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HEINRICH LANZ
Das Problem der Gegenständlichkeit
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"Die Bezeichnung Wahrnehmung bezieht sich nicht auf ihn selbst, sondern auf den Charakter seiner Beziehungen zu mir, zu meinem Körper, zu jenem ganzen Komplex der Elemente, welcher als Ich bezeichnet wird. Die Wahrnehmung ist kein Sein oder eine Substanz, sondern nur eine bestimmte Art von Relationen, nämlich jene eigentümliche Art, welche empirisch gebildet wird, zwischen mir und meiner Umgebung vom Standpunkt des natürlichen Weltbegriffs aus, d. h. ohne alle wissenschaftliche Theorie."

"Für Hume existiert der Gegenstand nicht. Die Vereinheitlichung unserer Impressionen in ein Ganzes erscheint einfach als Resultat einer psychologischen Gewohnheit, und jenes innere Substrat dieser Impressionen, der angeblich die sie zusammenhaltende Einheit bildet, ist ein bloßes Produkt unserer Einbildung. Für Avenarius dagegen ist der Gegenstand durchaus kein Produkt subjektiver Phantasie."

II. Kapitel
Die psychologische Lehre
von der Gegenständlichkeit

"Die Gegenständlichkeit darf nicht selbst
als Gegenstand angesehen werden."

- Windelband


Der Psychologismus in seiner allgemeinen Bestimmung ist eine vermeintliche erkenntnistheoretische Methode; sein Wesen besteht darin, daß er die psychologische Forschungsweise in der Erkenntnistheorie zur Geltung zu bringen versucht. Die allgemeinste Methode jeder objektiven Wissenschaft kann in dem Satz "ich denke ein Objekt", d. h. "ich objektiviere" ausgedrückt werden; durch diese Objektivierung wird sie erst zur Wissenschaft. Indem sich die Erkenntnistheorie dieser allgemeinen Methode der Objektivierung bedient, indem sie also das Bewußtsein als ein reales Objekt auffaßt und betrachtet, wird sie zu einer psychologistischen Erkenntnistheorie. Denn das objektive Bewußtsein ist ein Gegenstand der Psychologie; in ihr denkt das Bewußtsein sich selbst als objektiv, es erzeugt sich als einen Gegenstand der psychologischen Betrachtung, als einen Bewußtseinsvorgang, als einen Inhalt. Dieses objektive Bewußtsein ist eine empirische Erscheinung, welche sich in einem beständigen Fluß der Gefühls-, Willens- und *Vorstellungszustände befindet. In diesem Sinne ist das Bewußtsein durch und durch real und objektiv; es steht im Zusammenhang mit den objektiven Dingen.

Etwas anderes aber bedeutet das Bewußtsein als ideale Bedingung des Gegenstandes, im Zusammenhang der Erkenntnis. Hier betrachten wir das Bewußtsein nicht als einen Inhalt, sondern als einen Grund. Die Objekte stehen in einem realen und kausalen Zusammenhang; die Erkenntnisse aber, welche diese Objekte in ihrer realen Verknüpfung konstituieren, stehen selbst nicht (oder zumindest nicht allein) in einem realen, sondern in einem rein logischen, idealen Zusammenhang. Sie haben reine Bedingungen ihrer Geltung, und das Bewußtsein ist gerade die höchste Bedingung, der höchste Grund ihrer Geltung. In dieser bedingenden Funktion hat das Bewußtsein keine Objektivität und kann auch keine haben, weil die Beziehung des Bewußtseins zu einem Gegenstand eine ganz andere Art des Verhältnisses ausdrückt, als zwischen Objekten, sie mögen selbst psychische sein, möglich ist. Das reale Objekt ist ein Gesetz der Synthesis, also ein Verhältnis; aber es ist nur eine Art der Verhältnisse; nicht alle Verhältnisse, welche innerhalb der Bewußtseinssphäre möglich sind, sind real-objektive Verhältnisse; es gibt auch ganz andere Geltungs- und Beziehungsarten als diejenigen, welche die objektiven Wissenschaften kennen.

Dieselben Bewußtseinszustände, welche in der Physik z. B. in einem objektiven Zusammenhang der Gegenstände erscheinen, können, wenn wir von ihrem sinnlichen Material abstrahieren und sie nur als Denken, als "Sinn" betrachten, auch in einem anderen Geltungszusammenhang auftreten, nämlich als Erkenntnisse; dann sind sie nicht mehr physisch (d. h. nach physischen Verhältnissen oder Kategorien) sondern logisch und methodologisch miteinander verknüpft. Nicht ansich sind sie etwas Anderes geworden, sondern nur die Betrachtungsweise hat sich geändert; sie sind in einen anderen Zusammenhang eingetreten, nach anderen Kategorien verknüpft. Es sind daraus also ganz andere Gegenstände geworden, weil der Gegenstand durch die Art der Verknüpfung bestimmt wird; sein Wesen erschöpft sich in dieser Verknüpfung. Es bleibt an ihm als einem Objekt nichts außer den Verhältnissen; alles was sonst noch an ihm vorhanden sein mag, ist nicht objektiv. Objektsein heißt eine bestimmte Rolle in einem gewissen Zusammenhang spielen; und in dieser Rolle wird das Objektsein erschöpft. Aus der Verschiedenheit der Rolle, der Beziehung, der Betrachtungsmethode entsteht also die Verschiedenheit der Gegenstände, weil die Gegenständlichkeit in dieser Beziehung völlig aufgeht. Das, was am Gegenstand außer dieser "Beziehung" noch haftet, ist eben keine Objektivität, sondern nur Sinnlichkeit, nur Irrationalität. Auf diese Weise entsteht der ordo rerum [Ordnung der Dinge - wp] (in den Natur- und Geisteswissenschaften) und der ordo idearum [Ordnung der Ideen - wp] (in der Logik); beide sind nur als ordines, nach der Art des Zusammenhangs, nicht als Inhalt, als Vorwurf verschieden. Was in einer Reihe steht, darf nicht in die andere hineingebracht werden, weil "in der Reihe stehen" heißt, nach den Beziehungen, welche in dieser Reihe herrschen, gedacht werden; das Denken nach den einen Prinzipien darf nicht zugleich das Denken nach den anderen sein; das wäre ein Widerspruch. Es gibt keine logischen und psychischen oder physischen Inhalte, sondern eigentlich nur logische und physische Zusammenhänge der Bewußtseinszustände. Wenn ich z. B. zwei Punkte nach den räumlichen Prinzipien miteinander verbunden denke, so erzeuge ich einen geometrischen Gegenstand, z. B. eine gerade Linie, als den kürzesten Weg zwischen zwei Punkten; wenn ich dieses Verhältnis in Beziehung zu einem anderen räumlichen Verhältnis z. B. zu einem Dreieck und zwar ebenfalls nach räumlichen Prinzipien, denke, so bekomme ich wiederum einen räumlichen Gegenstand; wenn ich dagegen dasselbe Verhältnis in Beziehung zu einem anderen, als Bedingung seiner Gültigkeit denke, so erzeuge ich einen logischen Gegenstand, in unserem Fall ein Axiom. Und als Axiom darf ich diesen Bewußtseinszustand nicht mehr räumlichen Gesetzen unterwerfen, und zwar gerade darum, weil die nichträumliche Gesetzgebung ihr Sein nur als ein Axiom besitzt.

Das Axiom von der geraden Linie und diese gerade Linie selbst als der kürzeste Weg sind inhaltlich ansich identisch; und nur die Verschiedenheit und Inkommensurabilität [Unvergleichbarkeit - wp] der Verhältnisse macht sie verschieden und inkommensurabel. Dasselbe gilt vom Bewußtsein, d. h. nicht als ob es in der Erkenntnistheorie etwas ansich Anderes wäre, als es in der Psychologie ist, nicht als ob es in der Erkenntnistheorie ein anderes Wesen gäbe, welches im Unterschied vom Psychologischen anders zu denken und zu erkennen vermag; sondern beide Begriffe - sowohl der des erkenntnistheoretischen und als auch der des psychologischen Bewußtseins - sind in ganz heterogenen Zusammenhängen und für ganz verschiedene Zwecke erzeugt. Das psychologische Subjekt ist eine objektive Tatsache, das erkenntnistheoretisch dagegen eine begründende Bedingung. Der Begriff, den wir nach Prinzipien der einen Reihe denken, darf nicht zugleich nach Prinzipien der anderen gedacht werden, weil er, als Begriff, durch den entsprechenden Zusammenhang zu allererst erzeugt wird. Wir dürfen z. B. nicht sagen, daß ein psychologischer Bewußtseinsvorgang sich zu einem Gegenstand erkennend verhält, daß er auf ein Objekt bezogen ist. Der Gegenstand ist und kann kein Gegenstand eines psychologischen Aktes sein; gerade darum, weil der Akt als Vorgang nur aus objektiven Verhältnissen besteht, welche sein Wesen und seine Funktionen vollständig erschöpfen. Wenn das Psychische etwas ansich Seiendes sein könnte, was außerhalb jedes Zusammenhanges etwas wäre, dann könnten wir sagen, daß das Psychische einmal kausal, das anderemal erkenntnistheoretisch betrachtet wird; aber das Psychische ist schon ansich nur eine Betrachtungsweise, nur eine bestimmte Art der Beziehung; wie kann also diese Art zu einer anderen Art werden? Man kann nicht sagen, daß wir einen Vorgang das eine Mal im psychologischen, ein anderes Mal in logischen Verhältnissen denken; das würde heißen, daß wir psychologische Verhältnisse als logische denken, denn ein Vorgang sein heißt nichts anderes als in eigentümlichen objektiven Verhältnissen stehen, nach objektiven Kriterien gedacht werden. Ferner haben wir ebenfalls kein Recht, das erkenntnistheoretische Bewußtsein irgendwie zu objektivieren, weil sein Begriff nicht nach objektiven, sondern nach logischen Gesetzen und Verhältnissen konstituiert ist und nur für erkenntnistheoretische Zwecke gilt. Das erkenntnistheoretische Bewußtsein objektiv zu denken, ist ebenso sinnlos, wie z. B. ein Axiom durch eine Linie räumlich geschnitten denken. Jene beiden hier berücksichtigten Begriffe des Bewußtseins sind durch die Methode ihrer Konstruktion völlig inkommensurabel.

