tb-1p-4H. RickertE. Laskvon KriesW. Windelband     
 
IMMANUEL KANT
Kritik der Urteilskraft

"Obgleich nun eine unübersehbare Kluft zwischen dem Gebiet des Naturbegriffs, als dem Sinnlichen, und dem Gebiet des Freiheitsbegriffs, als dem Übersinnlichen, befestigt ist, so daß vom ersteren zum anderen kein Übergang möglich ist, gleich als ob es soviele verschiedene Welten wären, deren erste auf die zweite keinen Einfluß haben kann: so  soll  doch diese auf jene einen Einfluß haben."

"Urteilskraft überhaupt ist das Vermögen, das Besondere als enthalten im Allgemeinen zu denken. Ist das Allgemeine (die Regel, das Prinzip, das Gesetz) gegeben, so ist die Urteilskraft, welche das Besondere darunter subsumiert,  bestimmend.  Ist aber nur das Besondere gegeben, wozu sie das Allgemeine finden soll, so ist die Urteilskraft bloß  reflektierend." 

"Die gedachte Übereinstimmung der Natur in der Mannigfaltigkeit ihrer besonderen Gesetze zu unserem Bedürfnis, Allgemeinheit der Prinzipien für sie aufzufinden, muß nach all unserer Einsicht als zufällig beurteilt werden, gleichwohl aber doch für unser Verstandesbedürfnis als unentbehrlich, mithin als Zweckmäßigkeit, wodurch die Natur mit unserer, aber nur auf Erkenntnis gerichteten, Absicht übereinstimmt."


Vorrede

Man kann das Vermögen der Erkenntnis aus Prinzipien a priori  die reine Vernunft  und die Untersuchung der Möglichkeit und Grenzen derselben überhaupt die Kritik der reinen Vernunft nennen: obgleich man unter diesem Vermögen nur die Vernunft in ihrem theoretischen Gebrauch versteht, wie es auch im ersten Werk unter jener Benennung geschehen ist, ohne noch ihr Vermögen als praktische Vernunft nach ihren besonderen Prinzipien in eine Untersuchung ziehen zu wollen. Jene geht alsdann bloß auf unser Vermögen, Dinge a priori zu erkennen, und beschäftigt sich also nur dem dem  Erkenntnisvermögen,  mit einer Ausschließung des Gefühls der Lust und Unlust und des Begehrungsvermögens; und unter den Erkenntnisvermögen mit dem  Verstand  nach seinen Prinzipien a priori, mit Ausschließung der  Urteilskraft  und der  Vernunft  (als zur theoretischen Erkenntnis gleichfalls gehöriger Vermögen), weil es sie ingesamt nach dem Anteil, den jedes der anderen am baren Besitz der Erkenntnis aus eigener Wurzel zu haben vorgeben möchte, sichtet, läßt nichts übrig, als was der  Verstand  a priori als Gesetz für die Natur als den Inbegriff von Erscheinungen (deren Form ebensowohl a priori gegeben ist) vorschreibt; verweist aber alle anderen reinen Begriffe unter die Ideen, die für unser theoretisches Erkenntnisvermögen überschwenglich, dabei aber doch nicht etwa unnütz oder entbehrlich sind, sondern als regulative Prinzipien dienen: teils die besorglichen Anmaßungen des Verstandes, als ob er (indem er a priori die Bedingungen der Möglichkeit aller Dinge, die er erkennen kann, anzugeben vermag) dadurch auch die Möglichkeit aller Dinge überhaupt in diesen Grenzen beschlossen habe, zurückzuhalten, teils um ihn selbst in der Betrachtung der Natur nach einem Prinzip der Vollständigkeit, wiewohl er sie nie erreichen kann, zu leiten und dadurch die Endabsicht aller Erkenntnis zu befördern.

Es war also eigentlich der  Verstand,  der sein eigenes Gebiet und zwar im  Erkenntnisvermögen  hat, sofern er konstitutive Erkenntnisprinzipien a priori enthält, welcher durch die im allgemeinen so benannte Kritik der reinen Vernunft gegen alle übrigen Komponenten in sicheren, aber einigen Besitz gesetzt werden sollte. Ebenso ist  der Vernunft,  welche nirgendwo als lediglich in Anbetracht des  Begehrungsvermögens  konstitutive Prinzipien a priori enthält, in der Kritik der praktischen Vernunft ihr Besitz angewiesen worden.

Ob nun die  Urteilskraft,  die in der Ordnung unserer Erkenntnisvermögen zwischen dem Verstand und der Vernunft ein Mittelglied ausmacht, auch für sich Prinzipien a priori hat; ob diese konstitutiv oder bloß regulativ sind (und also kein eigenes Gebiet beweisen), und ob sie dem Gefühl der Lust und Unlust, als dem Mittelglied zwischen dem Erkenntnisvermögen und dem Begehrungsvermögen (ebenso wie der Verstand dem ersteren, die Vernunft aber dem letzteren a priori Gesetze vorschreiben), a priori die Regel gibt: das ist es, womit sich die gegenwärtige Kritik der Urteilskraft beschäftigt.

Eine Kritik der reinen Vernunft, d. h. unseres Vermögens, nach Prinzipien a priori zu urteilen, würde unvollständig sein, wenn die der Urteilskraft, welche für sich als Erkenntnisvermögen darauf Anspruch macht, nicht als ein besonderer Teil derselben abgehandelt würde; obgleich ihre Prinzipien in einem System der reinen Philosophie keinen besonderen Teil der theoretischen und praktischen ausmachen dürfen, sondern im Notfall jedem von beiden gelegentlich angeschlossen werden können. Denn wenn ein solches System unter dem allgemeinen Namen der Metaphysik einmal zustande kommen soll (was ganz vollständig zu bewerkstelligen, möglich und für den Gebrauch der Vernunft in aller Beziehung höchst wichtig ist): so muß die Kritik den Boden zu diesem Gebäude vorher so tief, wie die erste Grundlage des Vermögens von der Erfahrung unabhängiger Prinzipien liegt, erforscht haben, damit es nicht an irgendeinem Teil sinkt, was unvermeidlich den Einsturz des Ganzen nach sich ziehen würde.

Man kann aber aus der Natur der Urteilskraft (deren richtiger Gebrauch so notwendig und allgemein erforderlich ist, daß daher unter dem Namen des gesunden Verstandes kein anderes als eben dieses Vermögen gemeint wird) leicht abnehmen, daß es mit großen Schwierigkeiten begleitet sein muß, ein eigentümliches Prinzip derselben herauszufinden (denn irgengeins muß sie a priori in sich enthalten, weil sie sonst nicht als ein besonderes Erkenntnisvermögen selbst der gemeinsten Kritik ausgesetzt sein würde), welches gleichwohl nicht aus Begriffen a priori abgeleitet sein muß; denn die gehören dem Verstand an, und die Urteilskraft geht nur auf die Anwendung derselben. Sie soll also selbst einen Begriff angeben, durch den eigentlich kein Ding erkannt wird, sondern der nur ihr selbst zur Regel dient, aber nicht zu einer objektiven, der sie ihr Urteil anpassen kann, weil dazu wiederum eine andere Urteilskraft erforderlich sein würde, um unterscheiden zu können, ob es der Fall der Regel ist oder nicht.

Diese Verlegenheit wegen eines Prinzips (es sei nun ein subjektives oder objektives) findet sich hauptsächlich in denjenigen Beurteilungen, die man ästhetisch nennt, die das Schöne und Erhabene, der Natur oder der Kunst, betreffen. Und gleichwohl ist die kritische Untersuchung eines Prinzips der Urteilskraft in denselben das wichtigste Stück einer Kritik dieses Vermögens. Denn obgleich sie für sich allein zum Erkenntnis der Dinge gar nichts beitragen, so gehören sie doch dem Erkenntnisvermögen allein an und beweisen eine unmittelbare Beziehung dieses Vermögens auf das Gefühl der Lust oder Unlust nach irgendeinem Prinzip a priori, ohne es mit dem, was ein Bestimmungsgrund des Begehrungsvermögens sein kann, zu vermengen, weil dieses seine Prinzipien a priori in Begriffen der Vernunft hat. - Was aber die logische Beurteilung der Natur anbelangt, da, wo die Erfahrung eine Gesetzmäßigkeit an Dingen aufstellt, welche zu verstehen oder zu erklären der allgemeine Verstandesbegriff vom Sinnlichen nicht mehr zulangt, und die Urteilskraft aus sich selbst ein Prinzip der Beziehung des Naturdings auf das unerkennbare Übersinnliche nehmen kann, es auch nur in Absicht auf sich selbst zur Erkenntnis der Natur brauchen muß, da kann und muß ein solches Prinzip a priori zwar zur  Erkenntnis  der Weltwesen angewandt werden und eröffnet zugleich Aussichten, die für die praktische Vernunft vorteilhaft sind; aber es hat keine unmittelbare Beziehung auf das Gefühl der Lust und Unlust, die gerade das Rätselhafte im Prinzip der Urteilskraft ist, welches eine besondere Abteilung in der Kritik dieses Vermögens notwendig macht, da die logische Beurteilung nach Begriffen (aus welchen niemals eine unmittelbare Folgerung auf das Gefühl der Lust und Unlust gezogen werden kann), allenfalls dem theoretischen Teil der Philosophie, samt einer kritischen Einschränkung derselben, hätte angehängt werden können.

Da die Untersuchung des Geschmacksvermögens als ästhetischer Urteilskraft hier nicht zur Bildung und Kultur des Geschmacks (denn diese wird auch ohne alle solche Nachforschungen, wie bisher so fernerhin, ihren Gang nehmen), sondern bloß in transzendentaler Absicht angestellt wird: so wird sie, wie ich mir schmeichle, in Anbetracht der Mangelhaftigkeit jenes Zwecks auch mit Nachsicht beurteilt werden. Was aber die letztere Absicht betrifft, so muß sie sich auf die strengste Prüfung gefaßt machen. Aber auch da kann die große Schwierigkeit, ein Problem, welches die Natur so verwickelt hat, aufzulösen, einiger nicht ganz zu vermeidenden Dunkelheit in der Auflösung desselben, wie ich hoffe, zur Entschuldigung dienen, wenn nur, daß das Prinzip richtig angegeben wurde, klar genug dargetan ist; gesetzt, die Art, das Phänomen der Urteilskraft davon abzleiten, habe nicht alle Deutlichkeit, die man anderwärts, nämlich von einer Erkenntnis nach Begriffen mit Recht fordern kann, die ich auch im zweiten Teil dieses Werkes erreicht zu haben glaube.

