tb-4Auf den Spuren der AbstraktionFormen der Wirklichkeit    
 
LAURENT VERYCKEN
Wirklichkeit und Macht
[Individuum und Allgemeinheit in Wissenschaft und Politik]
[4/4]

II. Teil
Die Wirklichkeit der Macht
[Fortsetzung]
Der Gesellschaftsvertrag

Das Interesse der Gesamtheit kann nur echt sein, wenn das Einzelinteresse unangetastet bleibt. Dabei muß unter Interesse der Gesamtheit nur das Interesse wirklich aller Menschen verstanden werden. Es genügt, wenn in einer Gesellschaft auch nur das Interesse eines einzigen Individuums verletzt wird, daß ab sofort das Interesse der Allgemeinheit nicht mehr das Interesse Aller ist und folglich nicht mehr existiert.

Jede Herrschaft ist ein Übel und sie wird auch dann nicht besser, wenn es eine Mehrheitsherrschaft ist. Die Frage ist also nicht, wer herrschen soll, sondern wie man Herrschaft einschränken kann. Recht und Gesetz müssen die öffentliche und persönliche Freiheit gegen die Unterdrückung der Regierungen schützen. Politik muß das Unternehmen sein, ihren eigenen Mißbrauch zu beschränken. Für den Realpolitiker sind Macht und Politik Synonyme. Realität wird zu dem, was machtpolitisch realisierbar ist. Die Verbindung von Macht und Politik aber wäre der Tod des Politischen. So ist die einzig mögliche Politik die, welche Macht einschränkt und ihre Aktionen begrenzt, damit sie den legitimen Rahmen ihrer Tätigkeit nicht überschreitet.

In der liberalistischen Staatstheorie ist der bürgerliche Staat dadurch entstanden, daß der Einzelne durch freiwillige Übereinkunft und Einwilligung all seine Macht und Gewalt der Mehrheit überantwortet. Gesellschaft ist hier die Summe der Vereinigungen, die auf freiwilliger Basis zustande kommen, die organisierte Staatsaktivität dagegen ein Zwangsmechanismus. Die Gesellschaft entsteht durch die Bedürfnisse, der Staat durch die Schlechtigkeit der Menschen. Im Gesellschaftsvertrag verzichtet der Einzelne auf das Recht des persönlichen Gewaltgebrauchs und tauscht seine natürliche Freiheit gegen die bürgerlichen Freiheiten. Die Definition der Gleichheit ist im klassischen Liberalismus eine Gleichheit vor dem Gesetz und beruth auf der Unterscheidung zwischen der Herrschaft der Gesetze und der Herrschaft von Menschen. Nicht Menschen sollen über Menschen herrschen, sondern der einsichtige Mensch soll sich der Herrschaft eines, dem Recht und der Gerechtigkeit dienenden Gesetzes beugen.


Arbeit und Geld

Ohne Arbeit könnte eine Gesellschaft nicht existieren. Das Leben der Gesellschaft gestattet keine Unterbrechung, da die Menschen jeden Tag essen und leben müssen. Es gibt keinen Wert, der nicht durch Arbeit geschaffen wurde. So ist Arbeit eine unumgängliche Bedingung eines sittlichen Lebens. Arbeit ist die Hauptquelle unseres Daseins und die Basis menschlicher Freiheit. In der Arbeit spiegelt sich die natürliche Macht des Menschen. Die Arbeit ist eine Technik der Lebensführung, die den Menschen an die Realität bindet. Der Bezug zur Arbeit ist der Bezug zur Wirklichkeit.

Die Gesamtheit der Produktionsverhältnisse bildet die ökonomische Struktur dieser Gesellschaft und ist die reale Basis, auf der sich der politische und juristische Überbau erhebt. Wir unterscheiden hauptsächlich die besondere Arbeit, welche die eigenen Bedürfnisse direkt befriedigt und unbezahlbar ist, von der lohnabhängigen Produktionsarbeit, die allgemein und abstrakt ist und einem Markt gilt. In der abstrakten Produktion werden Individualität und das Besondere und Einmalige wertlos. Diese Generalisierung der partikularen Elemente ist eine Funktion der Arbeitsteilung. Von der Produkton ist die unmittelbare Befriedigung durch die Arbeit abgetrennt und wird rein eine Sache der Quantität. Der Wert des Menschen und seiner Arbeit wird auf den Wert reduziert, der für alle gilt, den Marktwert.

Die Produktion ist ein allgemeiner Prozeß. In der Produktion wird der Einzelne über seine Arbeit zu einem allgemein auswechselbaren Rad der Maschinerie. Wer aber ersetzbar ist, ist kein Individuum mehr. Unverwechselbarkeit, Unersetzbarkeit und Einmaligkeit machen ja gerade Individualität aus.

Das aller Arbeit gleiche Maß ist der Tauschwert, der den individuellen Gebrauchswert ersetzt. Der Tauschwert ist etwas allgemeines und bemißt sich nach den Chancen, die ein Produkt auf dem Markt hat, gekauft zu werden. Ein Produkt hat einen hohen Tauschwert, wenn eine große Menge in kurzer Zeit verkauft werden kann und einen geringen, wenn die Dinge erst über lange Zeiträume, oder gar nicht verkauft werden können. Für den Gebrauchswert jedoch gelten andere Gesetze. Ein Ladenhüter kann z. B. für einen Sammler einen unbezahlbaren Wert haben. Im Tauschwert tritt der abstrakte und allgemeine Wert des Geldes an die Stelle der konkreten Nützlichkeit von Dingen. Geld erlaubt es, verschiedene Dinge aneinander zu messen und stellt dadurch eine arithmethische Gleichheit her.

Die Grundbedingung des Tausches ist die Gleichwertigkeit der getauschten Gegenstände. Erst durch das Geld wird es möglich, logisch miteinander unvereinbar erscheinende Dinge miteinander zu vergleichen. Durch das Geld erhalten die Dinge einen Wert, den sie vorher nicht hatten.
    "Die allgemeine Äquivalentform ist die Form des Werts überhaupt Die Naturalform der Ware wird zur gesellschaftlich gültigen Äquivalentform, zum allgemeinen Äquivalent - dem Geld." (19)
Die bürgerliche Gesellschaft ist beherrscht vom Äquivalent. In ihr wird das Geld zum großen Gleichsetzer. Ihr schwerwiegender Nachteil besteht darin, daß sie das Ungleichnamige komparabel macht, indem sie es auf abstrakte Größen reduziert. Geld ist aber nur Medium. Produkte werden mit Produkten oder Dienstleistungen gekauft oder getauscht und nicht mit Geld.

Die Eigenart des Geldes besteht darin, daß es keine biologischen Grenzen und ökologischen Einschränkungen kennt. Das Verlangen nach Geld kennt keine Grenzen. Mit dem Wunsch mehr zu haben, als man braucht, kam das Geld auf und es wurde möglich Werte zu horten und unbegrenzt anzueignen. Geld ist abstrakt und maßlos, weil es keinen sinnlichen Bedarf befriedigt, sondern sich im Gegenteil den natürlichen Begrenzungen aller anderen Bedürfnisse entzieht. Physische Macht stößt bald an ihre natürlichen Grenzen, indem entweder das Opfer stirbt, man sich überfrißt oder durch allzu häufigen Gebrauch seine sexuelle Genußfähigkeit einbüßt. Die Macht des Geldes aber liegt gerade darin, daß es unbeschränkt akkumulierbar ist.