Das Verhältnis zwischen Gegenstand und Bewußtsein (im Begriff der Identität fixiert) ist eine erkenntnistheoretische Bestimmung; darum darf die Psychologie sich gar nicht mit ihm beschäftigen, d. h. aber, daß das objektive, psychologische Bewußtsein in keinem Verhältnis zum Gegenstand stehen kann, nicht einmal in einem negativen; es steht überhaupt ganz und gar außerhalb dieser Betrachtungsweise. Die Verwechslung beider Begriffe ist zugleich die Verwechslung der Methoden. Wenn wir das erkennende und gegenständliche Bewußtsein irgendwie objektiv fassen, d. h. die Grundmethode der Psychologie als einer Realwissenschaft anwenden, so entsteht der Psychologismus. Überall da, wo das erkenntnistheoretische Bewußtsein als eine Eigenschaft oder Abstraktion von der objektiven Welt aufgefaßt, wo es auf irgendeine Weise von der objektiven Welt abgeleitet wird, entsteht der Psychologismus, obgleich er oft gut verdeckt und fast unmerklich gemacht wird. (1)

Durch diese Objektivierung des Bewußtseins entstehen verhängnisvolle Konsequenzen für die Gegenstandstheorie; sie wird dann unbedingt "intentional" sein, und alle Ungereimtheiten dieser unkritischen Auffassung werden an ihr zu finden sein. Wenn wir das Bewußtsein als ein reales Objekt auffassen, so verwandelt es sich in eine geistige Substand oder zumindest, da die moderne Psychologie keine geistige Substand anerkennen will, in eine Reihe geistiger Zustände, und wenn jetzt dieses Bewußtsein als geistige Tätigkeit Gegenstände produzieren und erzeugen soll, so werden diese Gegenstände intentional immer von ihm verschieden sein. Wenn das Bewußtsein des Raumes unräumlich sein soll, so wird der Raum selbst als Gegenstand unserer Intention immer von diesem Bewußtsein prinzipiell verschieden und ihm logisch transzendent sein. Alle Arten der intentionalen Theorien des Gegenstandes gründen sich auf diese falsche Objektivierung des Bewußtseins; sie sind also alle insgesamt psychologistisch, da sie sie psychologistische Grundobjektivierung zu ihrer Grundlage haben.

Die naivste und primitivste Form des Psychologismus ist die sogenannte "Organisationstheorie". Der Grundgedanke dieser Theorie besteht darin, daß sie jede Wahrheit und jede Erkenntnis in ausschließliche Abhängigkeit von der subjektiven Organisation unseres Geistes stellt und ihre Geltung dadurch zu erklären sucht, daß sie das richtige Denken zum biologisch notwendigen Denken macht und seine logischen Gesetze nach der Analogie der physischen interpretiert. Das richtige Denken wird dann in dieser Auffassung ein solches sein, welches von allen äußeren Einflüssen und Störungen frei ist und nur nach seinen inneren Gesetzen verläuft.
    "Dann sind die Regeln, nach denen man verfahren muß, um richtig zu denken, nichts anderes, als Regeln nach denen man verfahren muß, um so zu denken, wie es die Eigenart des Denkens, seine besondere Gesetzmäßigkeit, verlangt; kürzer ausgedrückt: sie sind identisch mit den Naturgesetzen des Denkens selbst. Die Logik ist dann auch nach dieser Auffassung ihrer Aufgabe eine Physik des Denkens oder sie ist überhaupt nichts." (2)
Die Aufgabe der Erkenntnistheorie soll folglich darin bestehen, die natürlichen Ursachen der Gewißheit und Überzeugung zu finden und aufgrund dieser Ursachen die Entstehung der mit dem Wahrheitscharakter behafteten Urteile zu erklären (3). Die Wahrheit wird zu einem natürlichen und zeitlich bedingten Produkt unseres Denkmechanismus herabgedrückt und die Wahrheitstheorie verwandelt sich in eine "Chemie des Urteilens" (4). Wenn wir uns ein Denken vorstellen, welches nach anderen Gesetzen verläuft, so wird für diese Art denkender Wesen auch die Wahrheit anders aussehen. Das, was für uns aufgrund unserer Organisation wahr ist, hat für anders organisierte Wesen keine Geltung.

Dieser mythologische Begriff der Organisation scheint eine Art "virtus dormitiva" [einschläfernde Kraft - wp] des Psychologismus zu sein; wenn wir auf etwas uns Unerklärliches stoßen, so versteckt sich unser Verstand instinktiv hinter solche Begriffe, welche ihm eine fiktive Befriedigung geben.

Ein solches "Versteckspielen" (5) mit seinen eigenen Begriffen ist jedem Wissenschaftsgebiet bekannt; es geschieht sogar nicht selten, daß unsere wissenschaftlichen Begriffe sich in die dunklen Ecken der mythischen Phantasien wie unwägbare Flüssigkeiten, Atome, Kräfte usw. verstecken. Und es gibt kein anderes Gebiet, wo dieses Spiel kräftiger entwickelt wird, als in der Psychologie und Erkenntnistheorie.

Die typischen Psychologisten, wie z. B. HEYMANs, bauen ihre ganze Erkenntnistheorie auf dieser Mythologie der seelischen Organisationen auf; (6) wenn man sie aber frägt, was sie eigentlich unter dieser hochberühmten Organisation verstehen, so würden sie kaum eine prägnantere Definition geben können, als welche ihr COHEN mit deutlicher Ironie gegeben hat:
    "Die physisch-psychische Organisation ist nur der Ausdruck, in dem alle die Bestimmtheiten zusammengefaßt werden, die man im Einzelnen erkennen möchte: sie bezeichnet daher nur das allgemeine X und Fragezeichen." (7)
Diese Theorie nimmt hinter den gegebenen Bewußtseinszuständen noch eine innere und unbewußte Kraft an, welche das ewig verborgene Prinzip der psychischen Gesetzmäßigkeit enthält. So entspringt z. B. die Raumvorstellung nach SIGWART aus einer bestimmten, "im Wesen des Subjekts begründeten Nötigung", die Sinneseindrücke so und so zu ordnen, "eine Nötigung, die nur ihre bestimmte Richtung und Anleitung von der Empfindung als unmittelbarenn Erfolg der Reizung der einzelnen Nervenfasern erhält", (8) ansich aber die "psychologische Apriorität" besitzt. Die Konstanz und Allgemeingültigkeit gewisser Formen des Bewußtseins ist gerade in der Konstanz und Gleichheit unserer inneren Organisation, in der Beständigkeit gewisser Funktionen begründet. Wenn sich dieses Funktionen verändern, so verändern sich auch die "einfachen Begriffselemente", die Kategorien (9), und somit auch die Konstruktion der Gegenständlichkeit, da diese letztere aus diesen Elementen (Raum, Zeit, Ding usw.) besteht. Der Gegenstand wird also als Produkt einer unbewußten Organisation und Funktion des Geistes aufgefaßt; wird sie ins Bewußtsein "erhoben", so erhält diese Funktion, diese Tätigkeit des Geistes den Charakter des Gegenstandes (10). Verschiedene Richtungen dieser Tätigkeit sind verschiedene Momente der Gegenständlichkeit. Der Gegenstand ist seinem "inneren" Wesen nach also geistig. Die Gegenständlichkeit selbst wird nach dieser Auffassung zu einem realen Gegenstand, und sie wird als Produkt einer objektiven psychischen Tätigkeit betrachtet: und gerade in dieser Vergegenständlichung der Gegenständlichkeit besteht eben der Grundfehler des Psychologismus, wie aus dem Vorhergesagten hervorgeht; seine Unmöglichkeit wird aus der Unmöglichkeit dieser Vergegenständlichung mit voller Klarheit erwiesen. Die Welt hängt von unserer Erkenntnis ab, sie ist ihr Produkt, alle unsere Erkenntnis aber, sofern sie wahr ist, ist von unserer Organisation bedingt; folglich hängt auch die ganze reale Welt der Gegenstände ebenfalls von unserer Organisation ab. Diese Organisation selbst aber ist ein Gegenstand, ein Teil der Welt, welcher im natürlichen Prozeß ihrer Entwicklung entstanden ist; indem wir also die Welt erklären und begründen wollen, setzen wir sie im Begriff unserer Organisation schon voraus. "So treiben wir ein artiges Spiel: Aus der Welt entwickelt sich der Mensch, aus dem Menschen die Welt, Gott schafft den Menschen, und der Mensch Gott." (11) Das Prinzip der Gegenständlichkeit aber, d. h. ihr logischer Grund darf nicht wiederum in einem Gegenstand gesucht werden.

