ra-2A. BilimovicR. LiefmannH. GossenR. Zuckerkandlvon Zwiedineck    
 
HENRY OSWALT
Der "Ertragsgedanke"

"Die  Liefmannschen Ausführungen haben mich nicht überzeugt, daß es richtig wäre, den Nutzengedanken durch den Ertragsgedanken zu ersetzen, vielmehr glaube ich, daß zwar auf letzterem eine neue Phraseologie aufgebaut werden kann, daß er aber unsere sachliche Erkenntnis nicht fördert."

Liefmann, Robert: Ertrag und Einkommen auf der Grundlage einer rein subjektiven Wertlehre, Jena 1907 [im folgenden E. zitiert]
Derselbe, Die Entstehung des Preises aus subjektiven Wertschätzungen. Grundlagen einer neuen Preistheorie, Archiv für Sozialwissenschaft und Sozialpolitik 1912, Seite 1-54 und 406-469 [im Folgenden Pr. zitiert]
Derselbe, Grundlagen einer ökonomischen Produktivitätslehre, Conradsche Jahrbücher 1912, Seite 273-327 [im folgenden Gr. zitiert]
Derselbe, Theorie des Sparens und der Kapitalbildung, Schmollers Jahrbuch 1912, Seite 1565-1642 [im Folgenden Sp. zitiert]



Unter Ertrag, dem "Fundamentalbegriff" seiner Theorie, (Pr. 8) dem "wichtigsten Grundbegriff der ökonomischen Theorie" (Pr. 18) versteht LIEFMANN den  Überschuß des Nutzens über die Kosten, also  E = N - K, und er erwartet von diesem "Ertragsgedanken" eine vollständige Umwälzung der Wirtschaftstheorie. "Ich glaube, schreibt er Pr 469, die Bedeutung der hier entwickelten Gedanken nicht zu überschätzen, wenn ich die Meinung ausspreche, daß sie das Fundament für einen neuen systematischen Aufbau der ökonomischen Theorie bilden können." "Es ist (Pr. 431) wohl nicht zuviel gesagt, wenn wir behaupten, daß eine klare Vorstellung der tauschwirtschaftlichen Organisation erst aufgrund unseres Ertragsbegriffs, des Gesetzes des Ausgleichs der Grenzerträge und der darauf ruhenden Preistheorie möglich ist." "Mir aber zeigten sich gerade die  Fundamente aller bisherigen Theorien als wacklig, und was ich biete, ist daher eine neue "Grundlegung der ganzen ökonomischen Theorie" (Sp. 1566). Hierbei liegt immer der Nachdruck auf dem Ertrag, im Gegensatz zum Nutzen. "Ich habe zum ersten Mal darauf hingewiesen (Pr. 25), daß das Wirtschaftssubjekt überhaupt nicht, wie alle bisherige Theorie lehrte, ... nach größtem Nutzen, sondern nach dem größten Ertrag ... strebt." Deshalb muß man (Pr. 430) das Organisationsprinzip der Tauschwirtschaft dahin formulieren:
    "Organisationsprinzip der Tauschwirtschaft ist: das Streben der Privatwirtschaften nach größtem Ertrag",
man muß dazu kommen (Pr. 27)
    "das Streben nach dem größten Ertrag zur Grundlage der ganzen tauschwirtschaftlichen Organisation zu machen."
(Wenn auf der anderen Seite gelegentlich gesagt wird, "die Grundlage, auf die alle wirtschaftlichen Erscheinungen im letzten Grund zurückgeführt werden müssen" seien subjektive Bedürfnisse und damit verbundene Wertvorstellungen (E. 41, 42), so ist das einer der nicht seltenen Fälle, in denen LIEFMANN seiner eigenen Theorie untreu wird; daß die tauschwirtschaftliche Organisation eine wirtschaftliche Erscheinung ist, wird er wohl nicht bestreiten wollen.)

Ein Beispiel möge zeigen, wie diese Substituierung des Ertrages an Stelle des Nutzens geschieht. LIEFMANN ist ein Anhänger des "Grenzgedankens" (Pr. 41), meint aber, dieser sei bisher immer unrichtig verwendet worden, indem man mit dem Grenz nutzen oder gar mit dem Grenz wert operiert habe, statt mit dem Grenz  ertrag. Wenn er daher den Begriff des Grenzertrags einführt, so nimmt er hierbei als seine Entdeckung nur den Grenz ertrag im Gegensatz zum Grenz nutzen in Anspruch, nicht den Grenzgedanken überhaupt. "Von diesen (Gedanken) sind (Pr. 407) der Ertragsgedanke noch  nie, der Grenzgedanke sehr  häufig, der Ausgleichsgedanke nur sehr  unvollkommen und rein quantitativ, beide aber noch  nie auf den Ertragsbegriff angewandt worden. Damit ist das Neue, das ich geliefert habe, ganz genau bestimmt. Das Schwierige war aber natürlich nicht, diese Gedanken aufzustellen, sondern sie zu einem System zu gestalten, das Chaos der bisherigen Theorie als falsch nachzuweisen" usw.

LIEFMANN fordert (Pr. 17) seinen Leser auf, "sich vor der Lektüre einmal Rechenschaft abzugeben, wie er die Preisbildung erklärt", eine Aufforderung, die er damit begründet, daß jedem, der seine Ausführungen gelesen hat, sie so selbstverständlich vorkommen werden, daß er vielleicht meint, sie seien gar nicht neu. Ich bin dieser Aufforderung schon sieben Jahre, ehe sie gestellt war, nachgekommen, indem ich meine Ansichten, nicht nur über die Frage, wie die Preisbildung zu erklären sei, sondern über die wirtschaftlichen Grundphänomene überhaupt in meinen "Vorträgen über wirtschaftliche Grundbegriffe" (Jena 1905) dargelegt hat, und ich muß gestehen, daß ich in dieser Schrift die von LIEFMANN bekämpfte Anschauung vertrete, das einzige Organisationsprinzip jeder Wirtschaft, auch der arbeitsteiligen Tauschwirtschaft, sei das Streben nach möglichst großem Nutzen oder, wenn ich der Deutlichkeit halber einen Pleonasmus [Doppelmoppel - wp] gebrauchen darf, nach möglichst großem Nutzen der Konsumenten; unbeschadet natürlich der Frage, welche  Zwischenmotive den wirtschaftenden Menschen in den einzelnen Phasen des Wirtschafsprozesses leiten und in den Dienst jenes obersten Zwecks stellen. Die LIEFMANNschen Ausführungen haben mich nicht überzeugt, daß es richtig wäre, den Nutzengedanken durch den Ertragsgedanken zu ersetzen, vielmehr glaube ich, daß zwar auf letzterem eine neue Phraseologie aufgebaut werden kann, daß er aber unsere sachliche Erkenntnis nicht fördert.

Um dieses Urteil zu begründen, untersuchen wir, anschließend an die soeben gemachte Unterscheidung, das Streben nach möglichst hohem Ertrag
    I. als unmittelbar wirkendes Motiv
      1. des Konsumenten
      2. des Produzenten
    II. als Organisationsprinzip der Tauschwirtschaft.

I.

LIEFMANN unterscheidet Konsumertrag und Erwerbsertrag, auch Preisertrag genannt, nach jenem strebt der Konsument, nach diesem der Produzent.

