ra-2G. SimmelBöhm-BawerkProudhonC. H. Weisse    
 
ROBERT LIEFMANN
Theorie des Sparens
und der Kapitalbildung

[1/3]

"von Manteuffel unterscheidet, abgesehen vom  unfreiwilligen Sparen (z. b. bei Unmündigen, bei Leuten, die plötzlich reich geworden sind und nichts mit ihrem Geld anzufangen wissen) drei Sparmotive: Sparen aus Mäßigkeit, Sparen aus angeborenem Sparsinn, welcher sich in der Freude am Geld selbst, am Ansammeln desselben, in der Absicht mehr zu haben als andere, in der Scheu, dasselbe wegzugeben ausspricht; und drittens Sparen aus Berechnung: das aus der Aussicht auf späteren Gewinn, aus dem Bestreben, seine Lage in der Zukunft zu verbessern hervorgehende Sparmotiv".

"Für die Organisation des volkswirtschaftlichen Zusammenlebens ist es gleichgültig, aus welchen Motiven z. B. Rockefeller jährlich so und so viele Millionen seines Einkommens Kapital werden läßt, sie untersucht keine Motive, sondern nimmt ein einziges als typisch und wesentlich an, das wirtschaftliche Motiv, das Streben nach dem größten Vorteil, das, mag es auch im einzelnen Fall mit allen möglichen Motiven, die zu untersuchen Sache der Psychologie ist, verbunden sein, doch für das wirtschaftliche Leben und so auch für die Tendenz zum Sparen ausschlaggebend ist."

Die folgenden Untersuchungen sind Anwendungen und Ergebnisse eines theoretisch-ökonomischen Systems, von dem ich einzelne Prinzipien zuerst 1907 in der Schrift "Ertrag und Einkommen auf der Grundlage einer subjektiven Wertlehre" (1), dann 1910 in einem Aufsatz über HERMANN HEINRICH GOSSEN (2), schließlich 1912 in dem Aufsatz "Die Entstehung des Preises aus subjektiven Wertschätzungen" (3) veröffentlicht habe. Der Aufsatz "Grundlagen einer ökonomischen Produktivitätstheorie" (4) war eine erste Anwendung dieser Grundgedanken auf Fragen, die bisher nicht zum Gebiet der reinen Theorie gerechnet zu werden pflegten. Die folgenden Untersuchungen knüpfen direkt an ihn an und zeigen weiter, daß von meinem theoretischen Grundgedanken aus sich ganz neue Anwendungsgebiet für die ökomische Theorie erschließen und Probleme eine einfache Lösung finden, die die ältere Wissenschaft mit unerhörter Oberflächlichkeit diskutierte, während die neuere, eben mangels geeigneter theoretischer Grundlagen, sich scheu an ihnen vorbeidrückt und ihnen aus dem Weg zu gehen versucht. Dahin gehört das Produktivitätsproblem, dahin gehört auch die Lehre vom Sparen und was mit ihr zusammenhängt. (5)


I. Einleitung

Es wird nötig sein, die Grundgedanken meines theoretischen Systems in möglichster Kürze zunächst vorauszuschicken. Sein Zweck ist, ein vereinfachtes Abbild des tauschwirtschaftlichen Prozesses zu geben, d. h. zu erklären, wie sich heute im Zustand eines entwickelten Tauschverkehrs die Bedarfsversorgung der Menschen vollzieht. Ich betone scharf den systematischen Charakter aller meiner Theorien, weil es bisher in der ökonomischen Wisschenschaft leider üblich war, daß Leute über diese und jene wirtschaftliche Erscheinung, z. B. über Wert, Grundrente, Unternehmergewinn, Kapital eine Theorie aufstellten, ohne bei den Fundamenten allen wirtschaftlichen Geschehens anzufangen. Mir aber zeigten sich gerade die  Fundamente  aller bisherigen Theorien als wacklig, und was ich biete, ist daher eine neue  Grundlegung  der ganzen ökonomischen Theorie. Hier soll aber nur gezeigt werden, daß dieses theoretische System auch zu Klarstellung ökonomischer Probleme verwandt werden kann, an die die bisherige Theorie der ökonomischen Grundlagen, die in der Hauptsache in der Wertlehre gipfelte, überhaupt nicht heranzutreten wagte.

Was ich in der ganzen bisherigen Nationalökonomie vor allem vorwerfe und was den durchaus unbefriedigenden Zustand ihrer Lehren vor allem verursacht, ist ihr  materialistischer  Standpunkt. Er erklärt sich aus ihrer historischen Entwicklung, indem nämlich der "Volksreichtum", d. h. eine möglichste große  Produktmenge  als das Ziel allen Wirtschaftens erblickt wurde. Noch heute tritt dieser Ausgangspunkt namentlich in der englischen und amerikanischen Literatur, z. B. schon im Titel zahlreicher Lehrbücher:  The distribution of wealth,  deutlich zutage. Aber wenn auch die neuere deutsche und österreichische Nationalökonomie wenigstens prinzipiell erkennt, daß  Bedürfnisse  der Menschen die Veranlassung zum wirtschaftlichen Handeln sind, so betrachtet doch auch sie so gut wie ausschließlich die  Sachgüter  und die  "Produktion"  und kommt so zu einer allgemeinen  Verwechselung technischer und wirtschaftlicher Gesichtpsunkt.  Dem entspricht es, daß man allgemeini den  "Wert"  zum Grundbegriff der ökonomischen Theorie macht, der, wenn man ihn auch noch so subjektivt auffaßt, doch immter etwas an Sachgüter Anknüpfendes darstellt (6). Der heutigen materialistisch-quantitativen Lehre gegenüber liegt für mich das Wesen des Wirtschaftlichen in der Gegenüberstellung von  Genuß  (Nutzen) und  Kosten,  und der Grundbegriff der ökonomischen Theorie, der sich daraus mit Notwendigkeit ergibt, ist die Differenz beider, die ich  Ertrag  oder  Gewinn  nenne (7). Er ist der notwendige Grundbegriff, weil er das Ziel  jeder  wirtschaftlichen Tätigkeit ist. Jeder Wirtschafter strebt nach größtem Ertrag: in der Hauswirtschaft nach größtem  Nutz-(Konsum-)Ertrag,  in der Erwerbswirtschaft nach dem größten  Erwerbs-, Preis- oder Geldertrag.  Ersterer ist die Differenz von Nutzen (Genuß) und Kosten, letzterer die Differenz von Verkaufspreis und Kosten (in Geld). Der Wertbegriff, der in der bisherigen Theorie soviel Unheit angerichtet hat, ist ganz überflüssig. Nicht irgendein  Wert  der Güter, sondern der  Ertrag,  der beim Konsumenten etwas ganz Individuelles, nur für ihn selbst Feststellbares ist, in der Erwerbswirtschaft aber als eine Geldsumme erscheint, bestimmt alles wirtschaftliche Handeln.

In welcher Weise aber muß der Wirtschafter seine Tätigkeit einrichten, um eine möglichst vollkommene Bedarfsversorgung, möglichsten Überschuß von Nutzen über die Kosten, zu erzielen? Dafür gelten zwei Gesetze, die,  allerdings ohne die wesentliche Beziehung auf den Ertragsbegriff,  schon von H. H. GOSSEN aufgestellt sind:
    1. Der Nutzen jedes Gutes nimmt bei zunehmender Bedarfsbefriedigung ab (1. Gossensches Gesetz).

    2. Größte Bedarfsbefriedigung erzielt jeder Wirtschafter, wenn er jedes Bedürfnis nur soweit befriedigt,  daß die Erträge der letzten Teilquantitäten (die Grenzerträge) bei allen gleich hoch sind  (Gesetz des Ausgleichs der Grenzerträge).
Der letztere Satz ist der wichtigste der theoretischen Nationalökonomie, denn er enthält nicht nur das Prinzip, nach dem der einzelne Wirtschafter seine Tätigkeit einrichtet, sondern er gilt auch für die gesamte Verkehrswirtschaft. Hier ist er die Lösung des  Produktivitätsproblems  in der Form, die für die Theorie die allein mögliche ist, d. h. als ein Maximalproblem, als Frage nach derjenigen Organisation der Wirtschaft, die eine möglichst vollkommene Bedarfsversorgung gewährleistet:  Größte Bedarfsbefriedigung (Wohlstandsförderung) ist dann gegeben, wenn jeder Unternehmungszweig so mit Kapital und Arbeitskräften ausgestattet ist, daß die Erträge, die die teuersten Anbieter erzielen, auf die Dauer ungefähr gleich hoch sind, praktisch unter Berücksichtigung verschiedenen Risikos.  Nehmen wir nun an, was die Theorie voraussetzen muß, daß alle Wirtschaftspersonen volle Einsicht in die wirtschaftlichen Verhältnisse haben, so werden die verfügbaren Arbeitskräfte sich aufgrund ihres Ertragsstrebens so auf die verschiedenen Wirtschaftstätigkeiten verteilen, daß jeder entsprechend seinen Leistungen und der Nachfrage nach denselben einen möglichst großen Erwerbsertrag erzielt, keiner jedenfalls dauernd unter einem gewissen Minimum an Ertrag, dem volkswirtschaftlichen Grenzertrag, tätig ist, der für Arbeitsleistungen dem Lohn ungelernter Arbeiter entsprechen wird.

Wie aber kommen die in jedem Erwerbszweig erforderlichen  Kapitalien  zusammen? Das führt zur Frage nach der Entstehung des Kapitals, nach der Art und Weise der Kapitalbildung. Und hier wollen wir anknüpfen.


II. Der Begriff des Sparens

1. Die bisherigen Anschauungen über das Sparen

Die nationalökonomische Wissenschaft ist bei der Erörterung der Probleme der Kapitalbildung ausgegangen von der Erscheinung des  Sparens,  und auch wir wollen diesen Weg einschlagen. Wie der Vorgang des Sparens auf die Volkswirtschaft wirkt, darüber hat seit zwei Jahrhunderten zwischen den nationalökonomischen Schriftstellern heftiger Streit geherrscht. Auch heute noch ist darüber keineswegs eine Einigung erzielt, und jene Streitfrage ist mehr aus Altersschwäche eingeschlagen und durch das heutige geringere Interesse an solchen theoretischen Problemen zurückgedrängt worden, als daß man sagen könnte, daß sie entschieden sei. Auch der Begriff des Sparens, der für die Volkswirtschaftslehre in Betracht kommt, steht keineswegs fest und wir müssen daher zunächst auf diesen Punkt etwas näher eingehen.

Die älteren Schriftsteller dachten bei ihrem Begriff des Sparens fast ausschließlich an das, was wir besser  Thesaurieren [Horten - wp] nennen, eine Konsumbeschränkung und -verschiebung über den gegenwärtigen Wirtschaftsplan hinaus (siehe weiter unten), sie denken vor allem an den Geizigen, der Geld sammelt, und bekämpfen in diesem Sinne die "accumulation". Hauptvertreter dieser Richtung ist BERNARD des MANDEVILLE mit seinem 1714 posthum erschienenen Buch: "The fable of bees, or private vices public benefits" (8) und alle späteren Merkantilisten sind hierher zu rechnen. Sie rechtfertigen nicht nur, sondern preisen den Luxus (9).

Eine weitere Gruppe von Schriftstellern, die mit von JUSTI und TURGOT beginnt und deren einflußreichster Vertreter ADAM SMITH ist, hebt dagegen die Vorzüge des Sparens hervor, aber auch wieder mit der besonderen Begründung, daß durch "richtiges" Sparen, im Gegensatz zum Thesaurieren, das Geld nicht dem Konsum entzogen, sondern nur von anderen Leuten als den Sparern gebraucht wird. Diese Anschauung hat bei SMITH den klassischen Ausdruck gefunden, daß der Sparer ebensoviel Hände beschäftigt wie der Verschwender. Ob das wirklich allgemein gilt, ob das Sparen nicht zu weit gehen kann, ob nicht, anders ausgedrückt, ein Mißverhältnis zwischen Kapitalbildung und Konsum eintreten kann, wird von diesen Autoren noch nicht untersucht. Ihre Anschauung ist nur eine Reaktion gegen die der Merkantilisten, sie zeigen, daß das gesparte Geld nicht müßig zu liegen braucht, daß Sparen und Thesaurieren nicht identisch ist. Immerhin erkennen sie, daß das Sparen, diese an und für sich nur negative Tätigkeit, seine positive Seite in der  Kapitalbildung  hat, daß darin die Bedeutung dieses wirtschaftlichen Aktes besteht. Aber sie untersuchen den Prozeß der Kapitalbildung nicht weiter und kommen daher auch nicht zum eigentlichen Hauptproblem dieser ganzen Lehre, zu der Frage, ob nicht zuviel gespart, zuviel Kapital gebildet und zu wenig konsumiert werden kann.

Diese Frage scheint zuerst von den ältesten Kritikern des ADAM SMITH in diesem Punkt, vom EARL of LAUDERDALE, "Inquiry into the nature and origin of public wealth", 1804) und von MALTHUS, "Principles of Political Economy", seit 1819, aufgeworfen zu sein. Aber beide kommen nicht über den Satz hinaus, daß es für den einzelnen Wirtschafter keinen Sinn hat, "mehr Reichtum in die Form von Kapital zu bringen", als der Ausdehnung seiner Bedürfnisse entspricht. Immerhin ist das schon ein sehr großer Fortschritt gegenüber den früheren Anschauungen, und darüber ist, wie wir gleich bei der Besprechung der neuesten Schriftsteller sehen werden, die Lehre eigentlich bis heute nicht hinausgekommen. Die folgenden Nationalökonomen, die sich mit diesen Fragen befaßt haben, sind teils mehr Anhänger der Sparsamkeit, teils des Luxus und unterscheiden sich, abgesehen davon, nur in der Art, wie sie die verschiedenen in Betracht kommenden Begriffe definieren und ihre Ansicht zu begründen suchen. Irgendwelche neue Gedanken zu diesem Problem bringen sie nicht. Es würde hier zu weit führen, die ganze Literatur über diese Frage Revue passieren zu lassen, ich verweise dafür auf die Schrift von JOHN MACKINNON ROBERTSON, The fallacy of saving, London 1892.

Im Laufe des 19. Jahrhundert tritt die Frage des Sparens, also nach den Vorteilen des Luxus einerseits, der Sparsamkeit andererseits, die die älteren Schriftsteller vor allem beschäftigt hatte, immer mehr zurück gegen die Probleme der  Überproduktion  und  Unterkonsumtion,  wobei aber, wie das Wort  Überproduktion  schon anzeigt, der materialistische Charakter der ganzen bisherigen Nationalökonomie, die Verwechslung technischer und wirtschaftlicher Gesichtspunkte, deutlich hervortritt. Im übrigen sind bis in die neueste Zeit in der nationalökonomischen Literatur über das Sparen einerseit, den Luxus andererseits die verschiedensten Ansichten vertreten worden, die natürlich sämtlich beeinflußt sind durch von außen hergenommene  Werturteile  ethischer, religiöser und anderer Art. Es ist wohl auch heute noch, ebenso wie gegenüber dem Produktivitätsproblem, die Ansicht allgemein, daß derartige Fragen nie anders als unter einer Zugrundelegung von Werturteilen behandelt werden könnten. Demgegenüber möchte ich betonen, daß die folgende Behandlung des Sparproblems, indem wir eben darin das Problem der Kapitalbildung erblicken, ebenso eine rein wissenschaftliche ist und von Werturteilen irgendwelcher Art völlig abstrahiert, wie das bei unseren früheren Erörterungen über die Produktivität der Fall war. Hatte man das bei unserer Lösung des Produktivitätsproblems aus Unkenntnis ihres wirklichen Inhalts zunächst bestritten, so wird darüber jetzt nach einem oben erwähnten Aufsatz und ebenso beim vorliegenden Gegenstand kein Zweifel mehr möglich sein.

Bevor wir unsere eigene Theorie entwickeln, seien zunächst die in der neuesten Literatur noch vertretenen verschiedenen Auffassungen über das Sparen systematisch einander gegenübergestellt.


2. Systematische Kritik der
bisherigen Definitionen

Den weitesten Begriff des Sparens verwenden jedenfalls diejenigen Schriftsteller, die das bloße  Verschieben  von Konsumakten schon als Sparen bezeichnen, z. B. wenn jemand einen Apfel, den er heute essen könnte, für morgen oder übermorgen aufbewahrt. So definiert von PHILIPPOVICH ("Grundriß", 9. Auflage, 1911, Seite 193):
    "Die Nichtverwendung von Einkommensteilen zu unmittelbaren Genußzwecken und ihre Übertragung in die Zukunft bezeichnen wir als Sparen."
Das scheint mir aber zu weit und sowohl der tatsächlichen Anwendung des Begriffs als auch dem, was für das Sparen charakteristisch ist, nicht entsprechend. Das Verschieben von Konsumakten auf einen späteren Zeitpunkt vollzieht sich fortgesetzt als ein  regulärer Akt der Wirtschaftstätigkeit innerhalb des Wirtschaftsplans,  während das Sparen immer eine außergewöhnliche,  nicht von vornherein vorgesehene  Handlung darstellt. Die Wirtschaftstätigkeit besteht ja gerade in der  planmäßigen Vorsorge. Robinson  hat daher noch nicht gespart, wenn er einen Früchtevorrat, den er geerntet hat, nicht gleich verzehrt, sondern auch auf die verschiedenen Zeitpunkte späteren Bedarfs verteilt. Und man wird es auch noch nicht als Sparen im wirtschaftlichen Sinn bezeichnen können, wenn ich jetzt im Oktober 100 Mark eingenommen habe und sie nicht gleich für irgendeinen Bedarf ausgeben will, sondern mir sage: Ich will lieber bis Weihnachten mit dieser Ausgabe warten. Faßt man den Begriff so weit, so gibt es keine Grenze und Sparen wäre alles außer dem Akt der momentanen Güterverzehrung. Das hat im ökonomischen Sprachgebrauch keinen Sinn. Für den wirtschaftlichen Begriff des Sparens ist nicht die Konsumverschiebung, sondern  eine besondere Art der Verwendung des Ersparten  wesentlich, nämlich, wie wir noch sehen werden, zur  Kapitalbildung. 

Das erkennen die meisten neueren  englischen  Nationalökonomen, die den Begriff des Sparens behandeln. Nur fassen sie, wie das in der neueren englischen und amerikanischen Literatur sehr verbreitet ist (10), den Begriff  Kapital  so weit, daß für das volkswirtschaftliche Problem, um das es sich handelt, die Frage: Ausdehnung des Konsums oder Kapitalbildung? gar nichts gewonnen ist. Sie dehnen im Sinne von WALRAS, JEVONS u. a. den Kapitalbegriff auch auf die dauerbaren Genußgüter aus. Sie ist nach EDWIN CANNAN, Artikel "Saving" in  Palgrave's Dictionary of Political Economy,  Seite 356: Sparen jede Herstellung von dauerbaren Genußgütern: "So  sparte Robinson  über die Bereitstellung seines täglichen Bedarfs hinaus, so daß er es schaffte, sich ein Boot zu bauen. Das Boot war das Resultat seines Kapitals, das er  gespart  hatte." Wenn auch dieser weite Begriff von  Kapital  natürlich nicht falsch ist, so ist er doch für die Erkenntnis des Sparproblems bedeutungslos. Dieses ist naturgemäß vor allem ein  geldwirtschaftliches, weil in der Geldwirtschaft in größtem Umfang die Möglichkeit gegeben ist, eine Geldsumme entweder zum Konsum oder zur Kapitalbildung zu verwenden.  Nach jenem weiten Kapitalbegriff gibt es auch gar keine scharfe Grenze gegenüber den Konsumgütern, er ist faktisch nur eine Verwechslung mit dem Vermögensbegriff. Wenn wir beim Sparproblem von Kapital reden, denken wir an Kapitalanlagen, an  Geldkapital. 

Es ist, wie wir eben schon hervorhoben, bemerkenswert, daß selbst die neuesten deutschen Schriftsteller, die sich mit dem Sparbegriff beschäftigt haben, das Hauptmoment, um das es sich dabei im volkswirtschaftlichen Sinn handelt, die  Kapitalbildung,  gar nicht in der Definition hervortreten lassen. Die meisten dieser Definitionen sind daher nichts weiter als Umschreibungen des Wortes. So sagt z. B. LEXIS, "daß man unter Sparen eine mit einer gewissen Selbstüberwindung oder sogar einem Entbehrungsgefühl verbundene Beschränkung persönlicher Bedürfnisse versteht." (11) Er legt also nur auf das Moment des Entbehrens, der Abstinenz ein besonderes Gewicht, wie das ja schon früher von SENIOR und schon vor diesem von PETTY geschehen ist. Wenn man sich schon mit dem gewöhnlichen Sprachgebrauch einlassen will, der in der Regel den Sinn der Worte übermäßig erweitert, kann man zugeben, daß ein derartiger Gesichtspunkt zwar oft darin enthalten ist, aber längst nicht immer (Beweis: man spricht auch von einer Ersparung an Produktionskosten [siehe weiter unten]). Für die Wissenschaft ist jedoch die Berücksichtigung dieses Sprachgebrauchs unmöglich. Denn es ist klar, daß damit in die Frage, wann Sparen vorliegt und wann nicht, Werturteile hineingetragen werden und daß es allgemeine Gesichtspunkte dafür nicht gibt. Hat danach jemand, der bei 100 000 Mark Einkommen nur 90 000 Mark gebraucht, 10 000 Mark gespart? Und bei welchem Verhältnis von Einkommen und Verbrauch beginnt das Sparen, beginnt die mit einem Entbehrungsgefühl verbundene Beschränkung? Übrigens hat LEXIS an anderer Stelle  (Schönbergs Handbuch,  Tübingen 1896, Bd. I, Seite 18) sich ausdrücklich auf den entgegengesetzten Standpunkt gestellt. Er sagt dort:
    "Wer dagegen in seiner Wirtschaft einen Überschuß am Jahresende erzielt, ist sparsam zu nennen, wenn auch die Summe seiner Ausgaben ansich sehr groß sein und einen bedeutenden Luxusaufwand mit umfassen mag."
LEXIS' Definition enthält auch einen logischen Fehler insofern, als  "Erübrigen  eines Teils des Einkommens" nicht  Zweck  des Sparens ist, sondern in diesem Erübrigen besteht das Sparen selbst, und den wirklichen Zweck festzustellen, wäre eben Aufgabe einer richtigen Definition gewesen. "Erübrigen" statt Sparen ist nur ein anderer Ausdruck und erklärt nichts.

SCHUMPETER (12) - um nur die allerneuesten Schriftsteller zu erwähnen - macht dieselben Fehler. Er "definiert" sogar Sparen durch "Absparen":
    "Sparen ist nur das Zurücklegen von Einkommensteilen, welches ein Absparen von der gewohnten (!) Lebenshaltung bedeutet."
Der Verfasser, in seinen Theorien teils übermäßig radikal, teils extrem reaktionär (typischer Vertreter der materialistisch-quantitativen Auffassung!), sucht hier die alte, glücklicherweise fast ganz aufgegebene Lehre vom  Lohnfonds  anzuwenden auf die Erscheinung des Sparens. Um diese Erscheinung in seinem "statischen" Zustand der Volkswirtschaft unterbringen zu können, konstruiert er einen  Sparfonds.  Dieser könnte aber doch immer erst das Ergebnis des Sparens sein! (13)

Die Definitionen von LEXIS und SCHUMPETER haben mit der von PHILIPPOVICH das gemeinsam, daß sie den volkswirtschaftlichen Zweck des Sparens gar nicht oder nur mit einer nichtssagenden Umschreibung: übrtragen, erübrigen, zurücklegen angeben. Sie unterscheiden sich aber von dieser dadurch, daß sie statt von Konsum verschiebung  von Konsum beschränkung  reden. Die bloße Beschränkung des Konsums als solche nennt nun niemand Sparen, und es ist daher klar, daß eine deutliche Zweckbestimmung hinzutreten muß, die bei diesen Autoren fehlt. Sie gibt von MANTEUFFEL, indem er definiert (14):  "Sparen heißt, durch Konsumbeschränkung einen Vermögenszuwachs schaffen."  Das ist nun aus verschiedenen Gründen eine unklare und unzweckmäßige Begriffsbestimmung. Zunächst wird damit die Frage, wie das Vermögen und ein Vermögenszuwachs  festgestellt  werden soll, für die Definition von Bedeutung. Denn um eine Vermögens feststellung  handelt es sich natürlich, wenn man, wie MANTEUFFEL, den Vermögens zuwachs  als entscheidend für den Sparbegriff hinstellt. Der Fehler, der hier gemacht wird, liegt ganz einfach darin, daß  Vermögenszuwachs  und  Konsum  keine gegensätzlichen Begriffe sind. Mna kann sein Vermögen vermehren und doch seinen Konsum ausdehnen, ganz einfach deswegen, weil der Begriff des Vermögens mindestens auch die  dauerbaren Genußgüter  umfaßt. Eine Grenze hier zu ziehen ist aber unmöglich. Der Begriff des Vermögens umfaßt tatsächlich alle n einem bestimmten Moment im Eigentum einer Person befindlichen Güter einschließlich aller Konsumgüter. Ich möchte aber hier betonen, daß der Begriff  Vermögen  ein rein privatwirtschaftlicher ist, volkswirtschaftlich gibt es nur Kapital und Konsumgüter. Entweder also: man kann den Begriff des Konsums so einschränken, daß er nur für solche Güter gilt, die direkt beim Konsum  verzehrt  werden. Dann hat derjenige, der einen Stuhl, ein Wäschestück, eine Schreibfeder kauft,  gespart.  Das entspricht nicht dem Wortsinn, und auch hier ist wieder, wie diese Beispiele zeigen, keine Grenze zu ziehen. Oder aber man schränkt den Begriff  Vermögen  so ein, daß alle Genußgüter im Besitz des Konsumenten nicht darunterfallen. Dann ist er gleichbedeutend mit Produktions- und Ertragsmittel,  Kapital.  Es ist aber sinnlos, beide Ausdrücke als gleichbedeutend zu verwenden. Es handelt sich also beim Sparen nicht um eine Vermögensvermehrung - das ist ein unklarer Ausdruck -, sondern um eine  Kapitalbildung.  Das erkennen dann auch alle Schriftsteller an, auch wenn sie diesen Gedanken nicht in die Definition aufnehmen, und auch von MANTEUFFEL sagt, daß "eine Frage nach der Nützlichkeit des Sparens zusammenfällt mit der Frage nach der Nützlichkeit der Kapitalbildung" (Seite 54).

Es ist aber unbedingt notwendig, den Zweck des Sparens in die Definition aufzunehmen. Indem wir statt von  Vermögensvermehrung  von  Kapitalbildung  als Zweck des Sparens sprechen, scheiden wir den Begriff des  Thesaurierens  von dem des Sparens aus. Thesaurieren, Schatzbildung ist jede Konsum verschiebung,  soweit sie über den gegenwärtigen Wirtschaftsplan hinausgeht, also mit einer Konsum beschränkung  verbunden ist. Wer also innerhalb seines Wirtschaftsplanes seinen Konsum verschiebt, z. B. den Konsum der gekauften Äpfel oder Kartoffeln verteilt, eine Ausgabe von 100 Mark in seiner Bettlade aufbewahrt für spätere Zeiten des Alters oder der Not, die aber sonst noch nicht innerhalb seines Wirtschaftsplanes fallen. Doch gehen im praktischen Leben beide Begriffe vielfach ineinander über, weil die Motive zusammentreffen. Der Arbeiter, der 100 Mark auf die Sparkasse bringt, tut dies vielleicht nicht so sehr des geringfügigen Zinses wegen, als aus dem eben erwähnten Grund, in Zukunft eine Summe verfügbar zu haben. Es kommt ihm also nicht sowohl darauf an, das Geld Kapital als vielmehr, es Vermögen werden zu lassen und zwar in seiner fungibelsten Form (15). Umgekehrt, wenn jemand ein wertvolles Gemälde kauft oder zu seinem Garten ein Stück hinzuerwirbt, tut er es vielleicht in der Hauptsache, um diese Gegenstände als Kapital zu benutzen, sie später mit Gewinn zu verkaufen. Derlei Grenzfälle kann die ökonomische Theorie natürlich nicht berücksichtigen. Für sie ist die vollkommen klare Unterscheidung von Thesaurieren und Sparen deswegen von größter Bedeutung, weil auch hier wieder nur  Sparen  ein  volkswirtschaftlicher  Begriff ist. Die thesaurierten Gegenstände sind wohl privatwirtschaftlich ein Vermögen, aber sie sind volkswirtschaftlich kein Kapital. Sie greifen in die Volkswirtschaft gar nicht ein. Da es aber natürlich gerade darauf ankommt, wie die gesparten Kapitalmengen in der Volkswirtschaft wirken, sind bloße Thesaurierungshandlungen, die ja heute nicht zahlreich sind, hier auszuschließen (16).

von MANTEUFFELs Definition enthält noch einen weiteren Fehler und unterscheidet sich dadurch von den drei früher erwähnten. Sie gibt zwar den ZWeck aber nicht die Quelle an, aus der gespart wird. Er spricht nur negativ von Konsumbeschränkung, während die übrigen Definitionen positiv, wenn auch unbestimmt von einem Zurücklegen von  Einkommensteilen  reden. Man kann sagen, daß der Konsum ja immer aus dem Einkommen erfolgt, aber beim weiteren Umfang dieses Begriffs, der eben ein sehr schwankender ist, wird auch der Verbrauch von  Produktionsmitteln  als Konsum bezeichnet. Indem wir also nicht  jedes  "Erübrigen" von Gütern, sondern nur das von  Einkommensteilen  Sparen nennen, schließen wir  den  Vorgang vom Begriff des Sparens aus, daß  Produktionskosten  "erübrigt" werden. Wenn ein Unternehmer statt für 100 000 Mark Rohstoffe nur für 75 000 Mark gebraucht, um die gleiche Produktmenge herzustellen, so hat er nach dem gewöhnlichen Sprachgebrauch 25 000 Mark "gespart". Der feinere Sprachgebrauch unterscheidet allerdings zwischen "sparen" und "ersparen". Man wird nur sagen, er habe (eine Ausgabe von) 25 000 Mark "erspart", nicht aber er habe gespart. Es liegt hierbei in der Tat keine Spartätigkeit vor, und zwar deswegen nicht, weil es sich nicht um die  Verwendung von Einkommensteilen  handelt.

Zwar kann man auch hier, im weitesten Sinne, von einer "Konsumbeschränkung" reden. Güter, Roh- und Hilfsstoffe, die sonst verbraucht worden wären, sind nicht "konsumiert" worden. Aber wenn die üblichen Definitionen des Sparens von Konsumbeschränkung sprechen, denken sie offenbar an etwas ganz anderes, was auch überall zum Ausdruck kommt. Sie denken an eine Beschränkung des  Genusses,  des Konsums von  Gebrauchsgütern.  Das erkennt dann auch von MANTEUFFEL ausdrücklich an und erklärt es für nötig, den Fall, daß Produktionsmittel erübrigt werden, vom Begriff des Sparens auszuschließen (a. a. O., Seite 11f). Er spricht in diesem Fall von "technischem Sparen", das überall da vorliegen soll, "wo ich durch die praktische Leitung des Produktionsprozesses, durch größere Arbeitsteilung oder durch die Erfindung einer neuen Maschine Arbeitskräfte und Betriebsmaterialien spare", wo also, wie wir kürzer sagen können, eine Verbilligung der Produktionskosten vorliegt. von MANTEUFFEL setzt eingehend auseinander, warum dieses technische Sparen nicht "als eigentliches Sparen" aufgefaßt werden kann.
    "Das technische Sparen", sagt er, "hat also mit dem, was wir sonst unter Sparen verstehen, nichts gemein und paßt nicht unter den von uns definierten Sparbegriff, wir müssen es daher, ohne uns durch den Sprachgebrauch irre machen zu lassen, aus dem Sparbegriff und somit aus dem Rahmen dieser Untersuchung ausscheiden."
In der Tat werden ja die Produktionskosten nicht aus dem Einkommen bezahlt, und wenn sie gegen früher billiger werden, so bedeutet das kein Sparen, weil eben keine Konsumbeschränkung, kein Verzicht auf die Benutzung von Einkommen zum Konsum damit verbunden ist. (17)

Wir erkennen übrigens aus dem Gesagten ohne weiteres, daß dieser Begriff des sogenannten technischen Sparens nichts anderes ist als der eine der beiden Fälle quantitativer Produktivität, die ich im Aufsatz über das Produktivitätsproblem unterschieden habe: Vergleich verschiedener Kosten an einem  tertium comparationis  [Drittem zum Vergleich - wp] der gleichen Produktmenge. Wir werden sofort sehen, daß dieser Begriff des Sparens aus denselben Gründen wie jener für die Wirtschaftstheorie unbrauchbar ist. -


3. Sparen und Kapitalbildung

Aus diesen kritischen Erörterungen der bisherigen Definitionen ergibt sich jetzt leicht die unsrige.  Quelle  des Sparens ist das Einkommen und den  Zweck  des Sparens fassen wir nicht negativ, wie die bisherigen Definitionen, die von Konsumbeschränkung und dergleichen reden, sondern geben ihn positiv an: die  Kapitalbildung.  So kommen wir zur Definition: Sparen liegt dann vor, wenn man Einkommen, d. h. den Reinertrag wirtschaftlicher Tätigkeit, statt zum Konsum zur Kapitalbildung verwendet, es Produktions- oder Erwerbsmittel werden läßt. Die Worte: statt zum Konsum, kann man weglassen. Denn daß Einkommen zum Konsum verwendet wird, ist sozusagen das Normale. Wir definieren also Sparen kurz:  Einkommen Kapital werden lassen. (18)

Was ist mit dieser Definition gegenüber den früheren geändert? Zunächst: meine Definition ist eine  volkswirtschaftliche.  Sie schiebt die volkswirtschaftliche Bedeutung des Sparens, eben die Kapitalbildung in den Vordergrund, während jene, die nur von Konsumbeschränkung und dergleichen sprechen, rein privatwirtschaftliche Gesichtspunkte im Auge haben. Wir haben es hier aber mit Problemen der volkswirtschaftlichen Organisation zu tun. Es handelt sich hier nicht um die Frage, wann und in welchem Grad und zu welchem Zweck man seinen Konsum beschränkt, sondern darum, was mit dem nicht zum Konsum verwendeten Einkommen geschieht. Für die Volkswirtschaft ist also die Erscheinung der  Kapitalbildung  das Problem.  Dies  ist der positive volkswirtschaftliche, Sparen nur ein negativer privatwirtschaftlicher Begriff. Um nun alle Mißverständnisse auszuschließen, die aus der verschiedenen Bedeutung des Begriffs  Sparen  und daraus, daß der populäre Begriff allein die privatwirtschaftliche Seite desselben im Auge hat, entstehen können, wollen wir in Zukunft auch von  Kapitalbildung  sprechen und von Sparen nur dann, wenn Mißverständnisse ausgeschlossen sind und die Kürze diesen Ausdruck empfiehlt.


Es ist nun zweifellos eine der wichtigsten Fragen der Volkswirtschaft und Volkswirtschaftslehre:  "Wann wird Einkommen zum Konsum verwendet, wann zur Kapitalbildung?  Diese Frage ist natürlich vor allem eine solche der  Geldwirtschaft  und auch unser Begriff des Sparens daher ein geldwirtschaftlicher. Denn erst in der Geldwirtschaft, wo es sich um Einkommen in Geld handelt, besteht die größte Möglichkeit, Einkommen entweder zum Konsum zu verwenden oder Kapital werden zu lassen. Aber natürlich lassen sich die folgenden Erörterungen ebenso auf den analogen Vorgang in der Naturalwirtschaft anwenden, soweit auch hier Güter, die konsumiert werden könnten, benutzt werden, um weitere Produktionsmittel zu schaffen.

Noch eins ist mit unserer Definition gegenüber den früheren geändert, genau das gleiche, was wir bei unserem Produktivitätsbegriff gegen die früheren geändert haben. Der bisherige Begriff des Sparens war, wie jener, ein Relationsbegriff. Der Ausdruck  Konsumbeschränkung,  sowie vor allem auch die von vielen Schriftstellern unbewußt vorgenommene Identifizierung mit dem "technischen Sparen", also einem Produktivitätsbegriff, enthält einen  Vergleich,  bezieht sich auf ein Mehr oder Weniger von Konsum oder Ertrag gegen früher. Vor solchen Relationsbegriffen, namentlich wenn sie zur Verwechslung mit technischen oder quantitativen Gesichtspunkten führen oder weil sie leicht Werturteile enthalten, haben wir uns bekanntlich in der Wirtschaftstheorie zu hüten. Dieser Relationsgedanke wird nun hier auf die einfachste Weise beseitigt. Unser Begriff des Sparens konstatiert nichts weiter als die  Tatsache,  daß ein Wirtschaftssubjekt  Einkommen, also Güter, die es zum Konsum verwenden könnte, Kapital werden  läßt.

In  welcher Weise  man Einkommen Kapital werden läßt, das beeinflußt den Begriff des Sparens nicht, ist aber, wie wir noch sehen werden, für die Frage nach den  Wirkungen  des Sparens von der größten Bedeutung. Immerhin sei hier schon auf den Unterschied aufmerksam gemacht, den ich weiter unten eingehend behandeln werde,  daß das ersparte Einkommen für neues Kapital verwandt werden kann, das zum alten hinzutritt, und daß es zweitens das alte Kapital ersetzen kann.  Ersteres in der Weise, daß entsprechend der Ausdehnung des Konsums  Fabrikanlagen  vergrößert, neue Wohnhäuser gebaut werden und dgl.; letzteres vor allem in der Weise, daß neue billigere Produktionsmethoden zur Einführung gelangen und die alten verdrängen, rohstoff- und arbeitsparende Maschinen an die Stelle alter weniger "produktiver" treten, oder daß alte Häuser niedergerissen und neue gebaut werden (19). Hier liegt also im Gegensatz zum ersten Fall eine  Vernichtung  älterer Kapitalanlagen vor, und die ersparten Geldsummen schaffen hier nicht absolut neues Kapital, sondern ersetzen altes, müssen also, wie man leicht erkennen wird, produktiver sein als jene. Die Frage, wann eine solche Kapitalvernichtung und das Sparen zum Ersatz dafür wohlstandsfördernd ist, ist für die Theorie des Sparens und der Krisen von größter Bedeutung und wird uns später noch besonders beschäftigen. Sie beantworten zu können, ist, wie wir hier schon betonen müssen, eines der Hauptergebnisse unserer Theorie, das nur mit ihr zu gewinnen war.

Noch ein Punkt sei kurz erwähnt! Die nationalökonomische Theorie hat, wie bei ähnlichen wirtschaftlichen Begriffen, versucht, psychologisch die verschiedenen Motive zusammenzustellen, die zum Sparen führen. von MANTEUFFEL widmet ein besonderes Kapitel von 25 Seiten dieser Frage. Er unterscheidet, abgesehen vom "unfreiwilligen Sparen" (z. b. bei Unmündigen, bei Leuten, die plötzlich reich geworden sind und nichts mit ihrem Geld anzufangen wissen) drei Sparmotive: Sparen aus Mäßigkeit, Sparen aus angeborenem Sparsinn, "welcher sich in der Freude am Geld selbst, am Ansammeln desselben, in der Absicht mehr zu haben als andere, in der Scheu, dasselbe wegzugeben ausspricht"; und drittens "Sparen aus Berechnung: das aus der Aussicht auf späteren Gewinn, aus dem Bestreben, seine Lage in der Zukunft zu verbessern hervorgehende Sparmotiv". Alle derartigen psychologischen Erörterungen sind ja in einer Monographie über das Sparen ganz hübsch, aber mit Wirtschaftstheorie, die die  wirtschaftlichen  Erscheinungen, die Organisation des volkswirtschaftlichen Zusammenlebens zu erklären hat, haben sie nichts zu tun. Für sie ist es gleichgültig, aus welchen Motiven z. B. ROCKEFELLER jährlich so und so viele Millionen seines Einkommens Kapital werden läßt, sie untersucht keine Motive, sondern nimmt ein einziges als typisch und wesentlich an, das wirtschaftliche Motiv, das Streben nach dem größten Vorteil, das, mag es auch im einzelnen Fall mit allen möglichen Motiven, die zu untersuchen Sache der Psychologie ist, verbunden sein, doch für das wirtschaftliche Leben und so auch für die Tendenz zum Sparen ausschlaggebend ist.


III. Kapitalbildung und Konsum
in der Privatwirtschaft


1. Das Gesetz des Ausgleichs der
Grenzerträge und das Sparen

Nachdem wir mit den bisherigen Erörterungen sozusagen den Schutt unklarer Begriffsbestimmungen aus unserem Weg fortgeräumt haben, können wir zum eigentlichen Problem, das uns beschäftigt, übergehen, zu der Frage:  Wann und unter welchen Bedingungen wird gespart? Wann wird Einkommen nicht zum Konsum, sondern zur Kapitalbildung verwandt?  Es ist das eine Frage, die sich die Theorie bisher noch nie gestellt hat.