Wenn menschliche Funktionen in abstrakte und gleichförmige Einheiten, also letztlich in Geldeinheiten verwandelt werden, dann gibt es keine Grenzen mehr für das Maß an Macht, das angesammelt und konzentriert werden kann. Auf der unbegrenzten Mittelakkumulation beruth Macht und das Geld ist ihre sichtbarste Erscheinungsform. Da jeder Vorgang des Machtsystems auf Geldwerte reduziert werden kann, besteht der größte Mißbrauch des Geldes darin, daß man damit politische Macht kaufen kann.


Moral und Kapitalismus

Der Kapitalismus ist die Geldordnung. Die Liebe zum Geld wird hier zur hauptsächlichen Erklärung menschlicher Verhaltensweisen. Die zwischenmenschlichen Beziehungen verlieren ihre Unmittelbarkeit und an ihre Stelle treten Waren und Konsumgüter. "Das Kapital hat kein anderes Band zwischen Mensch und Mensch übrig gelassen, als das nackte Interesse, als die gefühllose, bare Zahlung." (20) Das kapitalistische Herrschaftsverhältnis verschwindet hinter dem Schein der Geldverhältnisse und die politische Herrschaft nimmt eine Form an, in der ihre Gewalt latent bleibt und sich lediglich finanziell zeigt.

Im Mittelalter hatten die Menschen noch die Gewohnheit, vielen Dingen einen Namen zu geben. Jedes Haus, jede Uhr hatte ihren eigenen Namen. Seit der Entwicklung des Handels im Feudalismus wird aber dann nicht mehr für den eigenen Bedarf, sondern in arbeitsteiliger Weise für einen Markt gearbeitet. An die Stelle der Gütererzeugung für den Eigenbedarf tritt die Warenproduktion. In der Renaissance etwa wird dann das Ding zu einem gleichgültigen Verkaufsobjekt für den Gewinn. Nicht der Bedarff, sondern die Verwertung des Werts wird zum eigentlichen Zweck der Produktion. Die Senkung der Produktionskosten und der Profit wird zum eigentlichen ökonomischen Problem, was die Massenproduktion zur Folge hat.

Mit dem Aufkommen der Massenproduktion als herrschender Produktionsweise wird der Mensch zu einer Erweiterung der Maschine. Arbeit ist nun nicht mehr Ausdruck des menschlichen Lebens, sondern etwas, das die Individualität zerstört.
    "Wenn auch die starke Hand der Maschine alles macht, sie frißt bei ihrer Arbeit auch die Liebe mit, die ein jedes Ding in sich birgt, das unsere Hände bereiten." (21)
Der Kapitalismus war es, der aus der Arbeit eine rein kommerzielle Tätigkeit und eine seelenlose und freudlose Sache gemacht hat. Der Mensch hört auf, um seiner selbst willen zu existieren. Aus dem Dasein ist ein Geschäft geworden.

Die Institution der Produktion ist zum Götzen unserer Zeit geworden. Um die Wirtschaft zu retten muß gekauft und nochmal gekauft werden. Die Ausdehnung der Märkte kann mit der Ausdehnung der Produktion nicht mehr schritthalten. Der Konsument muß die Produkte nicht mehr brauchen, sondern es reicht, wenn er sie kauft. Das Produkt wird nebensächlich und die Verkaufstechnik ist alles.

Die Irrationalität des Kapitalismus zeigt sich an der rational geplanten Produktiion von Verschleißteilen. Um die Preise zu halten verderben ganze Wagenladungen an Lebensmittel oder werden anderweitig vorsätzlich vernichtet. Mit Rüstung und Werbung entstehen ganze Industriezweige, die allein darauf ausgerichtet sind, den gesellschaftlichen Überfluß zu absorbieren. So kann das kapitalistische System überhaupt nur überleben, indem es unnütze und schädliche Beschäftigungen wie Zwischenhandel und Militär vermehrt. Nicht mehr die Arbeit schafft Produkte, sondern die Produktion schafft Arbeit.
    "Die Arbeit dehnt sich aus, bis sie die zur Verfügung stehende Zeit ausfüllt. Die Arbeit nimmt, entsprechend den zu ihrer Bewältigung nötigen Mitteln zu." (22)
So wird die Hälfte aller nützlichen Arbeit in der Welt zu dem Zweck verrichtet, die schädliche zu bekämpfen. An die Stelle der Vernichtung von Waren tritt die Produktion von Vernichtungsmitteln, d. h. Rüstungsgütern. Auf beiden Seiten des ideologischen Konflikts von Kapitalismus und Kommunismus, bzw. Sozialismus wird dieser Produktionsprozeß auf jede Weise gefördert. Im Dienst der Produktion wird eine gewaltige Bündelung von Macht akzeptiert. In den ökonomischen und gesellschaftlichen Bedingungen des Produktionsprozesses liegt also bereits potentiell Gewaltsamkeit. "Der Sieg der Gewalt beruth auf der Produktion von Waffen, und diese wieder auf der Produktion überhaupt." (23)

Produktionsverhältnisse sind zugleich Herrschaftsverhältnisse. Die Sachzwänge der Arbeitsteilung lassen eine herrschende Klasse entstehen, die ihre Freiheit auf Kosten der beherrschten gewinnt. Von einem bestimmten ökonomischen Ausmaß an sind Unabhängigkeit und Freiheit für wenigstens einen Teil der Menschen nur durch die Spaltung der Menschheit in Klassen möglich. Ungleichheit entsteht in einem ursächlichen und wesentlichen Maß auf dem Sektor der Produktionsstruktur.

Ein scheinbar unlösbarer Widerspruch ergibt sich aus dem gesellschaftlichen Charakter der Produktion und dem privaten Charakter der Aneignung. Das Recht am Werkzeug ist ein gemeinschaftliches, das Recht am Produkt ein privates. Die Aneignung unbezahlter Arbeit ist die Grundform der kapitalistischen Produktionsweise. Das nach wie vor entscheidende Gewaltverhältnis ist die private Aneignung des Mehrwerts. Herrschaft äußert sich als Verfügungsgewalt über das Mehrprodukt. Das Eigentumsrecht ist die Gewalt des Kapitals über fremde Arbeit. "Sind nicht die Reichen die, die Gewalt an euch üben?" (24)

Das Eigentum ist die Grundlage der Verfassung und der Geist der Gesetze. Eigentum ist aber nur ein Faktum und Fakten schaffen kein Recht. So ist Unrecht ein notwendiges Element in der wechselseitigen Beziehung individueller Eigentümer. Das Geld ist dabei das Mittel, die Ungleichheit zwischen den Menschen aufrecht zu erhalten. "Persönlicher Besitz ist die Bedingung des gesellschaftlichen Lebens, das Eigentum aber bewirkt den Selbstmord der Gesellschaft." (25) Wo es kein Eigentum gibt, oder wo es nur den Wert der Arbeit von zwei oder drei Tagen ausmacht, braucht man keine Regierung. Solange es aber das individuelle Eigentum gibt, wird es immer so etwas wie einen Staat geben. Die Abschaffung des Privateigentums wäre die Abschaffung des Staates.

