektive Gültigkeit reduziert sich also darauf, daß sowohl der Prozeß der Bildung der Anschauung wie auch der Urteilsakt auf allgemeingültige Weise vollzogen sind", sagt SIGWART, wo er von den "einfachsten, den bloßen Benennungsurteilen" spricht, wie etwa "dies ist Schnee". (10) SIGWARTs Gedanke möchte vielleicht, in dieser abstrakten Weise dargestellt, nicht ganz leicht zu fassen sein; ich will darum jene beiden, schon oben angedeuteten Beispiele mit seinen eigenen Worten hier wiedergeben. "Sage ich: Hier steht der Buchstabe A, so zwingt mich die Wahrnehmung, dieses Urteil für gültig zu halten, seine Wahrheit beruth auf der sinnlich gegebenen Notwendigkeit, an dieser Stelle des Raumes diesen Buchstaben zu setzen; sage ich: ein schlechterdings unteilbares Atom kann keine Ausdehnung haben, so zwingt mich das Verhältnis der Begriffe Ausdehnung und Teilbarkeit zu dem Satz, der gilt, ob ich an die Wirklichkeit solcher Atome glaube oder nicht." (11) In dieser Weise bestimmt SIGWART den Begriff der objektiven Gültigkeit. Betrachten wir die obigen Beispiele, so wird es unschwer zu erweisen sein, daß auch dieser Weg, die Vorstellungsverbindung zum Urteil zu ergänzen, unzureichend ist. Zugegeben nämlich, daß mich im ersten Fall die Wahrnehmung (wohl besser Empfindung!) zu dem Urteil "hier steht der Buchstabe A" zwingt und zuzugeben, daß mich im zweiten Fall das Verhältnis der Begriffe Ausdehnung und Teilbarkeit zu dem Urteil "ein schlechterdings unteilbares Atom etc." nötigt, so ist doch diese Nötigung, dieser Zwang nicht selbst das Urteil, sondern nur etwa die Ursache desselben. Sollte es lediglich auf eine determinierende Ursache ankommen, so würde schon wegen der Allgemeingültigkeit des Kausalitätsgesetzes jede Vorstellungsverbindung, also auch jene "subjektiven Kombinationen geistreicher und witziger Vergleichung" in Wahrheit Urteile sein müssen. Zwang, Nötigung wird aber hier wohl mehr heißen sollen, nämlich die (erkannte) Unmöglichkeit, eine Vorstellung oder Vorstellungsverbindung unter gewissen Umständen los zu werden. Doch wäre dies nur ein bestimmter Fall von ursächlicher Determination und wir müßten das früher Gesagte wiederholen: Dieser Zwang konstituiert kein (phänomenales) Merkmal des Urteilsaktes, sondern nur etwa eine Besonderheit seiner Ursache. (Ich will ganz davon absehen, daß eine erkannte Nötigung doch bereits eine Erkenntnis, also ein Urteil voraussetzt.) Und wenn SIGWART wiederholt versichert, bei den "einfachsten und unmittelbaren Urteilen", wie den Wahrnehmungsurteilen, könnten die entsprechenden Vorstellungen "gar nicht in Beziehung gesetzt werden, ohne daß sich zugleich das Bewußtsein der Notwendigkeit und Gültigkeit (sind dies nun wieder verschiedene Dinge?) ihrer Zusammengehörigkeit einstellt" (12), daß beides sozusagen "mit einem Schlag gegeben" sei, so kann ich hierin nur den Beweis erblicken, daß gewisse Vorstellungen (z. B. die der sogenannten äußeren Wahrnehmung) mit unveränderlicher Regelmäßigkeit ein auf ihre Inhalte bezügliches affirmatives Urteil in uns verursachen, daß dieses letztere, also ohne jede Reflexion, infolge eines instinktiven Drangs gebildet werde (13); nicht aber, "daß das Bewußtsein der Gültikeit vom Gedanken der Prädikation gar nicht getrennt werden kann", sofern man hier unter Trennung keine bloß zeitliche, sondern eine begriffliche versteht (wobei Letzteres der Gedanke SIGWARTs sein muß, da er doch die objektive Gültigkeit als Notwendigkeit der In-Eins-Setzung erklärt, also beides für dem Begriff nach identisch hält). Das Bewußtsein der objektiven Gültigkeit, mag man diese letztere nun im Sinne ÜBERWEGs oder SIGWARTs deuten, kann also nicht dasjenige sein, was in Wahrheit die Vorstellung oder Vorstellungsverbindung zum Urteil ergänzt, wenn auch beide Forscher darin im Recht sind, daß sie überhaupt eine Ergänzung verlangen. § 12. Eine andere weit verbreitete Theorie, derzufolge das Urteil in einer Subsumption von Begriffen besteht (BENEKE, TWESTEN, ULRICI), erledigt sich in gewissem Sinn bereits durch die früheren Argumente. Wenn nämlich unter jener Subsumption ein Urteil über das Verhältnis von Begriffsumfängen verstanden wird, so ist damit offenbar die Frage über das Wesen des Urteils nicht beantwortet. Die bloße Verbindung der Vorstellungen "Umfang von S" mit "Enthalten im Umfang von P" liefert kein Urteil, da ja - wie z. B. auch SIGWART bemerkt - das Moment der Vorstellungsverbindung das Wesen des Urteils nicht erschöpft. Wird die Urteilsfunktion in richtiger Weise (es bleibe zunächst dahingestellt, in welcher) beschrieben, dann könnte von vornherein die Ansicht berechtigt sein, daß der Gegenstand des Urteils immer ein Verhältnis von Begriffsumfängen ist; die Subsumtionstheorie würde aber dann keine Theorie der Urteils funktion sein, sondern bloß die Materie der Urteile betreffen. In diesem letzteren Sinn werden wir später die Lehre von der Subsumption eingehender zu untersuchen haben (14); hier kommt sie nicht weiter in Frage. § 13. Von anderen Versuchen, die Definition des Urteils als Vorstellungsverbindung zu ergänzen, ist noch der von JOHN STUART MILL und der mit diesem völlig übereinstimmende von ALEXANDER BAIN erwähnenswert. MILL hebt hervor, daß im Urteil zur Begriffsverbindung noch ein Akt des Glaubens ("belief") hinzutreten muß (15) und in Übereinstimmung damit erklärt BAIN: "... apart from all belief, the proposition has no meaning, no existence" [abgesehen vom Glauben hat der Satzinhalt keine Bedeutung und keine Existenz. - wp] (16). Indessen bleibt es bei MILL wie bei BAIN ganz im Dunkeln, was unter jenem "belief" zu verstehen ist. Daß es ein vom Vorstellen verschiedener, primitiver psychischer Akt sei, findet sich bei keinem von beiden klar ausgesprochen; ja in der Folge finden wir keine einzige Konsequenz, die aus einer derartigen Anschauung zu ziehen wäre (was namentlich von der Theorie der Existentialsätze gilt); und so verdient dann ihr Standpunkt zwar als ein wertvolles Zeugnis für die Unhaltbarkeit der alten Urteilstheorie Beachtung; von einem Ersatz derselben durch eine positive Analyse des Urteilsphänomens kann hingegen nicht die Rede sein. Ähnliches muß auch von HERBARTs Definition des Urteils als Entscheidung über die Verknüpfbarkeit gegebener Begriffe gesagt werden (17). Daß unter jener "Entscheidung" nicht die Verknüpfung der Begriffe selbst zu verstehen ist, ist ganz klar. Welcher Gattung psychischer Phänomene sie jedoch angehört, darüber läßt uns HERBART im Unklaren. Er dürfte wohl, wie HUME und MILL, der Erkenntnis am nächsten gewesen sein, daß das Urteil ein primitiver psychischer Akt ist. Hätte er an eine weitere Analyse geglaubt, so wäre es von einem derart exakten Denker nicht gut anzunehmen, daß er eine solche nicht wenigstens versucht hätte. §14. Wie immer nun die vorgenannten Forscher in Deutschland und England von der althergebrachten Urteilstheorie abweichen, das Moment der Vorstellungsverbindung betrachten sie durchwegs als für das Urteil wesentlich. Erst BRENTANO hat darauf hingewiesen, daß dieses Moment nicht nur kein hinreichendes, sondern nicht einmal ein notwendiges Merkmal des Urteils konstituiert. Zu dieser letzteren These leitet ihn die Betrachtung des Existentialsatzes ("A ist"). Hier könnte man höchstens geneigt sein, eine Verbindung des Inhaltes A mit dem Begriff "Existierend" anzunehmen und etwa so die hergebrachte Lehre von der Notwendigkeit einer Vorstellungs verbindung zu retten. Dagegen macht nun BRENTANO vor allem geltend, daß der Begriff "Existenz" nur durch Reflexion auf einen schon vorhandenen Urteilsakt gewonnen werden kann, während die bekämpfte Lehre ihn bereits als vor jedem Urteils bestehend voraussetzen muß, worauf wir schon gelegentlich der Untersuchung des Begriffs der objektiven Gültigkeit hingewiesen haben. (18) Für diejenigen, welche etwa geneigt wären, den Existenzbegriff anderswoher zu leiten (wie dies in neuerer Zeit besonders von SIGWART geschehen ist), möchte ich besonders auf ein anderes Argument hinweisen, das - von der Frage über die Provenienz des Existenzbegriffs ganz unabhängig - in seiner Beweiskraft viel unmittelbarer einleuchtet, merkwürdigerweise aber von gegnerischer Seite so gut wie gar nicht berücksichtigt worden ist. Jedes affirmative [bejahende - wp] Urteil affirmiert implizit jeden Teil seiner Materie; das Urteil "A ist X" kann nicht wahr sein, wenn nicht A ist und X ist, denn dies liegt in ihm eingeschlossen. Wäre nun das Existentialurteil "Es gibt ein A" soviel wie die Verbindung von A mit dem Begriff "Existierend" (= X), so müßte offenbar jener obigen Regel zufolge sowohl A wie auch X affirmiert (anerkannt) werden. Wozu soll aber noch die Verbindung mit X (= existierend) gut sein, wenn A schon ohne dieselbe anerkannt wird? Wir kommen also, so schließt BRENTANO daraus, "an der Annahme einer einschließlichen einfachen Anerkennung von A nicht vorbei". "Aber wodurch," fährt er fort, "würde sich diese einfache Anerkennung von A von der Anerkennung der Verbindung von A mit dem Merkmal "Existenz", welche in dem Satz "A ist" ausgesprochen sein soll, unterscheiden? Offenbar in gar keiner Weise. Somit sehen wir, daß vielmehr die Anerkennung von A der wahre und volle Sinn des Satzes, also nichts anderes als A Gegenstand des Urteils ist." (19) In ähnlicher Weise läßt sich auch vom negativen Existentialsatz "A ist nicht" zeigen, daß er nicht als Leugnung der Verbindung von A mit dem Merkmal "Existenz" (= X) gefaßt werden kann. Man bedenke nur, daß die Leugnung eines Komplexes die Leugnung seiner Teile keineswegs involviert; wer die Materie S P leugnet, hat damit durchaus nicht behauptet, daß es kein S und kein P gibt. Wird demnach der Existentialsatz "A ist nicht" als Leugnung der Verbindung von A mit dem Begriff "Existenz" (= X) aufgefaßt, so müßte hierin konsequent weder die Leugnung von A, noch die von X involviert sein. Daraus folgt aber, daß derjenige, welcher das Urteil "A ist nicht" fällt, damit noch nicht A geleugnet hat, was doch eine offenbare Absurdität ist. (20) Demnach ist - auch abgesehen von der Analyse des Existenzbegriffs - einleuchtend, daß der Existentialsatz nicht als eine Verbindung (bzw. Trennung) eines Vorstellungsinhaltes mit (bzw. von) dem Merkmal "existierend" angesehen werden kann. § 15. Die Ergebnisse unserer bisherigen Untersuchung sind also die folgenden:
2. Die Ergänzung, die diese letztere Analyse dadurch erhalten hat, daß man das Bewußtsein der objektiven Gültigkeit mit hineinzog, erweist sich in doppelter Beziehung als unhaltbar, 3. Das Moment der Vorstellungs verbindung ist nicht nur kein hinreichendes, sondern nicht einmal ein notwendiges Merkmal des Urteilsphänomens. Wie sich die psychischen Phänomene (z. B. das Vorstellen, das Fühlen, das Erwartenn etc.) dadurch von den physischen unterscheiden, daß den ersteren die Beziehung zu einem immanenten Objekt (dem Vorgestellten, dem Gefühlten, dem Erwarteten etc.) wesentlich ist, so ist andererseits die verschiedene Weise dieser intentionalen Beziehung für die generelle Unterscheidung der psychischen Phänomene selbst maßgebend. Nach den drei Arten dieser Beziehung teilt BRENTANO die psychischen Phänomene ein in Akte des Vorstellens, Akte des Urteilens und in Akte der Gemütstätigkeit (Lieben, Hassen, Begehren, Verabscheuen etc.). Uns interessiert hier nur die zweite Klasse und ihre Unterscheidung von der ersten. Das Wesen des Urteils liegt in einer besonderen, nur durch Hinweis auf die innere Erfahrung verständlichen intentionalen Beziehung zum immanenten Objekt. Während also die bisherige Psychologie bemüht war, den Urteilsakt auf einfachere psychische Elemente zurückzuführen, muß nach BRENTANOs Ansicht die Analyse, als vor einem primitiven Phänomen stehend, Halt machen. Da also das Charakteristische seiner Theorie darin besteht, daß er im Urteilen eine besondere Gattung (idion genos) psychischer Phänomene sieht, während alle anderen Theorien hierin nur eine gewisse Zusammensetzung aus psychischen Elementen einer anderen Gattung (allo genos) zu erblicken glauben, dürfen wir die erstere als idiogenetische Urteilstheorie, alle anderen als allogenetische Urteilstheorien bezeichnen, um doch für derart fundamentale Unterschiede auch geeignete Namen zu besitzen. Die Argumente gegen die Versuche einer weiteren Analyse des Urteils haben wir bereits kennen gelernt. Es bleiben noch zwei wichtige Konsequenzen aus der idiogenetischen Theorie zu ziehen. § 17. Wir haben den Vertretern der gegnerischen Ansicht vorgeworfen, daß sie zur Konstruktion des Urteils den Existenzbegriff verwenden müssen, ohne daß sie jedoch zeigen könnten, woher dieser Begriff gewonnen wird. Die von uns akzeptierte - idiogenetische - Theorie bedarf zur Konstituierung des Urteils dieses Begriffs natürlich nicht; sie ist hingegen imstande, zu zeigen, woher der Begriff Existenz, den wir nun doch einmal besitzen, stammt. Wir nennen nämlich dann Etwas "existierend", wenn das Urteil, worin es anerkannt wird, wahr ist. MARTY bemerkt mit Recht, der Begriff "Existenz" sei gewonnen "durch Reflexion auf eine bestimmte Klasse von psychischen Phänomenen, nämlich das Urteil. Hätten wir nie ein anerkennendes Urteil gefällt, so besäßen wir den Begriff nicht, denn er bezeichnet nur die Beziehung irgendeines Gegenstandes (worunter wir jedes Vorgestellte verstehen) auf ein mögliches Urteil, das ihn anerkennt und dabei wahr oder richtig ist."(21) Die idiogenetische Theorie verfährt daher hier gerade umgekehrt wie die allogenetischen: jener ist die intentionale Beziehung zu einem Gegenstand, die man Urteilen nennt, die Quelle des Existenzbegriffs, während diese aus dem Existenzbegriff das Urteil herleiten wollen. Welcher von beiden Standpunkten der berechtigte ist, geht aus unseren früheren Erörterungen klar hervor. Hier sei nur noch darauf hingewiesen, daß selbst die Annahme der Apriorität dieses Begriffs (gegen die sich gar manches sagen ließe) kein Mittel bietet, an einer vom Vorstellen generell verschiedenen Urteilsfunktion vorbeizukommen. Gesetzt nämlich, das Sein sei ein vor aller Erfahrung gegebener, also apriorischer Stammbegriff; so würde doch die Verbindung desselben mit irgendeinem Inhalt X nur zu der Vorstellung "existierendes X" führen. Wer aber die Vorstellung "existierender goldener berg" hat, glaubt darum so wenig an die Existenz eines goldenen Berges, wie derjenige, der den Begriff "nicht existierendes Haus" denkt, darum glaubt, daß es keine Häuser gibt. § 18. Eine weitere und nicht minder wichtige Konsequenz aus der idiogenetischen Theorie ist die, daß fortan ein spezifischer Unterschied zwischen ein. und zweigliedrigen Urteilen (welche die traditionelle Logik als "kategorische" und "existentialen" oder "thetischen" Urteilen entgegenzustellen pflegt) nicht zu machen ist. Wie der Existentialsatz "S ist" nichts anderes als die einfache Anerkennung von S ausdrück, so drückt der sogenannte kategorische Satz "S ist P" die einfache Anerkennung der Materie S P aus; ebenso wird in dem Satz "S ist nicht P" (22) die Materie S P verworfen und es ist offenbar gar kein Grund vorhanden, die größere oder geringere Komplikation der Materie zum principium divisionis der Urteile zu machen. Demnach ist das, was man "Existentialurteil" genannt hat, nur eine bestimmte Form der Aussage, d. h. des sprachlichen Ausdrucks, und diese Form kann jedem wahrhaft einfachen Urteil gegeben werden, ob dies nun ein nach dem herkömmlichen Sprachgebrauch kategorisches oder ein existentiales (thetisches) Urteil ist.
Da jedoch sehr geachtete Forscher gegen jene Theorie Einwände erhoben haben, so ist es Pflicht, sich vorerst mit diesen auseinanderzusetzen. § 19. Zunächst hat WINDELBAND (24) geltend gemacht, daß zwar im Urteil "neben der Funktion des Vorstellens oder der Vorstellungsverbindung die andere Funktion der (billigenden oder mißbilligenden) Beurteilung nachzuweisen sei", daraus aber noch nicht die Statuierung einer eigenen "Klasse" von psychischen Phänomenen gefolgert werden kann. Vielmehr will WINDELBAND (und derselben Ansicht ist auch BERGMANN) die Urteilsfunktion den Funktionen des Begehrens und Wollens in der Weise koordinieren, daß sie alle zusammen "der praktischen Seite des Seelenlebens" einzuordnen wären. Er geht dabei (wie wir aus seinen "Präludien" erfahren) von dem Gedanken aus, daß das Bejahen, bzw. Verneinen, Werturteile sind, welche darüber entscheiden, ob eine bestimmte Vorstellungsrelation der Erweiterung der Erkenntnis als ihrem Zweck dient oder nicht. Da es sich also auch bei der Wahrheit - ähnlich wie bei der Güte - nur um die Tauglichkeit zu einem gewissen Zweck handeln soll, fließen ihm Wahr und Falsch, Gut und Böse, Angenehm und Unangenehm in eine einzige Kategorie zusammen, und folgerichtig können dann Urteilen und Begehren, als Korrelate jener Begriffe, keine spezifisch verschiedenen Seelentätigkeiten sein, sondern müssen ein und demselben - praktischen - Teil des psychischen Lebens eingeordnet werden. Treffend bemerkt SIGWART (25) dagegen, aus der Tatsache, daß Bejahen und Verneinen die einzelne Vorstellungsverbindung am allgemeinen Zweck der Wahrheit messe, gehe durchaus nicht hervor, daß das Bejahen und Verneinen selbst ein praktisches Verhalten ist. Das Billigen und Mißbilligen im Sinne eines praktischen Verhaltens (26) ist, wie SIGWART ebenso richtig bemerkt, eine Folge des Urteilens und nicht das Urteilen selbst. "Wir mißbilligen das Falsche, weil es falsch ist, aber es ist nicht darum falsch, weil wir es mißbilligen; die theoretische Erkenntnis, daß ein Urteil wahr oder falsch ist, kann erst ein Gefühl begründen, ebenso wie die Erkenntnis der Zweckmäßigkeit eines Mittels vorangehen muß, ehe wir es wählen." (27) "Das Bewußtsein der Gültigkeit ist nicht eine Form des Wollens, weil es die Erfüllung eines Strebens und Wollens ist, so wenig als das Wohlgefühl der Sättigung darum ein praktisches Verhalten ist, weil es vom Essenden erstrebt wird." (28) Übrigens hat dieser Einwand WINDELBAND für die vorliegende Untersuchung insofern wenig Bedeutung, als er die spezifische Unterscheidung von Vorstellen und Urteilen nicht angreift. Daß Urteilen und Begehren einfach dasselbe sind, behauptet auch WINDELBAND nicht; er bestreitet nur, daß zwischen Urteilen und Begehren derselbe fundamentale Unterschied besteht, wie zwischen Urteilen und Vorstellen. Wenn nun dies auch richtig wäre (was wir mit SIGWART entschieden in Abrede stellen müssen), so würde es die weiteren Konsequenzen für die Lehre vom Schluß völlig intakt lassen. § 20. Nicht dasselbe gilt von einem weiteren Einwand, den WINDELBAND gegen die idiogenetische Urteilstheorie erhebt. Bei unmittelbar gewissen Wahrnehmungen, meint er, gehe es nicht an, zwischen zwei psychischen Akten, dem der Vorstellung und dem der Affirmation, zu unterscheiden, "zwischen denen etwa nur eine für das Bewußtsein unmerkliche Zeit verläuft"; eine solche Annahme sei "deshalb sinnlos, weil das Motiv dieser nachkommenden Beurteilung immer nur wieder in der unmittelbaren Evidenz gesucht werden kann, mit der sich die Vorstellung schon geltend gemacht haben muß, wenn sie hinterher als wahr anerkannt werden soll". Dieser Einwand richtet sich, wie man sieht, gegen die Scheidung von Vorstellen und Urteilen beim einfachen Wahrnehmungsakt. Vor allem ist nun eine zeitliche Aufeinanderfolge dieser beiden Akte nicht notwendig, ja in gewissem Sinne nicht einmal möglich, da doch das, was beurteilt wird, während es beurteilt wird, auch Gegenstand des Vorstellens sein muß (wenn es auch vorgestellt werden kann, ohne beurteilt zu werden). Doch abgesehen davon, ist nicht einzusehen, wie die bloße Vorstellung sich mit Evidenz geltend machen soll, wenn anders die Evidenz eine Eigenschaft des Urteils ist und wir wohl von einsichtigen Urteilen, nicht aber