tb-1p-3B. ErdmannA. MesserD. I. SlobinR. Hönigswald    
 
WILHELM WINDELBAND
Über den Einfluß des Willens
auf das Denken

[eine Antrittsvorlesung]

"Bei unbefangenen, natürlichen Menschen, bei Kindern und Ungebildeten, werden diejenigen Assoziationen die häufiger bevorzugten sein, welche durch eine gleichzeitige Sinneswahrnehmung hervorgerufen oder in sinnlich anschaulicher Weise vermittelt sind; bei dem mehr geistig lebendigen Menschen liegen dagegen diejenigen Reproduktionen am nächsten, in welchen gedankliche Beziehungen das Bindeglied bilden."

"Die Gefühle treten durchaus nicht immer selbst in das Bewußtsein, sondern sie schieben sozusagen die Vorstellungen, an denen sie sich erregen, vor. Daraus geht hervor, daß unsere Vorstellungen den Kampf um den eigenen Bewußtseinsraum, der jeden Augenblick neu zwischen ihnen entbrennt, nicht mit den eigenen, sondern mit geborgten Waffen, mit denjenigen der ihnen angeschmolzenen Gefühle auskämpfen. Im Turnier des Seelenlebens sind die Vorstellungen nur die Masken, hinter denen sich die wahren Streiter, die Gefühle, vor dem Auge des Bewußtseins verbergen."

"Das natürliche Denken, auch wo es vom lautersten Wahrheitsbedürfnis getrieben wird, unterliegt vermöge seiner Unerfahrenheit und seiner ursprünglichen Leichtgläubigkeit, ohne es zu ahnen, einer Fülle von Täuschungen, und so ist auch das sittlich gegründete Wahrheitsstreben seiner Erfüllung durchaus nicht gewiß. Zahllose Denker hat die Geschichte, vom reinsten Erkenntnistrieb beseelt, in den Wirrsalen trauriger Irrtümer enden sehen!"


Dem scheinbar regellosen Verlauf, mit welchem sich die Vorstellungen ohne unser Zutun, wie wir meinen, in uns abwechseln, setzt eine verbreitete und auch wissenschaftlich vielfach verwendete Ansicht das durch den Willen beherrschte, nach bewußten Absichten gestaltete Denken als ein wesentlich Verschiedenes gegenüber. Im ersten Fall scheint es, als spiele sich der ganze Vorstellungsmechanismus im leeren Raum unseres Bewußtseins nur wie ein zufällig hineingeratenes Getümmel selbständig ab; im anderen Fall glauben wir aus der Natur unseres Bewußtseins den Gedankengang als unseren eigenen zu erzeugen. Es ist für die psychologische Betrachtung wie für logische Theorien gleich wichtig, darüber klar zu werden, ob dieser Unterschied zwischen dem unwillkürlichen und dem willkürliche Denken wirklich von so prinzipieller Bedeutung ist, wie es danach erscheinen könnte, ob der Einfluß des Willens in der Tat den Charakter unserer Denkbewegung in so entscheidender Weise verändert.

Zweifellos ist zunächst die Tatsächlichkeit dieses Einflusses, den der bewußte Wille auf den Verlauf unserer Vorstellungsbewegung ausübt. Daß wir willkürlich unsere Aufmerksamkeit auf die Aufnahme bestimmter sinnlicher Wahrnehmungen richten und konzentrieren, - daß wir willkürlich frühere Vorstellungen in unser Bewußtsein zurückrufen und, wie wir zu sagen pflegen, im Schatz unserer Erinnerungen danach mit vollbewußter Absicht suchen, - daß wir im willkürlichen Nachdenken um mannigfacher Zwecke willen Aufmerksamkeit und Erinnerung dazu verwenden, Begriffe, Urteile und Schlüsse aus der bewußten Absicht zu erzeugen: das sind so sehr einem Jeden bekannte und so völlig unzweifelhafte Tatsachen, daß man sich darüber nur wundern sollte, weshalb das Problem, wie dieser Einfluß des bewußten Willens auf das Denken zu begreifen ist, sich bisher von den Psychologen verhältnismäßig nur sehr geringer und höchstens gelegentlicher und nebensächlicher Beachtung zu erfreuen gehabt hat. Vielleicht, weil sich die alte Erfahrung wiederholte, daß gerade das Geläufigste und Gewohnteste am spätesten die Aufmerksamkeit der erklärenden Wissenschaft auf sich zu ziehen pflegt, - vielleicht auch aus dem anderen Grund, weil die Auffassung der älteren Psychologie dieses Problem mehr verdeckte und weil die Erkenntnismittel, welche derselben zu Gebote standen, in der Tat zur Lösung dieser Aufgabe unzureichend waren.

Diese ältere Psychologie hatte bekanntlich den leeren Raum des von ihr angenommenen "Seelenwesens" mit einer Reihe von metaphysischen Gespenstern bevölkert, welche sie "Vermögen" nannte, und welche in Wahrheit nur Abstraktionsbegriffe aus der Gleichartigkeit psychischer Tatsachen waren. Da gab es ein Empfindungsvermögen, ein Gefühlsvermögen - und wer weiß was diese arme Seele noch alles für Vermögen haben sollte. Es ist aber diese Annahme selbständiger Seelenvermögen nicht weniger ungerechtfertigt und ungereimt, als wenn z. B. die Naturwissenschaft die Gravitationskraft oder die magnetische Kraft als selbständige Wesen betrachten wollte, während sie darin nur gesetzmäßige, d. h. allgemein sich gleichbleibende Wirkungsweisen des körperlich Seienden sieht und sehen darf. Nachdem aber einmal durch jene mit Recht als "mythologisch" bezeichnete Operation die Seele in lauter selbständige kleine Seelchen gesplittert war, so fand man weiter kein Arg darin, das eine dieser Vermögen auf das andere einwirkend und den Gang von dessen Tätigkeiten modifizierend zu denken: und da unter diesen Seelenvermögen auch der Verstand als Denkvermögen und der Wille als Begehrungsvermögen figurierten, so ist es gar nicht verwunderlich, daß man auf das bezeichnete Problem sich nicht sonderlich viel eingelassen hat.

Anders steht zu dieser Sache die neuere Psychologie. Sie muß sich zwar in ihrer Ausdrucksweise der von jener älteren Auffassung beherrschten Sprache akkomodieren, und spricht, um nicht überall gar zu weitläufig zu werden, auch vom Willen und vom Verstand, als wären das solche abstrakten, selbständigen Dinge: aber das sind für sie eben nur bequeme Abkürzungen ihres Ausdrucks, und sie geht dem gegenüber von der Ansicht aus, daß die Gruppe von Erfahrungstatsachen, welche wir als unser Seelenleben bezeichnen, in der Bewegung einfacher und ursprünglicher Elemente besteht. Sie stellt sich deshalb die Doppelaufgabe, einerseits diese Urtatsachen des psychischen Lebens in ihrem gesetzmäßigen Ursprung festzustellen, andererseits diejenigen Formen aufzusuchen, in welchen sich nach festen Gesetzen diese einfachen Elemente zu den komplizierten Gebilden verknüpfen, die den unmittelbaren Gegenstand unserer inneren Erfahrung ausmachen. Erst vor dieser Auffassung der seelischen Vorgänge treten die wirklichen Schwierigkeiten der Probleme hervor; erst sie aber besitzt auch die Mittel, um deren Überwindung wenigstens anzubahnen. Von ihr fällt auch ein neues Licht über die Frage, "wie wir etwas denken können deshalb, weil wir es denken wollen."

Es ist eine unnötige Vermehrung jener Schwierigkeiten, welche man sich durch eine fast sophistische Wendung der Sache bereitet hat. Bewußte Absicht setzt im Allgemeinen die Vorstellung des zu erreichenden Zieles voraus. Wer nun mit bewußter Absicht Etwas denken will, der, hat man gesagt, muß doch schon wissen, was er denken will: d. h. er hat schon, was er will, und sein ganzes Denkenwollen ist vollständig unnütz. Der Sophismus dieser Argumentation ist so offenkundig und so leicht zu entwirren, daß er kaum hätte erwähnt werden sollen, wenn nicht in seiner Auflösung zugleich eine sehr wertvolle Mahnung für das philosophische Denken und ein fruchtbarer Ausgangspunkt für weitere Betrachtungen läge. Es ist nämlich ganz klar und einfach, daß zwar jenes "Etwas", welches wir denken wollen, im Augenblick des Wollens in der Tat selbst noch nicht bekannt sein darf, daß dagegen die Beziehungen bekannt sein müssen, in welchen dieses unbekannte "Etwas" zu anderen bekannten Vorstellungen steht, - mit anderen Worten, daß es gesucht wird nur vermöge der Stellung, welche es in dem sonstigen System der Vorstellungen entweder schon einnimmt oder einnehmen soll. Ebenso wie wir in der Rechnung jedes  X  nur bestimmen können, insofern es eine bekannte Funktion bekannter Größen ist, so kann auch in all unseren Gedanken Unbekanntes nur von Bekanntem aus gesucht werden. Es liegt im Begriff des Suchens, des bewußten Findenwollens, daß man mit einer Anzahl bekannter Vorstellungselemente ein bisher unbekanntes zu bestimmen hat: ins Blaue hineingerät.