Ohne wirtschaftliche Freiheit ist politische Freiheit bedeutungslos. Politische Freiheit bleibt ohne die ökonomische Freiheit der Produktionsbedingungen eine Lüge, weil in einer bloßen Freiheit des Marktes der Stärkere immer den Schwächeren unterdrückt. Die freie Konkurrenz eines freien Marktes ist dann nichts anderes, als die Freiheit der Haie und Wölfe, denen das Geld als Waffe zur Unterdrückung dient. "Was ist die Plünderung einer Bank gegen die Eröffnung einer Bank." (26)

Als Geld ist das Kapital eine Ware, die sich ohne produktive Arbeit vermehren kann. Geld aber auf eine andere Weise als durch Arbeit zu verdienen ist das Geschäft von Betrügern. Die Pflicht zu arbeiten besteht für jedermann, entsprechend seinen Bedürfnissen, die er zu befriedigen wünscht. Das Eigentum muß von der Arbeit abhängen, nicht die Arbeit vom Kapital. Kapitalverzinsung ist deshalb unmoralisch, weil das Kapital selbst unfruchtbar ist und nur durch Arbeit Früchte tragen kann.

Jeder Handel und Verkauf von Arbeit ist eine Form der Sklaverei. Deshalb müssen die Arbeiter Eigentümer und nicht Verkäufer ihrer Arbeit sein. Ist die Arbeit nicht frei, wird sie zu einem Mittel der Entmenschlichung. Frei können wir nur in dem Maß sein, in dem es uns gelingt, uns vom Produktionsprozeß zu emanzipieren. Wenn der Sozialismus die Organisation der Arbeit zugunsten der Gesamtheit ist, dann ist die Anleitung zur Revolution gleichzeitig die Anleitung zur Produktion und der Arbeitsplatz wird zum eigentlichen Ort des Befreiungskampfes.


Staat und Gesellschaft

Aufgabe des Staates wäre es, die Lebensbedingungen der Gesellschaft zu sichern. Der Gegensatz von allgemeinem und besonderem Interesse dient dabei als Legitimationsbasis für Recht und Gesetz. Die erforderliche Trennung von Staat und Gesellschaft läßt sich aber nur mehr schwerlich aufrechterhalten. Die Wirtschaft, als Organ des Nutzwillens, gleicht sich immer mehr dem Staat, als Organ des Machtwillens an. Die Gesellschaft, die sich von unseren Bedürfnissen herleitet, unterscheidet sich als Soziales kaum mehr vom Politischen, das unserer moralischen Mängel wegen existiert. Der Staat wird zunehmend zu einem Wirtschaftsunternehmen und ist bereits wichtigster Kunde der Wirtschaft. Bezeichnend für diese Situation ist die Zusammensetzung des deutschen Bundestages von 1987, in dem knapp 50 Prozent der Mitglieder Beamte oder öffentlich Bedienstete sind.

Das Industriesystem beherrscht den Staat als natürliche Folge der Tatsache, daß wirtschaftliche Ziele zu den einzigen Zielen der Gesellschaft geworden sind. Ein gesellschaftlicher Organismus, der auf die Befriedigung materieller Bedürfnisse reduziert ist, fällt jedoch über kurz oder lang seelenlos auseinander. Jeder Mensch, der allein durch die Materie Macht zu gewinnen sucht, verkauft seine Seele quasi an den Teufel. Wendet sich Geld vom Mittel zum Zweck, wird das Tote und Leblose zum Ziel und Ideal. Das Unmenschliche triumphiert. Aber "was hülfe es dem Menschen, wenn er die Welt gewönne und doch Schaden nähme an seiner Seele." (27)

Die Fäden, die zwischen den verschiedenen Interessengruppen und der Bürokratie gesponnen sind, verdichten sich immer mehr, bis die erforderliche Wesensdifferenz von Staat und Gesellschaft nicht mehr existiert und vollkommen ausgelöscht ist. Der Staat wird zur totalen Gesellschaft und benützt seine Macht, um sich den gesellschaftlichen Körper einzuverleiben. Er macht sich dadurch den Egoismus zueigen, den er dem Einzelnen abspricht. Der Demokratie wird so die Substanz entzogen. In einem solchen Staat werden die kleinen Diebe gehängt und die großen legitimiert. Letztlich sind es dann nur die Dummen, die zum Stehlen gehen, die Schlauen haben dafür die Gesetze. "Die, welche das Geld haben, laden und richten die Batterien der Gesetze und Strafen gegen die, welche es nicht haben." (28)

Der Staat ist von den Konflikten in der Gesellschaft abhängig. Er muß den gesellschaftlichen Widerspruch aufrechterhalten, will er sich nicht selbst aufheben. Gibt es keine Konflikte mehr, gibt es keinen Staat mehr. Mangelt es an strafrechtlich verfolgbaren Delikten, ist der Staat selbst gezwungen, Gesetzesverstöße zu inszenieren, um den Glauben an seine Notwendigkeit zu bestärken. Sobald an der legitimen Notwendigkeit des staatlichen Umfangs verstärkt Zweifel entstehen, reagieren staatliche Organe mit Mafia-Methoden. Sie beschwören alle möglichen Gefahren herauf und verunsichern den Bürger, um sich dann anschließend als letzter Retter in der Not aufzuspielen. Jüngste Geheimdienstskandale hinsichtlich gewisser V-Mann-Aktivitäten sprechen eine beredte Sprache. (29)

Steuern, angeblich der Beitrag der Gesellschaft zu den allgemeinen Unkosten und zur allgemeinen Sicherheit, sind in Wirklichkeit der Tribut einer besiegten Gesellschaft an den siegreichen Staat und sind nichts anderes als Schutzgebühren, wie sie Mafiosi erpressen. "Alle Staaten sind Verschwörungen der Reichen, die unter dem Vorwand des Staatsinteresses für ihren eigenen Vorteil sorgen." (30) GIANFRNCO SANGUINETTI schildert in seinem Buch "Über den Terrorismus und den Staat" (31) eindrücklich, wie italienische Geheimdienste den Terrorismus organisieren und die Fäden in der Hand halten. Geheimdienste wirken so als Staat im Staate und sind die Macht der Macht. Geheimes Wissen als innerster Kern der Macht wird zum Schlüssel jeden Systems totaler Herrschaft. Wissen wird mit Macht identisch und zu beherrschen heißt zu beherrschen wissen.

Die Funktionszusammenhänge von Macht und Herrschaft sind auch insgesamt unübersichtlich. International befinden sich die Staaten in einem Zustand der Anarchie und militärische Macht gibt es hauptsächlich deshalb, weil der souveräne Staat in seinen internationalen Beziehungen keine übergeordnete Instanz anerkennt. "Als Naturwesen verhalten sich die Staaten nach der Gewalt." (32) Internationale Anarchie ist also das Ergebnis nationaler Souveränität. Staat heißt Krieg, denn der Krieg ist keine Beziehung zwischen Menschen, sondern zwischen Staaten. Solange aber der Krieg die Gesundheit des Staates bedeutet, solange bleibt der kriegerische Normalzustand zwischen souveränen Staaten weiterhin in Gültigkeit.


Sozialismus und Moral

Die Grundlage jeder bestehenden Ordnung ist sozialistisch, weil es ohne gegenseitige Hilfe und soziale Kooperation überhaupt keine Gesellschaft geben würde. In diesem Sinn sind allein im moralischen Kontext die Kriterien zu finden, die eine basisdemokratische Identität von Regierenden und Regierten möglich machen. Ökonomie, als Wissenschaft von den menschlichen Bedürfnissen und der Organisation ihrer Befriedigung, muß als Ethik des Wirtschaftens verstanden werden und darf nicht länger der Sklave von Profitinteressen sein. Man darf Reichtum nicht deshalb als ehrenhaft betrachten, nur weil er Macht bedeutet.

