p-3ra-3R. ZimmermannH. RickertWindelbandM. Schießl    
 
ALOIS HÖFLER / ALEXIUS MEINONG
Philosophische Propädeutik

Psychologische Einleitung zur Logik

I. Psychische Erscheinungen

1. Physische und psychische Erscheinungen. Leuchten, Tönen, Duften, einen Blitz, einen Knall, die Bewegungen einer Maschine, das Wachsen und Welken einer Pflanze, das Zucken eines Muskels, die Leistungen unserer Sprachwerkzeuge etc. nennen wir  physische Erscheinungen.  - Freude, Trauer, einen Wunsch, einen Entschluß, Zweifeln, Glauben, Überzeugtsein, Sich-Erinnern, Etwas erwarten etc. nennen wir  psychische Erscheinungen. 

2. Erscheinungen des Gemüts und des Denkens. Freude, Trauer, Lust, Pein, Liebe, Haß, ein Wunsch, ein Entschluß, ein Willensakt ... heben sich, insofern sich bei diesen Vorgängen und Zuständen unser  "Gemüt" äußert, als eine Klasse untereinander verwandter und vielfach voneinander abhängiger psychischer Erscheinungen deutlich ab von den Erscheinungen des  "Denkens", wie: Glaube, Zweifel, Meinen, Überzeugtsein, Erwarten, Begreifen, Schließen, sich etwas Vergangenes oder Abwesendes oder überhaupt nicht Existierendes vorstellen.

Der Unterscheidung dieser zwei obersten Klassen psychischer Erscheinungen pflegt man schon im gewöhnlichen Leben häufig Ausdruck zu geben, indem man die Fähigkeiten und Betätigungen von  "Kopf" und  "Herz" (was beides zunächst offenbar bildlich gemeint ist) einander gegenüberstellt; ähnlich spricht man von  "Geist" und  "Gemüt", von "Verstandes"- und von "Gemütsmenschen" und dgl.

Man versuche, einstweilen ohne Zuhilfenahme wissenschaftlicher Unterscheidungsmerkmale der  physischen und  psychischen Erscheinungen, sowie der Erscheinungen des  Denkens  und des  Gemüts,  zu jeder dieser Klassen von Erscheinungen durch die bloße Beachtung der größeren oder geringeren Ähnlichkeit mit den in den beiden vorausgehenden §§ gegebenen Beispielen noch möglichst zahlreiche weitere Beispiele zu geben.

Die Erscheinungen des  Gemütes  werden wir in der Psychologie (§ 7) weiter einteilen in  Gefühle  und  Begehrungen;  die des  Denkens  unten (§ 5) in  Vorstellungen  und  Urteile

3. Psychologie. Ihr Gegenstand, ihre Aufgabe und Methode. Insofern sich die  psychischen  Erscheinungen unserer  "inneren  Wahrnehmung" mit unzweifelhafter Bestimmtheit als etwas wirklich Vorhandenes, und zugleich als etwas von den Gegenständen der  "äußeren Wahrnehmung",  den  physischen Erscheinungenm,  in durchgreifender Weise Verschiedenes darstellen, fordert das Vorhandensein einer solchen besonderen Klassen von Tatsachen unser Denken auf, sich mit ihnen wissenschaftlich zu beschäftigen.  Die Wissenschaft, deren Gegenstand die psychischen Erscheinungen sind, heißt Psychologie. 

Um sich den Unterschied der  "inneren"  und  "äußeren"  Wahrnehmung, und der durch sie wahrgenommenen psychischen und physischen Erscheinungen klar zu machen, ist es unerläßlich - und genügt auch für den Anfang - sich zu vergegenwärtigen, was gemeint ist, wenn man sagt, daß man sich über dieses oder jenes freut, darüber traurig, dazu entschlossen, darüber in Zweifel ist, sich jetzt etwas so und so Beschaffenes vorstellt. - Auf die Frage,  woher  man vom Stattfinden dieser Zustände und Vorgänge der Freude, des Vorstellens etc. Kenntnis hat, ist die nächste Antwort:  "Nicht  durch die äußeren  Sinne"  (Gesicht, Gehör, Geschmack etc.).  Daß  aber all dies in mir vorgeht,  weiß  ich mit der größten denkbaren Bestimmtheit (- kann man einem Traurigen ausreden, daß er traurig ist? - wäre dies dasselbe, wie wenn man ihm ausredet, daß er  Grund  hat traurig zu sein?); und weiters muß sich jeder sagen, daß hier ein bloß vermeintliches Wahrnehmen, etwa ähnlich den sogenannten  "Sinnestäuschungen",  von vornherein ausgeschlossen ist (z. B. ich kann glauben, eine Glocke klingen zu hören, erkenne aber nachträglich - woraus? -, daß es nur ein "Ohrenklingen" war usw; kann ich aber ernsthaft glauben, daß ich mich jetzt freue, während ich in Wirklichkeit gleichgültig oder traurig bin?) - Über diese  "Evidenz  der inneren Wahrnehmung" vgl. Logik § 54, Psychologie § 2 u. a. (1)

Die  Aufgaben,  welche der Psychologie angesichts der psychischen Tatsachen obliegen, und desgleichen die  Methode,  nach welcher sie jene Aufgaben löst, stehen in vielfacher Analogie zu den Aufgaben und Methoden der empirischen Wissenschaften von der äußeren Natur (Vergleichung der Ähnlichkeiten und Unterschiede zwischen Gegenstand, Aufgabe und Methode im Einzelnen namentlich zwischen Physik und Psychologie!). Während aber letztere Wissenschaften ihren Ausgangspunkt in einer getreuen und umfassenden  Beobachtung der äußeren  Vorgänge nehmen, tritt anstelle dieser in der Psychologie die  innere Wahrnehmung.  Das durch die eine wie die andere gesammelte Material von Tatsachen unterliegt dann im Weiteren einer teils  beschreibenden  (analysierenden, klassifizierenden), teils  erklärenden  Bearbeitung (Logik § 87, Psychologie §§ 1-5) - Hier wie dort kann der Einzelne ein lebendiges Bild vom Wesen der Wissenschaft nur gewinnen, indem er  selbst  eine gewisse Schulung sowohl im Beobachten der Tatsachen, wie im gedanklichen Festhalten und Bearbeiten derselben zu gewinnen trachtet. Im Besonderen aber muß anhaltende  Selbsttätigkeit  in den Wissenschaften von den  psychischen  Tatsachen als Vorbedingung allen Erfolges verlangt werden, da diese Tatsachen für jeden unmittelbar nur in seinem eigenen Innern zu erleben und dort zu belauschen sind.

4. Philosophie. Philosophische Propädeutik. Unter  "Philosophie"  pflegen sich die Meisten, auch bevor sie noch mit deren Inhalt durch ein eigenes Studium bekannt geworden sind, eine Wissenschaft vorzustellen, welche die Ergebnisse aller übrigen Wissenschaften zusammenzufassen und dieses Ganze der Einzelforschungen von höheren Gesichtspunkten aus zu betrachten strebt, als sie jeder der Spezialwisenschaften eigen sind (vgl. die Charakteristik des "philosophischen Kopfes" in SCHILLERs Antrittsrede: Was heißt und wozu studiert man Universalgeschichte?). Inwieweit nun diese hohen Erwartungen durch eine besondere Wissenschaft erfüllbar sind, könnte nur derjenige beurteilen, der nicht nur die wichtigsten Leistungen der Philosophie selbst, sondern auch die aller übrigen Wissenschaften bereits kennt; was hier in keienr Weise vorausgesetzt werden kann.