Bei allem durch eine bewußte Absicht vollzogenen Denken liegen somit die Motive sowohl als auch die Ansatzpunkte in dem schon vorliegenden Denkstoff, mit welchem das Gesuchte in bekannten Beziehungen stehen soll. Ein sogenannter "beziehungsloser Gedanke" kann durch absichtliches Nachdenken gar niemals gewonnen werden, und es war eine verhängnisvolle Täuschung, wenn in der Geschichte der Philosophie hin und wieder Versuche gemacht worden sind, das Denken sozusagen  ab ovo  [vom Ei weg - wp] zu beginnen und einen "voraussetzungslosen" Anfang des Philosophierens zu finden. Ein solcher kann nie aus bewußtem Nachdenken, sondern nur aus "mystischer Eingebung" stammen - einem Vorzug, der manchem Philosophen vielleicht als Menschen, jedenfalls aber nicht in seiner Eigenschaft als Philosoph zuteil werden mag. Alles Nachdenken ist seinem Wesen nach voraussetzungsvoll; es gibt in ihm keinen einfachen Punkt, der ansich gewiß der Träger aller übrigen Gewißheit wäre. Die menschliche Erkenntnis besteht vielmehr in letzter Instanz aus einem System von Gedanken, welche, von den verschiedensten Ansatzpunkten aus erwachsen, sich mit ihrer Überzeugungskraft gegenseitig stützen und tragen, und die letzte Gewißheit besteht für jeden einzelnen nur in der widerspruchslosen Übereinstimmung, mit der er sich dem Zusammenhang des Ganzen einfügt.

Das Denkenwollen setzt somit überall den Tatbestand des unwillkürlichen Denkens voraus; es ist erst da möglich, wo schon ein nach mannigfachen Beziehungen geordnetes System von Vorstellungen, d. h. also ein relativ entwickelter psychischer Organismus vorliegt. Die Erfahrung der Kinderstube bestätigt diese Folgerung. Die willkürliche Aufmerksamkeit, das "Aufpassen" von innen heraus tritt erst ein, wenn eine Reihe von Erfahrungen gemacht worden sind und sich festgesetzt haben; und die ersten Spuren absichtlichen Nachdenkens sind bekanntlich noch viel späteren Datums. Jedenfalls also bildet das unwillkürliche Denken die Grundlage des willkürlichen; es enthält teils die Veranlassung des letzteren, teils bietet es die Mittel, wodurch dasselbe seine Absicht erfüllt.

Allein die Einsicht dieser unumgänglichen Bedingung ist noch nicht diejenige in die Art und Weise, wie es der bewußte Wille fertig bekommt, den Gang der Vorstellungsbewegung nach seinen Absichten zu bestimmen und zu beherrschen. Diesen Kern des Problems haben die Psychologen meistens mit einer nichtssagenden Parallele umgangen. Wir müssen dabei die Versicherung hinnehmen, das Verständnis dieses Vorgangs sei uns ebenso verschlossen, wie dasjenige der ähnlichen Beziehung, vermöge deren der bewußte Wille die Glieder unseres Leibes seinen Absichten gemäß in Bewegung setzt. In beiden Fällen bedient sich der Wille zur Erreichung seiner Zwecke eines Teils in Form einer natürliche Vorrichtung vorgefundenen teils durch die Gewöhnung früherer Tätigkeiten eingeübten Mechanismus; hier sei es der physiologische Mechanismus der Auslösung von Nervenerregungen, dort der psychologische Mechanismus von Vorstellungsbewegungen. Wie aber die Benutzung dieses Mechanismus herbeigeführt wird, dvon weiß der Wille selbst im einen Fall so wenig wie im anderen, und das bleibt auch für die wissenschaftliche Forschung ein undurchdringliches Geheimnis.

Der Vergleich liegt nahe, und doch hinkt er mehr, als es sonst wohl Vergleichen gestattet ist. Das freilich läßt sich nicht bestreiten, daß das natürliche Bewußtsein, wenn es dort die Glieder des Leibes, hier die Gedanken in Bewegung setzt, in beiden Fällen gleich wenig von dem dabei benutzten Mechanismus wie von der Art dieser Benutzung weiß. Wir wissen weder, wie wir es machen, um unseren Arm auszustrecken, noch was wir eigentlich anstellen, wenn wir uns auf einen entfallenen Namen besinnen. Für die wissenschaftliche Erkenntnis aber zeigt sich sogleich ein sehr wichtiger Unterschied beider Vorgänge. Alle Erkenntnis nämlich des Physiologischen Mechanismus, der im einen Fall spielt und der die Bewegung der peripheren Organe von gewissen Erregungen zentraler Nervenkomplexe abhängig zeigt, läßt uns auch nicht im Geringsten die Beziehung begreifen, in welcher eben diese anfängliche Erregung der Gehirnganglien zu der bewußten Absicht steht, die wir als erste Ursache der Leibesbewegung anzusehen gewohnt sind. In diesem Fall ist also die Einsicht in das Wesen des vom Willen benützten Mechanismus auch nicht im Entferntesten mit derjenigen in die Form und die Möglichkeit dieser Benutzung verbunden. Unser Wille scheint dabei auf einem unendlich kompliziert gebauten Instrument zu spielen; wir vermögen eine annähernde Erkenntnis der Einrichtung dieses Instruments und der in ihm stattfindenden Übertragungsvorgänge zu gewinnen, mittels deren aus anfänglichen zentralen Erregungen kräftige Bewegungserscheinungen in der Peripherie resultieren. Aber ob überhaupt und wie der innere Zustand, welchen wir als bewußte Absicht bezeichnen, jene erste Erregung hervorrufen,  wie  der Wille auf diesem Instrument spielen kann, - das begreifen wir nicht.

Der Grund davon ist der, daß wir in dieser Benutzung des Leibes durch den Willen eine Art jener Übertragung der psychischen Tätigkeit in die physische Welt vor uns haben, welche bisher überhaupt jeder menschlichen Erklärungsfähigkeit spottet. So mannigfach auch die Theorien sind, welche im Verlauf der Geschichte der Wissenschaften über das Verhältnis leiblicher und seelischer Funktionen aufgestellt worden sind, - keine genügt bisher völlig, und keine von allen vermag die fortwährend sich vollziehende Verwandlung der einen in die anderen, selbst unter dem Gesichtspunkt, daß sie nur scheinbar stattfinden sollte, zu erklären. Diese Übertragung liegt nun aber im anderen Fall, demjenigen der Benutzung des Vorstellungsmechanismus durch den Willen nicht vor; hier ist es die psychische Funktion der bewußten Absicht, welche sich zu ihrer Realisierung eines gleichfalls psychischen Mechanismus bedient; hier ist also jene Kluft, die im anderen Fall den Abschluß der Erklärung verhindert, nicht zu fürchten, sondern es steht vielmehr zu hoffen, daß die volle Einsicht in das Wesen des Vorstellungsmechanismus uns auch die Möglichkeit seiner Beeinflussung durch den bewußten Willen begreiflich machen wird.

Es ist deshalb nötig, wenigstens in allgemeinen Umrissen das Bild dieses Vorstellungsmechanismus vorzuführen, in welchen nach der gewöhnlichen Ansicht der bewußte Wille hie und da bestimmend eingreift. Dieses "unbeherrschte Spiel des Vorstellungsverlaufs" setzt sich aus zwei verschiedenen Bestandteilen zusammen. Einerseits nämlich strömen beharrlich von der Außenwelt her durch die Sinneseindrücke neue Vorstellungen in unser Inneres ein, andererseits findet zwischen diesen neuen Elementen und den aus der Erinnerung aufsteigenden älteren Vorstellungen eine ununterbrochene Bewegung statt. Die Reihenfolge jener sinnlichen Eindrücke hängt selbstverständlich im Allgemeinen vom Zustand unseres physischen Organismus und seinen Verhältnissen zu den bewegten Körpern seiner Umgebung ab; diese rein innerliche Bewegung dagegen unterliegt denjenigen psychologischen Gesetzen, welche als diejenigen der  Assoziation  bekannt sind. Denn der Vorgang der Reproduktion ist überall von demjenigen der Verschmelzung abhängig. Ohne in eine genaue Entwicklung der teilweise noch strittigen Assoziationstheorie einzugehen, lassen sich doch die Grundformen der Verschmelzung leich und sicher aufweisen. Das Verwachsen der Vorstellungen zeigt sich teils durch die Verhältnisse ihres Inhalts, teils durch die Art ihres Auftretens im einzelnen Bewußtsein bedingt. Vorstellungen, welche gleichzeitig oder in unmittelbarer Sukzession in dasselbe Bewußtsein getreten sind, pflegen sich gegenseitig zu reproduzieren, und zwar umso sicherer, je häufiger vorher diese Gemeinsamkeit ihres Bewußtwerdens stattgefunden hat. Auf der anderen Seite weiß jeder,daß Ähnlichkeiten und Verwandtschaften, daß gedankliche Beziehungen allerlei Art derjenigen Verschmelzun von Vorstellungen herbeiführen, vermöge deren die eine die andere nach sich in das Bewußtsein hineinzuziehen bestrebt ist. Schon aus diesem flüchtigen Blick auf die der allgemeinen Erfahrung geläufigen Formen der Assoziation kann man abnehmen, worauf es hier allein ankommt, daß nämlich im entwickelten psychischen Organismus jede Vorstellung sich mit einer großen Anzahl anderer im Zustand mehr oder weniger fester Verschmelzung befindet, sodaß beim Neueintritt jener ersten all die anderen gleichfalls in das Bewußtsein zurückzukehren streben. Nun ist aber unser Bewußtsein ein verhältnismäßig nur sehr enger Raum, in welchem jeden Augenblick nur eine höchst beschränkte Anzahl von Vorstellungen nebeneinander Platz haben, und da somit von den zahlreichen Vorstellungen, die von einer gegebenen Vorstellung aus den Assoziationsgesetzen gemäß reproduzier zu werden vermöchten, immer nur einige, gewöhnlich sogar zunächst nur  eine  wirklich bewußt werden kann, so entsteht eine Art von Wettstreit zwischen all diesen Vorstellungen, und es fragt sich, ob wir imstande sind, vorauszusagen, welche darin den Sieg davontragen und das Bewußtsein für sich erobern wird.