Das Geschäftsleben hat kaum mit Moral zu tun, weil, zum einen der Markt keine Bemessungsgrundlage für moralische Verdienste und den Wert einer Leistung sein kann, und zum andern, weil das Gewinnstreben zu einem zügellosen Machtstreben geworden ist, wo Habgier und wahnwitziger Ehrgeiz herrschen. Der Erfolg ist kein Maßstab für Recht und Unrecht. Nicht der Erfolg beweist die Größe, sondern die Art seines Bestrebens. Armut ist kein Zeichen sittlichen Mangels.

Die Gleichheit vor dem Gesetz allein hat die Ausbeutung keineswegs abgeschafft. Wenn man heute die Güter der Erde in gleiche Teile teilen würde, wäre diese Gleichheit schon am nächsten Tag wieder verschwunden. Das Recht kann nur in der Anwendung von gleichem Maßstab bestehen und dieser Maßstab muß die Gerechtigkeit und die Verhältnismäßigkeit sein, weil es keinen Grund gibt, warum irgendjemand mehr Rechte haben sollte, als ein anderer. Wirtschaftliche Macht über andere Menschen darf deshalb nicht einzelnen Menschen überlassen bleiben, sondern muß in der echten Gemeinschaft Grenze und Ausgleich finden. Besitz, der keine Macht verleiht, garantiert persönliche Freiheit, das Eigentum aber ist ungerecht und sollte juristisch abgeschafft werden.

Die Entfremdung des Menschen wurzelt zuerst in den Produktionsverhältnissen. Arbeit, die auf Freiwilligkeit beruth, hätte keinesfalls die Entbehrung der notwendigen Güter zur Folge, wie die Gegner der Freiwilligkeit etwa annehmen. Das ökonomische Problem sind nicht hohe Produktionsquoten, sondern die freie und sinnvolle Arbeit. Wer die Welt verändern will, muß die Arbeit angenehm gestalten, so daß die Menschen Lust haben zu arbeiten. Der Gegensatz von Arbeit und Lust muß aufgehoben werden. Das wird aber nicht geschehen, solange es immer noch Hungerleider gibt, die für ein paar Dollar auch so arbeiten.

Das erste soziale Gesetz ist, allen Mitgliedern der Gesellschaft die Existenz zu gewährleisten, alle anderen Gesetze sind jenem untergeordnet. Jeder Mensch muß, gleichgültig, ob er arbeitet oder nicht, das bedingungslose Recht haben, nicht zu hungern und nicht obdachlos zu sein. Er soll nicht mehr erhalten, als zum Leben nötig ist, aber auch nicht weniger. Jeder Mensch hat das uneingeschränkte Recht zu leben, ob er seine Pflicht gegenüber der Gesellschaft erfüllt, oder nicht. Zu diesem Zweck muß entweder die Herstellung von lebenswichtigen Gütern von der übrigen Produktion getrennt werden, oder man muß das Privateigentum an allem, was zum Leben nötig ist, abschaffen.

Die auf Lebensnot zugeschnittenen Verhaltensweisen sind der Ursprung von Festigkeit und Stabilität der Machtstrukturen. "Hinter jedem Reichen steht ein Teufel, hinter jedem Armen - zwei." (33) Die Freiheit muß deshalb, um wirksam zu werden, ihre erste Anwendung im Bereich der Wirtschaft finden. Freiheit beginnt erst da, wo das Arbeiten aus Not und Zweckmäßigkeit aufhört. Solange der Zwang der äußeren Natur in Gestalt des ökonomischen Mangels fortbesteht, wird jede revolutionäre Klasse nach ihrem Sieg zu einer neuen Klassenherrschaft führen.


III. Teil
Anarchie und Anarchismus
Anarchie und Moral

Ohne die Anerkennung allgemeinverbindlicher Normen kann kein soziales System funktionieren. Doch ohne Regelverstöße kann es keine persönliche Identität geben. Was ein Mensch entgegen den Wünschen und Bedürfnissen seiner Mitmenschen tut, prägt seinen individuellen Charakter und seine Persönlichkeit weit mehr, als sein konformes Verhalten. Erst durch die Unterscheidung entsteht Individualität und erst nach entwickelter Individualität kann es echtes soziales Verhalten geben. Deshalb muß in einer Gesellschaft Raum für Abweichungen sein und das Recht zur Abweichung muß unterstützt werden. Je entwickelter die moralische Individualität ist, desto weniger bedeutet das die Unterordnung des Einzelnen. Eigenverantwortung fördert Ungehorsam.

Ein Mensch, der weiß, was er will, weiß notwendigerweise auch, was er nicht will. Die Instanz oder Institutioin, die letztlich diese Entscheidungen zwischen gut und nicht gut trifft, ist das Gewissen. Jede Lebensregel, durch die sich ein Mensch aufgrund seines Gewissens verpflichtet fühlt, ist in gewissem Sinn ein Gesetz. Jeder, der ein ethisches Urteil fällt, ist ein Richter oder Gesetzgeber, ganz nach dem Allgemeinheitsgrad des betreffenden Urteils.

Da es keine absolute Freiheit geben kann, weil der unbeschränkte freie Wille notwendigerweise Unrecht erzeugt, lehnt nur der naive Anarchist alle Maßstäbe ab, hütet sich jedoch immer, einen von ihm anerkannten Wert als allgemeingültig zu betrachten. Eine pluralistische Ordnung respektiert die Unterschiede in der Vitalität und im Wesen der Menschen und versucht nicht, sie unter eine allgemeinverbindliche Norm zu pressen. Verschiedene Rechtsnormen und Gesetzesordnungen gibt es ja gerade deshalb, weil es mehrere irreduzible, also nicht mehr weiter zurückführbare Grundnormen gibt.

Anarchie bedeutet nicht: kein Gesetz, sondern kein Herrscher. Frei kann ein Mensch nur sein, wenn er einem Gesetz gehorcht, das er sich selber gegeben hat. Dieses Gesetz kann nur Freiheit und Gleichheit heißen. Es gibt keine Freiheit ohne Gleichheit und keine Gleichheit ohne Freiheit. Der Zustand ungleicher Freiheit ist gleichbedeutend mit Herrschaft. Ein Anarchist ist deshalb lieber den Unanehmlichkeiten ausgesetzt, die ein Übermaß an Freiheit mit sich bringen. Demokratie heißt permanenter Abbau von Herrschaft, deshalb muß man im Anarchismus die konsequenteste Weiterentwicklung des demokratischen Gedankens sehen. Demokratie in ihrem bestentwickeltsten Zustand ist nichts anderes als Anarchie.

Die moralische Gerechtigkeit ist unabdingbare Voraussetzung jedweder Gesellschaftsordnung. Gerechtigkeit hat aber nur da Sinn, wo sie als Legitimationsmacht der Autorität überlegen ist. Legitimität existiert nur da, wo sich Macht tatsächlich rechtfertigen läßt und das ist nur möglich, wo ihre Anwendung für jedermann wirklich einsichtig ist und zur Diskussion gestellt werden kann. So ist die einzig relevante politische Einheit, in der politische Freiheit von Bedeutung sein kann, der natürliche Lebenszusammenhang auf kommunaler Ebene. Nur eine freie, überschaubare kommunale Ordnung kann als höchste Form sozialer Gerechtigkeit gelten. Nur aus dem freiwilligen Zusammenschluß von Menschen, die ihre Einzigkeit begriffen haben und sich ihrer bewußt sind, kann echte Gesellschaft entstehen.