Noch mehr: dieses Prinzip darf auch von keinem Gegenstand als einem solchen abstrahiert werden; die Gegenständlichkeit ist kein Merkmal, welches an einem Gegenstand als seine inhaltliche Bestimmung haftet. Daher ist das Bewußtsein im erkenntnistheoretischen Sinn keine Abstraktion von der objektiven Welt - sei es von der physischen oder psychischen: ganz gleich. Es ist eine Abstraktion nur in dem Sinne, in welchem jeder Begriff eine Abstraktion ist; in seiner Sphäre soll er ganz selbständig und a priori erzeugt werden. Aber nach der Art seiner Geltung ist er von der inhaltlichen Bestimmung des Gegenstandes ganz unabhängig (12): Daher sind alle Versuche, daß Bewußtsein als eine Abstraktion von irgendeinem Sein und besonders von einem psychischen Bewußtsein aufzufassen, als psychologistisch zu bezeichnen, da sie denselben Irrtum der falschen Objektivierung begehen und das Bewußtsein, wenn schon nicht als selbständiges Objekt, so doch als ein abstraktes Merkmal am Objekt betrachten. So faßt z. B. SCHUPPE das erkenntnistheoretische Bewußtsein als eine Abstraktion von den einzelnenn individuellen Ichs auf und behandelt es als einen allgemeinen Begriff. Es ist in dieser Auffassung erstens unverständlich, warum das Bewußtsein überhaupt als eine Abstraktion gerade von den psychischen Individualitäten gedacht wird; mit demselben Recht könnte es von jedem anderen auch physischen Objekt abstrahiert werden, weil jedes Objekt doch Objekt des Bewußtseins ist. Gründet sich diese Auffassungsweise nicht vielleicht auf dieselbe psychologistische Tendenz, das erkenntnistheoretische Bewußtsein zu unserer Psyche zu objektivieren, um es später nach der Methode der einfachen Abstraktion daraus zu gewinnen? Darüber aber werden wir später ausführlicher reden müssen. Es ist zweitens unverständlich, wodurch sich dieses erkenntnistheoretische Bewußtsein als eine Abstraktion von verschiedenen psychischen Individualitäten von einem allgemeinen Begriff eben dieser Individualitäten unterscheiden soll; das psychische Bewußtsein ist ebenfalls ein abstrakter Begriff von den einzelnen psychischen Bewußtseinsichs. Worin liegt der Unterschied? Der Unterschied liegt lediglich in der Aufgabe, welche beide Begriffe zu erfüllen haben; aber eben erst in dieser Aufgabe und nur durch sie entsteht ihr begriffliches Wesen: aus der Verschiedenheit dieser Aufgaben, d. h. aus der Verschiedenheit ihrer begrifflichen Beziehungen ergibt sich, daß sie nicht miteinander zu tun haben, also gar nicht voneinander abgeleitet werden können. Das erkenntnistheoretische Subjekt liegt nicht in der psychischen Individualität, und auch nicht außerhalb derselben, als ein überindividuelles Wesen, sondern bildet einen ganz eigentümlichen und völlig selbständig zu erzeugenden Begriff. Darum darf kein erkenntnistheoretischer Begriff von der Psychologie oder von den psychischen Erscheinungen irgendwie abgeleitet werden. Das Logische soll in seiner absoluten Selbständigkeit und Unabhängigkeit erhalten und begriffen werden.

Diese Art der psychologistischen Auffassungsweise, dieser heimliche Psychologismus, wie ich ihn nennen will, birgt in sich die verhängnisvollen Folgerungen für die Gegenstandstheorie, welche in keiner Übereinstimmung mit der immanenten Schule, sogar im direkten Widerspruch mit ihrer Idee stehen. Der empirische Realismus und die absolute Immanenz werden dadurch zerstört. In unsere räumliche Umgebung wird etwas von ihr prinzipiell Verschiedenes hineingebracht. Wenn das erkenntnistheoretische Subjekt eine Abstraktion von den psychischen Individualitäten ist, so kann es nur durch ihre Vermittlung, nur in ihnen die Welt denken und in diesem Denken sie zuerst erzeugen. Die Welt wird dadurch zum Objekt des psychologischen Bewußtseins. Wenn aber das Psychische nicht nur als eine besondere Art der Beziehung, sondern als etwas, was die Kraft hat, die Objekte zu produzieren, aufgefaßt wird, so verflüchtigt sich das ganze Universum zu einer "Vorstellung", zu einem geistigen Bild; es wird selbst, seinem "Wesen" nach, psychisch. Die äußeren Gegenstände werden dann, ihrem empirischen Dasein nach physisch, ihrem "Wesen" nach aber geistig. Diese Betrachtung des "Wesens" der Gegenstände aber überschreitet schon die immanente Grenze und zerstört den Standpunkt des "naiven", empirischen Realismus. Dagegen protestiert kein anderer als SCHUPPE selbst. Die Gegenstände sind so, wie sie sind, und können nur ihrer immanenten Objektivität nach und keinem "Wesen" nach betrachtet werden, da sie kein anderes Wesen als dasjenige, welches in ihrer Objektivität enthalten ist, haben.

Wir sehen, daß der von WINDELBAND zuerst mit voller Klarheit und terminologischer Deutlichkeit aufgestellte Satz, daß die Gegenständlichkeit nie selbst als Gegenstand (und ebenfalls nicht als ein Merkmal des Gegenstandes) gedacht werden kann, uns als Leitstern, als methodisches Prinzip bei der Kritik jeder Art des Psychologismus dienen kann. Wir brauchen also kein weiteres Beispiel, um die Unhaltbarkeit des psychologistischen Standpunktes für die Gegenstandstheorie zu beweisen. Aber ein System, welches durchaus psychologistisch ist, dürfen wir doch nicht in unserer Darlegung übergehen, da ihm, abgesehen von seinem Psychologismus, ein großer systematischer Wert zukommt. Das ist das System von RICHARD AVENARIUS. Da es in meinen späteren Darstellungen eine große Rolle spielt und für das Verständnis unserer kritischen Bemerkungen von Wichtigkeit ist, so versuchen wir hier nicht nur seine psychologistischen Momente anzugeben, sondern wir betrachten das ganze System überhaupt, sofern es mit unserem Thema im Zusammenhang steht. Was AVENARIUS besonders wichtigt für die Gegenstandstheorie macht, das sind seine Ideen über das Verhältnis zwischen dem Psychischen und Physischen und über die Rolle, die der Begriff des Individuums überhaupt im Weltbegriff spielt. Die unrichtige Auffassung beider Momente bringt der Erkenntnis- und Gegenstandstheorie den größten Schaden. Das rätselhafte Verhältnis zwischen dem psychischen Bewußtsein und den empirisch gegebenen Gegenständen wird im Licht seiner Theorie verständlich, nämlich in einem negativen Sinn: seine Theorie stellt nur fest, daß zwischen beiden kein logisches oder transzendentales Verhältnis der Erzeugung besteht und bestehen kann.

Wir wollen mit der Erläuterung des Charakters und des Ursprungs "des Welträtsels" beginnen. Im ursprünglichen "natürlichen" Weltbegriff findet der Mensch nichts Rätselhaftes; in seinen Überlegungen findet sich nichts von der Art, was die Sphäre seiner persönlichen Erfahrung überschreitet; wenn er auch die Bewegungen und Laute seiner Mitmenschen in dem Sinn deutet, daß sie mit bestimmten Erlebnissen analog seinen eigenen, einhergehen, so scheinen ihm doch diese Erlebnisses (Gefühle, Gedanken, Wahrnehmungen) solange er sich zu ihnen nur beschreibend verhält, ohne Theorie zu treiben, nicht als etwas von seiner eigenen Erfahrung prinzipiell Verschiedenes! Nur dann, wenn er die Frage nach der Lokalisierung dieser Eindrücke stellt, wenn er sie zum Objekt seiner äußeren Wahrnehmung zu machen versucht, indem er sie im "Inneren" des Nebenmenschen zu finden sich bemüht, dann erst entsteht für ihn das ursprüngliche Rätsel; dieses erwächst auf dem Boden seiner phantastischen Unternehmung, die hypothetisch angenommenen Erlebnisse in das "Innere" des menschlichen Körpers "hineinzulegen". Natürlich gewinnen sie dann für ihn den Charakter von Rätselhaftem und Unbegreiflichem; sie befinden sich einerseits "dort", innerhalb des menschlichen Körpers und können doch andererseits dort nicht vorgefunden und aufgewiesen werden; daraus schließt er, daß sie sich prinzipiell von der von ihm wahrnehmbaren Welt unterscheiden müssen, daß sie als "fremde" Wahrnehmungen unsichtbar, untastbar, unausgedehnt sind. Indem er diesen Gesichtspunkt dann auch in Bezug auf sich selber anwendet, deutet er seine eigenen Vorstellungen als etwas Unausgedehntes, als etwas "Geistiges".

So resultiert unabweisbar aus diesem Hineintun oder, wie AVENARIUS es bezeichnet, aus dieser "Introjektion" der Dualismus von Geist und Körper, von Wahrnehmung und Wahrgenommenem; die Welt spaltet sich in Subjekt und Objekt, und der natürliche Weltbegriff wird verunstaltet durch die Einführung eines neuen unsichtbaren und absolut unbekannten geistigen Seins (Substanz). Die Introjektion führt ein Element in unsere natürliche Weltvorstellung ein, welches uns zu unendlichen "Variationen" auf dasselbe Thema aneifert; denn zur Auflösung des einmal entstandenen Rätsels werden wir, ohne zum Abschluß zu gelangen, Theorie auf Theorie häufen, bis wir entweder zur prinzipiellen Überwindung des Dualismus schreiten oder aber die Irrigkeit des Problems selber, auf welchem dieser beruth, einsehen lernen werden.

Die Introjektion ist scheinbar ein unvermeidlicher Standpunkt in der philosophischen Entwicklung, sowohl eines einzelnen Menschen, als auch der ganzen Menschheit, sie ist die Geburtsstunde, wenn auch nicht der Philosophie, so doch des Philosophierens, sie ist der erste Sündenfall des Denkens, der hinter sich eine ganze Reihe von Irrtümern herzieht!

AVENARIUS sucht nachzuweisen, daß alle philosophischen Theorien sich aus ihr entwickeln lassen. Inwiefern dies in einem geschichtlichen Sinn zutrifft, will ich hier nicht entscheiden. Unzweifelhaft ist aber, daß die Introjektion jenes ursprüngliche, stimulierende psychologische Moment ist, welches unser Denken in den Gegensatz von Subjekt und Objekt stößt und uns zum ersten Mal das Rätsel der Welterkenntnis stellt, zum ersten Mal die Antithese von "Gegenstand und Bewußtsein" als zweier prinzipiell verschiedener Seinsarten hervorbringt.

Alle Vergeistigung der Welt, welchen Ausdruck sie auch annehmen mag, ist Produkt einer Introjektion. Deshalb bedeutet die Introjektion im weiteren Sinn des Wortes bei AVENARIUS nicht nur die ursprüngliche Theorie des "Hineinverlegens", sie enthält in ihrem Begriff eben die typischen Erfolge dieses Hineintuns; sie drückt überhaupt die Annahme irgendeines "anderen" Substrats aus, das verschieden ist von der wahrnehmbaren Raumwelt; sie bedeutet ein Abweichen von der natürlichen Weltansicht zur Position einer geistigen Substanz; jede Behauptung, daß der Gegenstand meine Vorstellung ist, daß sich der Baum als Wahrnehmung in mir oder meinem Bewußtsein befindet, jeder Versuch, die Erlebnisse der Mitmenschen in einem spezifisch psychologischen Sinn zu deuten als "innere" Erlebnisse, als etwas Verschiedenes von der mich umgebenden Welt der Körper; jede Absicht, die Welt zu verdoppeln, sie in zwei selbständige Weltpotenzen zu zerschlagen - in Subjekt und Objekt, oder, im Gegenteil im Sinne eines reinen Idealismus, die ganze Welt in einem unausgedehnten Subjekt zu platzieren, sie in eine "Vorstellung" zu verwandeln - all das ist dem Wesen nach Introjektion; denn all diese Tendenzen arbeiten sich heraus aus dem Versuch, jenes Rätsel, welches als Ergebnis des "Hineintuns" erschienen war, zu lösen. Mit einem Wort, alle Versuche, das mich umgebende Milieu als "Wahrnehmung", "Vorstellung", "Gedanken" usw. zu charakterisieren, sind ihrem Wesen nach Introjektion.

Jede Umstempelung eines Teils des Milieus zu etwas Wahrgenommenem, zu einem psychischen Bewußtsein ist Introjektion (13). Was erreichen wir eigentlich mit dieser Theorie? Nichts als eine unfruchtbare und unbegreifliche Verdoppelung und sogar Vervielfältigung der Welt. Jeder Bestandteil meiner Umgebung wiederholt sich und bildet sich ab auf 1000 Arten im psychischen Leben anderer Individuen, wobei es ganz unerklärlich bleibt, wodurch denn diese 1000 Exemplare sich voneinander und vom Original unterscheiden.

Aber nicht auf diese Art und Weise soll die Widerlegung der Introjektion durchgeführt werden; um zu beweisen, wie grundlos ihre Annahme ist, genügt es, ihre Nutzlosigkeit zu zeigen, zu demonstrieren, daß man sie bei der Erklärung der Erfahrung durchaus entbehren kann. Denn die Introjektion entsteht ja als Versuch, die Aufweisbarkeit fremder Erlebnisse und ihr Verhältnis zu meiner äußeren Erfahrung zu erklären; wenn diese Aufweisbarkeit ohne Introjektion zu erklären und zu verstehen ist, so erscheint die letztere als unnütze und irrige Hypothese; irrig, weil sie zu den eben aufgewiesenen unlösbaren und widerspruchsvollen Behauptungen führt (im Raum sei dasjenige, was in ihm doch keinen Platz haben kann, außerhalb seiner ist, was eigentlich nur innerhalb des Raumes gegeben werden kann): unnütz, weil man ohne sie auszukommen imstande ist.

Nicht die Anerkennung eigener Erlebnisse (der E-Werte, wie sie AVENARIUS nennt), im Gegensatz zu fremden, ist es ja, die die Quelle der Mißverständnisse bildet, sondern bloß das Faktum, daß man sie als etwas prinzipiell von den mich umgebenden und mir bekannten Gegenständen Verschiedenes deutet. Man kann sie anerkennen, ohne zu Introjektionstheorien greifen zu müssen; man muß sich nur klar werden, in welchem Sinn man sie anerkennt.
    "Die Annahme von E-Werten wird für M erst bedenklich, wenn der Inhalt dieser Annahme zu etwas prinzipiell anderem wird, als der Inhalt seiner eigenen Erfahrung, bezogen auf ein zweites menschliches Individuum. Und diese prinzipielle Änderung des Inhaltes der Annahme von E-Werten dürfte sich in der Tat unvermeidlich vollziehen, so wie M die Werte schlechthin in den Mitmenschen hineinversetzt - sie unterschiedslos innerhalb des Mitmenschen T lokalisiert: wodurch dann allerdings bei näherem Zusehen das System C zum eigentlichen Ort der E-Werte werden muß." (14)
Aber ist dies denn notwendig? Ist nicht eine amechanische Erklärung der Organismen ohne Voraussetzung der Introjektion möglich? Die Introjektion geschieht ja als Resultat einer heimlichen Annahme, daß der Mensch die inneren Erlebnisse "besitzt", daß sie ihm "angehören", daß er Träger dieser Erlebnisse ist.

Aber ist denn unabweisbar dieses Besitzen der Erlebnisse mit ihrer bloßen Anerkennung verbunden? Was bedeutet dieses Besitzen? Wie kann man es ohne jede Introjektion erklären?

Zunächst muß die Frage gelöst werden, was denn eigentlich, d. h. welcher Teil des Individuums als Besitzer und Träger der Wahrnehmungen und Gedanken gelten kann. Aufgrund physiologischer Erwägungen muß diese Rolle dem Gehirn zugeschrieben werden, oder sogar jenen Teilen des Gehirns, welche in unmittelbarer funktioneller Beziehung zu den sogenannten "inneren" Erlebnissen stehen, d. h. in der Terminologie von AVENARIUS dem System C (Centrales Nervensystem).

Unternehme ich die Analyse irgeneines Gehirns, so gelingt es mir trotz aller Anstrengung, aller optischen Instrumente nicht, in ihm Gedanken und Wahrnehmungen vorzufinden.
    "Das Gehirn hat Ganglienzellen und Nervenfasern, hat Neuroglia und Gefäße, hat verschiedene Färbungen usw. - aber weder die feinste anatomische Zerlegung, noch ein beliebig mächtiges Mikroskop würde Gedanken, Bestandteile des Denkens, geschweige denn das Denken selbst als Teil oder Beschaffenheit des Gehirns ergeben." (15)
Wir besitzen ein Gehirn, und wir besitzen Gedanken. Aber keinerlei Analyse kann nachweisen, daß ein Gehirn Gedanken hat.
    "Ergibt somit schon die schlichte Analyse des als Ich Bezeichneten wohl, daß man ein Gehirn und Gedanken hat, so ergibt auch sie nie, daß das Gehirn diese Gedanken hat. Der Gedanke ist wohl ein Gedanke meines Ichs; aber darum noch nicht ein Gedanke meines Gehirns - so wenig wie mein Gehirn das Gehirn meines Gedankens ist." (16)
Man kann von ihnen nichts mehr aussagen, als daß sie beide eben nur Bestandteile der vorgefundenen Erfahrung bilden; beide sind zusammen in der Erfahrung gegeben, in bestimmten Beziehungen zueinander; niemals aber können sie weder gedacht, noch gegeben werden als Funktion oder Substanzen voneinander. Sie sind durch empirische, nicht durch metaphysische Fäden aneinander gebunden.

Eben so eine empirische Verbindung besteht zwischen mir und der Welt der räumlichen Dinge überhaupt.

Das Ich ist gegeben zusammen mit den es umgebenden Dingen in einer Erfahrung, erscheint aber nicht als ein erzeugendes Prinzip der Erfahrung selbst; es durchdringt die Gegenstände nicht als ihr inneres Wesen. Die Meinung ist ganz irrig, als ob das individuelle Ich die Gegenstände erzeugt, welche "seine" Vorstellung wären; es selbst ist ein solcher Gegenstand, wie alle anderen; in der Erfahrung erscheint er "nicht" als ein Erfahrendes, sondern als ein "Miterfahrenes" (17). Es ist ein Teil der Erfahrung, aber nicht deren Subjekt. Auf diese Weise "bildet" sich die physische Welt durchaus nicht in unserem psychischen Ich ab und wird nicht durch dieses oder in diesem erkannt.

    "Wenn ich sage: Ich erfahre den Baum, so soll das nur heißen: eine Erfahrung besteht aus dem einen reichhaltigen Elementenkomplex Ich und dem anderen weniger reichhaltigen Elementenkomplex Baum." (18)
Beide verhalten sich zueinander wie "Teile" einer Erfahrung, verbunden in jener spezifischen Verbindung, in welcher überhaupt die äußeren Wahrnehmungen mit Gefühlen, Gedanken usw. verbunden werden; aber es existieren keinerlei erkenntnistheoretische Fäden logischer Intention und metaphysischer Abhängigkeit zwischen ihnen. Man kann sagen, daß in der Erfahrung ein "Ich" und ein "Baum" enthalten sind, aber niemals kann man behaupten, daß das Ich den Baum hat, denn der Baum ist eben ein unmittelbarer Bestandteil der Erfahrung, wie das Ich selber.

Wie ich Gelegenheit hatte, an einem anderen Platz auszuführen (19), kann ich nicht behaupten, daß das Individuum sich die objektive Welt "vorstellt" oder diese Welt objektiviert, man kann nur sagen, daß die schon objektiv vorgestellte Welt in einem ganz bestimmten Verhältnis zur Individualität als einem durchaus bestimmten und seinerseits objektiven Komplex der E-Werte auftritt. Diese Behauptungen haben eine außerordentliche Bedeutsamkeit. In ganz neuem Licht lassen sie uns unser Ich erscheinen, nämlich als ein Objekt unter Objekten, als einen kleinen Teil unter dem allgemeinen Komplex der Elemente, welche das gegebene empirische Ganze in einem jeden bestimmten Moment bilden.

Als ein Teil kann es niemals das empirische Ganze, welches im vollen und direkten Sinn des Wortes "außerhalb" seiner bleibt, in sich fassen; als ein Objekt kann es niemals in der Eigenschaft eines erkenntnistheoretischen Subjekts erscheinen, in der Eigenschaft eines Subjekts, welches die Welt erkennt und erkennend schafft; es richtet sich nicht auf Objekte, wie irgendeine subjektive sie wiederholende oder schaffende Kraft; es existiert nur oder wird erfahren zusmmen mit oder neben den äußeren Dingen, als ein Teil der ganzen bewußten Welt; es steht zur Welt im Verhältnis eines Teils zum Ganzen, nicht aber in dem eines Subjekts zum Objekt. Das letztere Verhältnis ist etwas ganz Andersartiges; es liegt außerhalb der Sphäre der objektiven Weltbetrachtung und gehört dem Gebiet der Erkenntnistheorie, nicht dem der Psychologie oder der Physik an.

Das Verhältnis von Subjekt zum Objekt ist etwas gänzlich und prinzipiell Verschiedenes vom Verhältnis zwischen Individuum und Welt. Solange wir innerhalb der Philosophie des AVENARIUS bleiben, haben wir mit dem ersten Verhältnis überhaupt nichts zu tun, da es für ihn überhaupt nicht existiert. Was man das Bewußtsein überhaupt oder das überindividuelle Subjekt nennt, welches aber nicht als metaphysisches Substrat, sondern als eine rein logische Voraussetzung der Welt erscheint, hält AVENARIUS für ein Überbleibsel der Introjektion. Für ihn existiert nur das in der Erfahrung Gegebene oder Vorgefundene; es fehlt aber bei ihm ganz und gar jenes logische Subjekt, dem etwas gegeben ist oder das etwas vorfindet; dieser Gedanke wird prinzipiell abgewiesen.

Die Gegenübersetzung von Subjekt und Objekt, als das Erkennende und das Erkannte existiert für ihn nicht; das psychische Leben darf nicht als Subjekt bezeichnet werden, denn weder bildet es die Dinge ab, noch stellt es sie vor, noch schafft es sie.

Es gibt und kann keinerlei Gerichtetsein des Bewußtseins auf das Ding geben, keinerlei Intentionalität, wie man es heute bezeichnet, denn das psychische Sein, das einzige Subjekt, welches AVENARIUS kennt und leugnet, ist nicht etwas Wahrnehmendes, sondern Wahrnehmbares, dabei Wahrnehmbares in demselben Sinn, wie alle physischen Objekte, die ja auch nichts anderes als ganz unmittelbare Zustände des Bewußtseins sind; deshalb kann auch das Psychische nicht als Subjekt im gewöhnlichen Sinn des Wortes bezeichnet werden. Die Gegenübersetzung von Subjekt und Objekt hätte nur dann einen gewissen Sinn, wenn der Ausdruck "Subjekt" nichts weiter bezeichnen würde als Folgendes: das menschliche Individuum, insofern es gedacht wird in jenem bestimmten Verhältnis zu seiner individuellen Umgebung, auf welche die Analyse des natürlichen Weltbegriffs hinzielt.

Das heißt: das Subjekt existiert für ihn nur insofern, als es als ein Bestandteil der Erfahrung erscheint, d. h. vom Standpunkt der Transzendentalphilosophie nur insofern, als es Objekt ist. Deshalb wird auch bei AVENARIUS der Charakter der Beziehungen des Subjekts zur Welt anders gedacht, als es gewöhnlich getan wird. Es "stellt nicht die Welt vor", sondern steht nur als deren Teil in bestimmten Assoziationsbeziehungen zu seiner Umgebung, welche in diesem ihrem Verhältnis zum "Ich" den Charakter einer "wahrgenommenenj", "vorgestellten", "gedachten" usw. erhält. Deshalb bezeichnen all diese psychologischen Termini nicht etwas Substantielles, nichts von den Körpern Verschiedenes; der Bestandteil der Umgebung wird nicht zum unausgedehnten Geist, weil er als Wahrnehmung aufgefaßt wird; denn die Bezeichnung "Wahrnehmung" bezieht sich nicht auf ihn selbst, sondern auf den Charakter seiner Beziehungen zu "mir", zu meinem Körper, zu jenem ganzen Komplex der Elemente, welcher als "Ich" bezeichnet wird. Die Wahrnehmung ist kein Sein oder eine Substanz, sondern nur eine bestimmte Art von Relationen, nämlich jene eigentümliche Art, welche empirisch gebildet wird, zwischen mir und meiner Umgebung vom Standpunkt des natürlichen Weltbegriffs aus, d. h. ohne alle wissenschaftliche Theorie. Wenn ich einen Baum sehe, so befindet sich dieser Baum als unmittelbarer Bewußtseinszustand nicht in einem physikalischen, räumlichen, sondern in einem ganz eigenen Verhältnis zu "mir", indem er in mir gewisse Gedanken, Gefühle, Wollungen, Erinnerungen usw. erweckt, und jenen spezifischen Zustand meines "Ich" bedingt, der eben mit dem Wort charakterisiert wird: "ich bin mir des Baumes bewußt". Dieser Zustand ist seinem Wesen nach ein Gefühl, welches den betreffenden Zustand des "Ich" von demjenigen unterscheidet, in dem "Ich" andere Dinge "wahrnehme". In dieser Beziehung erscheint das "Ich" als jener Knotenpunkt, in dem sich alle Fäden verschieben und verflechten, welche aus allen Enden des Weltalls laufen; mit denselben psychologischen Fäden sind die "äußeren" Dinge mit meinen Gefühlen und Gedanken verbunden und nur in dieser eigentümlichen Relation werden sie zu "Wahrnehmungen" und bekommen den Charakter "innerer" Erlebnisse; deshalb bedeutet das Wort "innere Wahrnehmung" für AVENARIUS durchaus keinen substantiellen Gegensatz zur Körperwelt der "äußeren" Dinge, sondern bezeichnet nur eine besondere von der räumlichen verschiedene Art der Beziehung zwischen gleichartigen, in der Erfahrung gegebenen Dingen.

Das "Ich", in diesem Sinn verstanden, wird als "zentrales Glied der empiriokritischen Koordination" bezeichnet. Jeder Bestandteil der Umgebung, gedacht in Beziehung auf dieses zentrale Glied, erhält den Charakter des "psychischen".

Das Psychische und das Physische unterscheiden sich voneinander nicht wie zwei selbständige Substanzen (Geist und Körper), sondern lediglich wie zwei Beziehungsarten zwischen den Bewußtseinszuständen, d. h. zwischen den in der Erfahrung vorfindbaren Gegebenheiten. Es gibt keine psychischen oder physischen Substanzen, sondern bloß psychische oder physische Beziehungen.

In einer etwas unklaren und wegen ihres elementaren Charakters etwas nebelhaften Form drückt MACH diesen Gedanken aus:
    "Ich sehe daher", sagt Mach, "keinen Gegensatz von Psychischem und Physischem, sondern eine einfache Identität in Bezug auf diese Elemente. In der sinnlichen Sphäre meines Bewußtseins ist jedes Objekt zugleich auch physisch und psychisch." (20)
Folglich bilden das Physische und Psychische im Grunde genommen und ihrem Wesen nach etwas Einheitliches; ein und dasselbe Element erweist sich bald als psychische, bald als physische Erscheinung, entsprechend dem Standpunkt, von dem aus es betrachtet wird; es erscheint als Empfindung (d. h. als psychisches Phänomen) in seiner Beziehung zu den Elementen unseres Körpers, während es in anderen funktionellen Beziehungen auch ein physischer Gegenstand sein kann.

MACH hat beinahe richtig das Verhältnis zwischen psychischem und physischem Sein erfaßt; in seiner monistischen Tendenz ist er auf dem richtigen Weg, ebenso auch in seiner Behauptung, daß das Psychische sich vom Physischen nicht essentiell unterscheidet, nicht ansich, sondern nur je nach dem eingenommenen Standpunkt; unrichtig ist nur der Unterschied zwischen diesen Standpunkten festgestellt. Das Element A kann ja in seiner Beziehung nicht bloß zum Element B, sondern auch zum beliebigen Element meines Körpers als physisches gedacht werden; also seine Beziehung nicht zu den Elementen des Körpers macht es zu einem psychischen (denn diese Beziehung bleibt innerhalb der Sphäre der Physik), sondern seine Beziehung zum zentralen Glied der empiriokritischen Koordination. Die Beziehungen innerhalb der Sphäre dieser Koordination unterscheiden sich prinzipiell von der physischen und obwohl sie zwischen denselben Elementen konstruiert werden (oder zumindest beinahe denselben: denn nicht alle Elemente der sinnlichen Welt können in physische Beziehungen eingestellt werden, obwohl alle zu psychischen gemacht werden können), bleiben sie als Beziehungen dennoch verschieden; und weil das Objekt seinem Wesen nach Beziehung ist, so bedeutet dies, daß die Elemente sich prinzipiell voneinander unterscheiden, und zwar als Objekte, - einen prinzipiellen Unterschied aber ihrer Substrate, wie den zwischen Geist und unbewußter Materie, in einem metaphysischen Sinn des Wortes, gibt es zwischen ihnen nicht; wenn auch nicht alle, so können doch jedenfalls viele Elemente zu gleicher Zeit sowohl physische als auch psychische sein.

Die "Bewußtheit" ist ja gar kein unterscheidendes Merkmal des Psychischen; bewußt ist die ganze Welt, denn sie ist ihrem Wesen nach eine Welt des Bewußtseins, eine gegebene Welt; sie ist aus Elementen des Bewußtseins zusammengesetzt. Das Physische und das Psychische sind Unterschiede innerhalb der Sphäre dieser gemeinsamen bewußten Welt. (21) Beide sind bloß verschiedene Arten des Gegebenen, ein ins Bewußtsein-Treten von verschiedenem Charakter. Beide liegen in der Sphäre des Bewußtseins, und keine überschreitet dessen Grenzen. Ein Unterschied zwischen ihnen kann nicht in dem Sinn statuiert werden, daß das eine seinem Wesen nach ein mit Bewußtsein begabter Geist, das andere unbewußte Materie ist. Die Materie ist gar nicht unbewußt, denn sie liegt in der Sphäre des Bewußtseins und besteht aus dessen Elementen; sie ist selbstverständlich kein Träger oder Substrat des Bewußtseins, sie "erfaßt" nichts, sondern ist (und zwar auf notwendige Art und Weise) bewußt, d. h. sie ist ihrem Wesen nach eine von den Formen des Gegebenen im Bewußtsein, oder eine von den Richtungen des Bewußtseins selber. Hier treten wir an unser Hauptproblem heran: worin besteht das Wesen der physischen Objektivität? Was ist für AVENARIUS ein Gegenstand? Was ist jener allgemeine Begriff, der in sich sowohl die physische als auch die psychische Objektivität vereinigt? AVENARIUS löst diese Frage auf sehr originelle und paradoxe Art und Weise, indem er auf das Gefühl, als das Prinzip der Objektivität verweist. Er sucht den Gegenstand in den Zuständen und Modifikationen der Gefühle. Das Physische und Psychische vereinigen sich bei ihm im Begriff des "Charakters".

