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FRANZ ADICKES
Zur Lehre von den
Rechtsquellen


"Die Lehre von den Rechtsquellen ist von jeher eine der bestrittensten und schwierigsten auf dem ganzen Rechtsgebiet gewesen."

"Die über die Rechtsquellen als geltend aufzustellenden Sätze sind anerkanntermaßen selbst ein Teil des Rechts, speziell des öffentlichen Rechts. Der Schriftsteller, der diese Lehre bearbeiten will, ist in der schwierigen, selten genügend gewürdigten Lage, daß die sich ihm zunächst aufdrängende Vorfrage: Woher und mit welchen Mitteln er die über die Rechtsquellen aufzustellenden Sätze zu gewinnen hat, identisch ist mit seiner eigentlichen Hauptfrage: Woher und mit welchen Mitteln überhaupt der Inhalt der Rechtsordnung zu gewinnen und festzustellen ist?"

"Aus dem Gedanken, daß es konkret gestaltete Lebensverhältnisse und objektiv hervortretende Bedürfnisse sind, für welche das Recht Ordnung und Befriedigung schaffen soll, ergibt sich zugleich auch die Methode, in Gemäßheit welcher die subjektive Vernunft beim Finden des Rechts vorzugehen hat."


Einleitung

Fast ein Menschenalter ist bereits vergangen, seit SAVIGNY in seinem System des heutigen römischen Rechts (Bd. 1, 1840, Seite XV) die Ausscheidung der abgestorbenen und nur scheinbar nach fortlebenden Teile des römischen Rechts als die nächste Aufgabe der wahrhaft historischen Rechtswissenschaft bezeichnet und selbst ihre alsbaldige Lösung begonnen hat.

Allein ein sehr kurzes Studium der Praxis und noch mehr der gängigen Lehrbücher genügt, um die Überzeugung zu gewähren, daß jene Arbeit seit dem nur in wenigen Teilen des Privatrechts erheblich gefördert worden ist. Auf dem Gebiet des Obligationenrechts freilich sind bedeutende Fortschritte gemacht (1), im Übrigen aber werden noch immer sehr zahlreiche Sätze des römischen Rechts als geltend gelehrt und auch angewandt, welche mit den heutigen Lebensverhältnissen in einem schneidenden Widerspruch stehen.

Auf dem Gebiet des Vormundschaftsrechts erinnere ich nur an die Lehre von der  Delation der Tutel  [Antrag auf Vormundschaft - wp] (2), aus dem Familienrecht an die  Peculienlehre  (3), und im Erbrecht schließlich an die mancherlei, der alten  hereditas  entstammenden und uns fast unerklärlich dünkenden, praktisch zugleich aber durch das Institut des Universalfideikommisses beseitigten allgemeinen Rechtssätze, als semel heres, semper heres, nemo pro parte testatus, pro parte intestatus decedere potest und so fort.

Und doch darf die Notwendigkeit jener Ausscheidung heute wohl als allgemein anerkannt angesehen werden.

Für die Verallgemeinerung dieser Erkenntnis haben zunächst Bedeutendes geleistet die Ausführungen BESELERs, welcher in seinem "Volksrecht und Juristenrecht" (1843) energisch darauf hinweis, daß die deutschen Juristen, als sie dem römischen Recht die Stellung eines geltenden gemeinen Rechts vindizierten, keineswegs als Träger und Organe der nationalen Rechtsüberzeugung handelten (vgl. namentlich auch WINDSCHEID, Pandektenrecht § 10).

Andererseits ist diese Einsicht auch von romanistischer Seite (4), dadurch bedeutend gefördert, daß die Gründe, auf denen die Bedeutung des römischen Rechts beruth, im Einzelnen analysiert worden sind.

Die praktische Geltung der einzelnen im  Corpus Juris  enthaltenen Sätze erschien danach als vorübergehende drückende Fessel, welche nur deshalb eine Zeitlang den Völkern aufgelegt werden mußte, um sie zum Eindringen in das innerste Wesen jenes römischen Rechts und zur Ausgrabung der darin niedergelegten unvergänglichen Schätze zu zwingen.

Wenn nun trotz jener verallgemeinerten Erkenntnis von der Notwendigkeit der Unterscheidung zwischen praktischen und unpraktischen Bestandteilen des römischen Rechts die Sonderung im Einzelnen dennoch nur geringe Fortschritte macht, so scheint die tiefer liegende Ursache allein im Stand der Lehre von den Rechtsquellen gesucht werden zu müssen. SAVIGNY gründete das Recht, die den heutigen Lebensverhältnissen und Anschauungen nicht mehr entsprechenden Bestandteile des römischen Rechts sofort für unpraktisch und unanwendbar zu erklären, auf seine Rechtsansicht vom Gewohnheitsrecht, welches ihm wie auch PUCHTA nichts anderes war, als die gemeinsame nationale Rechtsüberzeugung, mochte diese nun wirklich in dem ganzen Kreis der Volksgenossen oder nur in den Juristen, als den natürlichen Organen und Trägern jener gemeinsamen Rechtsüberzeugung leben. Nachdem aber fast alle Späteren diese Anschauungen namentlich in  der  Richtung modifiziert haben, daß neben der Rechtsüberzeugung die Übung als zweites, begrifflich notwendiges Requisit des Gewohnheitsrechts aufgestellt worden, erschien natürlich auch jene Berechtigung zur Ausscheidung der unpraktischen Rechtssätze an wesentlich andere Voraussetzungen geknüpft.  Nicht mehr die gemeinsame Rechtsüberzeugung allein  konnte diese Berechtigung gewähren, es mußte immer  zugleich auch eine entsprechende  Übung vorhanden und nachweisbar sein.  Dieser Nachweis aber kann eben in den meisten Fällen nicht beschafft werden,  (5) und eine unvermeidliche Konsequenz jener Ansicht vom Gewohnheitsrecht ist also die Sistierung [Aussetzung - wp] der Ausscheidungsarbeit.

Die erste Aufgabe eines jeden Versuchs über die Anwendbarkeit römischer Rechtssätze muß danach darin bestehen, Stellung zu nehmen zu den verschiedenen Ansichten über die Lehre von den Rechtsquellen und zu untersuchen, unter welchen Voraussetzungen und Bedingungen die Berechtigung gegeben ist, einzelne Bestandteile der römischen Rechtstheorie für nicht mehr anwendbar zu erklären.

Eine tiefer strebende Betrachtung der Lehre von den Rechtsquellen kann aber nicht dabei stehen bleiben, die der Theorie der historischen Schule gegebenen Modifikationen ins Auge zu fassen, sie muß vielmehr diese Lehre selbst und ihre Begründung der Prüfung unterwerfen. Und so erscheint eine selbständige Entwicklung der  "Lehre von den Rechtsquellen"  als die notwendige Vorarbeit für Untersuchungen  "über die Geltung des römischen Rechts als Quelle des heutigen gemeinen Zivilrechts."  In diesem Sinne ist auch der hier vorliegende Versuch aufzufassen, und es sind daher alle solche Erörterungen beiseite gelassen, welche für diesen präparatorischen Zweck nicht von Bedeutung zu sein schienen. Namentlich sind auch diejenigen Punkte nicht weiter berührt worden, welche wie die Lehre vom Beweis des Gewohnheitsrechts, bereits befriedigende Darstellungen gefunden haben.

Allein auch, abgesehen von der Bedeutung, welche eine neue Bearbeitung der Lehre von den Rechtsquellen nach dieser Richtung hin hat, scheint eine erneute Darstellung dieser Lehre auch an und für sich dringendes Bedürfnis zu sein. Die mannigfachen Modifikationen und Angriffe, welche die Theorie der historischen Schule erlitten hat, die verschiedenartigen Versuche, an ihr entdeckte Lücken auszufüllen und Mängel zu verbessern, das an vielen Stellen hervortretende Gefühl, daß die jetzt herrschenden Anschauungen ungenügend sind: all das muß den Wunsch nahe legen, einmal die Summe des bislang Erarbeiteten zu ziehen und die Punkte nachzuweisen, die noch einer weiteren Ausbildung bedürfen. Auch in diesem Sinne also wird man eine Neubearbeitung der Lehre von den Rechtsquellen nicht für überflüssig halten können.

Der Ausgangspunkt aber dieser Abhandlung, sowie der demnächst folgenden über die Geltung des römischen Rechts als Quelle des heutigen Zivilrechts ist das selbstempfundene Bedürfnis, Klarheit und Heilung für einen maßlos verworrenen Rechtszustand zu suchen, und dieses Gefühl schwer lastenden Notstandes allein konnte auch den Mut geben, mit Erörterungen über diese grundlegenden Fragen des Rechts und der Rechtswissenschaft hervorzutreten.

Die Hilfe der Gesetzgebung abzuwarten, ist der Rat eines Toren oder eines Verzweifelnden. Denn einmal vermögen wir nicht zu bestimmen,  wann  sie Hilfe bringen wird. Außerdem aber - und das ist der entscheidende Punkt - kann die Gesetzgebung, welche ja anerkanntermaßen regelmäßig nur das schon existente Recht fixiert, ihre Aufgabe nur dann mit Glück lösen, wenn die Wissenschaft jenes große Werk der Ausscheidung rüstig gefördert hat. Und so ist die Frage nach dem Umfang der Geltung des römischen Rechts dem gordischen Knoten nicht unähnlich: das Alexanderschwert des  Gesetzgebers  wird ihn  zerhauen,  wenn die  Wissenschaft  der  Lösung  ohnmächtig gegenübersteht.