Die freie Gesellschaft

Ein Gemeinwesen darf keine Abstraktion sein und die Stimme des Einzelnen darf bei zunehmender Anzahl der Bürger nicht an Gewicht verlieren. Als Humanum kann der Mensch erst da beginnen, wo der Staat aufhört. In einer überschaubaren Gesellschaft, in der wirkliche Gemeinschaft praktiziert wird, setzt sich jeder für das Wohl eines jeden ein. Hier besteht ein klarer Realitätsbezug und Sinn für Proportionen und Verantwortungsbewußtsein. Um gut regieren zu können, dürfen die Grenzen einer Gemeinde nicht zu groß sein, aber auch nicht zu klein, damit sie sich noch weitgehend selbst erhalten kann. Die Wiederherstellung der Gemeinde entspricht dem Absterben des Staates.

Die Herrschaft des Rechts gilt zwar als eigentliches Staatsziel, aber Rechtsfragen laufen im zentralen Staat immer auf Machtfragen hinaus. Nun hängt aber auch die juristische Logik der Argumentation vom allgemeinen Konsens im Verständnis der Wirklichkeit ab. Alles Recht ist Gewohnheitsrecht und ein Brauch und Bräuchen, weiter nichts. So bleibt jeder Rechtsstreit ein maskierter Machtkampf. Da die Auslegung der Gesetze vom Interpreten abhängt, wird der Interpret zum Gesetzgeber. "Ordnung ist die zum Gesetz gemacht Unordnung." (34)

Die Emanzipation vom Staat besteht auf dem Gebiet der Rechtsprechung in der Möglichkeit der Schiedsgerichtsbarkeit. Eine völlige Legalisierung führt dann dazu, daß man keine Herrscher mehr braucht, sondern nur mehr Richter. "
    An die Stelle der Gesetze werden wir Verträge setzen. Es wird keine von einer Majorität, oder gar einstimmig erlassene Gesetze geben. Jeder Bürger, jede industrielle Vereinigung wird sich ihre eigenen Gesetze geben." (35)
Gleiche, die von ihnen selbst bestimmte und vernünftige Grundsätze anwenden, brauchen keine Autorität über sich.

In einer freien Gesellschaft hat kein Gericht und keine Behörde das Recht Gewalt anzuwenden, das über das Notwehrrecht des Einzelnen hinausgeht. Gewalt kann nur den Zweck haben, die Gewalt anderer zurückzuweisen. In der staatlichen Bürokratie aber "wird täglich Herrschaft und Autorität ausgeübt, weit über ihre direkten Funktionen der Gewalt- und Verbrechensbekämpfung hinaus." (36)

Der Staat ist zur Überwindung jeder natürlichen Gemeinschaft geworden, deshalb ist jedes Land, das eine Regierung besitzt, ein besetztes Land.
    "Damit der Staat funktioniert, muß es vom Mann zur Frau und vom Erwachsenen zum Kind spezifische Herrschaftsverhältnisse geben. Der Staat ist ein Verhältnis, eine Beziehung zwischen Menschen, ist eine Art, wie Menschen sich zueinander verhalten und man zerstört ihn, indem man andere Beziehungen eingeht, indem man sich anders zueinander verhält." (37)

    "Die Grundlage einer freien Gesellschaft ist keine Philosophie oder Religion, sondern eine Schutzstruktur. Man beschütze die Traditionen voreinander und verteidige die Rechte jener, die eine Tradition verlassen wollen, der Rest geht den Staat nichts an." (38)

    "Jeder Staat muß freie Menschen als mechanisches Räderwerk behandeln und das soll er nicht, deshalb soll er aufhören." (39)
Die Macht will nicht überzeugen, sondern abschrecken. Sie verhält sich instrumental zur Struktur der Gewalt. Anstelle der Gewaltausübung genügt ihre bloße Androhung. Die Gewalt wird gleichsam latent und ist immer vorhanden, auch wenn sie nicht offensichtlich ist. Angst und schrecken sind so ideale Herrschaftsmittel und untrennbare Begleiter der Macht. Wer nach Macht strebt, will lieber gefürchtet, als geliebt werden. Wer nicht geliebt wird, möchte beherrschen. Wer aber beherrschen will, kann nicht geliebt werden. Das ist der Teufelskreis von Macht und Herrschaft.

Voraussetzung des moralischen Lebens ist das Bedürfnis nach gegenseitiger Zuneigung und der letzte Grund des menschlichen Zusammenlebens muß die Liebe sein und nicht die Moral. Herrschaft widerspricht dem Prinzip der Liebe. Liebe und Einsicht sind der gemeinsame Gegner der Gewalt. Liebe und Gewalt sind polare Gegensätze. Wo es Liebe gibt, gibt es keinen Machtwillen. In der Liebe werden Teilung und Ausgrenzung, aber auch Quantifizierung und Vereinheitlichung, als Methoden der Herrschaft, überwunden. Liebe ist unübertragbar und einmalig auf ein ganz bestimmtes und konkretes Wesen bezogen. Auch die Liebe zur Menschheit wendet sich immer an den konkreten, einzelnen Menschen. Gibt es Liebe, dann haben Gesetze keine Bedeutung. Die Liebe hat kein Gesetz, sondern ist das Gesetz selber. Aus diesem Grund lehnt z. B. die christliche Ideologie das Gesetz des Menschen ab. Sie hält die Gewalt für eine Teufelsmacht, die unter dem Zwang steht, immer wieder neue Gewalt zu erzeugen. Es ist der Fluch der bösen Tat, daß sie immer wieder Böses gebären muß. Die Aufforderung zum Kampf und zur Konkurrenz ist deshalb eines der wichtigsten und wirksamsten Verführungsmittel des Bösen. So heißt es in Matthäus 5, 39: "Du sollst dich dem Bösen nicht mit Gewalt widersetzen."


Die Religion der Wirklichkeit

Herrschaft ist nur dann sinnvoll, wenn es eine einzige Hauptrealität gibt. Wirklichkeit und Wahrheit sind die Götzen des allgemeinen Denkens. Wir werden in einer ganz bestimmten Realität erzogen und wachsen in einer Welt auf, von der man uns sagt, daß sie die einzige ist. Das Gleiche gilt von der Wahrheit. Jeder glaubt, daß es nur eine einzige Wahrheit gibt, die für Alle gültig ist und die nur mit rational-wissenschaftlichen Methoden und Logik bewiesen zu werden braucht. Aus der notdürftigen Kombination von Wahrheit und Realität ergibt sich dann eine Vernunft, die nicht mehr ist, als der klägliche Versuch, eine unvernünftige Natur mit einem begriffsrealistischen und naiven Denken zu vereinbaren.

Realität ist als ideologischer Verstandesbegriff immer eine Macht, die die wirklich herrschenden Gewalten verschleiert. Beschränken sich Bewußtsein und Erkenntnisstreben auf sprachlich-logisches Denken, irrt der Mensch wie in einem Wald voller Gespenster umher und findet zwar ab und zu eine Lichtung, aber aus dem Wald kommt er nicht heraus. Jeder naive Denker befindet sich in einem geistigen Gefängnis, in dem dann schließlich auch seine Seele verendet, wenn er nicht Kraft und Mut findet, sich daraus zu befreien.

Die Lüge des abstrakt Idealen ist die Wahrheit des Herrschenden. Die Idee steht neben dem Herrscher und wer nicht selbständig denkt, wird beherrscht. Der eigentliche Herrschaftsakt ist der, welcher aus der Wirklichkeit ein abstraktes Gespenst macht und das Allgemeine als letztlich einzig Sinnvolles erscheinen läßt. Alle Theorien haben allgemeinen Charakter, da sie das Resultat einer Verallgemeinerung von Einzelbeobachtungen sind. So konnte erst in der universalistischen Sinnerfüllung durch das Abstrakte die anarchische Struktur der Realität verbaut werden. Im Kampf gegen den Universalismus wird der innerste Kern menschlicher Herrschaft getroffen.