Leichter läßt sich für den Anfänger der besondere Gegenstan der  einzelnen philosophischen Disziplinen  charakterisieren, und sodann das sie alle von den außerphilosophischen Wissenschaften Unterscheidende angeben. - Es pflegt nämlich auch dem Nichtphilosophen aus der Art, wie er im gewöhnlichen Verkehr die Namen dieser Disziplinen nennen hört, bekannt zu sein, daß die  Psychologie  die Wissenschaft von den  psychischen  Tatsachen überhaupt, die  Logik  die Lehre vom richtigen  Denken,  die  Ethik  die Lehre vom guten  Wollen,  die  Ästhetik  die Lehre vom  Schönen  ist, und daß diese Disziplinen zur Philosophie gehören. Nun sind Denken und Wollen  psychische  Erscheinungen; und "schön" nennen wir Etwas nur in Beziehung auf gewisse  Gefühle  des Wohlgefallens - welche ebenfalls  psychische  Erscheinungen sind. Die schon hieraus sich ergebende Vermutung, daß das, was den philosophischen Disziplinen  gemeinsam  ist, ihr  Anteil an den psychischen Erscheinungen  ist, bestätigt sich im Einzelnen, wenn man weiters noch an spezielle  "philosophische Probleme"  denkt, welche nicht in den bereits genannten Disziplinen behandelt werden; so z. B. die  "metaphysische"  Frage: "Ob die Welt dem Raum und der Zeit nach endlich oder  unendlich  ist?" - ferner die  "erkenntnistheoretische"  Frage: "Ob wir die Dinge so zu erkennen vermögen, wie sie  ansich sind  oder nur so, wie sie uns  erscheinen?"  Wer diese Fragen beantworten will, muß sich zwar gegenwärtig halten, was die Mathematik über die Eigenschaften des Raumes, was die Astronomie über die denselben bis auf unermeßliche Fernen erfüllenden Weltkörper, und was überhaupt die Naturwissenschaften über die Eigenschaften der Körper und die Gesetze der physischen Erscheinungen entdeckt haben: aber darüber hinaus sieht sich jeder, der jene Fragen in dem einen oder anderen Sinn beantworten will, alsbald dazu gedrängt, auch unsere eigenen  Vorstellungen  vom Raum und von der Zeit und ganz allgemein die Vorgänge, in welchen das  Erkennen  überhaupt besteht, näher zu untersuchen; und "Vorstellungen" und "Erkennen" sind ja selbst wieder psychische Erscheinungen. - In der Tat haben  alle philosophischen Disziplinen das Gemeinsame,  daß ihren  Gegenstand  entweder nur  psychische Erscheinungen  bilden, oder daß sie (wie die  Metaphysik)  die den physischen  und  psychischen Erscheinungen gemeinsamen Eigenschaften und Gesetze untersuchen. (2)

Hieraus ist des weiteren auch klar, warum die Wissenschaften von der  physischen  (der unorganischen wie der organischen) Natur nicht das Gesamtgebiet alles Wißbaren erschöpfen: sie  abstrahieren  nämlich von allem  psychischen  Geschehen als solchem. und auch die hohe Bedeutung der philosophischen Wissenschaften ist bei einer solchen Bestimmung ihres Gegenstandes begreiflich: denn nichts liegt den höchsten Interessen des Menschen näher, als sein eigenes Inneres:  Gnothi seauton!  [Erkenne Dich selbst! - wp]

Indem nun die Philosophie solche höchste Ziele für die Erkenntnis aufstellt, setzt sie im "Philosophen" oder "Weltweisen" Kräfte des Geistes und des Gemüts voraus, welche nur durch eine anhaltende Schulung gewonnen werden. Da aber die fachwissenschaftlichen Studien der Hochschule, welche sich an die hierzu vorbereitenden Studien des Gymnasiums anschließen, ohne Ausnahme verlangen, daß sie "in philosophischem Geist" betrieben werden, so wird um die Zeit des Übergangs von diesen zu jenen Studien der Weg zur wissenschaftlichen Philosophie durch eine  "philosophische Propädeutik"  gewiesen. - Gegenstand dieser Propädeutik sind namentlich:  Psychologie,  wegen der oben dargelegten innigen Beziehung sämtlicher philosophischen Disziplinen zu den psychischen Erscheinungen; und  Logik,  weil diese die grundlegenden Gesetze alles richtigen, also auch des wissenschaftlichen (einschließlich des philosophischen) Denkens zum Gegenstand ihrer Untersuchung macht und, nebst den hierin liegenden theoretischen Aufschlüssen über das Denken, dieses auch durch eine besondere Betrachtung und Einübung  aller  Klassen richtigen Denkens praktisch schult (vgl. § 13). - Die zusammenhängende Darstellung der grundlegenden Lehren dieser beiden philosophischen Disziplinen führt, infolge des innigen Zusammenhangs  aller  Disziplinen der philosophischen Wissenschaft, nicht selten an die Grenzen, welche jene beiden von den  übrigen Gebieten der Philosophie  trennen. Ohne daß jene Grenzen in der philosophischen Propädeutik überschritten werden, wird schon aus der im Interesse der Logik und Psychologie selbst gelegenen Bestimmung, von wo an z. B. eine logische Untersuchung metaphysisch, eine psychologische ethisch, ästhetisch etc. zu werden anfinge, sich allmählich ein Begriff von der Eigenart der diesen anderen Gebieten der Philosophie zugehörenden  Probleme  ergeben, deren Untersuchung und Lösung aber der Hochschule vorbehalten bleibt.

Da die Logik die dem Schüler aus eigenem vieljährigen Studium der Gymnasial-Wissenschaften bereits vertrauten  Erscheinungen des richtigen oder logischen Denkens  behandelt, und deshalb  vor  der  alle  Klassen psychischer Erscheinungen behandelnden Psychologie Gegenstand des philosophisch-propädeutischen Unterrichts ist, so werden in den zwei folgenden Abschnitten dieser Einleitung noch einige der für das Spätere wichtigsten psychologischen Bestimmungen über die Erscheinungen des  Denkens  und speziell über das  "logische  Denken" gegeben.


II. Die Erscheinungen des Denkens

5. Denken. Vorstellungen und Urteile. a) Die Bezeichnung  "Denken"  (Gedanke) wird von der Sprache des gewöhnlichen und des wissenschaftlichen Lebens nicht auf Eine, sondern auf mannigfaltige, deutlich unterscheidbare Gattungen und ARten von psychischen Erscheinungen angewendet.

Vergleichen wir den Sinn von Ausdrücken, wie: an etwas denken, sich etwas denken (z. B. ich kann mir eine absolute Bewegung  denken,  aber nur die relative sinnlich  erkennen;  ähnlich: ... daß die Pflanzen Empfindung haben und dgl.), etwas durch-, ausdenken, von jemandem Schlechtes denken, ein großer, scharfer, tiefer Denker - so finden wir als gemeinsam zunächst den  negativen  Umstand, daß alle diese Denkvorgänge  nicht  Vorgänge des  Gemüts  (Gefühle oder Begehrungen) sind. Wohl aber können solche, namentlich als  Ursachen  oder  Wirkungen,  in so naher Beziehung zu Gedanken stehen, daß die gewöhnliche Auffassung den Einfluß, welchen Vorgänge des Gemüts auf die des Denkens und umgekehrt haben, keineswegs immer von letzteren selbst scharf abtrennt; z. B. eifrig, angestrengt über etwas nachdenken, mit Sehnsucht an etwas denken; edel, hochherzig denken; "der Mensch denkt und Gott lenkt." - Im Folgenden werden wir die Bezeichnung "Denken" nur für die beiden sogleich gegeneinander abzugrenzenden Klassen von psychischen Erscheinungen, die  Vorstellungen  und  Urteile,  anwenden, und sie bei zusammengesetzteren psychischen Erscheinungen, welche die gewöhnliche Sprache als Gedanken bezeichnet (z. B.: kühne, traurige etc.), nur auf den Anteil beschränken, welchen diese beiden Klassen, nicht aber Gemütsvorgänge an ihnen haben.

Unter allen psychischen Erscheinungen hebt sich scharf von den übrigen die Klasse derjenigen ab, in welchen wir etwas  glauben etwas  bejahen  oder  verneinen;  so z. B. daß die Sonne existiert, daß sie leuchtet, daß sie eine Kugel, nicht eine Scheibe ist, daß es keine Zentauren gibt. Man nennt die Gedanken, welche den Sinn der  Sätze:  "Die Sonne leuchtet" etc. ausmachen,  Urteile  (§ 41). - Den Gedanken dagegen, welche die Bedeutung der einzelnen  Wörter  (Namen) "Sonne, leuchten, Scheibe, Zentaur usw." ausmachen,  fehlt jeder Glaube oder Unglaube;  wenn jemand bloß an die Bedeutung des Wortes "Sonne" denkt (3), hat er hierdurch ebensowenig bejaht, daß sie existiert, wie derjenige, der sich bloß die Bedeutung des Wortes "Zentaur" vergegenwärtigt, die Existenz solcher Wesen verneint hat. Gedanken dieser Art nennen wir bloße  Vorstellungen. 

Den Ausdruck  "Vorstellung ist die gewöhnliche Sprache geneigt auf die "geistigen Bilder", die wir uns von Abwesendem (von der Sonne bei Nacht und dgl.) oder gar nicht Existierendem (z. B. von einem Zentaur) machen, einzuschränken. Da wir aber auch vom Gegenwärtigen nur insofern ein Bewußtsein haben können, als es in uns einen psychischen Zustand, z. B. den des Sehens, Hörens etc. hervorruft, so dehnen wir den Gebrauch des Namens  "Vorstellung"  auch auf die "geistigen Bilder" von Gegenwärtigem aus, und unterscheiden demgemäß:
    - Wahrnehmungsvorstellungen  und  Phantasievorstellungen  im weiteren Sinne; die letzteren teilen wir ein in

    - Erinnerungsvorstellungen  und  Phantasievorstellungen  im engeren Sinne (4)
Von den Wahrnehmungs- und Erinnerungs- Vorstellungen  sind psychologisch scharf unterschieden die Wahrnehmungs- und Erinnerungs- (oder Gedächtnis-)  Urteile.  Was man gewöhnlich kurz  Wahrnehmungen  und  Erinnerungen  nennt, stellt sich in der Regel für eine genauere psychologische Analyse bereits als  Urteil  heraus; denn im Sinn der Sätze: "Ich nehme ein Geräusch wahr", "Ich erinnere mich an jenes Erlebnis" liegt mit der Glaube, daß das Geräusch wirklich stattfindet, das Erlebnis wirklich stattgefunden hat.

Weitere Beispiele zu jeder der genannten Klassen von Gedanken; versuche, gegebene Gedanken in die entsprechende Klassen einzureihen!

6. Denkakt und Denkinhalt. Wie immer ich  vorstellen  oder  urteilen  mag, so muß ich  Etwas  vorstellen oder beurteilen. Mit anderen Worten:  Jedem Vorstellen und Urteilen oder Vorstellungs- und Urteilsakt, entspricht ein Vorgestelltes und Beurteiltes, oder ein Vorstellungs- und ein Urteilsinhalt,  auch "Gegenstand" oder "Objekt" der Vorstellung und des Urteils genannt. - Kurz:  Jedem Denken entspricht ein Gedachtes. 

Ebenso entspricht jedem Wollen ein Gewolltes. (vgl. Psychologie § 2.) z. B. Ich stelle mir die  Laokoongruppe vor. Ich glaube nicht an Gespenster. Ich sehe eine Feuerröte, höre Geläute, etc. - Begriff des  Objektes  in der Grammatik.

Das Wort  "Vorstellung"  (analog  "Urteil")  wendet der gewöhnliche Sprachgebrauch vorwiegend für das Vor stellen,  nicht selten aber auch für das Vor gestellte,  schließlich auch für beides zusammen an (vgl. über diese "Äquivokation" § 9).

So nahe der psychologischen Reflexion die Einsicht liegt, daß "jedem  Denken  ein  Gedachtes  entspricht," so führt uns doch die genauere Bestimmung der Begriffe:  "Gedachtes",  spezieller:  "Inhalt, Gegenstand, Objekt des Vorstellens und Urteilens",  unmittelbar auf eines der Hauptprobleme der Metaphysik und Erkenntnistheorie, welches man als das  Problem der Idealität und Realität des Gedachten  (Verhältnis von  Subjekt  und  Objekt, Denken und Sein  usw.) bezeichnet. Namentlich in Bezug auf die  physischen  Erscheinungen wirft das  "Problem der Realität der Außenwelt"  die Frage auf, ob z. B. den von uns gesehenen Farben, den getasteten Wärmezuständen, den räumlichen Ausdehnungen und Gestalten usw. etwas entspricht, das  "ansich",  unabhängig von unserem Vorstellen und Beurteilen, so  ist wie es uns  erscheint? - Dem  naiven  Menschen fällt es vorerst nicht ein, sich derlei Fragen vorzulegen, und werden sie ihm vorgelegt, so beantwortet er sie unbedenklich mit "Ja!" - Freilich bedarf es aber nur des Erlebens der einen oder anderen sogenannten Sinnestäuschung, um den fraglosen Glauben an die durchgängige Übereinstimmung zwischen der wirklichen "Welt" und unserem Denken über dieselbe Vorsicht zu mahnen. - Über derlei vorwiegend praktische Kritik weit hinausgehend haben aber manche Philosophen sogar behauptet, daß wir über die  "Dinge ansich nichts wissen  können,  schon deshalb, weil wir von ihnen doch nicht anders Kenntnis erhalten könnten, als durch das Medium unseres Denkens (Wahrnehmens, Schließens usw.), über welches wir schlechterdings nicht hinaus können. - Die richtige Grenzlinie zwischen den Extremen jenes "naiven Realismus" und dieses "theoretischen Idealismus" zu ziehen bleibt der "Erkenntnistheorie" und der "Metaphysik" vorbehalten. Für die Zwecke der Psychologie und Logik sind folgende Unterscheidungen zwischen den verschiedenen populären und wissenschaftlichen Verwendungen obiger Ausdrücke notwendig und ausreichend:
    a) Was wir oben  "Inhalt  der Vorstellung und des Urteils" nannten, liegt ebenso ganz innerhalb des  Subjekts,  wie der Vorstellungs- und Urteils akt  selbst.

    b) Die Wörter  "Gegenstand"  und  "Objekt"  werden in zweierlei Sinn gebraucht: einerseits für dasjenige  ansich Bestehende,  "Ding-ansich", Wirkliche,  Reale - vgl. über diesen Begriff § 45 -, worauf sich unser Vorstellen und Urteilen gleichsam richtet, andererseits für das  "in" uns bestehende  psychische, mehr oder weniger annähernde  "Bild"  von jenem Realen, welches quasi-Bild (richtiger: Zeichen) identisch ist mit dem unter a) genannten  "Inhalt". 
Zum Unterschied von dem als unabhängig vom Denken angenommenen Gegenstand oder Objekt nennt man den  Inhalt  eines Vorstellens und Urteilens (desgleichen: Fühlens und Wollens) auch das  "immanente  oder  intentionale Objekt"  dieser psychischen Erscheinungen (Psychologie § 2); dieses ist immer in Logik und Psychologie gemeint, solange die Untersuchung von metaphysischen und erkenntnistheoretischen Lehren über das ansich Seiende unabhängig bleiben soll.

In der folgenden Darstellung entfernen wir uns so wenig wie möglich vom "Standpunkt des naiven Realismus". Gleichwohl wird wiederholt das Bedürfnis fühlbar werden, die zunächst stillschweigend und kritiklos hingenommenen Voraussetzungen dieses "Standpunktes" einer wissenschaftlichen Prüfung zu unterziehen (sei es zur Bestätigung oder zur Berichtigung jener Annahmen), und so wird sich dem Anfänger der Sinn und die fundamentale Wichtigkeit jenes Problems allmählich immer deutlicher erschließen.

7. Assoziation der Vorstellungen. Besinnen wir uns in Fällen in welchen uns "ein Gedanke durch den Kopf schießt", was uns wohl "auf ihn gebracht" haben mag, so gelingt es uns häufig, uns zu erinnern, daß jenem Gedanken (B) ein anderer (A) unmittelbar vorausgegangen ist, mit welchem  B  derart zusammenhängt, daß er auf  A  ähnlich folgt, wie auf die Ursache die Wirkung. Von solchen Gedanken sagen wir, sie sind miteinander  "assoziiert". 

Bei eingehender psychologischer Reflexion bemerken wir das Bestehen solcher Assoziationen auch in weniger auffallenden Fällen, und es gelingt uns bei einiger Übung, ganze  Ketten von Assoziationen  ein Gespräch, eine wissenschaftliche Überlegung etc. hindurch zu verfolgen. Auch gelingt es dann mehr oder weniger leicht, die einzelnen Assoziationen in eine der beiden folgenden Hauptgruppen einzureihen.
    1.  Assoziationen  durch Ähnlichkeit und
    2.  durch Gleichzeitigkeit. 
Beispiele:
    zu 1.: Ich gebe meinem scheidenden Freund mein Bildnis, damit er bei dessen Anblick an mich denkt.

    zu 2.: Sobald ich Rosenduft rieche, fällt mir die Farbe und Gestalt der Rose ein und weiterhin der Garten, in dem ich kürzlich Rosen sah, etc.
Über die Anzahl und die strenge Formulierung der  "Assoziationsgesetze"  vgl. die Psychologie der Vorstellungsdispositionen.