Beginnen wir mit der Untersuchung dieser Frage in der Privatwirtschaft. Der einzelne Wirtschafter - das ergibt sich aus dem wirtschaftlichen Prinzip - wird dann sparen,  wenn er den Ertrag, den er zu erzielen erwartet, indem er einen Teil seines Einkommens Kapital werden läßt, höher schätzt, als den Ertrag, den er mit seiner Verwenung zum Konsum erzielt.  Es handelt sich also beim Sparen privatwirtschaftlich um die Frage: Welcher Ertrag ist größer, der mit Konsumgütern oder der mit Kapitalgütern zu erzielende? Konsumertrag und Kapitalertrag werden hier in ihrer Bedeutung für den einzelnen Wirtschaft von ihm verglichen und er wird dann sparen, wenn der letztere ihm größer erscheint (20). In der Naturalwirtschaft wird auch dieser Ertrag, der Kapitalertrag, natürlich auf Genußgüter zurückgeführt werden. Kapitalgüter gewähren hier ja nur insofern einen Ertrag, als damit wirklich vom Wirtschafter geschätzte Genußgüter hergestellt werden. Wenn  Robinson  sich z. B. entschließt, Früchte, die er geerntet hat, statt zum eigenen Konsum, zur Aufzucht von Tieren zu verwenden, tut er das, weil er den mit den Tieren zu erzielenden Ertrag z. B. den Genuß von Hühnern oder von Eiern höher schätzt als den beim Genuß der Früchte erwarteten. In der Geldwirtschaft aber, wo alle Erträge in Geld geschätzt werden, wird natürlich der Kapitalertrag in Geld ohne weiteres mit dem in Geld veranschlagten Konsumertrag verglichen. Ersterer ist in der Regel eine Geldsumme, wird jedenfalls angegeben durch den Zins, den man von Leihkapital, oder den Gwinn, den man mit Produktions- und Erwerbsmitteln erzielt; letzterer ist die Differenz zwischen dem tatsächlichen Preis der Genußgüter und der Geldsumme, die man äußerstenfalls, d. h. bei Verzicht auf jeden Ertrag dafür geben würde. Solange dieser Ertrag noch größer erscheint als jener, wird konsumiert, sonst wird gespart. Es mag die Entscheidung darüber für das einzelne Wirtschaftssubjekt ungeheuer schwierig erscheinen. Tatsächlich aber helfen ihm seine genauen Erfahrungen über den in der Naturalwirtschaft verhältnismäßig kleinen Kreis seiner Bedürfnisse und die hier ebenfalls sehr beschränkte Möglichkeit der Verwendung von Kapitalgütern. In der Geldwirtschaft aber hilft ihm die ungefähre Kenntnis der Preise, die ja ebenfalls nichts sind als der Niederschlag millionenfacher Erfahrungen über die Intensität verschiedener Bedürfnisse.

Aber ist das alles? Mit dem Gesagten haben wir doch nur den fundamentalen, aus dem wirtschaftlichen Prinzip sich ergebenden Satz auf das Sparen angewendet, daß jedes Wirtschaftssubjekt nach dem größten wirtschaftlichen Vorteil strebt. Können wir nun über die  einzelne  Handlung hinaus nicht zu einem  allgemeinen  Satz darüber gelangen,  wo die Grenze  ist, an der zunächst beim einzelnen Wirtschaftssubjekt der Konsum aufhört und das Sparen anfängt? Allerdings. Diese Möglichkeit ist, wie sich aus unserer Produktivitätstheorie leicht ergibt, gegeben  durch das Gesetz des Ausgleichs der Grenzerträge.  Dieses Gesetz, auf die  Verwendung des Einkommens  angewendet, lautet dahin, daß Sparen oder, wie wir besser sagen - Kapitalbildung dann für das betreffende Wirtschaftssubjekt vorteilhafter ist als konsumieren,  sobald die beim Konsum erzielten Grenzerträge anfangen, geringer zu werden als die bei einer Kapitalisierung erzielten.  Und die höchste Wohlstandsförderung wird ein Wirtschafter offenbar dann erzielen, das wirtschaftliche Prinzip wird dann am besten gewahrt werden,  wenn die Grenzerträge beim Konsum und die bei der Kapitalbildung ungefähr gleich sind. 

Das ist das Gesetz des Ausgleichs der Grenzerträge, angewendet auf die Spartätigkeit des einzelnen Wirtschaftssubjekts. Sobald ein Wirtschafter von einem Produkt soviel konsumiert, daß hier der Grenzertrag unter denjenigen sinkt, die beim Konsum anderer Güter noch erzielt werden, vermindert er seinen Gesamtertrag. Das ist der allgemeine Inhalt des von mir modifizierten sogenannten  zweiten Gossenschen Gesetzes,  aus dem ich das Gesetz des Ausgleichs der Grenzerträge gemacht habe. Jetzt sind  neben den Konsumgütern  also auch  noch die Kapitalgüter  heranzuziehen. Auch deren Erträge müssen berücksichtigt werden. Es ist für einen Wirtschafter vorteilhafter, mit einem größeren Ertrag zu sparen, statt mit einem geringeren Ertrag, als er im Durchschnitt bei seinem Konsum erzielt, noch weiter zu konsumieren. Bei der Naturalwirtschaft kommt das, wie wir schon sahen, auf dasselbe hinaus, ob man die Kapitalerträg oder die Konsumerträge berücksichtigt, weil es ja hier einen besonderen Ertrag der Kapitalgüter nicht gibt, derselbe vielmehr direkt mit dem der Genußgüter identifiziert wird. Wenn  Robinson  Früchte statt zum Konsum zur Viehfütterung verwendet, erzielt er von diesen keinen besonderen Ertrag, sondern er vergleicht den Ertrag des Fleischkonsums mit dem des weiteren Konsums von Früchten. Er wird eben soviele Früchte Kapital werden lassen, daß der Ertrag, den er vom Fleisch erzielt, mit dem vom Genuß der Früchte und überhaupt mit allen seinen Grenzerträgen fast gleich ist.

In der Geldwirtschaft kommt aber für das Streben nach größter Wohlstandsförderung auch die Anlage von Einkommensteilen als  Kapital für fremde Wirtschaften  in Betracht, z. B. das Aufzinsengeben. Auch dieser Erträge müssen mit denen der Konsumgüter verglichen werden.  Sobald ein Wirtschafter diese Kapitalerträge höher schätzt als die Grenzerträge seines Konsums, wird er zu sparen anfangen. Umgekehrt wird er sein Einkommen weiter zum Konsum verwenden, solange der Ertrag, den er dabei erzielt, größer ist, als den er mit Kapital erzielen könnte. 

Aus dem Gesagten erklärt es sich, warum Leute mit geringem Einkommen gar nicht sparen. Der Ertrag, den sie bei der Kapitalbildung erzielen können, ist für sie von viel geringerer Bedeutung als der Ertrag aus der Verwendung ihres Einkommens zum Konsum, da sie damit ja nur ihre allerdringendsten Bedürfnisse befriedigen können. Daß aber die Spartenendez nicht unbedingt mit der Größe des Einkommens zunimmt, hat seinen Grund darin, daß einerseits sowohl die Sparinteressen wie auch die Konsumbedürfnisse der einzelnen Menschen sehr verschieden sind (Familienväter gegenüber Junggesellen, standesgemäße Lebenshaltung und dgl.), andererseits auch die  Art  des Einkommens in Betracht gezogen wird, die in verschiedener Weise zum Sparen anreizt (Arbeitseinkommen - fundiertes Einkomen). Darüber kann die Wirtschaftstheorie nichts Einheitliches aussagen: es genügt ihr, die Tatsache hervorzuheben, daß das Sparen nicht immer proportional der Einkommensgröße zunimmt, und die Gründe dafür anzugeben.