1. Konsumertrag ist (Pr. 26) die Differenz, die sich wie folgt berechnet: "dieses Gut kostet mich faktisch  x Mark, ich würde äußerstenfalls  x + y Mark dafür geben, die Differenz ist mein Ertrag in Geld ausgedrückt"; übereinstimmend heißt es Pr 28: "ich komme zu einer Ertragsfeststellung, indem ich mich frage, wieviel Geld ich äußerstenfalls ... aufgewendet haben würde." Diese Art der Berechnung des Konsumertrages nennt LIEFMANN "Kostenvergleich".

Daneben kennt er noch eine zweite, die er "Nutzenvergleich" nennt und (Pr. 26, 28) dahin beschreibt, daß der Konsument den Nutzen eines Gutes vergleicht mit dem Nutzen des geringsten anderen Gutes, für das er gerade noch denselben Preis, für den jenes gekauft wird, aufwenden würde; die Differenz dieser zwei Nutzen ist der Konsumertrag.

Ist es nun richtig, daß der "Ertrag" in diesem Sinn dem Konsumenten zu Bewußtsein kommt und sein Tun beeinflußt?

Eine prinzipielle Darstellung des psychischen Vorgangs findet sich in der älteren Schrift (E. 50), wo es heißt: "Der Ertrag ist gewissermaßen der Maßstab des Werts (1), und zwar deswegen, weil seine eine Komponente der Wert ist. Die andere Komponente des Ertrags aber sind die Kosten. Zwei Güter, die gleichviel kosten, sind zwar nicht gleichviel wert (für jemanden muß immer hinzugefügt werden) aber die Kosten bilden die Grundlage, um ihren Wert  näher zu vergleichen als das sonst möglich ist, indem wir jetzt mittels Spannung, die den Ertrag bildet, einen Vergleichsmaßstab haben ... Der Ertrag, die Differenz zwischen Wertschätzung und Kosten,  ist also das Mittel, den Wertvergleich exakter durchzuführen als das der Fall ist, wenn es sich nicht um wirtschaftliche Güter handelt." Diese Ausführung scheint mir, wenn damit die Bedeutung des Ertrages  (N - K) geschildert werden soll, den einfachsten Denkgesetzen zu widersprechen. Es soll, um zunächst von einem "Kostenvergleich" zu sprechen, der Schwierigkeit, die darin liegt, zwei Nutzen, als  N1 und  N2, zu vergleichen, dadurch abgeholfen werden, daß man zwei Erträge,  N1 - K1 und  N2 - K2 ermittelt. Aber wenn  N eine unbekannte, unbestimmte, schwer meßbare Größe ist, so treffen doch all diese Aussagen geradeso auf  N - K zu, gleichviel ob  K bekannt, bestimmt, leicht meßbar ist oder nicht. Wir kommen also durch den "Kostenvergleich" in keiner Weise über die Schwierigkeit hinaus, die im Vergleich zweier Nutzen liegen soll.

Und was die andere Art, den Konsumertrag zu ermitteln, betrifft, nämlich den "Nutzenvergleich", so wird die Schwierigkeit, die darin liegen soll, zwei Nutzen miteinander zu vergleichen, wahrlich nicht kleiner dadurch, daß man jede von ihnen mit einem dritten Nutzen, also auch wieder einem Nutzen, vergleicht, und dann die zwei so gewonnenen Differenzen ("Erträge") miteinander vergleicht: statt einem Nutzenvergleich hat man zwei oder gar drei zu machen.

LIEFMANN sagt dann auch (Pr. 27), heute, im Zustand der entwickelten Geldwirtschaft, werde "in der Regel" ein Kostenvergleich in Geld gemacht (obwohl "genau genommen" nur der Nutzenvergleich den Ertrag ergibt E. 62) und die Beispiele, die er gibt, dienen nur zur Jllustrierung des "Kostenvergleichs". Auf diese Beispiele ist nunmehr einzugehen.

LIEFMANN sagt (Pr. 28 vgl. 452), wenn er im Restaurant sitzt und auf der Speisekarte verschiedene Speisen zum Preis von 2 Mark findet, z. B. ein Schnitzel und ein Beefsteak, so entscheidet er sich für diejenige, die ihm den größten Überschuß von Nutzen über die Kosten, den größten Ertrag gewährt. Die zwei Erträge aber (Pr. 29) stellt er dadurch fest, daß er sich frägt: wieviel Geld würde ich äußerstenfalls für das Beefsteak und wieviel für das Schnitzel bezahlen? Das sei eine selbstverständlich aber doch immer verkannte Wahrheit; daß der Wirtschafter so vorgeht, zeige die Beobachtung und er selbst sei nur durch Beobachtung auf diese Lehre gekommen.

Mit meinen Beobachtungen stimmt das nicht. Ich bin mir noch nie darüber klar geworden, wieviel ich "äußerstenfalls", z. B. in einer belagerten Stadt, für ein Beefsteak und für ein Schnitzel zahlen würde, und bin dazu auch gar nicht imstande, weil meine Phantasie nicht ausreicht, mir den Fall, der der "äußerste" wäre, im einzelnen auszumalen. Aber die Kenntnis der eigenen Maximalnutzenschätzung ist mir (aus Gründen, die ich in meinen Vorträgen Seite 67 angegeben habe (2) noch nie bei der Wahl zwischen Beefsteak und Schnitzel  nötig gewesen, weder mir noch einem meiner Mitmenschen - mit einer Ausnahme: nämlich dem, den ich a. a. O. als den "Sechsmärker" bezeichnet habe, d. h. "letzten zur Befriedigung gelangenden Konsumenten", dem "Grenzkäufer". Und gerade diesem gelingt die Aufgabe ohne jeden Aufwand an Phantasie, weil für ihn der "äußerste Fall" und der wirklich Fall identisch sind.

Aber selbst wenn dies alles nicht richtig wäre, etwa weil LIEFMANN unter dem äußersten Fall etwas anderes versteht, als ich annahm, so bleibt es doch richtig, daß bis hierher, d. h. bis zur Feststellung, was ich äußerstenfalls für ein Beefsteak und für ein Schnitzel geben würde, der Ertrag,  N - K, keine Rolle gespielt hat. Ist es mir irgendwie gelungen, festzustellen, daß ich äußerstenfalls für ein Beefsteak sagen wir 100 Mark, für ein Schnitzel 99 Mark zahlen würde, so habe ich,  ganz ohne die verheißene Erleichterung durch den Ertragsbegriff, zwei Zahlen gefunden, die ich miteinander vergleichen kann. Die Aussicht, von jeder der zwei gefundenen Zahlen nachher noch  2 abzuziehen, konnte mir unmöglich die Auffindung der Zahlen erleichtern. Ich glaube auch nicht, daß jene Leute, die die leidige Gewohnheit haben, die Speisekarte mehrmals vorwärts und rückwärts durchzustudieren, schneller zu einem Entschluß kämen, wenn sie nach dem LIEFMANNschen Rezept versuchen wollten, für jede Speise den Höchstbetrag zu ermitteln, den sie "äußerstenfalls" dafür zahlen würden, und dann jeweils den auf der Karte verzeichneten Preis abzuziehen.