§ 1.
I. Die Grundbegriffe

Die Lehre von den Rechtsquellen ist von jeher eine der bestrittensten und schwierigsten auf dem ganzen Rechtsgebiet gewesen. Zu keiner Zeit aber war sie zugleich so schwierig, so bestritten und so wichtig, als sie es heute in den Ländern des gemeinen Rechts ist.

Solange man im römischen und kanonischen Gesetzbuch die letzten, allgemeingültigen Grundlagen aller Rechtsnormen, also auch der über die Rechtsquellen geltenden gegeben wähnte, hatte die hier in Rede stehende Lehre kaum eine besondere Bedeutung vor vielen anderen. Man interpretierte die einschlägigen Stellen hier genau in derselben Weise, wie bei anderen Lehren, und der allerdings von Zeit zu Zeit auftauchende Versuch, die Lehre selbständig zu entwickeln und auf die letzten Gründe der Bildung und Entstehung des Rechts zurückgehen, war nicht sowohl vom praktischen Bedürfnis als von theoretischen Spekulationen veranlaßt.

Ganz anders aber ist die Sachlage jetzt. Nachdem die Geltung der fremden Rechte für uns sowohl überhaupt, wie auch speziell in dieser Lehre lebhaft bestritten ist, und gerade in letzterer Beziehung von ganz hervorragenden Autoritäten verneint wird (6), ist eine  tiefer gehende Grundlegung der Lehre von den Rechtsquellen  wesentlichstes und erstes Erfordernis für die Begründung unserer ganzen Rechtstheorie geworden, und  nur von dieser Basis aus ist eine Prüfung auch der Frage nach der Geltung der fremden Rechte überhaupt möglich. 

Einer solchen in die Tiefen dringenden Untersuchung stellen sich indessen gleich beim ersten Schritt erhebliche Hindernisse in den Weg und zeigen ihr so die Umwegsamkeit des Bodens, den sie zu durchmessen hat.

Die über die Rechtsquellen als geltend aufzustellenden Sätze sind anerkanntermaßen selbst ein Teil des Rechts, speziell des öffentlichen Rechts. (7) Der Schriftsteller also, der diese Lehre bearbeiten will, ist in der schwierigen, selten genügend gewürdigten Lage, daß die sich ihm zunächst aufdrängende Vorfrage: "Woher und mit welchen Mitteln er  die über die Rechtsquellen aufzustellenden Sätze  zu gewinnen hat", identisch ist mit seiner eigentlichen Hauptfrage: "Woher und mit welchen Mitteln  überhaupt der Inhalt der Rechtsordnung  zu gewinnen und festzustellen ist?"

Das Thema bedingt also von vornherein ein Zurückgehen auf den letzten Grund der Entstehung und Geltung allen Rechts, d. h. also eine Aufsuchung und Feststellung derjenigen Momente und Voraussetzungen, welche die Annahme der Existenz eines Rechtssatzes überhaupt notwendig, bzw. gerechtfertigt erscheinen lassen, und zwar nicht etwa nur im Interesse der Einreihung der Rechtstheorie in ein philosophisches System, sondern wesentlich und unmittelbar im Interesse der Anwendung und Pflege des geltenden Rechts. Denn sein ganzer Inhalt ist ja abhängig von den hier aufzusuchenden grundlegenden Sätzen.

Derartigen Untersuchungen sind aber bislang sehr wenig die Wege gebahnt, und selbst die Darstellung von SAVIGNYs, - bei weitem das Bedeutendste, das über diesen Gegenstand geschrieben wurde - ist in den hier fraglichen Beziehungen zu wenig eingehend und deshalb ungenügend (8)

Die Beweise für diese Behauptung liegen im Folgendem.

Der historischen Schule war bekanntlich die letzte Quelle allen geltenden Rechts der  Volksgeist.  Allein er war eine Rechtsquelle von ganz besonderer Art. Denn unmittelbar anwendbares Recht sollte in keiner Weise aus ihm gewonnen werden, vielmehr nur aus den auf ihm beruhenden und von ihm befruchteten Rechtsquellen: der gemeinsamen Rechtsüberzeugung (Gewohnheitsrecht), dem Gesetz und der Wissenschaft.

Die Gründung des Rechts auf den Volksgeist besagte sonach in Wahrheit nichts weiter, als daß das Recht in letzter Instanz auf den Lebensverhältnissen, Bedürfnissen und Charakteranlagen der Völker beruth und sich mit ihnen entwickelt - denn der Volksgeist ist ja nichts anderes, als die Personifikation all jener für die fortschreitende Entwicklung des Volkes entscheidenden und charakteristischen Elemente.

So bedeutungsvoll und epochemachend aber auch die Hervorhebung dieses engen Zusammenhangs zwischen dem Volk und seinem Recht der naturrechtlichen Schule gegenüber war (9), so ist doch der Aufbau einer Theorie der Rechtsquellen bloß von dieser Basis aus vollkommen unmöglich. Die historische Schule hat dies auch selbst dadurch anerkannt, daß sie die Möglichkeit, aus  dieser letzten Quelle allen Rechts  unmittelbar anwendbare Rechtssätze herzuleiten, gar nicht einmal behauptet hat.

Ebensowenig aber erscheinen die von der historischen Schule und auch heute noch von der herrschenden Ansicht aufgestellten  wirklichen Rechtsquellen  geeignet, um aus ihnen heraus die hier gesuchte Lehre zu gestalten.

Was zunächst die etwa vorhandenen  gesetzlichen Bestimmungen  anbelangt, so müssen dieselben schon deshalb außer Acht gelassen werden, weil ihre Geltungskraft selbst vielfach bestritten ist (10) und daher gleichfalls erst der Festsetzung bedarf. Der Gegenstand der hier unternommenen Untersuchung ist deshalb, wenngleich vorzugsweise für die Länder des gemeinen Rechts von Wichtigkeit, auch für  die  Gebiete nicht ohne Interesse, für welche das Gesetz Bestimmungen über die Rechtsquellen getroffen hat.

Als zweite Rechtsquelle führt man allgemein die  gemeinsame Rechtsüberzeugung,  bzw. das  Gewohnheitsrecht  auf. Allein auch sie läßt uns hier völlig im Stich. Denn eine gemeinsame Rechtsüberzeugung existiert eben nur über eine kleine Anzahl praktisch allerdings sehr bedeutsamer Sätze, wie: Geltung der Gesetze und des Herkommens, Verbindlichkeit gerichtlicher Entscheidungen usw. und wir bleiben ratlos bei allen Fragen, um deren willen eben Untersuchungen, wie die vorliegende, unternommen werden, d. h. bei allen Fragen, hinsichtlich welcher verschiedene Ansichten existieren.

Andere Rechtsquellen als die genannten beiden werden von der herrschenden Lehre nicht anerkannt (11). PUCHTA freilich führt noch die  Wissenschaft  als dritte Rechtsquelle auf; allein auch sie vermag uns die Wege zur Aufsuchung einer Theorie der Rechtsquellen nicht zu weisen, da sie seiner Ansicht nach nur befähigt ist, aus gegebenem Recht heraus neue Rechtssätze zu gewinnen, hier also, wo die Grundlagen aller Rechtsbildung eruiert werden sollen, nichts zu leisten vermag.

Bei dieser Lage der Theorie von den Rechtsquellen waren mithin alle diejenigen Schriftsteller, welche den Glauben an die formelle Autorität des  Corpus Juris  in diesen Fragen aufgegeben hatten, in einem argen Dilemma. Allein sie wußten sich, indem sie anscheinend die Schwierigkeiten gar nicht in ihrem vollen Umfang erkannten, über die Mängel ihrer eigenen Theorie einfach hinwegzusetzen; philosophische und historische Deduktionen mußten die Lücken ihrer Lehre verdecken und ihnen den Weg zeigen zu den Quellen des geltenden Rechts, wie denn z. B. SINTENIS a. a. O. (Anm. 16) ohne eine weitere Begründung einfach die Tatsache hinstellt, daß seine Erörterung über die Rechtsquellen geleitet gewesen ist von einer allgemeinen philosophischen Anschauung und von allgemeinen, aus der Natur des Rechts und seiner Erscheinung fließenden Grundsätzen. Und so ist auch von SAVIGNYs ausgezeichnete Darstellung, ohne eigentlich eingehende Begründung des Rechts zu einem solchen Konstruieren, auf derartige allgemeine Deduktionen aufgebaut.

Dem sorgsamen Beobachter drängt sich indessen unabweislich die Frage auf, wie die aus solchen philosophischen Erörterungen abgeleiteten Sätze unmittelbar geltendes Recht sein können. Es scheint da nur zwei Möglichkeiten zu geben. Entweder sind jene aufgestellten Sätze überhaupt gar kein Recht, oder aber man muß die Grundlage dieser Rechtssätze, jene allgemeinen Deduktionen, als wahre Rechtsquellen ansehen. Denn  objektives Recht,  zu welchem ja die Lehre von den Rechtsquellen auch gehört, kann zweifellos nur aus wahren  Rechts quellen entspringen.