Das Wesen der natürlichen Existenz ist die Einzelheit. Die Natur selbst hat keine einheitliche Theorie von sich, ihr ist jede Systematik und der anthropozentrische Standpunkt fremd. Das Besondere am Individuellen ist, daß in ihm kein Gesetz liegt und kein Prinzip und keine Ordnung. So liegt im Selbstgefühl die natürliche Abwehr gegen jede Autorität begründet. Die ungeformte Materie und einander widerstrebende Kräfte der Natur haben ihre wesentlichste Analogie in den Empfindungen der individuellen Seele und ihren geheimen, nicht mitteilbaren Schichten, die sich nicht allein mit den Methoden der Vernunft messen lassen. In der existentiellen Bedeutung des individuellen Lebens hört jede Systematik auf. Freisein bedeutet im Grund nichts anderes, als Selbstsin und aus eigenem Ursprung sein.

In der Logik gibt es keine Freiheit. Die Logik erzwingt Gehorsam. Logik ist immer eine Sache des Systems und nicht des Problems. Das Einzelne ist als besonderer Umstand ein bloßes daß, etwas Zufälliges und Unwiederholbares. Der Zweck der verallgemeinernden Abstraktion ist es, logische Beziehungen im Hinblick auf ein Ganzes erkennbar zu machen. Im logischen Ordnungsstreben wird aus der chaotischen Fülle von Einzeldaten eine Welt, die sich aus Gesetzen und Regeln zusammensetzt. Das Unberechenbare wird durch ein Allgemeines ersetzt, damit es nicht die Fundamente der festen Ordnung untergräbt.

Anarchistisches Denken verneint die Überlegenheit der allgemeinen Theorie und jeden Anspruch auf allgemeine Gültigkeit. Anarchismus [eltzba] ist die Weigerung das Allgemeingültige überhaupt zu denken, weil es keine zeitlose Wahrheit gibt, die für alle Menschen zu allen Zeiten gültig ist. Bei der Suche nach einer objektiven Wahrheit wird jeder bald feststellen, daß es viele Wahrheiten gibt, abhängig vom jeweiligen Standpunt, von dem aus eine Sache gesehen und untersucht wird. Jedem Denksystem entspricht ein eigener Denkstil, der verschiedene Meinungen mit sich bringt, die nicht unbedingt miteinander vereinbar sein müssen. Was in einem System wahr ist, kann in einem anderen falsch sein. Komplexe Ideen werden von verschiedenen Menschen verschieden gebildet, deshalb erscheint die gleiche Welt verschiedenen Beobachtern auch verschieden. Wenn der einzelne Mensch das Maß aller Dinge ist, dann kann es keine andere allgemeingültige Wahrheit als eben diese geben.


Relativität und Anarchismus

Die einzig allgemeine Ansicht, die mit einer freien Gesellschaft vereinbar ist, ist ein Relativismus. Nur ein Strukturbegriff, der die unterschiedlichen Realitätsebenen mitbegreift, kann dem relativen Charakter der Wirklichkeit entsprechen und ist in der Lage, die geeignete Basis für eine Logik der Individualität zu bilden, die der Besonderheit individueller Gegebenheiten gerecht wird und nicht versucht, diese durch schrittweise Einengung in Gattungsbegriffe zu fassen.

Der anarchistische Strukturbegriff erhält seine Bedeutung erst nach der Unterscheidung von Zusammenhang und Beziehung. Jeder Zusammenhang ist etwas Wirkliches, die Beziehung nur etwas Gedachtes. Beziehungen finden nur zwischen Begriffen statt. Zwischen dem Allgemeinbegriff Kartoffel schlechthin und dem Einzelbegriff Kartoffel hier und jetzt besteht kein Zusammenhang, wohl aber eine Beziehung. Zusammenhänge werden unmittelbar erlebt, aber nicht begriffen, d. h. der Punkt, an dem eines am andern hängt, ist sprachlich nicht greifbar und logisch nicht zu erfassen, wohl aber intuitiv. Beziehungen dagegen werden begriffen, aber nicht unmittelbar erlebt.

Leben ist überall nur als Zusammenhang da. Der rationale Verstand ist die Macht, welche Beziehungen stiftet, die Seele aber ist die Macht, durch die etwas zusammenhängt. Damit es Beziehungen geben kann, müssen Zusammenhänge aufgehoben sein. Der logische Verstand zerschneidet und zerlegt die natürlichen Zusammenhänge, indem er sie auf zählbare und abstrakte Begriffseinheiten zurechtstutzt. Wenn wir aber abstrahieren und die Dinge ansich betrachten, bewegen wir uns in Richtung Verabsolutierung und brauchen uns dann nicht wundern, wenn sich Sinnprobleme auftun, wenn wir nach einer Beschaffenheit der Dinge fragen, die unabhängig vom Zusammenhang mit anderen Elementen ist.
    "Die Geschichte des logozentrischen Denkens bedeutet den undurchführbaren Versuch, zum Zweck der Denkbarmachung der Welt Zusammenhänge in Beziehungen aufzulösen." (40)
In einer relativistischen Sicht der Welt verliert die Herrschaft ihre Legitimationsbasis, da verschiedene Wirklichkeiten gleichberechtigt nebeneinander bestehen. Die Anerkennung der individuellen Relativität von Normen bedeutet notwendigerweise Toleranz gegenüber Unteschieden, denn was dem einen eine Wahrheit ist, mag dem anderen als Irrtum erscheinen. So widerspricht es dem relativistischen Prinzip, politisch und ideologisch Andersdenkende zu ächten oder auszugrenzen.
    "Die Welt, in der einer lebt, ist festgemacht durch das, was ein Mensch in seinem Dasein von seinem Dasein will. Je nachdem, was er will, begegnen ihm die Dinge als Zuhandenheiten. Dem Bauern ist der Wald ein Gehölz, dem Förster ein Forst, dem Jäger ein Jagdgebiet, dem Wanderer in der Sonnenhitze ein kühlender Schatten, dem Dichter bietet er das Erlebnis des Waldwebens und des Schweigens im Walde ebenso, wie für den Maler, für den er eine Waldlandschaft ist. Damit ist die Welt, in der einer lebt, als etwas erkannt, das im Wesen des Menschen selbst seinen Grund hat." (41)
Anarchistische Prinzipien fassen die Unbestimmtheit als positives Phänomen auf und halten das schöpferische Chaos für das beste Erkenntnisklima, weil es den Geist weckt und Unternehmungslust und Energie in der Gesellschaft verbreitet. Der Anarchist schafft und erträgt das Chaos der Freiheit, in dem allein Entwicklung möglich ist. Schöpferische Tätigkeit ist ihm das Resultat eines Prozesses, in dem geläufige Strukturen ein Stadium vorübergehender Desorganisation durchlaufen. Jeder schöpferische Prozeß enthält irrationale Elemente, weil erst mit dem Irrationalen das Neue und Nochniedagewesene durchbrechen kann. Die Struktur des Denkens muß sich ändern, wenn man das Neue verstehen will, ,weil die schöpferische Begabung eine mystische Fähigkeit ist, die nicht immer unseren Denkmustern entspricht.