Wenn ich zum Fall  Beefsteak kontra Schnitzel über meine eigenen Beobachtungen berichten soll, so kann ich nur sagen: ich wähle die Speise, zu der ich am meisten Lust habe, von der ich mir den größeren Genuß oder  Nutzen verspreche. Damit habe ich die Vorgänge in meinem Inneren, die Motive für mein Handeln  erschöpfend angegeben. Und auch wo schwierigere Entscheidungen zwischen mehreren spezifisch verschiedenen Nutzen zu treffen sind (vgl. meine Vorträge Seite 72f) oder auch zwischen gegenwärtigem und künftigem Nutzen, zwischen Konsum und Kapitalbildung (Seite 42, 170 a. a. O., "Beiträge zur Theorie des Kapitalzinses", Zeitschrift für Sozialwissenschaft 1910, Seite 243/44) läßt sich prinzipiell keine andere Antwort geben, reicht aber auch die Antwort: ich tue, was ich als das Nützlichste empfinde, vollständig aus. Ob man hierfür den pomphafteren Ausdruck "Ausgleich der Grenznutzen" gebrauchen will, ist Geschmackssache. In solchen Geschmacksfragen, bei denen es sich nicht um  sachliche Gegensätze handelt, soll man beiderseits Toleranz üben. Ich kann deshalb nicht  allgemein zugeben, daß der "Ausgleichungsgedanke" ein methodisches Hilfsmittel sei, das zu einem besseren Verständnis des tauschwirtschaftlichen Mechanismus führt, als die bisherige Lehre, wie dies LIEFMANN wiederholt, z. B. Sp. 1605 behauptet. Es mag ja Leser geben, denen der Schein der Exaktheit, auch wo er bloßer Schein ist, denen ein zahlenmäßiger Ausdruck, auch wo es gar nicht um Größen-, sondern um qualitative Vergleichung handelt, das Verständnis erleichtert (3). Aber ebenso gewiß gibt es andere Leser, denen der  schlichteste Ausdruck der liebste ist. Denen z. B. die Aussage: "Wenn ein reicher Mann mit Getreide seine Papageien füttert, während eine allgemeine Teuerung herrscht, so ist das eine gemeinschädliche Verschwendung", durchaus nicht dadurch einleuchtender wird, daß man den Nachsatz dahin faßt: "so ist anzunehmen, daß sein Grenzkonsumertrag ... sehr viel niedriger ist, als der allgemeine volkswirtschaftliche Grenzertrag, der Ausgleich der Grenzerträge also nicht gewahrt ist." (Sp. 1641) Und denen die Tatsache, daß Leute mit geringem Einkommen keine Kapitalien ansammeln, nicht erst dadurch erklärt zu werden braucht, daß sie (Sp. 1601) einen hohen Grenzkonsumertrag haben.

Und die Kosten von Beefsteak und Schnitzel? Deren Bedeutung liegt anderswo. Dem Umstand, daß Beefsteak und Schnitzel jedes 2 Mark kosten, ist es zuzuschreiben, daß ich zwischen Beefsteak und Schnitzel die  Wahl habe; für die Art, wie ich diese Wahl  ausübe, also für die Motive, die mein Handeln bestimmen, kommt er nicht in Betracht. Sollte das Beefsteak 2 Mark, das Schnitzel 1,60 Kosten, so wäre die Alternative, die mir gestellt ist, die Wahlmöglichkeit, wie ich a. a. O. sage, eine andere: ich würde mich zu entscheiden haben, ob ich mir größeren Genuß erwarte von einem Beefsteak oder von einem Schnitzel mit Erbsen, bzw. mit den anderen Genüssen, die ich mir für 30 Pfennig verschaffen kann; also wieder nur ein Vergleich von Nutzen mit Nutzen. Welche Genüsse aber für einen bestimmten Geldbetrag zu erhalten sind, brauch ich nicht im einzelnen zu überlegen, das hat jeder, der im praktischen Leben steht, sozusagen im Gefühl, so daß sich bei ihm mit einem bestimmten Geldbetrag eine klare Vorstellung eines gewissen Maßes an Bedürfnisbefriedigung verbindet (vgl. Liefmann, E. 8). So erklärt sich auch der von LIEFMANN, Pr. 28, angeführte Fall, daß jemand statt des teuren Sekt den billigeren Mosel wählt, obgleich der Sekt einen größeren "absoluten Genuß" gewährt: die Alternative lautet nicht Sekt oder Mosel, sondern Sekt oder Mosel plus all den anderen Genüssen, die man für die Preisdifferenz kaufen kann.

Es bestätigt sich hier, daß die Kosten einer Bedürfnisbefriedigung (eines Nutzens) in letzter Linie nichts anderes bedeuten (vgl. meine Vorträge Seite 39f), als den anderweitigen Nutzen, auf den man, um sie zu haben, verzichten muß, der also mit diesem Nutzen zur Wahl steht. Auf  welchen anderen Nutzen ich aber verzichten muß, um  diesen Nutzen zu haben, das hängt nicht von meinem Wollen und Werten ab, sondern teils von objektiven Momenten (Technik und Vorrat an Gütern, bzw. Güterlementen), teils von einem Wollen und Werten und dem Einkommen anderer, die mit mir um den Besitz der Güter konkurrieren.

2. Erwerbs- oder Preisertrag ist "die Differenz zwischen den auf das Tauschgut verwendeten Kosten in Geld und dem Gelderlös für dasselbe." (P. 37). Also, da man den Gelderlös für ein Tauschgut seinen  Preis nennt,  E = P - K; vgl. Pr. 456, wonach der Ertrag "auf dem  Preis der Kostengüter einerseits, dem der verkauften Produkte andererseits" beruth.

Es ist zuzugeben, daß der Unternehmer einer Produktion nicht, wie ich es eben ausdrückte, nach dem "Gefühl" handelt, sondern nach einer Rechnung, einer Rentabilitätsrechnung. Hat nun LIEFMANN für diese Rechnung eine neue Methode nachgewiesen, eine Methode, die besser wäre, als die bisher bekannte, oder die eine richtigere Schilderung der wirklichen Praxis enthält als diese?

Um zu sehen, welche Methode für die Aufstellung einer Rentabilitätsrechnung bisher nachgewiesen ist, schlagen wir beispielsweise DIETZEL, "Theoretische Sozialökonomie", Seite 190f auf. Wir finden dort, daß der Wirtschafter eine Nutzenbilanz und eine Kostenbilanz zieht. Das ist nicht buchstäblich dasselbe wie die  Liefmannsche Methode, aber der Unterschied ist völlig bedeutungslos. Denn es ist doch offenbar gleichgültig, ob ich wie DIETZEL die Differenz zwischen  P1 und  P2 mit der Differenz zwischen  P1 und  K1 mit der Differenz zwischen  P2 und  K2. Und wie verfährt die Praxis? Mir scheint, es wäre ödeste Scholastik darüber zu streiten.

Wenn ein Fabrikant vor der Wahl steht, seine Produkte entweder nach der alten Methode für 40 Mark herzustellen und für 50 zu verkaufen, oder nach der neuen Methode für 30 herzustellen und sich, wegen der geringeren Qualität, mit einem Verkaufspreis von 42 zu begnügen, so kann er ebensogut mit LIEFMANN argumentieren: "Die alte Methode gibt mir einen Ertrag von 10, die neue einen von 12, folglich stehe ich bei der neuen um 2 besser als bei der alten," wie mit DIETZEL: Bei der neuen Methode erlöse ich zwar 8 weniger, dafür sind aber meine Selbstkosten um 10 niedriger, folglich stehe ich um 2 besser, als bei der alten Methode."

Also irgendetwas neues, vollends eine grundstürzende Entdeckung hat auch hier LIEFMANN nicht geboten.