Hiermit endige ich als mein ganzes kritisches Geschäft. Ich werde ungesäumt zum doktrinalen schreiten, um womöglich meinem zunehmenden alter die dazu noch einigermaßen günstige Zeit abzugewinnen. Es versteht sich von selbst, daß für die Urteilskraft darin kein besonderer Teil ist, weil in Anbetracht derselben die Kritik statt der Theorie dient; sondern daß, nach der Einteilung der Philosophie in die theoretische und praktische, und der reinen in ebensolche Teile, die Metaphysik der Natur und die der Sitten jenes Geschäft ausmachen werden.



Einleitung

I.
Von der Einteilung der Philosophie

Wenn man die Philosophie, sofern sie Prinzipien der Vernunfterkenntnis der Dinge (nicht bloß, wie die Logik, Prinzipien der Form des Denkens überhaupt, ohne Unterschied der Objekte) durch Begriffe enthält, wie gewöhnlich, in die  theoretische  und  praktische  einteilt, so verfährt man ganz recht. Aber alsdann müssen auch die Begriffe, welche den Prinzipien dieser Vernunfterkenntnis ihr Objekt anweisen, spezifisch verschieden sein, weil sie sonst zu keiner Einteilung berechtigen würden, welche jederzeit eine Entgegensetzung der Prinzipien der zu den verschiedenen Teilen einer Wissenschaft gehörigen Vernunfterkenntnis voraussetzt.

Es sind daher nur zweierlei Begriffe, welche ebenso viel verschiedene Prinzipien der Möglichkeit ihrer Gegenstände zulassen: nämlich die  Naturbegriffe  und der  Freiheitsbegriff.  Da nun die ersteren eine  theoretische  Erkenntnis nach Prinzipien a priori möglich machen, der zweite aber in Anbetracht derselben nur ein negatives Prinzip (der bloßen Entgegensetzung) schon in seinem Begriff bei sich führt, dagegen für die Willensbestimmung erweiternde Grundsätze, welche darum praktisch heißen, erreichtet: so wird die Philosophie in zwei den Prinzipien nach ganz verschiedene Teile, in die theoretische als  Naturphilosophie  und die praktische als  Moralphilosophie  (denn so wird die praktische Gesetzgebung der Vernunft nach dem Freiheitsbegriff genannt), mit Recht eingeteilt. Es hat aber bisher ein großer Mißbrauch mit diesen Ausdrücken zur Einteilung der verschiedenen Prinzipien und mit ihnen auch der Philosophie geherrscht: indem man das Praktische nach Naturbegriffen mit dem Praktischen nach dem Freiheitsbegriff für einerlei nahm, und so unter denselben Benennungen einer theoretischen und praktischen Philosophie eine Einteilung machte, durch welche (da beide Teile einerlei Prinzipien haben konnten) in der Tat nichts eingeteilt war.

Der Wille als Begehrungsvermögen ist nämlich eine von dem mancherlei Naturursachen in der Welt, was als durch einen Willen möglich (oder notwendig) vorgestellt wird, heißt praktisch-möglich (oder -notwendig); zum Unterschied von der physischen Möglichkeit oder Notwendigkeit einer Wirkung, wozu die Ursache nicht durch Begriffe (sondern, wie bei der leblosen Materie, durch Mechanismen und bei Tieren durch Instinkt) zur Kausalität bestimmt wird. - Hier wird nun in Anbetracht des Praktischen unbestimmt gelassen: ob der Begriff, der der Kausalität des Willens die Regel gibt, ein Naturbegriff oder ein Freiheitsbegriff ist.

Der letztere Unterschied aber ist wesentlich. Denn ist der die Kausalität bestimmende Begriff ein Naturbegriff, so sind die Prinzipien  technisch-praktisch;  ist er aber ein Freiheitsbegriff, so sind diese  moralisch-praktisch;  und weil es in der Einteilung einer Vernunftwissenschaft gänzlich auf diejenige Verschiedenheit der Gegenstände ankommt, deren Erkenntnis verschiedener Prinzipien bedarf, so werden die ersteren zur theoretischen Philosophie (als Naturlehre) gehören, die anderen aber ganz allein den zweiten Teil, nämlich (als Sittenlehre) die praktische Philosophie, ausmachen.

Alle technich-praktischen Regeln (d. h. die der Kunst und Geschicklichkeit überhaupt, oder auch der Klugheit als einer Geschicklichkeit, auf Menschen und ihren Willen Einfluß zu haben), sofern ihre Prinzipien auf Begriffen ruhen, müssen nur als Korollarien [Zusätze - wp] zur theoretischen Philosophie gezählt werden. Denn sie betreffen nur die Möglichkeit der Dinge nach Naturbegriffen, wozu nicht allein die Mittel, die in der Natur dazu anzutreffen sind, sondern selbst der Wille (als Begehrungs-, mithin als Naturvermögen) gehört, sofern er durch Triebfedern der Natur jenen Regeln gemäß bestimmt werden kann. Doch heißen dergleichen praktische Regeln nicht Gesetze (etwa so wie physische), sondern nur Vorschriften; und zwar darum, weil der Wille nicht bloß unter dem Naturbegriff, sondern auch unter dem Freiheitsbegriff steht, in Beziehung auf welchen die Prinzipien desselben Gesetze heißen und mit ihren Folgerungen den zweiten Teil der Philosophie, nämlich den praktischen, allein ausmachen.

So wenig also die Auflösung der Probleme der reinen Geometrie zu einem besonderen Teil derselben gehört, oder die Feldmeßkunst den Namen einer praktischen Geometrie, zum Unterschied von der reinen, als ein zweiter Teil der Geometrie überhaupt verdient: so und noch weniger darf die mechanische oder chemische Kunst der Experimente oder der Beobachtungen für einen praktischen Teil der Naturlehre gehalten, endlich die Haus-, Land-, Staatswirtschaft, die Kunst des Umganges, die Vorschrift der Diätetik, selbst nicht die allgemeine Glückseligkeitslehre, sogar nicht einmal die Bezähmung der Neigungen und Bändigung der Affekte zum Zweck der letzteren, zur praktischen Philosophie gezählt werden, oder die letzteren wohl gar den zweiten Teil der Philosophie überhaupt ausmachen; weil sie insgesamt nur Regeln der Geschicklichkeit, die mithin nur technisch-praktisch sind, enthalten, um eine Wirkung hervorzubringen, die nach Naturbegriffen der Ursachen und Wirkungen möglich ist, welche, da sie zur theoretischen Philosophie gehören, jenen Vorschriften als bloßen Korollarien aus derselben (der Naturwissenschaft) unterworfen sind und also keine Stelle in einer besonderen Philosophie, die praktische genannt, verlangen können. Dagegen machen die moralisch-praktischen Vorschriften, die sich gänzlich auf dem Freiheitsbegriff, mit völliger Ausschließung der Bestimmungsgründe des Willens aus der Natur, gründen, eine ganz besondere Art von Vorschriften aus, welche auch gleich den Regeln, welche die Natur gehorcht, schlechthin Gesetze heißen, aber nicht, wie diese, auf sinnlichen Bedingungen, sondern auf einem übersinnlichen Prinzip beruhen und neben dem theoretischen Teil der Philosophie für sich ganz allein einen anderen Teil, unter dem Namen der praktischen Philosophie, fordern.

Man sieht hieraus, daß ein Inbegriff praktischer Vorschriften, welche die Philosophie gibt, nicht einen besonderen, dem theoretischen zur Seite gesetzten Teil derselben darum ausmacht, weil sie praktisch sind; denn das könnten sie sein, wenn ihre Prinzipien gleich gänzlich aus der theoretischen Erkenntnis der Natur hergenommen wären (als technisch-praktische Regeln); sondern weil und wenn ihr Prinzip gar nicht vom Naturbegriff, der jederzeit sinnlich bedingt ist, entlehnt ist, mithin auf dem Übersinnlichen, welches der Freiheitsbegriff allein durch formale Gesetze kennbar macht, beruth, und sie also moralisch-praktisch, d. h. nicht bloß Vorschriften und Regeln in dieser oder jener Absicht, sondern, ohne vorhergehende Bezugnahme auf Zwecke und Absichten, Gesetze sind.


II.
Vom Gebiet der Philosophie überhaupt

Soweit Begriffe a priori ihre Anwendung haben, so weit reicht der Gebrauch unseres Erkenntnisvermögens nach Prinzipien und mit ihm die Philosophie.

Der Inbegriff aller Gegenstände aber, worauf jene Begriffe bezogen werden, um womöglich eine Erkenntnis derselben zustande zu bringen, kann nach der verschiedenen Zulänglichkeit oder Unzulänglichkeit unserer Vermögen zu dieser Absicht eingeteilt werden.

Begriffe, sofern sie auf Gegenstände bezogen werden, unangesehen ob eine Erkenntnis derselben möglich ist oder nicht, haben ihr Feld, welches bloß nach dem Verhältnis, das ihr Objekt zu unserem Erkenntnisvermögen überhaupt hat, bestimmt wird. - Der Teil dieses Feldes, worin für uns Erkenntnis möglich ist, ist ein Boden  (territorium)  für diese Begriffe und das dazu erforderliche Erkenntnisvermögen. Der Teil des Bodens, worauf diese gesetzgebend sind, ist das Gebiet  (ditio)  dieser Begriffe und der ihnen zustehenden Erkenntnisvermögen. Erfahrungsbegriffe haben also zwar ihren Boden in der Natur, als dem Inbegriff aller Gegenstände der Sinne, aber kein Gebiet (sondern nur ihren Aufenthalt,  domicilium):  weil sie zwar gesetzlich erzeugt werden, aber nicht gesetzgebend sind, sondern die auf sie gegründeten Regeln empirisch, mithin zufällig sind.

Unser gesamtes Erkenntnisvermögen hat zwei Gebiete, das der Naturbegriffe und das des Freiheitsbegriffs; denn durch beide ist es a priori gesetzgebend. Die Philosophie teilt sich nun auch diesem gemäß in die theoretische und die praktische. Aber der Boden, auf welchem ihr Gebiet erreichtet und ihre Gesetzgebung  ausgeübt  wird, ist immer doch nur der Inbegriff der Gegenstände aller möglichen Erfahrung, sofern sie für nichts mehr als bloße Erscheinungen genommen werden; denn ohne das würde keine Gesetzgebung des Verstandes in Anbetracht derselben gedacht werden können.

Die Gesetzgebung durch Naturbegriffe geschieht durch den Verstand und ist theoretisch. Die Gesetzgebung durch den Freiheitsbegriff geschieht von der Vernunft und ist bloß praktisch. Nur allein im Praktischen kann die Vernunft gesetzgebend sein; in Anbetracht der theoretischen Erkenntnis (der Natur) kann sie nur (als gesetzkundig mittels des Verstandes) aus gegebenen Gesetzen durch Schlüsse Folgerungen ziehen, die doch immer nur bei der Natur stehenbleiben. Umgekehrt aber, wo Regeln praktisch sind, ist die Vernunft nicht darum sofort  gesetzgebend,  weil jene auch technisch-praktisch sein können.

Verstand und Vernunft haben also zwei verschiedene Gesetzgebungen auf ein und demselben Boden der Erfahrung, ohne daß eine der anderen einen Eintrag tun darf. Denn so wenig der Naturbegriff auf die Gesetzgebung durch den Freiheitsbegriff Einfluß hat, ebensowenig stört dieser die Gesetzgebung der Natur. - Die Möglichkeit, das Zusammenbestehen beider Gesetzgebungen und der dazu gehörigen Vermögen in demselben Subjekt sich wenigstens ohne Widerspruch zu denken, bewies die Kritik der reinen Vernunft, indem sie die Einwürfe dagegen durch die Aufdeckung des dialektischen Scheins in denselben vernichtete.

Aber daß diese zwei verschiedenen Gebiete, die sich zwar nicht in ihrer Gesetzgebung, aber doch in ihren Wirkungen in der Sinnenwelt unaufhörlich einschränken, nicht  eines  ausmachen, kommt daher, daß der Naturbegriff zwar seine Gegenstände in der Anschauung, aber nicht als Dinge-ansich, sondern als bloße Erscheinungen, der Freiheitsbegriff dagegen in seinem Obekt zwar ein Ding-ansich, aber nicht in der Anschauung vorstellig machen, mithin keiner von beiden eine theoretische Erkenntnis von seinem Objekt (und selbst dem denkenden Subjekt) als Dinge-ansich verschaffen kann, welches das Übersinnliche sein würde, wovon man die Idee zwar der Möglichkeit all jener Gegenstände der Erfahrung unterlegen muß, sie selbst aber niemals zu einer Erkenntnis erheben und erweitern kann.

Es gibt also ein unbegrenztes, aber auch unzugängliches Feld für unser gesamtes Erkenntnisvermögen, nämlich das Feld des Übersinnlichen, worin wir keinen Boden für uns finden, also auf demselben weder für die Verstandes- noch Vernunftbegriffe ein Gebiet zur theoretischen Erkenntnis haben können; ein Feld, welches wir zwar zum Zweck des theoretischen sowohl als auch praktischen Gebrauchs der Vernunft mit Ideen besetzen müssen, denen wir aber in Beziehung auf die Gesetze aus dem Freiheitsbegriff keine andere als eine praktische Realität verschaffen können, wodurch demnach unsere theoretische Erkenntnis nicht im mindesten zum Übersinnlichen erweitert wird.

Obgleich nun eine unübersehbare Kluft zwischen dem Gebiet des Naturbegriffs, als dem Sinnlichen, und dem Gebiet des Freiheitsbegriffs, als dem Übersinnlichen, befestigt ist, so daß vom ersteren zum anderen (also mittels des theoretischen Gebrauchs der Vernunft) kein Übergang möglich ist, gleich als ob es soviele verschiedene Welten wären, deren erste auf die zweite keinen Einfluß haben kann: so  soll  doch diese auf jene einen Einfluß haben: nämlich der Freiheitsbegriff soll den durch seine Gesetze aufgegebenen Zweck in der Sinnenwelt wirklich machen, und die Natur muß folglich auch so gedacht werden können, daß die Gesetzmäßigkeit ihrer Form zumindest zur Möglichkeit der in ihr zu bewirkenden Zwecke nach Freiheitsgesetzen zusammenstimmt. - Also muß es doch einen Grund der  Einheit  des Übersinnlichen, welches der Natur zugrunde liegt, mit dem, was der Freiheitsbegriff praktisch enthält, geben, wovon der Begriff, wenngleich er weder theoretisch noch praktisch zu einer Erkenntnis desselben gelangt, mithin kein eigentümliches Gebiet hat, dennoch den Übergang von der Denkungsart nach den Prinzipien der einen zu der nach Prinzipien der anderen möglich macht.


III.
Von der Kritik der Urteilskraft
als einem Verbindungsmittel der zwei Teile
der Philosophie zu einem Ganzen

Die Kritik der Erkenntnisvermögen in Anbetracht dessen, was sie a priori leisten können, hat eigentlich kein Gebiet in Anbetracht der Objekte: weil sie keine Doktrin ist, sondern nur, ob und wie, nach der Bewandtnis, die es mit unseren Vermögen hat, eine Doktrin durch sie möglich ist, zu untersuchen hat. Ihr Feld erstreckt sich auf alle Anmaßungen derselben, um sie in die Grenzen ihrer Rechtmäßigkeit zu setzen. Was aber nicht in die Einteilung der Philosophie kommen kann, das kann doch, als ein Hauptteil, in die Kritik des reinen Erkenntnisvermögens überhaupt kommen, wenn es nämlich Prinzipien enthält, die für sich weder zum theoretischen noch praktischen Gebrauch tauglich sind.

Die Naturbegriffe, welche den Grund zu aller theoretischen Erkenntnis a priori enthalten, beruhten auf der Gesetzgebung des Verstandes. - Der Freiheitsbegriff, der den Grund zu allen sinnlich-unbedingen praktischen Vorschriften a priori enthielt, beruhte auf der Gesetzgebung der Vernunft. Beide Vermögen also haben außer dem, daß sie der logischen Form nach auf Prinzipien, welchen Ursprungs sie auch sein mögen, angewandt werden können, überdem noch jedes seine eigene Gesetzgebung dem Inhalt nach, über die es keine andere (a priori) gibt, und die daher die Einteilung der Philosophie in die theoretische und praktische rechtfertigt.

Allein in der Familie der oberen Erkenntnisvermögen gibt es doch noch ein Mittelglied zwischen dem Verstand und der Vernunft. Dieses ist die  Urteilskraft,  von welcher man Ursache hat, nach der Analogie zu vermuten, daß sie ebensowohl, wenngleich keine eigene Gesetzgebung, so doch ein ihr eigenes Prinzip nach Gesetzen zu suchen, allenfalls ein bloß subjektives, a priori in sich enthalten dürfte; welches, wenngleich ihm kein Feld der Gegenstände als sein Gebiet zustände, doch irgendeinen Boden haben kann und eine gewisse Beschaffenheit desselben, wofür gerade nur dieses Prinzip geltend sein möchte.

Hierzu kommt aber noch (nach der Analogie zu urteilen) ein neuer Grund, die Urteilskraft mit einer anderen Ordnung unserer Vorstellungskräfte in Verknüpfung zu bringen, welche von noch größerer Wichtigkeit zu sein scheint, als die der Verwandtschaft mit der Familie der Erkenntnisvermögen. Denn alle Seelenvermögen oder Fähigkeiten können auf die drei zurückgeführt werden, welche sich nicht ferner aus einem gemeinschaftlichen Grund ableiten lassen: das  Erkenntnisvermögen,  das  Gefühl der Lust und Unlust,  und das  Begehrungsvermögen  (1). Für das Erkenntnisvermögen ist allein der Verstand gesetzgebend, wenn jenes (wie es auch geschehen muß, wenn es für sich, ohne Vermischung mit dem Begehrungsvermögen, betrachtet wird) als Vermögen einer  theoretischen Erkenntnis  auf die Natur bezogen wird, in Anbetracht deren allein (als Erscheinung) es uns möglich ist, durch Naturbegriffe a priori, welche eigentlich reine Verstandesbegriffe sind, Gesetze zu geben. - Für das Begehrungsvermögen, als ein oberes Vermögen nach dem Freiheitsbegriff, ist allein die Vernunft (in der allein dieser Begriff stattfindet) a priori gesetzgebend. - Nun ist zwischen dem Erkenntnis- und dem Begehrungsvermögen das Gefühl der Lust, so wie zwischen dem Verstand und der Vernunft die Urteilskraft, enthalten. Es ist also zumindest vorläufig zu vermuten, daß die Urteilskraft ebensowohl für sich ein Prinzip a priori enthält, und da mit dem Begehrungsvermögen notwendig Lust oder Unlust verbunden ist, (es sei, daß sie, wie beim unteren) vor dem Prinzip desselben vorhergeht, oder wie beim oberen, nur aus der Bestimmung desselben durch das moralische Gesetz folgt) ebensowohl einen Übergang vom reinen Erkenntnisvermögen, d. h. vom Gebiet der Naturbegriffe, zum Gebiet des Freiheitsbegriff bewirken wird, als sie im logischen Gebrauch den Übergang vom Verstand zur Vernunft möglich macht.

Obgleich lso die Philosophie nur in zwei Hauptteile, die theoretische und praktische, eingeteilt werden kann; obgleich alles, was wir von den eigenen Prinzipien der Urteilskraft zu sagen haben möchten, in ihr zum theoretischen Teil, d. h. der Vernunfterkenntnis nach Naturbegriffen gezählt werden müßte: so besteht doch die Kritik der reinen Vernunft, die all das vor der Unternehmung jenes Systems, zum Zweck der Möglichkeit desselben, ausmachen muß, aus drei Teilen: der Kritik des reinen Verstandes, der reinen Urteilskraft und der reinen Vernunft, welche Vermögen darum rein genannt werden, weil sie a priori gesetzgebend sind.


IV.
Von der Urteilskraft als einem a priori
gesetzgebenden Vermögen

Urteilskraft überhaupt ist das Vermögen, das Besondere als enthalten im Allgemeinen zu denken. Ist das Allgemeine (die Regel, das Prinzip, das Gesetz) gegeben, so ist die Urteilskraft, welche das Besondere darunter subsumiert, (auch, wenn sie als transzendentale Urteilskraft a priori die Bedingungen angibt, welchen gemäß allein unter jenem Allgemeinen subsumiert werden kann)  bestimmend.  Ist aber nur das Besondere gegeben, wozu sie das Allgemeine finden soll, so ist die Urteilskraft bloß  reflektierend. 

Die bestimmende Urteilskraft unter allgemeinen transzendentalen Gesetzen, die der Verstand gibt, ist nur subsumierend; das Gesetz ist ihr a priori vorgezeichnet, und sie hat also nicht nötig, für sich selbst auf ein Gesetz zu denken, um das Besondere in der Natur dem Allgemeinen unterordnen zu können. - Allein es sind so mannigfaltige Formen der Natur, gleichsam so viele Modifikationen der allgemeinen transzendentalen Naturbegriffe, die durch jene Gesetze, welche der reine Verstan a priori gibt, weil dieselben nur auf die Möglichkeit einer Natur (als Gegenstandes der Sinne) überhaupt gehen, unbestimmt gelassen werden, daß dafür doch auch Gesetze sein müssen, die zwar, als empirische, nach  unserer  Verstandeseinsicht zufällig sein mögen, die aber doch, wenn sie Gesetze heißen sollen (wie es auch der Begriff einer Natur erfordert), aus einem, wenngleich uns unbekannten, Prinzip der Einheit des Mannigfaltigen als notwendig angesehen werden müssen. - Die reflektierende Urteilskraft, die vom Besonderen in der Natur zum Allgemeinen aufzusteigen die Obliegenheit hat, bedarf also eines Prinzips, welches sie nicht von der Erfahrung entlehnen kann, weil es eben die Einheit aller empirischen Prinzipien unter gleichfalls empirischen, aber höheren Prinzipien und also die Möglichkeit der systematischen Unterordnung derselben untereinander begründen soll. Ein solches transzendentales Prinzip kann also die reflektierende Urteilskraft sich nur selbst als Gesetz geben, nicht anderwärts hernehmen (weil sie sonst eine bestimmende Urteilskraft sein würde), noch der Natur vorschreiben: weil die Reflexion über die Gesetze der Natur sich nach der Natur, und diese sich nicht nach den Bedingungen richtet, nach welchen wir einen in Anbetracht dieser ganz zufälligen Begriff von ihr zu erwerben trachten.