von einsichtigen Vorstellungen sprechen können. Der Begriff der Evidenz schließt den der Wahrheit in sich; und Wahrheit kommt nur dem Urteil zu. Wenn nun freilich WINDELBAND Sätze, wie "diese Rose ist weiß", als Beispiel solcher unmittelbar evidenter Wahrnehmungen anführt - Sätze, die keineswegs im bisherigen Sinne des Wortes evident sind -, so muß man annehmen, daß ihm die Evidenz nichts anderes als ein Drang zum Urteilen ist. Wäre aber dies richtig, dann wäre gerade die Evidenz eine Besonderheit der Vorstellung, die zum Motiv des Urteils wird; und in diesem Fall wäre es nicht nur nicht "sinnlos", sondern geradezu gefordert, zwischen Motiv und Motiviertem einen Unterschied zu machen. § 21. Noch bleibt ein dritter Einwand desselben Forschers zu erledigen. Wenn jedes (einfache) Urteil in existentialer Form dargestellt werden kann, ja, wenn gerade diese Form am passendsten den psychischen Vorgang ausdrückt, indem sie allein die beiden Teile des Urteils, Materie und Form, scharf sondert, und so den Unterschied zwischen kategorischen und sogenannten Existentialurteilen als einen bloß sprachlichen und nicht die Urteilsfunktion betreffenden erscheinen läßt, so muß offenbar das Zeichen für Bejahung, bzw. Verneinung ein eindeutiges, d. h. es darf nicht äquivok [mehrdeutig - wp] sein. "Sagt man z. B. die Freiheit ist, so wird man doch zugestehen müssen, daß man ihr ein andersartiges Sein zuschreibt, als etwa der Gottheit in dem Satz Gott ist. Und dabei haben doch beide Sätze noch das gemein, daß dieses Sein, um welches es sich dabei handelt, in beiden Fällen ein Wirklichsein oder Realsein bedeutet, wenn auch eben eine Substanz in einem anderen Sinne ist, als eine Eigenschaft oder eine Tätigkeit. Versucht man dagegen etwa den Satz der Blitz ist die Ursache des Donners in den Existentialsatz zu verwandeln das Kausalverhältnis zwischen Blitz und Donner "ist", so wird man schon sehr zweifelhaft darüber sein können, ob dieses ist im Sinne der Wirklichkeit, der Realität gedeutet werden darf. Kommt man gar an einen Existentialsatz, wie etwa die Unterordnung der Rose unter den Begriff der Blume "ist", - denn nur so dürfte die Verwandlung des Satzes die Rose ist eine Blume in einen Existentialsatz lauten - so würde man in einen Hyperrealismus, der nicht nur die Universalien, sondern auch ihre Beziehungen hypostasierte [einem Gedanken gegenständliche Realität unterschieben - wp] , hineingeraten, wenn man dieses Sein wieder als absolute Wirklichkeit deuten wollte." (29) Ohne Zweifel ein harter Vorwurf gegen die bekämpfte Theorie! Zunächst sei hier nebenbei bemerkt, daß der Satz "die Rose ist eine Blume", in existentialer Form ausgedrückt, nicht lauten würde "die Unterordnung der Rose unter den Begriff der Blume ist", wie WINDELBAND meint. (Es wird sich dies aus späteren Betrachtungen ergeben.) Da aber doch jedenfalls das Urteil "die Unterordnung der Rose unter den Begriff der Blume ist", gefällt werden kann (wenn es auch mit dem Urteil "die Rose ist eine Blume" nicht identisch ist), so mag es WINDELBAND immerhin als Instanz benützen. Vor allem ist es nun unrichtig, daß "Sein" so viel heißt wie "Wirklichsein", "Realsein". Es ist in letzterer Zeit wiederholt, so besonders von MARTY (30), hervorgehoben worden, daß man auch von einem Mangel, einer Unmöglichkeit und dgl. sagen kann, sie sei, ohne damit im Geringsten behaupten zu wollen, Mangel und Unmöglichkeit seien Realitäten. Sagt man also "die Unterordnung der Rose . . . ist", so ist die hierin ausgedrückte Relation zwischen Universalien keineswegs "hypostasiert"; der Satz besagt vielmehr nichts anderes, als daß jene Unterordnung anzuerkennen ist. Man muß mit WINDELBAND freilich zugeben, daß im Satz "Gott ist" eine Realität anerkannt wird, während dies in einem Satz wie "es besteht die Unmöglichkeit ..." nicht der Fall ist. Aber dies ist nich so zu verstehen, als läge der Unterschied darin, daß im ersten Fall das "ist" soviel bedeutet wie "ist real", im zweiten hingegen nicht. Nein, das "ist" bedeutet beide Male durchaus dasselbe; aber da aich unter Gott eine Realität verstehe, so ist natürlich, indem ich Gott anerkenne, eine Realität anerkannt. Und da es zum Begriff des Mangels, der Unmöglichkeit und dgl. gehört, daß sie keine Realitäten sind, so ist, indem der Mangel etc anerkannt wird, damit noch keine Realität anerkannt. Ein Unterschied in der Materie ist es also, der hier vorliegt, und kein Unterschied in der Urteilsfunktion, der etwa das Zeichen "ist" als ein Homonym [selbes Wort, andere Bedeutung - wp] erscheinen ließe. Der Standpunkt, den WINDELBAND hier vertritt, würde zu den ungeheuerlichsten Konsequenzen führen. Denn sobald man Momente, die der Urteilsmaterie angehören, in die Urteilsfunktion zu verlegen beginnt, hört jede einheitliche Erklärung dieser letzteren von vornherein auf. Die Unterschiede zwischen "Realsein" und jenem Sein, das auch dem Mangel und der Unmöglichkeit zukommt, sind ja durchaus nicht die einzigen, die man von diesem Standpunkt aus statuieren müßte. Wenn z. B. unter Gott ein in sich notwendiges, unter Materie ein kontingentes [nicht notweniges - wp] Wesen zu verstehen ist, so würde in den Sätzen "Gott ist" und "die Materie ist" das "ist" schon darum ein Homonym sein, weil es im einen Fall die Bedeutung von "durch sich notwendig sein", im anderen die von "kontingent sein" hätte; gibt doch WINDELBAND selbst zu, daß sogar in Sätzen wie "Gott ist" und "die Freiheit ist" das "ist" nur äquivok gebraucht wird, obwohl seiner Meinung nach in beiden Fällen von einer Realität die Rede ist. An welche Unterschiede WINDELBAND bei diesem Beispiel gedacht hat, ist nicht ersichtlich; gewiß ließen sich aber deren sehr viele finden, sobald man die Begriffe Gott und Freiheit analysiert; aber eben in den Begriffen selbst liegt hier der Unterschied und nicht in der Urteilsfunktion.
Wenn Sigwart (33) denjenigen, welche Sätze wie "es blitzt", "es regnet" für Existentialurteile halten, zu bedenken gibt, daß "die Wirklichkeit dessen, was ausgesagt wird", schon darin eingeschlossen ist, "daß das Subjekt als wirklich Existierendes vorgestellt" wird und darum kein Grund vorhanden ist, "dieses Existieren zu behaupten", so macht er ihnen eine Ansicht zum Vorwurf, die sie gar nicht vertreten; denn nur diejenigen könnten die oben zitierten Worte mit Recht treffen, welche glauben, daß in Sätzen wie "es blitzt" vom Blitzen die Realität ausgesagt wird. In der Behauptung, daß der Satz "es blitzt" so viel heißt wie "Blitzen ist" liegt dies jedoch gar nicht involviert. Es ist daher ein Fehler Sigwarts und nicht der von ihm angegriffenen Lehre, wenn er jenes "Sein" sofort mit einem "Realsein" vertauscht und auf diese Weise der gegnerischen Ansicht ein Gestalt gibt, in der sie freilich leicht zu bekämpfen ist. Daß in der "Anerkennung" oder "Verwerfung" eine "andere Funktion liegt als im bloß subjektiven Beziehen zweier Vorstellungen aufeinander", gibt SIGWART unbedingt zu; er bestreitet jedoch, daß diese Funktion "einem ganz anderen Gebiet der Seele angehört, als das Vorstellen, und mit Liebe und Hass näher verwandt sind als mit dem Denken und Vorstellen bestimmter Objekte". (34) Was SIGWART in Bezug auf die Verwandtschaft mit den Gemütstätigkeiten bemerkt, muß ihm ohne weiteres als richtig zugestanden werden; nur kann ich nicht einsehen, wieso sich diese Bemerkung gegen die Theorie BRENTANOs richten soll? Die Einteilung der psychischen Phänomene nach der dreifachen, fundamental verschiedenen Beziehung zum immanenten Objekt schließt ja eben jede nähere Verwandtschaft einer der drei Klassen mit irgendeiner anderen von vornherein aus. (35) § 23. Ein weiteres Argument richtet SIGWART gegen die Aufstellung von eingliedrigen Urteilen und damit implizit gegen die idiogenetische Urteilstheorie überhaupt. Ich sage: SIGWART kämpft hier implizit gegen die ganze Theorie; denn dieser zufolge ist es gleichgültig, ob die einfache Materie A oder die zusammengesetzte Materie S P anerkannt (bzw. geleugnet) wird, da es in beiden Fällen nur auf die Besonderheit der intentionalen Beziehung ankommt; wer daher die Statuierung einer besonderen intentionalen Beziehung für das "eingliedrige" Urteil für verfehlt hält, muß dies folgerichtig auch in Bezug auf das "zweigliedrige" (sogenannte kategorische), und somit des Urteils überhaupt, tun. Dies vorausgeschickt, wenden wir uns sogleich zum angekündigten Gegenargument SIGWARTs. "... stelle ich", sagt der genannte Forscher (36), "einen Gegenstand A vor, so ist er für mein Bewußtsein zunächst als vorgestellter, gedachter vorhanden; er steht zunächst in dieser Beziehung zu mir, Objekt meines Vorstellens zu sein. Insofern kann ich ihn nicht verwerfen, da ich ihn wirklich vorstelle; und wollte ich ihn anerkennen, so könnte ich eben nur anerkennen, daß ich ihn wirklich vorstelle; aber diese Anerkennung wäre nicht die Behauptung, daß er existiert; denn es handelt sich ja eben darum, ob er außerdem, daß ich ihn vorstelle, noch die weitere Bedeutung hat, daß er einen Teil der mich umgebenden wirklichen Welt bildet, von mir wahrgenommen werden kann, Wirkungen auf mich und anderes ausüben kann. Diesen letzteren Gedanken muß ich mit der bloßen Vorstellung verknüpfen, wenn ich seine Existenz behaupten will." Und in demselben Sinne heißt es in den "Impersonalien" (37): "Der Begriff als solcher bedarf keines Anerkennens oder Setzens, sobald er wirklich gedacht wird, ist alles geschehen, was in Bezug auf ihn als diesen einzelnen Begriff möglic ist; es ist gar nicht abzusehen, worauf sich das Anerkennen beziehen, oder wie ihm, wenn er wirklich gedacht wird, die Anerkennung verweigert und in welchem Sinne er verworfen werden sollte können; nicht abzusehen, was es heißen soll, daß ich den Begriff Kreis anerkenne oder den Begriff Quadrat verwerfe." Und bald darauf heißt es von einer einzelnen Anschauung, z. B. einem Gesichtsbild, es könne in keinem denkbaren Sinn gesagt werden, daß ich es anerkenne oder verwerfe; "es ist einfach da, Objekt meines Bewußtseins, ich mag wollen oder nicht". (38) Gegenstand der Anerkennung oder Verwerfung kann nur "die Bedeutung sein, die er (der Begriffsinhalt) außerdem, daß er jetzt von mir gedacht wird, noch sonst haben kann; insbesondere der Gedanke, daß ein anderer, mir in der Anschauung gegegeber Gegenstand mit dem Begriff übereinstimmt oder identisch ist; dann ist aber eben nicht der Begriff selbst, sondern diese Beziehung, in der er steht, Gegenstand der Anerkennung oder Verwerfung". (39) Wer die idiogenetische Urteilstheorie in der Gestalt, die ihr BRENTANO gegeben hat, kennt, dem muß sofort auffallen, daß SIGWART dieselbe mißverstanden hat, indem er sich fortwährend einer doppelten Verwechslung schuldig macht: einmal zwischen Vorstellungsakt und Vorstellungsinhalt und dann - im Zusammenhang damit - zwischen Gegenstand und vorgestelltem Gegenstand. Vorerst eine Bemerkung zur Erklärung dieser Termini, die zwar einzeln genommen von jedermann verstanden werden, dennoch aber, sobald sie alle zusammen in das Gebiet unserer Betrachtungen gezogen werden, schon wegen der homonymen Ausdrücke so leicht einer Verwechslung unterliegen, daß selbst Denker wie SIGWART zu Mißverständnissen und Irrtümern verleitet werden konnten. Jeder weiß, was es heißt: ich stelle mir einen Taler vor (gleichgültig ob ich ihn "wahrnehme" oder mir in der Phantasie vergegenwärtige). Dasjenige, was der Spezies nach gleichbleibt, ob ich mir einen Taler, ein Pferd oder ein Dreieck vorstelle, heißt der Vorstellungsakt; dasjenige, was diese drei Fälle voneinander unterscheidet, wird allgemein als Inhalt, Gegenstand, oder Objekt der Vorstellung bezeichnet. (Das Wort Vorstellung wird äquivok auf Akt und Inhalt angewandt.) In unserem ersten Beispiel ist also Gegenstand der Vorstellung: Taler, und nicht: vorgestellter Taler. Der Vorstellungsakt wird durch seinen Inhalt spezifiziert und bildet mit ih zusammen eine einzige psychische Realität. Diese psychische Realität kann ihrerseits wieder Gegenstand (Inhalt) einer vorstellenden Tätigkeit sein, nehmen wir doch auch unser Vorstellen samt seinem Inhalt innerlich wahr. Ich stelle mir daher vor, daß ich die Vorstellung eines Talers habe. Gegenstand dieses zweiten Vorstellungsaktes ist also nicht mehr der Taler, sondern der vorgestellte Taler. Um eine Verwechslung zwischen beiden Vorstellungsakten zu vermeiden, wollen wir den einen den primären, den anderen den sekundären Vorstellungsakt nennen. Wir können demnach sagen: der Gegenstand des primären Vorstellungsaktes ist der Taler, der Gegenstand des sekundären Vorstellungsaktes der vorgestellte Taler. Wie nun der Taler selbst (nicht der vorgestellte!) einmal Gegenstand eines bloß vorstellenden Verhaltens sein kann, so kann derselbe Taler (und wieder nicht der vorgestellte!) ein andermal Gegenstand eine urteilenden Verhaltens, d. h. einer Anerkennung oder Verwerfung sein, was sich in den Sätzen "es gibt einen Taler", bzw. "es gibt keinen Taler" ausdrückt. Wie wir nun vorhin bemerkt haben, daß das primäre Vorstellen Gegenstand eines sekundären sein kann, so kann das primäre Vorstellen und Urteilen seinerseits wieder Gegenstand eines sekundären Vorstellens und eines sekundären Urteilens (innere Wahrnehmung) sein. (Ja, psychologische Untersuchungen, die uns im Augenblick nichts angehen, zeigen, daß dies notwendig so sein muß.) Analog unseren obigen Ausführungen werden wir auch hier sagen: der Taler ist Gegenstand unseres primären Urteilens, der vorgestellte Taler Gegenstand unseres sekundären Urteilens. Natürlich kann das primäre Urteilen, da es einen anderen Gegenstand hat, ganz gut negativ sein, während das sekundäre affirmativ ist. Es ist ja einleuchtend, daß ich zugleich überzeugt sein kann, es gebe wirklichen, wohl aber einen vorgestellten Taler. Denn diesen letzten gibt es, so oft ich ihn mir vorstelle; und mir vorstellen muß ich ihn, wenn ich ihn leugnen soll. Betrachten wir nun im Licht dieser Distinktionen, was SIGWART zuletzt gegen die idiogenetische Urteilstheorie vorgebracht hatte. Er sagt: "... stelle ich mir einen Gegenstand A vor, so ist er für mein Bewußtsein zunächst als vorgestellter, gedachter vorhanden; er steht zunächst in dieser Beziehung zu mir, Objekt meines Vorstellens zu sein. Insofern kann ich ihn nicht verwerfen, da ich ihn wirklich vorstelle etc." Wen kann ich nicht verwerfen? Den vorgestellten Gegenstand oder den Gegenstand selbst? Offenbar nur den ersteren! Denn der sekundäre Urteilsakt muß als Akt der inneren Wahrnehmung affirmativ sein, und zwar eine evidente Affirmation. Wenn SIGWART sagt, der Gegenstand A sei als vorgestellter, gedachter für mein Bewußtsein vorhanden, so kann unter diesem "Bewußtsein" nur jener sekundäre Urteilsakt gemeint sein. Indem er aber fortfährt, "er steht zunächst in dieser Beziehung zu mir, Objekt meines Vorstellens zu sein", so ist ihm unter der Hand aus dem "Gegenstand als vorgestellten, gedachten" der Gegenstand selbst geworden, also der Gegenstand des primären Vorstellens. Und dieser unbemerkte Wechsel des Subjekts verschuldet das ganze Mißverständnis. Denn wenn SIGWART unmittelbar darauf sagt: "insofern kann ich ihn nicht verwerfen, da ich ihn mir wirklich vorstelle etc.", so paßt dies recht wohl auf den "Gegenstand als vorgestellten, gedachten" nicht aber auf den Gegenstand selber, der doch im unmittelbar vorhergehenden Satz ("er steht zunächst in dieser Beziehung zu mir etc.") gemeint war. SIGWART macht sich nicht klar, daß, wenn er auch fortwährend von "Gegenstand" spricht, doch nur scheinbar von einem und demselben Ding die Rede ist. Dieselbe Verwechslung unterläuft auch in der zitierten Stelle der "Impersonalien". "... es ist gar nicht abzusehen", heißt es daselbst, "worauf sich das Anerkennen beziehen oder wie ihm (d. h. dem "Begriff"), wenn er wirklich gedacht wird, die Anerkennung verweigert werden sollte, und in welchem Sinne er sollte verworfen werden können etc." Die Anschauung ist "einfach da, Objekt meines Bewußtseins, ich mag wollen oder nicht". Ich frage wieder: was ist einfach da und kann nicht verworfen werden? Der Gegenstand selbst doch gewiß nicht; denn von ihm kann ich vielleicht überzeugt sein, daß er nicht existiert und doch muß ich ihn, gerade um dieser Überzeugung willen, mir vorstellen. Was "einfach da ist und nicht verworfen werden kann", das ist der vorgestellte Gegenstand. (40) Soviel über den letzten und wichtigsten Einwand SIGWARTs; wichtig, da die ihm zugrunde liegenden Verwechslungen schwierige und für die Psychologie außerordentlich bedeutsame Differenzen betreffen. Wir sehen, daß von all den vorgeführten Argumenten auch nicht ein einziges beweiskräftig ist und so halten wir uns also für berechtigt, auf dem Standpunkt der idiogenetischen Urteilstheorie zu verharren und aus ihr die weiteren Konsequenzen für die künftige Gestaltung der Schlußlehre zu ziehen. Ehe dies geschieht, muß jedoch untersucht werden, welchen Einfluß die neue Theorie auf die Lehre von der Quantität der Urteile hat. Quantitätsverhältniss sind es ja, welche die traditionelle Logik zur Basis des syllogistischen Verfahrens gemacht hat. § 24. Wenn das Urteil wirklich nichts anderes als eine bestimmte, nur durch Hinweis auf die Erfahrung klar zu machende Beziehung zum immanenten Objekt ist und diese Beziehung sich in zweifacher Weise - als Anerkennung und Leugnung - geltend machen kann, so ergibt sich daraus sofort die Einteilung der Urteile in bejahende und verneinende, sozusagen als die fundamentalste. Die Schullogik hatte dieser Einteilung eine weitere an die Seite gestellt: die nach der Quantität. Aus der Kreuzung beider hatten sich bekanntlich die durch die Buchstaben a, e, i und o bezeichneten vier Urteilsarten ergeben. Es fragt sich nun, ob die Einteilung nach der Quantität ihre Bedeutung behält, wenn man das sogenannte kategorische Urteil nicht als eine nebem den existentialen stehende Spezies des Urteils ansieht, sondern beiden als nur durch den sprachlichen Ausdruck unterschiedene, psychologisch aber gleichartige Phänomene betrachtet, wie dies in der idiogenetischen Theorie involviert ist. Welches principium divisionis hatte die alte Logik [allgemein bejahend = a | allgemein verneinend = e | partikulär bejahend = i | partikulär verneinend = o | - wp] benützt, wenn sie die Urteile in universelle und partikuläre einteilte? Sehen wir zunächst von den zum Teil sehr treffenden Bemerkungen SIGWARTs (41) gegen die bisherige Lehre von der Urteilsquantität ab, so finden wir fast durchgehend die Ansicht ausgesprochen, daß die "Ausdehnung, in welcher dem Umfang des Subjektbegriffs das Prädikat zuerkannt oder abgesprochen wird" (42), den Grund zur Einteilung der Urteile in universelle, partikuläre und singuläre abgibt. Da das Prädikat "sterblich" dem Begriff "Mensch" seinem ganzen Umfang nach zugesprochen wird, nannte man das Urteil "alle Menschen sind sterblich" ein universelles; dagegen bezeichnete man das Urteil "einige Menschen sind krankt" als partikulär, da das Kranksein nur einem Teil derjenigen Individuen zugesprochen wird, welche unter den Begriff Mensch fallen. Unter demselben Gesichtspunkt ordnete man dann das singuläre Urteil ("Hannibal war ein Feldherr") meistens dem universellen zu. Nun zeigt sich aber sofort, daß, wenn man die vier Urteilsarten (a, e, i, o) in die Existentialform bringt, so daß also nicht einem Subjekt S ein Prädikat P zu- oder abgesprochen, sondern vielmehr der zusammengesetzte Gegenstand S P anerkannt oder geleugnet wird, in der Gestalt der Materie S P kein Hinweis darauf gegeben ist, ob P mit S seinem ganzen Umfang oder nur einem Teil seines Umfangs nach verbunden wird. In der Urteils funktion kann das Moment des Universellen oder Partikulären auch nicht liegen, denn S P kann nur entweder anerkannt oder geleugnet werden. Es gibt also bei gleicher Materie nur zwei Urteile: S P ist, S P ist nicht. § 25. WILLIAM STANLEY JEVONS hat versucht das Moment der Quantität dennoch in die Materie zu verlegen; die Materie des universellen Urteils heißt bei ihm "Alle SP", die des partikulären "Einige SP" (43). Gegen diesen Versuch aber muß geltend gemacht werden, daß der vermeintliche Ausdruck für die Universalität der Materie "Alle SP" für sich gar keinen Sinn hat und demgemäß dieser vermeintliche Gegenstand auch nicht Inhalt eines Urteils werden kann. Was sollte der Satz "Alle sterblichen Menschen - sind" bedeuten? SIGWART und BRENTANO weisen mit Recht darauf hin, daß "Alle" eine doppelte Negation einschließt. (44) Wenn aber dies, dann muß jedenfalls die eine der beiden Negationen zur Urteils funktion gehören; denn wenn beide die Materie beträfen, so würden sie sich aufheben und wären also so gut wie nicht vorhanden. JEVONS' Versuch ist mithin unannehmbar. § 26. Die Rückführung der vier, von der Schullogik angenommenen Urteilsarten auf die Existentialform als den adäquatesten Ausdruck des Urteils überhaupt wird Licht in die Untersuchung bringen. In Bezug auf das partikulär bejahenden und des universell verneinenden Urteils (i und e) kann kein Zweifel sein, daß sie in existentialer Form lauten:
(e) es gibt nicht S P. Größeren Schwierigkeiten begegnen wir schon bei der Analyse des sogenannten universell bejahenden Urteils. Hier soll, wie die Schullogik lehrt, das Prädikat dem Subjekt seinem ganzen Umfang nach zugesprochen werden. Dies kann nichts anderes heißen, als daß das Prädikat jedem einzelnen, in den Umfang des Subjekts fallenden Individuum zugesprochen wird. Man hat das vielfach so aufgefaßt, als sei das "universell bejahende" Urteil ein zusammenfassender Ausdruck für eine Vielheit von singulären Urteilen. "Alle Menschen sind sterblich" hieße dann so viel wie "Peter ist sterblich, Paul ist sterblich, Johann etc. etc." Daß diese einzelnen Urteile nicht wirklich gefähltt werden, mußte man wohl zugeben, und so finden wir dann häufig die Ansicht vertreten, in derartigen Sätzen werde dem abstrakten und allgemeinen Begriff (z. B. Mensch) eine gewisse Eigenschaft (z. B. die Sterblichkeit) zugesprochen, und damit implizit jedem einzelnen Individuum, das unter diesen Begriff fällt. Danach wäre das universell bejahende Urteil wenigstens ein Äquivalent für eine Vielheit singulärer Urteile. Das Unzureichende dieser Analyse zeigt sich jedoch am besten dadurch, daß im selben Sinn auch das partikuläre Urteil als Äquivalent für mehrere singuläre Urteile aufgefaßt werden kann und somit der Unterschied zwischen Universell und Partikulär gänzlich verschwinden würde. Der wahre Sinn von Sätzen, wie "alle S sind P" liegt, wie BRENTANO und SIGWART betonen, in der Leugnung der Ausnahme, also in einer doppelten Negation, von der die eine zur Materie, die andere zur Urteilsfunktion gehört. Der Satz "alle S sind P" leugnet, daß es S gibt, die nicht P sind. Die Qualität des von der Schullogik als "universell bejahend" bezeichneten Urteils ist also in Wahrheit negativ. (45) So sicher aber die Leugnung der Materie "nicht P seiendes S" zum Wesen dieses Urteils gehört, so könnte doch daran gezweifelt werden, ob sie den Sinn desselben völlig erschöpft. Der Schullogik zufolge ist im Urteil "alle S sind P" auch die Behauptung eingeschlossen, daß es S gibt; in der Leugnung der Materie "nicht P seiendes S" ist jedoch die Anerkennung von S keineswegs involviert und so könnte dann die Meinung entstehen, daß jene Leugnung dem "universell bejahenden" Urteil zwar wesentlich, aber nicht allein wesentlich ist. Nun ist allerdings sicher, daß derjenige, welcher den Satz "alle S sind P" ausspricht, sehr häufig zwei Urteile fällt: einmal, daß es kein S gibt, welches nicht P ist, dann aber, daß es S gibt; wie dann jemand, der sagt "alle Apostel waren Juden", nicht bloß leugnet, daß es Apostel nichtjüdischer Herkunft gegeben hat, sondern auch behauptet, daß Apostel existierten. Dies würde jedoch nicht mehr beweisen, als daß der Satz "alle S sind P" der sprachliche Ausdruck" für ein doppeltes Urteil ist. Aber allgemein gilt nicht einmal dies. Unter den Logikern sind längst Bedenken aufgetaucht, ob denn die Anerkennung von S einem notwendigen Bestandteil des Urteils "alle S sind P" ausmacht. Schon TRENDELENBURG bemerkt, daß im Urteil "das rechtwinklige Dreieck hat die im pythagoräischen Lehrsatz ausgessprochene Eigenschaft" nichts darüber gesagt wird, ob ein Dreieck rechtwinklig ist oder nicht (46); und in ähnlicher Weise behauptet auch F. A. LANGE, daß die Sätze der Stereometrie oder analytischen Geometrie gelten, "einerlei, ob entsprechende Körper und Flächen oder Linien in der Natur vorkomen oder nicht." (47) Dies ist ohne Zweifel richtig. Sätze von der Form "alle S sind P" drücken also immer die Leugnung der Materie "Nicht P seiendes S" aus, ab und zu jedoch überdies die Anerkennung von S. Da es nun der traditionellen Logik - mit Recht - nicht darauf ankam, eine Klassifikation der Sätze, sondern eine solche der Urteile aufzustellen, so hätte sie sich nicht an diejenigen Fälle halten sollen, in welchen eine Komplikation von Urteilen durch einen einfachen Satz ihren sprachlichen Ausdruck findet. Handelt es sich aber um einfache Urteile, so wird das ehemalige "universell bejahende" Urteil in Wahrheit als ein negatives Urteils mit teilweise negativer Materie charakterisiert werden müssen. (48)
Daß Sätze von der Form "alle S sind P" in der Mehrzahl der Fälle ein Doppelurteil ausdrücken, ist leicht erklärbar; zur Bildung des Urteils "es gibt kein S, das nicht P ist", ist ja offenbar dann mehr Veranlassung vorhanden, wenn S existiert, als wenn es nicht existiert. Man kann geradezu sagen, daß immer dann, wenn das Urteil "alle S sind P" (im Sinne eines einfachen, also negativen Urteils) auf induktivem Weg gewonnen wird, die Behauptung der Existenz von S noch mit dazu kommt; daß es also zwei Urteile sind, denen die Sprache durch die einfache Formel "alle S sind P" Ausdruck verleiht. Bedenkt man ferner, daß die Menschen solche allgemeine Urteile gewiß viel häufiger auf induktivem (50), als auf deduktivem Weg gewonnen haben, daß sie Urteile, wie "alle Hunde sind vierfüßig", "alle Steine gehen im Wasser unter" ohne Zweifel früher gefällt haben, als die Urteile der Geometrie; so liegt auch die sprachgeschichtliche Vermutung nicht fern, daß für die Formel "alle S sind P" das oben besprochene Doppelurteil die ursprünglichere Bedeutung war. Dies mochte wohl Sigwart im Auge gehabt haben, wenn er sagt: "Alle, womit das Subjekt des sogenannten allgemeinen Urteils (Alle A sind B) verbunden ist, meint ursprünglich eine bestimmte Zahl, und ein Urteil mit Alle setzt eine begrenzte Anzahl von zählbaren einzelnen Objekten voraus. Alle A sind B kann darum in seiner ursprünglichen Bedeutung nur in Beziehung auf ein bestimmtes Einzelnes ausgesprochen werden. (51) Der meistenteils (ursprünglich sogar durchwegs) zusammengesetzte Charakter der in Frage stehenden Urteile ist Sigwart nicht entgangen. "Daß es viele A gibt", sagt er, "ist im Plural impliziert; daß es überhaupt A gibt, welche B sind, ist gleichfalls implizit mitgesetzt; aber um was es zu tun ist, worauf die Frage gestellt ist, welche von diesem Urteil beantwortet werden soll, ist, ob die A, denen B zukommt, alle sind, ob es keine Ausnahme gibt." (52) Ebenso erkennt er, daß es hinwiederum Fälle gibt, in denen "von der wirklichen Existenz der Subjekte direkt gar nicht geredet wird." (53) Anstatt aber daraus zu schließen, daß eine und dieselbe Aussageform einmal nur ein negatives Urteil bedeutet, ein andermal nebst diesem auch noch ein affirmatives, und daß nur im ersteren Fall zur Aufstellung einer besonderen Klasse einfacher Urteile ein Anlaß vorhanden ist, sucht er den Unterschied in einem zweifachen Sinn der Allgememeinheit, in einer doppelten Bedeutung des Wortes "alle". Ihm zufolge kann "alle" ein Urteil von "empirischer Allgemeinheit", aber auch ein "unbedingt allgemeines Urteil" einleiten. Das erstere sei der Fall, wenn es "durch Betrachtung der Einzelfälle", das letztere, wenn es "durch Analyse der Subjektvorstellung" gewonnen wird. So könne das Urteil "alle Planeten bewegen sich von West nach Ost um die Sonne" dadurch gewonnen werden, daß man die Bewegung der einzelnen Planeten untersucht - dann sei es von empirischer Allgemeinheit; es könne aber auch aus der Kant-Laplace'schen Hypothese deduziert werden - und in diesem Fall sei es, da die Bewegung von West nach Ost in die Bedeutung des Wortes Planet aufgenommen worden sei, ein analytisches im Sinne Kants und als solches nicht mehr von bloß empirischer, sondern von unbedingter Allgemeinheit; der Gedanke der Allgemeinheit sei im letzteren Falle sekundär, insofern er aus dem (primären) Gedanken der Notwendigkeit erst folgt. Bei Urteilen von empirischer Allgemeinheit sei die Existenz des Subjekts im Urteil impliziert, nicht so bei Urteilen von unbedingter Allgemeinheit (wie etwa bei den Urteilen der Geometrie). Fragen wir nun, was denn durch die Unterscheidung Sigwarts betroffen wird, das Urteil selbst oder die Art seiner Erzeugung, bzw. die Berechtigung, mit der es gefällt wird? Wenn jemand aufgrund geometrischer Überlegungen zu dem Resultat gelangt, daß die Winkelsumme eines Dreiecks nie mehr noch weniger als 180° betragen kann, so hat er dieses Urteil ohne Zweifel auf einem anderen Weg gewonnen, als derjenige, welcher viele Dreiecke mißt und die Resultate seiner Messungen zur Basis eines Induktionsschlusses macht, dessen Konklusion dann freilich auch heißt "jedes Dreieck hat zur Winkelsumme 180°". Ich kann aber nicht absehen, wieso der eine damit etwas anderes behauptet haben sollte, wie der andere? Beide leugnen, daß es Dreiecke mit einer anderen Winkelsumme gibt; und lediglich die Frage könnte entstehen, ob sie es mit gleicher Berechtigung tun. Vielleicht darf der induktiv Vorgehende nur eine (wie immer große) Wahrscheinlichkeit des Satzes behaupten. Aber entweder ist er sich dessen bewußt oder nicht; im ersten Fall ändert sich die Materie des Urteils - er behauptet dann nicht mehr das betreffende Winkelverhältnis, sondern nur die Wahrscheinlichkeit desselben; ist er sich aber dieser Einschränkung nicht bewußt, dann war sein Urteil logisch nicht gerechtfertigt; aber gerechtfertigt oder nicht - es blieb doch immer dasselbe Urteil! Ja, am Sinn desselben würde sich auch dann nichts ändern, wenn es ganz ohne Beweis, völlig bling, gefällt würde. Diese Weise also, wie das Urteil erzeugt, und die Berechtigung, mit der es gefällt wird, das sind die Momente, die durch Sigwartss Unterscheidung betroffen werden. Ein deskriptiver Unterschied ist von ihm nicht angegeben worden. Der im Urteilsphänomen selbst (und nicht in etwaigen Antezedenzien [Vorausgehendes - wp]) liegende, also deskriptive Unterschied, den Sigwart fortwährend durchfühlt, besteht - wie oben bemerkt - in Wahrheit darin, daß zum negativen Urteil mit teilweiser negativer Materie, das wir als das Wesentlice in der sogenannten universell bejahenden Aussage erkannt haben, manchmal (ja vielleicht in der Mehrzahl der Fälle) noch ein auf die Subjektsmaterie bezügliches affirmatives Urteil hinzukommt. Die psychischen Antezedenzien, die bald zu einem einfachen (negativen) Urteil, bald zu einer Komplikation von Urteilen führen (also die genetischen Unterschiede), hat Sigwart sehr richtig charakterisiert; die deskriptiven Unterschiede sind ihm entgangen, und so blieb er trotz vieler treffender Bemerkungen doch wesentlich auf dem verfehlten Standpunkt, den die traditionelle Logik in der Lehre vom sogenannten universell bejahenden Urteil eingenommen hatte. (54)
Die Schullogik nannte das Urteil "kein S ist P" (= "S P ist nicht") deswegen universell, weil das P dem S nach dessen ganzem Umfang abgesprochen wird; dies heißt aber nichts anderes als: jenes Urteil ("kein S ist P") schließt aus, daß es S gibt, die P sind. Dies ist allerdings richtig; nur muß bedacht werden, daß der Ausdruck Universell in diesem Sinne nichts anderes als eine auf einer Relation gegründete Eigenschaft jenes Urteils bedeutet; derartige "Eigenschaften" (wenn man sie überhaupt so nennen will) betreffen aber nicht - wie etwa die Qualität - die psychologische Natur des Phänomens selber. Jeder merkt wohl den Unterschied, wenn ich einmal sage: es ist eine Eigenschaft des Zinnobers, rot zu sein; und ein andermal: es ist eine Eigenschaft des Zinnobers, eine andere Farbe zu haben als das Veilchen! - Desgleichen läßt sich diejenige Eigenschaft der Urteile a, welche darin bestehen soll, daß P dem S nach dessen ganzem Umfang zugesprochen wird (vermöge welcher "Eigenschaft" das Urteil eben universell genannt wird) auf eine bloße Relation zurückführen. Wenn nämlich die Materie "nicht P seiendes S" geleugnet wird - und dies ist ja der Sinn des Urteils a - so schließt diese Leugnung aus, daß es ein S gibt, welches nicht P ist. Ganz ähnlich verhält es sich mit dem Begriff Partikulär im üblichen Sinne. Die Logik nennt das Urteil "irgendein S ist P" (= "es gibt ein S P") partikulär und will damit sagen, es schließt dasselbe nicht aus, daß es auch S gibt, die nicht P sind. Das heißt also nichts anderes als: partikulär ist das Urteil "es gibt ein S P" deswegen, weil es mit dem Urteil "es gibt ein S, das nicht P ist" vereinbar ist, ihm nicht widerspricht. Analoges wäre dann auch von dem Urteil o zu sagen. Universell also und Partikulär (im hergebrachten Sinn) sind Relationseigenschaften zweigliedriger Urteile; das entsprechende Einteilungsprinzip ist auf die Klasse der Urteile im Allgemeinen nicht anwendbar. § 28. In einem gewissen Sin, der aber von dem der hergebrachten weit abweicht, kann man die Urteile allerdings in universelle und partikuläre scheiden. Hierbei wird aber (in einer sofort zu erklärenden Weise) das Ganze der Urteilsmaterie in Betracht gezogen. Sobald nämlich die Materie überhaupt einen Umfang hat, d. h. sobald ihr eine Mehrheit von Individuen entsprechen kann, ist es sicher, daß durch die Verwerfung der Materie sämtliche Individuen, die ihr entsprechen könen, geleugnet sind; hingegen involviert die Anerkennung einer derartig allgemeinen Materie nicht die Anerkennung aller Individuen, die ihr möglicherweise entsprechen können. Das Urteil "es gibt kein A" leugnet alle Individuen, die A sind, also A B, A C ... Das Urteil "es gibt A" hingegen anerkennt noch nicht A B, A C ... In diesem Sinne kann gesagt werden, daß die verwerfenden Urteile den ganzen Umfang des zugrunde liegenden Begriffs (der Materie) verwerfen, während die anerkennenden Urteile nicht den ganzen Umfang der allgemeinen Materie anerkennen. Will man nun, je nachdem der ganze Umfang beurteilt wird oder nicht, von universellen, bzw. partikulären Urteilen reden, so würde sich das Gesetz ergeben, daß (unter Voraussetzung einer allgemeinen Materie, d. h. also dann, wenn überhaupt von einem Umfang gesprochen werden kann) die negativen Urteile universell, die affirmativen partikulär sein müssen. - Ich brauche wohl kaum nochmals darauf hinweisen, daß die Worte "Universell" und Partikulär" in diesem Sinne nicht mit den gleichlauteden Bezeichnungen der Schullogik identisch sind, da es sich jetzt um den Umfang der ganzen Urteilsmaterie und nicht um ein Verhältnis zwischen den Umfängen des Subjekts und Prädikats handelt. (60) Unter diesem Gesichtspunkt also ist jedes negative Urteil universell, jedes affirmative partikulär, und zwar ist es universell, weil es negativ, und partikulär, weil es affirmativ ist. Universell und Partikulär sind also Folgemerkmale der Qualität. § 29. Fassen wir das Gesagte zusammen, so dürfen wir behaupten:
zweitens, daß im Hinblick auf diese die Urteile a und e als negativ, i und o als affirmativ bezeichnet werden müssen; drittens, daß die Unterschiede der Quantität im hergebrachten Sinn nicht fundamentale, sondern bloß relative Eigenschaften gewisser (der zweigliedrigen) Urteile betreffen; viertens, daß sich die Affirmation nicht auf den ganzen, die Negation jedoch auf den ganzen Umfang der Materie erstreckt und daß in diesem Sinn der partikuläre Charakter eine Folgeeigenschaft der affirmativen, der universelle eine Folgeeigenschaft der negativen Qualität ist. mit singulärer Materie § 30. Die Einschränkung, die wir am Schluß des vorigen Paragraphen machen mußten, führt uns sofort zu der Frage, worin der Unterschied zwischen Urteilen mit singulärer und solchen mit universeller Materie liegt. In terminologischer Hinsicht muß hier zunächst erwähnt werden, daß es sich nicht empfiehlt, Urteile mit universeller Materie als universelle (oder allgemeine) Urteile zu bezeichnen, da dieser Name im Sprachgebrauch der Logiker bereits eine andere Bedeutung besitzt; er steht dort im Gegensatz zu "Partikulär", während sowohl die universellen als auch die partikulären Urteile der alten Logik Urteile mit universeller Materie sind. Derartige Äquivokationen müssen natürlich vermieden werden. Ein Urteil ist dann singulär, wenn seine Materie individuell ist, d. h. wenn ihr nur ein Individuum entsprechen kan; können der Materie mehrere Individuen entsprechen, so ist sie allgemein. Unter Materie aber ist nicht der Gegenstand selbst, sondern der beurteilte Gegenstand als beurteilter (und natürlich auch vorgestellter) zu verstehen. Von der Beschaffenheit dieses letzteren hängt es ab, ob der Gegenstand selbst nur ein einziger ist oder ob deren mehrere bestehen können. Ist die Materie z. B. ein Konkretum, so enthält sie - dies liegt ja im Begriff des Konkreten - alle zur Individualisierung nötigen Bestimmungen und nur ein Gegenstand kann ihr entsprechen. Handelt es sich etwa um ein physisches Phänomen, so wird durch die Bestimmtheit der sinnlichen Qualität, der etwaigen Intensität, der räumlichen Lage, Ausdehnung und Gestalt die Materie vollständig individualisiert; und nur ein Gegenstand kann ihr entsprechen. Fehlt aber unter sonst gleichen Umständen eine dieser Bestimmungen, so ist die Materie nicht individualisiert und die bezügliche Affirmation läßt es unbestimmt, wieviele Gegenstände der Materie entsprechen. Eine konkrete Materie ist immer individualisiert und das betreffende Urteil daher immer ein singuläres. Hingegen hat nicht jedes singuläre Urteil eine konkrete Materie, denn auch ein Abstraktum kann individuell sein und daher Grundlage eines singulären Urteils werden. So ist "Röte", "Kugelgestalt" und dgl. ein Abstraktum und zugleich nicht-individualisiert, hingegen "diese Röte", "jene Kugelgestalt" zwar auch abstrakt, aber individualisiert, indem die Demostrativa darauf hinweisen, daß das dem Begriff Röte, Kugelgestalt und dgl. Entsprecende nur in einer einzigen Weise zu einem Konkretum ergänzt wird. Fehlt die Individualisierung, so kann der Materie ein, es können ihr aber auch mehrere (natürlich immer konkrete und somit individuelle) Gegenstände entsprechen; die Vielheit ist hier ebenso möglich und ebensowenig notwendig wie die Einheit. Die Möglichkeit einer Vielheit von Gegenständen ist als eine Folge des Mangels an Individualisation in der Materie. Ein Mißverständnis in Bezug auf die Natur des singulären Urteils ist hier noch auszuschließen. In vielen Lehrbüchern der Logik findet man die Forderung ausgesprochen, im singulären Urteil müsse das Subjekt ein individueller Begriff sein. Dies ist unrichtig; denn nicht auf die Individualisierung des Subjekts kommt es an, sondern auf die der ganzen Materie. Das Prädikat kann oft zu einem für sich nicht individualisierten Subjekt gerade jene Bestimmungen hinzubringen, welche es individualisieren. Das Urteil ist dann trotz des nicht-individuellen Subjekts dennoch singulär. Bei Prädikaten wie "ist hier", "liegt dort" ist dies augenscheinlich der Fall (vgl. unten § 33).
Wie schon bemerkt, hatten andere Logiker (wie Herbart und Überweg) nur eine bestimmte Art singulärer Urteile unter die universellen subsumiert, nämlich Urteile "mit einem bestimmten Subjekt", also mit einem Subjekt, dem sprachlich ein nomen proprium [Eigenname - wp] oder ein gleichwertiger Ausdruck entspricht; singuläre Urteile, deren Gültigkeit durch den unbestimmten Artikel auf einen einzigen, nicht näher bezeichneten Fall beschränkt wird, rechnen sie dann zu den partikulären. (63) ) Was nun die letzteren Urteile anlangt, so sind sie entweder rein partikulär, wie wenn ich sage: ein Mensch ist krank, im Sinne von: irgendein Mensch ist krank, was nicht ausschließt, daß mehr als ein Mensch krank ist - oder, falls der Sinn des Satzes es ausschließt, an eine Mehrheit zu denken, sind sie von gleicher Art mit denjenigen Urteilen, deren Subjekt ein nomen proprium ist. Die Sätze "Fust war der Erfinder der Buchdruckerkunst" und "ein Deutscher war der Erfinder etc." müßten nach Herbart und Überweg verschiedenen Klassen eingeordnet werden, während doch, wie Hamilton (der sich dieses Beispiels bedient) richtig bemerkt, dem Subjekt des einen wie des anderen Urteils ein einziger Gegenstand entspricht. (64) Wer sieht nicht, daß hier Dinge getrennt werden, die ihrer Natur nach zusammengehören? Es zeigt sich also, daß weder der Standpunkt derjenigen, welche die singulären Urteile unter die universellen subsumieren wollen, noch derjenigen, welche sie teils den universellen, teils den partikulären zuzählen, als haltbar zu betrachten ist. Der Wahrheit näher kommt gewiß John Stuar Mill, wenn er diejenigen Urteile als singulär bezeichnet, deren Subjekte ein singulärer Name ist. (65) Genügen ist diese Bestimmung jedoch auch nicht; denn nicht der Name ist das Subjekt, sondern das durch den Namen Bezeichnete. Es bleibt also immer noch die Frage nach der Beschaffenheit der Materie zurück, um derentwillen der Name (also etwas dem Urteil ganz Äußerliches) singulär genannt wird. Aus der Kreuzung beider Einteilungen ergibt sich eine Scheidung der Urteile nach vier Klassen:
2. Negative Urteile mit individueller Materie; 3. Affirmative Urteile mit nicht-individueller Materie; 4. Negative Urteile mit nicht-individueller Materie. § 33. Es bleibt nun noch ein paar Worte über den sprachlichen Ausdruck der vier Urteilsklassen zu sagen, soweit derselbe geeignet ist, die wahre Natur der betreffenden Urteile zu verbergen, ja geradezu falsche Meinungen über Qualität und Materie derselben zu erwecken. In Bezug auf die singulären Urteile (d. h. der Urteile mit individueller Materie) ist bereits erwähnt worden, daß durchaus nicht immer das Subjekt der Träger des Individualitätsmomentes sein muß; es wird daher auch keineswegs notwendig sein, daß im sprachlichen Ausdruck des singulären Urteils ein nomen proprium oder auh nur ein Einzelname die Subjektstelle einnimmt, und ebensowenig braucht dies beim Prädikat der Fall zu sein. Besonders geeignet, den singulären Charakter zu verbergen, ist die Verbindung des Subjekts mit dem unbestimmten Artikel, weil gerade dieser die meiste Anwendung beim nicht-singulären Urteil findet. Die Individualisierung der Materie kann, wie früher bemerkt, durch andere Satzteile als durch das grammatische Subjekt für sich geschehen, so z. B. durch das Prädikat. Sehr häufig sind es überdies adverbiale Bestimmungen des Ortes und der Zeit, die die Materie individualisieren. Wenn ein Physiker, auf eine bestimmte Stelle des Spektrums deutend, seinen Zuhörern sagt: "Hier liegt eine Frauenhofersche Linie", so hat er damit ein singuläres Urteil ausgesprochen - trotz des unbestimmten Artikels. Ähnliches leisten Zeitbestimmungen, sei es daß sie durch eigene adverbiale Ausdrücke, sei es daß sie sich durch die bloße Temporalform des Verbums kenntlich machen. Im Besonderen sei hier erwähnt, daß der Präsensform des Verbums (bzw. der Kopula) eine zeitliche Bestimmung nicht notwendig anhaftet. Die Zeichen "ist", "sind" und dgl. sind in überwiegender Häufigkeit bloße Zeichen der Urteils funktion, so daß, wenn die Materie nicht anderwärts zeitlich bestimmt ist, die Präsensform der Kopula oder des Verbs eine solche Bestimmtheit im Allgemeinen nicht enthalten. Besonders deutlich wird dies bei negativen Urteilen; "kein Dreieck hat eine größere Winkelsumme als 2 R" schränkt die Gültigkeit des bekannten Lehrsatzes nicht auf gegenwärtige Dreiecke ein. In welchen Fällen die Präsensform ein zeitliches Moment enthält, darüber müssen die Umstände, unter denen der Satz ausgesprochen wird, entscheiden, so namentlich der Zusammenhang der Rede. Anders steht es, wenn Kopula oder Verbum in einer anderen Temporalform als im Präsens auftreten; sie vereinigen dann immer den Ausdruck für die Urteilsfunktion mit einer der Materie zugehörigen Zeitbestimmung und diese letztere kann unter Umständen eine sonst unbestimmte Materie zu einer bestimmten und damit das Urteil zu einem singulären machen. Auch der Ausdruck der Urteile 3. und 4. hat zu vielfachen Irrtümern Anlaß gegeben. In Bezug auf die Qualität ist zu bemerken, daß das der Kopula oder dem Verbum unmittelbar folgende Wörtchen Nicht keineswegs immer ein Zeichen der negativen Qualität ist, sondern häufig eine in der Materie liegende Negation bedeutet. Wie wir bereits bemerkten, hat BRENTANO (66) gezeigt, daß dies bei denjenigen Urteilen der Fall ist, die die alte Logik fälschlich als partikulär verneinende bezeichnet. Auch auf die in Wahrheit negative Qualität der Urteile a (der "allgemein bejahenden" nach der Bezeichnung der Schullogik) wurde bereits hingewiesen. Die traditionelle Logik hat, wie wir wissen, auch Unterschiede der Quantität statuiert, indem sie die unter 3. fallenden Urteile (i und o) als partikulär, die unter 4. fallenden (a und e) als universell bezeichnet. Über die Berechtigung einer psychologischen Scheidung nach dem Gesichtspunkt der Quantität haben wir uns bereits ausgesprochen. Hier bleibt nur noch einiges über den sprachlichen Ausdruck der sogenannten partikulären Urteile (d. h. der affirmativen Urteile mit nicht-individualisierter Materie) anzufügen. Die Formel "Einige S sind P", bzw. "Einige S sind nicht P", welche in den logischen Kompendien fast durchgehend als Ausdruck für die partikulären Urteile figuriert, ist durchaus unzutreffen; sie verdankt ihre Entstehung einer irrigen Ansicht über den psychologischen Charakter der in Rede stehenden Urteile und hat ihrerseits wieder dazu beigetragen, ihn auch den Blicken gewandter Analytiker zu entziehen. Zuvörderst schließt "Einige" nach dem allgemeinen Sprachgebrauch das "Alle" aus; nicht einige Metalle, sagt man diesem zufolge, gehören ins Mineralreich, sondern alle. Dann aber bezeichnet "Einige" eine (wenn auch unbestimmte) Vielheit und schließt daher die Einheit aus. Nicht einige Metalle, sagt man, sind bei gewöhnlicher Temperatur flüssig, sondern nur eines (das Quecksilber). Keine der beiden Einschränkungen trifft für die partikulären Urteile der alten Logik, d. h. also für die affirmativen Urteile mit nicht-individueller Materie, zu. Die traditionelle Logik hat dies richtig erkannt, indem sie in der Lehre von den Urteilsverhältnissen das Urteil i nicht in Gegensatz zu a bringt, noch auch o in Gegensatz zu e; andererseits aber auch ausdrücklich lehrt, daß unter einigen S" vielleicht auch nur ein S verstanden werden könne, wie sich das aus der wahren Charakteristik dieser Urteile von selbst ergibt. Nun wäre ansich gegen eine derartige Verschiebung des Sprachgebrauchs nicht viel einzuwenden, wenn man sich derselben nur durchgängig bewußt geblieben wäre und den neuen Gebrauch des Wortes "Einige" konsequent festgehalten hätte. Durch die Macht der Gewohnheit getrieben, verfiel man aber unwillkürlich in den alten Sprachgebrauch zurück und stellte über die partikulären Urteile Behauptungen auf, die nur unter der Voraussetzung jenes alten und allgemein üblichen Gebrauchs Geltung haben konnten. Ein flüchtiger Blick auf die Lehre von der Konversion der Urteile wird uns davon überzeugen. Es war eine unbestrittene Lehre der traditionellen Logik, daß die sogenannten partikulär bejahenden Urteile (i) simpliziter convertibel sind. Erst TRENDELENBURG hatte zu zweifeln begonnen, ob denn diese Konversion durchgehend zulässig ist. (67) Seiner Meinung nach ist es sinnlos, das Urteil "Einige Parallelogramme sind Quadrate" zu konvertieren in "Einige Quadrate sind Parallelogramme", da doch alle Quadrate Parallelogramme sind. (68) Er schränkt daher die conversio simplex der Urteile i auf jene Fälle ein, in welchen das Prädikat des zu konvertierenden Urteils ein bloßes Akzidenz und keine substantielle Art des Subjekts ausspricht. - Auch F. A. LANGE nimmt an derartigen Konversionen Anstoß. (69) In der Tat kann man in der einfachen Konversion solcher partikulär bejahenden Urteile Schwierigkeiten finden, die ihrerseits selbst wieder durch conversio per accidens aus allgemein bejahenden Urteilen entstanden sind. Das Urteil "Alle Dreiecke sind Polygone" läßt sich nach den Regeln der alten Logik per accidens konvertieren in "Einige Polygone sind Dreiecke"; dieses letztere Urteil aber konvertiert die alte Logik wieder simpliziter in "Einige Dreiecke sind Polygone" und gelangt so, wenn LANGE Recht hat, zu einem "offenbar unrichtigen Satz". Hätten TRENDELENBURG und LANGE sich klar gehalten, daß die Formel "Einige S sind P" nur dann ein adäquater Ausdruck für ihr partikulär bejahendes Urteil ist, wenn man - den alten Sprachgebrauch aufgebend - in dem Wort "Einige" keinen Gegensatz zu "Alle" sieht, so würden sie an den obigen, in Wahrheit ganz richtigen Konversionen schwerlich Anstoß genommen haben. Aber nicht nur das. Wir glauben vielmehr, daß die Anwendung des Wortes "Einige" (70), auch wenn man sich in der angedeuteten Weise vom allgemeinen Sprachgebrauch entfernt, den wahren Sinn derjenigen Urteile nicht wiedergibt, welche die alte Logik (freilich auch nicht sehr glücklich) als partikulär bezeichnet. Denn wie man auch die Bedeutung jenes Wortes modifizieren mag, den Begriff einer unbestimmten Quantität wird man ihm auf alle Fälle lassen müssen. Hierin aber liegt schon ein Moment, welches den Urteilen unserer dritten Klasse (d. h. den affirmativen mit nicht-individueller Materie) nicht eigen ist. Was diese Urteile charakterisiert, ist, wie schon früher bemerkt, außer der affirmativen Qualität die Unbestimmtheit der Materie, nicht aber die unbestimmte Vielheit. Insobesondere dann, wenn die Materie nicht individualisiert ist, die Anerkennung nichts darüber sagt, ob der Inhalt in einer Weise oder in mehreren individualisiert vorkommt, ist die Vielheit allerdings möglich, aber nicht notwendig. Aber auch diese bloße Möglichkeit einer Vielheit kann höchstens als eine Art sekundäres Merkmal der fraglichen Urteilsklasse angesehen werden, insofern sie aus der nicht-individualisierten Materie und der affirmativen Qualität, als aus den primären Merkmalen solcher Urteile, hervorgeht. In der kategorischen, wie in der existentialen Ausdrucksweise solcher Urteile ist die Anwendung des Wortes "Irgendein (quelque, some) entschieden vorzuziehen; denn dieses Wort bezeichnet gerade die unvollkommene Bestimmtheit der Materie, als eben das, was die hier betrachteten Urteile auszeichnet. Es schließt die Vielheit ebensowenig aus, als es sie involviert.
Diese, freilich nicht annähernd erschöpfenden Bemerkungen mögen zur Klarstellung der wichtigsten Fälle dienen, in welchen der wahre Sinn eines Urteils durch den sprachlichen Ausdruck verdeckt wird.