Will man übrigens die Produktion als einen besonderen Teil der wirtschaftlichen Tätigkeit besonders betrachten und die in ihr wirksam werdenden Motive darlegen - diese können gegenüber dem einzigen primären Motiv der möglichst vollständigen Bedüfnisbefriedigung immer nur Zwischenmotive sein - so sollte man sich vor der Einseitigkeit hüten, nur dann von einer produktiven Tätigkeit zu sprechen, wenn sie einen Ertrag, d. h. (Pr. 456) einen Überschuß des Preises der verkauften Produkte über den Preis der Kostengüter liefert. Man schließt auf diese Weise all die produktiv Tätigen aus, die keinen Preis für Kostengüter zahlen und keine Produkte, sondern Elementargüter verkaufen; beides trifft zu bei den Lohnarbeitern, Angestellten usw., wenigstens das zweite trifft zu bei denen, die Grundstücks- oder Kapitalnutzungen verkaufen. Das allgemeine Zwischenmotiv  aller Produzenten ist, für ihre Leistungen möglichst hohe Preise zu erzielen; der  Unternehmer sucht außerdem seine Kosten möglichst zu reduzieren.

Wie diese einseitige Betonung des Unternehmerstandpunktes (ich meine nicht das Interesse des Unternehmers, sondern seine Rechenmethode) zu unrichtigen Folgerungen verleitet, zeigt eine Ausführung LIEFMANNs (Gr. 296/97), die interessant genug ist, um unverkürzt wiedergegeben zu werden:
    "Durch eine neue Produktionsmethode verbilligt sich der Preis einer Ware so, daß jetzt 2 Millionen Stück zu je 1 Mark abgesetzt werden, während früher 1 Million Stück à 2 Mark verkauft wurden. Nehmen wir der Einfachheit halber an, daß jeder Konsument ein Stück kauft, so sparen also die 1 Million Menschen, die früher schon kauften, jeder 1 Mark, zusammen 1 Million Mark von ihrem Einkommen, während die 1 Million Menschen, die jetzt als Käufer hinzutreten, dafür im Gesamtbetrag von 1 Million Mark auf den Ankauf anderer Produkte verzichten. Nehmen wir nun weiter an, daß die Waren im Wert von 1 Million, auf die die letztgenannten Käufer verzichten, gerade von jenen gekauft werden, die zusammen 1 Million Mark an unserem Artikel gespart haben - diese Annahme wird freilich im Wirtschaftsleben nicht zutreffen, derartige Produktions-, Preis- und Bedürfnisveränderungen werden vielmehr meist partielle Krisen im Gefolge haben -, so hat sich in den wirtschaftlichen Verhältnissen nichts geändert. Nur 1 Million Exemplare unseres Artikels werden mehr konsumiert. Ist die Produktivität, der Volkswohlstand gestiegen? Jedermann wird unbedingt antworten: Ja. - Die 1 Million Exemplare wurden aber früher von 100 kleinen Produzenten mit je 1 Arbeiter hergestellt. Die Gesamtkosten betrugen 1½ Millionen Mark, der Gewinn zusammen also ½ Million Mark. Jetzt stellt eine Fabrik mit 50 Arbeitern die ganze Produktion von 2 Millionen Stück her, die Kosten betragen vielleicht 1,6 Millionen Mark, der Gewinn also 400 000 Mark. Kann man immer noch sagen, daß der Volkswohlstand gestiegen ist? Trotzdem 150 Produzenten brotlos geworden sind - denn wir wollen wieder annehmen, daß die 50 Angestellten der Fabrik aus jenen früheren Produzenten genommen wurden, was in Wirklichkeit nicht ganz zutreffen wird - und trotzdem sich der gesamte Reingewinn um 100 000 Mark vermindert hat, kann man von diesem Standpunkt vielleicht immer noch sagen, daß die Produktivität und vielleicht auch daß der Volksreichtum gestiegen ist. Denn die Tatsache, daß 1 Million Menschen mehr einen Gegenstand konsumieren können als früher, ist von solcher Bedeutung, daß darüber der Umstand, daß 150 Produzenten arbeitslos werden, vielleicht (?) nicht ins Gewicht fällt. Aber: wo ist die Grenze?"
So hätten also die recht, die da meinen, durch technische Fortschritte könnten, auch über die Übergangszeit hinaus, Produzenten arbeitslos und brotlos werden? Und meine, zu dem entgegengesetzten Ergebnis führende Darstellung (Vorträge Seite 140-143) wäre falsch?

Der Fehler LIEFMANNs liegt darin, daß er, ganz vom Standpunkt des "Erwerbsertrages", die  Kosten - früher 1,5 jetzt 1,6 Millionen - lediglich als Verminderung des Erwerbsertrages des  Unternehmers  ansieht und nicht bedenkt, daß des einen Ausgabe des anderen Einnahme ist. Da der Unternehmer im LIEFMANNschen Beispiel nicht weniger als früher in seinem Betrieb als "Kosten" ausgibt, müssen anstelle der 150 Personen, die früher etwas davon erhielten und jetzt nichts mehr davon erhalten,  andere  Personen, die dem Betrieb etwas leisten, das erhalten, was früher jene 150 bezogen. Diese anderen Personen treten dann mit diesem ihrem  neuen  Einkommen als Käufer irgendwelcher Arbeitsleistungen oder Arbeitsprodukte auf und geben damit jenen 150 arbeitslos Gewordenen, wie der populäre, sehr oberflächliche Ausdruck lautet, eine neue Arbeitsgelegenheit. Das Einkommen, das insgesamt aus jenem Betrieb fließt, ist dasselbe geblieben; nur die Personen, die es beziehen, sind zum Teil andere geworden. Ja, die Geldsumme, mit der die neuen Käufer von Arbeit und Arbeitsprodukten am Markt auftreten, ist sogar um 100 000 Mark höher als das Einkommen der jetzt brotlos gewordenen 150, gerade um dieselben 100 000 Mark, die die Unternehmer, indem ihr Ertrag von 500 000 Mark auf 400 000 gesunken ist, weniger als früher ausgeben können, so daß dieses Minus an "Kaufkraft" genau ausgeglichen wird.

Natürlich läßt sich das Beispiel beliebig variieren: sind die Kosten kleiner, so ist der "Gewinn" entsprechend größer; sind Kosten und Gewinn zusammen kleiner, so ist die Ersparnis, die die Konsumenten machen, entsprechend größer. In keinem Fall kommt es zu dem Widersinn, daß Menschen - abgesehen von der Übergangszeit - feiern müßten, weil die Menschheit zwar noch zahllose unbefriedigte Bedürfnisse hat, aber nicht "das Geld" besitzt, um die Befriedigungsmittel zu bezahlen.


Wir haben unter I. gesehen, daß für die Aufklärung über die Motive, die in den wirtschaftenden Menschen unmittelbar wirken, LIEFMANN mit seinem Ertragsgedanken nichts Neues beigebracht hat. Deshalb könnte er doch recht haben mit der Behauptung, das Organisationsprinzip der Tauschwirtschaft sei nicht der Nutzengedanke, sondern der Ertragsgedanke. Erleben wir es doch auch sonst, daß Menschen handeln, ohne die entfernteren Glieder der Kausalkette, in der ihre Handlung ein Glied bildet, zu erkennen (Beispiele siehe in meinen Vorträgen Seite 57). Ob das hier zutrifft, ist jetzt zu untersuchen.

