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§ 33. Psychologismus
Zu den hervorragenden Forschern auf psychologischem Gebiet gehört in der Gegenwart CARL STUMPF. Auch LIPPS hat sich vornehmlich der Psychologie, sodann der Ästhetik und Ethik zugewandt. Nach ihm ist die Philosophie als Wissenschaft nichts Anderes als Geisteswissenschaft und für diese wiederum die Psychologie die Grundwissenschaft. Psychologische Erkenntnistheorie ist das vorzügliche Gebiet von UPHUES, der namentlich das Bewußtsein der Gegenständlichkeit psychologisch zu erklären sucht; auf Erkenntnistheorie, Psychologie und Ethik erstrecken sich die Schriften von HERMANN SCHWARZ. FRANZ BRENTANO, geboren 1838, war ursprünglich katholischer Theologe, habilitierte sich 1866 in Würzburg an der philosophischen Fakultät, wurde ebendaselbst bald Professor, gab 1873 seine Professur auf, ging dann nach Wien als Professor der Philosophie, legte diese Stelle auch nieder und blieb daselbst als Privatdozent, bis er in neuester Zeit auf seine Lehrtätigkeit verzichtete. Sein Hauptwerk ist "Psychologie vom empirischen Standpunkt", erster Band (nicht mehr erschienen, Wien 1874. Abgesehen von Schriften über ARISTOTELES, veröffentlichte er noch "Vom Ursprung sittlicher Erkenntnis, Leipzig 1889, Das Genie, Vortrag, Leipzig 1892, Das Schlechte als Gegenstand dichterischer Darstellung, ebd. 1892, "Über die Zukunft der Philosophie, ebd. 1893, "Die vier Phasen der Philosophie und ihr augenblicklicher Stand", 1895. Vgl. WILHELM ENOCH, "Franz Brentanos Reform der Logik, Philosophische Monatshefte, Bd. 29, 1893, Seite 433 und 458. Vom Ursprung sittlicher Erkenntnis [Rezension Richard Wahle], Zeitschrift für Philosophie und philosophische Kritik, Bd. 99, 1891, Seite 117-124. Der von der Psychologie erschienene Band behandelt die Psychologie als Wissenschaft und die psychischen Phänomene im Allgemeinen, der zweite sollte die Eigentümlichkeit und Gesetze der Vorstellungen, der Urteile, der Gemütsbewegungen und des Willens umfassen, zuletzt sollte die Verbindung des physischen und psychischen Organismus dargestellt und die Frage nach dem Fortbestand des psychischen Lebens erörtert werden. Psychologie ist nach BRENTANO die Wissenschaft von den psychischen Erscheinungen: die innere Wahrnehmung, die nicht mit innerer Beobachtung verwechselt werden darf, ist die erste Quelle für sie. Physiologische und psychophysische Untersuchungen sind nur Hilfsmittel, dagegen ist von großem Wert das Gedächtnis, welches uns frühere psychische Zustände betrachten läßt. Die gewöhnliche Dreiteilung der seelischen Erscheinungen ist zu beseitigen, auch dürfen Gefühl und Wille nicht als zwei verschiedene Grundklassen angesehen werden. Es zeigen die psychischen Phänomene allerdings auch einen dreifachen fundamentalen Unterschied hinsichtlich ihrer Beziehung zum Inhalt - oder hinsichtlich der Weise des Bewußtseins: sie zerfallen nämlich in die Klasse der Vorstellungen, die der Urteile und in der Gemütsbewegungen Liebe, Interesse und Haß. Das Urteilen, das demnach dem Vorstellen als besondere Tätigkeit zur Seite steht, ist wesentlich Anerkennen und Verwerfen oder Leugnen, so daß bejahendes und verneinendes die beiden einzigen Arten des Urteils sind, und jedem Urteil die Form der Existenzialsätze zugrunde gelegt werden kann. Freilich hat alles Urteilen unleugbar ein Vorstellen zur Voraussetzung, aber jeder Gegenstand, über den geurteilt wird, kommt in doppelter Weise zu Bewußtsein: als vorgestellt und als anerkannt oder geleugnet. Alle übrigen Unterschiede der Urteile neben der Bejahung und Verneinung, auch die der Quantität, gehören nicht zur Form, sondern zur Materie des Urteils. Die ganze Logik BRENTANOs ist demnach nicht mit Unrecht eine "qualitative" gegenüber der quantitativen, namentlich der Engländer, genannt worden. Auch die gewöhnliche aristotelische Lehre vom Schluß läßt BRENTANO nicht gelten: die vier Figuren werden verworfen, die alten Regeln sind nichtig, vielmehr besteht die quaternio terminorum [der Mittelbegriff ist nicht der gleiche - wp] zu Recht, da jeder kategorische Syllogismus vier Termini enthält, von denen zwei einander entgegengesetzt sind und die beiden anderen zweimal zu stehen kommen. So soll die aristotelische Logik beseitigt sein, und eine neue an ihre Stelle treten. Die Verkennung des Wesens der Urteile hat nach BRENTANO nicht nur auf logischem Gebiet, sondern auch auf psychologischem und metaphysischem Verwirrung angerichtet, die durch eine Erkenntnis dieses Wesens gelöst werden muß. In seiner die Ethik betreffenden Schrift betont BRENTANO, daß es beim Sittlichen ebenso wie beim Logischen nicht auf willkürliche Gebote ankommt, sondern vielmehr auf ein natürliches Vorziehen des Richtigen vor dem Unrichtigen, des Sittlichen vor dem Unsittlichen. Als Liebenswürdiges, als Gutes bezeichnen wir etwas, wenn die darauf gerichtete Liebe richtig ist. Der rechte Lebenszweck ist es, das Gute möglichst zu fordern, bei dem nicht allein das eigene Selbst, sondern Familie, Stadt, Staat, die ganze gegenwärtige irdische Lebewelt, ja die Zeiten ferner Zukunft in Betracht kommen können. BRENTANO, gut scholastisch geschult, hat durch seine scharfe Dialektik, durch die überzeugungsvolle Aufstellung seiner neuen Sätze und dadurch, daß er vielfach die Begründung mehr ahnen ließ, als wirklich gegeben hat, Viele dauernd angeregt. Zu ihnen gehören: ALEXIUS MEINONG, geboren 1853, Professor in Graz, der aber bald eine selbständige Richtung eingeschlagen hat. "Hume-Studien 1": Zur Geschichte und Kritik des modernen Nominalismus, Wien 1877, Bd. 2: Zur Relationstheorie, Wien 1882. "Über philosophische Wissenschaft und ihre Propädeutik, Wien 1885. "Psychologisch-ethische Untersuchungen zur Werttheorie", Graz 1894, modifiziert in dem Artikel "Über Werthaltung und Wert, Archiv für systematische Philosophie, Bd. 1, Seite 327-346. "Über die Bedeutung des Weberschen Gesetzes", Beiträge zur Psychologie des Vergleichens und Messens (aus der Zeitschrift für Psychologie und Physiologie der Sinnesorgane, Hamburg 1896. "Über Gegenstände höherer Ordnung und deren Verhältnis zur inneren Wahrnehmung", Zeitschrift für Psychologie etc, Bd. 21, 1899. "Abstrahieren und Vergleichen", ebd. Bd. 24, 1900. MEINONG hat seine Arbeit einmal der Erkenntnistheorie zugewandt aufgrund der theoretischen Bearbeitung der Gegenstände, namentlich der Gegenstände höherer Ordnung, der Komplexionen und Relationen, bei möglichst enger Fühlung mit der experimentellen Psychologie. Gründung des Grazer psychologischen Instituts als des ersten in Österreich 1893, sodann der Theorie des Wertes. Die Psychologie nimmt auch für ihn eine fundamentale Stellung gegenüber der Logik und Erkenntnistheorie ein. - Die psychischen Tatsachen bilden das Fundament auch für die Werte, die sich auf "Werthaltung" zurückführen, auf das "Gefühl nämlich, das sich das wirkliche oder vermeintliche Wissen umd die Existenz oder Nicht-Existenz eines Objekts, eben des Wertobjekts, knüpft". Der Wert des Objekts ist dann dessen Fähigkeit, von einem intellektuell und emotional normalen Subjekt wertgehalten zu werden. Doch ist die Wertgröße durch die Werthaltungsintensität nicht allein bestimmt. In den Grundtatsachen der Ethik sieht MEINONG Wert- oder doch Werthaltungstatsachen, tritt daher für eine werttheoretische Begründung der Ethik ein. Von seinen Untersuchungen hat die psychologische Bearbeitung der Werttheorie ihren Ausgang genommen. ANTON MARTY (Professor in