Damit würde freilich offenbar die Rechtsüberzeugung des Einzelnen,  die subjektive Vernunft unmittelbar  als  Rechtsquelle  gesetzt sein, denn eine Befugnis, das  was man  infolge gewisser Annahmen und Gedankenreihen  für Recht hält,  auch sofort  für unmittelbar anwendbares Recht zu erklären, und  gegebenfalls, z. B. als Richter  anzuwenden,  ist nur dann denkbar, wenn eben der Einzelne berechtigt ist, aus seiner Rechtsüberzeugung heraus das Recht selbsttätig, frei zu erfinden. Und die letzte Basis des Rechts würde mithin trotz der Opposition gegen die naturrechtliche Lehre, und wenn die Theorie auch das Gegenteil behauptet, in Wahrheit lediglich die subjektive Vernunft sein. Denn sie allein bestimmt in letzter Instanz,  welche  Schranken (Gesetz, Gewohnheitsrecht usw.) und  inwieweit  sie dieselben anerkennen will. Diese Vernunft würde freilich bedingt und abhängig erscheinen von der Entwicklung der Völker und der Gestaltung der menschlichen Dinge, und daher wenig Ähnlichkeit aufzuweisen haben mit jener absoluten, fessellosen Vernunft, deren Kultus die alten Naturrechtslehrer in überschwenglicher Weise getrieben haben: Allein immerhin würde es die  subjektive Vernunft  sein,  auf welcher zuletzt alles Recht beruth. 

Wir brauchen indessen vor diesem Satz nicht zurückzuschrecken. Denn der namentlich von SAVIGNY - wenn auch ohne weitere Rechtfertigung - eingeschlagene Weg ist in der Tat der einzige, den es gibt, um zu den Anfängen des Rechts hinabzusteigen, und wo die gemeinsame Rechtsüberzeugung fehlt, kann nur die eigene Vernunft dem Einzelnen eine Führerin sein.

Diese unsere Auffassung ist nun im folgenden näher darzulegen und zu begründen.

Zunächst bedarf es der Auseinandersetzung mit der sehr verbreiteten Ansicht von der Positivität allen Rechts, welche freilich eigentlich der PUCHTAschen Lehre von der gemeinsamen Rechtsüberzeugung des Volkes gegenüber erhoben ist, welche aber, wenn sie richtig wäre, auch unsere Ansicht treffen würde. Es wird nämlich die Unmöglichkeit, die Rechtsüberzeugung als unmittelbare Rechtsquelle anzuerkennen, von zahlreichen Schriftstellern mit der Behauptung zu begründen versucht, daß  das Recht  seinem innersten Wesen nach  positiv  (12) ist und daß das Individuum gerade wesentlich berechtigt sei, keiner Norm rechtlich unterworfen zu sein, die noch nicht als aktueller, verwirklichter Wille der Gemeinschaft (Gesetz oder Gewohnheit) besteht, und daß also die Rechtsüberzeugung ansich als etwas rein Innerliches noch gar nicht in Betracht kommen kann.

Allein diese Theorie ist zunächst durchaus unhistorisch. Es ist bekannt (13), wie im deutschen Mittelalter bis zum Eindringen der fremden Rechte die Schöpffen in Bezug auf Punkte, wo Gewohnheiten oder getroffene Satzungen schwiegen, - was gar häufig der Fall war - nach dem urteilten, was  ihnen  den bestehenden Verhältnissen und Rechten am Angemessensten erschien und den unter ihren Standesgenossen herrschenden Meinungen entsprechend war, wie dann auch ihr Eid einfach dahin ging: se facturos secundum quod eis visum fuerit aequius et melius [Nicht nach den eigenen Ansichten zu urteilen ist gerechter und besser. - wp]. (14)

Ebenso treffen wir in der römischen Republick, und zwar in ihren besten Zeiten, einen Rechtszustand, in welchem die Kriminalurteile aus der freien Überzeugung heraus gefunden werden. (15)

Nun ist aber von den Gegner kein Grund angegeben, aus dem eine inzwischen (16) erfolgte Veränderung im innersten Wesen des Rechts ersichtlich wäre. Sollte indessen jene Positivität etas aus dem ganz allgemeinen, zu allen Zeiten wesentlich gleichen Rechtsbegriff hergeleitet sein, so ergibt sich die Unrichtigkeit dieser Anschauung evident aus den angeführten Tatsachen.

Die gegnerische Lehre ist indessen nicht nur mit den gegebenen tatsächlichen Verhältnissen in Widerspruch, sondern auch innerlich unhaltbar. Denn sie ist durchaus außerstande, eine Theorie der Rechtsquellen zu gewinnen, und diese ihre Hilflosigkeit gegenüber der Notwendigkeit einer solchen Theorie richtet sie schon zur Genüge. Es ist freilich richtig, daß das Finden des Rechts, wie es von den alten Schöffen gehandhabt wurde, zunächst infolge des übermächtigen Andringens der geschriebenen Rechte ganz zurücktrat, ja für verschwunden gehalten werden konnte, und es ist ferner richtig, daß eine kulturell entwickeltere Zeit der subjektiven Vernunft höhere und zahlreichere Schranken in geschriebenen, ein für alle Mal gegebenen Normen gesetzt hat, als eine einfachere Zeit für nötig hielt. Allein ein Untergang dieser Rechtsquelle war unmöglich, denn sie ist unentbehrlich und absolut notwendig. Wo Gesetz und Herkommen keine Vorschriften enthalten, wo eine allgemeine Rechtsüberzeugung nicht vorhanden ist, da  kann  lediglich die eigene Überzeugung entscheiden (17), und es muß von vornherein anerkannt und betont werden, daß es zwei sehr verschiedene Arten des objektiven Rechts gibt, einmal das in der Außenwelt bereits positivierte Recht, daneben aber auch ein ganz anderes Recht, das nämlich, welches für den einzelnen Fall erst gefunden, erst zur Existenz gebracht werden muß. Der so gefundene Satz ist zweifellos ein wirklicher Rechtssatz, die Quelle also, der er entsprungen ist, d. h. die subjektive Vernunft, ist auch wahre Rechtsquelle. (18)

So ergibt sich von verschiedenen Gesichtspunkten aus die Unhaltbarkeit der gegnerischen Theorie von der Positivität  allen  Rechts.

Unsere eigene Ansicht aber, nach welcher die subjektive Vernunft eine wahre und zwar die in letzter Instanz entscheidende Rechtsquelle ist, bedarf nunmehr noch nach mehreren Seiten hin weiterer Aufklärung und Begründung.

Zunächst nälich möchte man zu glauben versucht sein, daß die Anerkennung der subjektiven Rechtsüberzeugung oder Vernunft als Rechtsquelle einen wahren inneren Widerspruch in sich schließt.

Denn die Rechtsordnung ist ja ihrem innersten Wesen nach notwendig objektiver Natur und scheint deshalb von den Anschauungen und Ansichten der Einzelnen unabhängig sein zu müssen. Wo jeder nach seiner Rechtsüberzeugung soll handeln dürfen, da kann - so sollte man meinen - nur der Zusammenbruch der ganzen Rechtsordnung, ein  bellum omnium contra omnes  [Krieg aller gegen alle - wp] die Folge sein.

Im Leben gestalten sich indessen die Dinge wesentlich anders.

Es ist oben bereits hervorgehoben, daß es eine an Zahl freilich nicht große, an Bedeutung aber sehr gewichtige Reihe von allgemein anerkannten Rechtssätzen gibt, unter denen die über die Geltung der Gesetze und Gerichtsaussprüche in erster Linie stehen. Die Annahme dieser Sätze erscheint so sehr als Notwendigkeit, daß auch die selbständigste subjektive Vernunft sich ihrer Anerkennung nicht entziehen kann. (19) Man mag dieselben deshalb auch auf die allgemeine Vernunft oder auf ein Naturgesetz gründen. Allein gewonnen wird dadurch nichts. Denn überall, wo Zweifel, wo Bedenken entstehen, ist es doch nur die subjektive Vernunft, welche die Entscheidung geben kann. Ihre Betrachtung allein interessiert uns demnach in diesen Erörterungen.

Unter jenen allgemein anerkannten Rechtssätzen ist nun namentlich einer von solcher Bedeutung für die subjektive Vernunft in ihrer Eigenschaft als Rechtsquelle, daß seine Beziehungen nach dieser Seite hin näher dargelegt werden müssen. Ich meine den zu allen Zeiten, in denen überhaupt schon ein organisiertes Zusammenleben existiert hat (20), anerkannten Satz, daß die Entscheidungen gewisser Personen, mochten dieselben nun schon wirklich die Eigenschaft von Urteilsfindern oder Richtern besitzen, oder nur Kraft hausväterlicher Gewalt eine Entscheidung treffen, die ihnen unterbreiteten Rechtsverhältnisse in definitiver Weise regeln. Es ist auch hier die subjektive Vernunft, aus welcher die Entscheidungen fließen, allein sie ist von wesentlich anderer Bedeutung als die subjektive Vernunft aller anderen Menschen.

Und gerade diese Erhebung der Rechtsüberzeugung des Einen über die der Anderen, diese Schaffung eines mit besonderen Machtvollkommenheiten begabten Organs der Rechtsfindung ist es, welche allein die Stellung der subjektiven Vernunft als Rechtsquelle überhaupt erst zu einer segensreichen und gedeihlichen macht, ja in gewissem Umfang sie erst ermöglicht.