2. Kapitalbildung und Vermögensbildung
in der Privatwirtschaft

Man wird mir nun vielleicht entgegenhalten, diese Ausführungen seien reine Theorie, und im praktischen Leben werde oft aus ganz anderen Gründen gespart und die Höhe der dabei zu erzielenden Erträge gar nicht berücksichtigt. Ich habe das vorhin schon zugegeben. Es wird vielfach darauf verzichtet, Einkommensteile zum Konsum zu verwenden, nicht zum Zweck der  Kapitalbildung,  sondern zu dem der  Vermögens bildung. Jedes Wirtschaftssubjekt wird unendlich oft vor die Frage gestellt, ob es einen Einkommensteil konsumieren oder nicht konsumieren soll. Entschließt es sich zu letzterem, so kann es
    1. das  Einkommen dauerndes Vermögensgut werden lassen:  Sparen im weiteren, rein privatwirtschaftlichen Sinne = thesaurieren.  Dabei ist ihm der periodische Ertrag, den dieses Vermögen abwirft, Nebensache. Das bedeutet aber, wie wir schon sahen, nur eine Konsumverschiebung und geschieht immer, weil das Wirtschaftssubjekt den Ertrag, den es bei späterem Konsum erzielen kann, höher schätzt. Nur handelt es sich hier eben um einen einmaligen Konsumertrag, den wir auch Vermögensertrag nennen können.
Oder das Wirtschaftssubjekt kann den Einkommensteil
    2.  Kapital werden lassen: Sparen im volkswirtschaftlichen Sinne.  In diesem Fall wird niemand bestreiten können, daß es die Erträge, die es entweder beim Konsum oder bei der Kapitalbildung erzielen könnte, miteinander vergleicht, natürlich die Erträge des ersparten Kapitals nicht nur für ein Jahr, sondern dauernd und eventuell nicht nur für sich, sondern auch noch für seine Nachkommen. Nehmen wir doch einmal ein Beispiel aus dem praktischen Leben. Ein reicher Mann mit 30 000 Mark Einkommen verbraucht nur 20 000 Mark. Er denkt daran, sich ein Automobil anzuschaffen, das ihn zuerst 10 000 Mark und dann jählich ungefähr 3000 Mark kosten würde. Schließlich zieht er es aber doch vor, zu sparen. Ganz offenbar nur deshalb, weil er die Erträge von 10 000 Mark dauernd und von 3000 Mark Jahr für Jahr höher schätzt als den Besitz und Gebrauch eines Automobils. Deswegen kann er es doch im folgenden Jahr vorziehen, die dann ersparten 3000 Mark laufenden Ausgaben z. B. für eine größere Reise zu verwenden. Sehr häufig wird auch bei einem solchen Mann die Erwägung einfach die sein, daß er sich sagt, ich will mit meinen Ausgaben bis auf ungefähr 20 000 Mark gehen. Er richtet sich danach ein und zieht es vor, statt einer weiteren Bedarfsbefriedigung den Rest seines Einkommens Kapital werden zu lassen, weil er den dauernden Ertrag davon höher schätzt.
Der erste Fall, der der Vermögensbildung, wird häufiger sein bei Personen mit einem Arbeitseinkommen, der zweite, der der Kapitalbildung, bei Personen mit Kapitaleinkommen aller Art (sogenanntes fundiertes Einkommen). Es ist aber kein Zweifel, daß der weitaus größte Teil des in einer Wirtschaftsperiode nicht konsumierten Eigentums aus der letzteren Quelle stammt (21). Alle für die Vergrößerung von Unternehmungen verwendeten Beträge, soweit sie, wie der Ausdruck lautet, "aus dem Betrieb erfolgen", sind hierher zu rechnen.

Andererseits gebe ich allerdings zu, daß, wenn im praktischen Wirtschaftsleben gespart wird, beide Zwecke: die Vermögens- und die Kapitalbildung, sehr häufig ineinander übergehen. Man spart teils, um sich später im Alter ein Vermögen, das man eventuell verzehren wird, teils um sich ein fundiertes Einkommen zu sichern. Man tut dasselbe für seine Kinder, teils um ihnen ein Vermögen, z. B. zur Errichtung eines Geschäfts, teils um ihnen ein fundiertes Einkommen aus Kapitalbesitz zu sichern. Vermögen und Kapital sind ja überhaupt keine Gegensätze, sondern das Vermögen begreift das Kapital in sich. Will man den Vermögensteil, der kein Kapital ist, besonders bezeichnen, so muß man von Genußvermögen sprechen.

Sehr häufig aber ist ein großer Teil ersparter Einkommen, der anscheinend nur zur Vermögensbildung dient, in Wirklichkeit Kapitalbildung. Ein Bodenspekulant, der Grundstücke kauft, eine Terrain-Gesellschaft, ein reicher Mann, der einen Teil seines Vermögens in Grundstücken anlegt, ja auch viele Käufer von Gemälden und anderen Kunstgegenständen denken in erster Linie oder ausschließlich an eine Kapitalanlage. Hier geht eben der Begriff des Vermögens in den des Kapitals über. Sie sehen ihre Spekulation nicht als geglückt an, wenn nicht der Verkaufserlös den ursprünglichen Kapitalaufwand nebst Zinsen dermaßen übersteigt, daß, auf das einzelne Jahr gerechnet, der Ertrag mindestens den landesüblichen Zinsfuß erreicht. Ein Kapitalist, der z. B. nach zehn Jahren seine Grundstücke verkauft, berechnet sich den Reinertrag, den er erzielt hat, pro Jahr, und vergleicht die Rentabilität dieser Kapitalanlage mit derjenigen einer anderen Kapitalanlage, die er sonst hätte machen können, z. B. dem landesüblichen Zinsfuß: alles ein Beweis, daß es ihm auf Kapitalbildung ankam.

Nichtsdestoweniger betone ich selbst ausdrücklich, daß unsere Erörterungen über Kapitalbildung und Konsum für die Privatwirtschaft geringere Bedeutung haben. Sie sollen uns auch nur die Grundlage liefern für die Untersuchung dieser Frage in der Volkswirtschaft. Uns interessiert ja das Problem in einem speziel volkswirtschaftlichen Sinn, die volkswirtschaftlich eminent wichtige Frage, ob nicht zuviel gespart oder zuviel konsumiert werden könnte. Für die Untersuchung der volkswirtschaftlichen Organisation aber gibt es, wie wir schon betonten, kein Vermögen. Für sie sind, da das  hoarding [horten - wp], das Aufspeichern von Geld in Strümpfen und Bettladen heute keine nennenswerte Rolle mehr spielt, nur Einkommensteile, die Kapital werden, von Bedeutung. Denn es ist klar, daß auch der weitaus größte Teil dessen, was privatwirtschaftlich, nur zwecks Vermögensbildung gespart wird, doch volkswirtschaftlich noch Kapital wird: in den Händen einer anderen Wirtschaft. Die Groschen, die der Arbeiter auf die Sparkasse trägt, die Beiträge zur Invaliden-, die Prämie einer Lebensversicherung, die zunächst nur zum Zweck privatwirtschaftlicher Vermögensbildung eingezahlt werden, sie werden von der Sparkasse, der Versicherungsanstalt "angelegt", sind bei ihm schon Kapital (Geldkapital), und werden es nochmals bei demjenigen, der es sich leiht, umd davon seine Produktionsmittel zu kaufen (Sachkapital). Auch derjenige, der eine Wiese nur als Bauplatz zu Spekulationszwecken kauft, läßt sie, wenn er sie an einen Landwirt verpachtet, in dessen Hand Kapital werden.

