cr-4tb-1LockeErdmannBaconSpicker     
 
ROBERT ZIMMERMANN
Über Humes Stellung
zu Berkeley und Kant

[1/3]

"Weil die Erfahrung durch die Sinne als Quelle der Erkenntnis eine Einwirkung der äußeren (materiellen) auf die innere (Geistes-) Welt bedingt, welche nach der Voraussetzung, daß ungleichartige Substanzen (wie Leib und Seele) auf einander nicht einzuwirken vermögen, unmöglich ist, darum schließt der Rationalismus von Descartes bis Leibniz die äußere Erfahrung als Erkenntnisquelle von der strengen Wissenschaft aus."

"Weil die Erfahrung nur unter Voraussetzung qualitativer Gleichartigkeit des Erfahrenen (Objekts) und des Erfahrenden (Subjekts) möglich ist, schließt der Empirismus von Bacon bis Hume, dessen einzige Erkenntnisquelle die Erfahrung ist, die Folgerung, daß Subjekt und Objekt der Erfahrung einander gleichartig, also entweder beide körperlich (materiell) oder beide unkörperlich (immateriell) sein müssen, ein."

An der Geschichte der neueren deutschen Philosophie ist es rühmend hervorgehoben worden, daß dieselbe von KANT bis HEGEL, der sich selbst als den Vollender des Kritizismus bezeichnet hat, eine in sich geschlossene Entwicklungsreihe bildet. Eine ähnliche stellt sowohl die Entwicklung des kontinentalen Rationalismus von DESCARTES bis LEIBNIZ, wie die parallel laufende des englischen Empirismus von BACON bis HUME dar. Wie aus KANTs Halbidealismus der zuerst als subjektiver, dann als transzendentaler, zuletzt als absoluter sich entwickelnde ganze Idealismus, wie aus DESCARTES' Dualismus der Gegensatz des Monismus und monadischen Pluralismus, so entwickelte sich aus BACONs und LOCKEs Empirismus, aus jenem des ersteren HOBBES Materialismus, aus jenem des letzteren BERKELEYs Idealismus, aus beiden zusammengenommen HUMEs Skeptizismus. Beide, die kontinentale und die insulare Strömung, sind dann in KANT zu einer neuen, aus Rationalismus und Empirismus zu gleichen Teilen gemischten Geistesrichtung zusammengeflossen.

Wie der Rationalismus, so dreht der Empirismus in seiner Entwicklung sich um ein bestimmtes Problem, der eine um ein metaphysisches, der andere um ein erkenntnistheoretisches. Jenes, das Problem der unio corporis atque animae [Vereinigung von Körper und Seele - wp] hat nacheinander die Lösungsversuche durch die assistentia divina [göttliche Beihilfe] den Okkasionalismus [Lehre von den Gelegenheitsursachen - wp], die Identitätslehre und die prästabilierte [vorgefertigte - wp] Harmonie hervorgerufen. Dieses, die Frage nach der Möglichkeit einer Vermittlung zwischen dem erkennenden Subjekt und dem zu erkennenden Objekt, hat vom ursprünglichen Gegensatz des materialistischen Objekts und des spiritualistischen Subjekts aus, durch die entgegengesetzten Standpunkte der einerseits materialistischen, andererseits spiritualistischen Identität beider hindurch, sowohl bezüglich des Objekts wie des Subjekts zum Nihilismus und in infolgedessen dessen zum absoluten Skeptizismus geführt.

Letzterer Standpunkt ist in der Geschichte der Philosophie mit HUMEs Namen verknüpft, welcher dadurch seinen englischen Vorgängern, insbesondere BERKELEY, wie seinem deutschen Nachfolger KANT, der seine Erweckung durch ihn aus einem dogmatischen Schlummer selbst eingeräumt hat, gegenüber eine zugleich nach rückwärts und vorwärts deutende Janusstellung behauptet. Wie er in rückwärts gekehrtem Sinn als Vollender von BERKELEY, so erscheint er in nach vorwärts blickender Richtung durch seinen Zweifel an der Gewißheit aller nicht analytischen oder identischen Urteile als die Veranlassung, daß KANT, um zugleich die Gewißheit und die synthetische Natur der mathematischen Urteile zu retten, den Apriorismus der Zeit- und Raumanschauung, die transzendentale Ästhetik und damit die Wurzel der Kritik der reinen Vernunft erfunden hat.

HUMEs Einfluß auf KANT steht als von diesem selbst bezeugte Tatsache fest; dagegen ist gegen die Behauptung einer ernsthaft gemeinten Abhängigkeit seiner Lehre von BERKELEYs Idealismus oder vielmehr Immaterialismus von einer Seite her Einspruch erhoben worden, welcher umsomehr Beachtung gebührt, als der Urheber desselben, THOMAS COLLYNS SIMON, zu den berufensten Kennern und wärmsten Verehrern des englischen Idealisten gehört, und des letzteren Wiederbelebung im heutigen England ausschließlich dessen seit jahren fortgesetzten ebenso uneigennützigen als erfolgreichen Bemühungen zuzuschreiben ist. Derselbe bildet den Gegenstand einer zuerst in MAIMANIs philosophischer Revue "La philosophia delle scuole italiane" (Bd. XV, Nr. 1) erschienenen philosophischen Studie "Über Humes angebliche Folgerungen aus Berkeley und Kants vermeintliche Widerlegung derselben", welche der Verfasser in englischer Übersetzung seiner sorgfältigen Wiederherausgabe von BERKELEYs Hauptwerk "The principles of human knowledge", London 1878 als Anhang beigefügt hat. Der Untersuchung seiner Berechtigung und damit dem Versuch zur Feststellung des Verhältnisses von HUME zu BERKELEY und KANT einen Beitrag zu leisten, ist diese Abhandlung gewidmet.


Durch die gesamte rationalistische Strömung der neueren Philosophie, deren Problem, wie oben erwähnt, die unio corporis atque animae ausmacht, geht stillschweigend oder laut die Voraussetzung hindurch, daß nur Gleiches auf Gleiches wirken, durch die ganze empiristische Strömung, deren Angelpunkt das Erkenntnisproblem bildet, ebenso die Annahme, daß Gleiches nur durch Gleiches erkannt werden kann. Aus dem Axiom, daß die Erkenntnis der Wirkung jene der Ursache einschließt, daß demnach Ursache und Wirkung etwas gemein haben müssen und folglich dasjenige, was nichts mit einem Anderen gemein hat, auch weder Ursache noch Wirkung dieses Anderen sein kann, ist die Behauptung des cartesianischen Dualismus von der Unmöglichkeit der Wechselwirkung zwischen Substanzen, die, wie die denkende (Geist) und die ausgedehnte (Materie), nichts miteinander gemein haben, hervorgegangen. Aus dem Axiom, daß dasjenige, durch welches ein Anderes erkannt oder welches durch ein Anderes erkannt werden soll, diesem Anderem dem Wesen nach gleichartig sein muß, ist sowohl die (materialistische) Behauptung, daß der Geist, um zur Erkenntnis der (materiellen) Körperwelt zu gelangen, selbst körperlicher (materieller), wie die entgegengesetzte (idealistische) Behauptung, daß die Materie (die Körperwelt), um vom Geist erkannt werden zu können, selbst geistiger (immaterieller) Natur sein muß, entsprungen.

Weil die Erfahrung durch die Sinne als Quelle der Erkenntnis eine Einwirkung der äußeren (materiellen) auf die innere (Geistes-) Welt bedingt, welche nach der Voraussetzung, daß ungleichartige Substanzen (wie Leib und Seele) auf einander nicht einzuwirken vermögen, unmöglich ist, darum schließt der Rationalismus von DESCARTES bis LEIBNIZ die äußere Erfahrung als Erkenntnisquelle von der strengen Wissenschaft aus. Weil die Erfahrung nur unter Voraussetzung qualitativer Gleichartigkeit des Erfahrenen (Objekts) und des Erfahrenden (Subjekts) möglich ist, schließt der Empirismus von BACON bis HUME, dessen einzige Erkenntnisquelle die Erfahrung ist, die Folgerung, daß Subjekt und Objekt der Erfahrung einander gleichartig, also entweder beide körperlich (materiell) oder beide unkörperlich (immateriell) sein müssen, ein.