Prag), Ursprung der Sprache, 1875, Über subjektlose Sätze und das Verhältnis der Grammatik zur Logik und Psychologie, drei Artikel in der "Vierteljahrsschrift für wissenschaftliche Philosophie", Bd. 8, 1884 und nachdem die subjektlosen Sätze oder Impersonalien zum Teil aufgrund dieser Artikel Gegenstand lebhafter Erörterungen geworden waren, wiederum vier Artikel, ebd. Bd. 18 (1894), und 19 (1805), ferner: "Über Sprachreflex, Nativismus und absichtliche Sprachbildung", zehn Artikel, ebd. Bd. 8, 1884f. Was ist Philosophie?, Inaugurationsrede, Prag 1897. Der bekante Sprachforscher MIKLOSICH (1813-1891), der in seiner Schrift: "Subjektlose Sätze", Wien 1883, der Lehre BRENTANOs vom Urteil zustimmt. FRANZ HILLEBRAND, Professor in Innsbruck, Die neuen Theorien der kategorischen Schlüsse, Wien 1891, worin eine Ausführung der Urteilstheorie BRENTANOs auch nach der Seite des Syllogismus gegeben wird. "Zur Lehre der Hypothesenbildung", 1896. Als Gegner BRENTANOs, besonders seiner logischen Neuerungen, ist aufgetreten WILHELM JERUSALEM (geboren 1854), Gymnasialprofessor und Privatdozent in Wien, "Über psychologische Sprachbetrachtung", 1886, "Lehrbuch der empirischen Psychologie", zweite Auflage 1890, "Grillparzers Welt- und Lebensanschauungen", 1891, Die Urteilsfunktion, Wien und Leipzig 1895, "Einleitung in die Philosophie", Wien 1899 brauchbar. Im Urteil erfährt nach JERUSALEM der Vorstellungsinhalt eine bestimmte Forderung in der Art, daß der Vorgang auf ein selbständig vorhandenes Kraftzentrum bezogen und als dessen Kraftäußerung hingestellt wird. Die Urteilsform ist die ganz allgemein, aber doch durch Erfahrung gewonnene Apperzeption. Gegen BRENTANO haben ferner SIGWART, SCHUPPE, STEINTHAL u. a. geschrieben. Mehr Schüler MEINONGs als BRENTANOs ist CHRISTIAN von EHRENFELS (geboren 1850, Professor in Prag), "Über Fühlen und Wollen", Sitzungsberichte der Kaiserlichen Akademie der Wissenschaften, Wien 1887, "Werttheorie und Ethik", fünf Artikel in der Vierteljahrsschrift für wissenschaftliche Philosophie, Bd. 17, 1893f, "Von der Wertdefinition zum Motivationsgesetz", Archiv für systematische Philosophie, Bd. 2, 1896, Seite 102-122, "System der Werttheorie", Bd. 1: Allgemeine Werttheorie, Psychologie des Begehrens, Bd. 2: Grundzüge der Ethik, Leipzig 1897, 1898, der interessante Angaben darüber macht, wie BRENTANO aufgrund seiner Aufstellungen weitverbreitete Überzeugungen zu rechtfertigen imstande ist, Vierteljahrsschrift für wissenschaftliche Philosophie, Bd. 18, 1894, Seite 79f. Die Ethik bestimmt von EHRENFELS als Psychologie der sittlichen Werttatsachen. Der von MEINONG eingeschlagenen Richtung folgt ALOIS HÖFLER, geboren 1853, Schulrat, Gymnasialprofessor und Privatdozent an der Universität Wien, um das Schulwesen verdient, "Logik", Wien 1890, "Psychische Arbeit", Hamburg 1893, "Psychologie", Wien 1897, "Lehrbuch zur Logik und Psychologie", auf Lehranstalten viel eingeführt. "Studien zur gegenwärtien Philosophie der Mechanik". Die Logik fundiert HÖFLER auf der Psychologie. Sein größeres Werk über Psychologie behandelt den Stoff eingehend, indem auch dem Physikalischen und Physiologischen ausreichender Raum gewidmet ist, führt in die Probleme der Gegenwart, z. B. in das der Beziehung zwischen Leib und Seele, trefflich ein, hält sich aber in den Entscheidungen etwas vorsichtig keinesfalls einseitig, und ist anregend, namentlich bei glücklicher Wahl von Beispielen, geschrieben. Eine seiner Hauptaufgabe sieht HÖFLER darin, die psychischen Tatsachen zu beschreiben, statt sogleich zur Erklärung zu schreiten. Die psychischen Erscheinungen teilt er in die des Geisteslebens und die dies Gemütslebens ein, indem er die ersten wiederum teilt in Vorstellungen und Urteile, die