Sobald wir "unseren Gedanken freien Lauf lassen", folgen sie aufeinander, so viel uns die direkte Erfahrung zeigt, ganz oder doch zum größeren Teil bloß nach ihren assoziativen Verkettungen. Wir haben dabei nicht das Bewußtsein, uns anders, als untätig, gleichsam  passiv,  gegenüber diesem in uns sich abspielenden psychischen Geschehen zu verhalten. Aber auch wo wir planmäßig ordnend, gleichsam  aktiv  in den Verlauf unserer Gedanken eingreifen, sehen wir uns nur zu häufig darauf angewiesen, daß passende Assoziationsketten uns den gewünschten Gedanken ins Bewußtsein bringen. - Zu diesem passiven Charakter der Assoziation steht der aktive der  "Aufmerksamkeit in einem eigentümlichen, schon der ersten psychologischen Reflexion sich aufdrängenden Gegensatz.

8. Aufmerksamkeit. In der Art, wie sich unser Bewußtsein den einzelnen Teilen einer Mannigfaltigkeit von Vorstellungsinhalten zuwendet, zeigt uns die innere Wahrnehmung und Vergleichung einen sehr auffallenden Unterschied, den die Psychologie in demselben Sinn, wie die gewöhnliche Sprache, bezeichnet, indem sie sagt, daß unsere  "Aufmerksamkeit"  einzelnen Teilen  "zugewendet"  ist, während wir auf anderes  "nicht aufmerken",  ja sogar von ihm  "die Aufmerksamkeit ablenken  können.

So bekannt und in der Anwendung auch jedem Nichtpsychologen geläufig diese Ausdrücke sind, so gehört doch schon die  Beschreibung  und umsomehr die  Erklärung  der Aufmerksamkeit zu den schwierigsten Aufgaben der Psychologie. - Den wichtigen Unterschied zwischen einem bloß  lebhafteren sinnlichen Vorstellen  und dem  Hervorheben durch die Aufmerksamkeit  macht auf sehr einfache Weise merklich der folgende psychologische

Versuch:  Von den mannigfaltigen Einzelheiten, welche sich innerhalb des  "Gesichtsfeldes"  gleichzeitig der Wahrnehmung darbieten,  sehen  wir am deutlichsten die in der "Blicklinie", d. h. in der verlängerten Augenachse liegenden (was sich bekanntlich aus dem Gang der Lichtstrahlen im Auge und der verschiedenen Empfindlichkeit der Netzhaut an verschiedenen Stellen erklärt). Für gewöhnilch nun wird diese am deutlichsten gesehene Stelle diejenige sein, auf die sich auch unsere Aufmerksamkeit richtet. Es gelingt aber,  bei unveränderter Stellung des Augapfels willkürlich die Aufmerksamkeit bald auf diese, bald auf irgendeine andere Stelle des Gesichtsfeldes zu lenken. 

Womöglich noch merkwürdiger sind die für das gesamte logische Denken so grundlegend wichtigen Leistungen der Aufmerksamkeit beim  "Abstrahieren einzelner Merkmale (§ 15).

Bei solchen Versuchen wird man inne, daß der Zustand des Aufmerkens über den eines Vorstellens oder Urteilens, also bloßen Denkens, hinausreicht, daß vielmehr jedenfalls irgendwelche  Gemüts-Vorgänge (ein "Interesse", also ein Gefühl) einen wesentlichen Bestandteil der ganzen Erscheinung bilden.

Hinsichtlich der  Ursachen,  aus denen diese Erscheinung hervorgeht, unterscheidet schon die gewöhnliche Sprache  unwillkürliche  und  willkürliche Aufmerksamkeit;  erstere wird erregt z. B. durch ein auffallendes Plakat, ein ungewohntes Geräusch, überhaupt durch einen plötzlich auftretenden oder einen intensiven Sinneseindruck; letztere befähigt uns, eine unscheinbare Einzelheit an einem mikroskopischen Präparat zu bemerken, dem Gedankengang eines Vortrags zu folgen, selbst wenn unsere Gedanken abzuschweifen drohen. Weitere Beispiele!

9. Denken und Sprechen stehen in so vielseitigen und innigen Beziehungen zueinander, daß von manchen Psychologen, Logikern und Sprachforschern
    I. eine vollständige  "Wesenseinheit"  (5) zwischen Denken und Sprechen, von anderen zumindest

    II. ein durchgängiger  "Parallelismus"  (6) zwischen Denken und Sprechen behauptet worden ist.
Die Wörter "Sprechen" und "Sprache" selbst werden bekanntlich in mehreren engeren und weiteren Bedeutungen gebraucht. Manchmal nämlich versteht man
    a) unter "Sprechen  physische  Vorgänge - die Bewegung der Stimmuskeln, Zunge, Lippen, das Erregen von Luftschwingungen usw. -  exklusive psychische  Vorgänge (z. B. ein "sprechender" Papagei, "Sprechmaschine" (7); manchmal aber die  physischen inklusive psychischer  (so, wenn man die Gabe der Sprache als einen Vorzug der Menschen bezeichnet, trotzt der Künste des Papageis). Ferner denkt man

    b) bei "Sprache" in erster Linie an die  Laut-Sprache; aber indem man doch auch von  "Gebärden-Sprache" redet, erkennt man an, daß diese mit ersterer ihrem Hauptzweck nach unter  einen  Begriff gehört, unter welchen dann auch noch die  Schrift  gezählt werden kann.
Zu I.: Die These I ist speziell im Hinblick auf die  Laut-Sprache aufgestellt worden und zwar in dem Sinne, daß das Sprechen die "äußere", das Denken die "innere Seite" von ein und demselben einheitlichen Vorgang ist. - Diese Auffassung wird aber u. a. widerlegt durch die Fälle
    1. eines  Sprechens ohne  notwendig zu ihm gehörendes  Denken, 

    2. eines  Denkens ohne  notwendig zu ihm gehörendes  Sprechen. 
Solche Fälle sind:
    zu 1. die Fälle
      a) des "gedankenlosen" (8) Sprechens
      b) des Lügens

    zu 2. die
      c) des Denkens der Taubstummen

      d) des primitiven Denkens der Kinder solange sich noch nicht sprechen können (9),

      e) des Denkens Solcher, welche, obwohl sie der Lautsprache fähig sind und sich ihrer in weitaus den meisten Fällen zur Bezeichnung ihrer Gedanken bedienen, dies in einzelnen Fällen doch auch unterlassen können. Diese Möglichkeit

      f) wird nun freilich von Vielen geleugnet, indem sie darauf hinweisen, daß wir unwillkürlich unsere Gedanken, wenn schon nicht mit hörbaren Lauten, so doch mit Phantasievorstellungen von solchen und von den Muskelempfindungen, welche wir beim Sprechen haben, begleiten.
In der Tat spricht zugunsten dieser Behauptung nicht nur die direkte Beobachtung, welche jeder ansich bei den meisten Fällen eines scheinbar ganz wortlosen Denkens anstellen kann, sondern dieses unwillkürliche Mitsprechen ist auch durch die Festigkeit der Assoziation zwischen jenen Laut- und Muskelempfindungs-Vorstellungen und den Inhalten derjenigen Gedanken, zu deren Bezeichnung die Wörter gewöhnlich verwendet werden, sehr wohl begreiflich. Beobachtungen solcher Art sind es dann sicherlich auch gewesen, aufgrund deren man schon im Altertum das Denken gern als ein "innerliches Sprechen" bezeichnete (so PLATON). - Gleichwohl muß zugegeben werden, daß das Vorkommen noch so vieler Fälle, in welchen ein Denken  mit  Sprechen beobachtet wurde, die Möglichkeit eines Denkens  ohne  Sprechen noch nicht ausschließt; und da die Häufigkeit der ersteren Fälle ein zureichender Grund ist, aus welchen sich erklärt, warum wir so sehr  gewöhnt  sind, selbst gegen unsere Absicht das Denken mit Sprechen zu begleiten, so dürfte man, selbst wenn  tatsächlich  kein einziger zweifelloser Fall eines Denkens ohne Sprechen konstatiert werden könnte, doch noch nicht die logische  Möglichkeit  eines solchen leugnen, wie dies die Annahme einer "Wesenseinheit" zwischen Denken und Sprechen, d. h. die These I verlangen würde. - Daß aber These I auch tatsächlich nicht richtig ist, geht (abgesehen von den obigen, schon für sich beweiskräftigen Argumenten a), b), c), d) daraus hervor, daß nicht einmal These II, welche  weniger weitgehend  ist als I, mit den Tatsachen in Einklang steht.