Folge des ersteren ist, daß der Rationalismus zum Apriorismus, Folge des letzteren, daß der Empirismus entweder zum Materialismus oder zum (empirischen) Idealismus wird. Jener entsteht, indem der Mangel der Erfahrung durch die selbstschöpferische Kraft der reinen Vernunft ersetzt d. h. der Inhalt der ersteren aus dem Innern der letzteren als selbstgewobenes Gewand herauszuspinnen versucht wird. Diese bestehen darin, daß der eine der beiden Erkenntnisfaktoren zum Phänomen des anderen gemacht, also entweder (materialistisch) der Geist zum Phänomen der Materie herabgesetzt, oder (idealistisch) die Materie als bloßes Phänomen des Geistes begriffen wird. Erstere Konsequenz, welche das Ganze der Wissenschaft nach dem Vorbild der reinen Mathematik vor und unabhängig von aller Erfahrung durch Deduktion aus einer oder einigen Grundvoraussetzungen (Grundbegriffen und Grundsätzen) zu deduzieren verlangt, haben diejenigen zu mildern gesucht, welche, wie LEIBNIZ, den Unterschied von notwendigen und zufälligen Wahrheiten (veritates aeternae und ex contingentia), von welchen die letzteren durch Freiheit (Sittengesetz), die ersteren durch Notwendigkeit (Naturgesetz) bedingt sind, in die Philosophie einführten und den sogenannten ewigen Wahrheiten das Gebiet all desjenigen, was weder anders sein, noch anders gedacht werden kann, als es ist, dagegen den sogenannten zufälligen Wahrheiten das Gebiet all desjenigen zuwiesen, was ansich auch nicht sein oder anders sein könnte, als es ist, und dessen Sein und So-Sein, wie es ist, sein Dasein der Rücksicht auf dadurch zu erreichende Zwecke d. h. einer Wahl aus mehreren ansich gleich Möglichen verdankt. Ersteres als Notwendiges vermag die Vernunft aus sich, letzteres als Nicht-Notwendiges, sondern aus mehreren gleich Möglichen Gewähltes vermag die Vernunft nur insofern zu erkennen, als sie den Ausfall der getroffenen Wahl selbst erkennt. Da nun dieser vom wählenden Willen abhängig, dieser als Wille aber nicht selbst notwendig (dem Naturgesetz), sondern frei (dem Freiheitsgesetz unterworfen) ist, so vermag die Vernunft das vom Willen Gewählte nur aus der Tatsaache zu erkennen, daß dieser so und nicht anders gewählt hat, woraus sich ergibt, daß, da jede Tatsache als solche nicht anders als durch Erfahrung erkannt zu werden vermag, der Gegensatz zwischen sogenannten reinen Vernunft- und Erfahrungswahrheiten und damit die Erfahrung selbst als Erkenntnisquelle, wenn auch in verschämter Weise, in den strengen Rationalismus sich eingeschlichen hat.

Der Konsequenz des Materialismus auf der einen, des Idealismus auf der anderen Seite such diejenigen Empiristen zu entgehen, welche entweder, wie BACON, zwar die menschliche Seele (anima) für einen dünnen warmen Körper, aber den Geist (spiraculum) für immateriell angesehen hat, oder, wie LOCKE, die Natur des Objekts der Erkenntnis (des Körpers) in einer Weise aufklärten, daß dieselbe von jener des in der Regel als körperlich Bezeichneten sich entfernt und jener des Unkörperlichen bedenklich nahe kommt, aber dennoch den Geist, das Subjekt derselben, für nicht notwendigerweise immateriell erklärten, da Gott auch die Materie mit der Fähigkeit zu denken begabt haben könnte.

Wie der konsequente Materialismus im englischen Empirismus durch den Namen von HOBBES, so ist der konsequente Immaterialismus (Idealismus) in demselben durch jenen von BERKELEY bezeichnet. Während BACON demjenigen, was nicht körperlich ist, wie Gott und der menschliche Geist, zwar Erkennbarkeit, aber nicht Existenz abspricht, erklärt HOBBES ausdrücklich alles, was existiert, für körperlich. Von den drei Objekten (obiectum triplex), welche BACON der Philosophie zuweist, trifft nur das eine, die Natur, den menschlichen Intellekt im direkten (directo), dagegen Gott denselben wegen des ungleichartigen Mittels (propter medium inadaequale) nur im gebrochenen (refracto), der Mensch im zurückgeworfenen Strahl (reflexo radio). Während der menschliche Intellekt als Subjekt der Erkenntnis der Natur als Objekt derselben gleichartig, ist er Gott und dem Menschen, insofern dieser Geist, d. h. Hauch Gottes (spiraculum) ist, ungleichartig. Insofern der Intellekt der Natur gleichartig, also selbst natürlich ist, erkennt er die Natur; insofern Gott und Geist übernatürlich, also dem Intellekt ungleichartig sind, erkennt dieser beide nicht ihrem Wesen, sondern höchstens ihrer durch die Natur des Intellekts als des Mediums bedingten Erscheinung für diesen nach. Vollkommene Erkenntnis des Übernatürlichen gewährt daher nur eine übernatürliche, dagegen eine bloß natürliche Erkenntnisquelle Erkenntnis des Natürlichen. Jene weist daher BACON der Theologie, welche aus der Offenbarung der Schrift, die Erkenntnis der Natur dagegen der Philosophie zu, welche aus der Offenbarung der Sinne schöpft. Die theologische Erkenntnis ist zwar vollkommen, aber kein Wissen, sondern Glauben, die philosophische zwar Wissen, aber nur in Bezug auf die Natur ein vollkommenes, in Bezug auf Gott und Geist dagegen ein unvollkommenes Wissen. Die sogenannte natürliche Theologie, d. h. das natürliche oder philosophische Wissen von Gott begründet zwar eine negative, aber keine affirmative [zustimmende - wp] Erkenntnis desselben, d. h. reich zwar aus, die Behauptung des Atheismus, daß es keinen Gott gibt, zu widerlegen, nicht aber jene des Theismus, daß und was Gott ist, zu beweisen.

Da sonach die Natur der einzige einer vollkommenen Erkenntnis durch die Philosophie fähige Gegenstand, der einzige Inhalt der Natur aber Körper und ihre Beziehungen auf und untereinander sind, so folgt, da der menschliche Intellekt, um zur Erkenntnis der Natur zu gelangen, derselben gleichartig, d. h. selbst Natur sein soll, konsequent, daß derselbe körperlich, weil natürlich, gedacht werden muß. Damit stimmt überein, daß BACON einerseits die Philosophie, welche als natürliche Wissenschaft von der Natur nichts anderes als Naturphilosophie sein kann, nicht nur, je nachdem sie von dem allen Körpern Gemeinschaftlichen handelt, oder sich auf das einer gewissen Klasse von Körpern Eigentümliche einschränkt, in einen allgemeinen und besonderen Teil, sondern diesen letzteren selbst, je nach der besonderen Gattung der Körper (Naturkörper, Himmelskörper, menschlicher Körper) in weitere Unterabteilungen (Physik, Astronomie, Anthropologie) sondert, andererseits die menschliche Seele, die Trägerin des Intellekts, für einen dünnen, warmen Körper erklärt, d. h. selbst unter das Körperliche überhaupt einreiht. Sonach ist alles, was Objekt einer wirklichen Erkenntnis durch den Intellekt werden kann, die Seele selbst eingeschlossen, körperlich, die Philosophie, soweit ihr Charakter durch jenen ihres Erkenntnisgegenstandes bestimmt wird, durchwegs Materialismus. Daß neben den Körpern eine Welt unkörperlicher Wesen (spiracula) und ein gleichfalls unkörperlicher Gott existiert, wird nicht geleugnet, aber die Fähigkeit, dieselben zu erkennen, eben um ihrer Unkörperlichkeit willen der Philosophie ab- und einer anderen Wissenschaft, der Theologie, zugesprochen, d. h. die Identität, was das Erkenntnisobjekt betrifft, des Materialismus mit Philosophie, des Immaterialismus mit Theologie (Nicht- oder Unphilosophie) behauptet.

Wissenschaft von der körperlichen und solche von einer geistigen Welt Materialismus und Immaterialismus, Philosophie und Theologie, treten nach BACON als zwei zwar zusammengehörige, aber voneinander abgekehrte Hemisphären auseinander, die sich zum ganzen, Wissen und Glauben umfassenden System der Erkenntnis, zum globus intellectualis, ergänzen. Beide stehen einander gegenüber wie feindliche Brüder, die sich in das Erbe geteilt haben, und von welchem jeder innerhalb des eigenen Gebietes auf seinem Recht besteht, ohne auf jenes des anderen innerhalb des seinigen eifersüchtig zu sein. Materialismus und Immaterialismus machen, von diesem Gesichtspunkt aus betrachtet, keinen Gegensatz innerhalb und auf der philosophischen Halbkugel, sondern sie machen den Gegensatz zwischen dieser selbst und ihrer Antipodin, der theologischen Halbkugel, aus. Der Streit zwischen diesen endet entweder mit dem Sieg der Philosophie, durch welche die Theologie, oder mit jenem der letzteren, durch welche die erstere vernichtet wird. Der philosophische Streit zwischen Materialismus und Immaterialismus dagegen beginnt erst dann, wenn diese bisher mit den einandern ausschließenden Gebieten der Philosophie und Theologie zusammengefallenen Gegenpole auf eines derselben, das philosophische, ausschließlich übertragen und innerhalb des letzteren nicht wie bisher als zwei verschiedene Wissenschaften, sondern als verschiedene Auffassungsweisen derselben Wissenschaft ins Feld geführt werden.

Dieser Fall tritt ein, wenn einerseits nicht nur die sogenannte natürliche Wissenschaft (Philosophie) für die einzige wirkliche Wissenschaft erklärt, die sogenannte übernatürliche Wissenschaft (Theologie) aus dem Gebiet der Wissenschaften ausgeschlossen, sondern zugleich als die einzig wahre Form der natürlichen Wissenschaft der Materialismus anerkannt, andererseits, wenn zwar die übernatürliche Wissenschaft (Theologie) als eine von der natürlichen (Philosophie) wesenhaft verschiedene bestehen gelassen, der Begriff der Philosophie auf die natürliche Wissenschaft eingeschränkt, jedoch der zuvor von der Theologie ausschließlich eingenommene Standpunkt des Immaterialismus auch als einzig berechtigter in der Philosophie anerkannt wird. Wenn es für ersteren Standpunkt nur einerlei Wissenschaft, die philosophische, und nur eine Philosophie, den Materialismus, so gibt es für letzteren zwar zweierlei Wissenschaften, aber nur eine Philosophie: den Immanterialismus. Repräsentant des ersteren ist HOBBES, des letzteren BERKELEY.

Zur Ausschließung der Theologie aus dem Umkreis der Wissenschaft hat BACON insofern selbst die Veranlassung gegeben, als er die Frucht übernatürlicher, d. h. aus der göttlichen Offenbarung geschöpfter Erkenntnis als Glauben, jene dagegen der natürlichen, d. h. aus der Erfahrung durch die Sinne geschöpften Erkenntnis als Wissen bezeichnet. Wem nur um das letztere, d. h. um Wissenschaft, keineswegs um den ersteren, das Dogma, zu tun ist, ist daher vollkommen berechtigt, sich auf die natürliche Erkenntnisquelle (Erfahrung durch die Sinne) zu beschränken, dagegen die übernatürliche Erkenntnisquelle (göttliche Offenbarung) als überhaupt nicht oder doch wenigstens nicht für die Wissenschaft vorhanden anzusehen. Wem aber, einmal auf diesem Standpunkt angelangt, um wirkliches, nicht bloß um scheinbares Wissen, d. h. um Erkenntni der zu erkennenden Objekte, wie sie (ihrem Wesen nach) sind, nicht bloß, wie sie dem erkennenden Subjekt (seinem Wesen nach) erscheinen müssen, zu tun ist, der wird nur diejenige Erkenntnis als vollkommene, d. h. als Wissen gelten lassen, bei welcher das erkennende Subjekt dem zu erkennenden Objekt gleichartig, dagegen diejenige als unvollkommen, d. h. als Scheinwissen (Jllusion) verwerfen, bei welcher das Subjekt dem Objekt ungleichartig ist.

BACON selbst hat unseren Intellekt (nostrum intellectum) als ungleichartiges Mittel (medium inaequale) sowohl der Gottheit als dem Menschen, dessen geistigem Kern nach, gegenüber bezeichnet. Während das Wissen unseres Intellekts von diesen beiden Erkenntnisobjekten nur ein unvollkommenes sein kann, ist dasselbe ein vollkommenes von der Natur, d. h. von der Körperwelt, für welche derselbe ein medium aequale d. h. als Ausfluß seines Organs, der physischen Seele, dieser und dadurch der Natur selbst wesensverwandt ist. Wird daher alles unvollkommene Wissen als bloßes Scheinwissen beiseite gelassen und der Begriff des Wissens auf das von BACON als solches anerkannte vollkommene Wissen eingeschränkt, so folgt, daß wirkliches Wissen sich überhaupt nur auf die Natur, d. h. auf die Körperwelt beschränkt, und weder außer noch über derselben ein wirklich Gewußtes existiert.

Der Satz des HOBBES, daß für die Philosophie nur Körper existieren, ist damit gegeben. Denn da es einerseits keine andere Wissenschaft gibt als natürliche und keine andere natürliche Wissenschaft als Philosophie, und da andererseits was nicht auf vollkommenes Wissen sich stützt keine Wissenschaft und das Einzige, von dem ein vollkommenes Wissen möglich ist, die Natur, also der Inbegriff der Körperwelt ist, so folgt, daß die letztere sowohl der ausschließliche Gegenstand der Philosophie, wie daß diese ausschließlich Wissenschaft von Körpern ist. An die Stelle des Gegensatzes des Körperlichen (Materiellen) und Unkörperlichen (Immateriellen) tritt jener eines gröberen und feineren Körperlichen. Auf die Seite des letzteren fällt das Subjekt, auf die Seite des erstern das Objekt der Naturerkenntnis; jenes (die Seele) ist nur ein feinerer, dieses (der im engeren Sinn sogenannte Naturkörper) ein gröberer Körper. An die Stelle des Gegensatzes zwischen Vereinigungen von materiellen (körperlichen) Substanzen zu einem körperlichen, und von immateriellen (geistigen) Substanzen zu einem unkörperlichen Ganzen tritt bei HOBBES der Gegensatz zwischen sogenannten natürlichen und künstlichen Körpern. Jene sind solche, welche auf natürlichem, d. h. mechanischem, diese dagegen solche, welche auf künstlichem, d. h. vom Willen abhängigen Weg hervorgebracht sind. Elemente der ersteren sind willensunfähige, solche der letzteren dagegen mit Willen begabte Körper, also im Gegensatz zu den im engeren Sinne sogenannten seelenlosen Körpern sogenannte Seele, d. h. beseelte Körper, wie es z. B. die lebenden Menschen sind. Wie die natürlichen Körper aus kleinsten Körperchen (Korpuskeln), so sind die künstlichen, unter welchen der Staatskörper der vornehmste ist, aus Individualwillen, d. h. den kleinsten unter den mit Willen begabten Körpern (der Staatskörper aus Staatsbürgern) zusammengesetzt. Folgerichtig zerfällt die von Körpern handelnde natürliche Wissenschaft (philosophy) in zwei Teile, deren einer (natural philosophy) von den natürlichen, der andere (civil philosophy) von den künstlichen Körpern, der letztere insbesondere vom wichtigsten derselben, dem Staatskörper, handelt.

Auch für diese Unterordnung der Staats- unter die allgemeine Körperlehre findet sich der Keim schon in BACONs Einteilung der Wissenschaften. Was die natürliche Wissenschaft (Philosophie) vom Menschen erkennt, beschränkt sich auf dessen natürliches, d. h. nicht geistiges Wesen, da letzteres ebenso wie das Wesen der Gottheit auf natürlichem Weg unerkennbar bleibt. Das natürliche Wesen des Menschen aber sowohl, was dessen Leib, als was dessen Seele betrifft, ist nach BACON körperlich, die sogenannte Seele nur ein dünner, warmer Körper. Der Mensch als Objekt der Philosophie ist daher nichts weiter als ein Körper und fällt unter die allgemeine Körperlehre; folgerichtig bildet daher die philosophische Lehre vom Menschen neben der philosophischen Lehre von den Himmelskörpern und jener von den Naturkörpern im engeren Sinne einen Teil der philosophischen Naturlehre überhaupt und hat, wie jede der beiden anderen, sowohl einen spekulativen, auf die Erkenntnis, wie einen operativen, auf die Anwendung der die jeweilige Gattung von Körpern beherrschenden Naturgesetze gerichteten Teil. Insofern dieselbe den Menschen, d. h. nach Obigem den aus dem körperlichen Leib und der gleichfalls körperlichen Seele zusammengesetzten beseelten Menschenkörper als Einzelnen betrachtet, ist sie Anthropologie (philosophia humana), je nachdem sie denselben jedoch als Glied einer durch die Vereinigung mehrerer seines Gleichen gebildeten Gesellschaft in Betrachtung zieht, aber Politik (philosophia civilis). Erstere fällt, wie man sieht, als Lehre vom Menschen als beseeltem Naturkörper in den Umfang der von HOBBES als Naturphilosophie bezeichneten Lehre von den natürlichen Körpern, letztere aber fällt als Lehre von der durch Vereinigung Mehrerer entstehenden Menschengesellschaft mit der von HOBBES als civil philosophy bezeichneten Lehre vom künstlichen oder Gesellschaftskörper (Corporation) zusammen.

BACONs Lehre, soweit sie den Anspruch erhebt, natürliche Wissenschaft, d. h. Philosophie zu sein, ist, was das Wesen sowohl des Subjekts, wie des Objekts der Erkenntnis, den Menschen und die Natur, betrifft, von jener HOBBES nicht verschieden, da sie das eine ebenso wie das andere gleich dieser für körperlich (materiell) ansieht. Die Möglichkeit der Erkenntnis der Natur durch den Menschen beruth für beide auf der Wesensgleichheit d. h. Körperlichkeit beider, die Wirklichkeit d. h. Wahrheit derselben jedoch für beide auf der Übereinstimmung des im Objekt mit dem im Subjekt der Erkenntnis Vorhandenen, d. h. in einer treuen Wiedergabe des ersteren durch das letztere (scientia veritatis imago).

Je nachdem bei dieser Bestimmung, daß die Übereinstimmung des Inhalts des im Subjekt enthaltenen Bildes mit dem Inhalt des Objekts, d. h. der in jenem abgebildeten Wirklichkeit Erkenntnis ist, von der Seite des Subjekt oder von jener des Objekts ausgegangen wird, treten entgegengesetzte Forderungen zutage. Geht man von der Seite des Subjekts aus, so wird verlangt, daß von diesem in den Inhalt des Bildes nichts hineingetragen wird, was nicht im Inhalt des Abzubildenden gelegen ist. Geht man dagegen von der Seite des Objekts aus, so wird verlangt, daß alles, was im Inhalt des Abzubildenden gelegen ist, aber auch nur dieses im Inhalt des Bildes wiederzufinden sein soll. Erstere Forderung geht von der Voraussetzung aus, daß das Subjekt der Erkenntnis Eigenes, also mehr enthält als im Objekt, letztere dagegen von der entgegengesetzten Annahme, daß das Objekt der Erkenntnis weniger enthält als im Bild, d. h. in diesem Fremdes anzutreffen ist.

Erstere Forderung entspricht dem Verlangen BACONs, daß der menschliche Intellekt, um die Natur getreu zu interpretieren, sich solcher Vorstellungen, die nicht aus der Natur der zu erkennenden Objekte, sondern aus seiner eigenen geflossen und daher in Bezug auf jene Idole (Trugbilder) sind, entledigen muß. Letzterer Forderung entspricht die Lehre des HOBBES, daß die sogenannten Empfindungsqualitäten (Farbe, Ton usw.) als solche nicht in den Körpern, d. h. in den Objekten, sondern nur in dem dieselben empfindenden Wesen, d. h. dem Subjekt der Erkenntnis vorhanden sind. Subjekt und Objekt der Erkenntnis, obgleich beide körperlich, verhalten sich doch zueinander wie feinere und größere Körperlichkeit. Die Vorgänge im ersteren, die intellektuellen, nehmen an dessen feinerer, dagegen die Eigenschaften des letzteren, die reellen, an dessen gröberer Körperlichkeit teil; jene können daher im Verhältnis zu diesen ihrer Körperlichkeit unbeschadet als gleichsam unkörperlich, diese müssen im Verhältnis zu jenen, ihrer gröberen Körperlichkeit halber, im verstärkten Grad als materiell bezeichnet werden. Auf diesem Weg entsteht inmitten der allgemeinen Körperlichkeit, sowohl der Vorgänge im Subjekt wie jener in den Objekten der Erkenntnis, ein neuer Gegensatz zwischen den als unkörperlich im weiteren Sinn vorgestellten Vorgängen im Subjekt und den als körperlich im engeren Sinn vorgestellten Vorgängen in den Objekten der Erkenntnis, von denen die ersteren als relativ immateriell, die letzteren als gleichsam in zweiter Potenz materiell angesehen werden.

Gelten infolgedessen alle im menschlichen Intellekt sich vollziehenden Vorgänge im Vergleich und im Verhältnis mit den Körpern, ihren Eigenschaften und Bewegungen für relativ immateriell, so lassen sich in dieser ihrer Immaterialität zwei weitere Grade unterscheiden, je nachdem dieselben aus der Natur der Erkenntnisobjekte oder aus jener des Erkenntnissubjekts selbst geflossen sind. Denn da nach dem erkenntnistheoretischen Grundsatz, welcher durch die ganze Entwicklungsgeschichte des englischen Empirismus hindurchwirkt, das Erkennende dem Erkannten gleichartig sein muß, so muß der intellektuelle Vorgang im Subjekt, welcher aus der Natur des (materiellen) Objekts geflossen ist, eine diesem Ursprung entsprechende Materialität an sich tragen, welche demjenigen intellektuellen Vorgang, welcher ausschließlich aus der Natur des erkennenden Subjekts stammt, notwendigerweise abgehen muß. Ersterer mit letzterem verglichen ist daher gleichsam in seiner Immaterialität materieller, letzterer dagegen in vervielfachtem Grad immaterieller Natur, gleichsam immateriell in zweiter Potenz. Werden die ersteren, die aus der Natur des Erkenntnisobjekts fließen, mit BACON Ideen, d. h. Abbilder, dagegen die letzteren, weil sie aus der Natur des Erkenntnisobjekts allein stammen, mit demselben Idole, d. h. Trugbilder genannt, so verhalten sich beide, auf ihren Erkenntniswert hin angesehen, wie wahre und falsche Vorstellungen (Erkenntnisse und Jllusionen), dagegen auf ihre physische Natur hin angesehen, insofern beide Vorgänge innerhalb der Seele, d. h. des dünnen, warmen Körpers sind, welchen BACON mit diesem Namen auszeichnet, wie Hirnbilder zu bloßen Hirngespinsten, von welchen die ersten als Abdrücke durch die Dinge selbst im Hirn hervorgebracht, die letzteren dagegen als wunderbare Blasen vom Hirn selbst aufgeworfen werden.