Die Herrschaft des Allgemeinen

Der Anarchist erkennt im universalistischen Denken das allgemeine Wesen seines Feindes. Der anarchistische Kampf gegen die Generalisierung ist die Bekämpfung des Denkens in seinem Charakter als System. Da erst das allgemeine Wissen dem Menschen die Herrschaft über die Erde und gegen die Natur verschafft hat, ist der Feind des Anarchismus jede aus der Autorität gebildete Abstraktion. Im Kampf gegen den Universalismus wird der innerste Kern der Herrschaftsfrage getroffen. Das Reich des Ansich und der abstrakten Absolutheit und Allgemeinheit bedeutet immer einen Zwang und Herrschaft. Die Verallgemeiner ist eine Mechanisierung, die alle menschlichen Beziehungen einem bestimmten Schema unterzuordnen versucht. Die Reduktion des Einzelnen auf eine rational erfassbare Allgemeinheit entbehrt jeder vernünftigen Grundlage. Das Individuum ist von unersetzbarer Einmaligkeit und kann nichts anderem untergeordnet werden.

Je mehr nun die Vergesellschaftung des Menschen fortschreitet, desto mehr herrschen abstrakte Gedanken, d. h. Gedanken, die immer mehr die Form der Allgemeinheit annehmen. So sind logische und abstrakte Ordnungen in Theorien und Denksytemen deshalb destruktiv, weil sie lokale und regionale Ordnungen und deren Autonomie und Freiheit zerstören. Das organische Leben einer funtionierenden Gemeinschaft ist voller Zufälle, Überraschungen und Unzulänglichkeiten, wobei zwar, entsprechend dem jeweiligen Systematisierungsbedürfnis, Regelmäßigkeiten auftauchen, die sich aber immer wieder durch verschiedene Umstände und Situationen unterscheiden.


Sprache und Anarchie

Der Grund für Widersprüchlichkeiten und Kommunikationsschwierigkeiten liegt darin, daß jede allgemeine Betrachtung die Tendenz hat, sich aus dem konkreten Zusammenhang zu lösen und sich als Abstraktion zu verselbständigen. Wenn wir etwas nicht verstehen, dann verwechseln wir die abstrakt-logische und allgemeine Definition mit der konkret-individuellen Bedeutung und können beides nicht voneinander unterscheiden.

Für das Kleinkind ist noch jedes Wort ein Eigenname. Aber mit zunehmendem sprachlichen Verkehr schleifen sich dann die Individualbegriffe zu Gattungsnamen um. Wir sind immer gezwungen in Gleichnissen und Bildern zu sprechen, aber ob ein Ding einen Eigennamen trägt oder nicht, hängt immer von unserem Interesse ab. Würden wir jedem Ding auf der Welt einen eigenen, speziellen Namen geben, gäbe es keine allgemeine Sprache. So treffen die Worte, die wir gebrauchen, zwar nicht immer das, was wir meinen und produzieren Widersprüche, aber trotzdem können wir uns den Sachverhalten irgendwie nähern. Wer sprachkritisch denkt, versucht diese Annäherung zu entwickeln, bis er sich durch seine Sprache auch bestmöglich repräsentiert fühlt.

Wenn in der Sprache die unmittelbare Bindung an konkrete, sinnliche Erfahrung verlorengeht, nehmen Worte die Stelle von Empfindungen ein. Die Sprache wird dann zu einem Automatismus, der die Wahrnehmung bestimmt. Ist das der Fall, wird jede verbale Auseinandersetzung zu einem reinen Streit um Worte. Die Überlegung besteht ja gerade darin, daß wir subjektives Empfinden und Interesse in einen Sachverhalt einbringen, dieses mit den in unserem Gedächtnis gespeicherten Erfahrungen verbinden und das sich Unterscheidende reflektieren. Wenn wir nun die Sprache von unseren Empfindungen abkoppeln, werden uns die Worte quasi aus dem Reich des abstrakt Idealen eingegeben. Es spielt keine Rolle mehr, was wir wahrnehmen, da wir ein scheinbar festes und unverrückbares logisches Bild von der Welt haben, nach welchem sich dann unsere Wahrnehmung richtet. Was nicht in unser theoretisches Sytem paßt, wird gar nicht mehr bemerkt und wahrgenommen und unbewußt ignoriert.

Wer aber keine freie Wahrnehmung mehr hat, besitzt auch keinen freien Willen mehr und es kann nichts Entsetzlicheres auf der Welt geben, als daß die Handlungen eines Menschen nicht mehr unter seinem Willen stehen. In diesem Sinne ist ein Musterbeispiel für Gewalt und Herrschaft eines Begriffs oder einer Idee, die hypnotische Situation. Hier erleben wir das überzeugendste Experiment, das die Unterwerfung unter eine fremde Autorität oder Denkvorgänge demonstriert. In der Hypnose wird der Unterschied von seelischer und geistiger Wirklichkeit zum Verschwinden gebracht. Der Verstand kann keinen Unterschied mehr machen zwischen dem was Traum und dem was Wirklichkeit ist, da der Hypnotisierte unfähig ist, den hypnotischen Befehl von seinem eigenen Willen zu unterscheiden.


Dogma und Freiheit

Der Glaube, daß die eigene Sicht der Wirklichkeit die Wirklichkeit schlechthin bedeutet, ist eine gefährliche Wahnidee. Nicht Tatsachen und Beziehungen schaffen Realität, sondern Zusammenhänge. Der Objektivist sucht die Wahrheit, der Relativist begnügt sich mit der Bemühung, die Veränderlichkeit der Standpunkte und Beziehungen zu veranschaulichen. Das anarchistische Denken läßt eine mögliche Unvereinbarkeit ideologischer Standpunkte nebeneinander bestehen, indem es die *Wertvorstellungen der verschiedenen Traditionen zueinander relativiert.

Indem wir die soziale Bedingtheit des Denkens erkennen, befreien wir uns von einem Absolutismus der Denknormen. Herrschaftsfreiheit wird zu einer simplen Selbstverständlichkeit des Denkens. Beziehungsdefinitionen sind weder wahr noch falsch, sondern werden in ihren Ansichten nur mehr oder weniger geteilt. Wahrheit ist kein greifbares Inhaltsmoment, sondern ein Verhältnis zu etwas. In der relativistischen Sicht verschwinden die Undenkbarkeiten, die eine Verabsolutierung der Begriffe mit sich bringt. Oben und unten sind relative Begriffe, die nur im Hinblick auf einen Bezugspunkt Sinn machen. Auf der Unterseite der Erde regnet es nicht in die Höhe. Die Logik ist menschlich, aber die Lichtgeschwindigkeit ist eine Eigenschaft des Universums.

Der erkenntnistheoretische Anarchismus sieht die Prinzipienlosigkeit aller Natur und hält die Wissenschaft im Ganzen für chaotisch. Es wird paradoxerweise für vernünftig angesehen, alle fixierbaren Standards von Rationalität zu verwerfen. Der Rationalist glaubt an einen allgemeinen Maßstab für Denken und Handeln und ist im Wesenlichen begriffsrealistisch. Das soll uns aber nicht darüber hinwegtäuschen, daß auch der Rationalismus nur eine Glaubenssache und eine Meinung ist, wie andere Meinungen und nur eine Theorie mit Gültigkeit innerhalb der Grenzen eines bestimmten Systems. Jeder Denkstil hat seine Vor- und Nachteile, auch wenn der Rationalist die Macht des Verstandes hat, den Widerstand einer vernunftlosen Welt zu brechen. Der Nachteil des kausalen Denkens ist es z. B., daß es das Einzelne als Einzelnes nimmt und isoliert betrachtet. In der empirischen Realität dagegen sind Einheit und Allgemeinheit nicht zu finden. Der empirischen Untersuchung entgeht der strukturelle Wirkungszusammenhang als Methode der Herrschaft.