Ehe ich auf die Kritik der LIEFMANNschen These eingehe, möchte ich zunächst die Ansicht, die den  Nutzen  für das Organisationsprinzip der Wirtschaft erklärt, näher präzisieren. Der objektive Zweck jeder Wirtschaft besteht darin, daß die Konsumenten das höchste Maß an Bedürfnisbefriedigung erreichen können; diesem einzigen obersten Organisationsprinzip gegenüber ist jedes wirtschaftliche Handeln nur ein Mittel zum Zweck. Ein solches Mittel ist nicht nur das Streben, das sich direkt auf einen möglichst hohen Nutzen richtet, sondern ebenso das Streben nach möglichst niederen Kosten: je weniger Mittel ich auf einen Zweck verwende, umso mehr verbleiben mir für andere Zwecke. Deshalb, d. h. dieses anderen Nutzens wegen, und nur deshalb spare ich mit den Mitteln.

Dies alles ist für die Tauschwirtschaft ebenso wahr wie für die geschlossene Wirtschaft, aber es ist bei ihr nicht so leicht wie bei dieser zu erkennen. Daß der, der für seinen eigenen Bedarf produziert, das ihm Nützlichste produzieren wird, liegt auf der Hand. Aber wenn der Konsument die Gegenstände seines Bedarfs von anderen erhält, bedarf es einer besonderen Einrichtung dafür, daß diese anderen auf seinen Nutzen bedacht sind. Sie besteht darin, daß diese anderen einen umso höheren Preis zu erwarten haben, je mehr sie sich seinen Wünschen anpassen. Wären nicht auf diese Weise die Produzenten gezwungen, ihr Augenmerk auf den Nutzen der Konsumenten zu richten, so wären alle technischen Vorteile der Arbeitsteilung zu teuer erkauft durch ihre wirtschaftlichen Nachteile. So aber setzt sich das Konsumenteninteresse auch in der arbeitsteiligen Tauschwirtschaft als das letztlich Entscheidende durch. Ja, selbst die Frage, die  direkt  nur den Produzenten interessiert, nämlich die Frage der  quantitativen  Ergiebigkeit der Produktionsmittel betrifft in letzter Linie doch wieder das Interesse der Konsumenten, da jede Verbilligung der Produktion in letzter Linie  ihnen  in Gestalt niedriger Produktionspreise zugute kommt. Kein Dualismus von Nutzen und Kosten, von Konsuminteresse und Produktionsinteresse, von Konsumertrag und Produktionsertrag, bleibt bestehen, sobald wir nur in der Analyse der wirtschaftlichen Tatsachen und Vorgänge bis zum obersten wirtschaften "Organisationsprinzip", das ein durchaus einheitliches ist, vordringen. Wieweit die empirische Wirtschaft ihren Zweck  erreicht,  ist eine Frage für sich, die uns hier nicht beschäftigt; von den möglichen Hemmungen nenne ich die monopolistischen Beschränkungen der freien Konkurrenz.

Nun wird LIEFMANN möglicherweise sagen, diese Sätze, oder auch einzelne davon, fänden seine volle Zustimmung, und er könnte, wie ich schon angedeutet habe, aus seinen Schriften zahlreiche Stellen anführen, die ganz in diesen Gedankengang passen. Aber wo bleibt dann der  Ertragsgedanke?  das Streben nach größtem  Ertrag  als Grundlage der ganzen tauschwirtschaftlichen Organisation? und vor allem, wo bleibt die vollständige Umwälzung der Wirtschaftstheorie, die LIEFMANN uns mit dem Ertragsgedanken bringen will? Sieht man genau hin, so besteht die ganze Besonderheit seiner Theorie darin, daß er die Analyse nicht so weit durchführt, als die Methode der Wirtschaftslehre es gestattet, und daher über jenen Dualismus von Nutzen und Kosten, von Konsum und Produktion nicht hinauskommt. Das ist kein Fortschritt über das bisher Erreichte hinaus, sondern ein Rückschritt. Zutreffend fragt er (Pr. 16): "Wie kann man als das Ziel der Wirtschaft die  Produktion  bezeichnen?" und doch setzt er den Konsum- und Produktionsertrag als koordinierte Begriffe nebeneinander, statt nachzuweisen, daß, objektiv betrachtet, das Streben nach dem höchsten Produktionsertrag bei freier Konkurrenz nur ein Mittel ist, den höchsten "Konsumertrag" oder besser: den höchsten Nutzen zu verwirklichen. Er kehrt den wahren Sachverhalt einfach um, wenn er (Gr. 319) sagt,  der  Bedarf, der ausfallen muß und nicht befriedigt werden kann, wird durch den Ertrag der Produzenten bestimmt; nein, er wird, soweit nicht objektive Momente eingreifen, in letzter Instand durch die Nutzenschätzungen und -vergleichungen der Konsumenten bestimmt, die ihren Willen den Produzenten aufnötigen.

Das alles wird klarer werden, wenn wir die Anwendung des LIEFMANNschen Ertragsgedankens auf ein einzelnes Problem kennenlernen. Denn: an ihre Früchten sollt ihr sie erkennen.

Er bezeichnet (Pr. 8) als das Zentralproblem der volkswirtschaftlichen Theorie die Entstehung des Preises und behauptet (Pr. 51):
    "Es gibt keine Erklärung der Preisbildung ohne den Begriff des Ertrags." (ebenso Pr. 23)
Seine Beweisführung, die nach seiner Angabe (Pr. 8) von neuen, von den bisherigen Theorien ganz abweichenden Grundgedanken ausgeht, kann ich hier nicht im einzelnen wiedergeben. Das Endergebnis ist, daß der Konkurrenzpreis durch die Kosten desjenigen Anbieters bestimmt wird; so z. B. Pr. 457. Dasselbe besagen die vier Definitionen auf Seite 43 a. a. O., die nur noch angeben, worin dieses Bestimmtwerden besteht: es besteht, entsprechend dem Begriff des Ertrags, darin, daß jene Kosten und jener Ertrag, zusammenaddiert den Preis ergeben: "Der Preis eines Gutes wird durch seine Grenzkosten und den volkswirtschaftlichen Grenzertrag bestimmt." Natürlich, wenn  E = P - K,  so ist  P = K + E.  (der  Liefmannsche  Satz,  P = K + E,  sagt, da  E = P - K,  ansich nichts anderes als  P = K + P - K,  als  P = P.  Der ganze Nachdruck liegt also auf dem "Grenzgedanken", den LIEFMANN nicht als seine Entdeckung in Anspruch nimmt.)

In dem Satz, daß die Kosten desjenigen Anbieters, der gerade noch den volkswirtschaftlichen Grenzertrag erzielt, den Preis bestimmen, ist zweierlei enthalten, nämlich:
    a) daß die Kosten den Preis bestimmen,

    b)  welches  Anbieters Kosten den Preis bestimmen, nämlich desjenigen, der gerade noch den volkswirtschaftlichen Grenzertrag erreicht.
Beginnen wir mit dieser zweiten Aussage, - der einzigen, in der der Ertragsgedanke verwertet wird - so kann ich darin nichts Neues finden. Es ist schon längst bekannt und ausgesprochen, daß die Erträge der verschiedenen Unternehmungen innerhalb der Volkswirtschaft die Tendenz haben, sich auf denselben Satz zu nivellieren, und auch das ist allbekannt und häufig in der Literatur erörtert worden, daß innerhalb eines Geschäftszweiges die einzelnen Betriebe oft mit verschiedenen Kosten arbeiten; was mir hiervon zutreffend schien, habe ich in meinen Vorträgen Seite 113f wiedergegeben.

Enthält insoweit der LIEFMANNsche Satz nichts Neues, so bedeutet er auf der anderen Seite einen Rückschritt gegen die bisherige Theorie, indem er die "Grenze", die den Preis bestimmt, auf der  Verkäufer seite sucht, statt auf der  Käufer seite. Das heißt nichts anderes, als die Analyse vorzeitig abbrechen. Denn wieviele Kosten der Verkäufer aufwenden darf, um noch einen Käufer zu finden, der ihm seine Kosten und außerdem den volkswirtschaftlichen Grenzertrag ersetzt, das hängt nicht vom Verkäufer, sondern vom Käufer, dem Konsumenten ab; nur dieser, nicht jener hat das letzte Wort zu sprechen. Gelegentlich ahnt LIEFMANN diesen Zusammenhang; aber zu völliger Klarheit gelangt er nicht. So, wenn er sagt (Pr. 457): wie hoch der Anbieter mit den Kosten geht, hängt "andererseits auch wieder" ab vom Nutzen eines gewissen Konsumenten. Nein! nicht bloß "andererseits" und nicht "auch"; sondern das hängt ganz ausschließlich vom Nutzen des Konsumenten ab, der dabei nach Maßgabe dessen handelt, wsa ich in meinen Vorträgen Seite 36-39 und 46f sein  Bedarfssystem  genannt habe. Dieses, also etwas auf der Käufer-, nicht auf der Verkäuferseits Liegendes, ist die "feste Größe", die nach LIEFMANN (Pr. 421) für die Erklärung des Preises gegeben sein muß, oder der feste Pol, wie ich Seite 92, 154 meiner Vorträge gesagt habe (4). (Gegen den naheliegenden Einwand, die Gestaltung des Bedarfssystem hänge ihrerseits wieder von den Kosten, also in der Tauschwirtschaft vom Preis ab, siehe Seite 53 meiner Vorträge).

Es ist eigen: LIEFMANN hat richtig erkannt, daß bei den Produkten die Größe des Angebots keine feste Größe ist, sondern durch die Nachfrage der Konsumenten bestimmt wird, ja er gibt sich sogar der Jllusion hin, dies als Erster oder als einer der Ersten erkannt zu haben (Pr. 36, Gr. 319). Aber in der Verwertung dieser Einsicht bleibt er hinter der von ihm bekämpften Theorie zurück: statt daraus zu schließen, daß die primären Bestimmungsgründe der Preise, soweit sie nicht objektiver Natur sind, ausschließlich bei der Nachfrage liegen, daß die Konsumenten und  ihre  Bedürfnisse, Neigungen, Wünsche auch den Anbietern Norm und Richtung für ihr Tun geben, läßt er einen aus der Zahl der  Anbieter  den Preis bestimmen. Er sagt Pr. 422 ganz ausdrücklich, die "feste gegebene Größe" sei nur der tauschwirtschaftliche Grenzertrag, nicht aber der Nutzen, auch nicht der privatwirtschaftliche Konsumertrag, es sei denn, daß dieser mit dem erwerbswirtschaftlichen zusammenfällt, was allerdings beim Arbeitsertrag "in der Regel" der Fall ist.

Was nun (zu  a)  die Angabe betrifft, daß die  Kosten  den Preis bestimmen, so ist es längst bekannt, daß unter gewissen Voraussetzungen die Preise der Produkte nach der Höhe der notwendigen Herstellungskosten tendieren. Also auch hier kein Fortschritt. Aber indem LIEFMANN auf der einen Seite erklärt, den Preis bestimmen die  Kosten  eines gewissen Anbieters, auf der anderen Seite ausspricht (E. 56) "weder der Wert noch der Preis aller Güter, Genußgüter wie auch Kapitalgüter, wird durch die aufgewendeten Kosten bestimmt," und auch sonst an vielen Stellen seiner Schriften auf das Heftigste bestreitet, daß die Produktionsmittel mit dem Wert der Güter ursächlich verknüpft sind (z. B. E. 30, 31, 67; Pr. 448/49, 452), statutiert er einen Widerspruch, ohne seine Lösungen zu versuchen. Die bisherige Theorie hat schon längst nachgewiesen, daß die Preisbestimmung nach den Kosten nur die  nähere  Ursache bezeichnet, hinter der als die entferntere oder  höhere  wieder der Nutzen der Endprodukte steht. Ich habe mich in meinen Vorträgen Seite 89f und 94f darüber ausgesprochen, wobei ich mich besonders an DIETZEL anschloß.

Ein von LIEFMANN selbst gegebenes Beispiel mag dies klarstellen. Er fragt Pr. 417, warum, trotzdem 100 000 Konsumenten ein Bedürfnis nach Winterröcken haben, 20 000 angeboten werden und der Preis sich allgemein auf 40 Gulden stellt? und meint, wer das erklären kann, darf behaupten, eine Preistheorie aufgestellt zu haben, die dem wirtschaftlichen Leben entspricht.

Mir scheint, der Grund liegt einfach darin, daß nur 20 000 Menschen 40 Gulden haben, die sie lieber für einen Winterrock als für etwas anderes ausgeben (während die übrigen 80 000 Menschen für ihr Geld lieber etwas anderes, als 40 Gulden kostende Winterröcke kaufen). Und warum das eine und das andere? weil es dem Bedarfssystem der einzelnen  Konsumenten  entspricht. Liegt aber in der LIEFMANNschen Frage der Nachdruck darauf, warum 20 000 Winterröcke  angeboten  werden, so könnte ich darauf noch erwidern: weil die Produzenten damit den Wünschen der Konsumenten am besten entsprechen (und  infolgedessen  für ihre Leistungen den besten Preis erzielen). Wollten die Produzenten mehr Winterröcke anbieten, so würden sie für die im einzelnen Rock steckende Arbeit, Boden- und Kapitalnutzung weniger als bei einer anderweitigen Verwendung dieser Elementargüter erzielen, nämlich weniger als 40 Gulden, während sie bei einer Beschränkung der Winterrock-Produktion auf 20 000 Stück  alle (5) verfügbare Arbeit usw., sofern sie sie zweckmäßig vrwenden, zu Einheitspreisen verkaufen können, die für das zu einer Winterrock erforderliche Quantum Arbeit usw. 40 Gulden (oder mehr) ergeben. Würden sie aber weniger als 20 000 Stück anbieten, so müßten sie dadurch freiwerdende Arbeit usw. in From  anderer Produkte  billiger ablassen, als zu dem soeben bezeichneten, bei der Produktion von Winterröcken bis zu 20 000 Stück erreichbaren Einheitspreis. Denn "nur wenn die Elementargüter (Arbeit, Bodennutzung usw.) der  Konsumtion  in einer solchen Zusammensetzung geboten werden, daß die Gesamtheit der dargebotenen Gebrauchsgüter eine richtige, dem Bedarfssystem entsprechende Assortierung [nach Warenarten ordnen - wp] darstellt, nur dann sind die  Konsumenten  bereit, ein jedes von ihnen als die Summe seiner notwendigen wirtschaftlichen Bestandteile zu betrachten und zu bewerten. Ist von einer Güterart" usw. (Meine Vorträge Seite 87/88 besonders auch 107/108). Ich befinde mich hier ganz in Übereinstimmung mit dem, was LIEFMANN Gr. 301f jetzt ausführt.

Man sieht, daß nicht die Kosten irgendeines Anbieters, sondern nur der Nutzen der Konsumenten den Preis der Produkte bestimmt. Man sieht aber ferner, daß in dieser Lösung des Problems der 20 000 Winterröcke in keiner Weise von einem "Ertrag" noch auch von einem "Ausgleich der Erträge" die Rede ist; übrigens auch nicht vom "Grenzgedanken", ein Beweis, daß dieser nur ein anschauliches, aber durchaus nicht unentbehrliches Mittel ist, um zu zeigen, daß und wie der Wert und der Preis der Güter von der Größe des Vorrats an solchen Gütern abhängt.

