ra-2F. CuhelL. BrentanoA. DöringO. Kraus    
 
G. W. F. HEGEL
Das System der Bedürfnisse

§ 1.

Die Besonderheit zunächst als das gegen das Allgemeine des Willens überhaupt Bestimmte ist subjektives Bedürfnis, welches seine Objektivität, d. h. Befriedigung durch das Mittel
    α) äußerer Dinge, die nun ebenso das Eigentum und Produkt anderer Bedürfnisse und Willen sind, und

    β) durch die Tätigkeit und Arbeit, als das die beiden Seiten vermittelnde
erlangt. Indem sein Zweck die Befriedigung der subjektiven Besonderheit ist, aber in der Beziehung auf die Bedürfnisse und die freie Willkür anderer die Allgemeinheit sich geltend macht, so ist dieses Scheinen der Vernpünftigkeit in diese Sphäre der Endlichkeit der Verstand, die Seite, auf die es in der Betrachtung ankommt, und welche das Versöhnende innerhalb dieser Sphäre selbst ausmacht.

Die Staatsökonomie ist die Wissenschaft, die von diesen Gesichtspunkten ihren Ausgang hat, dann aber das Verhältnis und die Bewegung der Massen in ihrer qualitativen und quantitativen Bestimmtheit und Verwicklung darzulegen hat. - Es ist dies eine der Wissenschaften, die in neuerer Zeit als ihrem Boden entstanden ist. Ihre Entwicklung zeigt das Interessante, wie der Gedanke (siehe SMITH, SAY, RICARDO) (1) aus der unendlichen Menge von Einzelheiten, die zunächst vor ihm liegen, die einfachen Prinzipien der Sache, den in ihr wirksamen und sie regierenden Verstand herausfindet. - Wie es einerseits das Versöhnende ist, in der Sphäre der Bedürfnisse dieses in der Sache liegende und sich betätigende Scheinen der Vernünftigkeit zu erkennen, so ist umgekehrt dies das Feld, wo der Verstand der subjektiven Zwecke und das Feld, wo der Verstand der subjektiven Zweck und moralischen Meinungen seine Unzufriedenheit und moralische Verdrießlichkeit ausläßt. -


a) Die Art des Bedürfnisses
und der Befriedigung


§ 2.

Das  Tier  hat einen beschränkten Kreis von Mitteln und Weisen der Befriedigung seiner gleichfalls beschränkten Bedürfnisse. Der  Mensch  beweist auch in dieser Abhängigkeit zugleich sein Hinausgehen über dieselbe und seine Allgemeinheit, zunächst durch die  Vervielfältigung  der Bedürfnisse und Mittel, und dann durch  Zerlegung  und  Unterscheidung  des konkreten Bedürfnisses in einzelne Teile und Seiten, welche verschiedene  partikularisierte,  damit  abstraktere  Bedürfnisse werden.

Im Recht ist der Gegenstand die  Person im moralischen Standpunkt das  Subjekt,  in der Familie das  Familienmitglied,  in der bürgerlichen Gesellschaft überhaupt der  Bürger  (als bourgeois) - hier auf dem Standpunkt der Bedürfnisse ist es das Konkretum  der Vorstellung das man  Mensch  nennt; es ist also erst hier und auch eigentlich nur hier vom  Menschen  in diesem Sinn die Rede.


§ 3.

Ebenso  teilen  und  vervielfältigen  sich die  Mittel  für die partikularisierten Bedürfnisse und überhaupt die Weisen ihrer Befriedigung, welche wieder relative Zwecke und abstrakte Bedürfnisse werden; - eine ins Unendliche fortgehende Vervielfältigung, welche in eben dem Maß eine  Unterscheidung  dieser Bestimmungen und  Beurteilung  der Angemessenheit der Mittel zu ihren Zwecken, - die  Verfeinerung,  ist.


§ 4.

Die Bedürfnisse und die Mittel werden als reelles Dasein ein  Sein  für  andere,  durch deren Bedürfnisse und Arbeit die Befriedigung gegenseitig bedingt ist. Die Abstraktion, die eine Qualität der Bedürfnisse und der Mittel wird, wird auch eine Bestimmung der gegenseitigen Beziehung der Individuen aufeinander; diese Allgemeinheit als  Anerkanntsein  ist das Moment, welches sie in ihrer Vereinzelung und Abstraktion zu  konkreten,  als  gesellschaftlichen,  Bedürfnissen, Mitteln und Weisen der Befriedigung macht.


§ 5.

Dieses Moment wird so eine besondere Zweckbestimmung für die Mittel für sich und deren Besitz, sowie für die Art und Weise der Befriedigung der Bedürfnisse. Es enthält ferner unmittelbar die Forderung der  Gleichheit  mit den anderen hierin; das Bedürfnis dieser Gleichheit einerseits und das Sich-gleich-machen, die  Nachahmung,  wie andererseits das Bedürfnis der darin ebenso vorhandenen  Besonderheit sich durch eine Auszeichnung geltend zu machen, wird selbst eine wirkliche Quelle der Vervielfältigung der Bedürfnisse und ihrer Verbreitung.


§ 6.

Indem im gesellschaftlichen Bedürfnis, als der Verknüpfung vom unmittelbaren oder natürlich und vom geistigen Bedürfnis der  Vorstellung,  das letztere sich als das Allgemeine zum Überwiegenden macht, so liegt in diesem gesellschaftlichen Moment die Seite der  Befreiung,  daß die strenge Naturnotwendigkeit des Bedürfnisses versteckt wird, und der Mensch sich zu  seiner,  und zwar einer allgemeinen  Meinung  und einer nur selbstgemachten Notwendigkeit, statt nur zu äußerlicher, zu innerer Zufälligkeit, zur  Willkür,  verhält.

Die Vorstellung, als ob der Mensch in einem sogenannten Naturzustand, worin er nur sogenannte einfache Naturbedürfnisse hätte und für ihre Befriedigung nur Mittel gebrauchte, wie eine zufällige Natur sie ihm unmittelbar gewährte, in Rücksicht auf die Bedürfnisse in  Freiheit  lebte, ist, noch ohne Rücksicht des Moments der Befreiung, die in der Arbeit liegt, wovon nachher, - eine unwahre Meinung, weil das Naturbedürfnis als solches und dessen unmittelbare Befriedigung nur der Zustand der in die Natur versenkten Geistigkeit und damit der Roheit und Unfreiheit wäre, und die Freiheit allein in der Reflexion des Geistigen in sich, seiner Unterscheidung vom Natürlichen und seinem Reflex auf dieses, liegt.


§ 7.

Diese Befreiung ist  formell,  indem die Besonderheit der Zwecke der zugrunde liegende Inhalt bleibt. Die Richtung des gesellschaftlichen Zustandes auf die unbestimmte Vervielfältigung und Spezifizierung der Bedürfnisse, Mittel und Genüsse, welche, sowie der Unterschied zwischen natürlichem und gebildetem Bedürfnis, keine Grenzen hat, - der  Luxus - ist eine ebenso unendliche Vermehrung der Abhängigkeit und Not, welche es mit einer den unendlichen Widerstand leistenden Materie, nämlich mit äußeren Mitteln von der besonderen Art, Eigentum des freien Willens zu sein, dem somit absolut Harten, zu tun hat.


b) Die Art der Arbeit

§ 8.

Die Vermittlung, den  partikularisierten  Bedürfnissen angemessene ebenso  partikularisierte  Mittel zu bereiten und zu erwerben, ist die  Arbeit,  welche das von der Natur unmittelbar gelieferte Material für diese vielfachen Zwecke durch die mannigfaltigsten Prozesse spezifiziert. Diese Formierung gibt nun dem Mittel den Wert und seine Zweckmäßigkeit, so daß der Mensch in seiner Konsumtion sich vornehmlich zu  menschlichen  Produkten verhält und solche Bemühungen es sind, die er verbraucht.


§ 9.

An der Mannigfaltigkeit der interessierenden Bestimmungen und Gegenstände entwickelt sich die  theoretische Bildung,  nicht nur eine Mannigfaltigkeit von Vorstellungen und Kenntnissen, sondern auch eine Beweglichkeit und Schnelligkeit des Vorstellens und des Übergehens von einer Vorstellung zur anderen, das Fassen verwickelter und allgemeiner Beziehungen usw. - die Bildung des Verstandes überhaupt, damit auch der Sprache. - Die  praktisch Bildung  durch die Arbeit besteht in dem sich erzeugenden Bedürfnis und der  Gewohnheit  der  Beschäftigung  überhaupt, dann der  Beschränkung seines Tuns.  teils nach der Natur des Materials, teils aber vornehmlich nach der Willkür anderer, und einer durch diese Zucht sich erwerbenden Gewohnheit  objektiver  Tätigkeit und  allgemeingültiger  Geschicklichkeiten.


§ 10.

Das Allgemeine und Objektive in der Arbeit liegt aber in der  Abstraktion welche die Spezifizierung der Mittel und Bedürfnisse bewirkt, damit ebenso die Produktion spezifiziert und die  Teilung der Arbeiten  hervorbringt. Das Arbeiten des Einzelnen wird durch die Teilung  einfacher  und hierdurch die Geschicklichkeit in seiner abstrakten Arbeit, sowie die Menge seiner Produktionen größer. Zugleich vervollständigt diese Abstraktion der Geschicklichkeit und des Mittels die  Abhängigkeit  und die  Wechselbeziehung  der Menschen für die Befriedigung der übrigen Bedürfnisse zur gänzlichen Notwendigkeit. Die Abstraktion des Produzierens macht das Arbeiten ferner immermehr  mechanisch  und damit am Ende fähig, daß der Mensch davon wegtreten und an seine Stelle die  Maschine  eintreten lassen kann.


c) Das Vermögen

§ 11.

In dieser Abhängigkeit und Gegenseitigkeit der ARbeit und der Befriedigung der Bedürfnisse schlägt die  subjektive Selbstsucht  in den  Beitrag zur Befriedigung der Bedürfnisse aller anderen  um, - in die Vermittlung des Besonderen durch das Allgemeine als dialektische Bewegung, so daß, indem jeder für sich erwirbt, produziert und genießt, er eben damit für den Genuß der Übrigen produziert und erwirbt. Diese Notwendigkeit, die in der allseitigen Verschlingung der Abhängigkeit aller liegt, ist nunmehr für jeden das  allgemeine, bleibende Vermögen,  das für ihn die Möglichkeit enthält, durch seine Bildung und Geschicklichkeit daran teilzunehmen, um für seine Subsistenz gesichert zu sein, - so wie dieser durch seine Arbeit vermittelte Erwerb das allgemeine Vermögen erhält und vermehrt.


§ 12.

Die  Möglichkeit der Teilnahme  am allgemeinen Vermögen, das  besondere  Vermögen, ist aber  bedingt,  teils durch eine unmittelbare eigene Grundlage (Kapital), teils durch die Geschicklichkeit, welche ihrerseits wieder selbst durch jenes, dann aber durch die zufälligen Umstände bedingt ist, deren Mannigfaltigkeit die  Verschiedenheit  in der  Entwicklung  der schon  für sich ungleichen  natürlichen körperlichen und geistigen Anlagen hervorbringt, - eine Verschiedenheit, die sich in dieser Sphäre der Besonderheit nach allen Richtungen und von allen Stufen hervortut und mit der übrigen Zufälligkeit und Willkür die  Ungleichheit des Vermögens  und der  Geschicklichkeiten  der Individuen zur notwendigen Folge hat.

Dem in der Idee enthaltenen objektiven  Recht der Besonderheit  des Geistes, welches die von der Natur - dem Element der Ungleichheit - gesetzte Ungleichheit der Menschen in der bürgerlichen Gesellschaft nicht nur nicht aufhebt, sondern aus dem Geist produziert, sie zu einer Ungleichheit der Geschicklichkeit, des Vermögens und selbst der intellektuellen und moralischen Bildung erhebt, - die Forderung der  Gleichheit  entgegensetzen, gehört dem leeren Verstand an, der dies sein Abstraktum und sein  Sollen  für das Reelle und Vernünftige nimmt. Diese Sphäre der Besonderheit, die sich das Allgemeine einbildet, behält in diesre nur relativen Identität mit demselben ebensosehr die natürliche als willkürliche Besonderheit, damit den Recht des Naturzustandes, in sich. Ferner ist es die im System menschlicher Bedürfnisse und ihrer Bewegung immanente Vernunft, welche dasselbe zu einem organischen Ganzen von Unterschieden gliedert.


§ 13.

Die unendlich mannigfachen Mittel und deren ebenso unendlich sich verschränkende Bewegung in der gegenseitigen Hervorbringung und Austauschung  sammelt durch  die ihrem Inhalt innewohnende Allgemeinheit und  unterscheidet  sich in  allgemeinen Maßen,  so daß der ganze Zusammenhang sich zu  besonderen Systemen  der Bedürfnisse, ihrer Mittel und Arbeiten, der Arten und Weisen der Befriedigung und der theoretischen und praktischen Bildung, - Systemen, denen die Individuen zugeteilt sind, - zu einem Unterschied  der Stände,  ausbildet.


§ 14.

Die Stände bestimmen sich nach dem  Begriff  als der  substantielle  oder unmittelbare, der reflektierende oder  formelle,  und dann als der  allgemeine  Stand.


§ 15.

a) Der  substantielle  Stand hat sein Vermögen an den Naturprodukten eines  Bodens,  den er bearbeitet, - eines Bodens, der ausschließendes Privateigentum zu sein fähig ist und nicht nur eine unbestimmte Abnutzung, sondern eine objektive Formierung erfordert. Gegen die Anknüpfung der Arbeit und des Erwerbs an  einzelne  feste Naturepochen und die Abhängigkeit des Ertrags von der veränderlichen Beschaffenheit des Naturprozesses macht sich der Zweck des Bedürfnisses zu einer  Vorsorge  auf die Zukunft, behält aber durch ihre Bedingungen die Weise einer weniger durch die Reflexion und eigenen Willen vermittelten Subsistenz, und darin überhaupt die substantielle Gesinnung einer unmittelbaren auf dem Familienverhältnis und dem Zutrauen beruhenden Sittlichkeit.

Mit Recht ist der eigentliche Anfang und die erste Stiftung der Staaten in die Einführung des  Ackerbaus,  nebst der Einführung der  Ehe  gesetzt worden, indem jenes Prinzip das Formieren des Bodens und damit ausschließendes Privateigentum mit sich führt und das im Schweifenden seine Subsistenz suchende, schweifende Leben des Wilden zur Ruhe des Privatrechts und zur Sicherheit der Befriedigung des Bedürfnisses zurückführt, womit sich die Beschränkung der Geschlechterliebe zur Ehe, und damit die Erweiterung dieses Bandes zu einem  fortdauernden  in sich allgemeinen Bund, des Bedürfnisses zur  Familiensorge  und des Besitzes zum  Familiengut  verknüpft. Sicherung, Befestigung, Dauer der Befriedigung der Bedürfnisse usw. - Charaktere, wodurch sich diese Institutionen zunächst empfehlen, sind nichts anderes als Formen der Allgemeinheit und Gestaltungen, wie die Vernünftigkeit, der absolute Endzwek, sich in diesen Gegenständen geltend macht. - Was kann für diese Materie interessanter sein, als meines sehr verehrten Freundes, Herrn CREUZERs, ebenso geistreich wie gelehrte  Aufschlüsse,  die derselbe insbesondere im  vierten  Band seiner  Mythologie  und  Symbolik  über die  agronomischen  Feste, Bilder und Heiligtümer der Alten uns gegeben hat, welche sich der Einführung des Ackerbaus und der damit zusammenhängenden Institutionen als göttlicher Taten bewußt geworden sind und ihnen so religiöse Verehrung widmeten (2).

Daß der substantielle Charakter dieses Standes von seiten der Gesetze des Privatrechts, insbesondere der Rechtspflege, sowie von seiten des Unterrichts und der Bildung, auch der Religion, Modifikationen,  nicht  in Anbetracht des  substantiellen  Inhalts, aber in Anbetracht der Form und  Reflexions-Entwicklung  nach sich zieht, ist eine weitere Folge, die ebenso in Anbetracht der anderen Stände stattfindet.


§ 16.

b) Der  Stand des Gewerbes  hat die  Formierung  des Naturprodukts zu seinem Geschäft und ist für die Mittel seiner Subsistenz an seine  Arbeit,  an die  Reflexion  und den Verstand, sowie wesentlich an die Vermittlung mit den Bedürfnissen und den Arbeiten anderer angewiesen. Was er vor sich bringt und genießt, hat er vornehmlich  sich selbst,  seiner eigenen Tätigkeit zu danken. - Sein Geschäft unterscheidet sich wieder, als Arbeit für einzelne Bedürfnisse in konkreterer Weise und auf Verlangen Einzelner,  in den Handwerksstand, - als abstraktere Gesamtmasse der Arbeit für einzelne Bedürfnisse aber eines allgemeineren Bedarfs,  in den Fabrikantenstand, - und als Geschäft des Tausches der vereinzelnten Mittel gegeneinander vornehmlich durch das allgemeine Tauschmittel, das Geld, in welchem der abstrakte Wert aller Waren wirklich ist, in den  Handelsstand. 


§ 17.

c) Der  allgemeine Stand  hat  die allgemeinen Interessen  des gesellschaftlichen Zustandes zu seinem Geschäft; der direkten Arbeit für die Bedürfnisse muß er daher entweder durch Privatvermögen oder dadurch enthoben sein, daß er vom Staat, der seine Tätigkeit in Anspruch nimmt, schadlos gehalten wird, so daß das Privatinteresse in seiner Arbeit für das Allgemeine seine Befriedigung findet.


§ 18.

Der  Stand,  als die sich objektiv gewordene Besonderheit, teilt sich so einerseits nach dem Begriff in seine allgemeinen Unterschiede. Andererseits aber, welchem besonderen Stand das  Individuum  angehört, darauf haben Naturell, Geburt und Umstände ihren Einfluß, aber die letzte und wesentliche Bestimmung liegt in der  subjektiven Meinung  und  der besonderen Willkür,  die sich in dieser Sphäre ihr Recht, Verdienst und ihre Ehre gibt, so daß, was in ihr durch  innere  Notwendigkeit geschieht, zugleich  durch die Willkür vermittelt ist  und für das subjektive Bewußtsein die Gestalt hat, das Werk seines Willens zu sein.

Auch in dieser Hinsicht tut sich in Beug auf das Prinzip der Besonderheit und der subjektiven Willkür der Unterschied im politischen Leben des Morgenlandes und Abendlandes, und der antiken und der modernen Welt hervor. Die Einteilung des Ganzen in Stände erzeugt sich bei jenen zwar  objektiv von selbst,  weil sie  ansich  vernünftig ist; aber das Prinzip der subjektiven Besonderheit erhält dabei nicht zugleich sein Recht, indem z. B. die Zuteilung der Individuen zu den Ständen den Regenten, wie im platonischen Staat oder der  bloßen  Geburt, wie in den  indischen Kasten,  überlassen ist. So in die Organisation des Ganzen nicht aufgenommen und in ihm versöhnt, zeigt sich deswegen die subjektive Besonderheit, weil sie als wesentliche Moment gleichfalls hervortritt, als Feindseliges, als Verderben der gesellschaftlichen Ordnung, entweder als sie über den Haufen werfend, wie in den griechischen Staaten und in der römischen Republik, oder wenn diese als Gewalt habend oder etwa als religiöse Autorität sich erhält, als innere Verdorbenheit und vollkommene Degradation, wie gewissermaßen bei den  Lakedämoniern  und jetzt am vollständigsten bei den  Indern  der Fall ist. - Von der objektiven Ordnung aber in Angemessenheit mit ihr und zugleich in ihrem Recht erhalten, wird die subjektive Besonderheit zum Prinzip aller Belebung der bürgerlichen Gesellschaft, der Entwicklung der denkenden Tätigkeit, des Verdienstes und der Ehre. Die Anerkennung und das Recht, daß, was in der bürgerlichen Gesellschaft und im Staat durch die Vernunft notwendig ist, zugleich  durch  die Willkür vermittelt geschieht, ist die nähere Bestimmung dessen, was vornehmlich in der allgemeinen Vorstellung  Freiheit  heißt.


§ 19.

Das Individuum gibt sich nur Wirklichkeit, indem es das  Dasein  überhaupt, somit in  die bestimmte Besonderheit  tritt, hiermit  ausschließend  sich auf eine der  besonderen  Sphären des Bedürfnisses beschränkt. Die sittliche Gesinnung in diesem System ist daher die  Rechtschaffenheit,  und die  Standesehre,  sich und zwar aus eigener Bestimmung durch seine Tätigkeit, Fleiß und Geschicklichkeit zum Glied eines der Momente der bürgerlichen Gesellschaft zu machen und als solches zu erhalten, und nur durch diese Vermittlung mit dem Allgemeinen für sich zu sorgen, sowie dadurch in seiner Vorstellung und der Vorstellung anderer  anerkannt  zu sein. - Die  Moralität  hat ihre eigentümliche Stelle in dieser Sphäre, wo die Reflexion [des Individuums] auf sein Tun, der Zweck der besonderen Bedürfnisse und des Wohls herrschend ist und die Zufälligkeit in der Befriedigung derselben auch eine zufällige und einzelne Hilfe zur Pflicht macht.

Daß das Individuum sich zunächst (d. h. besonders in der Jugend) gegen die Vorstellung sträubt, sich zu einem besonderen Stand zu entschließen, und dies als eine Beschränkung seiner allgemeinen Bestimmung und als eine bloß  äußerliche  Notwendigkeit ansieht, liegt im abstrakten Denken, das am Allgemeinen und damit Unwirklichen stehen bleibt und nicht erkennt, daß um  dazusein,  der Begriff überhaupt in den Unterschied des Begriffs und seiner Realität, und damit in die Bestimmtheit und Besonderheit tritt und daß es nur damit Wirklichkeit und sittliche Objektivität gewinnen kann.


§ 20.

Das Prinzip dieses Systems der Bedürfnisse hat als die eigene Besonderheit des Wissens und des Wollens die  an und für sich  seiende Allgemeinheit, die Allgemeinheit der  Freiheit  nur  abstrakt,  somit  als  Recht des Eigentums in sich, welches aber hier nicht mehr nur  ansich,  sondern in seiner geltenden Wirklichkeit, als  Schutz  des Eigentums durch die  Rechtspflege  ist.
LITERATUR Georg Wilhelm Friedrich Hegel, Naturrecht und Staatswissenschaft im Grundriß, Berlin 1821
    Anmerkungen
    1) ADAM SMITH, 1723-1790; Inquiry into the nature and caus of the wealth of nations, London 1776. - JEAN BAPTISTE SAY, 1767-1832; Traité d'économie politique, Paris 1803. - DAVID RICARDO, 1772-1823, On the Principles of political economy and taxation, London 1817.
    2) GEORG FRIEDRICH CREUZER (1771-1858) seit 1804 Professor in Heidelberg: Symbolik und Mythologie der alten Völker, besonders der Griechen".