Gelten infolge des Obigen die Körper, ihre Eigenschaften und Vorgänge, verglichen mit den im Intellekt sich vollziehenden relativ immateriellen Prozessen, im verstärkten Grad für materiell, so lassen sich innerhalb der an ihnen haftenden Eigenschaften zwei Gattungen unterscheiden, von welchen die eine ihnen wirklich, dagegen die andere ihnen nur scheinbar zukommt. Zu den ersteren gehören diejenigen, welche den Körpern absolut, d. h. ohne Beziehung auf ein denselben gegenüberstehendes und auf ihre Erkenntnis ausgehendes Subjekt innewohnen. Als letztere werden diejenigen bezeichnet, welche den Körpern nur relativ, d. h. in Bezug auf ein und denselben gegenüber stehendes wahrnehmendes Subjekt anhaften oder richtiger gesagt von diesem auf dieselben übertragen werden. HOBBES betrachtet als solche die Farbe, den Klang usw., welche als solche nur im und vom Subjekt empfunden werden, in und an den Körpern aber nichts weiter als bloße Bewegungen sind. Während die absoluten Eigenschaften wirkliche, sind die relativen denselben nur angedichtete Eigenschaften der Körper, die sich zu jenen innerhalb des Erkenntnisobjekts auf dieselbe Weise verhalten wie Idole zu Ideen innerhalb des Erkenntnissubjekts und daher gleichsam innerhalb der Materialität der körperlichen Welt ein Immaterielles, wie die Ideen innerhalb der Immaterialität der intellektuellen Welt das Materielle ausmachen.

Wie BACONs Erkenntnistheorie in die immaterielle Gedankenwelt ein materielles, so führt HOBBES' Körpertheorie an die materielle Körperwelt ein immaterielles Element ein. Was in der Vorstelung des Körpers nicht aus dessen Einwirkung auf den Intellekt selbst entsprungen, sondern von diesem in dieselbe hineingelegt worden ist, ist nach BACON nicht Erkenntnis, sondern Fiktion. Was am Körper nicht diesem ansich, sondern nur infolge seiner Beziehung auf das empfindende Subjekt durch dieses zukommt, ist nach HOBBES keine Eigenschaft des Körpers, sondern des empfindenden Subjekts. Wie nach Abzug desjenigen, was in der Vorstellung des Körpers Idee, d. h. Erfahrung ist, das hohle Idol, so bleibt vom Körper nach Abzug dessen, was von seinen Eigenschaften Erscheinung, d. h. durch dessen Beziehung auf das empfindende Subjekt in diesem hervorgerufener Schein ist, dessen wirkliches Wesen als Rest zurück. Wie das Idol als solches Hirngespinst, so ist das Wesen des Körpers als solches Materialität; wie die Idee als solche Abbild im Hirn, so ist die Erscheinung als solche, mit dem Wesen verglichen, Immaterialität. Zu den Ideen gehören alle sinnlichen Empfindungen, welche als solche die Grundlage alles auf sinnlicher Wahrnehmung beruhenden (empirischen) Wissens bilden; zur Erscheinung des Körpers gehören die sogenannten Empfindungsqualitäten, welche als Sinnesphänomene (Farbe, Klang, Geruch, Geschmack, Härte, Weichheit usw.) den materiellen Kern der Körperwelt mit dem Jllusionen weckenden Schleier der Sinnlichkeit umhüllen. Weil die sinnlichen Empfindungen die einzigen Ideen sind, wird das auch solche sich gründende Wissen sensualistisch, weil das Wesen des Körpers materiell ist, wird die von demselben ausgehende Körperlehre materialistisch genannt. Jene Bezeichnung würde entfallen, wenn es sich herausstellt, daß es noch andere Ideen als ausschließlich die sinnlichen Empfindungen gibt; auf diese müßte verzichtet werden, wenn es sich herausstellt, daß die Materialität des Wesens des Körpers kein Gegenstand der Erkenntnis sein kann.

Beides zusammengenommen ist LOCKEs Fall und bezeichnet die Stelle, an welcher dieser sowohl den Sensualismus, wie den Materialismus seiner Vorgänger hinter sich läßt. Ersteren, indem er neben den einfachen Ideen, welche durch den äußeren Sinn (Sensation), auch solche anerkennt, welche durch einen sogenannten inneren Sinne (reflection) hervorgebracht werden; letzteren, indem er zwar die Annahme eines Substistierenden (einer Substanz) als Wesen des Körpers und Trägers der körperlichen Eigenschaften für unvermeidlich, das Wesen dieser Substanz selbst (deren Materialität oder Immaterialität) aber nicht nur für unbekannt, sondern für (dem menschlichen Intellekt) unerkennbar erklärt. Während nach BACON alle Vorstellungen, welche nicht aus der Natur des (äußeren) Objekts, sondern aus jener (inneren) des Subjekts stammen, nicht Ideen, sondern bloße Idole sein sollen, räumt LOCKE ein, daß alle diejenigen einfachen Vorstellungen, welche nicht durch Sensation, sondern durch Reflection entstehen, obgleich ihr Objekt demzufolge kein äußeres (außerhalb), sondern inneres (innerhalb des erkennenden Subjekts selbst gelegenes) ist, demungeachtet nicht Idole, sondern wirklich Ideen sind.

Unter der Voraussetzung des erkenntnistheoretischen Axioms, daß Subjekt und Objekt der Erkenntnis einander gleichartig sein müssen, bedeutet diese durch LOCKE herbeigeführte Erweiterung des Umfangs der Idee so viel, daß, während nach BACON die Vorgänge im Subjekt, um Ideen heißen zu dürfen, mit der Natur des äußeren (materiellen) Objekts wesensverwandt, also selbst materiell sein mußten, dieselben jetzt, um Ideen zu sein, auch bloß der Natur eines inneren (d. h. innerhalb des Subjekts selbst gelegenen), also der (vergleichsweise immateriellen) Natur dieses letzteren gleichartig sind, also aus dessen, nicht aus der Natur eines von ihm verschiedenen Objekts stammen können. Während BACONs Erkenntnistheorie nur zweierlei, kennt jene LOCKEs dreierlei Gattungen von Vorstellungen. Nach jener werden nur solche Vorstellungen unterschieden, welche entweder aus den Natur des Objekts (Ideen), oder aus jener des Subjekts stammen (Idole). Nach dieser werden Vorstellungen unterschieden, welche entweder ein außerhalb des Subjekts gelegenes Objekt oder ein innerhalb des Subjekts gelegenes Objekt oder gar kein Objekt haben. Vorstellungen der beiden erstgenannten Arten werden von LOCKE Ideen genannt, gleichviel ob sie aus der Natur eines außerhalb oder innerhalb des Subjekts gelegenen Objekts, wenn sie nur überhaupt aus der Natur irgendeines Objekts geflossen, d. h. durch ein solches gegeben, nicht, wie es bei den Vorstellungen ohne alles Objekt der Fall ist, (vom Subjekt) frei, d. h. aus seiner eigenen Natur heraus erfunden sind. LOCKEs erste Gattung von Ideen fällt mit BACONs Ideen überhaupt, des letzteren Idole fallen mit LOCKEs objektlosen Vorstellungen (Imaginationen) zusammen.

Die zweite Gattung von Ideen, die LOCKE eigentümlich ist, umfaßt ein Gebiet von Vorstellungen, welche im Sinne von BACONs Erkenntnistheorie, welche nur äußere Objekte zuläßt, subjektiv (Idole), dagegen mit den objektlosen Vorstellungen verglichen objektiv (Ideen), also zugleich (wenn auch in verschiedener Hinsicht) das eine und das andere, weder, wie BACONs Ideen, äußere Erfahrungen, noch, wie dessen Idole, bloße Hirngespinste (Träume), sondern innere Erfahrungen sind.