Nun kann dieses Prinzip kein anderes sein, als daß, da allgemeine Naturgesetze ihren Grund in unserem Verstand haben, der sie der Natur (obgleich nur nach dem allgemeinen Begriff von ihr als Natur) vorschreibt, die besonderen empirischen Gesetze in Anbetracht dessen, was in ihnen durch jene unbestimmt gelassen ist, nach einer solchen Einheit betrachtet werden müssen, als ob gleichfalls ein Verstand (wenngleich nicht der unsrige) sie zum Zweck unserer Erkenntnisvermögen, um ein System der Erfahrung nach besonderen Naturgesetzen möglich zu machen, gegeben hätte. Nicht, als wenn auf diese Art wirklich ein solcher Verstand angenommen werden müßte (denn es ist nur die reflektierende Urteilskraft, der diese Idee zum Prinzip dient, zum Reflektieren, nicht zum Bestimmen); sondern dieses Vermögen gibt sich dadurch nur selbst und nicht der Natur ein Gesetz.

Weil nun der Begriff von einem Objekt, sofern er zugleich den Grund der Wirklichkeit dieses Objekts enthält, der  Zweck und die Übereinstimmung eines Dings mit derjenigen Beschaffenheit der Dinge, die nur nach Zwecken möglich ist, die  Zweckmäßigkeit  der Form derselben heißt: so ist das Prinzip der Urteilskraft, in Anbetracht der Form der Dinge der Natur unter empirischen Gesetzen überhaupt, die  Zweckmäßigkeit der Natur  in ihrer Mannigfaltigkeit. Das heißt die Natur wird durch diesen Begriff so vorgestellt, als ob ein Verstand den Grund der Einheit des Mannigfaltigen ihrer empirischen Gesetze enthält.

Die Zweckmäßigkeit der Natur ist also ein besonderer Begriff a priori, der lediglich in der reflektierenden Urteilskraft seinen Ursprung hat. Denn den Naturprodukten kann man so etwas, als Beziehung der Natur an ihnen auf Zwecke, nicht beilegen, sondern diesen Begriff nur brauchen, um über sie in Anbetracht der Verknüpfung der Erscheinungen in ihr, die nach empirischen Gesetzen gegeben ist, zu reflektieren. Auch ist dieser Begriff von der praktischen Zweckmäßigkeit (der menschlichen Kunst oder auch der Sitten) ganz unterschieden, obgleich er nach einer Analogie mit derselben gedacht wird.


V.
Das Prinzip der formalen Zweckmäßigkeit
der Natur ist ein transzendentales Prinzip
der Urteilskraft

Ein transzendentale Prinzip ist dasjenige, durch welches die allgemeinen Bedingung a priori vorgestellt wird, unter der allein Dinge Objekte unserer Erkenntnis überhaupt werden können. Dagegen heißt ein Prinzip metaphysisch, wenn es die Bedingung a priori vorstellt, unter der allein Objekte, deren Begriff empirisch gegeben sein muß, a priori weiter bestimmt werden können. So ist das Prinzip der Erkenntnis der Körper als Substanzen und als veränderlicher Substanzen transzendental, wenn dadurch gesagt wird, daß ihre Veränderung eine Ursache haben muß; es ist aber metaphysisch, wenn dadurch gesagt wird, ihre Veränderung muß eine  äußere  Ursache haben: weil im ersteren Fall der Körper nur durch ontologische Prädikate (reine Verstandesbegriffe), z. B. als Substanz, gedacht werden darf, um den Satz a priori zu erkennen; im zweiten aber der empirische Begriff eines Körpers (als eines beweglichen Dings im Raum) diesem Satz zugrunde gelegt werden muß, alsdann aber, daß dem Körper das letztere Prädikat (der Bewegung nur durch eine äußere Ursache) zukommt, völlig a priori eingesehen werden kann. - So ist, wie ich sogleich zeigen werde, das Prinzip der Zweckmäßigkeit der Natur (in der Mannigfaltigkeit ihrer empirischen Gesetze) ein transzendentales Prinzip. Denn der Begriff von den Objekten, sofern sie als unter diesem Prinzip stehend gedacht werden, ist nur der reine Begriff von Gegenständen der möglichen Erfahrungserkenntnis überhaupt und enthält nichts Empirische. Dagegen wäre das Prinzip der praktischen Zweckmäßigkeit, die in der Idee der  Bestimmung  eines freien  Willens  gedacht werden muß, ein metaphysisches Prinzip; weil der Begriff eines Begehrungsvermögens als eines Willens doch empirisch gegeben werden muß (nicht zu den transzendentalen Prädikaten gehört). Beide Prinzipien sind aber dennoch nicht empirisch, sondern Prinzipien a priori: weil es zur Verbindung des Prädikats mit dem empirischen Begriff des Subjekts ihrer Urteile keiner weiteren Erfahrung bedarf, sondern jene völlig a priori eingesehen werden kann.

Daß der Begriff der Zweckmäßigkeit der Natur zu den transzendentalen Prinzipien gehört, kann man aus dem Maximen der Urteilskraft, die der Nachforschung der Natur a priori zugrunde gelegt werden, und die dennoch auf nichts als die Möglichkeit der Erfahrung, mithin der Erkenntnis der Natur, aber nicht bloß als Natur überhaupt, sondern als durch eine Mannigfaltigkeit besonderer Gesetze bestimmten Natur, gehen, hinreichend ersehen. - Sie kommen, als Sentenzen der metaphysischen Weisheit, bei Gelegenheit mancher Regeln, deren Notwendigkeit man nicht aus Begriffen dartun kann, im Laufe dieser Wissenschaft oft genug, aber nur zerstreut vor. "Die Natur nimmt den kürzesten Weg  (lex parsimoniae);  sie tut gleichwohl keinen Sprung, weder in der Folge ihrer Veränderungen noch der Zusammenstellung spezfisch verschiedener Formen  (lex continui in natura);  ihre große Mannigfaltigkeit in empirischen Gesetzen ist gleichwohl eine Einheit unter wenigen Prinzipien  (principia praeter necessitatem non sunt multiplicanda  [Wesenheiten dürfen nicht über das Notwendige hinaus vermehrt werden. - wp]); und dgl. mehr.

Wenn man aber von diesen Grundsätzen den Ursprung anzugeben denkt und es auf dem psychologischen Weg versucht, so ist dies dem Sinne derselben gänzlich zuwider. Denn sie sagen nicht, was geschieht, d. h. nach welcher Regel unsere Erkenntniskräfte ihr Spiel wirklich treiben, und wie geurteilt wird, sondern wie geurteilt werden soll; und da kommt diese logische objektive Notwendigkeit nicht heraus, wenn die Prinzipien bloß empirisch sind. Also ist die Zweckmäßigkeit der Natur für unsere Erkenntnisvermögen und ihren Gebrauch, welche offenbar hervorleuchtet, ein transzendentales Prinzip der Urteile, und bedarf also auch einer transzendentalen Deduktion, mittels deren der Grund, so zu urteilen, in den Erkenntnisquellen a priori aufgesucht werden muß.

Wir finden nämlich in den Gründen der Möglichkeit einer Erfahrung zuerst freilich etwas Notwendiges, nämlich die allgemeinen Gesetze, ohne welche Natur überhaupt (als Gegenstand der Sinne) nicht gedacht werden kann; und diese beruhen auf den Kategorien, angewandt auf die formalen Bedingungen aller uns möglichen Anschauung, sofern sie gleichfalls a priori gegeben ist. Unter diesen Gesetzen nun ist die Urteilskraft bestimmend; denn sie hat nichts zu tun, als unter gegebenen Gesetzen zu subsumieren. Zum Beispiel sagt der Verstand: alle Veränderung hat ihre Ursache (allgemeines Naturgesetz); die transzendentale Urteilskraft hat nun nichts weiter zu tun, als die Bedingung der Subsumtion unter dem vorgelegten Verstandesbegriff a priori anzugeben; und das ist die Sukzession der Bestimmungen ein und desselben Dings. Für die Natur nun überhaupt (als Gegenstand möglicher Erfahrung) wird jenes Gesetz als schlechterdings notwendig erkannt. - Nun sind aber die Gegenstände der empirischen Erkenntnis, außer jener formalen Zeitbedingung, noch auf mancherlei Art bestimmt oder, soviel man a priori urteilen kann, bestimmbar, so daß spezfisch-verschiedene Naturen außer em, was sie als Natur überhaupt gehörig gemein haben, noch auf unendlich mannigfaltige Weise Ursache sein können; und eine jede dieser Arten muß (nach dem Begriff einer Ursache überhaupt) ihre Regel haben, die Gesetz ist, mithin eine Notwendigkeit bei sich führt, obgleich wir, nach der Beschaffenheit und den Schranken unserer Erkenntnisvermögen, diese Notwendigkeit gar nicht einsehen. Also müssen wir in der Natur, in Anbetracht ihrer bloß empirischen Gesetze, eine Möglichkeit unendlich mannigfaltiger empirischer Gesetze denken, die für unsere Einsicht dennoch zufällig sind (a priori nicht erkannt werden können); und in deren Betrachtung beurteilen wir die Natureinheit nach empirischen Gesetzen und die Möglichkeit der Einheit der Erfahrung (als Systems nach empirischen Gesetzen) als zufällig. Weil aber doch eine solche Einheit notwendig vorausgesetzt und angenommen werden muß, da sonst kein durchgängiger Zusammenhang empirischer Erkenntnisse zu einem Ganzen der Erfahrung stattfinden würde, indem die allgemeinen Naturgesetze zwar einen solchen Zusammenhang unter den Dingen ihrer Gattung nach als Naturdinge überhaupt, aber nicht spezifisch, als solche besondere Naturwesen, an die Hand geben, so muß die Urteilskraft für ihren eigenen Gebrauch es als Prinzip a priori annehmen, daß das für die menschliche Einsicht Zufällige in den besonderen (empirischen) Naturgesetzen dennoch eine für uns zwar nicht zu ergründende, aber doch denkbare gesetzliche Einheit in der Verbindung ihres Mannigfaltien zu einer ansich möglichen Erfahrung enthält. Folglich, weil die gesetzliche Einheit in einer Verbindung, die wir zwar einer notwendigen Absicht (einem Bedürfnis) des Verstandes gemäß, aber zugleich doch als ansich zufällig erkennen, als Zweckmäßigkeit der Objekte (hier der Natur) vorgestellt wird: so muß die Urteilskraft, die in Anbetracht der Dinge unter möglichen (noch zu entdeckenden) empirischen Gesetzen bloß reflektierend ist, die Natur in Anbetracht der letzteren nach einem  Prinzip der Zweckmäßigkeit  für unser Erkenntnisvermögen denken, welches dann in den obigen Maximen der Urteilskraft ausgedrückt wird. Dieser transzendentale Begriff einer Zweckmäßigkeit der Natur ist nun weder ein Naturbegriff noch ein Freiheitsbegriff, weil er gar nichts dem Objekt (der Natur) beilegt, sondern nur die einzige Art, wie wir in der Reflexion über die Gegenstände der Natur in Absicht auf eine durchgängige zusammenhängende Erfahrung verfahren müssen, vorstellt, folglich ein subjektives Prinzip (Maxime) der Urteilskraft; daher wir auch, gleich als ob es ein glücklicher, unsere Absicht begünstigender Zufall wäre, erfreut (eigentlich eines Bedürfnisses entledigt) werden, wenn wir eine solche systematische Einheit unter bloß empirischen Gesetzen antreffen: obgleich wir notwendig annehmen mußten, es sei eine solche Einheit, ohne daß wir sie doch einzusehen und zu beweisen vermochten.

Um sich von der Richtigkeit dieser Deduktion des vorliegenden Begriffs und der Notwendigkeit, ihn als transzendentales Erkenntnisprinzip anzunehmen, zu überzeugen, bedenke man nur die Größe der Aufgabe: aus gegebenen Wahrnehmungen einer allenfalls eine unendliche Mannigfaltigkeit empirischer Gesetze enthaltenden Natur eine zusammenhängende Erfahrung zu machen, welche Aufgabe a priori in unserem Verstand liegt. Der Verstand ist zwar a priori im Besitz allgemeiner Gesetze der Natur, ohne welche sie gar kein Gegenstand einer Erfahrung sein könnte; aber er bedarf doch auch überdem noch einer gewissen Ordung der Natur, in den besonderen Regeln derselben, die ihm nur empirisch bekannt werden können, und die in Anbetracht seiner zufällig sind. Diese Regeln, ohne welche kein Fortgang von der allgemeinen Analogie einer möglichen Erfahrung überhaupt zur besonderen stattfinden würde, muß er sich als Gesetze (d. h. als notwendig) denken; weil sie sonst keine Naturordnung ausmachen würden, obgleich er ihre Notwendigkeit nicht erkennt oder jemals einsehen könnte. Obgleich er also in Anbetracht derselben (Objekte) a priori nichts bestimmen kann, so muß er doch, um diesen empirischen sogenannten Gesetzen nachzugehen, ein Prinzip a priori, daß nämlich nach ihnen eine erkennbare Ordnung der Natur möglich ist, aller Reflexion über dieselbe zugrunde legen, dergleichen Prinzip nachfolgende Sätze ausdrücken: daß es in ihr eine für uns faßliche Unterordnung von Gattungen und Arten gibt; daß jene sich einander wiederum nach einem gemeinschaftlichen Prinzip nähern, damit ein Übergang von einer zur anderen und dadurch zu einer höheren Gattung möglich ist; daß, da für die spezifische Verschiedenheit der Naturwirkungen ebensoviele verschiedene Arten der Kausalität annehmen zu müssen, unserem Verstand anfänglich unvermeidlich scheint, sie dennoch unter einer geringen Zahl von Prinzipien stehen mögen, mit deren Aufsuchung wir uns zu beschäftigen haben usw. Diese Zusammenstimmung der Natur zur unserem Erkenntnisvermögen wird von der Urteilskraft, zum Zweck ihrer Reflexion über dieselbe nach ihren empirischen Gesetzen, a priori vorausgesetzt; indem sie der Verstand zugleich objektiv als zufällig anerkennt, und bloß die Urteilskraft sie der Natur als transzendentale Zweckmäßigkeit (in Bezug auf das Erkenntnisvermögen des Subjekts) beilegt; weil wir, ohne diese vorauszusetzen, keine Ordnung der Natur nach empirischen Gesetzen, mithin keinen Leitfaden für eine mit diesen nach all ihrer Mannigfaltigkeit anzustellende Erfahrung und Nachforschung derselben haben würden.

Denn es läßt sich wohl denken, daß ungeachtet all der Gleichförmigkeit der Naturdinge nach den allgemeinen Gesetzen, ohne welche die Form einer Erfahrungserkenntnis überhaupt gar nicht stattfinden würde, die spezifische Verschiedenheit der empirischen Gesetze der Natur samt ihren Wirkungen dennoch so groß sein könnte, daß es für unseren Verstand unmöglich wäre, in ihr eine faßliche Ordnung zu entdecken, ihre Produkte in Gattungen und Arten einzuteilen, um die Prinzipien der Erklärung und des Verständnisses des einen auch zur Erklärung und Begreifung des anderen zu gebrauchen, und aus einem für uns so verworrenen (eigentlich nur unendlich mannigfaltigen, unserer Fassungskraft nicht angemessenen) Stoffe eine zusammenhängende Erfahrung zu machen.

Die Urteilskraft hat also auch ein Prinzip a priori für die Möglichkeit der Natur, aber nur in subjektiver Rücksicht, in sich, wodurch sie nicht der Natur (als Autonomie), sondern ihr selbst (als Heautonomie [Selbstgesetzgebung - wp]) für die Reflexion über jene ein Gesetz vorschreibt, welche man das  Gesetz der Spezifikation der Natur  in Anbetracht ihrer empirischen Gesetze nennen könnte, das sie a priori an ihr nicht erkennt, sondern zum Zweck einer für unseren Verstand erkennbaren Ordnung derselben in der Einteilung, die sie von ihren allgemeinen Gesetzen macht, annimmt, wenn sie diesen eine Mannigfaltigkeit der besonderen unterordnen will. Wenn man also sagt: die Natur spezifiziert ihre allgemeinen Gesetze nach dem Prinzip der Zweckmäßigkeit für unser Erkenntnisvermögen, d. h. zur Angemessenheit mit dem menschlichen Verstand in seinem notwendigen Geschäft, zum Besonderen, welches ihm die Wahrnehmung darbietet, das Allgemeine, und zum Verschiedenen (für jede Spezies zwar Allgemeinen) wiederum eine Verknüpfung in der Einheit des Prinzips zu finden: so schreibt man dadurch weder der Natur ein Gesetz vor, noch lernt man eines von ihr durch Beobachtung (obgleich jenes Prinzip durch diese bestätigt werden kann). Denn es ist kein Prinzip der bestimmenden, sondern bloß der reflektierenden Urteilskraft; man will nur, daß man, die Natur mag ihren allgemeinen Gesetzen nach eingerichtet sein, wie sie will, durchaus nach jenem Prinzip und den sich darauf gründenden Maximen ihren emprischen Gesetzen nachspüren muß, weil wir nur so weit, als jenes stattfindet, mit dem Gebrauch unseres Verstandes in der Erfahrung fortkommen und Erkenntnis erwerben können.


VI.
Von der Verbindung des Gefühls der Lust
mit den Begriff der Zweckmäßigkeit der Natur.

Die gedachte Übereinstimmung der Natur in der Mannigfaltigkeit ihrer besonderen Gesetze zu unserem Bedürfnis, Allgemeinheit der Prinzipien für sie aufzufinden, muß nach all unserer Einsicht als zufällig beurteilt werden, gleichwohl aber doch für unser Verstandesbedürfnis als unentbehrlich, mithin als Zweckmäßigkeit, wodurch die Natur mit unserer, aber nur auf Erkenntnis gerichteten, Absicht übereinstimmt. - Die allgemeinen Gesetze des Verstandes, welche zugleich Gesetze der Natur sind, sind derselben ebenso notwendig (obgleich aus Spontaneität entsprungen), wie die Bewegungsgesetze der Materie; und ihre Erzeugung setzt keine Absicht mit unseren Erkenntnisvermögen voraus, weil wir nur durch dieselben von dem, was Erkenntnis der Dinge (der Natur) ist, zuerst einen Begriff erhalten, und sie der Natur, als Objekt unserer Erkenntnis überhaupt, notwendig zukommen. Allein daß die Ordnung der Natur nach ihren besonderen Gesetzen, bei all unserer Fassungskraft übersteigenden, wenigstens möglichen Mannigfaltigkeit und Ungleichartigkeit, doch dieser wirklich angemessen sei, ist, soviel wir einsehen können, zufällig; und die Auffindung derselben ist ein Geschäft des Verstandes; welches mit Absicht zu einem notwendigen Zweck desselben, nämlich Einheit der Prinzipien in sie hineinzubringen, geführt wird; welchen Zweck dann die Urteilskraft der Natur beilegen muß, weil der Verstand ihr hierüber kein Gesetz vorschreiben kann.

Die Erreichung jeder Absicht ist mit dem Gefühl der Lust verbunden; und ist die Bedingung der ersteren eine Vorstellung a priori, wie hier ein Prinzip für die reflektierende Urteilskraft überhapt, so ist das Gefühl der Lust auch durch einen Grund a priori und für jedermann gültig bestimmt; und zwar bloß durch die Beziehung des Objekts auf das Erkenntnisvermögen, ohne daß der Begriff der Zweckmäßigkeit hier im mindesten auf das Begehrungsvermögen Rücksicht nimmt und sich also von aller praktischen Zweckmäßigkeit der Natur gänzlich unterscheidet.