Allein damit ist es noch nicht abgetan. Denn diese Konkurrenz der reproduzierbaren Vorstellungen würde allein in Betracht kommen nur in dem Fall, wo das Bewußtsein von den Eindrücken der Außenwelt total isoliert wäre und dann also nur aus seinem bisherigen Besitzstand die Gedankenkette der Erinnerungen fortspinnt. Dieser Zustand ist (innerhalb des unwillkürlichen Denkens, mit dem wir es ja hier zunächst zu tun haben) höchstens annähernd im Traum des tiefen Schlafes vorhanden, und nur in ihm folgt daher die Vorstellungsbewegung bedingungslos den Assoziationsgesetzen. Im wachen Zustand dagegen greifen bekanntlich in diese Reproduktionsbewegung fortwährend die neu erregten Sinneseindrücke ein, indem sie die Aufmerksamkeit des Bewußtseins auf sich ziehen und damit von den durch Assoziation zu reproduzierenden Vorstellungen ablenken. Aber auch diese Sinneswahrnehmungen stehen fortwährend nicht nur auf diese Weise mit den Assoziationsvorstellungen, sondern auch untereinander in einem Wettstreit um das Bewußtsein. Auf jeden unserer Sinne werden von der umgebenden Welt in ununterbrochenem Wechse Reize ausgeübt; Lichtwellen, Schallwellen, Wärmeschwingungen usw., treffen fortwährend auf die Enden unseres Nervensystems, und jeder dieser Reize kann unter geeigneten Bedingungen eine bewußte Empfindung hervorbringen. So wird, wenn man sich bildlich ausdrücken darf, jener enge Raum unseres Bewußtseins teils von innen teils von außen her in jedem Moment von zahllosen Vorstellungsreizen bestürmt, von denen  in abstracto  jeder die Fähigkeit des Bewußtwerdens besitzt, in concreto aber immer nur äußerst wenige, meistens nur  einer  wirklich bewußt werden kann.

Auch dieser Gesamtzustand des unwillkürlichen Denkens ist freilich beim entwickelten Menschen seltenrein und in längerer Ausdehnung zu beobachten. Das Bedürfnis des praktischen Lebens und die Leichtigkeit der Erregung bewußter Absichten durchkreuzen ihn, wenn er eingetreten ist, gewöhnlich sehr bald wieder, und so vielfach dieser unwillkürliche Gedankenabfluß in uns stattfindet, so selten ist doch für längere Zeit der völlige Ausschluß des bewußten Denkenwollens. Es sind hauptsächlich die Zustände des träumenden Wachens* oder des wachen Traums, in denen dieses unbeherrschte Spiel eines psychischen Mechanismus sich in uns entfaltet, wenn wir uns in behaglicher, absichtsloser Stimmung ganz dem Ablauf unserer Gedanken überlassen. Da fällt uns bei dieser oder jener Wahrnehmung mancherlei aus alten Erlebnissen ein, Erinnerung spinnt sich an Erinnerung, wir kommen "vom Hundertsten ins Tausendste", bis eine neue Wahrnehmung, Etwas, das wir sehen oder hören, uns in Anspruch nimmt und der Ausgangspunkt eines neuen Gedankenspiels wird, welches dann ähnlich zugunsten eines Dritten endet usw.

Die schwierige Aufgabe einer Theorie des unwillkürlichen Vorstellungsverlaufs ginge nun dahin, die statischen Verhältnisse zu bestimmen, in denen sich die Entscheidung des Bewußtseins zwischen der Masse der sich in ihm in jedem Augenblick aufdrängenden Vorstellungen vollzieht. In besonderen Verhältnissen scheint das nicht allzu schwer. Was zunächst den Wettstreit der verschiedenen Sinneseindrücke untereinander betrifft, so wissen wir alle, daß bei Ausschluß anderer Bedingungen die Aufmerksamkeit des Bewußtseins sich jedesmal dem stärksten Eindruck zuwendet. Und da die Stärke des Eindrucks derjenigen des äußeren Reizes zwar nicht direkt, aber doch in einem bekannten logarithmischen Verhältnis proportional ist, so können wir für den Fall, daß dieses Prinzip das allein bestimmende ist, aus der Kenntnis der verschiedenen Reizstärken die Richtung welche das Bewußtsein nehmen wird, voraussagen. Freilich ist das zunächst nur bei Eindrücken ein und desselben Sinnes direkt anwendbar: wie stark dagegen z. B. ein Ton sein muß, um das Bewußtsein von einer bestimmten Intensität des Lichteindrucks abzulenken, würde schon sehr viel schwieriger zu bestimmen sein; hauptsächlich deshalb, weil hier nie die reinen Intensitätsverhältnisse unabhängig von Assoziationsvorstellungen in der Erfahrung darstellbar sein würden. Man bedürfte dazu vermutlich einer ganz genauen Kenntnis des Äquivalents von Nervenerregung, welches jedem der beiden ansich unvergleichlichen Reize entspricht.

Allein diese psychophysischen Fragen erscheinen leicht und einfach gegenüber der vielverwickelteren Mannigfaltigkeit der rein psychischen Kreuzungen. Denn da hier vermöge der großen Anzahl von Verschmelzungen, in welchen sich beim entwickelten psychischen Organismus jede Vorstellung befindet, von derselben aus sehr viele Wege der Reproduktion offen stehen, so erscheint der gewöhnlichen Auffassung der tatsächliche Gang, den das Bewußtsein seiner Enge wegen natürlich immer nur in einer bestimmten Richtung nehmen kann, als durchaus zufällig, launenhaft und unberechenbar. In der gegenteiligen Überzeugung, daß auch hier feste Gesetze walten, wird die Psychologie dadurch bestätigt, daß sie in diesem Dunkel doch zumindest hie und da schon Licht zu sehen vermag. Zunächst läßt uns der Umstand, daß fast alle Vorstellungen zusammengesetzten Inhalts sind, eine Erklärung für die verschiedene Festigkeit und Haltbarkeit der Assoziationen finden. Je größer nämlich die Anzahl der Elemente ist, welche zwei Vorstellungen gemeinsam haben, umso lebhafter wird sich auch die Bindekraft der Assoziation zwischen ihnen betätigen, und wir werden daher - ceteris paribus [unter sonst gleichen Umständen - wp]- den Vorstellungsmechanismus immer die Richtung nach der am meisten verwandten Vorstellung einschlagen sehen. In weiterer Hinsicht zeigt sich ein bemerkenswerter Unterschied zwischen den verschiedenen psychischen Organisationen. Bei unbefangenen, natürlichen Menschen, bei Kindern und Ungebildeten, werden diejenigen Assoziationen die häufiger bevorzugten sein, welche durch eine gleichzeitige Sinneswahrnehmung hervorgerufen oder in sinnlich anschaulicher Weise vermittelt sind; bei dem mehr geistig lebendigen Menschen liegen dagegen diejenigen Reproduktionen am nächsten, in welchen gedankliche Beziehungen das Bindeglied bilden. Das gilt so im Allgemeinen; doch entziehen sich bisher zumindest alle diese Verhältnisse noch durchaus einer genauen und für die Erklärung des einzelnen Falles sicher genügenden Analyse.

Am ungünstigsten schließlich steht es mit unserer Einsicht in diejenigen Verhältnisse, nach denen die neu erregten sinnlichen Eindrücke von den rein innerlichen Bewegungen des Denkens und umgekehrt diese von jenen die Aufmerksamkeit des Bewußtseins abzulenken vermögen. Zwar wird die Psychologie auch hier aus der allgemeinen Erfahrung die Tatsachen registrieren dürfen, daß unter gewöhnlichen Umständen schwache und gewohnte Sinneseindrücke keinen oder zumindest keinen merklichen Einfluß auf die innerliche Vorstellungsbewegung ausüben, daß dagegen starke und ungewohnte Eindrücke sofort jenes innere Spiel der Gedanken über den Haufen zu werfen geeignet sind. Allein von irgendeiner gesetzmäßigen Bestimmung der relativen Stärkegrade, bei welchen das eine oder das andere eintritt, sind wir noch sehr weit entfernt.

Umso günstiger und wertvoller ist es, daß allen diesen unsicheren Verhältnissen gegenüber mit voller Klarheit und Sicherheit eine andere Grundtatsache aufgestellt werden kann, welche zu ihnen allen sich in einem gewissen Gegensatz befindet. Alle die soeben skizzierten allgemeinen Regeln erleiden nämlich sofort eine Ausnahme, sobald eine der für das Bewußtsein möglichen Vorstellungen ein besonderes Interesse oder ein lebhaftes Gefühl erweckt. Aller Lärm der umgebenden Welt ist ohnmächtig gegen einen leisen Laut, der die Saiten unseres fühlenden Innern in Mitschwingung zu setzen vermag; keine Festigkeit der Vorstellungsassoziation hält Stand vor dem Einfluß des Interesses, welches uns von einer Vorstellung zu einer anderen damit vielleicht nur ganz lose zusammenhängenden überzugehen nur deshalb veranlaßt, weil an diesem Punkt sich die größte Lebhaftigkeit unserer Gefühle entfaltet; auch der festest geknüpfte Faden unseres Phantasiespiels reißt ab, sobald in einem, wenn auch nur ganz schwachen Sinneseindruck unser persönliches Gefühl rege wird; und andererseits hindern selbst mächtige Wirkungen der Außenwelt die unwillkürliche Fortspinnung unserer Gedanken nicht, wenn dieselbe nur mit unserem Interesse verknüpft ist. So unbestimmt und allgemein gehalten auch diese Beobachtungen ansich sein mögen, so genügen sie doch völlig zur Begründung des Satzes, daß der bisher betrachtete Verlauf des sich selbst überlassenen Vorstellungsmechanismus in jedem Augenblick durch den Einfluß der Gefühle gestört und in andere Bahnen gelenkt werden kann, als er ohne dieselben verfolgt haben würde.