Also mindestens alles Geldeinkommen, das nicht konsumiert wird, aber auch ein Teil des Sachvermögens wird, wenn auch nicht in der Privatwirtschaft des Besitzers, so doch irgendwo in der Volkswirtschaft, Kapital. Zu der Frage, wie eine solche Kapitalbildung statt Konsum in der Volkswirtschaft wirkt, haben wir jetzt überzugehen.
LITERATUR Robert Liefmann, Theorie des Sparens und der Kapitalbildung, Jahrbuch für Gesetzgebung, Verwaltung und Volkswirtschaft im Deutschen Reich, Jhg. 36, München und Leipzig 1912
    Anmerkungen
    1) Jena 1903
    2) Jahrbücher für Nationalökonomie und Statistik, III. Folge, Band 40.
    3) Archiv für Sozialwissenschaft und Sozialpolitik, Bd. 34, Heft 1 und 2.
    4) Jahrbücher für Nationalökonomie und Statistik, III. Folge, Bd. 43, 1912
    5) Eine Zusammenfassung all dieser Arbeiten soll in einer Schrift "Die Theorie des Volkswohlstandes" erfolgen, mit der ich beschäftigt bin. Da ich jedoch zur Zeit mit anderen Aufgaben, insbesondere der Vorbereitung der zweiten Auflage meines Buches "Beteiligungs- und Finanzierungsgesellschaften", in Anspruch genommen bin, wird die Fertigstellung jener Schrift noch nicht so bald erfolgen können. Von dem Gedanken ausgehend, daß meine theoretischen Grundgedanken umso eher Zustimmung und Verbreitung finden werden, je mehr ich zeige, was sich mit ihnen zur Klarstellung der verschiedensten Probleme der ökonomischen Theorie anfangen läßt, habe ich mich entschlossen, die vorliegenden Untersuchungen über Sparen und Kapitalbildung, die schon vor 1½ Jahren in der Hauptsache abgeschlossen waren, hier zu veröffentlichen.
    6) Nur auf einem einzigen Gebiet hat man bisher die materialistisch-quantitative Auffassung der wirtschaftlichen Erscheinungen zu bekämpfen versucht:  Knapp  mit seiner Bekämpfung des "Metallismus" in der Geldlehre.  Knapp  könnte durch die Annahme meiner theoretischen Grundgedanken, insbesondere meiner Preistheorie, seiner Geldlehre leicht den ihn noch fehlenden ökonomischen Unterbau liefern.
    7) Möglichst geringe Kosten allein, worin man bisher manchmal das Wesen des "wirtschaftlichen Prinzips" erkennen wollte, genügt. Eine möglichst große Produktmenge mit möglichst geringen Kosten kann man als das allerdings nicht klar postulierte Ziel der Wirtschaft nach den bisherigen quantitativ-materialistischen Theorien bezeichnen. Davon ist ein möglichst großer  Nutzen  mit möglichst geringen Kosten, d. h. möglichst großer Ertrag, scharf zu unterscheiden. Die bisherige Theorie kennt nur den  quantitativen  Ertrag -  Produkt menge. Davon muß man sich ganz emanzipieren, was offenbar den Anhängern der bisherigen Theorien außerordentlich schwer fällt. Insbesondere kann den herrschenden Theorien gegenüber nicht scharf genug betont werden, daß auch  Kosten  ein  Schätzungsbegriff  ist: Unlustempfindungen.
    8) erste Auflage 1714 (siehe besonders Vers 177-203 und die Anmerkungen dazu)
    9) Vgl. dazu  Carl von Manteuffel,  Das Sparen, Sammlung nationalökonomischer und statistischer Abhandlungen, hg. von J. Conrad, Bd. 26, Jena 1900 und  von Bergmann,  Geschichte der nationalökonomischen Krisentheorien, Stuttgart 1895.
    10) Im Gegensatz zur deutschen Literatur, wo man an einem rein  technischen  Begriff des Kapitals in der Hauptsache festhält. Vgl. meine Kritik in "Ertrag und Einkommen" und  Walther Jacoby,  Der Streit um den Kapitalbegriff, Jena 1908.
    11)  Wilhelm Lexis,  Allgemeine Volkswirtschaftslehre, Seite 64.
    12)  Joseph Schumpeter,  Wesen und Hauptinhalt der theoretischen Nationalökonomie, Seite 307f.
    13) Die ganze Form der Behandlung in Kapitel V: "Die Theorie des Sparens" enthält viel des Störenden. Man vergleiche die Seite 298-302, in denen sich immer wieder Sätze finden wie die folgenden: "das allererste, worauf wir die Aufmerksamkeit des Lesers lenken wollen, ist wiederum unsere Art vorzugehen, ... das soll uns dazu helfen, ein Urteil darüber zu gewinnen, ... Wir wollen sehen, was die statische Ökonomie für dieses Problem und wie sie es tun kann ... Nur die Arbeit an konkreten Problemen kann uns dazu führen, wirklich etwas von der Sache zu verstehen ... Zuerst aber wollen wir die neue Theorie des Sparens entwickeln. Beachte man, wie wir dabei zu Werke gehen" usw. Das sind immer Auftakte, die die Erwartung spannen. Aber die Resultate entsprechen diesen Erwartungen nicht.
    14)  von Manteuffel,  a. a. O., Seite 4
    15) Daher kann in solchen Fällen der Ertrag auch unter dem durchschnittlichen liegen (siehe weiter unten).
    16) Vgl. über das Thesaurieren auch  von Manteuffel,  an verschiedenen Stellen, besonders auch Seite 66-68. Die dort behandelten Wirkungen desselben können hier als bekannt vorausgesetzt werden.
    17) Bei dieser Gelegenheit möchte ich erwähnen, daß Anfang 1908 auf der Tagung der  American Economic Association  in Madison, Wisconsin, der ich beiwohnte, als theoretisches Thema die Frage: Are Savings Income? [Sind Ersparnisse Einkommen? - wp] behandelt wurde. Es ist vielleicht nicht uninteressant, darauf hinzuweisen, ein wie spezielles Thema hier zur Erörterung gestellt wurde, während wir im Verein für Sozialpolitik ein so allgemein gefaßtes Problem wie den Produktivitätsbegriff erörterten. Es ist das vielleicht charakteristisch für das verschiedene Interesse an der Theorie in beiden Ländern. Jenes ist aber in der Tat nur eine "Doktorfrage", deren Behandlung man eher uns Deutschen als den Amerikanern zugetraut hätte. Und man kann auch nicht behaupten, daß bei ihren Erörterungen mehr herausgekommen wäre als bei unserer Produktivitätsdebatte. Das Referat von Professor  Irving Fisher  stützte sich auf sein Buch "The nature of capital and income", in dem als Einkommen nur die "Dienste", die die Güter uns leisten, als Kapital aber, im einen schon von  Walras  vertretenen Sinne, alle Güter aufgefaßt werden, die mehrmals gebucht werden können. Darin, daß Ersparnisse zwar aus dem Einkommen stammen, aber nicht mehr Einkommen, sondern Kapital sind, stimmen wir natürlich mit Professor  Fisher  überein. Das kommt auch in unserer Definition deutlich zum Ausdruck. Ebenso stimme ich ihm bei, daß Wertanhäufungen des Kapitals kein Einkommen aber auch keine Ersparnisse sind. Dagegen kann ich mich seiner Unterscheidung von  income  und  earnings  und besonders seinen Schlußfolgerungen für die Einkommensbesteuerung nicht anschließen. Die letzteren wurden auf von Professor  Daniels  zurückgewiesen. Allerdings hat Professor  Fisher  mit manchen starken Irrtümern über das Sparen und den Einkommensbegriff, die in der englischen Literatur zu finden waren, aufgeräumt, so z. B. mit der von  Edwin Cannan  in seinem Buch "Production and Distribution" vertretenen Auffassung, daß auch alles, was zum Kapital hinzugefügt wird (additions to capital), unter den Einkommensbegriff fällt.
    18)  Thesaurieren  heißt: Einkommen über die gegenwärtige Einkommensperiode hinaus  Vermögen  werden lassen.  Privat wirtschaftlich decken sich beide Begriffe,  volks wirtschaftlich nicht.
    19) Hier handelt es sich natürlich nur um Häuser als Kapitalanlage.
    20) Um Klarheit zu haben, muß man freilich zuerst überhaupt erkennen, daß man  auch beim Konsum  - sei es in der Natural-, sei es in der Geldwirtschaft - einen Ertrag, möglichst großen Überschuß von Genuß über die Kosten erzielen will. Das nicht erkannt zu haben, ist einer der Hauptfehler  aller  bisherigen Theorien, die, mögen sie nun von den Kosten oder vom Wertbegriff ausgehen, darin übereinstimmen, daß, wenn ich mir einen Winterrock für 40 Gulden kaufe, er mir 40 Gulden wert ist. Man braucht aber nur sein eigenes wirtschaftliches Handeln ein wenig zu beobachten, um zu erkennen, daß es überall auf den Etrag ankommt. Wer auf jenem Standpunkt steht - und tatsächlich ist er bisher noch nie bestritten worden -, hat überhaupt den ganzen Mechanismus der Tauschwirtschaft nicht verstanden. Vgl. jetzt dazu die ausdrücklich Ertrag und Einkommen als Grundlage angebende Schrift von  Otto Conrad,  "Die Lehre vom subjektiven Wert als Grundlage der Preistheorie, Wien 1912. Leider bleibt der Verfasser auf halbem Weg stehen, indem er wohl von dem Grundgedanken ausgeht, das "Bestreben aller Wirtschaftssubjekte ist es, möglichst teuer zu verkaufen und möglichst billig zu kaufen" (Seite 3), aber nicht zum allgemeinen Ertragsbegriff gelangt. Daß man nur damit weiter kommt, wird er jetzt auf Grundlage meiner neuen Arbeiten erkannt haben. Für ein weiteres Eingehen auf die Grundfragen muß ich hier auf dieselben verweisen.
    21) Übereinstimmend  Lexis,  a. a. O., Seite 64/65.