Die subjektive Vernunft ist eine Rechtsquelle ganz besonderer Art, vage, unbestimmt, nebelhaft. Es bedarf also eines Organs, welches dazu berufen ist, authentisch zu deuten, was aus ihr herauszulesen ist. Der ihr anklebende große Mangel, daß sie sich noch gar nicht in der Außenwelt objektiviert hat, muß notwendig wenigstens insofern beseitigt werden, daß unter den verschiedenen Gestaltungen, in welchen die subjektive Vernunft gegebenfalls hervorzutreten pflegt,  eine  als die normale bezeichnet wird. Das berufene Organ aber zu dieser Arbeit, der beeidigte Dolmetscher dessen, was die Quelle spricht, ist eben der Richter. Und man mag mit einem gewissen Recht deshalb beide in ihrer Vereinigung erst als die in sich vollkommene Rechtsquelle bezeichnen. Es ergibt sich hieraus zugleich auch, inwieweit die älteren Schriftsteller Recht hatten, welche - mit einem freilich nicht sehr sorgsam gewählten Ausdruck - dem Richter in gewissem Umfang gesetzgeberische Befugnisse zuschrieben (21). Und auch darauf braucht nach dem Gesagten kaum noch besonders aufmerksam gemacht zu werden, daß ein tiefgehender Unterschied obwaltet zwischen  den  Rechtsgebieten, auf denen Gerichte zur Entscheidung der streitigen Rechtsfragen existieren, und denjenigen, wo sie fehlen. hier, auf diesen letzteren, wohin namentlich fast das ganze Völkerrecht, sowie bedeutende Teile des Staatsrechts gehören, hat jede Rechtsüberzeugung ansich gleiches Rechts, und den Sieg trägt davon, wem die Entwicklung der Dinge ihn in die Hand gibt. (22)

Die Gerichte sind demnach von der erheblichsten Bedeutung für die Geltung und Praktikabilität der subjektiven Vernunft als Rechtsquelle, weil sie die mangelnde Positivität des ihr entspringenden Rechts wenigstens in  einer  Hinsicht zu verdecken vermögen.

Aber noch ein anderer Punkt, der gleichfalls die drohenden Gefahren dieses Mangels zu mindern geeignet ist, muß hier hervorgehoben werden.

Das Recht ist die Ordnung des geselligen Zusammenlebens der Menschen. (23) Es sind objektiv gegebene und erkennbare Lebensverhältnisse, welche geregelt, äußerlich hervortretende Bedürfnisse und Wünsche, welche berücksichtigt und befriedigt sein wollen. Die Subjektivität findet also stets eine Grenze und eine Direktive an diesen objektiv vorliegenden Verhältnissen, und ein Zusammentreffen der verschiedenen Einzelanschauungen muß daher von vornherein in vielen Punkten für sehr wahrscheinlich erachtet werden. In anderer Weise wird dies freilich in älteren, und anders wieder in wissenschaftlich entwickelten Zeiten geschehen. Dort wird wegen der noch mangelnden Ausbildung der Subjektivität das Denken und Fühlen ansich schon ein wesentlich gleiches in den zusammengehörigen Kreisen sein, während zugleich auch der noch ungebrochene Zauber des Hergebrachten die Einzelnen wie die Generationen aneinander knüpft. Hier aber wird, da der natürliche Zusammenhang zwischen dem Denken und Fühlen der Einzelnen mehr oder weniger gelockert ist, jene Gemeinsamkeit der Überzeugung nur eine mehr oder weniger künstliche sein können. Doch auch eine solche künstliche Gemeinsamkeit ist von nicht minder großer Bedeutung. Möglich aber wird sie dadurch, daß die Arbeit der Einzelnen - deren Handwerkszeug, die allgemeinen Denkgesetze, ja ein durchaus übereinstimmendes ist - an demselben gegebenen Material erfolgt. Und dabei ist dann natürlich ein Einwirken der Überzeugungsgründe des Einen auf den Anderen, die Fortpflanzung neu aufgefundener Gedankengänge und die gemeinsame Verarbeitung des von dem Einen zuerst aufgestellten ebenso unvermeidlich als Frucht bringend, so daß diese Gemeinsamkeit wissenschaftlichen Denkens als ein höchst bedeutsames, einigendes Band für die ihre eigenen Wege gehenden Rechtsüberzeugungen der Einzelnen anzusehen ist.

Aus dem eben entwickelten Gedanken, daß es konkret gestaltete Lebensverhältnisse und objektiv hervortretende Bedürfnisse sind, für welche das Recht Ordnung und Befriedigung schaffen soll, ergibt sich zugleich auch die Methode, in Gemäßheit welcher die subjektive Vernunft beim Finden des Rechts vorzugehen hat.

Das ist freilich zunächst klar, daß maßgebend für die Feststellung solcher Grundregeln über die Methode nur wieder die subjektive Vernunft selber sein kann, daß sie mithin möglicherweise sich auch selbst einfach in ihrern Eigenschaft als absolute Vernunft als Rechtsquelle zu setzen vermag - wie ja ein solcher Versuch auch wirklich bereits von der naturrechtlichen Schule gemacht worden ist -, allein die vernünftige Erwägung selbst muß sehr bald zu der Erkenntnis kommen, daß es mit dem aprioristischen Konstruieren eines allgemeinen Vernunftrechts ein übles Ding ist, und daß sie die Rechtsordnung in zweckmäßiger Weise nicht frei aus sich heraus, sondern nur bei sorgfältiger Erforschung und Benutzung der tatsächlich gegebenen Elemente zu gestalten vermag. Eine wirkliche Schöpfung des Rechts frei aus sich heraus ist absolute Unmöglichkeit, überall wird die Einwirkung der wenn auch ignorierten äußeren Faktoren kenntlich hervortreten, und die Folge einer derartigen Methode wird nur die sein, daß eben diese Einwirkung eine rein zufällige bleibt, ungeregelt durch die besonnene Erfassung der Gesamtheit dieser äußeren Umstände.

Die richtige Methode kann demnach nur diejenige sein, welche alle diese äußeren Faktoren erforscht, prüft und zerlegt, sich ihre Bedeutung im Einzelnen und im Ganzen klar macht, ihre historische Entwicklung zu erfassen sucht und dann diejenige Norm zu entdecken bestrebt ist, welche jenen äußeren Verhältnissen konform ist und sie völlig deckt und befriedigt, selbstverständlich unter Beachtung der Schranken, welche der ethische Charakter der Rechtsordnung dem Suchenden zieht.

Eine vortreffliche Garantie für eine Auffindung des wirklich Wesentlichen und Bedeutungsvollen liegt in einer vergleichenden Betrachtung anderer Zeiten und Länder und des dort herrschenden Rechtszustandes. Und gerade für die Lehre von den Rechtsquellen, welche besonders viele universelle Elemente (24) enthält, müßte eine vergleichende Benutzung der allgemeinen Rechtsentwicklung bei den verschiedenen Völkern von erheblichem Nutzen sein.

Hier freilich kann die Aufdeckung parallel laufender Erscheinungen und Anschauungen bei anderen Völkern nur nebenbei versucht werden. Denn eine ausführliche Ausbeutung der hierin sich bietenden Hilfsquellen würde nicht nur meine Kräfte weit übersteigen, sondern auch diese nur präparatorische Arbeit ungebührlich anschwellen lassen. -

Ich beschließe hiermit die Ausführungen, mit welchen ich meine Theorie von der subjektiven Vernunft, ihrer Stellung und Bedeutung als Rechtsquelle und ihrem juristischen Wesen zu begründen versucht habe. Ihre Abweichungen von der Lehre, welche ich oben dargelegt und welche wohl immer noch als die herrschende (25) angesehen werden muß, sind zu sehr in die Augen fallend, als daß es noch einer besonderen Hervorhebung bedürfte. Allein es muß nunmehr noch die Stellung meiner Theorie zu verschiedenen anderen, von der herrschenden Ansicht gleichfalls abweichenden Anschauungen, welche bisher nur übergangen sind, um einstweilen meine Auffassung in ihrem Zusammenhang klar hervortreten zu lassen, näher präzisiert werden. Zugleich hoffe ich, die richtige Würdigung meiner Ansicht dadurch noch zu befördern, daß ich die Lücke in der Reihe der Theorien aufweise, welche sie scheint ausfüllen zu können.

Für die Entwicklung der Lehre von den Rechtsquellen muß es als ein entschiedenes Unglück angesehen werden, daß sie  ex professo  nur in den Lehrbüchern des Privatrechts abgehandelt worden ist. Nirgends wurde sie in ihrer vollen, ganzen Bedeutung erfaßt und vorgetragen, in ihrer Stellung nämlich als Teil des öffentlichen Rechts. Der Privatrechtslehrer gab allerdings einige einleitende allgemeine Bemerkungen, allein der eigentliche Kern seiner Darstellung bezog sich - von seinem Standpunkt aus auch mit vollem Recht - lediglich auf die Bedeutung und Beschaffenheit der Privatrechtsquellen. Und in den anderen Disziplinen beschränkte man sich im Wesentlichen darauf, entweder die für das Privatrecht aufgestellte Lehre kurz zu wiederholen oder einige, angeblich vorhandene Abweichungen zu konstatieren. Namentlich auch die Lehrbücher des Staatsrechts haben sich bislang noch nicht entschließen können, den ihnen gebührenden Stoff in einer eingehenderen Entwicklung zur Darstellung zu bringen.

Das Privatrecht aber war ganz besonders ungeeignet, um auf seinem Boden eine gedeihliche Lehre von den Rechtsquellen zu entwickeln. denn als die im Anfang dieses Jahrhunderts noch sehr verbreitete Ansicht (26), daß dem Naturrecht, d. h. dem durch die abstrakt schaffende Vernunft gefundenen Rechte subsidiäre Geltungskraft zukommt, infolge des Einflusses der historischen Schule immer weiter zurückgedrängt und schließlich ganz beseitigt war, da entstand zunächst auf dem Gebiet des Privatrechts die - auch jetzt noch herrschende - Anschauung, welche vollen Ersatz für das verdrängte Naturrecht und die völlige Ausfüllung der durch seine Verdrängung geschaffenen Lücke in der Benutzung des im Recht enthaltenen logischen Elements zu finden glaubt.

PUCHTA und zahlreiche Nachfolger, (27) so namentlich auch alle diejenigen Schriftsteller, welche nur das bereits im Gesetz oder Gewohnheitsrecht positivt gewordene Recht anerkennen, lehren, daß in allen Fällen, wo Gesetz und Gewohnheitsrecht schweigen, der anzuwendende Rechtssatz aus den Prinzipien des bestehenden Rechts entnommen werden müsse. Denn vermöge der vernünftigen Natur des Rechts sei auch das als geltendes Recht anzuerkennen, was mit Notwendigkeit aus dem gegebenen Recht folgt. Aufgabe der Wissenschaft aber sei es, das gegebene Recht auf seine Prinzipien zurückzuführen, und aus diesen jene notwendigen Ergänzungen abzuleiten. (28)

Das Ungenügende dieser Auffassung tritt freilich sofort zutage, sobald man - wie das oben bereits geschehen ist - von ihr aus eine Theorie der Rechtsquellen zu gewinnen sucht. Und überhaupt mußte es auch auf anderen Gebieten des öffentlichen Rechts sehr bald empfunden werden, daß durch die Rechtsanalogie die durch Vertreibung des Naturrechts entstandene Lücke nicht wohl ausgefüllt werden kann. Wir finden daher bei den Staatsrechtlern die erste Auflehnung gegen jene Theorie der Rechtskonsequenz. ROBERT von MOHL (29) bezeichnet geradezu das philosophische Staatsrecht als subsidiäre Rechtsquelle, und ZACHARIAE (30) erkennt wenigstens die Notwendigkeit und Berechtigung an, in Ermangelung positiven Rechts, gewisse Begriffe, namentlich die von fundamentaler Bedeutung unmittelbar durch eine philosophisch rechtliche Entwicklung festzustellen.

Ebenso trat auch im Strafrecht und Prozeß (31) sehr bald die Erkenntnis von der Unzulänglichkeit der Rechtsanalogie ein, und unter dem Namen der Wissenschaft, der Natur der Sache oder der Philosophie führte man auch hier eine selbständige, frei schaffende Rechtsquelle neben Gesetz und Gewohnheitsrecht ein.

Nur auf dem Gebiet des Privatrechts, gerade demjenigen, welchem die Darstellung der Lehre von den Rechtsquellen gewohnheitsmäßig zufiel, blieb die PUCHTAsche Theorie lange Zeit die allein herrschende, und erst neuerdings ist sie von verschiedenen Seiten angezweifelt worden.

Es muß freilich auch anerkannt werden, daß im Privatrecht die Rechtsanalogie in den meisten Fällen in der Lage ist, etwaige Lücken im Recht auszufüllen, und der blendende Schein logischer Konsequenz, den namentlich PUCHTA über das System ausgegossen hatte, war wohl geeignet, die Augen, für eine Zeit wenigstens, befangen zu machen.

Allein, wer ungetrübten Blicks nach den Quellen so mancher Lehren, z. B. der Lehre von den Inhaberpapieren, den juristischen Personen und der sogenannten Kollision der Statuten forschte, der mußte doch erkennen, daß zur Konstrukton derselben die wichtigsten Elemente nicht aus dem positiven Recht, sondern aus der verständigen Betrachtung der einschlagenden tatsächlichen Verhältnisse entnommen wurden. Das positive Recht war in der Tat nicht sowohl die Quelle, aus welcher geschöpft wurde, als vielmehr nur die Barriere, innerhalb welcher der Streit der Ansichten geführt werden mußte - eine Barriere übrigens, die der subjektiven Vernunft und ihrem Schaffen den allerfreiesten Spielraum ließ. Eine Anzahl nuerer Schriftsteller (32) hat dann unter dem Namen der Wissenschaft oder der Natur der Sache auch in das Privatrecht eine Rechtsquelle eingeführt, welche kein fertiges Recht liefert, sondern vom Suchenden selbst dessen Gestaltung aus der Gesamtheit der in Betracht kommenden Verhältnisse fordert.

Und dieser Ansicht scheint selbst von SAVIGNY (33) der ein sehr weites Recht der Wissenschaft, als einer wirklichen Rechtsquelle annimmt, sehr nahe zu stehen. Doch ist seine Darstellung, zum teil wohl in Folge der speziellen Richtung, welche er ihr in seinem System des heutigen römischen Rechts glaubte geben zu müssen, nicht eingehend genug, als daß auf ihn hier mit Sicherheit Bezug genommen werden könnte. (34)

Überblicken wir nund die eben zusammengestellten, von der PUCHTAschen Auffassung abweichenden Ansichten, so ist die Verwandtschaft der von mir vertretenen Theorie mit denselben unverkennbar. Sie alle drängen mehr oder weniger auf Anerkennung dessen, was ich bisher die subjektive Vernunft genannt habe, und sie alle sind darin einig, daß die PUCHTAsche Anschauung den Verhältnissen nicht entspricht. Allein bei keinem der Schriftsteller ist die Durchführung des hier entwickelten Gedankens von der Basierung allen Rechts auf die Vernunft zum leitenden Prinzip der Darstellung gemacht, und gerade hierin, glaube ich, eine Lücke auszufüllen. Denn die Lehre von der Natur der Sache und ihrer Eigenschaft als Rechtsquelle kann nur dadurch eine wirklich begründete werden, daß sie in dieser tieferen Bedeutung, als Grundlage der ganzen Theorie von den Rechtsquellen anerkannt wird.

Meine Auffassung unterscheidet sich sodann wesentlich durch die Energie, mit welcher auf die teilweise Richtigkeit des der naturrechtlichen Schule als Basis dienenden Grundgedankens hingewiesen wird.

Die Lehrer des alten Naturrechts gingen von einem doppelten Fundamentalsatz aus, erstens davon, daß die Vernunft die letzte Grundlage des Rechts sei, und zweitens davon, daß diese Vernunft das Recht frei aus sich heraus in rein begreiflicher Entwicklung und unter Abstraktion von den Realitäten des Lebens zu gestalten vermöge. Die Schaffung des Rechts durch die Gesetzgebung erschien infolgedessen als die durchaus selbständige Tat der subjektiven Vernunft, als das Ideal aller Rechtsbildung.

Die völlige Irrigkeit dieser Anschauung der naturrechtlichen Theorie und ihres zweiten Fundamentalsatzes ist bekanntlich von der historischen Schule glänzend nachgewiesen, und der Zusammenhang des Rechts mit dem ganzen übrigen Volksleben und die Abhängigkeit der Vernunft und des Gesetzgebers von den faktischen Verhältnissen unwiderlegbar aufgedeckt.

Allein, wenn diese neue Ansicht nun, wie gebannt vom Zauber des neu aufgefundenen Volksgeistes, in ihm und der von ihm erzeugten gemeinsamen Rechtsüberzeugung die letzte Basis des geltenden Rechts entdeckt zu haben glaubte und infolgedessen auch den ersten Fundamentalsatz der naturrechtlichen Schule über Bord warf: so war dies ein im Eifer des Streites und um die Gegensätzlichkeit der Ansichten recht scharf hervorzuheben, geschehener, über das Ziel aber hinausführender Schritt gewesen. Das Kind war mit dem Bade ausgeschüttet.

Die Verschmelzung beider Ansichten zu einer höheren Einheit, zu welcher die naturrechtliche Schule (35) gewissermaßen die Form, die historische Rechtstheorie den Inhalt zu geben hat, ist im Vorstehenden versucht worden. Die Begründung dieses Versuchs liegt in den oben schon gegebenen Entwicklungen, und es bedarf hier nur noch einiger erläuternder Bemerkungen über die verschiedenen Benennungen, welche der hier besprochenen Rechtsquelle zuteil geworden sind, sowie einer Hervorhebung des Sprachgebrauchs, dem ich hier folgen werde.

Das Wort und der Begriff "Rechtsquelle" sind ansich vage und mehrdeutig. So kann man zunächst als Rechtsquellen alle diejenigen Momente bezeichnen, welche auf die Bildung des Rechts von maßgebendem Einfluß sind, nämlich Volkscharakter, Sitten, klimatische Bedürfnisse, bedeutende äußere Vorgänge, kurz, all das, was man sich unter dem Bild des Volksgeistes zu personifizieren gewöhnt hat.

In dieser Bedeutung soll das Wort hier  nicht  gebraucht werden. Ebenso werde ich es  nicht  in dem Sinne anwenden, in welchem es PUCHTA gebraucht, wenn er die Gesetzgebung eine Rechtsquelle nennt. Vielmehr werde ich ihr Produkt: das Gesetz im Folgenden mit dem technischen Namen  Rechtsquelle  bezeichnen, wie ich überhaupt nur dasjenige eine Rechtsquelle in dem hier interessierenden inn nennen werde, woraus der Recht Suchende und zwar in erster Linie der zum Finden des Rechts berufene Richter eine Norm für die Entscheidung des einzelnen Falles, des konkreten Rechtsverhältnisses zu gewinnen vermag. Gleichgültig ist es natürlich, ob die gefundene Norm unmittelbar die Entscheidung des Falles ergibt, oder ob es erst der Ableitung einer längeren Reihe unter sich in Verbindung stehender Rechtssätze bedarf.

Daß die Gesetzgebung hierdurch ausgeschlossen ist, liegt auf der Hand. Denn der Richter schöpft nicht aus ihr selbst, sondern nur aus ihrem Produkt, dem Gesetz.

Was aber die anderen Rechtsquellen außer dem Gesetz anlangt, so ist die Frage, inwieweit aus der gemeinsamen Rechtsüberzeugung und dem Gewohnheitsrecht Rechtssätze zu gewinnen sind, in den folgenden Paragraphen einer ausführlichen Erörterung zu unterziehen, und es fehlt hier nur noch die Entscheidung darüber, in welchem Verhältnis die subjektive Vernunft zur Wissenschaft und zur Natur der Sache steht.