Diese Einsicht in die von den Gefühlen ausgehende Beeinflussung des unwillkürlichen Vorstellungsverlaufs nimmt nun aber eine überraschende Tragweite an, sobald wir eine andere Lehre in Betracht ziehen, welche eine der glücklichsten Errungenschaften der neueren Psychologie ist, - diejenige von der "Allgegenwart der Gefühle". Je schärfer man nämlich in die Analyse des seelischen Lebens eingedrungen ist, umso näher ist man der Erkenntnis der Grundtatsache gerückt, daß es keinen Vorstellungszustand gibt, der nicht in einer sie es auch noch so schwachen Weise mit einer Gefühlserregung verknüpft wäre. Von den Sinnesempfindungen an, unter denen keine einzige ohne einen bestimmten Gefühlston ist, der freilich bei der einen deutlicher hervortritt als bei der anderen, bis hinauf zu den höchsten und besten Erzeugnissen des denkenden Geistes sind alle unsere Vorstellungen auf das Innigste mit Gefühlen verwoben, welche bei ihrer Reproduktion sogleich wieder in Wirksamkeit treten. Jede Vorstellung steht in einem gewissen Verhältnis zum ganzen psychischen System, in welchem sie auftritt, und eben dieses Verhältnis findet in dem sie begleitenden Gefühl seinen Ausdruck. Ist aber diese Allgegenwart der Gefühle eine Tatsache, so findet jene Störung der rein theoretischen Assoziationsvorgänge, welche wir aus besonders in die Augen fallenden Tatsachen erschließen konnten, fortwährend statt, und jene Assoziationsgesetze, für deren Geltung deshalb auch oben stets der "Ausschluß anderer Bedingungen" in Anspruch genommen werden mußte, haben sich uns nur durch besonders günstige Fälle zu erkennen gegeben, in welchen der Einfluß der Gefühle ein verhältnismäßig geringer oder gleichmäßig verteilter war und deshalb vernachlässigt werden durfte.

Diese Mitwirkung der Gefühle ist es nun in der Tat, welche das Geheimnis der Launenhaftigkeit und Unberechenbarkeit des unwillkürlichen Vorstellungsverlaufs enthüllt. Wären wir nur vorstellende Wesen, so könnte unser Bewußtsein in jedem Augenblick nur einerseits der stärksten Sinneseinwirkung, andererseits der festesten Vorstellungsassoziation folgen - wie es sich freilich mit der Wahl zwischen beiden dann abfinden sollte, wäre vollkommen unausfindlich. So aber, aufgrund der Allgegenwart der Gefühle, können wir es als allgemeines Gesetz aufstellen, daß das Bewußtsein in jedem Augenblick diejenige Vorstellung ergreift, welche unter den von innen, wie den von außen erregten die lebhafteste Gefühlserregung mit sich führt.

Ja, es scheint sogar der Versuch nahe gelegt, dem Gedanken nachzugehen, ob nicht jene oben aus der Erfahrung entwickelten Gesetze der scheinbar rein theoretischen Assoziation sich zuletzt aus diesem obersten Grundgesetz ableitbar erweisen. Wenn die physiologische Psychologie nachweist, daß der mit einer Sinnesempfindung verschmolzene Gefühlston stets in Beziehung zur Intensität der entsprechenden Empfindung steht, so begreift sich eben vermöge dieses Grundgesetzes, weshalb die Bewußtwerdung der Sinneseindrücke von ihrer relativen Stärke abhängt, sowohl wenn sie miteinander, als auch wenn sie mit Assoziationsvorstellungen konkurrieren. Daß ferner überhaupt zwischen dem Sinneseindruck auf der einen Seite und der assoziativen Reproduktion auf der anderen Seite ein Wettstreit stattfindet, ist nur unter der Voraussetzung eines vergleichbaren Intensitätsgrades beider Elemente zu begreifen. Und seitdem man sich (1) überzeugt hat, daß die Meinung von einer verschiedenen Intensität der Vorstellungstätigkeit als solcher irrig ist, bleibt nichts übrig, als diese Kraft, mit der sich die Vorstellungen bei ihrem Wettstreit messen, in den sie begleitenden Gefühlen zu suchen. Was schließlich die andere Tatsache anlangt, daß Vorstellungen sich umso leichter gegenseitig reproduzieren, je mehr sie einen gemeinsamen oder aufeinander bezogenen Inhalt haben, so wird das so zu begreifen sein, daß der letzte Grund für die Verschmelzung gleicher oder ähnlicher Vorstellungen in der Verwandtschaft der mit ihnen verwachsenen Gefühle besteht. Diese Grundform der Assoziation tritt sogar direkt als Erfahrungstatsache hervor, und sie wurde in der obigen Aufzählung der Assoziationsgesetze nur deshalb übergangen, weil es sich dort nur um die scheinbar rein theoretischen Verknüpfungen handelte. In der Tat aber ist es eine der wichtigsten und häufigsten Formen der Assoziation, daß zwischen ansich völlig disparaten Vorstellungen lediglich die Gleichheit oder Verwandtschaft der mit ihnen verwachsenen Gefüle als Bindemittel auftritt. Vielleicht ist die Verschmelzung des gleichzeitig im Bewußtsein Auftretenden in dieser Weise durch die Mitwirkung des sogenannten Allgemeingefühls zu erklären; aber auch sonst sind die Beispiele dafür sehr häufig, und es spielt diese Art der Assoziation namentlich bei Übertragungen von Vorstellungen und Bezeichnungen aus einem Gebiet in ein anderes eine große Rolle. Wenn wir von der Wärme eines Farbentons sprechen, so sind in diesem Ausdruck die spezifischen Vorstellungen dreier Sinnessphären verschmolzen, zwischen welchen nur die Analogie der Gefühlswirkung vermitteln konnte.

Hiernach nimmt nun aber das Bild jenes unwillkürlichen Vorstellungsverlaufs eine wesentlich andere Gestalt an. Glaubten wir anfangs einen selbständigen Abfluß dieser Vorstellungen vor uns zu sehen, so zeigt sich jetzt, daß als die wahren Leiter dieser Bewegung die Gefühle dahinter stehen, und daß wir dabei nicht so uninteressiert sind, wie wir uns einbilden. Denn die Gefühle treten eben dabei durchaus nicht immer selbst in das Bewußtsein, sondern sie schieben sozusagen die Vorstellungen, an denen sie sich erregen, vor. Daraus geht hervor, daß unsere Vorstellungen den Kampf um den eigenen Bewußtseinsraum, der jeden Augenblick neu zwischen ihnen entbrennt, nicht mit den eigenen, sondern mit geborgten Waffen, mit denjenigen der ihnen angeschmolzenen Gefühle auskämpfen. Im Turnier des Seelenlebens sind die Vorstellungen nur die Masken, hinter denen sich die wahren Streiter, die Gefühle, vor dem Auge des Bewußtseins verbergen.

Was ist dann aber dieses Interesse, was sind diese Gefühle, deren Einfluß im wirklichen Gang unserer Vorstellungen so unverkennbar die Hauptrolle spielt? Sie alle sind nichts anderes als Formen und Erregungsweisen des unbewußten Willens. Es geschieht nicht ohne Beklemmnis, daß man sich damit eines Ausdrucks bedient, der in unserer Zeit mit Recht als verdächtig gilt. Treibt doch mit diesem Wort eine Popularphilosophie unserer Tage ihr Unwesen, indem sie alle unverstandene Weisheit der Dinge flugs, daß man ihres Begreifens enthoben ist, in die unnahbare Region des "Unbewußten" verweist. Allein dieser metaphysische Mißbrauch, der mit dem Wort getrieben wird, darf uns an diesem Begriff nicht irre machen und berührt in keiner Weise eine Einsicht, welche die Psychologie schon seit mehr als einem Jahrhundert gesichert hat, diejenige nämlich, daß der gesamte Untergrund unseres seelischen Lebens, dessen Spitzen nur in stetig wechselnder Gruppierung vom Bewußtsein beleuchtet werden, in unbewußten Vorgängen besteht, von deren Verhältnissen allein der jedesmalige Inhalt des Bewußtseins abhängt. Unwahrnehmbar, wie diese unbewußten Vorgänge ihrem Begriff nach sind, können sie nur ihrer Tatsächlichkeit nach erschlossen werden aus den Bestimmungen, welche sie auf das Bewußtsein ausüben, und unser Wissen von ihnen ist daher notwendig auf diese Beziehung beschränkt. Ohne ihr Wesen ansich unmittelbar zu kennen, ohne vor allem ihre Beziehung zu den leiblichen Vorgängen von vornherein zu bestimmen, vermögen wir daher diese unbewußten Zustände nur durch diejenigen bewußten Funktionen zu bezeichnen, deren Grundlage sie bilden, und man sollte immer vorsichtig genug bleiben, nie zu vergessen, daß "unbewußte Vorstellung", "unbewußtes Gefühl", "unbewußter Trieb" nur einen uns ansich unbekannten, aber aufgrund einer Anzahl von Tatsachen notwendig anzunehmenden psychischen Zustand bedeutet, welcher, wenn er bewußt wird, als Vorstellung, Gefühl, Trieb oder Wille erscheint. In zwei Richtungen nur darf diese Annahme als wahrschein gelten: einerseits sind es die elementaren Inhaltsbestimmungen des Seelenlebens, die mit dem Körper in einem unmittelbaren Zusammenhang stehenden Funktionen von Empfindungen, Trieben und Gefühlen, denen offenbar solche unbewußte Zustände zukommen; andererseits bestehen diese unbewußten Vorgänge in den erinnerungsfähigen Vorstellungsinhalten, und zwar nicht nur im "Behalten" der einfachen Elemente, sondern besonder auch in der Aufbewahrung der vom Bewußtsein zwischen diesen Elementen erzeugten Verbindungen. In psychologischer Beziehung besteht der oben erwähnte Mißbrauch der Hypothese des Unbewußten in der auf keine Weise zu erhärtenden Annahme, daß jene Elemente auch ohne die Mitwirkung des Bewußtseins miteinander all diejenigen Verbindungen neu einzugehen vermögen, welche in der Tat nur durch das Bewußtsein selbst vollzogen werden können.

Inbesondere aber gilt es von den Gefühlen, daß sie in ihrer ganzen Ausdehnung und deshalb auch in der Einwirkung, welche sie auf den Vorstellungsverlauf ausüben, durch die Regungen des unbewußten Willens, welche wir am besten Triebe nennen, bedingt sind. Denn die Gefühle sind eben nichts anderes, als das Mittelglied, vermöge dessen wir von unserem eigenen ansich unbewußten Willen überhaupt etwas erfahren (2). Von allen in unserem leiblichen Organismus angelegten Trieben würden wir nichts wissen, wenn nicht ihre Befriedigung oder Nichtbefriedigung durch die Bewußtwerdung von Gefühlen der Lust oder der Unlust sich uns bemerkbar machen würde. Diese Gefühle aber sind so wenig durch Vorstellungen vermittelt, daß der Zusammenhang, welcher zwischen einem bestimmten Gefühl und der Befriedigung eines bestimmten Triebes besteht, uns durchaus nicht ursprünglich bekannt ist, sondern erst durch Erfahrung gelernt sein will; daher dann auch erst durch eine solche Erfahrung ein Suchen nach den Mitteln zur Aufhebung eines bestehenden Unlustgefühls möglich wir. Infolgedessen kann es geschehen, daß, ehe diese Erfahrung gemacht ist, das Unlustgefühl sich irrtümlicherweise mit der Vorstellung eines anderen Triebes verknüpft und so eine Täuschung des Individuums über seinen eigenen Willen herbeiführt. Diese wichtige und von den Psychologen noch immer nicht hinreichend gewürdigte Tatsache, daß wir über unseren eigenen Willen im Irrtum sein und deshalb bei Eintritt eines erwarteten Ereignisses zu unserem großen Erstaunen von einem ganz anderen Gefühl, als dem vorausgesehenen, ergriffen werden können, diese Tatsache spricht ganz entscheidend für den ansich unbewußten Charakter des Willens.

Überhaupt vermögen wir uns vom Ursprung der Gefühle keine andere Vorstellung zu machen, als diejenige einer Reaktion auf die Bedürfnisse und Triebe des Willens: und der den Gefühlen ursprünglich anhaftende Charakter, entweder Lust oder Unlust sein zu müssen, zeigt am besten ihre Abhängigkeit von der Befriedigung oder Nichtbefriedigung der Triebe. Wir können uns den Eintritt keines Gefühls ohne Beziehung auf ein in unserem physisch-psychischen Organismus angelegtes oder in der Lebensentwicklung desselben erzeugtes Willensbedürfnis erklären. Ist dem aber so, so ist es auch geradezu nur ein anderer Ausdruck für die oben gewonnene Einsicht in die durchgängige Abhängigkeit des Vorstellungsverlaufs von der Einwirkung der Gefühle, wenn wir behaupten, daß schon der sogenannte unwillkürliche Vorstellungsmechanismus in allen Wendungen, welche er wirklich nimmt, wesentlich bestimmt ist durch die Tätigkeit des Willens.

Es wird niemandem entgehen, daß dieser Ansicht der Sache unter den neueren Systemen der Philosophie das SCHOPENHAUERs am nächsten steht. SCHOPENHAUER selbst hat diese anthropologische Seite seiner metaphysischen Prinzipien nur ganz im Allgemeinen und ohne eine speziellere Durchführung ausgesprochen (3). Es muß deshalb hervorgehoben werden, daß die hier angestellte rein empirisch-psychologische Untersuchung gänzlich unabhängig ist von jener Metaphysik, aus welcher ihr Resultat sich als scheinbare Folgerung ergeben könnte, und welche in nichts anderem besteht, als in der metaphysischen Verallgemeinerung einer psychologischen Ansicht. Daß die gesamte vorgestellte Welt nur die Erscheinung des Willens als Ding-ansich sei, ist aber eine metaphysische Wendung, welche nicht einmal ihrem Urbild, der psychologischen Erkenntnis, entspricht: denn nicht als Erscheinung des Willens zeigt sich uns der Vorstellungsverlauf, sondern vielmehr als ein Eigentümliches, in dessen Bewegung sich nur der Wille als bestimmende Macht betätigt.

Will man aber durchaus überall historische Anknüpfungen, so sei bei dieser Gelegenheit die auch für manch andere brennende Fragen des philosophischen und des psychologischen Forschens zutreffende Bemerkung nicht verschwiegen, daß in der deutschen Philosophie diese den früheren Auffassungen diametral entgegengesetzt Lehre von der Herrschaft des ansich unbewußten Willens über die Vorstellungen ihren Ursprung in FICHTE hat, dessen gewaltige Gedankenarbeit, wie sie den Ausgangspunkt für die Systeme der Identitätsphilosophen SCHELLING und HEGEL und andererseits HERBARTs bildet, so auch das Original ist, welches, wenn auch in mannigfachen Verzerrungen, doch dem Kundigen unverkennbar der Lehre SCHOPENHAUERs zugrunde liegt.

Was jedoch die Tatsache selbst anbetrifft, so liefert sowohl die tägliche Erfahrung als auch die gesamte Geschichte des menschlichen Denkens in großen Zügen das vollgültigste Zeugnis dafür. Unwillkürlich gestalten sich allüberall unsere Gedanken nach unseren Bedürfnissen, ohne daß uns diese selbst jedesmal zu Bewußtsein kommen. Das tritt zunächst am klarsten hervor, wenn man die Vorstellungswelt des Kindes ins Auge faßt, in welcher lange Zeit nur diejenigen Vorstellungen sich festzusetzen vermögen, die in irgendeiner fördernden oder hemmenden Beziehung zu den in dieser Zeit noch rein leiblichen Bedürfnissen stehen; und da alle fernere Entwicklung auf diesen Anfängen fußt, so ist sie schon aus diesem Grund vom unbewußten Willen von vornherein abhängig. Aber auch der entwickeltere Mensch steht bekanntlich mit seiner Gedankenbewegung meistens unter der Herrschaft desjenigen Gesamtgefühls, welches man Stimmung nennt, und wenn das nicht der Fall ist, interessieren ihn zunächst doch immer, auch ohne daß er sie sucht, am meisten diejenigen Wahrnehmungen und Gedanken, welche sich innerhalb des Vorstellungskreises seines Berufs, seiner Tätigkeit, seiner persönlichen Wünsche, Hoffnungen und Befürchtungen bewegen. Und was so für den Einzelnen gilt, entfaltet sich auch an der Gesamtheit. Die ganze Vorstellungswelt, in der wir jetzt leben und die uns als eine selbstverständliche erscheint, ist doch im Grunde genommen noch heute in ihrem Inhalt wie in ihrer ganzen Richtung von den unwillkürlichen Vorstellungsprozessen abhängig, welche während der Anfangszeiten des Gattungslebens infolge der frühesten Bedürfnisse von der Aufmerksamkeit des Bewußtseins haben bevorzugt werden müssen. Wer ferner die Geschichte des menschlichen Denkens in ihrer stetigen Beziehung auf die gesamte Kulturarbeit betrachtet, dem entgeht es nicht, wie überall auch ohne ausdrückliches Bewußtsein, ja sogar oft unter heftiger Ableugnung, sich die Gedanken an die Aufgaben dieser Arbeit angelehnt haben. Es muß endlich auch die Verschiedenheit der Gedankenbildung in den verschiedenen Geschlechtern, Ständen, Völkern und Generationen zum großen Teil auf diesen Einfluß der unbewußt wirkenden natürlichen Bedürfnisse zurückgeführt werden.

Sobald wir es nun freilich mit entwickelten Menschen und Kulturzuständen zu tun haben, beschränken sich diese Beobachtungen nicht mehr auf den Einfluß des unbewußten Willens, sondern es tritt überall jene Einwirkung des bewußten Denkenwollens hinzu, von deren Betrachtung wir ausgingen. Dabei findet meistens ein allmählicher Übergang statt, der es häufig zweifelhaft erscheinen lassen wird, ob wir es mit einer Einwirkung des bewußten oder mit einer solchen des unbewußten Willens zu tun haben. Je häufiger der bewußte Wille die Vorstellungsbewegung in eine bestimmte Richtung gebracht hat, umso geringer ist die Kraft, deren er weiter dazu bedarf, und umso eher wird diese Richtung auch ganz unwillkürlich eingeschlagen. Wie ein großer Teil unserer zweckmäßigen Leibesbewegungen erst mit absichtlicher Anstrengung in allen einzelnen Phasen gelernt sein will, nachher aber unwillkürlich sich von selbst vollzieht, so wird auch der Gang, in welchen wir oft unsere Gedanken willkürlich hineingezwungen haben, bald zu einem ausgetretenen Weg, in welchen sie von selbst und absichtslos hineingeraten.

Diese Allmählichkeit des Übergangs sollte nun von vorherein auf den Gedanken gebracht haben, der das Resultat dieser Untersuchung bildet, daß nämlich zwischen dem willkürlichen und dem unwillkürlichen Denken ein Unterschied von so prinzipieller Bedeutung, wie ihn die gewöhnliche Meinung voraussetzt, in Wahrheit nicht existiert. Diese beiden Prozesse, welche man gern als heterogene auffaßt und darstellt, bilden im Wesentlichen nur einen einzigen. Alles Denken befindet sich in seinem Verlauf ausnahmslos unter dem Einfluß des Willens: und wie dieser selbst ansich unbewußt, seine Bewußtwerdung dagegen seinem inneren Wesen gegenüber nur eine gelegentliche Nebenbestimmung ist, so tritt auch zu seinem Einfluß auf den Vorstellungsverlauf der Charakter des bewußten Denkenwollens nur als eine gelegentliche Nebenbestimmung hinzu. Es ist nicht wahr, was sich als allgemeine Auffassungsweise eingebürgert hat, als stehe der Wille dem Denken wie einem Fremden gegenüber, der nur in dessen ruhigen Abfluß stoßweise seine bestimmenden Absichten hineinwirft. Diese Täuschung konnte nur entstehen, wo man an der Einbildung eines dinghaften Willens und eines gleich dinghaften Denkvermögens klebte. In Wahrheit ist das innere Getriebe jener einfachen Vorstellungselemente, dessen Gesamteindruck wir als "Denken" bezeichnen, allüberall vermittelt durch die stete Lebendigkeit der Triebe, welche in ihrer Gesamtheit den "Willen" ausmachen (4). Und da am Wesen dieser Triebe und an ihrer Fähigkeit, den Verlauf der Vorstellungen überhaupt zu beeinflussen, durch ihr Verhältnis zum Bewußtsein nichts geändert wird, so hat die Unterscheidung des willkürlichen und den unwillkürlichen Denkens nur einen nebensächlichen Wert. Alle Vorstellungsbewegung wird vom Willen geleitet: ob dieser bewußt oder unbewußt ist, bleibt für die Möglichkeit und das Wesen dieser Leitung gleichgültig.

Ist diese Lösung des Problems richtig, und erweist sich danach der Einfluß des bewußten Willens auf die Vorstellungsbewegung als ein Spezialfall der allgemeinen Abhängigkeit des Denkens vom Willen überhaupt, welche ihrerseits eine nur festzustehende und selbst nicht wieder ableitbare Tatsache unseres Seelenlebens ist, so muß sich diese Ansicht im Verhältnis des absichtlichen Denkens zum unabsichtlichen bewähren. Wenn das Bewußtsein unter der großen Anzahl der möglichen Vorstellungen jeden Augenblick diejenige wählt, welche dem stärksten Willensimpuls entspricht und somit das lebhafteste Gefühl hervorzurufen geeignet ist, so kann der bewußte Wille das Denken nur insofern und auch nur so lange bestimmen, als er der stärkste ist, und sein Einfluß wird sogleich nichtig werden, sobald ein stärkerer Einfluß von Seiten einer unbewußten Willenstätigkeit eintritt. Unsere Fähigkeit des willkürlichen Denkens besteht daher lediglich im Überwiegen der bewußten Willenstriebe über die unbewußten.

Diese Folgerung wird von der Erfahrung auf das Vollständigste bestätigt. Das Denkenwollen ist der Erreichung seiner Zwecke durchaus nicht immer gewiß. Ganz abgesehen davon, daß es im Inhalt seiner Vorstellungen auf jene Mängel und Schwierigkeiten stößt, welche dem Wunsch allumfassenden Wissens des Menschengeistes im Weg stehen, ist das Nachdenken nicht einmal sicher, seinen Gang ungestört fortsetzen zu können. Denn nachdem es die entsprechende Vorstellungsbewegung eingeleitet hat, ist es noch jeden Augenblick in Gefahr, daß einerseits andere Willensinteressen den ganzen Zusammenhang unterbrechen, andererseits aber die aus der Vorstellungsbewegung selbst heraus aufsteigenden Gefühle sich der Fortsetzung bemächtigen. Beiden Gefahren unterliegen wir nur allzu oft. Wie jeder weiß, kann alle Energie der Aufmerksamkeit und des Nachdenkens es nicht verhindern, daß die elementarsten Bedürfnisse des Hungers und des Durstes brutal genug sind, unsere besten Beobachtungen und Überlegungen zu stören, oder daß lebhafte Gemütsbewegungen der Freude, namentlich aber des Kummers und der Sorge trotz aller Unterdrückung immer wieder unterbrechend zwischen unsere Arbeit treten. Was aber das zweite betrifft, so besteht bekanntlich eine der allgemeinsten Ursachen der menschlichen Irrtümer darin, daß unser absichtliches Denken in der Richtung seines Fortschritts und in der Bildung seiner Resultate sich nicht sowohl durch den sachlichen Charakter seiner Gegenstände, als vielmehr durch persönliche oder allgemein menschliche Wünsche, Hoffnungen und Befürchtungen leiten läßt. Jene Verblendung, von der die Alten sagten, daß die Gottheit mit ihr denjenigen umhüllt, den sie verderben will, ist nur der äußerste und klarste Fall einer Täuschung, die wir alltäglich an uns erfahren können. Je mehr wir an einer Sache persönlich interessiert sind, umso weniger dürfen wir unserem Urteil darüber trauen - umso weniger traut vor allem auch die Welt unserem Urteil darüber. Denn eben dieses Interesse bringt es mit sich, daß von allen einschlägigen Vorstellungen sich schließlich nur diejenigen in unserem Bewußtsein halten können, welche demselben entsprechen, und diesen fällt dann, auch wenn kein objektiver Grund dafür vorhanden ist, unsere subjektive Gewißheit zu. In dieser Hinsicht entwickelt sich aus dem Einfluß des Interesses - des unbewußten so gut wie des bewußten - auf den Vorstellungsverlauf ein höchst bemerkenswerter Gegensatz. Auf der einen Seite befähigt uns bekanntlich jedes Interesse, das wir an einem Gegenstand haben oder nehmen, in hervorragender Weise zur Produktion oder Reproduktion derjenigen Gedankengänge, welche für die Erfüllung desselben von Wichtigkeit sind. Not macht erfinderisch, und alles ist leicht, was wir mit Lust und Liebe tun. Auf der anderen Seite aber irren wir nie häufiger, als in dem, was uns persönlich angeht und unsere verderblichsten Täuschungen wurzeln darin, daß wir glauben, was wir wünschen oder verwünschen und was wir höchstens hoffen oder fürchten dürften. Und nicht minder verbreitet ist eine andere Irrung, welche nicht mehr in individuellen, sondern in allgemein menschlichen Interessen ihren Ursprung hat. Nach keiner Richtung hin vielleicht hat das menschliche Denken lebhafter die Wurzeln seines Grübelns getrieben, als nach der Bestimmung unseres Geschlechts und nach der Auffassung der Wirklichkeit unter dem Gesichtspunkt unserer moralischen Betrebungen und Hoffnungen: nirgends aber ist es auch öfter in seine eigenen Schlingen gefallen, als indem es auf diesem Gebiet für gewiß ansah, was ihm in lebendiger Hoffnung als das Wertvollste gelten durfte. Ja, die psychologische Tatsache hat sich in dieser Beziehung sogar in eine erkenntnistheoretische Forderung verwandelt, wenn KANT es offen aussprach, daß in diesen letzten und höchsten Dingen, wo alle theoretische Erkenntniskraft des Menschen aufhört, das "praktische Interesse der Vernunft" das entscheidende sein und bleiben muß.

Es gibt noch eine andere Tatsache der allgemeinen Erfahrung, welche in einem nicht minder merkwürdigen Gegensatz speziell bei einer allzu heftigen Intensität der absichtlichen Leitung unserer Vorstellungen zeigt, wie dieselbe sich selbst hinderlich im Weg stehen kann. Wer dem Eintritt eines erwarteten Sinneseindrucks gar zu leidenschaftlich entgegensieht, ist durchaus nicht am sichersten, daß ihm derselbe nicht entgehen wird; wenn wir uns gar zu viel vorhalten, daß wir uns auf einen bestimmten Namen, eine Zahl oder dgl. besinnen wollen, so wird es mit jeder Minute unwahrscheinlicher, daß uns das Gesuchte einfällt; und wer sich einmal an der Lösung schwieriger Denkprobleme versucht hat, weiß, daß die Stunden, in denen er sich am energischsten mit aller Willensanstrengung darauf konzentriete, darum nicht immer auch die glücklichen des Findens waren. Die Erklärung dieser auf den ersten Blick frappierenden Tatsache ist nicht schwer: der Grund dafür ist der, daß die äußerst gesteigerte Intensität des bewußten Willens in diesen Fällen den Bewußtseinsraum so vollständig für sich in Anspruch nimmt, daß er auch den Eindrücken und den Assoziationen, welche den Willen befriedigen würden und den Assoziationen, welche den Willen befriedigen würden, versperrt bleibt. Gleichwohl sind die entsprechenden Assoziationen dabei unterhalb der Bewußtseinsschwelle in Bewegung gesetzt, so daß sie später, wenn das Bewußtsein einmal verhältnismäßig unbestürmt ist, in dasselbe eintreten können, - wie auch jeder weiß, daß in solchen Fällen häufig nach einiger Zeit scheinbar ganz unvermittelt zwischen mehr oder minder gleichgültigeren Vorstellungsläufen der gesuchte Name plötzlich hervorspringt oder mit  einem  Schlag die zur Lösung des Problems erforderlichen Vorstellungen klar und deutlich vor dem Bewußtsein stehen. Nur die Sinneswahrnehmung, welche sich eine allzu eifrige Aufmerksamkeit hat entgehen lassen, ist natürlich durch diese allein nicht zurückzurufen.

Ohne uns über diese beiden Hemmnisse, welche die bewußte Absicht des Denkenwollens ihrer eigenen Erfüllung zu bereiten droht, immer durchaus klar zu sein, suchen wir sie durch bekannte Gewohnheiten zu umgehen. Ehe wir ein durch Überlegung gewonnenes Resultat unseres Denkens, sei es nun die Lösung eines theoretischen Problems oder die Entscheidung für eine praktische Handlungsweise, als endgültig ansehen, lieben wir es, noch eine gewisse Zeit hingehen zu lassen und diese mit möglichst andersartigen Beschäftigungen hinzubringen; wir "überschlafen" einen wichtigen Entschluß noch einmal, ehe wir ihn ausführen, und der Veröffentlichung von Problemlösungen soll es bekanntlich nichts schaden, wenn sie das horazische  nonum prematur in annum  Man behalte ein Manuskript bis in das neunte Jahr zurück - wp] erfahren. Wir vertrauen darauf, daß in dem weniger bewegten, nicht mehr von einem heftigen Wunsch beherrschten Zustand unsere Vorstellungen gewissermaßen eben werden und daß dabei Gedankengänge, welche, zum richtigen Ende vielleicht nötig, durch jenen heftigen Wunsch unterdrückt worden sind, die Macht gewinnen, um in einem ruhigeren Zustand richtig von uns gewürdigt zu werden. -

Haben wir uns auf diese Weise die Möglichkeit des absichtlichen Denkens dadurch zu erklären gesucht, daß wir darin nur eine besondere Art der vom Willen ganz allgemein ausgeübten Beherrschung des Vorstellungsverlaufs nachwiesen - und nur in einer solchen Unterordnung unter eine allgemeinere Tatsache besteht ja zuletzt immer und überall das, was wir in der Wissenschaft  Erklärung  nennen - so könnte es fast erscheinen, als wäre damit zuviel bewiesen. Indem sich nämlich herausstellte, daß so wenig wie am Wesen des Willens auch an demjenigen seiner Einwirkung auf die Vorstellungsbewegung der Umstand, ob derselbe bewußt oder unbewußt ist, etwas ändert, so könnte vielleicht der Schein entstehen, als sei es für die Herrschaft, welche die einzelne Willenserregung über den Gang des Denkens ausübt, völlig gleichgültig, ob sie bewußt oder unbewußt ist. Tatsächlich ist das aber offenbar nicht der Fall, sondern, wie jeder weiß, ist dasselbe Willensbedürfnis zur Leitung des Vorstellungsverlaufs sehr viel energischer befähigt, wenn es im bewußten Zustand auftritt, als wenn ihm dies nicht vergönnt ist.

Allein diese Tatsache, weit entfernt, der vorgetragenen Theorie zu widersprechen, ist vielmehr ihre beste Bestätigung. Denn die gesamte obige Beweisführung lief nur darauf hinaus, zu zeigen, daß, wo von einer Einwirkung des bewußten Willens auf das Denken die Rede ist, kein  der Art nach  neuer und im gewöhnlichen Vorstellungsverlauf nicht schon enthaltener Prozeß stattfindet. Das Bewußtsein des Willens ändert somit zwar an der Art und Weise, wie derselbe das Denken beherrscht, nichts, wohl aber ändert es die  Stärke  dieses Einflusses, und zwar in einem so bedeutenden Grad, daß für den Moment zumindst unter allen gleichzeitigen Trieben der bewußte stets den stärksten, den entscheidenden Einfluß auf den Fortgang des Denkens ausübt. Es entspringt deshalb zum Schluß noch die Frage, worin diese Verstärkung besteht und wie es also kommt, daß die Bewußtwerdung der Willensakte ihre Fähigkeit, das Denken zu beherrschen, in so bedeutendem Maß steigert.

In der Beantwortung dieser Frage können wir dem gefundenen Grundgesetz gemäß nur den Weg einschlagen, diejenigen Gefühle und Willensrichtungen ausfindig zu machen, welche mit der lebhaften Bewußtwerdung als solcher verknüpft und auf diese Weise die Intensität des ursprünglichen Willens zu verstärken geeignet sind. Und danach brauchen wir nicht lange zu suchen. In einem entwickelteren psychischen Organismus - und nur in einem solchen begegnet uns ja das absichtliche Denken - tritt jeder mit einiger Lebhaftigkeit bewußt werdende Vorstellungsinhalt sofort in eine innige Beziehung zum Selbstbewußtsein, und insbesondere gilt diese persönliche Beziehung bekanntlich vom Bewußtwerden aller Willensimpulse. Mit dieser Ichvorstellung ist nun aber unlösbar das Ichgefühl verschmolzen, das kräftigste, lebhafteste und wirksamste von allen. Indem also der bewußte Wille auf das Selbstbewußtsein bezogen wird, verbindet er sich zugleich auch mit diesem intensivsten aller Gefühle, welchem keines der übrigen Stand halten kann, und so ist es begreiflich, daß in jedem Augenblick dejenige unserer Willensrichtungen des Vorstellungsverlaufs bemächtigt, welche gerade dem Selbstbewußtsein am nächsten steht und die überwiegende Gewalt des Ichgefühls für sich in die Waagschale des Wettstreits zu werfen vermag.

Das Ichgefühl bildet somit die höchste und letztentscheidende Instanz in unserem Vorstellungsverlauf, und von seinem Wesen wird deshalb zuletzt immer der Gang und der Wert unseres willkürlichen Denkens abhängen. Es ist aber unter diesem Ichgefühl nicht etwa eine abstrakte Beziehung der "Seele" auf sich selbst zu verstehen, sondern es ist dasselbe das reichste, zusammengesetzteste und verdichtetste aller Gefühle. Ebenso wie das Selbstbewußtsein - seinem Inhalt nach - nichts anderes enthält als den konstanten Besitzstand unseres Vorstellungslebens und somit nur aus den "herrschenden Vorstellungsmassen" zusammengesetzt ist, so bildet das Selbstgefühl in jedem psychischen Organismus den konzentrierten Niederschlag von dessen gesamter Willens- und Gefühlsentwicklung, und sein wesentlicher Inhalt besteht deshalb aus nichts anderem als aus den im betreffenden Individuum herrschenden Willens- und Gefühlsmassen. Und wie das Wesen des Selbstbewußtseins darin besteht, aß es auf seine herrschenden Vorstellungsmassen alles neu ins Bewußtsein Eintretende bezieht oder es vermöge derselben apperzipiert, so ist auch die Tätigkeit des Selbstgefühls darauf gerichtet, jede neu aufsteigende bewußte Absicht mit der in ihm begründeten allgemeinen Willensrichtung des Individuums in Verbindung zu setzen. Dieses Verhältnis, welches man die Apperzeption der Gefühle und der Triebe durch die konstanten Bestimmungen des Selbstgefühls nennen kann, prägt nun auch jedem absichtlichen Denken den persönlichen Charakter auf, und auf diesem Weg erklärt es sich, daß auch in einem willkürlichen Gedankenleben des Menschen sein persönlicher Charakter zutage zu treten pflegt.

Den breiten Untergrund dieses Ichgefühls bilden nun überall die konstanten, zunächst die leiblichen Interessen des Individuums: allein ebenso wie die Ichvorstellung sich von ihrer Grundlage, der Vorstellung des eigenen Körpers, zu einem geschlossenen System von Erinnerungern, Meinungen und Ansichten entwickelt, so wachsen auch aus der Durchbildung unserer ursprünglichen Triebe und Gefühle allmählich die Überzeugungen hervor, welche den entscheidenden Inhalt des Selbstgefühls ausmachen. Sie bilden dann in immer kräftigerer Ausgestaltung die herrschenden Gefühle und Triebmassen, sie sind es, welche mit jeder Regung des bewußten Willens sich sofort verbinden, ihm dadurch seine überlegene Stärke verleihen, zugleich aber auch die Erfüllung seiner Absichten durch ihren Einfluß in bedeutendster Weise mitbedingen. In der Anknüpfung des bewußten Willens an unsere Besinnung auf die letzten und höchsten Maximen unseres Strebens liegt seine wahre Stärke: aber von eben diesen Maximen, von ihrer Kraft und von ihrer Art, hängt deshalb auch der Wert ab, den die Ausführung unserer Absichten erreichen wird.