In der Tat, da wir von einem Zusammentreffen der Wahrnehmungen mit den Gesetzen nach allgemeinen Naturbegriffen (den Kategorien) nicht die mindeste Wirkung auf das Gefühl der Lust in uns antreffen, auch nicht antreffen können, weil der Verstand damit unabsichtlich nach seiner Natur notwendig verfährt: so ist andererseits die entdeckte Vereinbarkeit zweier oder mehrerer empirischen heterogener Naturgesetze unter einem sie beide auffassenden Prinzip der Grund einer sehr merklichen Lust, oft sogar einer Bewunderung, selbst einer solchen, die nicht aufhört, obgleich man schon mit dem Gegenstand derselben genug bekannt ist. Zwar spüren wir an der Faßlichkeit der Natur und ihrer Einheit der Abteilungen in Gattungen und Arten, wodurch allein empirische Begriffe möglich sind, durch welche wir sie nach ihren besonderen Gesetzen erkennen, keine merkliche Lust mehr; aber sie ist gewiß zu ihrer Zeit gewesen, und nur weil die gemeinste Erfahrung ohne sie nicht möglich sein würde, ist sie allmählich mit der bloßen Erkenntnis vermischt und nicht mehr besonders bemerkt worden. - Es gehört also etwas, das in der Beurteilung der Natur auf die Zweckmäßigkeit derselben für unseren Verstand aufmerksam macht, ein Studium, ungleichartige Gesetze derselben womöglich unter höhere, obwohl immer noch empirische, zu bringen, dazu, um, wenn es gelingt, an dieser Einstimmung derselben für unser Erkenntnisvermögen, die wir als bloß zufällig ansehen, Lust zu empfinden. Dagegen würde uns eine Vorstellung der Natur durchaus mißfallen, durch welche man uns vorhersagt, daß bei der mindesten Nachforschung über die gemeinste Erfahrung hinaus wir auf eine Heterogenität ihrer Gesetze stoßen würden, welche die Vereinigung ihrer besonderen Gesetze unter allgemeinen empirischen für unseren Verstand unmöglich macht; weil dies dem Prinzip der subjektiv-zweckmäßigen Spezifikation der Natur in ihren Gattungen und unserer reflektierenden Urteilskraft in der Absicht der letzteren widerstreitet.

Diese Voraussetzung der Urteilskraft ist gleichwohl darüber so unbestimmt, wie weit jene idealische Zweckmäßigkeit der Natur für unser Erkenntnisvermögen ausgedehnt werden soll, daß, wenn man uns sagt, eine tiefere oder ausgebreitetere Kenntnis der Natur durch Beobachtung müsse zuletzt auf eine Mannigfaltigkeit von Gesetzen stoßen, die kein menschlicher Verstand auf ein Prinzip zurückführen kann, wir es auch zufrieden sind; obgleich wir es lieber hören, wenn andere uns Hoffnung geben, daß, je mehr wir die Natur im Inneren kennen würden, oder mit äußeren uns jetzt unbekannten Gliedern vergleichen könnten, wir sie in ihren Prinzipien um desto einfacher und bei der scheinbaren Heterogenität ihrer empirischen Gesetze einhelliger finden würden, je weiter unsere Erfahrung fortschreitet. Denn es ist ein Geheiß unserer Urteilskraft, nach dem Prinzip der Angemessenheit der Natur zu unserem Erkenntnisvermögen zu verfahren, soweit es reicht, ohne (weil es keine bestimmende Urteilskraft ist, die uns diese Regel gibt) auszumachen, ob es irgendwo seine Grenzen hat oder nicht; weil wir zwar in Anbetracht des rationalen Gebrauchs unserer Erkenntnisvermögen Grenzen bestimmen können, auf empirischem Feld aber keine Grenzbestimmung möglich ist.


VII.
Von der ästhetischen Vorstellung der
Zweckmäßigkeit der Natur

Was an der Vorstellung eines Objekts bloß subjektiv ist, d. h. ihre Beziehung auf das Subjekt, nicht auf den Gegenstand, ausmacht, ist die ästhetische Beschaffenheit derselben; was aber an ihr zur Bestimmung des Gegenstandes (zur Erkenntnis) dient oder gebraucht werden kann, ist ihre logische Gültigkeit. In der Erkenntnis eines Gegenstandes der Sinne kommen beide Beziehungen zusammen vor. In der Sinnenvorstellung der Dinge außer mir ist die Qualität des Raumes, worin wir sie anschauen, das bloß Subjektive meiner Vorstellung derselben (wodurch, was sie als Objekte ansich sein mögen, unausgemacht bleibt), um welcher Beziehung willen der Gegenstand auch dadurch bloß als Erscheinung gedacht wird; der Raum ist aber, seiner bloß subjektiven Qualität ungeachtet, gleichwohl doch ein Erkenntnsstück der Dinge als Erscheinungen.  Empfindung  (hier die äußere) drückt ebensowohl das bloß Subjektive unserer Vorstellungen der Dinge außerhalb von uns aus, aber eigentlich das Materielle (Reale) derselben (wodurch etwas Existierendes gegeben wird), so wie der Raum die bloße Form a priori der Möglichkeit ihrer Anschauung; und gleichwohl wird jene auch zur Erkenntnis der Objekte außerhalb von uns gebraucht.

Dasjenige Subjektive aber an einer Vorstellung,  was gar kein Erkenntnisstück werden kann,  ist die mit ihr verbundene  Lust  oder  Unlust;  denn durch sie erkenne ich nichts am Gegenstand der Vorstellung, obgleich sie wohl die Wirkung irgendeiner Erkenntnis sein kann. Nun ist die Zweckmäßigkeit eines Dings, sofern sie in der Wahrnehmung vorgestellt wird, auch keine Beschaffenheit des Objekts selbst (denn eine solche kann nicht wahrgenommen werden), ogleich sie aus einer Erkenntnis der Dinge gefolgert werden kann. Die Zweckmäßigkeit also, die vor der Erkenntnis eines Objekts vorhergeht, ja sogar, ohne die Vorstellung desselben zu einer Erkenntnis brauchen zu wollen, gleichwohl mit ihr unmittelbar verbunden wird, ist das Subjektive derselben, was gar kein Erkenntnisstück werden kann. Also wird der Gegenstand alsdann nur darum zweckmäßig genannt, weil seine Vorstellung unmittelbar mit dem Gefühl der Lust verbunden ist; und diese Vorstellung selbst ist eine ästhetische Vorstellung der Zweckmäßigkeit. - Es fragt sich nur, ob es überhaupt eine solche Vorstellung der Zweckmäßigkeit gibt.

Wenn mit der bloßen Auffassung  (apprehensio)  der Form eines Gegenstandes der Anschauung, ohne eine Beziehung derselben auf einen Begriff zu einer bestimmten Erkenntnis, Lust verbunden ist: so wird die Vorstellung dadurch nicht auf das Objekt, sondern lediglich auf das Subjekt bezogen; und die Lust kann nichts andrees als die Angemessenheit desselben zu den Erkenntnisvermögen, die in der reflektierenden Urteilskraft im Spiel sind, und sofern sie darin sind, also bloß eine subjektive formale Zweckmäßigkeit des Objekts ausdrücken. Denn jene Auffassung der Formen in die Einbildungskraft kann niemals geschehen, ohne daß die reflektierende Urteilskraft, auch unabsichtlich, sie zumindest mit ihrem Vermögen, Anschauungen auf Begriffe zu beziehen, vergleicht. Wenn nun in dieser Vergleichung die Einbildungskraft (als Vermögen der Anschauungen a priori) zum Verstand (als Vermögen der Begriffe) durch eine gegebene Vorstellung unabsichtlich in Einstimmung versetzt und dadurch ein Gefühl der Lust erweckt wird, so muß der Gegenstand alsdann als zweckmäßig für die reflektierende Urteilskraft angesehen werden. Ein solches Urteil ist ein ästhetisches Urteil über die Zweckmäßigkeit des Objekts, welches sich auf keinem vorhandenen Begriff vom Gegenstand gründet und keinen von ihm verschafft. Wesen Gegenstandes Form (nicht das Materialle seiner Vorstellung, als Empfindung) in der bloßen Reflexion über dieselbe (ohne Absicht auf einen von ihm zu erwerbenden Begriff) als der Grund einer Lust an der Vorstellung eines solchen Objekts beurteilt wird, mit dessen Vorstellung wird diese Lust auch als notwendig verbunden geurteilt, folglich als nicht bloß für das Subjekt, welches diese Form auffaßt, sondern für jeden Urteilenden überhaupt. Der Gegenstand heißt alsdann schön; und das Vermögen, durch eine solche Lust (folglich auch allgemeingültig) zu urteilen, der Geschmack. Denn da der Grund der Lust bloß in der Form des Gegenstandes für die Reflexion überhaupt, mithin in keiner Empfindung des Gegenstandes auch ohne Beziehhung auf einen Begriff, der irgendeine Absicht enthielte, gesetzt wird: so ist es allein die Gesetzmäßigkeit im empirischen Gebrauch der Urteilskraft überhaupt (Einheit der Einbildungskraft mit dem Verstand) im Subjekt, mit der die Vorstellung des Objekts in der Reflexion, deren Bedingungen a priori allgemein gelten, zusammenstimmt; und da diese Zusammenstimmung des Gegenstandes mit den Vermögen des Subjekts zufällig ist, so bewirkt sie die Vorstellung einer Zweckmäßigkeit desselben in Anbetracht der Erkenntnisvermögen des Subjekts.

Hier ist nun eine Lust, die, wie alle Lust oder Unlust, welche nicht durch den Freiheitsbegriff (d. h. durch die vorhergehende Bestimmung des oberen Begehrungsvermögens durch reine Vernunft) gewirkt wird, niemals aus Begriffen, als mit der Vorstellung eines Gegenstandes notwendig verbunden, eingesehen werden kann, sondern jederzeit nur durch eine reflektierte Wahrnehmung als mit dieser verknüpft erkannt werden muß, folglich, wie alle empirischen Urteile, keine objektive Notwendigkeit ankündigen und auf Gültigkeit a priori Anspruch machen kann. Aber das Geschmacksurteil, für jedermann zu gelten, welches ungeachtet der inneren Zufälligkeit desselben immer möglich ist. Das Befremdende und Abweichende liegt nur darin, daß es kein empirischer Begriff, sondern ein Gefühl der Lust (folglich gar kein Begriff) ist, welches doch durch das Geschmacksurteil, obgleich es ein mit der Erkenntnis des Objekts verbundenes Prädikat wäre, jedermann zugemutet und mit der Vorstellung desselben geknüpft werden soll.

Ein einzelnes Erfahrungsurteil, z. B. von dem, der in einem Bergkristall einen beweglichen Tropfen Wasser wahrnimmt, verlangt mit Recht, daß ein jeder andere es ebenso finden muß, weil er dieses Urteil, nach den allgemeinen Bedingungen der bestimmenden Urteilskraft, unter den Gesetzen einer möglichen Erfahrung überhaupt gefällt hat. Ebenso macht derjenige, welcher in der bloßen Reflexion über die Form eines Gegenstandes, ohne Rücksicht auf einen Begriff, Lust empfindet, obgleich dieses Urteil empirisch und ein einzelnes Urteil ist, mit Recht Anspruch auf jedermanns Beistimmung; weil der Grund zu dieser Lust in der allgemeinen, obgleich subjektiven Bedingung der reflektierenden Urteile, nämlich der zweckmäßigen Übereinstimmung eines Gegenstandes (er sei Produkt der Natur oder der Kunst) mit dem Verhältnis der Erkenntnisvermögen unter sich, die zu jeder empirischen Erkenntnis erfordert werden (der Einbildungskraft und des Verstandes), angetroffen wird. Die Lust ist also im Geschmacksurteil zwar von einer empirischen Vorstellung abhängig, und kann apriori mit keinem Begriff verbunden werden (man kann a priori nicht bestimmen, welcher Gegenstand dem Geschmack gemäß sein wird oder nicht, man muß ihn versuchen); aber sie ist doch der Bestimmungsgrund dieses Urteils nur dadurch, daß man sich bewußt ist, sie beruhe bloß auf der Reflexion und den allgemeinen, obwohl nur subjektiven Bedingungen der Übereinstimmung derselben zur Erkenntnis der Objekte überhaupt, für welche die Form des Objekts zweckmäßig ist.