Verhalten sich nach der Annahme sowohl des Sensualismus wie des Materialismus Subjekt und Objekt der Erkenntnis (intelligente Seele und Körperwelt) wie feinere und gröbere Materialität, oder wie relative Immaterialität und ebensolche Materialität zueinander, so verhalten sich nun auf dem Standpunkt des Empirismus, der nicht Sensualismus, und des Realismus, der nicht Materialismus sein mag, die beiden Gattungen von Ideen, deren eine außerhalb, die andere innerhalb des Subjekts gelegene Objekte hat, obgleich als Vorgänge innerhalb des relativ immateriellen Subjekts beide relativ immateriell, doch zueinander selbst, wie mehr oder weniger immaterielle, bzw. mehr oder weniger materielle Vorgänge. Denn da die äußere Erfahrung (Reflexion) ein inneres, relativ immaterielles Objekt besitzt, jene daher ihrer relativen Immaterialität unbeschadet einem relativ materiellen Objekt gleichartig sein soll, während die letztere ihrer relativen Immaterialität halber ihrem gleichfalls relativ immateriellen Objekt von Haus aus wesensverwandt ist, so stellt die erstere als Materialität in der Immaterialität im Verhältnis zur letzteren als in doppelter Hinsicht reiner Immanterialität, gleichsam das gröbere, jene das feinere Element in der Ideenwelt und stellen die beiden Gebiete der durch äußere und der durch innere Wahrnehmung entstandenen Ideen, in welche dieses letztere zerfällt, zwei geschiedene Reiche von Ideen dar, die sich zueinander ähnlich wie innerhalb des Umfangs der Wirklichkeit das Reich des Körperlichen (sinnlich Wahrnehmbaren) zu jenem des Geistigen (den Sinnen Unzugänglichen) verhalten und daher passend als sinnliche und nichtsinnliche Ideen unterschieden werden können.

Hängen nach BACONs Erkenntnistheorie Subjektivität, d. h. relative Immaterialität und Wahrheit der Vorstellung in dem Sinne voneinander ab, daß mit der zunehmenden Immaterialität derselben deren Anspruch auf Wahrheit sich vermindert, so zeigt die Erkenntnistheorie LOCKEs an der Glaubwürdigkeit der durch innere Erfahrung gegebenen Ideen, daß eine Vorstellung an Subjektivität, d. h. Immaterialität (mit der äußeren Erfahrung verglichen) zu wachsen und doch ihren Anspruch auf Wahrheit, gleich dieser, zu behaupten vermag. Lautet dieses Ergebnis, mit jenem der sensualistischen Erkenntnistheorie verglichen, für die äußere, d. h. auf der Gleichartigkeit der Vorstellung mit dem äußeren (materiellen) Objekt beruhende Erfahrung insofern ungünstig, als es dieselbe des Anspruchs, als ausschließliche Erkenntnisquelle zu gelten, beraubt, so fällt das Urteil LOCKEs über das vermeintliche Recht des Materialismus, den Kern und das Wesen der körperlichen Welt als Materie bezeichnen zu dürfen, nichts weniger als vorteilhaft für diesen aus.

Die Unterscheidung LOCKEs zwischen sekundären und primären Eigenschaften der Körper (secondary and primary qualities), von welchen die ersteren nur in der Seele und nur die letzteren in den Körpern selbst sein sollen, fällt mit der Unterscheidung des HOBBES zwischen relativen, dem Körper nur in Bezug auf das Subjekt, und absoluten, d. h. demselben ansich zukommenden Eigenschaften dem Inhalt nach zusammen. Jene, welche LOCKE auch abgeleitete nennt, sind Farben Töne usw., diese, die von ihm auch als ursprünglich (original) oder reale Eigenschaften bezeichnet werden, sind Größe, Gestalt, Zahl, Lage, Bewegung oder Ruhe ihrer dichten (raumerfüllenden Teile. Die letztgenannten Eigenschaften sind in den Körpern selbst wirklich und von ihnen in jedem Zustand unzertrennlich, die erstgenannten dagegen nicht in ihnen, sondern nur im wahrnehmenden Subjekt wirklich und daher von Körpern selbst nicht nur abtrennbar, sondern tatsächlich auch getrennt. Die Farbe der Körper besteht nur insofern sie gesehen, ihr Klang nur insofern sie gehört, ihre Härte oder Weichheit nur insofern sie getastet werden, und zwar nur für das Auge das Ohr die Hand, welches und welche dieselben sieht und hört und tastet. Wird das Vorgestelltwerden der Körper von diesen getrennt, so verschwinden alle Farben Töne Härte- und Weichheitsgrade und es bleibt nichts übrig als eine gewisse Gestalt, Größe, Bewegung und Lage der Körper und Körperteile.

Wie des HOBBES relative, so sind LOCKEs sekundäre Körpereigenschaften solche, welche dem Körper nicht wirklich, sondern nur dem Schein nach zukommen, wirklich, d. h. nicht bloß dem Schein nach im wahrnehmenden Subjekt, d. h. in der Seele sind. Dieselben können demnach, was ihre Natur betrifft, von der Natur des Subjekts, in welchem sie sind, nicht wesenhaft verschieden, d. h. sie müssen von derselben Natur wie die Seele sein. Wird dieselbe, wie es von BACON und HOBBES geschieht, als ein Körper, jedoch als ein solcher von größerer Feinheit vorgestellt, als die sogenannten eigentlichen Körper (im engeren Sinn des Wortes) sind, so werden auch jene Eigenschaften als körperlich, aber von einer feineren Körperlichkeit, als es die vom eigentlichen Körper unabtrennbaren, absoluten oder ursprünglichen Eigenschaften derselben sind, gedacht werden müssen. Dieselben gelten sodann zwar für materiell, aber im Verhältnis zu den ursprünglichen Eigenschaften für relativ immateriell, d. h. der völligen Unkörperlichkeit bei weitem näher stehend als diese. Wird dagegen die Seele, wie es von LOCKE geschieht, zwar nicht als immateriell, aber ebensowenig als materiell vorgestellt, d. h. zwar dieselbe als existierend (real) anerkannt, auf eine Erkenntnis ihrer Natur (ihres Quale) aber verzichtet, so gelten dieselben als Wesensverwandte der Seele zwar ebensowenig wie diese für immateriell, aber auch ebensowenig für materiell, d. h. sie werden als in der Seele seiend und derselben dem Wesen nach, wie auch dasselbe beschaffen ist, gleichartig anerkannt, aber es wird auf die Erkenntnis ihres Wesens ebenso und aus demselben Grund wie auf jene des Wesens der Seele Verzicht geleistet.

Während HOBBES mit BACON die Materialität der Seele für wirklich, hält LOCKE dieselbe nur für möglich. Während BACON die Existenz unkörperlicher Wesen auf philosophischem Weg für unerweislich, auf theologischem dagegen für ausgemacht, HOBBES für schlechterdings unmöglich, hält LOCKE dieselbe für möglich. Letzterer steht daher der Anerkennung immaterieller Existenzen als Tatsache insofern näher als HOBBES, als er dieselbe nicht ausschließt, aber auch näher als BACON, insofern er nicht wie dieser die Seele vom Geist trennt, also zugibt, daß, wenn sich die Immaterialität des Geistes philophisch erweisen lassen würde, damit auch die der Seele erwiesen wäre.

Wie die abgeleiteten Eigenschaften, weil sie in der Seele sind, dieser, so müssen die ursprünglichen, weil sie im Körper sind, diesem wesensverwandt sein. Ist daher dieser, wie BACON und HOBBES lehren, seinem Wesen nach materiell, so sind es auch dessen ursprüngliche Eigenschaften. Ist dagegen, wie LOCKE lehrt, der Körper zwar real, d. h. liegt demselben ein Substrat zugrunde, bleibt aber das Wesen dieses letzteren selbst für den Intellekt unzugänglich, d. h. unerkennbar, so sind auch die demselben wesensverwandten Eigenschaften zwar, wie das Substrat, real und ihrem Wesen nach dem Wesen desselben verwandt, aber gleich unerkennbar wie dieses. Dieselben werden, wenn das Substrat materiell ist, materiell, wenn es dagegen immateriell sein sollte, selbst gleichfalls immateriell sein, und da LOCKE die Existenz des Immateriellen ebensowenig wie jene der Materialität des Existierenden für unmöglich hält, so ist es ansich nicht ausgeschlossen, daß die Materialität der ursprünglichen Eigenschaften bloßer Schein, d. h. diese selbst Erscheinung eines Immateriellen und als solche den in der möglicherweise gleichfalls immateriellen Seele seienden sekundären Eigenschaften gleichartig, ursprüngliche und abgeleitete Eigenschaften der Körper daher beide immateriell wären.

Wie in Bezug auf die Seele, so in Bezug auf den Körper steht LOCKEs Realismus, welcher die Realität eines sowohl der einen wie dem andern zugrunde liegenden Substrates anerkennt, aber die Unerkennbarkeit der Qualität desselben behauptet, dem Immaterialismus d. h. der Behaupung der Immaterialität alles Existierenden um einen Schritt näher als HOBBES mit seiner Behauptung der Unmöglichkeit der Existenz eines Immateriellen. Letztere schließt mit dessen Möglichkeit von selbst dessen Wirklichkeit aus. LOCKE läßt mit der Anerkennung seiner Möglichkeit die Frage von dessen Wirklichkeit offen.

Sekundäre und primäre Eigenschaften der Körper nach LOCKE, wie relative und absolute Eigenschaften derselben nach HOBBES verhalten sich zueinander wie Schein zu Wirklichkeit, Subjektivs zu Objektivem, Phänomene zu Realitäten. Dabei wird den letzteren ebenso als Eigenschaften, welche als solche einen Träger, wie jenen als Phänomenen, welche als solche ein Subjekt erfordern, ein Substrat unterlegt, welches als Träger von Eigenschaften ebensowenig eine bloße Eigenschaft, wie als Träger von Phänomenen selbst bloß ein Phänomen sein kann, daher in jenem Fall als Subsistierendes (Substanz, d. h. Wesen, das Eigenschaften hat), in diesem als Seele (Subjekt, d. h. Wesen, das Vorstellungen hat) bezeichnet wird. Wie der Begriff der Substanz nichts anderes enthält als den Gedanken eines im Übrigen unbekannten Etwas, welches den Eigenschaften, die wir dem Körper zuschreiben, zugrunde liegt, so bedeutet der Begriff Seele (Subjekt) in diesem Zusammenhang nichts anderes als den Gedanken eines im Übrigen gleichfalls unbekannten Etwas, in welchem die Phänomene, die wir Empfindungsqualitäten nennen (Farbe, Klang, Härte, Weichheit usw.), vor sich gehen. Wie die Annahme der Substanz nur durch die Eigenschaften, so wird jene der Seele nur durch die Phänomene notwendig gemacht, weil die ersteren, wenn sie vorhanden sind, nicht ohne Träger, die letzteren, wenn sie gegeben sind, nicht ohne Subjekt gedacht werden können. Wären daher keine Eigenschaften, so fiele die Notwendigkeit der Annahme einer denselben zugrunde liegenden Substanz, wären keine Phänomene, die gleich der Annahme eines Subjekts, dessen Scheinwelt sie ausmachen, von selbst weg.

Ersterer Fall tritt ein, wenn die sogenannten primären oder ursprünglichen Eigenschaften der Körper, welche als solche real und den sogenannten sekundären oder abgeleiteten Eigenschaften derselben, welche bloße Phänomene sind, entgegengesetzt sein sollen, sich gleichfalls als nicht real, d. h., wie die sekundären, als bloße Phänomene erweisen sollten. Denn da die sekundären Eigenschaften, wie oben erwähnt, nicht in den Körpern, sondern, weil Phänomene, nur in der Seele, also keine Eigenschaften der Körper sind, so sind, sobald die bisher sogenannten primären, d. h. in den Körpern befindlich gedachten Eigenschaften sich gleichfalls als Phänomene, d. h. als nur in der Seele befindlich erwiesen haben sollten, überhaupt keine Eigenschaften, die in den Körpern sein könnten, mehr vorhanden, und die Annahme eines Trägers für (nicht mehr vorhandene) Eigenschaften wird überflüssig.

Dieser Fall ist derjenige BERKELEYs und wird durch dessen Nachweis, daß die sogenannten primären Eigenschaften (Größe, Gestalt, Zahl, Lage, Bewegung oder Ruhe der raumerfüllenden Teile) ebensogut wie die sekundären (Farbe, Klang, Härte, Weichheit usw.) bloße Phänomene, und als solche nur in, aber nicht außerhalb der Seele sind, herbeigeführt. Da nach LOCKE dasjenige, was wir Körper nennen, ein Ganzes ist, welches aus (realen) Eigenschaften und deren (gleichfalls realem) Träger (der Substanz) besteht, wobei letztere nur durch die Realität der Eigenschaften notwendig gemacht wird, ein Ganzes aber imaginär wird, sobald seine Teile imaginär geworden sind, so verwandelt sich durch den Nachweis, daß die Realität der Eigenschaften eine Imagination, die nur um ihrer Realität willen unvermeidliche Annahme einer Substanz somit grundlos ist, der Glaube an die Realität desjenigen, was wir Körper nennen, selbst in eine bloße Imagination, und die vermeintliche Körperwelt stellt sich als bloße Scheinwelt heraus.

Folge davon ist, daß der Körper als ein Ganzes von Eigenschaften, von welchen jede, sei sie nun in der von Locke festgestellten Bedeutung eine ursprüngliche oder eine abgeleitete, bloßes Phänomen ist, als Ganzes von bloßen Phänomenen selbst bloßes Phänomen und als solches, wie alle die Eigenschaften, aus denen er besteht, nicht außerhalb, sondern in der Seele vorhanden sein kann.

Von den beiden Gegensätzen, dem Körper als Objekt und der Seele als Subjekt, bleibt sonach, da der Körper sich in ein bloßes Phänomen in der Seele aufgelöst hat, nur die Seele als Realität, d. h. Nicht-Phänomen, obgleich Sitz und Schauplatz von Phänomenen, übrig. Indem durch die Verwandlung der vermeintlich realen Eigenschaften der Körper in bloße (subjektive) Phänomene die Nötigung, denselben eine reale Substanz als Grundlage unterzuschieben, aufhört, verschwindet umso mehr die weitergehende, diese letztere selbst als materielle (körperliche) Substanz zu denken. Realismus, d. h. die Lehre, daß der erscheinenden Körperwelt reale Substanzen (mehrere oder eine), ebenso und noch mehr der Materialismus, d. h. die Lehre, daß der Erscheinung der Körperwelt materielle (körperliche) Substanzen (mehrere oder eine) zugrunde liegen, hat seine Berechtigung eingebüßt; an die Stelle des ersteren tritt der Idealismus, d. h. die Lehre, daß der Erscheinung der Körperwelt keine reale, an die Stelle des letzteren der Immaterialismus, d. h. die Lehre, daß der Erscheinung der Körperwelt, weil überhaupt keine reale, umsomehr keine materielle Substanz zugrunde liegt. Beide Begriffe haben zunächst nur einen negativen, die Behauptungen ihrer beziehungsweisen Gegensätz verneinenden Sinn: der Idealismus, insofern er die Unwahrheit des Realismus, der Immaterialismus, sofern er jene des Materialismus behauptet, keineswegs aber etwas anderes als Wahrheit an dessen Stelle setzt. Letzteres tut erst der Phänomenalismus, d. h. die Lehre, daß die Erscheinung der Körperwelt bloßes Phänomen, d. h. das Wesen des Körpers Phänomenalität ist. Während der Idealismus das Was der körperlichen Erscheinung negativ durch die Bestimmung definiert, daß ihr eine reale Substanz nicht zugrunde liegt, definiert der Phänomenalismus dasselbe positiv durch die Bestimmung, daß der Körper Phänomen ist. Beides fällt zwar der Sache nach, indem dasjenige, dem nichts Reales zugrunde liegt, nichts anderes als Phänomen (Jllusion) sein kann, keineswegs aber dem Begriff nach zusammen.

Phänomenalismus und Idealismus in den oben angegebenen Bedeutungen sind Wechselbegriffe, welche als solche zwar denselben Umfang, keineswegs aber denselben Inhalt haben. Ersteres in dem Sinne, daß alles dasjenige, dem kein vom Subjekt verschiedenes Objekt als Reales zugrunde liegt, nur Phänomen im Subjekt, d. h. insofern dasselbe auf ein vom Subjekt verschiedenes reales Objekt von jenem bezogen wird, Jllusion sein kann. Letzteres in dem Sinne, daß der Inhalt des einen aus positiven, jener des anderen aus negativen Merkmalen zusammengesetzt ist. Phänomenalismus und Immaterialismus, beide in den oben angegebenen Bedeutungen genommen, sind dagegen nicht Wechselbegriffe, denn dasjenige, welchem keine vom Subjekt verschiedene materielle Substanz zugrunde liegt, muß darum noch keineswegs Jllusion, d. h. ein Phänomen sein, dem überhaupt kein vom Subjekt unterschiedenes Objekt zugrunde liegt, indem es ja auch ein Phänomen sein könnte, dem eine vom Subjekt verschiedene aber immaterielle Substanz zugrunde liegen würde. Beide Begriffe decken einander dem Umfang nach nicht, dagegen ist der Umfang des Begriffs Immaterialismus in dem des Begriffs Idealismus eingeschlossen, denn demjenigen, welchem überhaupt kein reales Objekt zugrunde liegt, kann umso weniger ein materielles Objekt als Substrat dienen. Daraus folgt, daß der Phänomenalismus immer sowohl Idealismus als auch Immaterialismus, aber nicht umgekehrt der Immaterialismus immer Phänomenalismus (im obigen Sinn) sein wird, oder, was dasselbe ist, daß es zwei Gattungen des Immaterialismus geben wird, je nachdem den Phänomenen (im Subjekt) entweder überhaupt kein vom Subjekt verschiedenes, oder nur kein vom Subjekt verschiedenes materielles Objekt zugrunde liegt. Nur die erstere Gattung fällt mit dem Phänomenalismus und dem demselben gleich geltenden Idealismus, insofern dieser das Gegenteil des Realismus ausmacht, zusammen. Die zweite Gattung des Immaterialismus stellt vielmehr eine Art des Realismus, und zwar diejenige dar, nach deren Lehre den Phänomenen (im Subjekt) zwar kein materielles, aber ein immaterielles, vom Subjekt verschiedenes Objekt zugrunde liegt.

BERKELEYs Lehre nun ist, was ihre negative Seite betrifft, Idealismus und Immaterialismus, was ihre positive betrifft, Phänomenalismus. In ersterer Hinsicht bildet sie den vollkommenen Gegensatz sowohl zu LOCKEs Realismus, wie zu HOBBES Materialismus, insofern ihr zufolge als Grundlage der körperlichen Welt weder überhaupt eine reale, noch insbesondere eine materielle Substanz (Materie) existiert. In letzterer Hinsicht besteht ihr Kern in der Behauptung, daß die körperliche Welt Phänomen, d. h. Vorstellung im vorstellenden Subjekt ist. Dieselbe hat daher ihr zufolge außerhalb des vorstellenden Subjekts keine, innerhalb desselben eine nur phänomenale Existenz, gerade wie die im Traum gesehene Welt nicht außerhalb, sondern innerhalb des Traums existiert. Ursprüngliche wie abgeleitete Eigenschaften der Körper, deren Größe, Gestalt, Lage und Entfernung im Raum Bewegung und Dauer in der Zeit, Farbe, Klang, Geruch, Geschmack, Härte und Weichheit usw., sowie die Körper selbst als beharrende oder wechselnde Vereinigungen ursprünglicher und abgeleiteter Eigenschaften sind insofern vorhanden, als sie vorgestellt werden, oder was dasselbe ist, sie sind nur als Vorstellungen, deren Inhalt Größen Gestalten Entfernungen und Bewegungen, Farben, Klänge usw. ausmachen, vorhanden. Von einem Verhältnis der im Subjekt vorhandenen Phänomene zu einem außerhalb des Subjekt befindlichen realen (materiellen oder immateriellen) Objekt zu reden, gleichviel ob dasselbe als ein solches der Kausalität oder der bloßen Kongruenz oder Inkongruenz des beiderseitigen Inhalts verstanden wird, ist daher unstatthaft, weil es dieser Lehre zufolge ein vom Subjekt verschiedenes reales (sei es materielles, sei es immaterielles) Objekt überhaupt nicht gibt, also auch weder von demselben auf das Subjekt oder umgekehrt von diesem auf jenes eingewirkt, noch dessen Inhalt mit jenem des Phänomens irgendwie verglichen, also auch weder als diesem entsprechend noch als nicht entsprechend bezeichnet werden kann. Ebensowenig kann von Beziehungen zwischen angeblich außerhalb des Subjekts vorhandenen realen (materiellen oder immateriellen) Objekten zu und untereinander z. B. von einem Kausalverhältnis zwischen denselben die Rede sein aus dem gleichen Grund, weil derartige Objekte nach obigem überhaupt ebensowenig als angebliche ursprüngliche oder abgeleitete Eigenschaften derselben (Größe, Gestalt, Entfernung, Bewegung, Farbe, Klang usw.) anders denn als Phänomene, daher real nicht existieren. Da sowohl Körper als ihre Eigenschaften Phänomene, abgesehen von dieser phänomenalen Existenz derselben aber weder Körper noch Eigenschaften von solchen vorhanden sind, so können schlechterdings alle zwischen Körpern und deren Eigenschaften obwaltenden Beziehungen und Verhältnisse nichts anderes als Beziehungen und Verhältnisse zwischen Phänomenen sein, welche das einzige tatsächlich Gegebene, aber weder durch außerhalb des Subjekts befindliche Objekte (die es nicht gibt) erzeugt sind, noch auf solche, da es dergleichen nicht gibt, bezogen werden dürfen. Was vom Standpunkt des Materialismus und Realismus angesehen z. B. die Beziehung der Lage, d. h. eines wirklichen Körpers zum wirklichen Raum, das ist in den Augen des Phänomenalismus die Beziehung des Phänomens eines Körpers zum Phänomen eines Raums.

Ebenso kann das Kausalverhältnis, das vom Gesichtspunkt der beiden erstgenannten Welttheorien als ein Verhältnis zwischen wirklichen Dingen (realen Substanzen oder materiellen Körpern) gedacht wird, nach den Grundsätzen des Phänomenalismus nur als ein zwischen Phänomenen stattfindendes Verhältnis gelten, was für dieses die Folge hat, daß alle diejenigen Auffassungen der Kausalität, welche die reale oder körperliche Natur des Verursachenden und Bewirkten voraussetzen, von demselben ausgeschlossen werden müssen. Von dieser Art ist der sogenannte influxus physikus [Einfluß des Leibes auf die Seele (aber nicht umgekehrt) - wp]
, welcher entweder, wie der Materialismus sich den Vorgang vorstellt, in einer materiellen Ausströmung aus dem materiellen, Ursache, in den gleichfalls materiellen, Wirkung genannten Teil oder, wie der Realismus sich den Prozeß denkt, in einer realen Vermittlung der realen, Ursache, und der gleichfalls realen, Wirkung genannten Substanz besteht. Es leuchtet ein, daß, wenn sowohl der vom Materialismus als Ursache wie der von ihm als Wirkung angesehene Körper und ebenso, wenn sowohl die vom Realismus als Ursache wie die von ihm als Wirkung angesehene reale Substanz, wie es nach den Prinzipien des Phänomenalismus gar nicht anders sein kann, bloß Phänomene bedeuten, weder von einer materiellen Ausströmung, noch von einer realen Vermittlung zwischen denselben gesprochen, der Begriff der Kausalität in dem Sinne, in welchem sowohl Materialismus als auch Realismus sich desselben bedienen, demnach gar nicht angewendet werden kann. Derselbe muß entweder gänzlich wegfallen oder in einer Weise umgestaltet werden, daß er mit der Grundlehre des Phänomenalismus, daß Körper und körperliche Eigenschaften bloß Phänomene sind, verträglich wird.

LITERATUR - Robert Zimmermann, Über Humes Stellung zu Berkeley und Kant, Sitzungsbericht der kaiserlichen Akademie der Wissenschaften (Philosophisch-historische Klasse), Wien 1883