p-4 Kritik der wissenschaftlichen GrundbegriffeDer Relationsbegriff    
 
HARALD HÖFFDING
(1843-1931)
Der Totalitätsbegriff
[ 6 / 10 ]

I. Die Stellung der Kategorienlehre
II. Fundamentale Kategorien
III. Formale Kategorien
IV. Reale Kategorien
V. Totalität und Wert
VI. Totalität als Grenzbegriff
Anhang: Kategorientafel

"In scharfem Gegensatz gegen die Intuitionstheorie Bergsons steht die Theorie der Marburger Schule, nach der das Kausalitätsproblem vollständig gelöst ist, wenn es glückt, die im Gegebenen enthaltenen Verschiedenheiten in solcher Weise durchzuarbeiten, daß alle Verhältnisse innerhalb des Gegebenen in identischen Urteilen oder Gleichungen ausgedrückt werden können."

IV.
Der Totalitätsbegriff
und die realen Kategorien

16. Die Totalitäten, die mit Hilfe der formalen Kategorien gebildet werden, sond auf einmal Ausdrücke der Natur des menschlichen Gedankes und Vorbilder für die Wirksamkeit, durch welche Erlebnisse, die vom Gedanken selbst nicht hervorgebracht sind, bearbeitet werden. Der Gedanke kann in seiner Bearbeitung der Erlebnisse sich nicht selbst verleugnen. Daher setzen die realen Kategorien die formalen voraus, wie diese wieder die fundamentalen voraussetzen. Das geht deutlich daraus hervor, daß die formalen (logisch-mathematischen) Grundbegriffe die Grundlage allen Verständnisses irgendwelcher Erlebnisse enthalten. Etwas zu verstehen (in strengerer Bedeutung) heißt nicht nur, es wiederzuerkennen, sondern auch, es als Folge etwas schon Erkannten zu sehen. Es wird also ein Verhältnis zwischen Grund und Folge vorausgesetzt. Dieses Verhältnis kann wieder von der Art sein, daß nur einseitige Äquivalenz besteht, d. h. daß das Verhältnis vom Grund zur Folge nicht umgekehrt werden kann oder der Art, daß zweiseitige Äquivalenz besteht, d. h. daß die Folge zum Grund und der Grund zur Folge gemacht werden kann. Wir sehen daher auch, daß es sich bei der wichtigsten der realen Kategorien, der Kausalität, mit der wir uns vorläufig beschäftigen, darum dreht, einseitige oder zweiseitige Äquivalenz zwischen zwei Erlebnissen darzutun. Die Voraussetzung ist, daß aus den betreffenden Erlebnissen rationale Reihen gebildet werden können.

Wo solche Reihen nicht gebildet werden können und daher kein Äquivalenzverhältnis, weder ein einseitiges oder ein zweiseitiges, gebildet werden kann, ist strenge Wissenschaft nicht möglich; nur Ordnung, Einteilung und Vergleichung können stattfinden. Der letzte Grund dazu, daß keine rationalen Reihen gebildet werden können, liegt zuletzt in den wechselnden Qualitäten der Erlebnisse. Die Schwierigkeit liegt weder in den Qualitäten an und für sich, noch im Zeitverhältnis an und für sich. (1)

Die Qualitäten könnten als ein für allemal existierend gedacht werden, - in allen möglichen Quantitäten und allen möglichen Graden realisiert und ein großes, ruhendes System bildend. In SPINOZAs System ist diese Möglichkeit ergriffen, nach der schon griechisches Denken seit PARMENIDES sich hinbewegte. SPINOZA reduziert erst alle Qualitätsunterschiede zum einzigen Unterschied zwischen Denken und Ausdehnung und faßt dann diese zwei Grundqualitäten als koordinierte Attribute des Daseins auf. In einem solchen System kann nur von formalen Totalitäen die Rede sein. Alle Verhältnisse innerhalb jedes einzelnen Attributs (SPINOZA meint, daß es unendlich viele Attribut außer den zwei uns bekannten gibt) sind logisch-mathematisch. Das Verhältnis von Grund und Folge ist allein geltend, - und es ist sogar nicht notwendig, die Folgen zu ziehen; sie sind in ihren Gründen, zuletzt in einem einzigen Grund, ewig enthalten.

Das Zeitverhältnis könnte an und für sich als rein rational gedacht werden. Nach dem reinen Zeitbegriff liegt jeder Augenblick zwischen zwei anderen Augenblicken und weil der Übergang zwischen irgendwelchen zwei Augenblicken immer in gleicher Weise geschieht, bekommen wir eine identisch variierende Verschiedenheitsreihe, in welcher die einzelnen Glieder keine andere Verschiedenheit darbieten als die, welche in ihrer verschiedenen Stelle in der Reihe bestehen. Zeittotalitäten (Augenblicksgruppen) können so geordnet werden, daß ein Zeitraum nicht nur immer zwischen zwei anderen Zeiträumen liegt, sondern auch so, daß eine fortschreitende Verschiedenheitsreihe gebildet wird, in welcher jedes Glied größer (oder kleiner) als das vorausgehende und kleiner (oder größer) als das nachfolgende ist. Der reine Zeitbegriff ermöglicht also sehr wohl Rationalität. (2)

Weder Qualitätsunterschiede an und für sich, noch Zeitunterschiede an und für sich sind mit Rationalität unvereinbar. Es ist aber das Wechseln des Zeitinhalts, die Qualitätsänderungen, die das Problem bedingen. Man kann, was den Inhalt betrifft, nicht ohne weiteres vom einen Augenblick oder dem einen Zeitraum auf den anderen schließen. Ist es nun möglich, auf Grundlage von Qualitätsänderungen als gegebenen strenge Schlüsse, mit einseitiger oder zweiseitiger Äquivalenz zu bilden?

Ein Blick auf die Geschichte zeigt uns den Weg, den das Denken hier eingeschlagen hat. Es hat gewisse wichtige, immer wiederkehrende Qualitätsreihen so durchgearbeitet, daß Reihen, in welchen jedes Glied durch seine Stelle den anderen Gliedern gegenüber bestimmt ist, gebildet werden und Schemata für die wechselnden Qualitätsunterschiede abgeben können. Solche Schematismen sind nicht nur durch den Zeitbegriff, sondern auch durch die Begriffe Zahl, Grad und Ort gebildet worden. (3) Diesen Schematismen wird das Entstehen der exakten Erfahrungswissenschaft verdankt. Gleichzeitige und sukzessive Qualitätsverschiedenheiten werden in Reihen von solcher Art geordnet, daß sich die Glieder zueinander wie die Glieder eines oder mehrerer jener Schemata verhalten.

Aber das Verhältnis zwischen Schema (z. B. der reinen Zeit oder der reinen Zahl) und Erlebnissen (z. B. der qualitativ erfüllten Zeit oder den qualitativ verschiedenen Erscheinungen) ist nicht Identität, sondern Analogie. Für die Wahrnehmung ist und bleibt jeder Augenblick in einer Weise ausgefüllt, die von der Weise der Erfüllung anderer Augenblicke qualitativ verschieden ist; und während der Übergang von einer Zahl zu einer anderen stets in derselben Weise vor sich gehen kann, ist und bleibt der Übergang von einer Qualität zur anderen vom Übergang zwischen zwei anderen Qualitäten verschieden. Der Zeitinhalt kann durch den Übergang von einem Augenblick zu einem anderen geändert werden, obgleich das Gesetz der Zeit dasselbe bleibt. Und während z. B. der Übergang von einem Grad der Lichtbrechung zu einem anderen rein quanitativ ist und solche Übergänge eine fortschreitende Verschiedenheitsreihe bilden, bilden die Übergänge innerhalb der Qualitäten des Farbensinnes nur eine regelmäßig variierende Verschiedenheitsreihe. (Vgl. oben § 4a) Und doch kann die Analogie durchgeführt werden, indem eine bestimmte Farbenqualität im Spektrum immer einem gewissen Brechungsgrad, einem gewissen Grad der Lichtbrechung entspricht. Auf dem Weg der Analogie ist die Farbenreihe rational geworden.

KANT hat das zuerst klar gesehen, aber nur was ein einzelnes Verhältnis betrifft. Indem der das logisch-mathematische Verhältnis von Grund und Folge, das gar kein Zeitverhältnis ist, aber durchgehend auf Identität beruth, mit den faktischen Veränderungen, die wir als Ursachen und Wirkungen voneinander zu erklären versuchen, verglich, fand er nur Analogie zwischen ihnen. Es war eben diese Analogie, deren Gültigkeit er, wie oben erwähnt, aus dem Begriff der Möglichkeit der Erfahrung ableiten wollte. Zwischen formaler und realer Wissenschaft besteht nach KANT keine Identität. Die Welt der Qualitäten und der Sukzessionen macht sich immer wieder geltend, obgleich die Wissenschaft dekretiert, daß Qualität auf Quantität und Sukzession auf Identität reduziert werden kann. Zwischen den beiden Reihen, die einerseits von den reinen Begriffen (Zeit, Zahl, Grad, Ort), andererseits von den qualitativen Veränderungen gebildet werden, kann nur einseitige, keine zweiseitige Äquivalenz bewiesen werden. Man kann künftigen qualitativen Veränderungen vorgreifen und sie voraussagen, indem man die Reihe der qualitativen Veränderungen so auffaßt,  als ob  sie nur Übergänge in Zeit, Zahl, Grad und Ort darböten. Man kann aber nicht beweisen, daß keine anderen Voraussetzungen als die durch jene vier formalen Begriffe bestimmten zu solchen Resultaten führen könnten. Der Unterschied zwischen einem Analogieverhältnis und einem Identitätsverhältnis ist eben der, daß ein Gebiet durch eine gut gewählte Analogie zur intellektuellen Beleuchtung eines anderen Gebietes dienen kann; daß aber keine andere Beleuchtung möglich wäre, kann nicht (wie wenn ein Identitätsverhältnis vorliert) bewiesen werden.

Kausalität kann nur als eine Sukzession, deren Glieder sich als Grund zur Folge verhalten. Aus den zwei Elementen in der Kausalität (das logische und das temporale) können wir können keinen neuen Begriff durch Kombination bilden. Eigentlich wissen wir nicht, was Ursache ist, - wenn wir mit der jetzt gegebenen Definition zufrieden sind. Ein Kausalitätsverhältnis ist, eine Totalität, die mittels der beständigen Analogie zwischen denn logischen und temporalen Elementen besteht, - einer Analogie, die, als Arbeitshypothese, die Forderung stellt, daß die durch die Qualitätsänderungen bewirkten Schwierigkeiten des Verständnisses durch Umsetzung zu rein logischen und mathematischen Verhältnissen überwunden werden sollen. Solange das Erkenntnisbedürfnis wach ist, wird man auf diesem Wege daran arbeiten, reale Korrelat zu den logischen und mathematischen Totalitäten hervorzubringen. Ob das aber allen möglichen Erlebnissen gegenüber möglich ist, - ob die Begriffe "Erfahung" oder "Natur", wie KANT sie konstruiert hat, mehr als ideale Hypothesen werden könnten, - diese Frage hat KANT nicht aufgeworfen. Und nur darum konnte er meinen, HUMEs Problem gelöst zu haben. Das allgemeine Prinzip, das früher das Prinzip des zureichenden Grundes, das aber jetzt in reiner formaler Form als das Prinzip der Begründung und in seiner realen Form als das Kausalitätsprinzip hervortritt, ist selbst eine Folge der Nowendigkeit, alle Erlebnisse als Glieder eines Ganzen zu denken. Ein Drang zur Supplierung des einzelnen Erlebnisses macht sich hier geltend. Schon TELESIO, später HERBART und HAMILTON (4) und in der neuesten Zeit BRADLEY (5) haben dies klar gesehen.

17. Von zwei verschiedenen Seiten würde die hier dargestellte Theorie kritisiert werden können. Man könnte die Berechtigung und die Notwendigkeit einer Bearbeitung der Erlebnisse durch das Nachdenken leugnen, - und man könnte behaupten, daß eine solche Bearbeitung in einer so vollständigen Durchführung logischer und mathematischer Gesichtspunkte enden müßte, daß kein Grund vorhanden wäre, hier noch von Analogie zu reden. Im ersten Fall fiele die Analogie weg, indem man sich an die Erlebnisse in ihrer unmittelbaren Form, ohne jede Deutung, hielte; im anderen Fall fiele sie weg, weil die Erlebnisse in Glieder identischer Urteile oder Prinzipien umgesetzt wären. - Als Typus der ersten Auffassung kann HENRI BERGSON, als Typus der zweiten Auffassung HERMANN COHEN angeführt werden.

Vom ersten Standpunkt aus ist der Gedankengang folgender. Wir müssen uns mit dem Gedanken vertraut machen, daß das, was uns unmittelbar gegeben ist, qualitative Veränderung ist und wir müssen an diesem unmittelbar Gegebenen mit Absehen von allen Abstraktionen und Reflexionen festhalten. Es gilt, sich in die Wirklichkeit hineinzuleben und die ligt nicht in unseren Deutungen und Spekulationen, sondern in dem, das sich uns unmittelbar kundgibt. Der große Apparat, den die Wissenschaft zur Erklärung der Dinge konstruiert, ist zwar sehr zweckmäßig, um die Dinge unseren praktischen Bedürfnissen dienen zu lassen und um gegenseitige Mitteilung unter Menschen zu ermöglich; aber er führt vom unmittelbar Gegebenen weg. Dieser Apparat nimmt uns aus praktischen Gründen in dem Grad in Beschlag, daß wir ihn nur mit großer Schwierigkeit wieder entfernen und uns von allen den Abstraktionen und Reflexionen, die er teils voraussetzt, teils selbst hervorruft, befreien können. Wenn dies aber nicht glückt, fallen alle Pobleme weg. (6)

Diese Auffassung geht davon aus, daß man ein für allemal zwischen Erlebnis und Nachdenken unterscheiden kann. Aber dieser Unterschied wechselt ins Unendliche, sowohl in der Art als im Grad. Und schon im unmittelbar Gegebenen kann man die Gesetze und Formen, die der Arbeit des Nachdenkens zugrunde liegen, spüren. Das Totalitätsgepräge ist in ihm schon gegeben und das Nachdenken gibt nur eine weitere Entfaltung von dem, was in ihm schon angedeutet ist. (Vgl. oben § 10) Eine solche weitere Entfaltung ist notwendig wegen der Widersprüche und Gegensätze, die schon im unmittelbar Gegebenen enthalten sein können. Es gibt ja nicht ein einzelnes unmittelbar Gegebenes, eine einzelne konkrete oder praktische Intuition, sondern viele verschiedene Intuitionen, jede mit ihrem Totalitätsgepräge - und wie können diese verschiedenen Intuitionen zu einer umfassenden Intuition vereinigt werden? Ohne Nachdenken und Vergleichen kann das nicht geschehen.

In meiner Kritik BERGSONs in "Henri Bergsons Philosophie" hielt ich mich an das allgemeine Verhältnis zwischen Intuition und Nachdenken. Aber auch das gegenseitige Verhältnis zwischen den vielen verschiedenen konkreten und praktischen Intuitionen führt über das unmittelbar Gegebene hinaus.

Ferner muß notwendig gefragt werden, mit welchem Recht das unmittelbar Gegebene "Wirklichkeit" genannt wird. Der Unterschied zwischen Phantasie, Traum und Wirklichkeit existiert für konkrete und praktische Intuitionen gar nicht. Das Problem, das durch diesen Unterschied gestellt wird, existiert da ebensowenig wie alle anderen Probleme. Ein begründeter Unterschied zwischen Wirklichkeit und Traum setzt die Erkenntnis eines festen, gesetzmäßigen Zusammenhangs zwischen den vorliegenden Wahrnehmungen voraus, - diese Erkenntnis sei noch so elementar und kindlich. Und eben das Bedürfnis nach Kriterien der Wirklichkeit ist es, das zur Gesetzeserkenntnis führt. HENRI POINCARÉ hatte daher recht, wenn er sagte: "Le monde Bergsonien n'a pas des lois." [Bergsons Welt ist ohne Gesetz. - wp] (7)

In scharfem Gegensatz gegen die Intuitionstheorie BERGSONs steht die Theorie der Marburger Schule, nach der das Kausalitätsproblem vollständig gelöst ist, wenn es glückt, die im Gegebenen enthaltenen Verschiedenheiten in solcher Weise durchzuarbeiten, daß alle Verhältnisse innerhalb des Gegebenen in identischen Urteilen oder Gleichungen ausgedrückt werden können. Der mathematische Funktionsbegriff enthält also die Lösung des Kausalitätsproblems. Eine mathematische Funktion bezeichnet nämlich gegenseitige Abhängigkeit zweier veränderlicher Größen und drückt so auf einmal ihre Verschiedenheit und ihren Zusammenhang aus. Wenn  y = f (x),  fällt  x  nicht weg, wenn  y  eintritt, sondern ist in  y  erhalten. Wenn ein Verhältnis zwischen zwei verschiedenen Erscheinungen in dieser Weise ausgedrückt werden kann, fällt das Äußerliche in der populären Auffassung des Kausalitätsverhältnisses weg und es wird nicht mehr von einem äußeren Eingreifen oder Handeln von einem Ding auf ein anderes die Rede sein. Das Wesen und die Verhältnisse der Dinge haben ein für allemal ein der Gleichung ihren Ausdruck gefunden. (8)

Aber COHEN scheidet doch (Seite 248) zwischen der Gleichung und ihrer Deutung; die Gleichung bildet nach ihm nur die methodologische Grundlage. Und sie wird als ein Ausdruck der Konstanz, der Erhaltung gedeutet. Aber die Gleichung  y = f (x)  kann sehr viele Dinge bedeuten, auf höchst verschiedenen Gebieten angewandt werden. Wenn sie die methodologische Grundlage des "Bestehens" oder der "physischen Struktur" sein soll, dann haben wir eben, was KANT Analogie nannte. Zwischen mathematischen und physischen Verhältnissen besteht nur eine Analogie, wie es überhaupt zwischen logischer Begründung und kausaler Relation nur Analogie gibt. Auf der Berechtigung dieser Analogie baut die mathematische Physik oder besser: die Berechtigung dieser Analogie ist die große Hypothese, welche die moderne Naturwissenschaft im einzelnen zu verifizieren sucht.

COHEN erkennt ferner an (Seite 412f), daß Probleme nur entstehen, wenn ein neues Erlebnis für uns hervortritt. Es gilt dann, diesen neuen qualitativen Inhalt in quantitative Form umzusetzen. Die Sinnesempfindung stellt ihre Forderungen, aber nur der Gedanke kann die Berechtigung dieser Forderung entscheiden. Die Sinnesempfindungen sollen nicht gehört, sondern verhört werden. