ra-2H. GossenW. LexisJevonsWalras    
 
HERO MOELLER
Zur Frage der Objektivität
des wirtschaftlichen Prinzips

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"Unsere Theorie hat erst mit dem Sättigungsgesetz ihre feste Grundlage erhalten. Bevor das Gesetz bekannt war, hat die Theorie jedes Bedürfnis in seinem Wert einheitlich genommen; das Nahrungsbedürfnis z. B. galt mit allen seinen Ansprüchen einheitlich als ein Existenzbedürfnis, durch das Sättigungsgesetz erst wissen wird, daß sich dieses Bedürfnis in zahlreiche Stufen abnehmender Intensität auflöst, von der vollsten Höhe des Existenzwertes herab bis zum Nullpunkt der Sättigung. Mit der Erkenntnis dieses Zusammenhanges ist die Brücke gefunden, die von den Quantitäten der Befriedigungsmittel zum Grad des Wertausschlags führt."

"Die Möglichkeit eines Haushaltsplans als vergleichender Berechnung von Mitteln und Erfolg beruth darauf, daß sowohl die Ware wie die Befriedigung als  objektiv  vergleichbar angesehen werden. Sie sind beide Werte im ökonomischen Sinn. Das ihnen Gemeinsame ist die Vorstellung der  Quantität,  wonach sie  als Größen  verglichen werden; erst die Abstraktion vom Qualitativen macht die tatsächliche Aufstellung eines Haushaltsplans möglich. Charakteristisch für die zugrundeliegende formale Quantifizierung ist die Vorstellung der Bedürfnis skalen.  Das Rechnen, wie es in einem  Haushaltsplan  augenscheinlich geschehen soll. setzt überall  Größen  oder Größenvorstellungen voraus. Das rationale Handeln erfordert zunächst eine formale Rationalisierung des Gegenstandes."

"Man dürfte auf dem Gebiet der reinen Theorie im Grunde nur von wirtschaftlichen  Quanten  sprechen, auch nicht von Gütern, Leistungen usw., womit sich überall eine am  Besonderen  haftende nur beschränkte Vorstellung verbindet. Welche Inhalte man in den Begriff des Quantums hinzunehmen wünscht, ist Sache einer Entscheidung und der Gewohnheit. Die Form im Begriff erscheint als das notwendig  Gegebene,  der Inhalt als das Willkürliche. Beliebig viele Theorien, die diesen Namen aber eben deshalb nicht verdienen, sind hierdurch möglich."


Die Ableitung der Grenznutzentheorie
und ihr formaler Gehalt

Zur Erkenntnis des Wesens der Grenznutzentheorie ist eine Vergegenwärtigung ihrer Stellung innerhalb eines theoretischen Systems nötig. Eine sehr prägnante Entwicklung der Lehre findet sich in der im "Grundriß der Sozialökonomik" enthaltenen "Theorie der gesellschaftlichen Wirtschaft" von WIESERs. Mehr als andere Forscher gründet WIESER seine Methode auf "psychologische" Erkenntnisse.
    "Die folgende Untersuchung bedient sich jener Methode, die man neuerdings als die psychologische zu bezeichnen pflegt. Der Name wird ihr deshalb gegeben, weil sie vom Inneren, von der Psyche des wirtschaftenden Menschen ausgeht; ich selbst habe einmal die Wirtschaftstheorie in diesem Sinn als angewandte Psychologie benannt. Der Name ist jedoch nicht glücklich, er legt das Mißverständnis nahe, als ob die psychologische Wirtschaftstheorie von der wissenschaftlichen Psychologie ausgehen würde; das ist aber keineswegs der Fall und noch weniger hat sie, wie ihr infolge eines noch weitergehenden Mißverständnisses vorgeworfen worden ist, mit der Physiologie zu tun. Die Beobachtungen über das menschliche Innere, welche die psychologische Wirtschaftstheorie entwickelt, sind von ihr selbständig gemacht worden, und sind ganz unabhängig davon, zu welchem Ergebnis die wissenschaftliche Psychologie im Hinblick auf die psychischen Grundgebilde kommen sollte, mit deren Analyse sie beschäftigt ist. Physiologie liegt der Wirtschaftstheorie völlig fern und es sei inbesondere hervorgehoben, daß das  Gossensche Gesetz  der Bedürfnissättigung, welches der modernen Werttheorie zugrunde liegt,' mit dem  Weberschen Gesetz  nichts zu tun hat. Es käme der Wirtschaftstheorie zugute, wenn die wissenschaftliche Psychologie über ihre Anfänge weiter hinaus wäre, aber sie sucht bei ihr keine unmittelbare Hilfe, und die könnte sie auch gar nicht finden, denn die beiden Wissenschaften haben ganz verschiedene Aufgaben."
Außer dem  Gossenschen Gesetz  wird bei WIESER die "innere" Erfahrung als Erkenntnisgrundlage für die Theorie betrachtet. WIESER sagt:
    "Die Aufgabe der Wirtschaftstheorie besteht darin, den Inhalt der gemeinen wirtschaftlichen Erfahrung auszuschöpfen und zu deuten. Aus dem Sinn, wie er jedermann in seinem Kreis praktisch vertraut ist, leitet sie ihre theoretisch beherrschte Erkenntnis ab, die sie befähigt, den  Sinn  der Wirtschaft auch in solchen erweiterten gesellschaftlichen Zusammenhängen zu verstehen, die über die Erfahrung des einzelnen hinausgehen. Sie hat dabei die Zusammenhänge im Einzelbewußtsein nicht weiter zu verfolgen, als es notwendig ist, um den Sinn des Handelns verständlich zu machen, jeder tiefer eindringenden psychologischen Analyse hat sie sich zu enthalten. Das Bewußtsein der wirtschaftenden Menschen bietet ihr einen Schatz von Erfahrungen, die jedermann besitzt, der praktische Wirtschaft treibt, und die daher auch jeder Theoretiker in sich bereit findet, ohne daß er sie erst mit besonderen wirtschaftlichen Hilfsmitteln zusammenzubringen hätte. Es sind Erfahrungen über äußere Tatsachen, wie z. B. über das Dasein der Güter und ihre Ordnungen, es sind Erfahrungen über innere Tatsachen, wie z. B. über die menschliche Bedürftigkeit und ihre Gesetze, es sind Erfahrungen über den Ursprung und Ablauf des wirtschaftlichen Handelns der Masse der Menschen."

    "Die psychologische Schule unterscheidet sich von allen älteren nur dadurch, daß sie aus derem naiven Vertrauen eine bewußte Methode gemacht hat. Würde diese Methode heute aufgegeben, so wird es gewiß nicht lange dauern und man wird es von neuem als eine unabweisbare Forderung logischer Reinlichkeit empfinden, diese psychische Hilfe aus ihrer geheimen Mitwirkung wieder zu einer genau überlegten Methode emporzuheben." (25)
Daraus, daß es sich in der theoretischen Wirtschaftslehre sehr wesentlich und ja in der Tat insbesondere in ihren gesetzmäßigen Formulierungen um "Denkakte" handelt, d. h. nicht nur um Wirkungen als solche, sondern um Entschließungen als Erklärungen des Geschehens, schließt WIESER, es müsse ein Nachempfinden, Nachdenken sein, durch welches die wissenschaftliche Erkenntnis zur Deutung der Erfahrung vordringt. Die "mathematische" Behandlung der Sozialökonomik wird von WIESER abgelehnt.
    "Die theoretische Nationalökonomie braucht die exakten Wissenschaften um ihre Hilfsmittel nicht zu beneiden. Was immer sie sonst voraus haben und so groß ihre Leistungen sind, so stehen sie ihrem Objekt, der Natur, doch fremd gegenüber, sie werden in das Innerste der Natur niemals eindringen können, und wenn ihre Hilfsmittel noch unendlich verfeinert werden sollten, sie werden sich immer bescheiden müssen, ein Nacheinander zu beschreiben, ohne erklären zu können, wie aus der Ursache die Wirkung folgt. Die Gruppe der Geisteswissenschaften, zu denen die Wirtschaftstheorie gehört, kann mehr tun. Weil ihr Objekt der  handelnde Mensch  ist, so begleitet unser Geist jede zutreffende Beschreibung, die sie von den Vorgängen in seinem Bewußtsein gibt, mit der zustimmenden Äußerung, daß es so sei, und mit dem zwingenden Gefühl, daß es so sein muß.  Und so wird die Beschreibung zugleich einer Erklärung,  wenn es auch wahr bleibt, daß sie kein letztes Warum angibt, weil sie über das,  was unbewußt auf das Bewußtsein (!) wirkt,  keinen Aufschluß gibt."
WIESER teilt die Theorie der gesellschaftlichen Wirtschaft ein in die der einfachen Wirtschaft, der Volkswirtschaft, der Staatswirtschaft und der Weltwirtschaft, wobei der erste umfangreichste Teil das Fundament des Ganzen bildet. In ihm wird "die ganze Menschheit als Eins gedacht der  Natur  gegenübergestellt"; von dieser, der Robinsonade analogen Isolierung, erhofft WIESER für die Zukunft eine unumstrittene Wissenschaft.
    "Unter den Problemen, welche die Theorie der einfachen Wirtschaft aufzustellen hat, gibt es keines, das nicht zu Ende lösbar wäre."

    "Die Theorie der einfachen Wirtschaft wird - darüber kann kein Zweifel bestehen - in absehbarer Zeit trotz aller Schwierigkeit wissenschaftlich bereinigt sein und zu einer Lehre führen, die allen ökonomischen Schulen der Zukunft gemeinsam sein wird."
WIESER rubriziert die Wirtschaftswissenschaft  schlechthin  unter die "Geisteswissenschaften"; allerdings will er in der hier besprochenen Einleitung seines Systems keine kritische Methodologie bieten. Ihm ist es zunächst nur darum zu tun,
    "den Leser mit der Methode der Untersuchung soweit vertraut zu machen, daß er sich von Anfang an ohne Mißtrauen und ohne Mißverständnis auf den der Wirklichkeit anscheinend so weit entrückten Standpunkt stellt, von dem aus die Untersuchung fortschreiten soll."
Aber die Klassifizierung, die er trifft, ist von so großer Bedeutung für den Sinn, den er selbst in seine Theorie legt und gelegt zu sehen wünscht, daß man an dem hier von ihm genommenen Standpunkt nicht vorübergehen kann. Aus dem Begriff der Geisteswissenschaften, welcher ihm im Sinne DILTHEYs gedacht zu sein scheint, leitet WIESER die Möglichkeit der psychologischen Begründung der theoretischen Lehre ab. So erfährt jenes Nachfühlen geistiger Ereignisse und Individualitäten, worin es DILTHEY zu so großer Vollendung brachte, als Prinzip der Erkenntnis eine Parallele an einem seiner Natur nach anderen Gegenstand. Die Schwierigkeit der Scheidung von Naturwissenschaften und Geisteswissenschaften beruhte auf der Unmöglichkeit, die Psychologie als Wissenschaft einzuordnen. Nun liegt hier der Versuch vor, eine Psychologie, aus welcher  generelle  Erkenntnisse geschöpft werden sollen, in die Geisteswissenschaften zu verlegen. Die Vertiefung, die durch die Trennung des Idiographischen vom Nomothetischen, und insbesondere durch die Verlegung der Scheidelinie zwischen "Geschichte" anstatt zwischen "Geist" und Natur in den Versuch der Klassifizierung gebracht worden ist, findet so keine Verwertung. Naturgemäß spielt in der WIESERschen erkenntnistheoretischen Begründung seines Standpunktes wesentlich der Gedanke mit, die subjektive Werttheorie, auf welcher sich die Grenznutzenlehre aufbaut, mit einem objektiven Fundament zu versehen.

Die Schwierigkeit der Klassifizierung hat ihren Grund darin, daß die "Psychologie des Alltags", welche WIESER für die Grundlegung der theoretischen Sozialökonomik, insbesondere der Theorie der einfachen Wirtschaft, verwendet, auf zwei verschiedene Ziele der Begriffsbildung gerichtet ist. Es handelt sich um den bei MENGER analysierten Unterschied zwischen derjenigen Erkenntnis, welche in einer generalisierenden Beschreibung des Wirtschaftslebens und seiner typischen Erscheinungen besteht, und den eigentlichen sogenannten "Gesetzen" selbst, wie etwa der Grenznutzentheorie, die dieser Erkenntnis vermittelnd zu dienen bestimmt sind. Beides wurde häufig nicht scharf genug voneinander geschieden. Als Grund dafür wird nicht die Ansicht gelten können, daß die gesetzmäßigen Formulierungen nur Erkenntnismittel und nicht Selbstzweck sind. Wenn man die nationalökonomischen Lehren dogmengeschichtlich verfolgt, so wird man finden, daß diese Theorie von jeher, insbesondere seit RICARDO, MILL, THÜNEN, gerade in der Form allgemeinster Gesetze im Mittelpunkt des Interesses gestanden haben, und außerordentlich fruchtbar wissenschaftliche Wirkungen ausübten. Auch im einzelnen der theoretischen Untersuchungen tritt als Ziel der Erkenntnis das Gesetz selbst, wie es sich aus den Möglichkeiten der Erfahrung, die fiktiv vorgestellt werden, herausarbeitet, hervor. Es läßt sich in den ausführlichen Auseinandersetzungen und Interpretationen der Gesetze, wie wir sie insbesondere in der österreichischen Schule finden, indessen nicht leicht entscheiden, ob der Zweck der Erkenntnis das Gesetz selbst sein soll oder ob nur mit seiner Hilfe eine Verdeutlichung des Generellen der Erfahrung beabsichtigt ist. Nehmen wir - bei anderen, insbesondere bei SAX, BÖHM-BAWERK und ihrer Schule tritt derselbe Stil des Gedankens hervor -, Beispiele wiederum aus WIESER.
    "Im Haushalt ist die wirtschaftliche Vollziehung der Konsumtion zu besorgen. Der Plan des Haushalts ist so einzurichten, daß die wichtigsten Befriedigungen ausgelesen werden, die bei den gegebenen Mitteln befriedigt werden können, alle minderwichtigen sind auszuschließen. Es gehört mit zu den Aufgaben des Haushalts, die wirtschaftlichen Güter gegen Verderben und sonstigen Verlust zu schützen, indem man sie zweckentsprechend aufbewahrt und sichert. Auch die persönlichen Dienste, die im Zusammenhang des Haushaltes zu leisten sind, müssen in einem haushälterischen Sinn verwaltet werden, dasselbe gilt im öffentlichen Haushalt für die öffentlichen Dienste." (26)
Das Interesse ist getragen von dem im Hintergrund gedachten  Imperativ  selbst, dessen eigentümliche Notwendigkeit, eigentlich Selbstverständlichkeit, zur Geltung kommen soll. Handelt es sich hier noch um ein bloßes wirtschaftliches Geschehen überhaupt, so in folgendem Beispiel um eine Darlegung anhand der aus der Theorie des Grenznutzens abgeleiteten besonderen Gesetze.
    "Das Grenzgesetz bildet die Grundlage für alle weiteren Gesetze der wirtschaftlichen Nutzkomputation. Im isolierten Haushalt kommen von diesen die zwei Gesetze in Betracht, die zu gelten hab, wenn Änderungen in den Größen des Vorrats bzw. des Bedarfs eintreten. Wir werden sie als das Gesetz des Vorrats bzw. des Bedarfs bezeichnen. Wir beginnen mit dem Gesetz des Vorrats. Wenn bei gleichbleibendem Bedarf der Vorrat zunimmt, so muß der komputierte Grenznutzen sinken: wenn im Fall eines auf hoher See befindlichen, mit einer bestimmten Menge Süßwasser versehenen Schiffes in einem abgeschlossenen Raum des Schiffes eine weitere Zahl von Tonnen mit Süßwasser aufgefunden wird, so wird der tägliche Wasserverbrauch auf Verwendungen ausgedehnt werden dürfen, die bis dahin nicht zugelassen (!) waren. Wenn bei gleichbleibendem Bedarf der Vorrat abnimmt, wenn z. B. eine Anzahl von Tonnen verlorengeht, so muß umgekehrt der komputierte Grenznutzen steigen, Verwendungen, die bisher zugelassen waren, müssen von nun an ausgeschlossen werden. Dagegen bleibt der komputierte Grenznutzen unverändert, wenn die Abnahme des Vorrats nur durch den regelmäßigen Verbrauch im Dienst der Bedürfnisbefriedigung verursacht wird, denn in diesem Fall wird auch der zu deckende Bedarf nicht verringert usw." (27)
Es ist in vielen Variationen der gleiche Gedanke, der derartige, sehr ausführlich ausgesponnene Betrachtungen veranlaßt, erfüllt und fortleitet. Es ist nicht die "einfache Wirtschaft", welche  als solche,  in ihren verschiedenen typischen Erscheinungen  anschaulich  darzustellen beabsichtigt zu sein scheint, auch nicht als Gesetzmäßigkeit in ihren zeitlichen Entwicklungsformen, sondern die Suche nach einem Prinzip, einer Form, einem Imperativ, kurz eine Gesetz von eigentümlich zwingender Art, welches in einer dementsprechend geformten hypothetischen Wirtschaft am Werk vorgestellt werden soll. Die anschaulichen Vorstellungen, die in den theoretischen Systemen gedacht werden, gelangen nicht miteinander in einen Vergleich in Bezug auf ihr Inhaltliches, ihren anschaulichen Gehalt, es handelt sich nicht um Ähnlichkeiten, Analogien, welche etwa erklärt und zu einem System von Typen zusammengebaut werden sollen, sondern ein  absolut gleiches Prinzip,  dem als solchem eine unbedingte, imperative Geltung beigelegt wird, gelangt zum Vorschein; ja es werden die "Gegenstände" der Betrachtung, die Fiktionen, in Bezug auf das Prinzip erst konstruiert.

Diese Fiktionen - nach WEBER Vorstellungen von Idealtypen - sind ein eigentümlicher Fall der Begriffsbildung. Es liegt ihnen, wie allen Fiktionen, zunächst die Kraft der Phantasie zugrunde. Mit ihrer Hilfe werden inhaltliche, "qualitative", anschauliche Momente zusammengetragen, und zum Bild eines Geschehens, zum allgemeinen Hintergrund des zu denkenden Falles vereinigt. Darüber hinaus aber ist ein formales, konstruktives Element des Denkens am Werk, welches, von einem bewußten Zweck geleitet, das durch die Phantasie gegebene zu einem als Vorbild eines bestimmten  Gesetzes  dienenden "Fall" gestaltet.

Die formallogische Aussage im Gesetz selbst, welches zugrunde liegt, ist bestimmend für die "Eigenschaften", das Qualitative der Inhalte, welche anschaulich vorgestellt werden, um das Gesetz konkret zu zeigen. Das Allgemeine, welches dem Gesetz innewohnt, und welches sozusagen autoritativ verlangt, daß immer neue Inhalte sich ihm anpassen, ihm adäquat sind, ruht auf einer allgemeinen Regel des Denkens.

Nicht aus der bloßen Erfahrung mit der "Psychologie des Alltags" als Hilfsmittel dürfte das Mannigfaltige jener Fiktionen erfaßt sein. Sondern ihre Bilder werden methodisch auf Prinzipien hin gedacht, die als Richtlinien vorschweben. Werden hier die Bilder der Erfahrung aus dem Unendlichen der Wirklichkeit irgendwie, beliebig entnommen, und wird an ihnen "empirisch" das unbedingt Richtige, das ihnen gemeinsam ist, erwiesen? Handelt es sich darum, daß an einer möglichst großen Zahl von Nachweisungen, die aus der alltäglichen Erfahrung erdacht werden, mit einem entsprechenden Grad an Genauigkeit ein "empirisches Gesetz" zur Feststellung gelangt, welches man alsdann als das des Grenznutzens oder der Grenzkomputation bezeichnet? Oder aber liegt in diesem Gesetz das Zwingende einer bestimmten logischen Denkform, welche zugleich der Grund ist für die Möglichkeit seiner allgemeinen Geltung? In diesem Fall kann nur  das Gesetz selbst  darüber Auskunft geben, welches Ausmaß empirischer Geltung ihm zukommt, wie die "Gegenstände" der Erfahrung geformt und beschaffen sein müssen, damit das Gesetz auf sie anwendbar ist, ihnen zur Erklärung dienen kann.

Außer dem bereits Gesagten, dem aber nur eine vorläufige Wahrheit zugesprochen werden soll, indem es naturgemäß der Untersuchung des Gesetzes selbst zukommt, zu entscheiden, scheint für letztere Erklärung die Art und Weise zu sprechen, in welcher die Sozialökonomik ihre theoretischen Gesetze gewöhnlich abzuleiten, zu "deduzieren" pflegt.

Es geschieht nicht so, daß als Resultat einer in immer tiefer liegende Einzelheiten vorschreitenden Forschung sich eine allgemeine Erkenntnis herausschält, die an weiteren Tatsachen wieder ihre Bewährung sucht, ihre Ausnahmen findet, sondern es sind, insbesondere in der älteren klassischen Nationalökonomie, wie bei RICARDO und seinen Schülern, sorgfältige Definitionen, auf denen alles beruth. Allgemeinbegriffe von  Wirtschaft, Wert, Kauf, Tausch, Angebot, Nachfrage  werden von vornherein aufgestellt und man ist nicht bestrebt, zum konkreten Fall, zu Feststellungen aus der Geschichte der "Erfahrung" überhaupt vorzudringen, sondern das Ziel der Erkenntnis ist ein abstraktes Gebäude einer wirtschaftlichen Welt, die aber doch insofern ein "Gebäude" wird, als die Begriffe, nach denen sie vorgestellt ist, zueinander in ein System gebracht sind. In diesem Systemtrieb kommt der allgemeine Wille zu einer einheitlichen Erkenntnis der Mannigfaltigkeit des wirtschaftlichen Lebens, wie sie die Erfahrung zunächst bietet, zur Geltung. Aber mehr. Es obwaltet den theoretischen Auseinandersetzungen eine gewisse Sieghaftigkeit, die aus dem Wesen ihrer Erkenntnis heraus sich über jeden Zweifel erhaben fühlt. Bezüglich der gewonnenen Grundsätze besteht das Gefühl der unbedingten "Geltung" (28). Infolgedessen werden die langen fiktiven Anwendungen der gefundenen Theorien häufig im Ton einer gewissen Überlegenheit, wie, um über die Schwierigkeit des Verstehens hinwegzuhelfen, durchgeführt. Von SCHUMPETER sind mit sehr scharfen Worten hiergegen Klagen gerichtet worden.

Wenn nun bei WIESER das Gesetz des Grenznutzens unter einer Veranschaulichung an fiktiven Beispielen psychologisch erklärt wird, so deshalb, weil an die Stelle des bloßen "Räsonnements" die Kausalerklärung, die Suche nach objektiven Ursachen, treten sollte. Die Furcht, einer bloßen "Deduktion" anheimzufallen, brachte es mit sich, daß sich die nationalökonomische Theorie eng an das von BERNOULLI, BENTHAM, JEVONS, WALRAS und anderen formulierte Gesetz der Bedürfnissättigung anschloß, und sich teilweise sogar auf das Weber-Fechnersche psychophysische Grundgesetz bezog. (29)

Die Bedeutung, welche das Sättigungsgesetz für die Theorie des wirtschaftlichen Wertes und Preises und damit für die Wirtschaftstheorie überhaupt besitzt, ist - so urteilt WIESER (30) - "nicht hoch genug einzuschätzen".
    "Unsere Theorie hat erst mit dem Sättigungsgesetz ihre feste Grundlage erhalten. Bevor das Gesetz bekannt war, hat die Theorie jedes Bedürfnis in seinem Wert einheitlich genommen; das Nahrungsbedürfnis z. B. galt mit allen seinen Ansprüchen einheitlich als ein Existenzbedürfnis, durch das Sättigungsgesetz erst wissen wird, daß sich dieses Bedürfnis in zahlreiche Stufen abnehmender Intensität auflöst, von der vollsten Höhe des Existenzwertes herab bis zum Nullpunkt der Sättigung. Da der erreichbare Grad der Sättigung von der verfügbaren Menge der Befriedigungsmittel abhängt, so sehen wir deutlich einen Zusammenhang zwischen der Intensität der Bedürfniswerte und der Größe der Vorräte. Mit der Erkenntnis dieses Zusammenhanges ist die Brücke gefunden, die von den Quantitäten der Befriedigungsmittel zum Grad des Wertausschlags führt."
Das Neue der subjektiven Werttheorie, der Fortschritt, den sie gegenüber den Lehren der klassischen Schule brachte, lag in der Erklärung nicht nur des "natürlichen" Preises, sondern auch derjenigen Schwankungen, die sich aus den Mengenverhältnissen von Angebot und Nachfrage ergeben. Das Problem mußte nach einem  einheitlichen  Prinzip erklärt werden. Es mußte dargelegt werden, weshalb es sich wirtschaftlich notwendig ergibt, daß ein wachsendes Angebot  ceteris paribus [unter vergleichbaren Umständen - wp] einen sinkenden Preis bedeutet. Man suchte sich die Tatsache der beschränkten Aufnahmefähigkeit des Individuums, um daran zu erweisen, daß der "subjektive" Wert eines Gutes, sein Nutzen, nicht nur abhängig ist von seiner Qualität, seinen gattungsmäßigen Eigenschaften, sondern nicht minder für das Individuum seine jeweilige Menge von Bedeutung sein muß. Der Organismus des Körpers, der konsumieren soll, schreibt nicht nur die Art, sondern auch die Quantität und Grenze der Bedürfnisbefriedigung vor, und da alle Konsumtion schließlich als beim Individuum endigend vorgestellt werden kann, so ist es nicht verwunderlich, daß man auf das  Gossensche Gesetz  als wissenschaftliche Grundlage der subjektiven Werttheorie hinwies. Es ist damit gesagt, daß in dem gleichen Maß, wie beim Gesetz des Bodens, der Natur nicht mit bloßen "Mengen" gedient ist, sondern das Wesen alles Organischen seinem Begriff nach bestimmte  Mengenverhältnisse  einzuhalten fordert. Die einzelnen gleichen Teilquanten des Gattungsgutes sind also für dasselbe Individuum nicht von gleichem Nutzen. Aber auch eine Summe von Individuen hat nur eine durch ihre Größe bedingte beschränkte Fähigkeit der Aufnahme von Gütern, und so kann man folgern, daß überhaupt jede Gütermenge, weil ihrem Begriff nach bezogen auf menschliche Zwecke, in ihrem gattungsmäßigen "Wert" durch ihre Menge beschränkt ist. Der Wert tritt in ein notwendiges funktionales Verhältnis zur Menge. Damit ist die Theorie des Produktionswertes zur tatsächlichen Gestaltung in der Praxis des Preises in eine Beziehung gebracht. Die subjektiven Werttheoretiker waren auf ein Erdenken von Beispielen angewiesen und in diesem Bestreben machte man aus dem physiologischen Analogon des  Weberschen Gesetzes  der abnehmenden Reizstärken eine wissenschaftliche Grundlage der Nutzenlehre. Es erscheint fraglich, ob der Versuch einer Begründung des Grenznutzengesetzes auf die Sättigungslehre berechtigt ist, und ob das  Gossensche Prinzip  für die Behauptung, daß der Wert eines Gutes abhängt von dem des "letzten noch nützlich verwendbaren" Teilquantums, mehr als die Bedeutung eines Beispiels besitzt, wonach verschiedene Teilmengen eines Gattungsgutes eine für den Konsumenten verschiedene Wertbedeutung haben kann. Das  Gossensche Gesetz,  auf welches besonders von WIESER großen Wert legt, beweist zunächst nur, daß das Grenznutzenprinzip innerhalb der Erfahrung notwendig überall eine seiner Grundvoraussetzung entsprechende Sachlage vorfinden muß. Es wäre nicht notwendig, der Darlegung der Grenznutzentheorie eine ausführliche Deduktion über die Verschiedenartigkeit der Bewertung der Güter vorauszuschicken, als ob damit der Beweis ihrer Geltung erbracht sei, sondern es käme eigentlich darauf an, aus bestimmten empirischen Regelmäßigkeiten nachträglich zu zeigen, wie sich die Bedürfnisse differenzieren. Die Tatsache, daß innerhalb einer Konsumgemeinschaft die "notwendigen" Lebensgüter höher "geschätzt" werden, als die bloß zur Ausgestaltung des Lebens dienenden "Vergnügungen" usw., und das damit in Zusammenhang stehende Gesetz der Konsumtionsstufen, zeigen mit reiner Ökonomie wenig innere Verwandtschaft.

Bei der Deduktion des Gesetzes des Grenznutzens bezieht sich von WIESER (31) auf seine Theorie der Bedürfnis skalen  und geht dabei aus von einer allgemeinen fiktiven Annahme, an welcher das Prinzip des Gesetzes  ohne weiteres  offenbar wird. Er nimmt das Beispiel der auf hoher See befindlichen Schiffsmannschaft, die über ihre Süßwasservorräte wirtschaftlich verfügen soll. Die Möglichkeit, durch Arbeit den Vorrat zu ersetzen, ist hier nicht gegeben und darum jeder Rückgriff auf eine "objektive" Wertbeurteilung ausgeschaltet. Das Süßwasser wird knapp.
    "Die wichtigste Pflicht, die in diesem Fall zu beobachten ist, wird sein, eine wohlüberlegte Auslese der Verwendungen zu treffen, die zugelassen werden dürfen. Manche Verwendungen, die vorher als erlaubt galt, als der Wasservorrat noch reichlicher war, wird nicht mehr erlaubt sein; während man das Wasser bisher etwa dazu verwenden durfte, um die Tiere zu tränken, die mit an Bord sind, oder zum Gebrauch in der Küche oder zum Waschen verwendete, wird man es jetzt vielleicht nur zum Trinken verwenden. Für jede zugelassene Verwendung sind die Rationen, die für jeden Tag bewilligt werden, durch einen Haushaltungsplan abzuwägen, dessen leitender Gedanke sein muß, den  höchsten Nutzen zu sichern, der überhaupt erreichbar ist.  Vorausgesetz, daß die Bedürfnisskalen für alle zugelassenen Verwendungen durchaus übereinstimmen, so sind die Rationen derart zu bemessen, daß die Befriedigungen in jeder Verwendungsart genau beim gleichen Grenzpunkt der Sättigung abgebrochen werden; vorausgesetzt, daß die Bedürfnisskalen ungleich verlaufen, so wird man zwar die Befriedigungen bei verschiedenen Grenzpunkten abzubrechen haben, aber man wird doch keine Ration für eine Befriedigung minderer Intensität verwenden dürfen, solange mit ihr anderwärts noch eine Befriedigung höherer Intensität erreicht werden könnte. Solche Bedürfnisse, deren Höchstpunkt die gebotene Nutzungsgrenze überhaupt nicht erreicht, sind durchaus auszuschließen."

    "Die moderne Theorie bezeichnet denjenigen Nutzungsgrad, bei welchem die Sättigung abzubrechen ist, als Grenznutzen. Der Grenznutzen erhält sein Maß von der geringsten unter den wichtigsten Verwendungen, die durch den verfügbaren Vorrat zu decken sind, wenn die höchste Ausnutzung des Vorrates und die sorgfältigste Sichtung der Bedürfnisse vorausgesetzt wird.  Es ist der geringste Teilnutzen, zu welchem die Einheit eines Vorrates wirtschaftlicherweise noch verwendet werden darf.  Alle Verwendungen, die an Wichtigkeit unter ihm stehen, sind verboten, sie dürfen nicht vollzogen werden, weil man sonst den Schaden hätte, alle, die über ihm stehen oder ihm gleichkommen, sind erlaubt, sie dürfen, ja sie sollen vollzogen werden, weil man sonst nicht den vollen Nutzen hätte, der erreicht werden kann."
Die Grenznutzentheorie tritt hier in der Form eines Imperativs auf, setzt also bestimmte, nicht dem Gegenstand entnommene Prinzipien voraus. Die Idee des Haushaltsplans, der Möglichkeit, ihn aufzustellen, liegt zunächst die Kenntnis des Warenquantums, und die der überhaupt in Rechnung zu ziehenden Arten und Mengen von Bedürfnissen zugrunde. Zweierlei Urteil tritt hinzu. Einmal findet eine verschiedene Bewertung der Arten von Bedürfnisbefriedigungen statt. Sie ergibt sich aus einem sozusagen kulturellen oder natürlichen Urteil. Ferner ist, neben dieser inhaltlichen Normierung, eine formale Bestimmung gegeben, wonach der höchste überhaupt erreichbare Nutzen zu sichern ist. Nur scheinbar liegt nur eine "Verteilung" vor, nur der zweite Teil eines wirtschaftlichen Prozesses. In der Tat verbindet sich mit der Vorstellung des Haushaltsplans eine doppelseitige und vergleichende Kalkulation, wie sie jeder praktischen ökonomischen Berechnung zugrunde liegt. Der Haushalter hat auf der einen Seite die zur Verfügung stehende Wertmenge vor Augen, auf der andern die Werte, welche durch die Verwendung der Sache erzielt werden können. Der Plan besteht darin, daß die Warenmengen vorausberechnet werden, welche auf die verschiedenen Bedürfnisarten verteilt werden. Dabei wird berücksichtigt, daß sich aus dem gleichen gegebenen Warenquantum bei den verschiedenen Arten der Befriedigung wechselnde Wertresultate ergeben. Die Bestimmung erfolgt nach dem Maximalprinzip. Der Vergleich mit der Technik im Sinne VOIGTs würde sagen, daß mit gegebenen Mitteln ein verschiedenartiger, nicht bestimmter Erfolg gewünscht wird. Die Bestimmtheit liegt allein in der Errechnung des überhaupt möglichen Maximalwertquantums. Die Kompliziertheit in der richtigen Berechnung der Verteilung ist hier hineingetragen durch den Faktor der Zeit. Das vorhandene Warenquantum wird einmal als Ganzes bewertet, als homogene Menge, und dann seinen einzelnen Teilen nach, welche sukzessive wirtschaftlich mehr oder weniger wichtige (wertvolle) Funktionen ausführen. Im letzteren Fall wird aber nicht das Warenteilquantum als solches bewertet, sondern der Vorgang der Befriedigung, seiner Art nach. Das Resultat dieser Bewertung ist bedingt einmal durch die Größe des Warenquantums, welches zum Verbrauch gelangt, ferner durch die Beurteilung der Bedeutung der Konsumtionsart. Aus beiden Faktoren entsteht eine Vorstellung der erreichbaren Werte. Die Möglichkeit des Haushaltsplans als vergleichender Berechnung von Mitteln und Erfolg, Warenquantum und Wert, beruth darauf, daß sowohl die Ware (Produktionswert) wie die Befriedigung (Konsumtionswert) als objektiv vergleichbar angesehen werden. Sie sind beide Werte im ökonomischen Sinn. Das ihnen Gemeinsame ist die Vorstellung der Quantität, wonach sie  als Größen  verglichen werden; erst die Abstraktion vom Qualitativen macht die tatsächliche Aufstellung eines Haushaltsplans im Sinne des vorgeführten Beispiels möglich. Charakteristisch für die zugrundeliegende formale Quantifizierung ist die Vorstellung der Bedürfnis skalen.  Das Rechnen, wie es in einem "Haushaltsplan" augenscheinlich geschehen soll. setzt überall "Größen" oder Größenvorstellungen voraus. Das rationale Handeln erfordert zunächst eine formale Rationalisierung des Gegenstandes. Immerhin ist im Beispiel von WIESERs die Berechnung nur angedeutet, nur gefordert. Das Schwergewicht liegt auf dem Inhaltlichen. Statt der Grenznutzentheorie ist nur ein Grenznutzenbegriff gegeben.

Das Formale der Theorie tritt anderweitig schärfer hervor. Die Grenznutzenlehre in ihrer Gestalt als Werttheorie, wonach die Bewertung jeden Gutes nach seinem Grenznutzen geschehen muß, erscheint am deutlichsten bei von BÖHM-BAWERK (32). Die konkreten Teilbedürfnisse, in die sich unsere Bedürfnisregungen zerlegen lassen, bzw.  die sukzessiven Teilbefriedigungen,  die sich durch gleiche Gütermengen gewinnen lassen, sind nach ihm "untereinander gewöhnlich von ungleicher und zwar stufenweise bis zum Nullpunkt abnehmender Bedeutung". Als erste Voraussetzung erscheint hier die Teilbarkeit der Bedürfnisse, die ganz regelmäßig "vorkommen muß". Die zwingende Rücksicht auf den eigenen Nutzen treibe nur "jeden vernünftigen Wirtschafter" an, in der Befriedigung seiner Bedürfnisse eine gewisse feste Rangordnung einzuhalten.
    "Niemand wird so töricht sein, seine verfügbaren Mittel in der Befriedigung geringfügiger und leicht entbehrlicher Bedürfnisse zu erschöpfen und sich dabei für das Notwendige zu entblößen."
Die Größe des Wertes eines Gutes bemesse sich nach der Wichtigkeit desjenigen konkreten Bedürfnisses oder Teilbedürfnisses, welches "unter den durch den verfügbaren Gesamtvorrat an Gütern solcher Art bedeckten Bedürfnissen das mindest wichtige ist." Danach erscheint nicht der größte Nutzen, den das Gut stiften könnte, und auch nicht der Durchschnittsnutzen für seinen Wert maßgebend, sondern der kleinste Nutzen, "zu dessen Herbeiführung es oder seinesgleichen in der konkreten wirtschaftlichen Sachlage  rationeller Weise  noch verwendet werden durfte". In diesem Prinzip sieht BÖHM-BAWERK den "Schlüssel" für das Verständnis des praktischen Verhaltens des wirtschaftenden Menschen gegenüber den Gütern; nach ihm werde überall gewertet und gehandelt. Die MENGERsche Formulierung war ähnlich. In den "Grundsätzen der Volkswirtschaftslehre" sagt MENGER:
    "Es sind in jedem konkreten Fall von der Verfügung über eine bestimmte Teilquantität der einer wirtschaftenden Person verfügbaren Gütermenge nur jene der durch die Gesamtquantität noch gesicherten Bedürfnisbefriedigungen abhängig, welche für diese Person die geringste Bedeutung unter diesen letzteren haben, und der Wert einer Teilquantität der verfügbaren Gütermenge ist für jene Person demnach gleich der Bedeutung, welche die am wenigsten wichtigen der durch die Gesamtquantität noch gesicherten und mit einer gleichen Teilquantität herbeizuführenden Bedürfnisbefriedigungen für sie haben."
In dieser Formulierung scheint fast das Prinzip der Wirtschaftlichkeit nicht mehr als Bedingung vorhanden zu sein. Die begrifflichen Voraussetzungen, welche hier zugrunde liegen, sind die Vorstellung eines Gegenstandes, welcher in sich teilbar ist und homogene,  objektiv gleichartige Teilquantitäten  aufweist, sowie einer "Person", d. h. eines Subjekts der Bewertung, für welche der "Wert" dieser  homogenen  Teilquantitäten ein  verschiedener  ist. Wenn das Subjekt nun die Bewertung anscheinend ungerecht, nämlich bloß neben dem Nutzen der am wenigsten nützlichen Teilquantität vornimmt, so erklärt sich dieses Paradoxon, in welchem der eigentliche besondere Charakter der Grenznutzentheorie verborgen ist, aus der vorgestellten Notwendigkeit, die einzelnen homogenen Teilmengen auch gleichartige, d. h. "objektiv" - nämlich das Ganze als Gattung -, zu bewerten. Die Idee, welche dem Grenznutzensatz zugrunde liegt, ist die Forderung, daß nirgends die "objektive" Bewertung irgendeiner Gütermenge höher ausfällen darf, als die subjektive. Es schwebt auch hier der Gedanke des doppelseitigen Wirtschaftsprozesses vor, in welchem in einem bestimmten Stadium der "Gegenstand", der "Wert", objektiv da ist, um nunmehr ver teilt  zu werden und einer "subjektiven" Bewertung anheimzufallen. Die Verteilung ist der in der Sukzession spätere Vorgang, und wenn die subjektive Bewertung irgendwo geringer ausfällt, als die desselben Gegenstandes als Teils der Gattung, so bedeutet das für den Prozeß selbst ein negatives Ergebnis. Das Gesetz besagt also, daß die homogenen Teilquanta einer Gütermenge, wenn man sie als selbständige Objekte der Bewertung vorstellt, nicht geringer bewertet werden dürfen, als wenn sie auf dem Weg über die Bewertung der Gesamtmenge, zu der sie gehören, veranschlagt werden; wird die Bewertung für ein homogenes Ganzes ausgesprochen, so muß sie auch für seine Teile zur Recht bestehen und umgekehrt. Jedes "Objekt" kann zugleich Teil eines größeren Ganzen und Gegenstand für sich, d. h. selbst wiederum ein "Ganzes" sein. Wenn die "Bewertung" des Ganzen und seiner Teile sich nicht widersprechen darf, so ist vorausgesetzt, daß alle Teile desselben untereinander gleich sind, d. h. daß es sich nicht um ein "organisches" Ganzes handelt, sondern um eine bloß  quantitativ denkbare Menge.  Der Gegenstand der wirtschaftlichen Bewertung wird auch hier als bloße Menge gedacht, der wirtschaftliche Wertbegriff richtet sich auf eine quantitative Vorstellung, welche vom qualitativen Gehalt des Gegenstandes abstrahiert. Das Grenznutzengesetz setzt quantitativ gedachte "Güter" voraus. Erst so ist die Möglichkeit der Teilbarkeit gegeben. Das Ganze ist nichts als die Summe seiner Teile. Dieses Verhältnis zwischen Teil und Ganzem, wie es in der eindimensionalen Linie vergegenwärtigt werden kann, liegt begrifflich zugrunde. Im Übrigen fügt sich dem Grenznutzengesetz der Gedanke ein, daß, im Verhältnis zu der durch diese logische Vorstellung gewonnenen Grenze, der positive Ausschlag, als "Wertvermehrung" innerhalb der Wirtschaft akzeptabel ist, die Wertverminderung aber einen Widerspruch bedeutet. Das  Kriterium der Grenze der Wirtschaftlichkeit  ist im Grenznutzengesetz gegeben durch die Identität in der Bewertung der Gesamtmenge und der Teilquantitäten. Abweichungen von dieser Norm zeigen alsdann das Maß der positiven bzw. negativen Wirtschaftlichkeit im Geschehen. Voraussetzung des Gesetzes ist also die Homogenität des vorgestellten Gutes und der Wille, es zuvörderst gattungsgemäß, d. h. bezüglich seiner einzelnen Teile spezifisch gleich hoch zu werten, obwohl, was weiter vorausgesetzt wird, diese Teile einen verschiedenen Nutzen haben. Wenn nun eine  ökonomische  Bewertung nirgends - auch für das kleinste Quantum nicht - höher sein darf, als der tatsächliche Nutzen beträgt, so ergibt sich das Prinzip des Grenznutzens als  logisch notwendige Folgerung aus dem Formalen der Begriffe.  Die Theorie, in reiner Form, würde lauten können: eine ökonomische Bewertung einer homogenen (Waren-)Quantität kann, wenn diese in ihren Teilen nicht von gleich hohem Nutzen ist, gemäß der Forderung, daß der Nutzen die unterste Grenze der Bewertung darstellt, nur dann für die Gesamtmenge einheitlich erfolgen, wenn der geringste Nutzen als maßgeben für die Gesamtquantitä zugrunde gelegt wird. Die strittige Frae, ob das Prinzip des Grenznutzens in "alternativer" oder "kumulativer" Weise für die Bewertung der Teilquanta gültig sei (33), d. h. ob  alle  Einheiten nach dem Prinzip des Grenznutzens wirtschaftlich geschätzt, "komputiert" werden, löst sich hierdurch auf. Das Grenznutzengesetz ist überall da eine gültige Norm der Wirtschaftlichkeit, wo seine Voraussetzungen vollständig zutreffen: die einzelnen Einheiten müssen homogene Teile eines Gesamtquantums sein, welches überhaupt einheitlich bewertet werden soll. Diese Notwendigkeit ergibt sich praktisch durch den gattungsmäßigen, also für alle Teile homogenen Einkaufspreis von Waren, und insofern ist es richtig, daß in dem von WIESER gebrauchten Beispielt einer Arbeiterfrau, welche Brot für ihre Familie einkauf, die Komputation für  jedes  einzelne Brot notwendigerweise nach dem Grenznutzen vor sich gehen muß, wenn ihrerseits nach einem wirtschaftlichen Prinzip gedacht bzw. gehandelt wird. Das Grenznutzenprinzip ist demgemäß eine aus der allgemeinen, aller theoretischen Ökonomie zugrunde liegenden formalen Einstellung notwendig folgende, für einen bestimmten vorausgesetzten Fall gezogene logische Konsequenz. Die Grenznutzentheorie ist theoretisch, vom Gesichtspunkt des Dritten aus, eine Norm der Beurteilung der Wirtschaftlichkeit von Vorgängen und praktisch, für den Wirtschafter, eine Norm des kalkulatorischen Denkens, wonach bei bestimmten Voraussetzungen das logisch richtige wirtschaftliche (rationale) Handeln zu folgern ist. Das Gesetz ist zugleich "wirklich": die Voraussetzungen finden sich in größtem Umfang in der Realität vor und der Wunsch, "rationell" bzw. "vernünftig" zu verfahren, ist nicht minder vorhanden. Wenn ein Stettiner Heringshändler eine Depesche erhält, in welcher ihm sein Londoner Vertreter 1000 Faß einer bestimmten Sorte Heringe zum Preis  X  auf einen Tag fest offeriert, so hat er sich grundsätzlich am heimischen Markt zu vergewissern, ob dieser für jede Teilquantität, d. h. für jedes dieser 1000 Fässer zu einem entsprechenden Preis noch "aufnahmefähig" ist, bzw. er hat sofort entsprechende Verkäufe abzuschließen. Er kann bei seiner Kalkulation nicht den durchschnittlichen Erlös zugrunde legen, sondern, wenn er überhaupt die Heringe zu verschiedenen Preisen weiterverkaufen muß und nicht für die ganze "Partie" einen einzigen Abnehmer zu einem einheitlichen Preis findet, so ist der geringste Erlös ausschlaggebend. Wie aus diesem verhältnismäßig einfach gewählten Beispiel aber hervorgeht, wird die Praxis selbst zugleich mit einer großen Zahl anderer das wirtschaftliche Interesse angehender Fragen zu rechnen haben. Ist die Partei von 1000 Faß z. B. nur als Ganzes erhältlich, verteuert oder verlangsamt sich der Transport bei Abnahme eines kleineren Postens erheblich, oder ist es überhaupt Usus bzw. persönlicher Geschäftsgebrauch, kleine Mengen zu übernehmen, so wird möglicherweise für einen Rest der 1000 Faß von vornherein mit einem Schaden kalkuliert, der den Gewinn aus der Hauptmasse naturgemäß herabmindert. Diese kompliziertere Kalkulation, die nicht minder häufig ist, ist allerdings gar nicht denkbar ohne die vorangegangene mehr oder weniger bewußte Überlegung, welche durch das Grenznutzenprinzip ausgesprochen wird.

Das Prinzip des Grenznutzens enthält also eine logische Konsequenz aus dem Formalen von Begriffen, und ist überall von unbedingter Geltung, wo für die Begriffe ein Gegenstand gegeben ist. Also kann in Bezug auf das Grenznutzengesetz als solches von "Ausnahmen" nicht gesprochen werden. WIESER selbst nennt aber gewisse Fälle, in denen die Rechnung nach dem Grenznutzen in der praktischen Wirtschaft "versagt". Durch die Bohrung eines artesischen Brunnens oder durch die Erschließung einer Gebirgsquelle wird z. B. eine Stadt in "überreichlichem" Maß mit gesundem Trinkwasser versorgt (34). Starr nach dem Grenznutzen gerechnet, urteilt WIESER, darf ein entsprechendes Wasserwerk nicht in Bau genommen werden, denn ein überreichlicher Vorrat freier Güer hat den Grenznutzen Null. Man wird praktisch den höchsten Nutzertrag sichern, aber erkennen müssen, daß die Rechnung nach dem Grenznutzen in diesem Fall irreführt. Das Wasserwerk hat den Zweck, das Wasser in einem bestimmten Zustand der Reinlichkeit, der gleichmäßigen Bewegung, der gleichmäßigen Zufuhr zu liefern. Der Gegenstand der Wirtschaft ist das Wasser in einer bestimmten Art. Nun sieht WIESER die Schwierigkeit darin, daß nach dem Bau der Anlage den betreffenden Abnehmerns das gereinigte Wasser im Überfluß zuströmt und bestimmte Teilquantitäten nicht genutzt werden. Der Wert dieser Teilmengen ist Null, also muß auch der des übrigen, ihnen qualitativ gleichen Wassers Null sein. Auf ein derartiges Produkt die Arbeit des Wasserwerks zu verwenden, wäre danach unsinnig und unwirtschaftlich. Das Grenznutzenprinzip findet aber gerade in diesem fiktiven Beispiel eine sehr deutliche Anwendung und erweist seinen normativen Charakter: der Aufwand für das Wasserwerk findet seine notwendige Grenze an der Erarbeitung der noch verwandten Wassermengen. Es würde eine wirtschaftlich widersinnige Handlung dann beginnen, wenn beim Bau des Wasserwerks irgendeine besondere Arbeit auf die Reinigung bzw. Leitung überschüssiger Wassermengen  gerichtet - nicht nur technisch verwandt - und mit deren Überschuß menschliche Arbeit vergeudet sein würde. Wassermengen, auf die überhaupt keine wirtschaftliche Arbeit gerichtet wird, bleiben nicht von Belang. Das Paradoxon, das darin zu liegen scheint, daß der Grenznutzen des Wassers immer geringer wird, je mehr Wasser der Quell liefert, während gerade die Reichlichkeit des Wassers ein Ansporn zum Bau eines Werkes sein wird, löst sich auf, wenn man berücksichtigt, daß es eine Überreichlichkeit geben  kann,  die einen wirtschaftlichen Schaden bedeutet. Vorausgesetzt, daß der laufende technische Betrieb des Werkes es erforderlich macht, daß auf  jede  Wassermenge, die es durchläuft, eine bestimmte Menge Mehrarbeit zu verwenden wäre, so daß es nicht möglich ist, das nicht zu einer Zweckverwendung gelangende Wasser aus dem technischen Prozeß auszuschalten, so muß unter Umständen wegen des Überflusses des Materials die Anlage des Werks außer Betracht bleiben; ist die technische Lage derart, daß die Stauung von Wasser, welches einem kleinen Ort im Tal zugeführt werden soll, nur möglich ist, wenn zunächst das Wasser in einem gewaltigen Stauwerk gesammelt wird, so wird  ceteris paribus  der Ort auf diese Unternehmung verzichten. Das Grenznutzenprinzip liefert ein Kriterium der Wirtschaftlichkeit, es ist ein  Maßstab  zur Beurteilung wirtschaftlicher Dinge. WIESER folgert, die Grenznutzentheorie sei nur dort brauchbar, wo sich auf ihrer Grundlage für den größeren Vorrat auch eine größere Gesamtziffer des Nutzens ergibt, in den Fällen aber, wo sie für den größeren Vorrat eine geringere Gesamtziffer oder gar die Ziffer Null ergibt, ist sie unbrauchbar. Wenn in Zeiten "überreichlicher" Ernten Getreide vernichtet wird, so daß also, wie er als weitere "Ausnahme" anführt, Verkäufer ihren Vorteil darin finden, Teile ihres Warenvorrats zu zerstören, so erfolgt diese Maßnahme aus der Erkenntnis, daß die bisherigen, auf diese überzähligen Mengen verwandten Mühen und Kosten unwirtschaftlich waren, weil für die Befriedigung des in Frage kommenden Bedarfs schon genügend Material produziert wurde, und daß demgemäß alle weiteren, auf diese Gütermengen etwa verwandten Arbeiten bzw. Transportkosten unwirtschaftlich sein würden. Das Prinzip des Grenznutzens wird hier in keiner Weise bezüglich seiner formalen Geltung in Frage gestellt, vielmehr liefert es den Maßstab für die Erkenntnis der relativen Unwirtschaftlichkeit der geschehenen bzw. beabsichtigten Handlung. Den Wert der Mengeneinheit des überhaupt von einem betreffenden ökonomischen Subjekt produzierten Getreides will die Theorie nicht deshalb gleich Null setzen, weil gewisse Teilquanta gleich Null oder besser weniger als Null sind, sondern wenn der geringste Nutzen als maßgebend für die Bewertung der Gesamtquantität zugrunde zu legen ist, so ist im vorliegenden Fall ausgesagt, daß die auf die Gesamtquantität verwendeten Kosten umgerechnet auf die einzelnen Teilmengen für diese größer waren, als der von einzelnen dieser Teilmengen erzielbare Nutzen. Die Theorie bestätigt, daß insofern unwirtschaftlich verfahren ist, als aus Gründen, über die sie nicht urteilt, Arbeit auf die Herstellung von überflüssigem Material verbraucht wurde.

Derartige "Ausnahmefälle" würden leicht mehr gefunden werden können; es ist kein außergewöhnlicher wirtschaftlicher Vorgang, den sie zur Voraussetzung haben. Der gedankliche Widerstreit entsteht dadurch, daß die vorgestellte Güterqualität sich an das äußere Quantitative des Gegenstandes heftet, während nicht diese äußere Größe die ökonomische Beurteilung bestimmen kann, sondern nur das gedachte wirtschaftliche Wertquantum, dessen Größe nicht notwendig proportional dem der äußeren Menge (Gewicht oder Ausdehnung) ist. Hier setzt die Kritik LIEFMANNs ein, wenn von ihm gegen das "Quantitativ-Materialistische  aller bisherigen Theorien" protestiert wird (35). Voraussetzung für die Verwirklichung des Grenznutzenprinzips war, wie wir sahen, vor allem die Vorstellung der Homogenität des ökonomischen Quantums, welches nach dem Nutzen seiner Teile beurteilt werden soll. Diese Voraussetzung trifft bei den WIESERschen Beispielen nicht zu. Das überflüssige Wasser enthält (möglicherweise) einen geringeren wirtschaftlichen "Aufwand". LIEFMANN überträgt die Idee des Nutzenprinzips auch auf die Kosten im Wirtschaftsprozeß und stellt damit die in der "subjektiven" Theorie der österreichischen Schule in den Hintergrund gedränge, überall aber und auch bei ihr als notwendige Voraussetzung allen wirtschaftlichen - komputierten oder kalkulierenden - Denkens bestehende doppelte Seite des Berechnungsschemas (analog dem Gegensatz von Produktion und Konsumtion) wieder her. Das inhaltliche Prinzip der Bewertung wird richtigerweise für beide Seiten als gleich gesetzt, da sonst jeder "Vergleich" unmöglich ist. Daher sind die Begriffe "Lust" und "Unlust" als polare Gegensätze geschaffen, als Begriffe, die sich durch nichts als ihre Richtung unterscheiden. Die Möglichkeit von Gesetzen von allgemeinem Geltungscharakter ist durch die logische Abstraktion vom Qualitativen in diesen Begriffen gegeben: so begründet sich auch das "Gesetz des Ausgleichs der Grenzerträge". Lust und Unlust werden von LIEFMANN in Wahrheit formal als reine quantitative Begriffe behandelt. Man dürfte auf dem Gebiet der reinen Theorie im Grunde nur von wirtschaftlichen  Quanten  sprechen, auch nicht von Gütern, Leistungen usw., womit sich überall eine am Besonderen haftende nur beschränkte Vorstellung verbindet. Welche Inhalte man in den Begriff des Quantums hinzunehmen wünscht, ist Sache einer Entscheidung und der Gewohnheit. Die Form im Begriff erscheint als das notwendig Gegebene, der Inhalt als das Willkürliche. Beliebig viele Theorien, die diesen Namen aber eben deshalb nicht verdienen, sind hierdurch möglich. Form und Inhalt analytisch scharf zu sondern, indem der Begriff, mit welchem gerechnet wird, klar in der inneren Vorstellung vergegenwärtig und festgehalten wird, ist das eigentliche, beschränkte Feld einer sozialökonomisch-theoretischen Dialektik. In der Behandlung des Geldproblems ist vielfach die kritische Beschränkung nicht gewahrt. Man zieht auf synthetischem Weg als notwendig hingestellte Forderungen, ohne auf einer entsprechend neuen Wahrnehmung oder den Konsequenzen, die sich aus dem rein Formalen des Begriffs ergeben, zu fußen.


So ist der Sozialökonomik die Möglichkeit eines Erkenntniszuwachses gegeben, wie sie sonst in einer "Geisteswissenschaft" nicht wohl nachweisbar sein dürfte. Das Abstrakte im ökonomischen Wertbegriff, seine innere Form, als eines Quantums, gewährt die, wenn auch beschränkte Möglichkeit von Sätzen geometrischer Anschauung und Geltung. Das Gesetz, wonach das Ganze die Summe seiner Teile sein muß, welches in der Mathematik durch eine ins Unendliche vervielfachte Anwendung eine ganze Wissenschaft konstituiert, konnte so auch in der Ökonomie einen Gegenstand für seine Wirksamkeit finden.

Der wesentliche Unterschied der reinen ökonomischen Theorien untereinander beruth auf der Entscheidung über die Inhalte, mit welchen man den Wertbegriff ausfüllt. Bei den "Subjektivisten" ist es der Vorgang der Bedürfnisbefriedigung, in welchem das Ziel des wirtschaftlichen Prozesses gesehen wird (36). Demgegenüber vermag man als "Objektivist" auch in einem hergestellten wirtschaftlichen Gut, in der Leistung als solcher, den Mittelpunkt zu sehen. In der "privatwirtschaftlichen" Vorstellung der Bilanz, wonach ein Komplex von Erscheinungen unter ein bestimmtes gedankliches Schema (einer Gleichung) gebracht wird, ist es der Überschuß im Produzierten, worauf sich das Interesse richtet. Dieser Überschuß ist weder in Geldform noch in Warenform äußerlich bestimmt, sondern ergibt sich rechnerisch als ein formales, - in Einheitswerten nebst Zahlen ausgedrücktes - Quantum, als ein Plus überhaupt, mit unbeschränktem Maximum. Diese Vorstellungsart ist, wie schon an früherer Stelle angedeutet, im Prinzip auf jedes andere wirtschaftliche Subjekt, Staat, Volk oder Menschheit in gleicher Weise anwendbar: als Ideal der Wirtschaftslehre könnte die regelmäßige Aufmachung einer gesamtwirtschaftlichen Gewinn- und Verlustrechnung und Bilanz angenommen werden; um bei dieser zu einem Totalvergleich der Veränderungen in der Zeit zu gelangen, werden die einzelnen, qualitativ verschiedenen Gegenstände als wirtschaftliche Quanten vorgestellt, um sie als Vielfache einer beliebig festzusetzenden Einheitsgröße auszudrücken.

Dabei werden die Erscheinungen auf das Schema zweier entgegengesetzt gerichteter Reihen gebracht, ganz gleich, ob Mengen an Lust und Unlust, Genuß und Ausgaben, Produktion und Konsumtion usw. begrifflich konfrontiert werden. Das Prinzip der Wirtschaftlichkeit fordert auf der Seite, wo der "Wert" gesehen wird, ein möglichst großes resultierendes Quantum. Es kann erreicht werden durch die Größe dieser, oder der Kleinheit der anderen Seite (37). Unabhängig vom Inhaltlichen des Wertbegriffs bleibt das Prinzip das Gleiche. So konnte es auch im Grenznutzengesetz hervortreten.

Der normative Gehalt in der theoretischen Nationalökonomik, als einer Lehre vom richtigen oder falschen ökonomischen Urteil, die gänzlich abstrahiert vom Guten oder Bösen des Entschlusses moralischer Wesen, ist damit zur sichtbaren Anschauung gebracht. Die Frage nach der Möglichkeit einer "reinen" Theorie auf dem Gebiet der Wirtschaftslehre wurde von uns zergliedert, das Besondere des Formalen in der Begriffsbildung der Disziplin vergegenwärtigt. Deren Gegenstand, die Wirtschaft, erscheint nicht mehr als ein Teil der empirischen Wirklichkeit, als ein Ausschnitt aus der Mannigfaltigkeit des Gegebenen, sondern als ein Objekt der "Erfahrung", welches aus der Fülle der Erscheinungen vermöge eines der ökonomischen Betrachtungsweise eigentümlichen gedanklichen Prozesses erzeugt ist. Die so erzielte Form der Begriffe macht die Anwendung der formalen ökonomischen Beurteilung eines reinen ökonomischen Prinzips, möglich.

Der Sozialökonomik kann eine Eigenheit ihrer theoretischen Begriffsbildung nicht mehr abgesprochen werden. Eine Eingliederung ihrer Erkenntnisse unter die Geisteswissenschaften oder Naturwissenschaften schlechthin ist undurchführbar. Die Methodologie, insbesondere in der Frage nach der Klassifikation der Wissenschaften, steht angesichts der Wirtschaftswissenschaft von einem ebenso schweren, wie fruchtbaren Problem. Wir haben versucht, aus der Polemik der Meinungen und der inhaltlichen Fülle der Begriffe auf vorwiegend analytischem Weg seine Grundlinien aufzuzeigen. Fortbildung und Lösung sind ebensosehr die Aufgabe von Philosophie und Logik, wie der Wirtschaftslehre selbst.
LITERATUR Hero Moeller, Zur Frage der Objektivität des wirtschaftlichen Prinzips, Archiv für Sozialwissenschaft und Sozialpolitik, Bd. 47, Tübingen 1920/21
    Anmerkungen
    25) WIESER, Theorie der gesellschaftlichen Wirtschaft", § 1.
    26) WIESER, a. a. O., § 9.
    27) WIESER, a. a. O., § 16.
    28) Zum vollen Verständnis dessen, was hiermit gemeint ist, muß auf die betreffenden Werke selbst hingewiesen werden. Eine vergleichende Lektüre der Entwicklungen über die Grundrente bei RICARDO, die Wertlehre bei MILL oder die subjektive Theorie bei MENGER, WIESER, und SAX verschafft hierüber eine Anschauung.
    29) Vgl. hierüber MAX WEBER, "Die Grenznutzenlehre und das psychophysische Grundgesetz, Archiv für Sozialwissenschaft, 1908.
    30) WIESER, a. a. O., § 5.
    31) WIESER, a. a. O., § 16
    32) EUGEN von BÖHM-BAWERK, Positive Theorie des Kapitals, Innsbruck 1889, Seite 155f.
    33) vgl. WIESER, a. a. O., Seite 192
    34) WIESER, a. a. O., Seite 218f.
    35) Dem Begriff des Quantitativ-Materialistischen haftet eine Undeutlichkeit an, welche uns notwendig zu seiner Kritik herausfordert. Ebenso wie die Formulierung des Begriffs des "Idealtypus" bei MAX WEBER, welche zwei ihrer Art nach verschiedene Kategorien in eine Vorstellung hineinzunehmen versucht, zu einer nur erzwungenen Kombination verschiedener Erkenntnisarten führt, liegt in der unmittelbaren Verbindung des Quantitativen mit dem Materialistischen zu einem Begriff eine Synthese, die einer analytischen Prüfung nicht standhält. Unsere Untersuchungen weisen darauf hin, daß zwischen dem Phänomen der Materie in ihrer äußeren Qualität und Quantität, worauf sich allerdings nur zu häufig die nationalökonomische Deduktion verirrte, und dem Psychischen der Wollungen (wirtschaftlicher Trieb) oder Gefühle (Lust, Unlust usw.) die Möglichkeit von Vorstellungen gegeben ist, bei denen sowohl Erscheinungen wie Gefühle nicht mehr als solche, sondern nur als Größen (einer Bewertung in Bezug auf ein Prinzip) gedacht sind.  Die Materie der Empfindungen formt sich um zu einem Gegenstand von Berechnungen, zu einem Glied normativ vorgestellter Gleichungen, die einer logisch-mathematischen (rationalen) Behandlung unterliegen. Hierbei ist das "Materialistische" abgestreift, nicht aber das "Quantitative". Dieses vielmehr, als abstrakte Form des Denkinhalts, als Eigenschaft bloß mengenhaft gedachter und dadurch exakt vergleichbarer Vorstellungen in den Begriffen Wert, Preis, Kapital, Zins, Rente, Produktion, Konsumtion, Ertrag usw.) ist geradezu die Grundlage der Möglichkeit spezifisch ökonomischer Erkenntnis. 
    36) Vgl. auch die Definition von KARL ELSTER, "Zur Analyse des Geldproblems", Conrads Jahrbücher 1917, Seite 265f: "Wirtschaften bedeutet, Mittel zur unmittelbaren Bedürfnisbefriedigung zu beschaffen."
    37) Vgl. bei QUESNAY die Formulierung: Den größtmöglichen Genußzuwachs bei größtmöglicher Ausgabenverminderung erreichen stellt die Vollkommenheit des Wirtschaftens dar ("Dialogues sur les art sans"); vgl. GIDE in "Geschichte der volkswirtschaftlichen Lehrmeinungen", Seite 12. GIDE führt diesen Satz auf die  "psychologische  Waage" zurück, die jeder Mensch in sich trägt, während wir als die Voraussetzung der allgemeinen Geltung des Satzes, seiner Form nach, eine  logische  Anschauung ansehen, welche eine notwendige Voraussetzung für die nationalökonomisch-theoretische Begriffsbildung darstellt. Nicht nur der Begriff des Psychologischen führt zu Grenzstreitigkeiten, sondern auch der der Waage. Ein Abwägen findet sich auch in der Historie, ja spielt hier in der Deutung machtpolitischer Entschlüsse und Ereignisse, besonders aber im Begriff des politischen Gleichgewichts, eine bedeutsame und nicht uninteressante, wenig durchforschte Rolle.