Zu II.: Wenn auch in weitaus den meisten Fällen zwischen Denken und Sprechen insoweit  Übereinstimmung  besteht, als es die unter III. zu besprechenden Zwecke der Sprache verlangen und zulassen, so erstreckt sich diese Übereinstimmung doch nicht bis zu einem vollen  "Parallelismus";  denn es finden sich tatsächlich
    1.  gleiche sprachliche  Ausdrücke für  verschiedene Gedanken, 

    2.  verschiedene sprachliche  Ausdrücke für  gleiche Gedanken  - nämlich

      zu 1. die  "Äquvokationen"  und
      zu 2. die  "Synonyma" 
und im Großen die  Verschiedenheit der ganzen Sprachen  selbst.

zu 1. Die  "Äquivokationen"  werden von Manchen, je nachdem sich die Mehrdeutigkeit auf  einzelne Wörter  oder auf ganze  syntaktische Konstruktionen  bezieht, unterschieden in  "Homonymie"  und  "Amphibolie". - Die Übungen im richtigen Aufdecken von Äquivokationen gehören zu den für ein klares logisches Denken praktisch nützlichsten und theoretisch lehrreichsten: denn sie bestehen eben darin, daß man unbekümmer um den Gleichklang der  Wörter,  die  Gedanken selbst  gleichsam fest ins Auge faßt. - Am ungefährlichsten sind aus naheligenden Gründen diejenigen Äquivokationen, bei welchen die mehreren Bedeutungen  sehr verschieden  sind; z. B. "Hund" (10) (das Tier, das Wägelchen der Bergleute); Deklination (grammatische, magnetische, astronomische); Induktion (elektrische, logische); sondern (Zeitwort, Partikel), Würde (Eigenschaft, Hilfszeitwort;  Vorstellung  (im Theater, gegenseitige Vorstellung der Teilnehmer einer Gesellschaft, Zureden; überdies die verschiedenen Bedeutungen innerhalb der Psychologie). - Überaus leicht irreführend sind dagegen viele  "Äquivokationen der Beziehung"  (11), bei welchen wesentlich verschiedene Beziehungen zu ein und demselben Hauptvorstellungsinhalt zwar gemeint, aber nicht sprachlich angedeutet sind. Zum Beispiel  gesund  ist zunächst der Leib; in Beziehung auf ihn nennen wir die Speise, die Luft, den Spaziergang gesund, welche gesund  erhalten,  die Arznei, die gesund  macht,  die Gesichtsfarbe, welche Gesundheit  anzeigt  usw. Die Rose riecht, die Nase riecht (sogar bei beiden: gut, schlecht - aber nicht ebenso: duftet). Eine solche Äquivokation der Beziehung zeigen fast alle Wörter auf  "ung",  indem sie sowohl den  "Akt"  als auch das  "Objekt",  das  "Produkt"  eines Vorgangs bezeichnen; z. B.  Vorstellung  (§ 6), Empfindung (= Empfinden, Empfundenes), Lösung (durch Lösung eine Salzes erhält man eine Salzlösung), Bildung, Wirkung etc. Ebenso aber auch z. B. bei Arbeit, Gedanke, Denken, Gedachtes) Schluß (Schließen, Erschlossenes, Ende). -  Übungen:  Wurzel (der Pflanze, bildlich: des Übels; in der Mathematik: und hier wieder: invers zur Potenz, Wurzel einer Gleichung); Kreis (-linie, -fläche); Gewicht (der Druck selbst, auch der Körper, welcher den Druck ausübt); Geschmack (woraus schon mancherlei "geschmacklose" Analogien zwischen Kunstgenießen und Essen gefolgert worden sind); Anlage und ebenso Disposition (Fähigkeit; Anlage und Disposition eines Aufsatzes); Erklärung (Angabe der Gründe, Definition); Schluß (Ende, Folgerung); Ende (Schluß, Zweck, ähnlich:  finis);  Sinn; Medizin; Land; Aufheben; Erhalten; Sekunde (räumlich: α Winkel= β Bogensekunde) zeitlich: Sternzeit, mittlere Sonnenzeit; in der Musik: große, kleine, reine, temperierte). -  Mittel, die Äquivokation aufzudecken,  sind, wie obige Beispiele zeigen, die Gegenüberstellung von Anwendungen des Wortes in dem einen oder anderen Sinn, ferner  Synonyma, Übersetzungen;  z. B. ein gewisser (certus, quidam), umsonst (gratis, frustra); dagegen nicht bei einst (olim - im Deutschen wie im Lateinischen sowohl Vergangenheit wie Zukunft). Meistens zeigt freilich schon der Zusammenhang, welche Bedeutung gemeint ist, außer es wird absichtlich eine zweideutige Form gewählt, wie in den berüchtigten Orakeln: "Ajo, te Aeacida tyrannos vincere posse" [Pyrrhus wird die Römer besiegen oder von ihnen besiegt werden. - wp] und dgl.; oder "Ich fahre heute zum erstenmal über den Semmering" (scherzhaft: aber gestern und früher bin ich auch schon über ihn gefahren). Nicht immer aber sind Fehl- und Trugschlüsse, welche aus Äquivokationen hervorgehen (§ 83), ganz leicht zu lösen. Zum Beispiel der Rock, den ich besitze, ist mein Rock. Und da der Rock ein Kleidungsstück ist, so ist er  mein  Kleidungsstück. Ebenso nun ist ein Sklave, den ich besitze, mein Sklave. Und wenn der Sklave Vater ist, so ist er  mein  Vater (nach PLATONs  Euthydemos).  Man beachte die Verwendung des  "mein"  für die possessive und für die verwandtschaftliche Beziehung. Ebenso: Mein Buch, mein Bild (2, bzw. 3 Bedeutungen); genetivus objectivus und subjectivus usw.

Zu 2.  Synonyma  sind bekanntlich verhältnismäßig selten genau und in jeder Hinsicht gleichwertig; und es wurde mit Recht hervorgehoben, daß  Übersetzungen  kaum jemals das Original völlig wiedergeben. - Vor allem aber ist wohl zu beachten, daß der größere Teil der Unterschiede und Nuancen im psychischen Inhalt welche durch Synonyma ein und derselben oder verschiedener Sprachen in uns hervorgerufen werden, in den begleitenden  Gefühlen  (12) begründet, also nicht  gedanklicher,  sondern vorwiegend  ästhetischer  Art sind. Zum Beispiel Pferd, Roß; Equus, cheval usw. (dagegen bezeichnen Renner, Gaul etc. bereits näher determinierte, also verschiedene Begriffsinhalte); Stiege, Treppe; Träne, Zähre; das Meer, die See; Welle, Woge; sterben, verscheiden, das Zeitliche segnen, umkommen, verenden usw. Wieso stellen die Wörter "Tier" und "animal" zugleich Synonyma und Äquivokationen dar? - Trotz jener Einwürfe gegen das Vorkommen streng gleichbedeutender Ausdrücke bleibt also die Widerlegung 2. der These II in Kraft. Oder gibt es zwischen drei, tres, 3, III eine noch so feine gedankliche Verschiedenheit? -

Die mit den Thesen I und II nicht in Einklang stehenden Tatsachen selbst führen uns schließlich zu der folgenden Auffassung.

III. Das  Sprechen  steht zum  Denken  seinem Hauptzweck nach im Verhältnis eines  äußeren, sinnlich wahrnehmbaren Zeichens  für die unmittelbar bloß  innerlich wahrnehmbaren psychischen Vorgänge,  zunächst des Denkens. - Aber  nicht  nur Gedanken, sondern  auch Gefühle und Begehrungen  werden durch die Sprache bezeichnet. Deshalb läßt sich zwar im Großen und Ganzen zu jedem Unterschied der Gedanken ein entsprechender Unterschied im sprachlichen Ausdruck finden, sehr häufig aber nicht umgekehrt (13). In der Psychologie des Denkens und in der Logik sind es in  erster  Linie die  Gedanken als solche,  welche den Gegenstand der Untersuchung ausmachen, und auf welche sich die innere Wahrnehmung unmittelbar richten muß. Insoweit aber die ansich schwierige unmittelbare psychologische und logische Betrachtung der inneren Erscheinungen durch das Mitbeachten der äußeren sprachlichen Verhältnisse erleichtert wird, bildet auch dieses, und zwar speziell für die Logik die Rücksicht auf die  Grammatik der verschiedenen Sprachen,  ein wichtiges methodisches Hilfsmittel.