Grundsätzlich gibt es keine Ebene, von er aus ein bestimmter Denkstil den anderen gegenüber als wertvoller ausgezeichnet werden könnte. Die Vernunft kann kein allgemeingültiger Maßstab unseres Handelns und Denkens sein, sondern ist selbst nur eine Denk- und Handlungsform, die auf gleicher Stufe mit anderen Denk- und Handlungsformen, wie etwa dem Willen, dem Glauben oder dem Beharren auf Traditionen steht. Es gibt keine universale Rationalität.
    "Logik kann nur dann zu Übereinkünften führen, wenn es von vornherein unumstößliche Vereinbarungen darüber gibt, wofür die Wörter stehen. Aber unter unseren Freunden, Geschäftspartnern und Zufallsbekanntschaften - von denen einige katholisch und andere protestantisch, einige exakte Naturwissenschaftler und einige Mystiker, einige Sportfanatiker sind und einige sich nur für Geld interessieren - bestehen nur höchst unbestimmte sprachliche Gemeinsamkeiten." (42)
Wissenschaft hat keinen Alleinvertretungsanspruch in Sachen Wirklichkeit. Wissenschaft ist nur eine von vielen verschiedenen Arten, sich mit der Welt auseinanderzusetzen. Der Intellekt ist zergliedernd, das Gemüt dagegen synthetisch und vereinheitlichend. Der bloße Verstand ist zur Willensbildung untauglich und verliert sich eher im Zweifel. So sprechen Religion, Poesie und Philosophie Bedeutung zu und über den Sinn des Ganzen. Die verstehende und wertende Methode verlangt ganz andere Sichtweisen, als das Wissen. Im Verstehen wird Freiheit anerkannt. Ein nur wissender Mensch kann über eine Unmenge Informationen verfügen, ohne daß das Auswirkungen auf sein Verhalten haben muß. Darum besitzt ein Mensch nur soviel Gelehrsamkeit, wie sich in seinen Taten äußert. Nicht die Wahrheit, die jemand im Besitz zu haben glaubt, macht den Wert des Menschen aus, sondern die echte Mühe, die er dafür aufgewandt hat. Der Philosoph muß für seine Wahrheit mit seinem Verhalten einstehen, der Wissenschaftler glaubt, daß es genügt, sie auszusprechen. Wahrheit auszusprechen oder zu leben ist immer mit einem Wagnis, Unsicherheit und Risiko verbunden. Dem SOKRATES sind diejenigen, die richtig philosophieren damit beschäftigt zu sterben.

Die Grenze zwischen Wissenschaft und Nichtwissenschaft läßt sich überhaupt nur von Zwecken und Zielen her rechtfertigen. Dabei gibt es keinen größeren Irrtum, als den Glauben, Ziele und Zwecke seien eine Sache, Methoden und Taktiken eine andere. Rationalität ist ein eigener logischer Bezugsrahmen. Es gibt keine Universalmethode, die auf alle Wissenschaften anwendbar wäre. Rationalität gibt es unter anderem.
    "Die praktische Welt der Geschäfte ist rational für den Politiker, den Militär und den Händler. Sie ist irrational für das sittliche und künstlerische Temperament." (43)
Eine Tatsache der Ästhetik oder des Rechts muß noch lange keine Tatsache der Naturwissenschaft sein.

Im Anarchismus wird also die Widersprüchlichkeit der verschiedenen Weltanschauungen anerkannt und nicht durch eine bestimmte Ideologie und durch die gewaltsame Anwendung eines universalistischen Schemas überbrückt.
    "Durch den Ausgang der besten und rationalst geführten Debatte ist in einer freien Gesellschaft noch gar nichts entschieden. Entschieden sind die Dinge erst, wenn recht gewählte Ausschüsse freier Bürger sich die Sache angesehen und sie entweder akzeptiert oder abgelehnt haben, wie bei einem Geschworenengericht." (44)
Die demokratische Abstimmung muß sich deshalb über das Expertenwissen hinwegsetzen können.

Anarchie und Freiheit sind zwei Wörter für dieselbe Sache. Anarchismus ist für Freiheit und weder für, noch gegen irgendetwas anderes. Freiheit ist keine Tatsache, sondern ein Ziel, deshalb ist freisein nichts und freiwerden alles. Die Zielstrebigkeit der Freiheit liegt paradoxerweise in der Unbefangenheit und Spontaneität. In dem Augenblick, wo wir uns im Besitz der Freiheit wähnen, ist sie schon wieder verloren. "Wer in der Freiheit etwas anderes, als sie selbst sucht, ist zur Knechtschaft geboren." (45) BAKUNIN soll einmal auf die Frage, was er tun würde, wenn die Anarchie erst einmal eingerichtet ist, gesagt haben: "Alles wieder einstürzen."

Wir können nicht jeden Menschen lieben, aber wir müssen seine persönliche Würde achten. Die menschliche Würde ist das Recht. Diese Würde ist unter allen Umständen zu verteidigen, notfalls gegen sich selbst, das ist Gerechtigkeit. Gerechtigkeit ist die Bedingung des wahren Friedens.

LITERATUR - Laurent Verycken, Wirklichkeit und Macht, Penzberg, 1988
    Anmerkungen
    19) Karl Marx, Das Kapital, Bd. 1, Berlin 1962, Seite 83.
    20) Marx, a. a. O., Seite 169.
    21) William Morris, Kunde von Nirgendwo, Köln 1974, Seite 131.
    22) Northcote Parkinson, Parkinsons Gesetz, München 1978, Seite 87.
    23) Frantz Fanon, Die Verdammten dieser Erde, Reinbek 1978, Seite 55.
    24) Jakobus 2.6
    25) Pierre-Joseph Proudhon, Was ist das Eigentum?, Graz 1971, Seite VI.
    26) Wilhelm Weitling, Garantien der Harmonie und Freiheit, Stuttgart 1974, Seite 101.
    27) Jesus von Nazareth
    28) Weitling, a. a. O., Seite 48
    29) geschrieben im März 1987
    30) Thomas Morus, Utopia.
    31) Gianfranco Sanguinetti, Über den Terrorismus und den Staat, Hamburg 1982.
    32) Thomas Hobbes, Leviathan, Berlin 1976, Seite 245.
    33) Schweizer Sprichwort
    34) Saint Just
    35) Pierre-Joseph Proudhon in Otthein Rammstedt (Hg), Anarchismus, Köln 1969, Seite 40.
    36) Max Weber, Soziologische Grundbegriffe, Tübingen 1976, Seite 79.
    37) Gustav Landauer, Sozialismus und Freiheit, Wetzlar 1978, Seite 24.
    38) Paul Feyerabend, Wider den Methodenzwang, Ffm 1979, Seite 172.
    39) G. W. F. Hegel in Hoffmeister, Dokumente zu Hegels Entwicklung, Stuttgart 1936, Seite 219f.
    40) Ludwig Klages, a. a. O., Seite 620.
    41) Hans Leisegang, Einführung in die Philosophie, Berlin 1968, Seite 32.
    42) S. I. Hayakawa, Sprache im Denken und Handeln, Darmstadt 1984, Seite 317.
    43) William James, in "Pragmatismus / Texte", Stuttgart 1976, Seite 91.
    44) Paul Feyerabend, a. a. O., Ffm 1979, Seite 370.
    45) Alexis de Tocqueville, Der alte Staat und die Revolution, München 1978, Seite 169.