Daß die Aufstellung der Vernunft als Rechtsquelle unentbehrlich ist, dürfte sich aus der bisherigen Entwicklung zur Genüge ergeben. Sie kann aber auch nicht durch die Wissenschaft und Natur der Sache ersetzt werden. Erstere als Rechtsquelle aufzufassen, ist überhaupt nicht empfehlenswert, es erscheint vielmehr zutreffender, sie als das Mittel, gewissermaßen das Instrument anzusehen, dessen Benutzung für die Behandlung der wirklichen Rechtsquellen den besten Erfolg zu verbürgen vermag. Auch war das freie Finden des Rechts aus der Vernunft längst in Übung, ehe an eine Wissenschaft des Rechts gedacht wurde.

Wohl aber mag es zweckmäßig erscheinen, unter dem allerdings etwas verschrieenen Wort der "Natur der Sache" die Gesamtheit all derjenigen äußeren Verhältnisse und Umstände zusammenzufassen, aus denen heraus die subjektive Vernunft die Rechtssätze zu finden hat. Es wäre dann dadurch zugleich die objektive Seite, welche auch diese subjektivste Rechtsquelle aufzuweisen vermag, in zweckmäßiger Weise hervorgehoben.

Unserer Auffassung nach würde mithin die  Vernunft,  (die allgemeine, soweit eine gemeinsame Rechtsüberzeugung herrscht, und die subjektive speziell die der Gerichte, wo die Gemeinsamkeit fehlt) als Grundquelle allen Rechts aufzuführen sein. Da diese nun aber anerkennen muß, daß praktisch anwendbare Rechtssätze nur aus dem objektiv gegebenen Bestand der äußeren Verhältnisse gewonnen werden können, würde zum Zweck einer genaueren Formulierung als die äußere Quelle der einzelnen anzuwendenden Sätze  "die Natur der Sache"  zunächst und in erster Linie namhaft gemacht werden müssen. Denn nur aus ihr heraus können ja die Rechtssätze entnommen werden, welche bezüglich der  anderen Rechtsquellen:  Gesetz, gemeinsame Rechtsüberzeugung und Gewohnheitsrecht anzuerkennen sind. Ja, auch der Inhalt des von diesen Rechtsquellen gegebenen Rechts kann nur dann mit Sicherheit erfaßt werden, wenn das Wort, das die Natur der Sache dreinredet, sorgfältig erwogen und gewürdigt wird.

Insofern aber bei einer Untersuchung über die genannten drei Rechtsquellen, wie sie in den folgenden Paragraphen sogleich unternommen werden soll, das Resultat gewonnen wird, daß das ihnen entspringende Recht dem aus der Natur der Sache sich ergebenden vorgeht, erhalten dieselben offenbar den Charakter rechtlicher Schranken für die das Recht suchende Vernunft. Das aus der Natur der Sache zu entnehmende Recht tritt insofern in die zweite Linie, und kommt zur praktischen Geltung nur, wenn die in erster Linie stehenden Quellen in der betreffenden Beziehung Lücken aufweisen. Und so erscheint die Natur der Sache, obwohl zunächst die eigentliche Hauptquelle, doch wieder in ihrer praktischen Relevanz bedingt durch die anderen, von ihr abhängigen Rechtsquellen. Sie wird subsidiär, um wahrhaft zu helfen, und verzichtet auf ihr eigenes Hervortreten, um einen vernünftigen Rechtszustand in Wahrheit zu sichern. (36)

Das Verhältnis schließlich der drei anderen Rechtsquellen untereinander, und der Nachweis des unter ihnen zu statuierenden Rangunterschiedes muß den Detailerörterungen der nächsten Paragraphen überlassen bleiben, zu denen ich mich nunmehr wende.


§ 2.
II. Das gesetzliche Recht

Daß die von der gesetzgebenden Gewalt (37) aufgestellten Rechtsvorschriften eine allgemein verbindliche Kraft haben, ist von jeher anerkannt worden, und es ist auf diesen Satz bereits oben aos auf einen derjenigen Rechtssätze hingewiesen, welche in der Natur der Sache als Notwendigkeit begründet liegen und daher in der allgemeinen Rechtsüberzeugung unerschütterlich fest stehen.

Über den Grund und Umfang dieser Geltungskraft gehen jedoch die Ansichten erheblich auseinander. Die Entscheidung der zweifelhaften Punkte ist somit nach dem im vorigen Paragraphen Ausgeführten von der subjektiven Vernunft aus der Natur der Sache zu erurieren.

Eine vielfach vertretene, und namentlich von PUCHTA (38) scharf ausgeprägte und in ihren Konsequenzen rücksichtslos verfolgte Ansicht geht von dem Satz aus: der Ausspruch des Gesetzgebers  gilt als  gemeinsame Überzeugung, oder als Wille der Gesamtheit, mithin nicht weniger und nicht mehr als diese.

Als Folgerung aber aus diesen Vordersätzen wird dann der Schluß gezogen, daß die Rechtsüberzeugung des Volkes oder das Gewohnheitsrecht dem Gesetz vollkoommen gleichsteht und es jederzeit aufzuheben vermag: denn der unmittelbare (im Gewohnheitsrecht hervorgetretene) Nationalwille kann nicht schwächer sein, als der fingierte im Gesetz.

Die Basis dieser ganzen Theorie ist die im vorigen Paragraphen bereits zurückgewiesene Ansicht, daß der Volksgeist, bzw. die von ihm erzeugte Rechtsüberzeugung des Volkes die eigentliche Quelle allen Rechts ist (39). Der zuletzt erwähnte Punkt aber, das Verhältnis des Gewohnheitsrechts zum Gesetz, kann erst später (§ 7) in seiner wahren Bedeutung erfaßt werden, und ist dann eingehend zu würdigen: es erübrigt sich also an dieser Stelle nur eine Prüfung der von PUCHTA der Geltungskraft des Gesetzes gegebenen Begründung. Diese aber kann ich nicht umhin, für völlig verfehlt zu erklären.

Die ganze Deduktion scheint in Wahrheit lediglich auf einer Verwechslung zu beruhen, die uns in ganz ähnlicher Weise weiter unten beim Gewohnheitsrecht (vgl. § 5, I.) wieder begegnen wird.  Nicht das einzelne Gesetz und sein Inhalt  gründet sich oder ist zurückzuführen auf die Rechtsüberzeugung des Volkes, dieses erhält seine verbindliche Kraft vielmehr nur durch den anerkannten Rechtssatz, daß Gesetze überhaupt Verpflichtskraft besitzen; und so ist es lediglich  dieser Rechtssatz der allgemeinen Verbindlichkeit aller Gesetze, der auf der Rechtsüberzeugung des Volks beruth.  Das Gesetz in abstracto ist also mit den konkreten Ausflüssen der gesetzgebenden Gewalt verwechselt worden.

Die wahre Begründung aber, die einfach und doch vollkommen ausreichend verkünstelter und doch nichts erklärender Fiktionen (40) nicht bedarf, liegt in dem aus der Natur der Sache folgenden Satz, daß das Gesetz, welches ja nur der Ausspruch des Staates über das ist, was als Recht gehandhabt werden soll, als solcher, abgesehen von seinem speziellen Inhalt allgemein verbindliche Kraft hat.

Die völlige Unabhängigkeit (41) des einzelnen Gesetzes und seiner Geltungskraft von der Rechtsüberzeugung, und seine Geltung nur durch den Staatswillen ist also als oberster Grundsatz aufzustellen.

Man würde jedoch sehr irren, wenn man nun den Staatswillen als den souveränen Schöpfer des Inhalts der einzelnen Gesetze ansehen wollte. Denn auch er ist abhängig vom unwandelbaren Gesetz aller Rechtsbildung. Jedes auftauchende Lebensverhältnis trägt bereits bis zu einem gewissen Grad das Gesetz seiner Gestaltung ausgeprägt in sich, und diesem nun auch äußeren Ausdruck zu geben, ist die aus der Sache selbst folgende Verpflichtung des Gesetzgebers. (42) Verblendet mag er sie vielleicht verkennen, und sich über die den Verhältnissen immanenten Regeln oder über die Gebote der Sittlichkeit hinwegsetzen - allein das Unrecht, welches er alsdann begeht, ob auch sein Ausspruch zunächst formell verpflichtend wirkt, wird sich bald an ihm selbst und seinem Werk schwer rächen, und zermalmt von den Elementen, die der Tor meistern wollte, wird was er geschaffen hat widerstandslos zergehen.

Der Gesetzgeber soll der Diener der wahren Bedürfnisse und Wünsche seines Volkes sein, der hin- und herschwankenden Ordnung der Lebens- und Verkehrsverhältnisse so weit wie möglich feste Formen gegeben und überall wahre Gerechtigkeit, wie sie der Rechtsanschauung des Volkes selbst und der Natur der Sache entspricht, befördern. Seine Aufgabe stellt mithin die größten Anforderungen an ihn und seine Auffassungs- und Gestaltungskraft, und  gute  Gesetze wird er nur schaffen, wenn er all diesen Ansprüchen zu genügen versteht.

Allein die  Geltung (43) dessen, was er als Recht verkündet, die formell verbindende Kraft seiner Erlasse ist hiervon - ich hebe dies noch einmal hervor - völlig unabhängig. Denn der einzige Geltungsgrund ist ja ihre Verkündung durch den Staatswillen.