Was insbesondere die  Vorstellungen  betrifft, so werden wir aufgrund der in § 6 und § 9 vollzogenen Unterscheidungen von nun an immer sorgfältig auseinanderzuhalten haben:

1. Dinge.      2. Vorstellungen.      3. Namen

Zum Beispiel: Die Sonne selbst, meine Vorstellungen von ihr und das Wort "Sonne" als solches.

Der Sinn, in welchem wir hier das Wort  "Ding gebrauchten, ist der in § 23 zu besprechende  weiteste. - Als  "Namen", nomina,  werden bekanntlich in der Grammatik nur diejenigen Wörter, welche Dinge im engeren Sinne und Eigenschaften bedeuten, die Substantiva und Adjectiva, (sowie Verbalnomina) bezeichnet. Für die Logik dagegen empfiehlt es sich, den Ausdruck  "Namen"  in einem weiteren Sinn zu gebrauchen, nämlich für  alle Wörter und Wortverbindungen, welche für sich eine Bedeutung besitzen,  d. h. die Fähigkeit haben, auch ohne eine weitere Verbindung zu einem größeren syntaktischen Ganzen im Hörer (bzw. Leser) eine  Vorstellung  von gewissem Inhalt zu erwecken; z. B. Vater, rot, gehen. Dabei gilt ein sprachlich noch so zusammengesetzter Ausdruck, solange er nur einen, wenn auch durch noch so viele Merkmale determinierten oder modifizierten (§ 18) Vorstellungsinhalt bedeutet, nur als  ein "zusammengesetzter Name";  z. B. der Erzieher ALEXANDERs des Großen; der Baum im Wald; den Feind töten. - Im Gegensatz zu den  Namen  bedürfen Flexionen, Partikeln (genauer: die meisten flektierten Wörter und der jeweilige Ausdruck, zu dem die Partikel gehört) erst der Verbindung mit anderen Wörtern, um so als  Teile  von Namen gebraucht werden zu können (14); z. B. des, zwar, patris, ging, um zu gehen.


III. Logisches und nicht logisches Denken

10. Wahrheit. Wie uns an den Betätigungen des  Gemüts  vor allen übrigen Eigenschaften die  "Güte"  wertvoll ist, so ist die  höchste Forderung, welche an das Denken gestellt werden kann und soll, die der "Wahrheit". 

Unmittelbar ziehen wir einem  falschen  Denken ein  wahres,  dem  Irrtum  die  Erkenntnis  vor und stellen ein Denken, das wenigstens nach Wahrheit  strebt,  immer noch unendlich höher als eine Gleichgültigkeit gegen den eigenen oder fremden Irrtum. So eröffnet dann auch ARISTOTELES sein Buch über die  "Erste Philosophie"  (Metaphysik) mit den Worten: "Pantes anthropoi tou eidenai oregontai physei." [Alle Menschen streben von Natur aus nach Wissen. - wp]

Die Fragen:  "Was ist Wahrheit?" - "Was ist wahr?"  können zweierlei Sinn haben:
    1. Was  heißen  diese Wörter? und

    2. welche Gedanken  verdienen  diese auszeichnenden Attribute?
So tief gehende  "logische"  und  "erkenntnistheoretische"  Probleme sich auch an jene Fragen knüpfen, so verbindet doch Jeder schon aufgrund des gewöhnlichen Sprachgebrauchs, vor jeder besonderen  Definition  jener Ausdrücke, mit ihnen einen ganz bestimmten Sinn. So versteht z. B. schon ein Kind, das gelogen hat, recht gut, was mit dem Vorwurf gemeint ist: "Das ist nicht wahr"; "du hast nicht die Wahrheit gesagt." - Ähnliche Beispiele über den gewöhnlichen Gebrauch der Wörter "wahr, Wahrheit, falsch, Falschheit" (letztere in zwei Bedeutungen; z. B. "falsch wie eine Katze")!

Eine Definition des Begriffs "Wahrheit" wurde sehr häufig in folgender Weise zu geben versucht:  "Wahrheit  ist die Übereinstimmung des Denkens mit seinem Ggenstand." ("Veritas est adäquatio rei et intellectus.") - Zugunsten der Definition spricht scheinbar der Umstand, daß auf die Frage: Warum, in welchem Sinn nennst Du das, was da gesagt wurde, "nicht wahr"? - die nächstliegende Antwort lautet: Weil es nicht  wirklich  so war, wie gesagt wurde. - Doch merkt man leicht, daß hierbei keineswegs der geäußerte Gedanke mit der  Wirklichkeit,  sondern daß der geäußerte Gedanke mit einem anderen  Gedanken  (- nämlich mit demjenigen, welchen man im Fall der Lüge schon vorher, im Fall eines Irrtums erst bei neuerlicher Prüfung als den  wahren  erkannte) verglichen worden ist. Versucht man dagegen die Zulässigkeit jener Definition an Beispielen zu prüfen, wo  direkt  der Inhalt eines Denkens mit der unabhängig vom Denkenden und seinem Denkakt bestehenden Wirklichkeit verglichen werden müßte, so wird man sich bei einem tieferen Nachdenken der großen Schwierigkeit, wenn nicht Unmöglichkeit bewußt, den Gedanken mit Etwas (der  "res")  zu vergleichen, was ja der Annahme nach außerhalb des Denkens sein und bleiben soll. Nach § 6 ist die Untersuchung und Entscheidung darüber, ob und was wir überhaupt vom  "Realen erkennen können, der Erkenntnistheorie und der Metaphysik vorbehalten. Somit kann auch nur derjenige mit obigem Versuch einer Definition des Begriffs  Wahrheit  einen bestimmten  Sinn  verbinden und von ihr wirklich einen vernünftigen  Gebrauch  machen, der jene metaphysische Grundfrage bereits im Wesentlichen entschieden hat. - Da dies in keiner Weise hier vorausgesetzt weden darf, so werden wir im Folgenden  in den einzelnen Gedanken selbst  solche Eigenschaften aufzuzeigen suchen, durch welche sich dem Denkenden manche Gedanken als  "wahr",  andere als  "falsch"  ankündigen, wogegen sich wieder andere (nämlich die bloßen Vorstellungen) als weder des einen noch des anderen Attributes fähig herausstellen. Von solchen Bestimmungen, welche sich noch ausschließlich aufgrund der inneren Wahrnehmung und Vergleichung der Gedanken selbst, also nach  psychologischer  Methode gewinnen lassen, sind die grundlegenden folgende:

1. Die Eigenschaften "wahr" und "falsch" kommen in einem unmittelbaren Sinn ausschließlich Urteilen zu - weder anderen psychischen Erscheinungen, noch irgendwelchen physischen.

Wenn, wie es allerdings häufig geschieht, von wahren und falschen  Vorstellungen  oder gar  Dingen  die Rede ist - z. B. ein wahrer Freund, ein falscher Diamant, "wer die Telegraphendrähte für eine Art Glockenzug hält, hat eine falsche Vorstellung von ihrem Zweck" - so lassen sich hierin leicht abkürzende Bezeichnungen (bz. "Äquivokationen der Beziehung", § 9) erkennen, in welchen immer gemeint ist, daß gewisse  Urteile,  welche über das Vorgestellte oder das Ding gefällt werden, wahr oder falsch sind.

Schon ARISTOTELES hat in "wahr und falsch" so sehr ausschließliche Merkmale des  Urteils  erkannt, daß er letzteres, bzw. seinen sprachlichen Ausdruck, die  apophansis,  gerade durch diese Merkmale allen anderen "Aussagen" gegenüber charakterisierte: "Nicht jeder Gedanke, bzw. Satz, ist ein Urteil, sondern nur derjenige, welchem Wahrsein oder Falschsein zukommt." (15).

2. "Wahrheit" ist hiernach im direkten Sinn die substantivische Bezeichnung für die  Eigenschaft  eines Urteils,  wahr  zu sein; im übertragenen Sinn aber nennt man auch wahre Urteile selbst  "Wahrheiten"  - analog: Unwahrheit, Irrtum.