1) Vgl. JOHN STUART MILL, System der deduktiven und induktiven Logik, Buch I, Kap. V, § 1. 2) LOTZE. Logik, Seite 83. Was LOTZE hier vom partikulären Urteil behauptet, muß offenbar auch vom universellen gelten, "weil das allgemeine Urteil . . . aus der Summierung der besonderen und partikulären soll entstehen können, mithin diesen völlig gleichartig sein muß". 3) WUNDT, Logik I, Stuttgart 1880, Seite 137. 4) ÜBERWEG, System der Logik, 5. Auflage, Seite 189 5) SIGWART, Logik I, 2. Auflage, Seite 98 6) Dies würde ja nichts anderes ergeben, als die Vorstellung "objektiv gültiges S P", die ich offenbar auch bilden kann, wenn ichh überzeugt bin, daß S P nicht existiert. 7) Daß sich dies in Wahrheit so verhält, hat MARTY in einem seiner Artikel "Über subjektlose Sätze und das Verhältnis der Grammatik zur Logik und Psychologie" in überzeugender Weise dargetan. Vgl. "Vierteljahrsschrift für wissenschaftliche Philosophie, 1884, Seite 171 und ähnlich BRENTANO, Vom Ursprung sittlicher Erkenntnis, Seite 61f 8) Über die Analysen, die SIGWART vom Begriff der Existenz gibt, vgl. BRENTANOs treffende Kritik in der Schrift "Vom Ursprung sittlicher Erkenntnis", Seite 61f. 9) SIGWART, Logik I, 2. Auflage, Seite 98 und "Die Impersonalien, Seite 59f 10) SIGWART, Logik I, Seite 101 11) Vgl. SIGWART, "Die Impersonalien", Seite 60 12) SIGWART, Impersonalien, Seite 60 13) Nur in diesem Sinn hat SIGWART Recht, wenn er sagt: "Ich kann ja nicht fragen, ob Kohle schwarz oder Schnee weiß, ob dieser Tisch eckig, oder jene Kugel rund ist." (Impersonalien, Seite 60) 14) Vgl. weiter unten die §§ 61 und 62 15) MILL, Logik, Buch I, Kap. V, § 1 16) BAIN, Logik, Teil 1, Seite 80 17) HERBART, Lehrbuch zur Einleitung in die Philosophie, § 52. 18) BRENTANO, Psychologie I, Seite 279; ebenso MARTY, a. a. O. 19) BRENTANO, Psychologie, Seite 276f 20) Auch dieses Argumentes hat sich bereits BRENTANO bedient (vgl. seine Psychologie, Bd. 1, Seite 277). 21) ANTON MARTY, Über subjektlose Sätze etc.", zweiter Artikel, Vierteljahrsschrift für wissenschaftliche Philosophie, 1884, Seite 171 bis 172 22) Sofern der selbe ein wahrhaft einfaches Urteil ausdrückt und nicht ein zusammengesetztes oder Doppelurteil, wovon später die Rede sein wird. 23) Vgl. hierzu das 7. Kapitel von BRENTANOs Psychologie und MARTYs Artikel "Über subjektlose Sätze etc." a. a. O. 24) WINDELBAND, "Beiträge zur Lehre vom negativen Urteil" in den "Straßburger Abhandlungen zur Philosophie", Seite 165 - 195 25) SIGWART, Logik I, Seite 157 26) Die Ausdrücke "Billigen" und "Mißbilligen" sind ebenso wie die Ausdrücke Anerkennen und Verwerfen von der Gefahr der Homonymie [Mehrdeutigkeit - wp] nicht ganz frei. "Eine Ansicht verwerfen" heißt sie als unrichtig beurteilen; "eine Handlung verwerfen" hingegen sie als schlecht verabscheuen. Die Gleichheit der Namen mochte wohl mitgewirkt haben, um WINDELBAND und BERGMANN zur Verkennung des spezifischen Unterschieds zwischen Urteil und Gemütstätigkeit zu verleiten. 27) SIGWART, Logik I, Seite 159. Vgl. dazu auch BRENTANO, Vom Ursprung sittlicher Erkenntnis", Seite 56. 28) SIGWART, Logische Fragen, Vierteljahrsschrift für wissenschaftliche Philosophie 1881, Seite 101f 29) WINDELBAND, Beiträge negatives Urteil, a. a. O., Seite 19f des Separatabdruckes. 30) MARTY im 2. Artikel "Über subjektlose Sätze etc." a. a. O., Seite 172f 31) SIGWART, Die Impersonalien, Seite 59 - 60 32) SIGWART erkennt dies richtig; nur ist das Beispiel, das er für seine Behauptung anführt, nicht glücklich gewählt. Der Satz "ein schlechterdings unteilbares Atom kann keine Ausdehnung haben" gilt, wie er richtig bemerkt, "ob ich an die Wirklichkeit solcher Atome glaube oder nicht". Nur drückt der obige - in Wahrheit negative - Satz auch nicht einmal eine Existenz aus. Seine Bedeutung ist durch die Leugnung unteilbarer, ausgedehnter Atome völlig erschöpft. Sätze, wie "der Mangel ist", "die Unmöglichkeit ist" und dgl. dienen viel besser dazu, den Unterschied zwischen Sein und Realität zu demonstrieren; denn diese Sätze behaupten eine Existenz ohne eine Realität zu behaupten, während in SIGWARTs Beispiel weder das eine, noch das andere behauptet wird. 33) SIGWART, Impersonalien, Seite 54 34) SIGWART, Impersonalien, Seite 59 35) Desselben Mißverständnisses macht sich auch STEINTHAL (Zeitschrift für Völkerpsychologie, Bd. 18, Seite 175) schuldig. Die Bemerkungen beider passen viel eher auf WINDELBANDs und BERGMANNs ("Reine Logik", Seite 46f) Ansichten. Vgl. dazu BRENTANO, Ursprung der sittlichen Erkenntnis, Seite 56 36) SIGWART, Logik I, Seite 89 - 90, Anmerkung 37) SIGWART, Impersonalien, Seite 62 38) SIGWART, Impersonalien, Seite 63 39) SIGWART, Impersonalien, Seite 62 40) Was allerdings SIGWART meint, wenn er sagt, auch die Anerkennung habe hier keinen Sinn, ist mir nicht erfindlich. Sollte es sinnlos sein, die Behauptung aufzustellen, "ich stelle mir jetzt ein Schloss vor", womit doch offenbar das vorgestellte Schloss als vorgestelltes anerkannt wird? - - - In Bezug auf die Absicht, daß wahrgenommen werden und Wirkungen ausüben können im Begriff der Existenz gelegen ist, vgl. BRENTANO, Vom Ursprung der sittlichen Erkenntnis", Seite 63f und MARTYs "Entgegnung" wider SIGWARTs Angriffe in der Vierteljahrsschrift für wissenschaftliche Philosophie, Seite 241 - 251. 41) SIGWART, Logik I, §§ 27 und 28 42) Die Worte ÜBERWEGs in seinem "System der Logik", Seite 215. In ähnlicher Weise BERGMANN, "Reine Logik", Seite 189f; JOHN STUART MILL, System der deduktiven und induktiven Logik, Buch I, Kap. VI, § 4; ALEXANDER BAIN, "Logik", Teil 1, Seite 82. Von älteren Philosophen KANT und vor ihm schon die kartesianische Logik (vgl. Logique de Port-Royal, P. H. Ch. 3) und viele andere. 43) Vgl. JEVONS "Substitution of Similars", London 1869, Seite 33 und öfters. 44) SIGWART, Logik I, Seite 210f und BRENTANO, Psychologie I, Seite 283 45) Dies gilt unter anderem auch von demjenigen Urteil, welches man als Prinzip der Identität bezeichnet hat. "Jedes A ist A" heißt "es gibt kein A, das nicht A ist". Der sogenannte Satz der Identität ist demnach mit dem Satz des Widerspruchs einfach identisch. Die traditionelle Logik ist im Irrtum, wenn sie beide Sätze als verschiedene Prinzipien nebeneinander stellt. 46) TRENDELENBURG, Logische Untersuchungen II, 3. Auflage, Seite 272 47) F. A. LANGE, Logische Studien, Seite 18 48) TRENDELENBURG und LANGE haben diese notwendige Konsequenz ihrer eigenen oben angeführten Lehren nicht gezogen. De MORGAN gebührt das Verdienst, die negative Qualität dieser Urteile erkannt zu haben. Die Urteile "alle X sind y" und "kein X ist Y" (wo y das kontradiktorische Gegenteil von Y bedeutet) erklärt er für identisch. Vgl. ALEXANDER BAIN, Logic I, Seite 90. 49) Vgl. unten § 67. 50) Oder vielmehr pseudo-induktivem; insofern sie nicht auf dem Weg der eigentlichen - logisch gerechtfertigten - Induktion gewonnen wurden, sondern lediglich gewohnheitsmäßige Generalisationen waren, die man nicht eigentlich als induktive Schlüsse bezeichnen kann. 51) SIGWART, Logik I, Seite 209 52) SIGWART, Logik I, Seite 211 53) SIGWART, Logik I, Seite 213 54) Um Mißverständnissen vorzubeugen, erwähne ich, daß Unterschiede in der apodiktischen oder assertorischen Urteilsfällung (Unterschied, die die Urteils funktion angehen) allerdings statuiert werden müssen; daß sie aber mit den oben namhaft gemachten nichts zu tun haben. Denn das Urteil "alle S sind P" kann auch im Sinne eines wahrhaft einfachen (also negativen) Urteils bald in apodiktischer, bald in assertorischer Weise gefällt werden. 55) BRENTANO, Psychologie I, Seite 283 56) DARII, Lectures, Bd. III, Seite 438. Freilich wird der Wert obiger Bemerkung zweifelhaft, wenn wir HAMILTON an anderer Stelle (a. a. O. Seite 253) ganz wie HOBBES behaupten hören, jeder negative Satz lasse sich affirmativ darstellen. Vgl. die treffende Widerlegung JOHN STUART MILLs in dessen Logik, Buch I, Kap. IV, § 2. 57) Vgl. den Bericht bei ALEXANDER BAIN, Logik I, Seite 91 58) Vgl. z. B. JEVONS, Substitution of Similars, Seite 39 59) LOTZE, Logik, 2. Auflage, Seite 166 60) Wie schon früher bemerkt, ist die Scheidung der Urteile in universelle und partikuläre - im Sinne der alten Logik - nur auf zweigliedrige, nicht aber auf alle Urteile anwendbar. Trotzdem ist ein gewisser Zusammenhang zwischem dem "Partikulär" im alten und dem im neuen Sinne nicht in Abrede zu stellen. Das Urteil "M ist" haben wir (in dem von der Tradition abweichenden Sinne) partikulär genannt, weil es die Materie M nicht nach ihrem ganzen Umfang bejaht, d. h. weil es wahr ist, auch wenn nur ein M existiert. Wird nun die Materie zweigliedrig, so müssen wir wieder sagen: das Urteil "A B ist" ist partikulär, weil es wahr ist, auch wenn nur ein A B existiert. Übersetzen wir dies sozusagen in die Sprache der Umfangsverhältnisse, so können wir sagen: das Urteil "A B ist" ist partikulär, weil es wahr ist, wen nur die Umfänge von A und B nicht ganz auseinanderfallen. In diesem letzteren Sinn nennt aber die alte Logik ein solches Urteil partikulär. Das Merkmal "Partikulär" im alten Sinn fließt also aus dem im neuen, wenn die Bedingung der Zweigliedrigkeit eingeführt wird. 61) DROBISCH, Neue Darstellung der Logik, 3. Auflage, Seite 49 62) KANT, Logik I, Allgemeine Elementarlehre, § 24, (Ausgabe HARTENSTEIN), Seite 432 63) Vgl. HERBART, Lehrbuch zur Einleitung in die Philosophie, § 62 und ÜBERWEG, System der Logik, Seite 215 64) WILLIAM HAMILTON, Lectures on Metaphysics and Logic, Vol. III, Seite 247 65) MILL, System der deduktiven und induktiven Logik, Buch I, Kap. IV, § 4 66) BRENTANO, Psychologie etc., Bd. 1, Seite 283f 67) TRENDELENBURG, Logische Untersuchungen II, Seite 333f 68) In einem ähnlichen Sinn spricht sich auch LOTZE aus. Vgl. seine Logik, Seite 105. 69) F. A. LANGE, Logische Studien, Seite 59 70) Ebenso wie die des Wortes "Etliche" welches WOLFF für die partikulären Urteile gebraucht. |