Wie von allen bewußten Entschlüssen, so gilt dies auch vom Denkenwollen. Die Wurzel der Kraft, mit welcher der bewußte Wille die Vorstellungsbewegung leitet, liegt allein in der Beziehung seiner Absicht auf die wertvollsten Gesamtinteressen des Individuums und in der Besinnung auf die als richtig erkannten und zu fester Überzeugung eingelebten Maximen. Die Absicht, etwas zu denken, verpufft wie eine flüchtige Seifenblase vor dem Druck der rastlos weiter drängenden Triebbewegungen, wenn sie nicht in einem wahren und ernsten Interesse des Denkenden ihren Rückhalt hat. Und von der Art dieses Interesses hängt in letzter Instanz der allgemeinere Wert jeder auf solche Weise durch das Ichgefühl bevorzugten Denkbewegung ab. Sie wird stets in Gefahr sein, ihr Ziel zu verfehlen und mit der Hastigkeit des persönlichen Interesses, wie oben gezeigt, über sich selbst stolpern, wenn das Ichgefühl dem bewußten Denkenwollen keine andere Stärkung zuführen kann, als die Heftigkeit der individuellen Triebe - gleichviel ob dieselben in ihrer ursprünglichen Gestalt oder in der unter den sogenannten Kulturverhältnissen üblichen Verfeinerung und Vergeistigung auftreten. Allem, was wir nur um unserer selbst willen tun, haftet schließlich dieses Kainsmal auf der Stirn: und jedes absichtliche Denken, dem nur der zufällige Impuls eines individuellen Bedürnisses zugrunde liegt, erfährt nur das ihm gebührende Geschick, wenn es jeden Augenblick von einem anderen, gleich zufälligen Impuls abgelöst wird, - es erfährt ein nicht minder verdientes Geschick, wenn es durch seine eigene Lebhaftigkeit des Interesses der notwendigen Selbsttäuschung verfällt.

Über diese Mängel der individuellen Beschränktheit kann sich das willkürliche Denken nur erheben, wenn es sich an ein mit moralischen Überzeugungen getränktes Ichgefühl anknüpfen kann und wenn der Wille, der die Vorstellungen lenkt, in letzter Linie einem sittlichem Zweck dient. Denn nur diese Zwecke sind die allgemeingültigen, nur der Vorstellungsbewegung, die von ihnen geleitet ist, wohnt ein Wert bei, der über den engen Kreis des einzelnen psychischen Organismus hinausgeht. Unser Denken, so mannigfach von unseren Trieben hin und her geworfen, vollendet sich in seiner Unterordnung unter den sittlichen Willen.

Unter diesen sittlichen Zwecken nun ist einer, der teils seiner eigenen Würde wegen, teils als das universale Mittel für alle fruchtbare Tätigkeit gerade dem Denkenwollen den tiefsten Wert verleiht: die Wahrheit. Das Streben nach ihr ist die beste Macht im willkürlichen Denken, und ohne dieses gibt es keinen sicheren Wert des absichtlich Gedachten. Man gibt einem absichtlichen Denken, welches mit vollem Bewußtseins nur auf dieses Ziel gerichtet wird, gemeinhin den Namen des "interesselosen Denkens". Wenn es nun nach den obigen Ausführungen feststeht, daß wir niemals Etwas denken, geschweige denn über Etwas nachdenken, was uns nicht irgendwie interessiert, so zeigt sich, daß jener Ausdruck "das interesselose Denken" auf einem engeren Sprachgebrauch des Wortes "Interesse" beruth, als es hier im psychologischen Sinn angewendet worden ist. Man denkt dabei nur an persönliche, individuelle Interessen, und deren Ausschluß ist es dann, welchen man mit Recht für alles Denken, das allgemeingültig sein will, und speziell für dasjenige der Wissenschaft in Anspruch nimmt. Daß aber ein solcher Ausschluß der individuellen Interessen möglich ist, beruth allein darauf, daß in unserem psychischen Organismus neben denselben auch andere nicht nur möglich sind, sondern zu einer dieselben überwindenden Macht erstarken könenn; und unter diesen unpersönlichen Interessen nimmt dasjenige für die Wahrheit, den Wahrheitstrieb und das Wahrheitsgefühlt, eine der ersten Stellen ein. Was man also gewöhnlich interesseloses Denken nennt, ist vielmehr dasjenige, welches lediglich durch ein starkes Interesse an der Wahrheit hervorgerufen und geleitet wird.

Allein auch der sittliche Ernst des Wahrheitsstrebens genügt noch nicht für die Erreichung dieses höchsten Zwecks des absichtlichen Denkens. Denn die Mittel, welche demselben vom gewöhnlichen Vorstellungsmechanismus dargeboten werden, sind viel zu individuellen, zufälligen und unsicheren Ursprungs, als daß sie den Zweck der Wahrheit so, wie sie sind, erfüllen könnten. Das natürliche Denken, auch wo es vom lautersten Wahrheitsbedürfnis getrieben wird, unterliegt vermöge seiner Unerfahrenheit und seiner ursprünglichen Leichtgläubigkeit, ohne es zu ahnen, einer Fülle von Täuschungen, und so ist auch das sittlich gegründete Wahrheitsstreben seiner Erfüllung durchaus nicht gewiß. Zahllose Denker hat die Geschichte, vom reinsten Erkenntnistrieb beseelt, in den Wirrsalen trauriger Irrtümer enden sehen!

Zur glücklichen Entfaltung des Erkenntnistriebes gehört neben der sittlichen Grundlage seines Strebens noch etwas anderes: die klare und sichere Besinnung auf die Grundsätze, nach denen allein das richtige Denken zustande kommen kann. Und nicht von selbst ist die Befolgung dieser Gesetze mit der natürlichen Vorstellungsbewegung gegeben; vielmehr ist diese mit ihrer Hingabe an den sie erfüllenden Inhalt, mit ihrer Tendenz zu vorschneller Verallgemeinerung, mit der ganzen Fülle der im Wesen der Geistestätigkeit selbst angelegten Voraussetzungen und Vorurteile stets dem Irrtum näher gestellt, als der Wahrheit. Sie bedarf, um zu richtigen Zielen zu gelangen, durchaus der Schulung, der Gewöhnung an scharfe Kritik, der steten Mahnung zu sorgfältiger Vorsicht. Diese Zucht des natürlichen Denkens wird freilich durch das Hineinwachsen in eine gebildete Sprache, durch die Erziehung, durch die Erfahrung unserer eigenen Irrtümer, mit  einem  Wort, durch den Gang des Vorstellungslebens selbst in gewissem Grad herbeigeführt: allein für die Erfüllung der höchsten Aufgaben des Erkennens, vor allem für die Wissenschaft genügt diese Zucht des Lebens nicht, sondern sie bedarf der stetigen Unterstützung durch eine niemals ruhende Selbsterziehung, durch welche wir uns in die Gesetze des richtigen Denkens so einleben müssen, daß sie allmählich zu Naturgesetzen unseres Vorstellungsmechanismus werden, welche den Gang unseres Denkens, sobald wir in klarer Besonnenheit ihn zu leiten versuchen, mühelos beherrschen. Wohl lernen wir schon aus der alltäglichen Erfahrung vorsichtig mit unserer Wahrnehmungstätigkeit zu werden; allein erst einer strengen Schulung bedarf es, um unsere Aufmerksamkeit zur wissenschaftlichen Beobachtung zu erziehen. Wohl zwingen uns schon die gewöhnlichen Aufgaben des Lebens, mit kritischem Blick unser Urteilen und Schließen zu verfolgen: allein wie langer Arbeit bedarf es, um die phantasievolle Lebendigkeit der Vorstellungen an den methodischen Gang wissenschaftlicher Beweisführung zu gewöhnen!

Und auch diese stetige Besinnung auf die Regeln des richtigen Denkens in der praktischen Anwendung aller seiner Formen - auch sie wurzelt zuletzt nirgends anders als in der sittlichen Hingabe an den großen Gedanken der Wahrheit. Denn diese Regeln erhalten Wert und Kraft nur als notwendige Mittel des Wahrheitstriebes. So ruht auch hier die tiefste Triebfeder des absichtlichen Denkens in einem moralischen Zweck. Erst wo das Denken als eine sittliche Pflicht angesehen wird, vermag es seine Ziele zu erreichen. Wenn wir deshalb oben sahen, wie die Leidenschaftlichkeit und Lebhaftigkeit des Denkenwollens sich selbst im Weg stehen kann, so genügt es andererseits nicht, daß ein flüchtiger Anstoß des bewußten Willens die Gedanken nach der gewünschten Richtung in Bewegung setzt: sondern es muß von Zeit zu Zeit in ruhigem Bewußtsein immer wieder das Ziels ins Auge gefaßt werden. Die moralische Kraft ist es, welche während der Zeit der Gedankenarbeit die fremden Eindrücke, die Verlockungen der Phantasie, die persönlichen Interessen fern halten und niederdrücken muß, damit das Bewußtsein für seine Zwecke freien Raum bewahrt. Denn das natürliche Denken des Menschen hat einen unverwüstlichen Hang zum Spazierengehen, und nur der sittliche Ernst der Wahrheitsforschung kann es auf den rechten Weg bringen und darauf festhalten bis ans Ende.
LITERATUR - Wilhelm Windelband, Über den Einfluß des Willens auf das Denken, Vierteljahrsschrift für wissenschaftliche Philosophie, Bd. 2, Leipzig 1878
    Anmerkungen
    1) Durch LOTZEs glänzende Beweisführung im  Mikrokosmus,  Bd. 1, Seite 227f.
    2) Diese Verhältnisse sind am besten von CARL GÖRING, System der kritischen Philosophie, Bd. 1, Seite 60f, behandelt worden.
    3) GÖRING hat (a. a. O.) sehr richtig auf den Widerspruch hingewiesen, in dem SCHOPENHAUERs anderweitig begründete Lehre von der "Objektivität" der Gesichtwahrnehmungen mit seiner allgemeinen psychologischen Theorie steht.
    4) In dieser Hinsicht mag an die Lehre von LEIBNIZ erinnert werden, wonach das Leben der Monade aus der Vorstellungs- und der Begehrungstätigkeit derartig zusammengesetzt gedacht werden soll, daß nur aus der letzteren der Fortschritt der Vorstellungen, die "tendance de l'une perception à l'autre" [Tendenz zur Wahrnehmung von etwas anderem - wp].