Es ergibt sich hieraus zugleich der Umfang der Geltung der einzelnen Gesetze, und zwar kann das maßgebende Prinzip offenbar nur das sein, daß sie gerade so weit gelten, wie eben der ausgesprochene gesetzgeberische Wille reicht. Trotzdem aber wird sehr oft hiergegen gesündigt.

Die Verkennung nämlich in der § 1 über die Natur der Sache gegebenen Entwicklungen und der Glaube an die vermeintliche Positivität allen Rechts hat wiederholt dazu geführt, auch solche Punkte, über welche der Gesetzgeber zweifellos keine Normen hat aufstellen wollen, weil sie z. B. zur Zeit der Gesetzespublikation noch gar nicht hervorgetreten waren, den Worten des Gesetzes oder wohl gar dem bloß mutmaßlichen Willen des Gesetzgebers zu unterwerfen.

Verbindliche Norm ist lediglich, was als solche gewollt und ausgesprochen ist. Ihre Anwendung auf nicht gewollte Punkte kann nie durch das Gesetz, sondern stets nur durch die Natur der Sache gerechtfertigt werden. Die hierüber aufzustellenden Grundsätze, welche sich namentlich auf die richtige Begrenzung der Gesetzes- und Rechtsanalogie zu erstrecken haben, muß ich indessen für einen späteren Paragraphen hinausschieben, um im Folgenden zunächst über die gemeinsame Rechtsüberzeugung und das Herkommen zu entwickelnden Rechtssätze darzulegen.
LITERATUR Franz Adickes, Zur Lehre von den Rechtsquellen insbesondere über die Vernunft und die Natur der sache als Rechtsquellen und über das Gewohnheitsrecht, Kassel und Göttingen 1872
    Anmerkungen
    1) Ganz hervorragendes Verdienst ist hierbei neuerdings dem WINDSCHEIDschen Lehrbuch zuzuerkennen.
    2) Ihre Unanwendbarkeit behaupten nur BLUNTSCHLI, Deutsches Privatrecht, § 226.  Mein  Versuch "Über die heutige Anwendbarkeit der römischen Lehre von der  delatio tutelae  usw. in der "Zeitschrift für Hannoversches Recht, 1870, Seite 98 - 134 und neuerdings P. ROTH, Bayerisches Zivilrecht, Bd. 1, § 92.
    3) Ein bedeutender Anfang zu Untersuchungen über die Geltung der römischen Peculienlehre ist neuerdings gemacht von FITTING, Das castrense peculium, 1871, namentlich § 88. Vgl. BRUNS, Zeitschrift für Rechtsgeschichte, Bd. X, Seite 186 und 187, auch GÖPPERT in BEHREND, Zeitschrift für Gesetzgebung und Rechtspflege in Preußen, Bd. V, Seite 272.
    4) Für die Ausbreitung dieser Einsicht hat namentlich RUDOLF von JHERING gewirkt. Vgl. seine "Jahrbücher für Dogmatik", Bd. 1, Seite 30f, "Geist des römischen Rechts", Bd. 1, Seite 1 - 16 (2. Auflage) und an vielen anderen Stellen.
    5) Vgl. meine Abhandlung, Seite 115 - 117 und WINDSCHEID, Pandektenrecht, Bd. 1, Seite VII.
    6) von SAVIGNY, a. a. O. § 27 (1840). SINTENIS, Zivilrecht, § 2. Anm.1, § 3 Anm. 16 (1844); von KELLER, Pandekten, § 3 Anm. 7; BESELER, System. § 18, Anm. 3; BÖHLAU, Mecklenburgisches Landrecht, 1871, Bd. 1, § 52, Anm. 1;  Dagegen  jedoch mit den Älteren: EICHHORN, Einleitung (1836), § 26; MÜHLENBRUCH, Lehrbuch, § 38, Anm. 13; auch PUCHTA, Gewohnheitsrecht, Bd. 2, Seite 286, Anm. 34 (1837); KARL GEORG von WÄCHTER im "Archiv für zivile Praxis", Bd. 23, Seite 434 (1840). Konsequenterweise müßten jedoch  die  Schriftsteller, welche die Unanwendbarkeit der staatsrechtlichen Bestimmungen des römischen Rechts behaupten, auch die über die Rechtsquellen in  Corpus Juris  enthaltenen Sätze für unpraktisch halten, so von VANGEROW, Bd. 1, § 5, 2 und auch PUCHTA, Vorlesungen, § 1 -4 am Schluß. Dann vgl. die folgende Anmerkung.
    7) von SAVIGNY, System I, Seite 165. SINTENIS, Zivilrecht, § 2, Anm. 1a E, 11; E. MEIER, Die Rechtsbildung in Staat und Kirche, 1861, Seite 16; BÖHLAU, a. a. O.; G. PLANCK in JEHRINGs Jahrbüchern, Bd. IX, Seite 292.
    8) Dies ist auch schon E. MEIER, a. a. O.,Seite 1 und 8 - 14 hervorgehoben worden. - PUCHTA hatte in seinem Gewohnheitsrecht wegen seiner in der obigen Anmerkung berührten Auffassung von der Stellung der im  Corpus  gegebenen Rechtssätze keinen Anlaß zu Untersuchungen, wie sie hier gefordert werden.
    9) Das nationale Element der Rechtsbildung wurde freilich zunächst einseitig in den Vordergrund gestellt. Vgl. JHERING, Geist des römischen Rechts, Bd. 1, Seite 1 -16 (2. Auflage; auch in dem besonderen Abdruck "Bedeutung des römischen Rechts für die moderne Welt", 1865) und unten § 3 und 4.
    10) Vgl. z. B. WINDSCHEID, Pandektenrecht, § 18, Anm. 3 und § 16, Anm. 1 über die Frage, ob ein Gewohnheitsrecht sich auch gegen ein, diese Art der Rechtsbildung absolut verbietendes Gesetz bilden kann.
    11) Vgl. z. B. WINDSCHEID, Pandektenrecht, Bd. 1, § 22 und 23; von KELLER, Vorlesungen, § 1; STOBBE, Handbuch des deutschen Privatrechts, Bd. 1, Seite 148; von WÄCHTER, Würtembergisches Privatrecht, Bd. 1, § 131, Bd. 2, " 13 und 14; UNGER, Österr. Privatrecht, § 10; B. BEKKER in der "Zeitschrift für das gesamte Handelsrecht", Bd. XVI (Neue Folge, Bd. 1), Seite 84, 85; BESELER, Deutsches Privatrecht, Bd. 1, § 14 und 30; E. SINTENIS, Zivilrecht, § 3.
    12) STAHL, Philosophie des Rechts, Bd. 2, Seite 179 (2. Auflage);von VANGEROW, Pandekten, § 14; WINDSCHEID, Pandekten, § 15; von KELLER, Vorlesungen, § 1; von WÄCHTER, Würtemb. Privatrecht, Bd. 1, § 3 und 4; REGELSBERGER, Kritische Vierteljahrsschrift für Gesetzgebung und Rechtswissenschaft, Bd. IV, Seite 331 und 345.
    13) Auch die oben angeführten Schriftsteller leugnen dies nicht: von WÄCHTER, Würtemb. Privatrecht, Bd. 1, Seite 63, vgl. Seite 34; Gemeines Recht Deutschlands, 1844, Seite 117; vgl. PLANCK, Lehre vom Beweisurteil, Seite 10; von BETHMANN-HOLLWEG, Zivilprozeß, Bd. IV, Seite 6 und 7 und öfter.
    14) von WÄCHTER, Würtemb. Privatrecht, a. a. O.
    15) JHERING, Geist des römischen Rechts, Bd. 2, § 25, Anm. 29
    16) Daß den im 15. und 16. Jahrhundert in die Gerichte berufenen gelehrten Juristen von den Gerichtsordnungen lediglich das  Corpus Juris,  Gesetz und Gewohnheit als Entscheidungsnorm an die Hand gegeben ist, kann als stichhaltiger Grund nicht gelten. Oder sollen die heutigen Gerichte, wo diese Entscheidungsquellen versagen, - wie das nach dem oben Ausgeführten auch hier ja der Fall ist - etwa einfach den Recht Suchenden durch einen feierlichen Gerichtsbeschluß ihr Unvermögen - und damit ihre Abdankung proklamieren? Irrig daher auch BÖHLAU, Mecklenburgsches Landrecht, Bd. 1, 1871, Seite 318 - 320.
    17) Code civil, Artikel 4: Der Richter, der unter dem Vorwand, daß das Gesetz den vorgetragenen Fall unberührt läßt, daß es dunkel oder unzulänglich sei, ein Urteil sich zu sprechen weigert, kann, als der Justizversagung schuldig, gerichtlich belangt werden.
    18) Die Verkennung dieses unveräußerlich jedem Gericht zustehenden udn daher auch unseren Gerichten zuzuerteilenden Rechts zu freier Findung der Rechtsnormen, wenn positives Recht nicht vorhanden ist, muß als verhängnisvoller Irrtum bezeichnet werden. Manche unpraktische Lehre des römischen Rechts wäre längst beseitigt, wenn sich die Richter dieses, von SAVIGNY (so auch hier in der Lehre von den Rechtsquellen) durch eigene Anwendung anerkannten Rechts bewußt gewesen wären.
    19) Einer besonderen Darstellung bedarf noch die Frage nach dem Umfang und dem Grad der Geltung der subjektiven Vernunft gegenüber einer ihr widerstreitenden, in irgendeinem Kreis vorhandenen gemeinsamen Rechtsüberzeugung. Doch habe ich diese Erörterung in den § 4 verwiesen, weil bezüglich der hier behandelten Grundfragen ein solcher Konflikt nirgends existiert.
    20) Entstehung des Rechts durch den Staat ist hiermit selbstverständlich  nicht  behauptet, sondern nur eine wesentliche Veränderung des Rechts durch die Ausbildung von Recht sprechenden Organen.