Was bedeutet ein "Charakter" in der Terminologie des AVENARIUS? Er hat nirgends eine genaue und strenge Definition dieses Begriffs gegeben, obwohl dieser Begriff in seiner ganzen Philosophie eine sehr wichtige Rolle spielt. Seine Vorsicht in der Benutzung der gebräuchlichen wissenschaftlichen Termini und seine Tendenz, in seinen Ausführungen all die Ausdrücke zu meiden, welche mit verschiedenartigsten historischen Traditionen und Theorien belastet sind, zwingen ihn oft, statt strenger Definition sich mit Erläuterungen unter Zuhilfenahme einfacher Beispiele zu begnügen. Ebenso verhält sich die Sache in unserem Fall. Die ganze immanente Welt setzt sich nach AVENARIUS aus Elementen und Charakteren zusammen, wobei er unter den ersteren solche Werte wie "grün", "kalt", "zart", "süß" usw. versteht - unter den letzteren solche wie "angenehm", "unangenehm", "bekannt", "unbekannt" usw. (22) Mit diesen zwei Momenten ist das Wesen der Zustände des Bewußtseins, das Wesen des Erlebens erschöpft. Wenn wir die Erlebnisse als psychische Zustände verstehen wollen, so werden wir sagen müssen, daß AVENARIUS eine ganz neue Einteilung der psychischen Zustände einführt; er verwirft die landläufige Trichotomie in Vorstellungen, Wollungen und Gefühle und statuiert dafür die Dichtomie [Zweiteilung - wp] in Elemente und Charaktere. Der Grundgedanke dieser Einteilung ist auf das Glänzendste durch PETZOLDT erfaßt worden.
    "Avenarius", sagt er, "erweiterte den üblichen Begriff des Gefühls. Dabei gelangte er nicht zur Ansicht derer, die außer von Lust- und Unlustgefühlen auch noch von religiösen, ethischen, ästhetischen und logischen Gefühlen sprechen, die also Urteile wie: daß etwas schön oder häßlich, gut oder böse, wahr oder falsch oder zweifelhaft ist, als Aussagen eines Gefühszustandes betrachten, sondern unterwarf dem gleichen Gesichtspunkt auch Urteile wie: daß etwas geändert oder unverändert, ein anderes oder dasselbe, daß es ein Erinnertes, ein Vermißtes oder ein Erwartetes, ein Vergangenes oder Künftiges, ja, daß es ein Körperliches oder Geistiges ist, daß es überhaupt ist oder scheint, daß es möglich, wirklich oder notwendig ist. Bei dieser außerordentlichen Verallgemeinerung war es gewiß geboten, die Bezeichnung Gefühl einem engeren Kreis psychischer Erscheinungen zu belassen und für den erweiterten Begriff eine neue einzuführen. Wir werden den Namen von Charakteren, den Avenarius wählte, sehr treffend finden. Es werden ja durch alle jene Urteile Inhalte charakterisiert, es wird ihnen darin eine gewisse Färbung verliehen, die ihnen unter Umständen auch wieder genommen werden kann, um durch eine andere ersetzt zu werden.

    Wie es die Eigentümlichkeit der Gefühle ist, daß sie stets nur eine Seite eines seelischen Zustandes darstellen, so gilt auch von allen übrigen Charakteren, daß sie niemals das Ganze eines psychischen Momentes ausmachen können, daß sie aber auch nicht Teile der seelischen Akte sind, sondern eben nur Seiten.

    Hat man aber erst einmal den Begriff der Charaktere gewonnen, so ist die Haupteinteilung der psychischen Gebilde gegeben. Neben der Klasse der Charaktere kommt für Avenarius nur noch eine einzige in Frage, die der Empfindungen, wie man sie gewöhnlich nennt, in die also die Erfahrungen des Roten, des Tons a, des Sauren, des Rauhen, des Heißen usw. gehören. Dabei ist es jedoch für diese Einteilungen gleichgültig, ob eine solche Empfindung in der Form einer Wahrnehmung oder einer Erinnerungsvorstellung auftritt, und es wäre auf dem Boden dieser Anschauung unrichtig, etwa neben einer Klasse der Empfindungen - im gewöhnlichen Sinne einfacher, nicht noch weiter zerlegbarer Wahrnehmungen - noch eine Klasse von Vorstellungen anzunehmen, da in der Form der Vorstellung ebensogut die Charaktere gegeben sein können. Wir wollen mit Avenarius die in Rede stehende Klasse der psychischen Gebilde als die der Elemente bezeichnen und es lediglich als einen Unterschied in der Setzungsform der betreffenden seelischen Akte betrachten, ob das Element oder der Elementenverband als Wahrnehmung oder Vorstellung auftritt." (23)
Auf diese Weise gehören der Sphäre der Charaktere alle die Erlebnisse an, welche nicht kontemplativer (anschaulicher) Natur sind, sich nicht im Raum ausbreiten, sondern lediglich die anschaulichen Elemente mit den Strahlen bestimmter Gefühle beleuchten. Dank dieser Auffassung des Charakters vermeidet AVENARIUS, obwohl er ein prinzipieller und typischer Sensualist bleibt, auf sehr originelle Weise die naiven Einseitigkeiten dieser Lehre. Typischer Sensualist bleibt er, weil er jeden psychischen Zustand (E-Wert) von einer bestimmten Schwingung des Systems C (Gehirn) abhängig erklärt. Von der Form und der Größe dieser Schwingung hängt der Charakter und die Intensität der Empfindung ab, d. h. der Unterschied der Schwingunsform erklärt physiologisch den Unterschied zwischen den Elementen (Gesichts-, Gehirn-, Tastempfindungen). Mit diesen Unterscheidungen begnüft sich gewöhnlich der Sensualismus; aus ihnen bemüht er sich, alle seelischen Erscheinungen abzuleiten und zu erklären. Der Sensualismus eines HUME z. B. basiert ausschließlich auf dem Begriff des Elements, der bei ihm den Namen der "impression", d. h. des Eindrucks und seiner Spuren trägt.

Ebenso baut MACH sein System ausschließlich auf dem Begriff des Elements auf. Alle abstrakten Begriffe, alle jetzt sogenannten Kategorien (der Gegenständlichkeit) bilden sich aus den Elementen und auf deren Basis. Nicht so bei AVENARIUS. Das, was dieser einen Charakter nennt, hat für seinen psychologischen Ursprung ein ganz andersartiges Prinzip mit den bloßen Impressionen, ihren Kombinationen und Spuren wird das System der reinen Erfahrung nicht erschöpft. Unsere psychischen Zustände erscheinen als abhängig, nicht bloß vom Faktum und vom Charakter des Reizes, sondern auch von dergleichen Bedingungen wie z. B. Gewöhnung oder Nichtgewöhnung an den Reiz, dessen Einübung oder Nichteinübung, dessen Bedeutsamkeit für das ganze System C, dessen Plötzlichkeit und Neuheit usw. Von diesen Bedingungen des Reizes hängen ganz eigentümliche psychische Zustände "des Charakters" ab; sie sind durchaus keine abgeleiteten, sekundären Funktionen der Elemente oder der "Impressionen", sondern ganz und gar primäre Funktionen jener Bedingungen innerhalb des Systems C, unter welchen der Reiz (die Schwingung) verläuft. Wie die Form des psychischen Reizes innerhalb des Systems C immer verbunden ist mit einem bestimmten physischen Charakter ihres Verlaufs, so werden auch die Formen des psychischen Reizes stets begleitet von einer bestimmten Charaktereigentümlichkeit, welche ihr die Färbung des Bekanntseins oder Unbekanntseins, der Gegenständlichkeit oder der Fraghaftigkeit usw. verleiht. Die Unterschiede in den "Charakteren", z. B. die Gegenständlichkeit und das bloße Gedachtsein, sind niemals Produkte einer subjektiven Phantasie, sondern stets physiologisch bedingt und erscheinen stets als ebenso von der Umgebung abhängig wie die Empfindungen. An diesem Begriff des Charakters treten klar die Unterschiede zwischen dem Sensualismus HUMEs und dem von AVENARIUS hervor. Für HUME existiert z. B. der "Gegenstand" nicht. Die Vereinheitlichung unserer Impressionen in ein Ganzes erscheint einfach als Resultat einer psychologischen Gewohnheit, und jenes innere Substrat dieser Impressionen, der angeblich die sie zusammenhaltende Einheit bildet, ist ein bloßes Produkt unserer Einbildung. Für AVENARIUS dagegen ist der "Gegenstand" durchaus kein Produkt subjektiver Phantasie. Der Gegenstand ist eine besondere Charaktereigentümlichkeit, mit welcher einige Elemente auftreten im Unterschied vom "Scheinbaren" oder "bloß Gedachten", welche selber wieder nicht wirklich das Vorgestellte in seinem logischen Gegensatz zum realen, sondern bloß spezifische Gefühle oder Charaktere darstellen. Der "Gegenstand" ist nach Avenarius ein Gegenständlichkeitsgefühl; er besteht aus einem eigentümlichen subjektiven Verhalten gegenüber den Elementen; er ist nicht irgendein mythologisches Zentrum, welches gleicher einer objektiv-metaphysischen Substanz jene zu einem unteilbaren Ganzen verbindet; der Gegenstand ist bloß eine Modifikation des Gefühls, ein gewisser Charakter, welcher die Elemente in eine derartige Beleuchtung stellt, daß wir uns zu ihnen wie zu Gegenständen im Unterschied zu uneren Phantasien und Gedanken verhalten. Der Gegensatz zwischen einem "Gegenstand" und einem "Gedanken" drückt durchaus keinen metaphysischen Dualismus aus; Gegenstand und Gedanke sind nicht zwei verschiedene Wesenheiten oder Substanzen, sondern bloß zwei Modifikationen ein und desselben Charakters, durch den überhaupt die Elemente gesetzt werden als etwas, zu dem wir eine bestimmte Position einnehmen und der deshalb bei AVENARIUS ein "Positional" heißt (24). Gegenstand und Gedanke sind die zwei äußersten Pole des Positionals; beide gehören zur Sphäre des unmittelbaren Erlebens; die Wesenheit beider wird erschöpft in ihrem Sein als einer gewissen Art des Charakters.