Zum Beispiel: "Es ist eine traurige Wahrheit, daß ..." "Jemandem tüchtig die Wahrheit sagen." Im direkten Sinn verhält sich also Wahrheit zu wahr, wie Röte zu rot und dgl. Die genannte sprachliche Übertragung ist dieselbe, wie in: "eine Dummheit sagen, eine Torheit begehen" oder wie wenn man sehenswürdige Dinge "Sehenswürdigkeiten", ferner etwas (z. B. eine Fläche, ein Gewicht), was die  Eigenschaft der "Größe"  hat, d. h. die Eigenschaft groß zu sein (quantitas), selbst eine  "Größe"  (quantum), wenn man einen Monarchen "Majestät" nennt ("König Rudolfs heilige Macht") ... Weitere Beispiele!

Synonyma zu  "wahr"  sind:  gültig, richtig  (und entsprechend zu "falsch":  ungültig, unrichtig).  Letzteres pflegt aber auch im weiteren Sinn verwendet zu werden; z. B. richtige architektonische Verhältnisse.

Nach diesen Feststellungen über die Verwendung der  Wörter "wahr"  und  "Wahrheit"  in mehr oder weniger direktem Sinn wenden wir uns zur eigentlichen Hauptfrage, durch welche Eigentümlichkeit sich uns  Urteile  als wahr, als Wahrheiten ankündigen.

11. Evidenz. Vergleichen wir Urteile, wie: 2 x 2 = 4, "facta infecta fieri non possunt" [Fakten lassen sich nicht ungeschehen machen. - wp], die Erde ist annähernd eine Kugel, sie dreht sich um ihre Achse - mit folgenden: 2 x 2 = 5, die Erde ist eine Scheibe (wie HOMER und HESIOD glaubten), das Himmelsgewölbe mit allen Gestirnen dreht sich um die Erde, die Kometen bringen Krieg, Hungersnot, Krankheiten, usw., - so werden wir inne, daß es  nicht  von unserem  Gefühl  oder  Willen,  oder von irgendeiner uns von außen auferlegten, unserem eigenen Denken fremden Nötigung oder Überredung abhängt, wenn wir die ersten für wahr, die letzteren für falsch halten. Vielmehr lehrt uns die innere Wahrnehmung folgendes: Sobald wir den  Sinn  der in jenen Sätzen gebrauchten Wörter verstanden, d. h. ihnen gemäß die bezeichneten  Vorstellungsinhalte vorgestellt  haben, und nun aufgrund dieser Vorstellungen (und nötigenfalls der Erinnerung an alle einschlägigen wissenschaftlichen Aufschlüsse) den Inhalt jener Sätze zu  beurteilen  unternehmen, wissen wir uns genau insoweit berechtigt, an die  Wahrheit  der ersteren Urteile zu glauben, als sie uns  "einleuchten,  als sie  mit Einsicht, mit Evidenz von uns gefällt werden.  Von den letzteren Sätzen dagegen  sehen wir ein,  daß, wer sie wirklich glaubt oder zu glauben versucht, dies  ohne Einsicht  tun müßte. -  Einsichtig, mit Evidenz  gefällte Urteile nennen wir im übertragenen Sinn auch selbst  "Einsichten, Evidenzen." 

Um das Wesen der Evidenz (von der wir es hier ebenfalls dahingestellt sein lassen  ob  oder  wie  sie etwa zu  definieren  ist) bestimmt zu erfassen, bemühe man sich, an möglichst zahlreichen Beispielen von Urteilen, die man selbst gefällt hat und die man "nach besten Wissen und Gewissen" für wahr hält, die Evidenz als einen psychischen Zustand in sich zu erfahren und durch die psychologische Reflexion als etwas wirklich Vorhandenes in sich selber zu bemerken. Diese dem Anfänger ungewohnte Art der Betrachtung wird wesentlich erleichtert durch gleichzeitiges Achten auf die  Bedingungen,  unter welchen unsere Urteile jene Eigenschaft der Evidenz annehmen, und hierbei finden wir dann weiter gewisse (zunächst psychologische)  Gesetze,  nach welchen das Zustandekommen der Evidenz von bestimmten Eigenschaften unserer Vorstellungen und Urteile abhängt. Die Untersuchung dieser Gesetze bildet die Hauptaufgabe der  "Logik",  und wird uns daher später (namentlich §§ 51-85) eingehend beschäftigen. Im Nächstfolgenden aber sollen vorerst noch, um den Begriff der Evidenz durch Kontrast zu heben, einige der psychologischen Veranlassungen angeführt werden, welche jenes Bewußtsein von Evidenz  nicht  aufkommen lassen und so ein  unlogisches  Denken erzeugen.

12. Unlogisches Denken. Wenn jemand unmittelbar, nachdem er eine Behauptung aufgestellt hat, eine zweite ausspricht, welche entweder direkt oder in ihren naheliegenden Konsequenzen das jenige verneint, was die erste bejaht hatte; wenn Jemand daraus, daß es ein- oder zweimal an einem Freitag schön, am darauffolgenden Sonntag schlecht Wetter war, sogleich eine allgemeine Wetterregel ableitet: so pflegt man dergleichen  "gedankenlos"  zu nennen - oder genauer, falls man nicht anzunehmen Grund hat, daß ein bloßes Sprechen ohne jedes Denken stattgefunden hat, ein  "unlogisches Denken. 

Weitere, möglichst mannigfaltige Beispiele von Fällen aus dem praktischen Leben, in welchen gern auch Solche, welche selbst niemals Logik studiert haben, von "unlogischem Denken", "Mangel an Logik", "Verstoß gegen alle Logik" usw. zu sprechen pflegen. Beispiele von fehlerhaftem Denken, dessen häufigste Formen zu konstatieren mit zu den Aufgaben der Logik gehört, bieten namentlich die §§ 343, 39, 83) (16). Versuche in allen diesen Beispielen einen  Mangel an Evidenz  als das Gemeinsame aufzuzeigen!

Achtet man des weiteren auf die  psychologischen Umstände,  aus welchen  evidenzlose Urteile  hervorgehen, so findet man meistens (wenn nicht immer), daß die  Vorstellungen,  aufgrund deren das Urteil vollzogen wurde, selbst irgendwie  unzureichend  und mangelhaft waren. (17)

So bei einer Frage, die man vorschnell beantwortet, bevor man noch ihren  "Sinn"  verstanden hat, wo also keine oder nicht die vom Fragenden gemeinten Vorstellungen im Antwortenden vorhanden waren; so bei demjenigen, welcher, während er die widersprechende Behauptung aufstellt, meistens ganz oder zum Teil vergessen hat, was ihn bei der ersten Behauptung geleitet hat. -  Daß  es nicht zu ausreichenden Vorstellungen kommt, rührt seinerseits entweder her von einer Unvollkommenheit der sinnlichen Auffassung bei physischen Objekten (infolge ungünstiger Lage, Beleuchtung ... des Objekts, oder Schwäche ... des Sinnesorgans) und bei physischen Objekten von der Schwierigkeit der Reproduktion eigener psychischer Phänomene und umsomehr von der Schwierigkeit, "sich in den Anderen hineinzudenken"; oder aber von Unaufmerksamkeit, Überhastung, "Vorurteil", Abneigung gegen das, was eine treue Vorstellung von dem zu Beurteilenden gelehrt haben würde.

13. Logik ist die Lehre vom richtigen Denken. Als solche hat sie unter allen wirklich vorkommenden oder doch als möglich vorstellbaren Erscheinungen des Denkens diejenigen Arten ("Formen") von Gedanken herauszuheben, welchen  Evidenz  entweder  direkt  zukommt oder welche  notwendige  Bedingungen für das Zustandekommen von Evidenz sind. - Hiernach bilden den unmittelbaren Gegenstand der Logik
    -  die logischen Urteile,  speziell  die Lehre von der Evidenz.  Dieser aber ist wegen der Abhängigkeit des logischen Urteilens vom Vorstellen vorauszuschicken eine nähere Betrachtung

    -  der logischen Vorstellungen,  oder  die Lehre vom Begriff. 
Beide Abschnitte zusammen machen die  "Elementarlehre"  aus, deren Ergebnisse dann die  "Methodenlehre"  verwertet; näheres über das Verhältnis dieser beiden Hauptteile der Logik vgl. § 86.

Verhältnis der Logik zur Psychologie, zur Erkenntnistheorie und zu den übrigen Wissenschaften.  (18) - Da die  Psychologie sämtliche  psychischen Erscheinungen, die Logik nur die Erscheinungen des  Denkens,  und zwar die des  richtigen  Denkens zum unmittelbaren Gegenstand hat, so bildet die theoretische Bearbeitung des letzteren nur einen  speziellen Teil  der Psychologie.