    21) Vgl. hierüber JORDAN im "Archiv für zivilistische Praxis", Bd. VIII, Seite 209.
    22) Bis zu einem gewissen Grad ist diese Basierung des Rechts auf die subjektive Rechtsüberzeugung bezüglich  allen  Rechts, namentlich auch des gesetzlichen Rechts zu behaupten. Die Gesetzesworte sind ansich tot, der sie beseelende Hauch gibt ihnen erst  (subjektiv gefärbtes)  Leben. Der Unterschied ist nur, daß hier die Begründung der subjektiven Ansicht durch die Berufung auf den angeblich richtig erkannten Gesetzeswillen erfolgt, während beim Recht der subjektiven Vernunft diese selbst unmittelbar entscheidet.
    23) Es soll hiermit natürlich keine eigentliche Definition gegeben sein. von einer solchen habe ich vielmehr Abstand genommen, da sie meines Erachtens unnötig, aber sehr gefährlich ist. Was ich unter "Recht im objektiven Sinn" verstehe, wird trotzdem aus dem Ganzen dieser Abhandlung so weit nötig klar werden. Überhaupt war es mir oberster Grundsatz nicht mit abstrakten Begriffen zu operieren und daraus Konsequenzen zu ziehen, sondern stets jeden einzelnen Satz unmittelbar aus den realen Verhältnissen zu rechtfertigen. - Auch die Römer haben ja zur Genüge gezeigt, daß es möglich ist, Rechtsbegriffe betreffend anzuwenden, ohne sie speziell zu definieren.
    24) von SAVIGNY, a. a. O., Bd. 1, Seite 52 unterscheidet bekanntlich allgemein universelle und partikulare Elemente im Recht.
    25) Sie wird im Wesentlichen unverändert auch wieder in den beiden neuesten eingehenden Darstellungen der Lehre von den Rechtsquellen vorgetragen. Vgl. BÖHLAU, Mecklenburgisches Landrecht, § 43, § 52f; STOBBE, Handbuch des deutschen Privatrechts, § 18f.
    26) Vgl. für alle: GLÜCK, a. a. O., Bd. 1, Seite 424. THIBAUT, System. 4. Auflage, 1814, § 9; WEBER, Natürliche Verbindlichkeit, 1825, Seite 100, § 41; von FEUERBACH, Lehrbuch des peinlichen Rechts, § 5.
    27) PUCHTA, Gewohnheitsrecht, Bd. 2, Seite 15 und 16; Kritik von BESELER, Seite 17. Pandekten § 16; von WÄCHTER, Würtemb. Privatrecht, Bd. 1, § 131, Bd. 2, § 13 und 14; UNGER, Österr. Privatrecht, § 10; WINDSCHEID, Pandekten, Bd. 1, § 22, 23 und öfter.
    28) PUCHTA nennt die Wissenschaft deshalb eine Rechtsquelle; unter Widerspruch jedoch der anderen Schriftsteller. Von unserem Standpunkt erscheint der Streit nur von formaler Bedeutung.
    29) ROBERT von MOHL, Enzyklopädie der Staatswissenschaften, Seite 391 und 392; Würtembergisches Staatsrecht, Bd. 1, Seite 87, § 12 (2. Auflage). Hiermit stimmt überein von RÖNNE, Staatsrecht der Preußischen Monarchie, § 21.
    30) ZACHARIAE, Deutsches Staats- und Bundesrecht, Bd. 1, § 4 (3. Auflage 1866)
    31) HEFFTER, System des Zivilprozesses (2. Ausgabe), Bd. 2, § 21, Anm. 43; Bd. 2, Anm. 43; LINDE, Lehrbuch des Zivilprozesses, § 24; BERNER, Lehrbuch des deutschen Strafrechts, § 63.
    32) THÖL, Handelsrecht, Bd. 1, § 3, Einleitung und § 55, 57; C. GOLDSCHMIDT, Handelsrecht, Bd. 1, § 34; JHERING, Geist des römischen Rechts, Bd. 2, § 41, Seite 371 (2. Auflage); GÖTTING, Recht, Leben und Wissenschaft, 1855, Seite 69f; vgl. auch die bei BESELER, § 14 zitierten älteren Schriftsteller.
    33) SAVIGNY, System. a. a. O., Bd. 1, Seite 46; vgl. mit Seite 14, § 19 und 20.
    34) Ähnlich scheint BESELERs Ansicht, Deutsches Privatrecht, Bd. 1, § 14, Seite 30. Er verkennt die Bedeutung der sogenannten Natur der Sache in keiner Weise, glaubt indessen in seinem  Volksrecht, d. h. dem Recht der gemeinsamen Überzeugung  eine für alle Fälle genügende Rechtsquelle zu besitzen. - Entweder ist dies eine Täuschung, oder unter  gemeinsamer  Überzeugung wird in Wahrheit die  nicht gemeinsame  Rechtsüberzeugung, d. h. die subjektive Vernunft verstanden. Vgl. das Nähere über diese Fiktion weiter unten in § 4.
    35) Daß übrigens auch der alten naturrechtlichen Schule die Einsicht in die Notwendigkeit der Berücksichtigung der realen Verhältnisse nicht völlig fremd, wenn auch wenig klar war, beweist die von den Verfassern des Preußischen Landrechts am 15. Juni 1788 aufgestellte Preisaufgabe, betreffende die Abfassung eines Lehrbuchs des Naturrechts und preußischen positiven Rechts. Es heißt darin: "Ein solches Naturrecht schränkt sich also nicht bloß auf die Befugnisse und Obliegenheiten des im Stand der Natur lebenden Menschen ein, sondern es setzt zugleich die mancherlei Lagen, Zustände und Verhältnisse voraus, in welchen der Mensch sich in der bürgerlichen Gesellschaft befindet." (BORNEMANN, Systematische Darstellung des Preußischen Zivilrechts, Bd. 1, 2. Auflage, 1842, Seite 22)
    36) Die Art der Fassung all dieser Sätze ist in gewissenm Grad gleichgültig, wenn nur über das Wesen der Sache Übereinstimmung herrscht. Nur scheint die Substituierung der Wissenschaft anstelle der Natur der Sache auch materiell bedenklich, da die Begriffe in vielen Punkten auseinandergehen und die Wissenschaft außerdem manche anderen selbstständigen Aufgaben hat, die eine gesonderte Behandlung derselben doch erforderlich machen.
    37) Als Inhaber derselben wird im Folgenden stets nur der Staat genannt werden. Durch wen und wie er sie ausübt, ist hier ebenso gleichgültig als das Faktum, daß sie im Lauf der historischen Entwicklung auch anderen zugestanden hat, bzw. in gewisser Weise noch zusteht.
    38) PUCHTA, Gewohnheitsrecht II, Seite 201. Vorlesungen zu § 10 und 13.
    39) Vgl. weiter unten § 4.
    40) "Die Fiktion enthält weder ein schöpferisches Prinzip, noch vermag sie eine juristische Basis zu bilden, sie ist vielmehr umgekehrt nur die abgekürzte Formel für die bereits geschaffene und begründete Ordnung der Dinge: sie ist ein Werkzeug juristischer Terminologie, nicht ein Werkzeug juristischer Konstruktion." - UNGER, Österr. Erbrecht, § 7, Anm. 10 und die dort Zitierten.
    41) Diese scharfe Unterscheidung des vom Staatswillen verkündeten und nur auf ihm beruhenden Gesetzes vom Recht der gemeinsamen Überzeugung findet sich klar und bestimmt namentlich bei BÖHLAU, a. a. O., § 43 und Seite 278. Doch weichen wir in der Bestimmung des der Rechtsüberzeugung dem Gesetz gegenüber zuzuerkennenden Aufhebungsrechts wesentlich voneinander ab. Vgl. weiter unten § 7, und die folgende Anmerkung.
    42) Anders begründet BÖHLAU a. a. O. diese Verpflichtung. Ihmist Recht = Rechtsüberzeugung der Gesellschaft; Gesetz ist keine Spezie des Rechts, sondern lediglich Staatwille. (Doch bezeichnet er es auch als Rechtsnorm, Seite 275 und 276). Der Staat aber ist seiner Bestimmung nach verpflichtet, dem Recht die gebührene Herrschaft zu sichern. - Mir scheint diese neue begriffliche Gegenüberstellung von Recht und Gesetz weder dem Rechtsbegriff, der nicht identisch ist mit einer Rechtsüberzeugung, noch auch dem hergebrachten Sprachgebrauch zu entsprechen, welcher unbedenklich stets "Gesetzesrecht", und ähnliche Worte angewendet hat. Das von BÖHLAU gewollte Resultat scheint auch durch die im Text versuchte Gegenüberstellung von materiellem und formellem Recht erreicht zu werden. Vgl. weiter unten § 4, Anm. 1
    43) Die Begründung der Geltungskraft des Gesetzes, als Ausfluß des Staatswillens stützt sich in letzter Instanz auf einen der PUCHTAschen Begründung des Gewohnheitsrechts (Bd. 1, Seite 181) ähnlichen, aber in diesem Fall wirklich zutreffenden Gedankengang: Gesetze gelten, weil die Existenz des Staates selbst anerkannt ist. Eine Einigung über die tiefere philosophische Begründung beider Sätze ist aber weder wahrscheinlich, noch für das Rechtsleben nötig.