Deshalb darf man gewiß nicht, wie HUME es will, behaupten, daß der Gegenstand (Ding) ein bloßes Produkt der subjektiven Gewohnheit ist, gewissermaßen eine blutleere Vorstellung, "daß es in der äußeren Raumwelt keine Dinge gibt." Das Ding ist ja gerade niemals Einbildung, niemals Gedanke, es ist stets von dem verschieden, was subjektives Denken genannt wird, aber verschieden nur als ein anderer Charakter, nicht als eine prinzipiell andere Substanz. Dürfte man hier von Substanzen reden, so wären jene beiden substantiell identisch, eben weil beide bloß verschiedene Arten der gleichen Erlebnisse oder E-Werte darstellen. Man darf auch nicht sagen, daß das Ding "subjektiv", "psychisch" wird, weil es in eine bestimmte Modifikation des Gefühls aufgeht, denn vom Standpunkt des AVENARIUS gibt es keine andere Objektivität als die Objektivität "der Gefühle" - oder Charaktere.

Objektiv sein heißt zunächst in der Charaktereigenheit des Dinges auftreten. Wie kann denn ein Ding subjektiv sein, wenn in diesem Charakter das Wesen der Dinghaftigkeit, das Wesen der Objektivität steckt? Objektivität ist ja nicht das, was außerhalb des Bewußtseins liegt, sondern das, wozu wir uns als zu einem Objektiven verhalten. Der Unterschied des Objektiven und Subjektiven existiert für AVENARIUS nur innerhalb des Bewußtseins selber, nur innerhalb der Grenzen der immanenten Welt und dieser Unterschied liegt in der Art unseres Verhaltens zu den Elementen der Empfindung (im weitesten Sinn des Wortes), d. h. es ist ein Unterschied in der Charakterfärbung der Elemente. Alle Elemente der Objektivität oder Gegenständlichkeit sind ihrem Wesen nach Charaktere. Beginnen wir mit dem Unterscheiden. Das Unterscheiden ist die grundlegende Kategorie der Objektivität, sei es auch nur in einem reflexiven Sinn. Für AVENARIUS verwandelt sich dieselbe in einen Charakter. Und wahrlich, vom psychologischen Standpunkt aus ist das Unterscheiden eine der Arten desjenigen Erlebens, welche man kurz charakterisieren kann als Erleben einer "Andersheit". Psychologisch erscheint diese "Andersheit" durchaus nicht als reiner Begriff, sondern bloß als Erleben einer bestimmten Art von Gefühl, einer bestimmten Färbung, in welcher ein gewisser Komplex von Empfindungen auftritt. Wir sind sogar oft nicht imstande, anzugeben, was wir eigentlich als verändert vorfinden, als "anders" in irgendeinem Ding, aber wir fühlen unmittelbar seine Andersheit; das Ding tritt in diesem spezifischen Charakter auf, welchen AVENARIUS eine "Heterote" nennt. AVENARIUS warnt hierbei vor der Verwechslung seines Begriffs der Heterote mit dem rein logischen Begriff des Unterschieds oder "des Andern". Die Heterote ist ein Erlebnis, ein bestimmtes Gefühl oder ein Charakter, und kein abstrakter Begriff in einem logischen Sinn. Logische Begriffe als reine Bedeutungen gibt es bei AVENARIUS gar nicht und jedenfalls unterscheiden sie sich prinzipieel von den entsprechenden psychischen Erlebnissen, mit denen sie nicht mehr Gemeinsames haben als ein Gedanke mit einem Wort.

Die Heterote erscheint höchstens als Symbol des reinen Begriffs der "Unterscheidung"; deshalb muß man stets im Auge behalten, daß wir in der Heterote niemals einen Begriff "erkennen", sondern nur ein bestimmtes Gefühl erleben! (25) AVENARIUS bittet den Leser,
    "die folgenden einfachen Fälle (Beispiele der Heterote) nicht sofort unter diese oder jene Rubrik der gewöhnlichen Logik zu bringen; er würde sich hierdurch den Weg zum Verständnis dieser Gattung Abhängiger, für deren ganzen Umfang also diese Bemerkung gilt, von vornherein vollständig versperren." (26)
Die Heterote ist kein Element oder Komplex von Elementen, welche wir uns anschaulich vorstellen oder wie einen Begriff denken können; sie ist ein Charakter, welcher jenen E-Werten, die er charakterisiert, eine gewisse spezifische Färbung verleiht, und gerade diese Färbung als solche ist das, was für uns wichtig ist. Jeder Leser kann sich aus seinen eigenen Erlebnissen erinnern, daß ihm manchmal etwas als "anderes", "ganz anderes" erschienen ist und doch konnte er nicht angeben, worin dieses "Andere" liegt; in diesen Fällen tritt die Heterote am reinsten auf. Dasselbe kann man in Bezug auf "Ähnlichkeit" und "Identität" (Tautote) sagen, in Bezug auf "Existenz", welche in ihrem Unterschied vom Schein und der Phantasie nichts anderes ist als ein bestimmter Charakter. In Bezug auf das "Ding" habe ich das schon nachgewiesen. Die Realität gehört ebenfalls zum Gebiet der Charaktere. Sogar solche Begriffe, wie z. B. die Ursache (Seite 514) (27), der Akt (525), die Zahl (577), die Allgemeinheit (586), die Veränderung (576), die Vielheit (549), die Möglichkeit (615) usw. sind für AVENARIUS Variationen und Modifikationen einer kleinen Anzahl von Grundcharakteren, d. h. bestimmte Gefühlszustände. Auf diese Weise verwandeln sich alle Elemente der Objektivität oder die Kategorien, wie sie die Transzendentalphilosophie bezeichnet, bei AVENARIUS in Gefühlszustände und lösen sich im Begriff des Charakters auf. Der äußere Gegenstand wird eben deshalb zum Gegenstand, weil mit seiner Wahrnehmung eine ganze Reihe von Charakteren verbunden ist, welche ihn uns in der Beleuchtung eines äußeren Gegenstandes liefern. Der Gegenstand kann nicht sichtbar oder tastbar werden, er kann nur in dem uns schon bekannten Sinn gefühlt werden; d. h. er ist nichts anders als ein Gefühl im weitesten Sinne des Wortes, im Sinne eines Charakters.

Der Gegenstand ist als solcher ein Charakter. Damit ist das Wesen der Gegenständlichkeit oder der Objektivität für AVENARIUS erschöpft. Objektiv ist nicht, was außerhalb des Bewußtseins liegt, sondern nur was vom Bewußtsein als Objektives charakterisiert wird. In der Wahrnehmung selber als solcher liegt noch keine Objektivität; es kann ja ein und dieselbe Wahrnehmung bald als Schein, bald als Gegenstand charakterisiert werden; also liegt das Wesen der Objektivität eben nicht in den Elementen der Wahrnehmung, sondern in jenem Charakter, mit welchem sie einhergeht. Also der Gegenstand in Beziehung zum zentralen Glied der empiriokritische Koordination ist der Charakter: die Unterschiede zwischen Gegenstand und Schein, zwischen Ding und Gedanke, zwischen Realität und Idee, sind Unterschiede der Charaktere (durchaus nicht einer metaphysischen Substanz), d. h. der Gefühlsfärbung, in welcher für uns die verschiedenen Elemente hervortreten. In jener Auffassung werden noch gründlicher die Unterschiede zwischen physischer und psychischer Gegenständlichkeit weggeschliffen. Wir führten schon aus, daß beide teilweise sich durch die eingenommenen Gesichtspunkte unterscheiden; d. h. jedes physische Element kann zugleich auch als psychisches gedacht werden, eben in seiner Beziehung zum Ich. Aber nicht jeder psychische Zustand kann als physischer betrachtet werden (die Gefühle des Zornes oder der Unlust z. B. können niemals in psychische Beziehungen eingehen). Und dennoch hat der psychische mit dem physischen Zustand eine gemeinsame Bestimmtheit, welche sie als prinzipiell gleichartig erscheinen läßt und als verschieden nur, indem sie Arten derselben Gattung darstellen; beide sind Charaktere; sie unterscheiden sich voneinander nicht wie Substanzen, sondern wie zwei differente Bewußtseinsarten, wie zwei Charaktere.

Jetzt können wir mit völliger Klarheit die oben gestellten Fragen beantworten: was bedeutet es, daß "ich" einen bestimmten Eindruck oder eine Vorstellung habe. Was bedeutet es, daß sie mir angehören, daß ich z. B. einen Baum vorstelle? Das bedeutet, daß zu jenem Komplex von Elementen und Charakteren, welches "ich" heißt, sich noch ein Komplex anschließt, der mit dem Wort Baum bezeichnet wird; diese beiden Komplexe existieren wie ein in der Erfahrung Vorgefundenes, nebeneinander aber nicht ineinander. "Ich" schafft durchaus nicht einen Baum, es spiegelt ihn nicht in sich, es ist nur zusammen mit dem Baum in derselben Erfahrung gegeben. Daraus können wir die sehr wichtige Konsequenz ziehen, daß der Gegenstand niemals ein Gegenstand unseres individuellen Ich genannt werden kann; er steht gewiß in einer Verbindung mit unserem "Ich", aber um mit ihm verbunden zu sein, muß er schon Gegenstand sein. Das Ich macht ihn nicht im gewöhnlichen Sinn dieser Worte; es tritt nur mit einem schon bewußten Gegenstand in eine bestimmte Summe von Verhältnissen ein.

Das "Ich" selber ist der Gegenstand, d. h. ein bestimmter Komplex von Elementen und Charakteren. Jeder Gegenstand wird sozusagen für sich selber bewußt, denn er ist ein Akt des Bewußtseins, d. h. etwas in der Erfahrung Gegebenes ebenso, wie das "Ich" selber gegeben ist.