Beide Disziplinen unterscheiden sich aber auch durch die Art der  Aufgabe,  welche sie angesichts ihrer Gegenstände stellen: die Psychologie ist eine  theoretische,  die Logik eine  theoretisch-praktische  Disziplin, insofern letztere in erster Linie das Denken bei seinem obersten  Zweck,  Wahrheit zu gewinnen, auf jede mögliche Weise zu fördern strebt, so unter anderem dadurch, daß sie, wie bereits erwähnt, auch die am häufigsten begangenen  Fehler  gegen die Gesetze des richtigen Denkens anführt und vor ihnen warnt; und erst in zweiter Linie bezieht die Logik auch solche Lehren in ihr System ein, welche zu denjenigen  praktisch  wichtigsten Formen, in welchen sich das richtige Denken zu bewegen pflegt, in rein  theoretischen  Beziehungen stehen.

Durch diesen zunächst  praktischen  Charakter der Logik ist auch von vornherein ihr Unterschied von der  "Erkenntnistheorie"  gegeben; welche Konsequenzen dieser Gegensatz der Aufgaben beider Disziplinen für die Abgrenzung ihrer Gegenstände hat, kann hier nicht allgemein ausgeführt werden, da Erkenntnistheorie selbst nicht mehr Gegenstand der philosophischen Propädeutik ist (einige speziellere Bemerkungen über dieses Verhältnis vgl. § 54).

Das Verhältnis der Logik zu den  übrigen  (philosophischen und außerphilosophischen)  wissenschaftlichen Disziplinen  bestimmt sich vor allem dadurch, daß letztere zwar sämtlich bestrebt sind,  richtiges  Denken zu  betätigen,  wogegen erst die Logik (und Erkenntnistheorie)  über  dieses richtige Denken selbst  denkt. (19)

Die  Methode,  nach welcher die Logik angesichts des hiermit vorläufig abgegrenzten Gegenstandes ihre Aufgaben löst, ist, soweit es die  theoretische  Grundlegung zur Lehre vom richtigen Denken betrifft, die nämliche, welche die Psychologie  allen  psychischen Erscheinungen gegenüber anwendet (§ 3); d. h. die Logik  beschreibt  (beobachtet, sammelt, klassifiziert) die mannigfachen, im Leben und in der Wissenschaft betätigten Arten ("Formen" des richtigen Denkens, ohne dabei solche seltener oder gar nicht praktisch vorkommende Formen, welchen ebenfalls Richtigkeit (wenn auch faktisch geringere oder keine Wichtigkeit) zukommt, ganz von der Betrachtung auszuschließen. Die so gefundenen Erscheinungen des richtigen Denkens sucht die Logik dann soweit wie möglich auf einfache Gesetze zurückzuführen, d. h. die verwickelteren aus den einfachsten zu  erklären. - Der  praktische  Zweck der Logik bringt es mit sich, daß sie auch die Methoden und jeweiligen Ergebnisse anderer Disziplinen (Erkenntnistheorie, Sprachwissenschaft) soweit zu benützen hat, als es ihrem Zweck irgendwie förderlich ist.
LITERATUR - Alexius Meinong / Alois Höfler, Philosophische Propädeutik, Prag/Wien/Leipzig 1890
    Anmerkungen
    1) Hierzu im Anhang ausgewählter Stellen das erste Lesestück aus den Prinzipien der Philosophie von DESCARTES, namentlich Absatz 7 und 9 (über das "Cogito, ergo sum").
    2) Vgl. MEINONG, Über philosophische Wissenschaft und ihre Propädeutik, 1885, Seite 5-8.
    3) Der Frage, ob im wirklichen psychischen Leben jemals  bloße Vorstellungen,  ohne alle begleitenden Urteile und Gemütszustände wirklich vorkommen (Psychologie § 7), ist durch obige Begriffsbestimmungen in keiner Weise vorgegriffen.
    4) Weiteres über die Einteilung der Vorstellungen vgl. Logik §§ 22-25 und Psychologie § 8; dort auch nähere Bemerkungen über obige Terminologie.
    5) Vgl. hierzu MARTY, Über subjektlose Sätze und das Verhältnis der Grammatik zur Logik und Psychologie, Vierteljahrsschrift für wissenschaftliche Philosophie, Bd. 8, 1884, Seite 59-71
    6) MARTY, a. a. O., Seite 71-75
    7) Wer das Wort "Sprechen" in diesem engsten Sinn verwendet, braucht noch nicht gegen die These I. Stellung genommen zu haben; denn selbst diese hält, indem sie überhaupt von einem (wenn auch den denkbar innigsten)  "Verhältnis  von Denken und Sprechen" redet, beides zumindest in begrifflicher Abstraktion auseinander. - Aber auch wer beides für sachlich getrennt hält, braucht keineswegs zu verkennen, daß die  Würde  der Sprache erst im sinngemäßen Gebrauch des physischen Mittels zu einem vernünftigen psychischen Zweck besteht. Indem dann die Vertreter wie die Gegner der These I z. B. die oben unter a) und b) angeführten Fälle als einen "Mißbrauch der Sprache" bezeichnen, verwenden sie ebenfalls wieder das Wort "Sprache" für den physischen Vorgang als solchen.
    8) "... denn eben, wo Begriffe fehlen, da stellt ein wort zur rechten Zeit sich ein."
    9) PREYER, Die Seele des Kindes, zweite Auflage, Seite 259-280.
    10) Die Scholastiker haben die Frage aufgeworfen, ob man auf einen Jagdhund und einen Seehund zusammen den Plural "Hunde" anwenden darf.
    11) BRENTANO, Psychologie vom empirischen Standpunkt, Seite 110.
    12) Den sehr verschiedenen Gemütseindruck, den zwei verschiedene sprachliche Ausdrücke eines im Grunde identischen Gedankens hervorbringen können, stellt die Erzählung (nach HAMMER) von den zwei Traumdeutungen dar: "Herr, du wirst alle deine Verwandten sterben sehen" und "Du wirst länger leben, als alle deine Verwandten."
    13) WUNDT, Logik I, Seite 103: "... Darum wird zwar jeder bedeutsame logische Unterschied irgendwie in der Grammatik seinen Ausdruck finden, nicht aber muß umgekehrt jeder grammatische Unterschied von logischem Wert sein."
    14) Über die Terminologie der alten Logiker ("kategorematische", "synkategorematische Wörter") vgl. JOHN STUART MILL, Logik I, Seite 25 (ed. GOMPERZ).
    15) TRENDELENBURG, Elementa logices Aristoteleae, § 2. (Hierzu desselben Verfassers "Erläuterungen zu den Elementen der aristotelischen Logik", 1876). Desgleichen: SIGWART, Logik I, Seite 17.
    16) Die passende Auswahl solcher Beispiele aus den zitierten §§, in welchen sich schon vor dem systematischen Unterricht der begangene "Denkfehler" besonders deutlich als Verstoß gegen ein bestimmtes  "Denkgesetz"  darstellt, dürfte zugleich die zweckmäßigste Vorübung für die  abstrakte Formulierung solcher Denkgesetze selbst,  und hiermit die beste Anbahnung eines vorläufigen Einblicks in die Mannigfaltigkeit der Gegenstände der Logik, der  "Formen des richtigen Denkens"  bilden. - Ein solcher Lehrgang entspricht insofern auch den historischen Anfängen der Logik, als sich das Bedürfnis einer solchen namentlich den Künsten der Sophistik gegenüber entwickelt hat.
    17) Über die einschlägigen Unterscheidungen  klarer  und  unklarer, deutlicher  und  undeutlicher  Vorstellungen vgl. § 14, Anm.
    18) Aus didaktischen Gründen dürfte es sich empfehlen, die folgenden Bestimmungen erst als  Abschluß  des Logik-Unterrichts zur Sprache zu bringen, wozu § 97 (namentlich die Erörterung des Begriffs  "theoretisch-praktischer  Disziplinen") Gelegenheit bietet.
    19) Was selbst wieder ein spezieller Fall der allgemeinen Tatsache ist, daß wir in allen Lagen des Lebens psychische Phänomene  erleben,  während erst die Psychologie (und Philosophie überhaupt) über sie wissenschaftlich  reflektiert.