Die LIEFMANNsche Preistheorie leidet aber an dem weiteren Fehler, daß sie überhaupt nur auf Produkte und zwar nur auf reproduzierbare Produkte paßt, während eine Preistheorie, wenn sie ihren Zweck erfüllen soll,  alle  Preise prinzipiell umfassen muß, auch die Preise der Güter, die überhaupt nicht produziert werden können. Die wichtigsten derartigen Preise sind die Preise der Güterelemente, z. B. einer bestimmten Arbeit, eines bestimmten Bodens usw., wo von irgendwelchen Herstellungskosten irgendeines Anbieters überhaupt nicht die Rede sein kan. Hiervon sagt zunächst LIEFMANN Pr. 47, für gewisse Leistungen, z. B. ein Theaterbillet, das Frisieren, wird der Preis "vielfach" ohne jede Beziehung auf Kosten durch den Grenzkonsumertrag des letzten Konsumenten bestimmt. Das ist, wenn wir nach dem unter I. ausgeführten statt Grenzkonsumertrag  Grenznutzen  setzen, einfach die alte Lehre, daß der Grenznutzen des Grenzkäufers den Preis bestimmt. LIEFMANN kommt aber noch auf einem anderen Weg auf den Preis der Güterelemente zu sprechen. Er untersucht die Preise der "Kostengüter" und zeigt, ohne darüber etwas Neues zu sagen, wie aus den Preisen der "Genußgüter" die Preise der Güter höherer Ordnung hervorgehen. Auf diesem Weg gelangt man schließlich zu den Preisen der Güter höchster Ordnung, nämlich eben der Produktionselemente, und damit zu der Frage der wirtschaftlichen Zurechnung. Diese Frage hat LIEFMANN, zumal in der älteren Schrift, besonders beschäftigt und wir wollen sehen, wie er sich damit abfindet. Sein Verfahren ist einfach genug. Er sagt: "Dieses Problem ... erledigt sich, ganz ebenso wie das Kapitalzins- und Grundrentenproblem, aufgrund unserer Ertrags- und Preislehre von selbst, es hört ganz von selbst auf ein Problem zu sein." (Pr. 445) Seine Beweisführung (vgl. insbesondere E. 3f) läßt sich dahin zusammenfassen: Wert und Preis der Güter gehen nicht auf die Produktionsfaktoren Arbeit, Boden und Kapital zurück, sondern auf die Wertschätzung der Menschen; sie bestimmen ihrerseits Wert und Preis der Produktionsmittel. Liegt hiernach die Ursache des Wertes und Preises  überhaupt  nicht bei den Produktionsmitteln, so ist die Zurechnungsfrage gegenstandslos, nämlich die Frage, wieweit jedes  einzelne  Produktionsmittel für Wert und Preis kausal ist. Ich finde, daß die LIEFMANNschen Vordersätze zu einem anderen Schluß führen. Nämlich zu dem Schluß, daß die Zurechnungsfrage anders, als er unterstellt, formuliert werden muß. Gewiß ist es richtig, daß die Nutzenschätzung der Konsumenten der Endprodukte auch die Preise der "Kostengüter" bestimmt. Aber wie verteilt sich nun der  Gesamt preis der Kostengüter auf die  einzelnen  Kostengüter? Das ist das Zurechnungsproblem. Es ist, wie LIEFMANN (E. 35) zutreffend ausführt, nicht ein Problem gerechter Zurechnung, sondern ein Problem der tatsächlichen Preisbildung. Warum erhält vom Gesamtpreis der in einem Betrieb jährlich aufgewendeten Kostengüter der Arbeiter 1200 Mark, der Werkmeister 2000 Mark, der Buchhalter 3000 Mark, der Eigentümer des Fabrikgrundstücks 10 000 Mark, der Kapitalist, der Geld vorgeschossen hat, 20 000 Mark? LIEFMANNs Beweisführung endet damit, daß er die Preise "der gesamten benutzten Kostengüter" (Pr. 458) erklärt; vgl. daselbst Seite 459 und E. 36. Damit glaubt er die Preise "selbst der entferntesten Kostengüter ... ohne Zurechnung" erklärt zu haben. Eine eigentümliche Selbsttäuschung! Da wo seine Beweisführung endet, beginnt erst die Frage der Zurechnung, nämlich die Frage, wie nun aus diesem Gesamtpreis die Einzelpreise hervorgehen. Darüber sagt er nur (E. 36): ein  Preiskampf  bestimmt die Verteilung des Ertrags, bei dem von allen beteiligten Wirtschaftssubjekten jeder Einzelne vermöge seiner ökonomischen Macht sich einen Anteil am Gesamtgewinn verschafft. Und (E. 59) "wenn mehrere ... Produktionsmittel zusammenwirken müssen bei der Herstellung eines Genußgutes, so wird der Preis  zusammen  durch den Preis des Genußgutes bestimmt. Der Preis des  einzelnen  Kapitalgutes aber ist, wie jeder Preis, das Ergebnis von Machtkämpfen." In der neueren Schrift, Pr. 445, wird nur noch hinzugefügt, diese ökonomischen Kämpfe entschieden sich nach dem Gesetz des Ausgleichs der Grenzerträge, womit nichts anzufangen ist, da dieses "Gesetz", wie oben gezeigt, auf Güterelemente wie z. B. eine bestimmte Bodennutzung gar nicht anwendbar ist.

Der Verweis auf einen "Preiskampf" und auf die "ökonomische Macht" ist keine Beantwortung der Frage, sondern ein Ausweichen vor der Frage. Schon einmal hatte ich Gelegenheit, einem Autor entgegenzutreten, der in ähnlicher Weise, nur mit etwas anderen Worten, nämlich durch einen Verweis auf das Spiel von Angebot und Nachfrage, der Frage ausweicht. Was ich damals gesagte habe (Zeitschrift für Sozialwissenschaft 1910, Seite 11-13) kann ich hier nur wiederholen.

Nun habe ich vorhin einen Zwischensatz ausgesprochen, der LIEFMANNs Widerspruch herausfordern wird: nämlich, daß es auch  objektive  Bestimmungsgründe der Preise gibt! Ich denke dabei an die Technik und an angegebene Quantitätsverhältnisse in sachlicher und in persönlicher Beziehung. LIEFMANN steht auf dem Standpunkt der "rein subjektiven" Wert- und Preislehre und sieht dies als etwas so selbstverständliches an, daß er niemals fragt, wie die Entstehung der Preise zu erklären ist, sondern immer nur, wie sie aufgrund der subjektiven Wertlehre zu erklären ist. Darüber wäre noch ein Wort zu reden, obgleich wir damit vom Ertragsgedanken etwas abkommen. Gewiß kämen ohne subjektive Nutzenschätzungen keine Preise zustande. Sie sind für das Zustandekommen der Preise kausal. Aber damit ist noch nicht gegeben, daß sie die  alleinige  Ursache der Preise sind. Wir beobachten doch auch sonst das Verhältnis der  Mitverursachung,  darin bestehend, daß eine Tatsache bedingt ist durch das Zusammentreffen oder wie wir das auszudrücken pflegen, das Zusammenwirken mehrerer Umstände, deren jeden wir dann als "Ursache" bezeichnen. Wenn die  objektiv  gegebene Größe des verfügbaren Vorrats ohne Einfluß auf die Preise wäre, wie käme es, daß bei knapper Ernte der Getreidepreis höher ist, als bei reicher Ernte? Wenn die technisch, also  objektiv  bedingten Produktionskosten ohne Einfluß auf die Preise wären, wie käme es, daß ein Kilogramm Aluminium im Jahre 1911 mit 1,05 Mark bis 1,20 Mark bezahlt wurde, dagegen im Jahr 1890 mit 27 Mark; im Jahr 1856 mit 300 Mark; im Jahr 1855 mit 1000 Mark?