Jetzt können wir auch die andere oben gestellte Frage beantworten: wie soll man eine Introjektion bei der Annahme fremder Erlebnisse vermeiden? Was ist es im eigentlichen Sinn, was wir in Bezug auf ein anderes Individuum annehmen, wenn wir ihm bestimmte Erlebnisse vindizieren? Die Antwort ist einfach: wir nehmen denselben Komplex von Elementen und Charakteren an, nur in einer anderen empiriokritischen Koordination. Wenn ich sage, daß A einen Baum sieht, so bedeutet dies keineswegs, daß irgendwo innerhalb des Körpers von A die Wahrnehmung vom Baum existiert; das bedeutet nur, daß derselbe, numerisch eine Baum, welcher in empirischer Verbindung mit mir steht, hypothetisch in eine Verbindung mit einem mir ähnlichen zentralen Glied einer empiriokritischen Koordination eingeführt wird. Dadurch wir in unseren Weltbegriff nichts prinzipiell Neues, Unsichtbares, Geistiges hineingebracht, ich behaupte nicht, daß A irgendeine geistige Wesenheit sieht, sondern daß er denselben Baum, den auch ich sehe, sieht; und dieser Baum ist nicht in ihm und nicht in mir, sondern gerade dort, wo er steht; man darf ja nicht vergessen, daß der Baum nicht in irgendeine unausgedehnte Wesenheit verwandelt wird, wenn er als meine Wahrnehmung oder die eines beliebigen Andern betrachtet wird. Ich sagte schon, daß die Wahrnehmung nur eine Art von Beziehung, und nicht eine unkörperliche Substanz ist, das, was eine Wahrnehmung ist, kann auch ein räumliches Ding sein; und andererseits, was ein körperliches Ding ist, kann zugleich eines beliebigen Jemands Wahrnehmung sein; und dabei numerisch ein Ding bleiben. Der Inhalt meiner Hypothese bei einer amechanischen Deutung der Sprache und der Bewegungen meiner Nebenmenschen unterscheidet sich prinzipiell durch nichts vom Inhalt meiner eigenen Erfahrung. Hier liegt eine Zweiheit, aber kein Dualismus vor.

Da durch die Annahme, daß die mitmenschlichen Bewegungen (und Laute) in demselben Sinn wie die meinen mit Gedanken, Gefühlen, Wollungen usw. in Beziehung stehen, wird nichts dem natürlichen Ausgangspunkt hinzugefügt, was nicht schon begrifflich in ihm enthalten war; so drängt diese Annahme dem natürlichen Weltbegriff auch kein heterogenes Merkmal auf: "die von Mitmenschen ausgesagten Inhalte, d. h. die E-Werte, sind Werte prinzipiell wie diejenigen, die ich selbst aussage." Durch den Begriff einer prinzipiellen empiriokritischen Koordination gelingt es AVENARIUS also, jede Introjektion im weitesten Sinn des Wortes, im Sinne des für die ganze Geschichte der Philosophie typischen Dualismus zwischen geistiger und materieller "Substanz", zu vermeiden. Zugleich wird die ganze Rätselhaftigkeit ihrer Wechselwirkung als gegenstandslos abgewiesen; denn es gibt keine zwei Substanzen, die sich in Wechselwirkung befänden, also gibt es auch keine Wechselwirkung. Gegeben oder hypothetisch angenommen werden immer nur Elemente und Charaktere, aus welchen die ganze Welt der objektiven Gegenstände zusammengesetzt ist. Sie sind so gegeben, wie sie sind, sie sind keineswegs meinem individuellen Bewußtsein gegeben, sondern jedes ist für sich selber gegeben, denn ihr Wesen besteht in ihrer Gegebenheit. Deshalb ist also die objektive Welt durchaus kein Produkt eines individuellen Bewußtseins überhaupt, keine Schöpfung eines "Ich", sie ist ebenso unmittelbar in der Erfahrung oder dem Bewußtsein überhaupt gegeben, wie auch mein persönliches Ich. Die Objektivität wird nicht durch das psychologische Individuum geschaffen.

Die Kritik von AVENARIUS' Theorie der Gegenständlichkeit, sofern AVENARIUS die Gegenständlichkeit in einem Charakter findet, bietet vom Standpunkt des oben aufgestellten Grundsatzes aus keine Schwierigkeiten. Sie verwechselt in augenscheinlicher Form die Gegenständlichkeit mit dem Gegenstand, da der Charakter doch nichts anderes ist als ein Gegenstand.
LITERATUR, Heinrich Lanz, Das Problem der Gegenständlichkeit in der modernen Logik, Kantstudien, Ergänzungsheft Nr. 26, Berlin 1912
    Anmerkungen
    1) Husserl hat eine glänzende Kritik der verschiedenen Richtungen des Psychologismus gegeben; aber er hat keine allgemeine Definition des Psychologismus aufgestellt, keine Formel gegeben, nach welcher wir jede Spur von Psychologismus sofort bemerken können. Durch meine Definition versuche ich seine Untersuchungen gewissermaßen zu ergänzen in der Überzeugung, daß ein Irrtum nur dadurch ganz unschädlich gemacht werden kann, daß wir nicht nur die Prinzipien seiner Widerlegung kennen, sondern auch den Irrtum selbst sofort, wie sehr er auch verdeckt sein mag, bemerken. Das ist nur dadurch möglich, daß wir seinen Ursprung aufdecken.
    2) Theodor Lipps, Die Aufgabe der Erkenntnistheorie und die Wundt'sche Logik, Philosophische Monatsschrift, Bd. 16, Seite 530-531.
    3) Gerard Heymans, Gesetze und Elemente des wissenschaftlichen Denkens 1905, Seite 3, 9, 22, 24, 26, 27, 97.
    4) a. a. O. Seite 26
    5) Lipps selbst ist, obgleich wir bei ihm ein klar ausgesprochenes Bestreben, jeden "Anthropomorphismus" und jede Mythologie aus der Erkenntnistheorie zu verbannen, finden, noch nicht völlig frei von diesem "Spiel"; führt er doch in seine Logik solche Begriffe ein, wie die "seelische Organisation" usw. (siehe Wundt, Logik, Seite 274-276.
    6) Heymans, Gesetze und Elemente, Seite 38, 64-65, 90, 91, 181-188, 224, 242.
    7) Cohen, Kants Theorie der Erfahrung, zweite Auflage 1885, Seite 210.
    8) Sigwart, Logik, Bd. II, Seite 66.
    9) Sigwart, Logik, Bd. II, Seite 40-41, 92.
    10) Sigwart, Logik, Bd. II, Seite 80. "Die Fähigkeit uns über das unmittelbar Erlebte hinaus jeden beliebigen Inhalt in derselben Weise vorzustellen, beliebige Zeitausdehnung rückwärts und vorwärts in der Vorstellung zu erzeugen, beruth nur auf der spontanen Handhabung jener Tätigkeit, die ins Bewußtsein erhoben nur den Begriff einer ins Unbegrenzte sich dehnenden Zeit gibt."
    11) Husserl, Logische Untersuchungen, Bd. 1, 1900, Seite 121.
    12) Dieser Gedanke wurde schon von Fichte klar ausgesprochen, leider aber sehr bald darauf vergessen. Die Charakteristik eines a, als Begriff, kommt nicht aus einer inhaltlichen Fülle, "daß es ein Bild ist, hängt gar nicht ab von diesen Qualitäten". (Transzendentale Logik, Gesammelte Werke, Bd. 9, Vortrag 5)
    13) An solch eine Auffassung der Introjektion tritt Avenarius dicht heran in seinem Artikel: "Bemerkungen zum Begriff des Gegenstandes der Psychologie"; Vierteljahrsschrift für wissenschaftliche Philosophie, Bd. 18, Seite 151. - - - Daß Avenarius die Introjektion überhaupt in diesem weiten Sinn des Wortes versteht, folgt aber daraus, daß in seiner Bekämpfung dieser Richtung der er selten ihrer naiven, ursprünglichen Form auf den Leib rückt, sondern zu seiner Hauptaufgabe es macht, überhaupt jeden Introjektionsdualismus zu überwinden, welche Formen diser auch annehmen mag. Und auch wahrlich, es wäre ja lächerlich, das ursprüngliche "Hineindeuten" zu bekämpfen, das hieße ja mit Phantasmen streiten; denn es wird heute unter den Philosophen und Psychologen kaum jemanden geben, der sich zur Introjektion in ihrer naiven Form bekennen würde. Nach Schopenhauer hat, wie es scheint, niemand dem Raum im Gehirn seinen Platz angewiesen.
    14) Avenarius, Der menschliche Weltbegriff, Seite 121
    15) a. a. O. Seite 124
    16) a. a. O. Seite 131
    17) Weltbegriff, Seite 152, 193, 196
    18) a. a. O. Seite 197.
    19) "Fragen der Philosophie und Psychologie", Bd. 100, Seite 757-799 (hg. in Moskau).
    20) Ernst Mach, Die Analyse der Empfindungen, Seite 36 (vgl. auch Seite 13, 14, 26,, 36, 48.
    21) vgl. auch Rickert, Der Gegenstand der Erkenntnis.
    22) "Der menschliche Weltbegriff". Auf dieselbe Weise erläutert er diesen Begriff in der "Kritik der reinen Erfahrung", Bd. 1, Seite 30; nur am Schluß des zweiten Bandes versucht er eine etwas genauere Definition zu geben und bezeichnet die Elemente als etwas relativ Beständigeres, die Charaktere als etwas relativ Veränderliches (Bd. II, Seite 455), was eigentlich nicht absolut zutreffend und recht zweifelhaft ist.
    23) Joseph Petzoldt, Einführung in die Philosophie der reinen Erfahrung, Seite 112 und 113.
    24) Avenarius, Kritik der reinen Erfahrung, Bd. 2, Seite 537.
    25) Diese Unterscheidung ist von größter Wichtigkeit für die gesamte Philosophie, da sie streng das psychische Gebiet vom Gebiet des "Logischen" durch eine unüberbrückbare Kluft trennt. In unserer Psyche gibt es keine "Begriffe", sondern eben nur "Charaktere" [= Erlebnisse - wp].
    26) Kritik der reinen Erfahrung, Bd. 2
    27) Kritik der reinen Erfahrung, Bd. 2, Seite 28.