Das ist die Ursache, warum die Urteile des Geschmacks ihrer Möglichkeit nach, weil diese ein Prinzip a priori voraussetzt, auch einer Kritik unterworfen sind, obgleich dieses Prinzip weder ein Erkenntnisprinzip für den Verstand, noch ein praktisches für den Willen und also a priori gar nicht bestimmend ist.

Die Empfänglichkeit einer Lust aus der Reflexioin über die Formen der Sachen (der Natur sowohl als der Kunst) bezeichnet aber nicht allein eine Zweckmäßigkeit der Objekte im Verhältnis auf die reflektierende Urteilskraft, gemäßg dem Naturbegriff am Subjekt, sondern auch umgekehrt des Subjekts in Anbetracht der Gegenstände ihrer Form ja selbst ihrer Unform nach, dem Freiheitsbegriff zufolge; und dadurch geschieht es, daß das ästhetische Urteil nicht bloß als Geschmacksurteil auf das Schöne, sondern auch, als aus einem Geistesgefühl entsprungenes, auf das  Erhabene  bezogen wird, und so jene Kritik der ästhetischen Urteilskraft in zwei diesen gemäße Hauptteile zerfallen muß.


III.
Von der logischen Vorstellung der
Zweckmäßigkeit der Natur.

An einem in der Erfahrung gegebenen Gegenstand kann Zweckmäßigkeit vorgestellt werden: entweder aus einem bloß subjektiven Grund, als Übereinstimmung seiner Form, in der  Auffassung (apprehensio)  desselben vor allem Begriff, mit den Erkenntnisvermögen, um die Anschauung mit Begriffen zu einer Erkenntnis überhaupt zu vereinigen; oder aus einer objektiven, als Übereinstimmung seiner Form mit der Möglichkeit des Dinges selbst, nach einem Begriff von ihm, der vorhergeht und den Grund dieser Form enthält. Wir haben gesehen: daß die Vorstellung der Zweckmäßigkeit der ersteren Art auf der unmittelbaren Lust an der Form des Gegenstandes in der bloßen Reflexion über sich beruth; die also von der Zweckmäßigkeit der zweiten ARt, da sie die Form des Objekts nicht auf die Erkenntnisvermögen des Subjekts in der Auffassung derselben, sondern auf eine bestimmte Erkenntnis des Gegenstandes unter einem gegebenen Begriff bezieht, hat nichts mit einem Gefühl der Lust an den Dingen, sondern mit dem Verstand in Beurteilung derselben zu tun. Wenn der Begriff von einem Gegenstand gegeben ist, so besteht das Geschäft der Urteilskraft im Gebruach desselben zur Erkenntnis in der  Darstellung (exhibitio),  d. h. darin, dem Begriff eine korrespondierende Anschauung zur Seite zu stellen: es sei entweder, daß dieses durch unsere Einbildungskraft geschieht, wie in der Kunst, wenn wir einen vorhergefaßten Begriff von einem Gegenstand, der für uns Zweck ist, realisieren, oder durch die Natur, in der Technik derselben (wie bei organisierten Körpern), wenn wir ihr unseren Begriff vom Zweck zur Beurteilung ihres Produkts unterlegen; in diesem Fall wird nicht bloß die  Zweckmäßigkeit  der Natur in der Form des Dings, sondern dieses ihr Produkt als  Naturzweck  vorgestellt. - Obgleich unser Begriff von einer subjektiven Zweckmäßigkeit der Natur in ihren Formen nach empirischen Gesetzen gar kein Begriff von einem Objekt ist, sondern nur ein Prinzip der Urteilskraft, sich in dieser ihrer übergroßen Mannigfaltigkeit Begriffe zu verschaffen (in ihr orientieren zu können): so legen wir ihr doch hierdurch gleichsam eine Rücksicht auf unser Erkenntnisvermögen nach der Analogie eines Zwecks bei; und so können wir die  Naturschönheit als Darstellung  des Begriffs der formalen (bloß subjektiven), und die  Naturzwecke  als Darstellung des Begriffs einer realen (objektiven) Zweckmäßigkeit ansehen, deren eine wir durch Geschmack (ästhetisch mittels des Gefühls der Lust), die andere durch Verstand und Vernunft (logisch, nach Begriffen) beurteilen.

Hierauf gründet sich die Einteilung der Kritik der Urteilskraft in die der  ästhetischen  und  teleologischen;  indem unter der ersteren das Vermögen, die formale Zweckmäßigkeit (sonst auch subjektive genannt) durch das Gefühl der Lust oder Unlust, unter der zweiten das Vermögen, die reale Zweckmäßigkeit (objektive) der Natur durch Verstand und Vernunft zu beurteilen, verstanden wird.

In einer Kritik der Urteilskraft ist der Teil, welcher die ästhetische Urteilskraft enthält, ihr wesentlich angehörig, weil diese allein ein Prinzip enthält, welches die Urteilskraft völlig a priori ihrer Reflexion über die Natur zugrunde legt, nämlich das einer formalen Zweckmäßigkeit der Natur nach ihren besonderen (empirischen) Gesetzen für unser Erkenntnisvermögen, ohne welche sich der Verstand in sie nicht finden könnte: anstatt daß gar kein Grund a priori angegeben werden kann, ja nicht einmal die Möglichkeit davon aus dem Begriff einer Natur, als Gegenstandes der Erfahrung sowohl im allgemeinen wie auch im besonderen, erhellt, daß es objektive Zwecke der Natur, d. h. Dinge, die nur als Naturzwecke möglich sind, geben muß; sondern nur die Urteilskraft, ohne ein Prinzip dazu a priori in sich zu enthalten, in vorkommenden Fällen (gewisser Produkte), um zum Zweck der Vernunft vom Begriff der Zwecke Gebrauch zu machen, die Regel enthält, nachdem jenes transzendentale Prinzip schon, den Begriff eines Zwecks (zumindest der Form nach) auf die Natur anzuwenden, den Verstand vorbereitet hat.

Der transzendentale Grundsatz aber, sich eine Zweckmäßigkeit der Natur in subjektiver Beziehung auf unser Erkenntnisvermögen an der Form eines Dings als ein Prinzip der Beurteilung derselben vorzustellen, läßt es gänzlich unbestimmt, wo und in welchen Fällen ich die Beurteilung, als die eines Produkts nach einem Prinzip der Zweckmäßigkeit, und nicht vielmehr bloß nach allgemeinen Naturgesetzen anzuzstellen habe, und überläßt es der  ästhetischen  Urteilskraft, im Geschmack die Angemessenheit desselben (seiner Form) zu unseren Erkenntnisvermögen (sofern diese nicht durch eine Übereinstimmung mit Begriffen, sondern durch das Gefühl entscheidet) auszumachen. Dagegen gibt die teleologisch gebrauchte Urteilskraft die Bedingungen bestimmt an, unter denen etwas (z. B. ein organisierter Körper) nach der Idee eines Zwecks der Natur zu beurteilen ist; kann aber keinen Grundatz aus dem Begriff der Natur, als Gegenstand der Erfahrung, für die Befugnis anführen, ihr eine Beziehung auf Zwecke a priori beizulegen, und auch nur unbestimmt dergleichen von der wirklichen Erfahrung an solchen Produkten anzunehmen; wovon der Grund ist, daß viele besondere Erfahrungen angestellt und unter der Einheit ihres Prinzips betrachtet werden müssen, um eine objektive Zweckmäßigkeit n einem gewisse Gegenstand nur empirisch erkennen zu können. - Die ästhetische Urteilskraft ist also ein besonderes Vermögen, Dinge nach einer Regel, aber nicht nach Begriffen, zu beurteilen. Die teleologische ist kein besonderes Vermögen, sondern nur die reflektierende Urteilskraft überhaupt; sofern sie, wie überall in der theoretischen Erkenntnis, nach Begriffen, aber in Anbetracht gewisser Gegenstände der Natur nach besonderen Prinzipien, nämlich einer bloß reflektierenden, nicht Objekte bestimmenden Urteilskraft verfährt, also ihrer Anwendung nach zum theoretischen Teil der Philosophie gehört, und der besonderen Prinzipien wegen, die nicht, wie es in einer Doktrin sein muß, bestimmend sind, auch einen besonderen Teil der Kritik ausmachen muß; anstatt daß die ästhetische Urteilskraft zur Erkenntnis ihrer Gegenstände nichts beiträgt, und also  nur  zur Kritik des urteilenden Subjekts und der Erkenntnisvermögen desselben, sofern sie der Prinzipien a priori fähig sind, von welchem Gebrauch (dem theoretischen oder praktischen) diese übrigens auch sein mögen, gezählt werden muß, welche die Propädeutik aller Philosophie ist.


IX.
Von der Verknüpfung der Gesetzgebungen des
Verstandes und der Vernunft durch die Urteilskraft

Der Verstand ist a priori gesetzgebend für die Natur als Objekt der Sinne, zu einer theoretischen Erkenntnis derselben in einer möglichen Erfahrung. Die Vernunft ist  a priori  gesetzgebend für die Freiheit und ihre eigene Kausalität, als das Übersinnliche im Subjekt, zu einer unbedingt-praktischen Erkenntnis. Das Gebiet des Naturbegriffs unter der einen, und das des Freiheitsbegriffs unter der anderen Gesetzgebung sind gegen allen wechselseitigen Einfluß, den sie für sich (ein jedes nach seinen Grundgesetzen) aufeinander haben können, durch die große Kluft, welche das Übersinnliche von den Erscheinungen trennt, gänzlich abgesondert. Der Freiheitsbegriff bestimmt nichts in Anbetracht der theoretischen Erkenntnis der Natur; der Naturbegriff ebensowohl nichts in Anbetracht der praktischen Gesetze der Freiheit; und es ist insofern nicht möglich, eine Brücke von einem Gebiet zum anderen hinüberzuschlagen. - Allein auch wenn die Bestimmungsgründe der Kausalität nach dem Freiheitsbegriff (und der praktischen Regel, die er enthält) gleich nicht in der Natur gelegen sind, und das Sinnliche das Übersinnliche im Subjekt nicht bestimmen kann: so ist dieses doch umgekehrt (zwar nicht in Anbetracht der Erkenntnis der Natur, aber doch der Folgen aus dem ersteren auf die letztere) möglich und schon im Begriff einer Kausalität durch Freiheit enthalten, deren  Wirkung  diesen ihren formalen Gesetzen gemäß in der Welt geschehen soll, obgleich das Wort  Ursache,  vom Übersinnlichen gebraucht, nur den  Grund  bedeutet, die Kausalität der Naturdinge zu einer Wirkung, gemäß ihren eigenen Naturgesetzen, zugleich aber doch auch mit dem formalen Prinzip der Vernunftgesetze einhellig, zu bestimmen, wovon die Möglichkeit zwar nicht eingesehen, aber der Einwurf von einem angeblichen Widerspruch, der sich darin findet, hinreichend widerlegt werden kann. (2) - Die Wirkung nach dem Freiheitsbegriff ist der Endzweck, der (oder dessen Erscheinung in der Sinnenwelt) existieren soll, wozu die Bedingung der Möglichkeit desselben in der Natur (des Subjekts als Sinnenwesens, nämlich als Mensch) vorausgesetzt wird. Das, was diese a priori und ohne Rücksicht auf das Praktische voraussetzt, die Urteilskraft, gibt den vermittelnden Begriff zwischen den Naturbegriffen und dem Freiheitsbegriff, der den Übergang von der reinen theoretischen zur reinen praktischen, von der Gesetzmäßigkeit nach der ersten zum Endzweck nach dem letzten möglich macht, im Begriff einer  Zweckmäßigkeit  der Natur an die Hand; denn dadurch wird die Möglichkeit des Endzwecks, der allein in der Natur und mit Einstimmung ihrer Gesetze wirklich werden kann, erkannt.

Der Verstand gibt, durch die Möglichkeit seiner Gesetze a priori für die Natur, einen Beweis davon, daß diese von uns nur als Erscheinung erkannt wird, mithin zugleich die Anzeige auf ein übersinnliches Substrat derselben; aber läßt dieses gänzlich  unbestimmt.  Die Urteilskraft verschafft durch ihr Prinzip a priori der Beurteilung der Natur, nach möglichen besonderen Gesetzen derselben, ihrem übersinnlichen Substrat (in uns sowohl als außerhalb von uns) eine  Bestimmbarkeit durch das intellektuelle Vermögen.  Die Vernunft aber gibt ebendemselben durch ihr praktisches Gesetz a priori die  Bestimmung;  und so macht die Urteilskraft den Übergang vom Gebiet des Naturbegriffs zu dem des Freiheitsbegriffs möglich.

In Anbetracht der Seelenvermögen überhaupt, sofern sie als obere, d. h. als solche, die eine Autonomie enthalten, betrachtet werden, ist für das  Erkenntnisvermögen  (das theoretische der Natur) der Verstand dasjenige, welches die  konstitutiven  Prinzipien  a priori  enthält; für das  Gefühl der Lust und Unlust  ist es die Urteilskraft, unabhängig von Begriffen und Empfindungen, die sich auf eine Bestimmung des Begehrungsvermögens beziehen und dadurch unmittelbar praktisch sein könnten; für das  Begehrungsvermögen  die Vernunft, welche ohne Vermittlung irgendeiner Lust, woher sie auch kommt, praktisch ist und demselben, als oberes Vermögen, den Endzweck bestimmt, der zugleich das reine intellektuelle Wohlgefallen am Objekt mit sich führt. - Der Begriff der Urteilskraft von einer Zweckmäßigkeit der Natur ist noch zu den Naturbegriffen gehörig, aber nur als regulatives Prinzip des Erkenntnisvermögens; obgleich das ästhetische Urteil über gewisse Gegenstände (der Natur oder der Kunst), welches ihn veranlaßt, in Anbetracht des Gefühls der Lust oder Unlust ein konstitutives Prinzip ist. Die Spontaneität im Spiel der Erkenntnisvermögen, deren Zusammenstimmung den Grund dieser Lust enthält, mach den gedachten Begriff zur Vermittlung der Verknüpfung der Gebiete des Naturbegriffs mit dem Freiheitsbegriff in ihren Folgen tauglich, indem diese zugleich die Empfänglichkeit des Gemüts für das moralische Gefühl befördert. - Folgende Tafel kann die Übersicht aller oberen Vermögen ihrer systematischen Einheit nach erleichtern (3).

Gesamte Vermögen
des Gemüts
Erkenntnis-
vermögen
Prinzipien
a priori
Anwendung auf
 - Erkenntnisvermögen  - Verstand  - Gesetzmäßigkeit  - Natur
 - Lust und Unlust  - Urteilskraft  - Zweckmäßigkeit  - Kunst
 - Begehrungsvermögen  - Vernunft  - Endzweck  - Freiheit

LITERATUR: Immanuel Kant, Kritik der Urteilskraft, Berlin 1799
    Anmerkungen
    1) Es ist von Nutzen, zu Begriffen, welche man als empirische Prinzipien braucht, wenn man Ursache hat zu vermuten, daß sie mit dem reinen Erkenntnisvermögen  a priori  in einer Verwandtschaft stehen, dieser Beziehung wegen eine transzendentale Definition zu versuchen: nämlich durch reine Kategorien, sofern diese allein schon den Unterschied des vorliegenden Begriffs von anderen hinreichend angeben. Man folgt hierin dem Beispiel des Mathematikers, der die empirischen Data seiner Aufgabe unbestimmt läßt und nur ihr Verhältnis in der reinen Synthesis derselben unter die Begriffe der reinen Arithmetik bringt und sich dadurch die Auflösung derselben verallgemeinert. - Man hat mit aus einem ähnlichen Verfahren (Kritik der praktischen Vernunft, Seite 16 der Vorrede) einen Vorwurf gemacht, und die Definition des Begehrungsvermögens als  Vermögens, durch seine Vorstellungen Ursache von der Wirklichkeit der Gegenstände dieser Vorstellungen zu sein,  getadelt: weil bloße  Wünsche  doch auch Begehrungen wären, von denen sich doch jeder bescheidet, daß er durch dieselben allein ihr Objekt nicht hervorbringen kann. - Dieses aber beweist nichts weiter, als daß es auch Begehrungen im Menschen gibt, wodurch derselbe mit sich selbst im Widerspruch steht, indem er durch seine Vorstellung allein zur Hervorbringung des Objekts hinwirkt, von der er doch keinen Erfolg erwarten kann, weil er sich bewußt ist, daß seine mechanischen Kräfte (wenn ich die nicht psychologischen so nennen soll), die durch jene Vorstellung bestimmt werden müßten, um das Objekt (mithin mittelbar) zu bewirken, entweder nicht zulänglich sind oder gar auf etwas Unmögliches gehen, z. B. das Geschehene ungeschehen zu machen (O mihi praeteritos referat si Jupiter annos! [O wenn mir nur Jupiter all die vergangenen Jahre zurückbringen könnte. - wp] oder im ungeduldigen Harren die Zwischenzeit bis zum herbeigewünschten Augenblick vernichten zu können. - Obgleich wir uns in solchen phantastischen Begehrungen der Unzulänglichkeit unserer Vorstellungen (oder gar ihrer Untauglichkeit),  Ursache  ihrer Gegenstände zu sein, bewußt sein, so ist doch die Beziehung derselben als Ursache, mithin die Vorstellung ihrer  Kausalität  in jedem  Wunsch  enthalten und vornehmlich alsdann sichtbar, wenn dieser Affekt, nämlich  Sehnsucht  ist. Denn diese beweisen dadurch, daß sie das Herz ausdehnen und welk machen und so die Kräfte erschöpfen, daß die Kräfte durch Vorstellungen wiederholentlich angespannt werden, aber das Gemüt bei der Rücksicht auf die Unmöglichkeit unaufhörlich wiederum in Ermattung zurücksinken lassen. Selbst die Gebete um eine Abwendung großer und, soviel man einsieht, unvermeidlicher Übel, und manche abergläubische Mittel zur Erreichung natürlicherweise unmöglicher Zwecke beweisen die Kausalbeziehung der Vorstellungen auf ihre Objekte, die sogar durch das Bewußtsein ihrer Unzulänglichkeit zum Effekt von der Bestrebung dazu nicht abgehalten werden kann. - Warum aber in unsere Natur der Hang zu mit Bewußtsein leeren Begehrungen gelegt wurde, das ist eine anthropologisch-teleologische Frage. Es scheint, daß, sollten wir nicht eher, als bis wir uns von der Zulänglichkeit unseres Vermögens zur Hervorbringung eines Objekts versichert hätten, zur Kraftanwendung bestimmt werden, die größtenteils unbenutzt bleiben würde. Denn gemeinhin lernen wir unsere Kräfte nur dadurch allererst kennen, daß wir sie versuchen. Diese Täuschung in leeren Wünschen ist also nur die Folge einer wohltätigen Anordnung in unserer Natur. [Diese Anmerkung hat Kant erst in der zweiten Auflage hinzugefügt.]
    2) Einer von den verschiedenen vermeintlichen Widersprüchen in dieser gänzlichen Unterscheidung der Naturkausalität von der durch Freiheit ist der, da man ihr den Vorwurf macht, daß, wenn ich von  Hindernissen,  die die Natur der Kausalität nach Freiheitsgesetzen (den moralischen) legt, oder ihrer  Beförderung  durch dieselbe rede, ich doch der ersteren auf die letztere einen  Einfluß  einräume. Aber wenn man das Gesagte nur verstehen will, so ist die Mißdeutung sehr leicht zu verhüten. Der Widerstand oder die Beförderung ist nicht zwischen der Natur und der Freiheit, sondern der ersteren als Erscheinung und den  Wirkungen  der letzteren als Erscheinungen in der Sinnenwelt; und selbst die Kausalität der Freiheit (der reinen und praktischen Vernunft ist die Kausalität einer jener untergeordneten Naturursache (des Subjekts als Mensch, folglich als Erscheinung betrachtet), von deren  Bestimmung  das Intelligible, welches unter der Freiheit gedacht wird, auf eine übrigens (ebenso, wie ebendasselbe, was das übersinnliche Substrat der Natur ausmacht) unerklärliche Art den Grund enthält.
    3) Man hat es bedenklich gefunden, daß meine Einteilungen in der reinen Philosophie fast immer dreiteilig ausfallen. Das liegt aber in der Natur der Sache. Soll eine Einteilung a priori geschehen, so wird sie entweder  analytisch  sein, nach dem Satz des Widersprchs; und da ist sie jederzeit zweiteilig (quod libet ens est aut A aut non A [Es ist etwas entweder A oder nicht A. - wp] Oder sie ist  synthetisch;  und wenn sie in diesem Fall aus  Begriffen  a priori (nicht, wie in der Mathematik, aus der a priori dem Begriff korrespondierenden Anschauung) soll geführt werden, so muß nach demjenigen, was zu einer synthetischen Einheit überhaupt erforderlich ist, nämlich 1) Bedingung, 2) ein Bedingtes, 3) der Begriff, der aus der Vereinigung des Bedingten mit seiner Bedingung entspringt, die Einteilung notwendig eine Trichotomie sein.