Die Preise werden von Menschen gemacht; das ist zweifellos richtig. Aber die handelnden Menschen nehmen Rücksicht nicht nur auf ihre persönlichen Wünsche, Neigungen, Bedürfnisse, also subjektive Momente, sondern - notgedrungen - zugleich auf eine Reihe von objektiven Momenten; auf welche? dafür verweise ich auf meine Ausführungen über das Bedarfssystem. Die anschaulichste Art, dieses Zusammenwirken subjektiver und objektiver Tatsachen darzustellen, ist vielleicht die oben bereits angewandte Formel: aus objektiven Momenten ergeben sich die Alternativen, unter denen wir wählen können; bei Ausübung der Wahl leiten uns unsere Wünsche, Neigungen, Bedürfnisse. Gelegentlich gibt dies alles LIEFMANN selbst zu, indem er z. B. (E. 68) sagt, nicht die Eigenschaft eines Gutes, unseren Hunger zu stillen, ist die Ursache der wirtschaftlichen Tätigkeit,  "sondern"  die Empfindung des Hungers und das Bewußtsein, daß wir zur Befriedigung dieses Bedürfnisses von Gegenständen der Außenwelt abhängig sind. Dieses Bewußtsein ist doch nur dadurch möglich, daß das Gut geeignet, d. h. technisch tauglich ist, unseren Hunger zu stillen.

Wenn ich schließlich eine Vermutung darüber wagen darf, wie LIEFMANN wohl zu seinem Ertragsgedanken gekommen sein mag, so wäre zweierlei anzuführen.

Die rein subjektive Wert- und Preislehre, der er sich verschrieben hat, kommt bei näherer Prüfung unfehlbar mit den Tatsachen in Konflikt; wer möchte, um den schon gegebenen Beispielen noch eines hinzuzufügen, bestreiten, daß auf dem  Mindest preis, unter den der Unternehmer sich nicht herabdrücken lassen kann, technische Umstände miteinwirken? So kam LIEFMANN zu dem Ausweg, diese objektiven Momente umzudeuten in subjektive Momente, die auf der  Verkäufer seite liegen; so kam er dazu, das Streben nach Nutzen zu ersetzen durch das Streben nach Ertrag, einen Begriff, in dem die Kosten und damit alles Objektive untergebracht ist, und doch der Schein, es handle sich nur um ein  Streben,  also etwas Subjektives gewahrt ist.

Auch der Begriff des Grenznutzens ist ein solcher, der den falschen Schein des rein Subjektiven erweckt. Freilich, die (spezifisch oder graduell) verschiedenen Nutzen, die ein Gut leisten kann, in einer Skala anzuordnen, ist Sache der Subjekte; aber wie weit sie auf dieser Skala hinunterzusteigen haben, darüber entscheidet die Größe des verfügbaren Vorrats an solchen Gütern.

Und nun das zweite. Man pflegt das wirtschaftliche Prinzip als das Prinzip des kleinsten Mittels zu beschreiben. Man kann es auch als das Prinzip des größten Erfolges definieren. Beide Ausdrücke besagen ganz dasselbe, nur von einer anderen Seite betrachtet: sobald die eine dieser Maximen allgemein durchgeführt ist, ist ganz von selbst auch die andere allgemein durchgeführt. Darin manifestiert sich jene  Universalität,  die die Wirtschaft vor der Technik auszeichnet. Trotzdem ist es gebräuchlich geworden (so auch E. 48, Pr. 3) das wirtschaftliche Prinzip so zu fassen: der höchste Erfolg mit den kleinsten Mitteln. Ein Pleonasmus, ein Verstoß gegen die Logik, indem künstlich ein Dualismus geschaffen wird, wo keiner besteht.

Dieser Pleonasmus, dieser falsche Dualismus zum Prinzip erhoben - das ist der LIEFMANNsche Ertragsgedanke als "Organisationsprinzip der Tauschwirtschaft". Aus einem  Zwischen motiv des  Unternehmers  macht er den  obersten  Zweck der  ganzen  Wirtschaft.

Soll ich noch Rechenschaft geben, warum ich so entschieden gegen die LIEFMANNsche Theorie auftrete, so ist nicht zuletzt dieser Grund zu nennen: Ich finde in manchen seiner Ausführungen Gedanken, die ich selbst für richtig halte, und zu denen ich mich bekannt habe, und ich bedaure, daß diese Wahrheiten ohne Not in den meines Erachtens verfehlten Ertrangsgedanken hineingezwängt und dadurch diskreditiert werden.
LITERATUR Henry Oswalt, Der "Ertragsgedanke",Zeitschrift für Sozialwissenschaft, Neue Folge, IV. Jahrgang, Leipzig 1913
    Anmerkungen
    1) Um die Zitate aus Liefmanns Schriften richtig zu verstehen, ist zu beachten, was er Pr 450 sagt: "In Ertrag und Einkommen gebrauchte ich den Begriff  Wert  gleichbedeutend mit Nutzen, untersuchte diesen, wenn ich von Wert sprach. Es scheint mir aber jetzt besser, nur den Ausdruck Nutzen (= Genuß) zu verwenden und den ... Ausdruck  Wert  ganz zu vermeiden." Trotzdem kommt auch in den späteren Schriften gelegentlich der Ausdruck "Wert" vor, so schon im Titel von Pr.
    2) Wenn Liefmann (Pr. 28) sagt,  alle  bisherigen Theoretiker stimmten darin überein, zu sagen: wenn ich mir einen Rock für 50 Mark kaufe, tue ich das,  weil  er mir 50 Mark  wert ist,  so weise ich auf die obige Stelle meiner Vorträge in Verbindung mit Seite 60 hin, wo ich den Grenzkäufer sagen lasse, "weil das  Gut mir gerade noch 6 Mark  wert ist", und jeden anderen Käufer, "das Gut sei ihm 6 Mark  noch  wert", "ohne daß er durch den Zusatz  eben noch  die Schätzung als seine Maximalschätzung bezeichnet hätte."
    3) Denen deshalb als zureichender Grund zum Tausch nur der  größere,  nicht auch der spezifisch  andere  Nutzen gilt; so Liefmann E. 6, 19. Dagegen mein Aufsatz a. a. O. Zeitschrift für Sozialwissenschaft 1910, Seite 169.
    4) Wenn Liefmann wiederholt, z. B. Gr. 307 sagt, die heutige Theorie berücksichtige nur, was ich a. a. O. als Faktor  a  (Stärke der Bedürfnisse) bezeichne, so könnte ich ihm mit dem Vorwurf antworten, er berücksichtige neben Faktor  a  nur noch Faktor  c  (Kosten), nicht auch Faktor  b  (Einkommen).
    5) Meine Vorträge, Seite 92 oben. Liefmann rügt es an vielen Stellen als falsch, wenn man das Angebot als eine feste Größe ansieht. Wer das  allgemein  tun will, würde freilich irren. Liefmann fällt aber in das andere, ebenso falsche Extrem, indem er annimmt, das Angebot sei  nie  eine feste Größe, vgl. meine Vorträge Seite 82-83.