F. StaudingerJ. BoreliusK. R. Poppervon Hartmann | ||||
Der Satz vom Widerspruch [ 1 / 3 ]
1. Zunächst scheint es nötig, möglichst von Zugestandenem auszugehen oder doch von solchem, was Gegenstand des Streites nicht wohl werden kann. Als solches Zugestandenes betrachte ich den Satz, daß von einem Widerspruch nur da die Rede sein kann, wo zwei Urteile gegeben sind. Wollte jemand behaupten, es gebe einen Widerspruch auch in den Begriffen oder in einem einzigen Urteil, so würde zu erwidern sein, daß der Widerspruch auch hier nur dadurch entstehen kann, daß im Begriff oder dem Urteil implizit zwei Aussagen als enthalten gedacht werden. Wollte jemand dennoch darauf bestehen, daß Begriffe als solche widerspruchsvoll sein oder ein Prädikat einem Subjekt widersprechen könne, so müßten wir uns jetzt darauf beschränken zu antworten, daß wir nicht von solchen Widersprüchen sprechen, sondern nur von dem, der zwischen zwei Urteilen besteht. Damit zwischen zwei Urteilen ein Widerspruch vorhanden sei - auch das betrachten wir als zugestanden, - ist erforderlich, daß beide Urteile eine Prädizierung von demselben Gegenstand enthalten und zwar so, daß vom Gegenstand im einen Urteil genau dasselbe bejaht wird, was im andern Urteil von eben demselben Gegenstand verneint wird. Zwei solche Urteile heißen kontradiktorisch. Gewöhnlich drückt man nun den Satz vom Widerspruch so aus: Zwei kontradiktorische Urteile können nicht beide wahr sein. Das wird aber den Sachverhalt kaum erschöpfend decken. Wenn von zwei kontradiktorischen Urteilen das eine schon ganz ausgemacht und gesichert ist, dann gilt allerdings der Satz, daß das andere nur falsch sein kann. Wenn aber jemand seine Erkenntnis des Gegenstandes in zwei kontradiktorischen Urteilen ausdrücken will, - und das ist der zunächst den Logiker interessierende Fall, - so muß man ihm mit dem Satz vom Widerspruch begegnen, daß man sagt: Zwei kontradiktorische Urteile heben sich gegenseitig auf, so daß vielmehr da, wo man die Erkenntnis des Gegenstandes in zwei kontradiktorischen Urteilen auszusprechen versucht, gar nicht geurteilt worden ist. Da sich nun alle Erkenntnis in Urteilen ausdrückt, so beweist so ein kontradiktorisches Urteilen, daß der Versuch des Erkennens völlig gescheitert ist. Wo zwei kontradiktorische Urteile ausgesprochen werden mit dem Anspruch der Geltung für beide, da sind wir so klug wie zuvor; es liegt weder Wahrheit noch Irrtum vor, sondern vielmehr ein ganz nichtiges Tun ohne jeden Ertrag. Auf irgendeinen Ertrag aber an bestimmter Erkenntnis, die sich in bestimmten Urteilen ausdrückt, geht jedes Denken. Wenn sich daher jemand bei kontradiktorischen Urteilen beruhigt, als wäre nun die Sache in Ordnung, so kann man das nur als ein ganz unvernünftiges Verhalten bezeichnen. Diese Überzeugung, daß zwei kontradiktorische Urteile sich gegenseitig aufheben, ist nicht weiter auf dahinter liegende Gründe zurückzuführen; sie ist mit der Bedeutung des Urteilsaktes wie mit dem gegenseitigen Verhältnis von Position und Negation von selbst gegeben. Urteilen heißt, über einen Gegenstand eine feste Bestimmung abgeben, die gelten soll; diese Bestimmung kann in doppelter Weise abgegeben werden, bejahend oder verneinend, eine Bestimmung am Gegenstand setzend oder aufhebend. Positives und negatives Urteil sind im strengen Sinne nicht zwei Arten des Urteils, sondern zwei Arten des Urteilens, die sich gegenseitig fordern und einschließen. Man kann nicht eine Bestimmung setzen, ohne andere aufzuheben und nicht eine Bestimmung aufheben, ohne andere zu setzen. Das positive Urteil ist ebensosehr auch negativ und das negative ebensosehr auch positiv; der Unterschied ist ein oberflächlicher, ein Unterschied nicht des Wesens, sondern der Beziehung. Man kann denselben Gedanken ebensowohl negativ als positiv ausdrücken, nicht etwa bloß weil die zufälligen Ausdrucksformen unserer Sprache sich dazu hergeben, sondern vermöge der inneren Natur des Denkens selber. Die positive und negative Form des Urteilsaktes hat nur den wesentlichen Unterschied, daß das positive Urteil das ursprüngliche, das negative Urteil durch das positive vermittelt ist, daß, damit das negative Urteil einen Sinn habe, ein entsprechendes positives Urteil vorangegangen sein oder als vorangegangen gedacht werden muß, welches durch jenes aufgehoben werden soll. Das Urteil: Der Geist ist nicht sechseckig, als möglich oder wirklich vorgestellt wird. Gleichwohl wird nicht bloß durch das negative Urteil ein positives aufgehoben, sondern auch das positive Urteil hat diese aufhebende Kraft in Bezug auf eine Vielheit von Urteilen. Die Position erweist sich selber wieder als Negation, nämlich zunächst als Negation anderer Positionen, sodann aber auch als Negation ihrer Negation, doppelte Verneinung und das wird schon unmittelbar in ihr als solcher mitgesetzt. Die Rose ist rot, heißt: sie ist nicht grün, nicht blau usw. und: es gilt nicht, daß sie nicht rot ist. Die Rose ist nicht grün, heißt: sie hat nicht die grüne, sondern eine andere Farbe. Denn keine Negation geht völlig ins Unbestimmte, jede bezieht sich auf eine bestimmte Position und wer die Negation anders gebrauchen wollte, würde sie nicht wie ein vernünftiger Mensch gebrauchen. Es ergibt sich also: wer irgendwie urteilt, ganz gleich ob er bejahend oder verneinend urteilt, der hebt ein kontradiktorisch entgegengesetztes Urteil auf; sofern er ein solches nicht aufhöbe, würde er auch nicht urteilen und nur die Grimasse des Urteilens machen. Deshalb gilt auch der Satz vom ausgeschlossenen Dritten, die andere Form des Satzes vom Widerspruch: Zwei kontradiktorische Urteile können nicht beide falsch sein; eins von beiden ist notwendig wahr; es gibt kein Drittes zwischen Position und Negation. Das ist alles so gewiß, so unmittelbar gegeben, so unausweichlich, daß wir, indem wir den Satz erklären wollen, uns immer nur auf den Satz selber berufen können und auf die einleuchtende Kraft, die er für jedes gesunde Denken mit sich führt. Jede Erläuterung des Satzes muß sich notwendig im Zirkel drehen, weil es nichts gibt, was noch gewisser wäre und zugleich weil der Satz im Denken allgegenwärtig ist und sich auch nicht die kleinste Denkoperation vornehmen läßt, ohne daß der Satz zur Anwendung käme. Wir erklären aber weiter: Wer da denkt, der will durch das Denken zur Erkenntnis des Objekts gelangen und macht damit die selbstverständliche Voraussetzung, daß das Objekt in den vom Denken unabtrennbaren Formen auch erkannt werden könne. Es ist widersinnig zu sagen, man denke ohne alle Hoffnung, durch Denken etwas zu erkennen und eben deshalb ist es auch widersinnig zu sagen, die Formen des Objekts und die Formen des Denkens wären verschieden bis zur Unausgleichbarkeit. Der Denkende muß als solcher das Vertrauen haben, daß er durch wirkliches, strenges, allgemeingültiges Denken die Erkenntnis des Objekts notwendig und sicher erreichen werde. Es bleibt freilich die Frage nach dem Verhältnis zwischen dem Objekt des Denkens und dem Gegenstand der Wahrnehmung, der Anschauung und Vorstellung, die Frage, ob sie gleich wahrhaft seien oder welches von ihnen, da sie doch offenbar verschieden sind, das wahrhaft Seiende, welches das bloß Scheinbare sei oder welches den höheren Grad wahrhaften Seins besitze. Nun mag der unbefangene Mensch ohne kunstmäßige Ausbildung des Denkens das Ding, wie es sich seiner sinnlichen Wahrnehmung darstellt und er es unmittelbar in seinem Bewußtsein vorfindet, für das Allergewisseste halten und er mag von der Vorstellung nicht loskommen, daß in solcher Dinglichkeit die höchste Wahrheit liege. Demjenigen jedenfalls, der kritisch auf sein Denken reflektieren gelernt hat, muß es klar geworden sein, daß einerseits die Wahrheit nur durch das Denken gefunden, ausgemacht und bewiesen werden kann und daß andererseits ein in strenger Form voranschreitendes Denken gar nicht umhin kann, sich der Wahrheit zu bemächtigen. Der kritische Denker also weiß, daß das Objekt des Denkens das wahrhaft Seiende und alles andere, insbesondere das Ding und die Form der Dinglichkeit, zunächst nur problematisch ist, aber sich offenbar als unwahrer, täuschender Schein erweist, wo es sich nicht vor dem Denken über seine Gültigkeit auszuweisen vermag. Sehen wir also von solcher Dinglichkeit zunächst noch ab, so ergibt sich für das Objekt des Denkens mindestens dies, daß es, weil es die Eigenschaft haben muß, in den Formen des Denkens erkennbar zu sein, die feste ausschließende Bestimmtheit notwendig selbst zu erlangen vermag, die ihm das Denken im Urteilsakt beilegt. Das Objekt kann mittels zweier kontradiktorischer Urteile nicht gedacht oder erkannt werden, weil es nicht die Bestimmung und dann auch wieder das kontradiktorische Gegenteil dieser Bestimmung als seiende an sich tragen kann. Das Objekt des Denkens ist durchweg bestimmt, so daß es das kontradiktorische Gegenteil seiner Bestimmtheit von sich ausschließt. Wenn wir bejahend verneinen, verneinend bejahen, so ist dieser im Denken notwendige Vorgang ebensowohl auch die eigene Bestimmtheit des Objekts, welches unter der Form der Position und Negation nur deshalb gedacht, beurteilt und erkannt wird, weil diese Position und Negation seine eigene Form und Beschaffenheit ist. Ein Objekt mithin, welches nicht ausschließend bestimmt wäre, sondern welches kontradiktorische Bestimmtheiten an sich trüge, wäre überhaupt kein Objekt; es wäre nicht etwa bloß irrtümlich oder bloß scheinbar, sondern es wäre überhaupt nichts und entbehrte ebenso der Möglichkeit des Seins wie der des Gedachtwerdens. Der Satz: Kontradiktorische Urteile heben sich gegenseitig auf und ergeben ein Nichts des Denkens, enthält also zugleich den Satz: Kontradiktorische Bestimmtheiten am Objekt heben sich gegenseitig auf und ergeben ein Nichts des Seins. Das Seiende enthält, wenn es die eine Bestimmtheit enthält, niemals auch die kontradiktorisch entgegengesetzte Bestimmtheit. 2. Hier nun treffen wir auf das Band, das den Satz vom Widerspruch mit dem Satz von der Identität verbindet. Wie der Satz vom Widerspruch der Lehre vom Urteil, so gehört der Satz von der Identität der Lehre vom Begriff an. Während aber der Begriff dem Urteil gegenüber das Ursprünglichere ist, so ist der Satz vom Widerspruch mit dem Satz von der Identität von gleicher Ursprünglichkeit; er läßt sich weder auf ihn zurückführen, noch mit ihm verschmelzen. Sie sind zwei gegeneinander selbständige Sätze, freilich zugleich so, daß sie einander fordern und sich wechselseitig ergänzen. Als Urteil ausgesprochen etwa in der Form "A ist A", wäre der Satz von der Identität augenscheinlich falsch; denn das A als Subjekt des Urteils wäre schon durch diese Beziehung vom A welches Prädikat des Urteils ist, verschieden und nicht mit ihm identisch. In dieser Form wird dann auch tatsächlich nicht geurteilt; ein solches Urteil wie: Ein Löwe ist ein Löwe, ist immer nur die rhetorische Form für ein Urteil etwa des Sinnes: die konstitutiven oder wesentlichen Bestimmungen, die dem Subjekt zukommen, erweisen sich als richtig auch in jedem besonderen Fall. Das mathematische Urteil: a = a, aber ist kein Urteil der Identität, sondern der Vergleichung; es vergleicht eine Größe mit ihr selber und findet die Größe unverändert, solange keine Operation mit ihr vorgenommen worden ist. Der Satz von der Identität dagegen sagt vielmehr das aus, daß das Denken mit Begriffen operiert, die in den wechselnden durch das Denken gesetzten Beziehungen mit sich identisch bleiben. Die Begriffe gleiten nicht; sie werden in dauerdem Bestand im Denken festgehalten und auf andere Weise könnte kein Denken stattfinden. Der Begriff hat freilich innere Unterschiede in sich, die er zur Einheit zusammenhält; er ist nach außen gegen andere Begriffe unterschieden: aber eben in diesen Unterschieden und durch diese Unterschiede ist der Begriff mit sich identisch. Denn eben diese Unterschiede bleiben, es bleibt die feste Begrenzung und Bestimmtheit und ohne diese ist der Begriff kein Begriff und das Denken kein Denken. Bestimmt unterschiedene und abgegrenzte Bestimmtheiten, durch innerliche Kräfte zusammengehalten, bilden eine beharrende Gruppe, einen bleibenden Begriff und indem das Denken in seinen Operationen fortschreitet, hält es diesen bestimmten Begriff fest. Im Denken und darum auch im Objekt des Denkens ist überall Grenze und feste Bestimmtheit und darum ist das Kontinuierliche ausgeschlossen. Das Kontinuierliche, das sich stetig verändert, wobei die feste Grenze fehlt und jede Bestimmtheit, eben gesetzt, auch gleich wieder aufgehoben ist, ist das Begrifflose, das Undenkbare, Unsagbar. Das Kontinuierliche im Objekt wäre das Chaos; das Chaos aber kann nicht sein, kann weder in der Vergangenheit, noch in der Gegenwart oder in der Zukunft sein, weil es nicht gedacht werden kann. Denkbar und erkennbar ist nur, was in sich bestimmt, von anderem unterschieden, in dieser Bestimmtheit und Unterschiedenheit fest und bleibend ist. Das ist der Sinn des Satzes von Identität. Aufs engste mit ihm verbunden und nur ein anderer Ausdruck für ihn ist der Satz der allseitigen Unterschiedenheit der vielen Seienden, das sogenannte principium identitatis indiscernibilium. Die vielen Seienden als durchgängig bestimmt sind auch gegeneinander durchgängig abgegrenzt, ansich unterschieden und dem Denken durch bestimmte Merkmale unterscheidbar. Was nicht von jedem anderen unterschieden wäre, hätte auch kein eigenes Sein; das Ununterscheidbare ist identisch und eine Vielheit von bloß numerisch Unterschiedenem kann es nicht geben, auch nicht etwa als die Vielheit letzter Elemente, durch deren wechselnde Verhältnisse sich alle Vielheit der Verschiedenen erst ergeben sollte. Sobald man vom Begriff zum Urteil fortschreitet, kommt zum Satz von der Identität der Satz vom Widerspruch hinzu. Die Welt der Begriffe hat an sich ein Element lebloser Starrheit; das Denken aber ist lebendige Bewegung. Wohl gruppieren sich die Begriffe nach einer Art von inneren Affinitäten zu einer Unendlichkeit von immer neuen Verbindungen; aber jedesmal ist das Ende dieses Prozesses die starre Ruhe der Identität. Diese Starrheit löst sich erst im freien Spiel des Urteils, welches die stetig wechselnden Beziehungen zwischen den Begriffen ins Auge faßt. Wie dem Begriff das ruhende, mit sich identische Sein, so entspricht dem Urteil der unendlich Fluß des Werdens: Entstehen und Vergehen, Bewegung und Veränderung. Zu den bleibenden Begriffen treten im Urteil ihre wechselnden Determinationen, zum Konstitutiven und Wesentlichen das Zufällige und Vorübergehende. Im Fluß des Werdens nimmt das Subjekt andere und immer wieder andere Bestimmungen an: sie kommen ihm nicht schlechthin von außen, - denn für jede Art von Objekten gibt es nur einen engeren oder weiteren Kreis von möglichen Determination, deren Möglichkeit in den Objekten selbst keimartig umschlossen ist, - aber doch nur aufgrund äußerer Beziehungen erwachsen sie ihm von innen; und dieser Wechsel der Bestimmungen findet im Urteil seinen Ausdruck. Und selbst, wenn es sich nicht um die mehr oder minder zufälligen, flüchtigen und vergänglichen Bestimmungen des Objektes handelt, so ist das Verhältnis im Urteilen dieses, daß im lebendigen Prozeß des Denkens je nach dem gegebenen Bedürfnis und dem Stadium des Denkens je nach gegebenem Bedürfnis und dem Stadium des Denkprozesses von den bleibenden Bestimmungen des Objekts, den konstitutiven oder den daraus abgeleiteten wesentlichen Merkmalen, die eine oder die andere herausgehoben und vom Objekt ausdrücklich ausgesagt wird. So ist das Urteilen ein immer reges Determinieren des Objekts. Der Substanz werden ihre Akzidenzien, dem Wesen seine Erscheinungsformen, dem Allgemeinen seine Besonderungen als Prädikate beigelegt. Das Prädikat des Urteils ist immer eine Einschränkung der vielen im Subjekt des Urteils gegebenen Möglichkeiten. Nur wenn man in der Täuschung befangen ist, das grammatische Subjekt des Satzes auch für das logische Subjekt des Urteils zu nehmen, kann man in den Irrtum geraten, als ob das Prädikat dem Subjekt gegenüber die größere Allgemeinheit, den weiteren Umfang besäße; der Schein löst sich auf, sobald man auf das wahre logische Subjekt zurückgeht. Im Urteil: "Die Rose ist rot", ist das logische Subjekt nicht "die Rose", sondern die Farbe der Rose und im Urteil: "Es friert", ist das logische Subjekt nicht "es", sondern der Temperaturzustand der Atmosphäre. Freilich kann im Zusammenhang des Denkens und der Rede die gleiche Satzform den allerverschiedensten Denkinhalt haben und nur in diesem Zusammenhang ist der eigentliche logische Sinn eines Satzes faßbar. Mit der beliebten allgemeinen Form des Urteils: S ist P, läßt sich für den Logiker so gut wie gar nichts anfangen. Es kann z. B. das wahre Subjekt in jenen Urteilen auch sein: die Gesichtswahrnehmung oder die Temperaturfindung jemandes oder es kann auch noch ganz anderes das wahre Subjekt sein; darüber entscheidet einzig der Zusammenhang der Gedanken und die Eigenart der zum Urteil verbundenen Begriffe. Jedenfalls aber geschieht das Urteilen in der Form der Determinatioin von Begriffen durch Begriffe und mithin so, daß eine feste Bestimmtheit von einer anderen ausgesagt wird. Dadurch erlangt nun auch das Urteil seine ihm eigene Art von Festigkeit und bestimmter Begrenzung. Der unendlich Fluß des Werdens wird im Urteil zum Stillstand gezwungen, gewissermaßen festgelegt und die ausgesagte Bestimmtheit erhebt den Anspruch, für immer zu gelten. Wer urteilt, der bindet sich, indem er das Objekt bestimmt und wer sich nicht binden will, der darf auch nicht urteilen. Geurteilt wird in Begriffen, die identisch bleiben. Wie es in der Natur der Begriffe liegt, daß sie nicht gleiten, sondern aufhören Begriffe zu sein, wenn ihnen die Identität entzogen wird, ebenso liegt es in der Natur der Urteile, daß sie nicht schwanken, sondern aufhören Urteile zu sein, wenn sie der bleibenden Geltung entbehren. Darum ist es unmöglich, daß dieselbe Bestimmung von demselben Gegenstand in demselben Sinn ausgesagt und aufgehoben werde und der Satz vom Widerspruch ist für das Urteil genau dasselbe Gesetz der festen Bestimmtheit, welches für den Begriff der Satz von der Identität ist. Das Urteilen, so sahen wir, ist kein bloß formelles Tun, kein leeres Spiel mit subjektiven Gebilden. Ein vernünftiger Mensch urteilt, um eine Erkenntnis über das Objekt niederzulegen und das Objekt muß deshalb durch die Form des Urteils getroffen werden können. Jegliches aber, was als Bedingung und Form vom Urteil schlechthin unabtrennbar ist, bedeutet zugleich eine notwendige Beschaffenheit am Objekt des Denkens. Wenn es nun in der Natur des Urteils liegt, daß es den Fluß des Werdens anhält und jedesmal im bestimmten Begriff das bestimmte Produkt des Werdens feststellt, so muß es auch vom Objekt, das erkennbar und in der Form des Urteils bestimmbar sein soll, gelten, daß es zwar im Fluß des Werdens steht, aber daß es in diesem Werden feste Stationen gibt, zwischen denen das Werden geschieht, Stationen, von denen das Werden ausgeht und zu denen es hineilt und die der begrifflichen Bestimmtheit des Urteils entsprechen. Wir sahen oben: wenn das Seiende durch Begriffe bestimmbar sein soll, so kann das Seiende nicht kontinuierlich sein; das ergibt sich aus dem Satz von der Identität. Und wir erhalten jetzt das weitere: wenn das Werdende in einem bestimmten Urteil erkennbar sein soll, so kann das Werden kein kontinuierliches sein; das ergibt sich aus dem Satz vom Widerspruch. |