zweiten in Gefühle und Begehrungen. - Von MEINONG mehr oder weniger beeinflußt sind ferner: ANTON OELZELT-NEWIN, geboren 1854, lebt in Wien, "Die Unlösbarkeit der ethischen Probleme", 1883, "Über Phantasievorstellungen", 1882, "Über sittliche Dispositionen", 1892, "Kosmodizee", 1897 u. a., EDUARD MARTINAK, geboren 1859, Gymnasialdirektor und außerordentlicher Professor in Graz, Schriften über LOCKE, "Zur Begriffsbestimmung der intellektuellen Gefühle und des Interesses", 1895, pädagogische Arbeiten; STEPHAN WITASEK, geboren 1870, Privatdozent in Graz), Psychologe, besonders experimentelle Arbeiten. CARL STUMPF, geboren 1848, nacheinander Professor in Würzburg, Prag, Halle, München, seit 1894 Berlin, hat besonders den Tonvorstellungen seine Arbeit zugewandt und, von BRENTANO und LOTZE namentlich angeregt, außer einer Abhandlung über PLATON und einer Schrift über den psychologischen Ursprung der Raumvorstellung u. a. veröffentlich das grundlegende Werk "Tonpsychologie", 2 Bde., Leipzig 1883-1890, in welchem er, über HELMHOLTZ hinausgehend, die Musiktheorie nicht aus der Physiologie, sondern aus der Psychologie heraus wissenschaftlich begründet; "Psychologie und Erkenntnistheorie", München 1891, worin er die Abhängigkeit der Logik von der Psychologie zu beweisen sucht. Ferner: "Der Entwicklungsgedanke in der gegenwärtigen Philosophie"; "Zur Methodik der Kinderpsychologie", aus der Zeitschrift für pädagogische Psycholgie und Pathologie, Berlin 1900. Seit 1900 gibt STUMPF auch "Beiträge zur Akustik und Musikwissenschaft" heraus (Leipzig), zu denen er selbst schon eine Reihe von Abhandlungen geliefert hat, namentlich die beachtenswerte über Konsonanz und Dissonanz, ferner Beobachtungen über subjektive Töne und Doppelhören. Metaphysische Fragen streift STUMPF in seiner Rede über den Entwicklungsgedanken, wo er meint, wenn man das Höchste und Letzte in Begriffe zu fassen sucht, kommt man nur zu einer sehr abstrakten Formel. Bedeutungsvoll bleibt die Erkenntnis immerhin, daß durch die Materie des Materialisten das Welträtsel nicht gelöst wird, daß "alle Vielheit der Substanzen auf einer transzendenten Einheit ruht und daß die Welt und ihr Werdeprozeß nicht ein sinnloses Durcheinander, nicht einmal ein Organismus oder ein Kunstwerk, sondern der Organismus, das Kunstwerk schlechthin ist, im Vergleich mit welchem alle übrigen verschwinden". THEODOR LIPPS (geboren 1851, seit 1894 ordentlicher Professor der Philosophie in München) hat u. a. geschrieben: "Grundtatsachen des Seelenlebens", Bonn 1883 (eine Art Psychologie), "Psychologische Studien", Heidelberg 1885, "Der Streit über die Tragödie", Hamburg und Leipzig 1891, "Ästhetische Faktoren der Raumanschauung", ebd. 1891, "Grundzüge der Logik", ebd. 1893, "Zur Psychologie der Komik", sechs Artikel in den Philosophischen Monatsheften, Bd. 24, 25, 1888, 1889, "Zur Psychologie der Suggestion", Vortrag in der Zeitschrift für Hypnotismus, Leipzig 1897, "Raumästhetik und geometrisch-optische Täuschungen, Schriften der Gesellschaft für psychologische Forschung, Bd. 9 und 10f, Leipzig 1897, "Komik und Humor", eine psychologisch-ästhetische Untersuchung, in den Beiträgen zur Ästhetik, 1898, "Die ethischen Grundfragen", zehn Vorträge, teilweise gehalten in der Volkshochschule München, Hamburg 1899, "Ästhetische Einfühlung" in der Zeitschrift für Psychologie und Physiologie der Sinnesorgane, Leipzig 1900, "Psychologie, Wissenschaft und Leben", Festrede München 1901. Er betrachtet die Logik, Ästhetik und Ethik ihrer Wurzel nach als psychologische Disziplinen, so daß sie aus der Psychologie herauswachsen sollen. Die Psychologie darf aber auch nicht ohne Rücksicht auf die Tatsachen, die diese Disziplinen relativ geordnet betrachten, vorgehen. Sie gründet sich wie die ganze wissenschaftliche Philosophie auf Erfahrung und zwar zunächst auf die unmittelbar psychologische, d. h. auf die Betrachtung und Analyse der Bewußtseinszustände. Das Experiment, die vergleichende Psychologie, die Psychopathologie sollen herangezogen werden, soweit es möglich ist, aber diese Methoden bringen ohne jene unmittelbare psychologische Erfahrung und Beobachtung nichts zutage. Auch die physiologische Psychologie, d. h. die Psychologie auf Basis von Physiologie, ist nicht anzuerkennen, wenngleich es wertvoll ist, die Ergebnisse der Psychologie nachträglich physiologisch zu deuten. Die Ästhetik erfordert die Begründung in der Psychologie, aber zugleich die Kenntnis des Schönen in Natur und Kunst, da sie das Schöne nicht nur im Allgemeinen behandeln, sondern im Einzelnen verständlich machen und in seiner Gesetzmäßigkeit begreifen muß. Ebenso hat die Logik in den Wissenschaften, die Ethik im tatsächlichen menschlichen Verhalten ein zweites Erfahrungsgebiet. - In den ethischen Grundfragen stellt LIPPS drei höchste sittliche Normen:
2. Verhalte dich wollend so, daß du, wo immer die gleichen objektiven Gründe deines Wollens gegeben sind, jederzeit das Gleiche wollen kannst und mit innerer Notwendigkeit willst, eine Norm die auf Kants Formulierung hinausläuft: Verhalte dich so, daß du wollen kannst, es solle die Maxime deines Wollens allgemeines Gesetz sein. 3. Verhalte dich in allgemeingültiger, d. h. in einer für das sittliche Bewußtsein Aller gültigen Weise. Den von UPHUES gelehrten erkenntnispsychologischen Realismus strebt HERMANN SCHWARZ (geboren 1867, Privatdozent in Halle) zu erweitern: "Das Wahrnehmungsproblem vom Standpunkt des Physikes, des Psychologen und des Philosophen", Beiträge zur Erkenntnistheorie und empirischen Psychologie, Leipzig 1891, "Was will der kritische Realismus?"- eine Antwort an Herrn Professor Martius in Bonn, ebd. 1894, "Die Umwälzung der Wahrnehmungshypothesen durch die mechanische Methode", nebst Beiträge über die Grenzen der physiologischen Psychologie, ebd 1895, "Grundzüge der Ethik", Leipzig 1896, "Psychologie des Willens", zur Grundlage der Ethik, Leipzig 1900, "Das sittliche Leben", eine Ethik auf psychologischer Grundlage, mit einem Anhang: Nietzsches Zarathustralehre, Berlin 1901. Während UPHUES in rein psychologischen Erörterungen die Erkennbarkeit transzendenter, d. h. bewußtseinsfremder Gegenstände ausspricht, deren Existenz oder Nichtexistenz aber ganz dahingestellt sein läßt, beschäftigt sich SCHWARZ vornehmlich mit dem dazu gehörenden metaphysischen Gegenstück. Er ergänzt den psychologischen Gedanken von UPHUES, daß wir die Gegenstände so erkennen können, wie sie sind, durch den metaphysischen Gedanken, daß sie sein können, wie wir sie erkennen. Von dieser Auffassung aus kritisiert er die naturwissenschaftliche und philosophische Lehre von der Subjektivität der Sinnesqualitäten und kommt zu dem Ergebnis, daß in ihr gewisse methodische Voraussetzungen zum Rang metaphysischer Dogmen erhoben worden sind. Auf dem psychologisch-ethischen Gebiet unterscheidet SCHWARZ Naturgesetze des Willens, des unteren Begehrungsvermögens, Gefallen und Mißfallen, die Willensregungen sind, und Normgesetze des Willens, des oberen Begehrungsvermögens, das Vorziehen. So gibt es nach ihm neben dem Naturzwang einen Normzwang. Das synthetisch oder schöpferische Vorziehen, das nicht wie das analytische die Kenntnis des Besseren anderswoher, sondern durch seine eigenen Akte gewinnt, ist zwei Normgesetzen unterworfen, die zugleich die höchsten Gesetze der Sittlichkeit sind:
2. "Das Wollen religiöser, mitmenschlicher, sozialer und ideeller Fremdwerte steht über dem Wollen von Eigenwerten". ![]() ![]() |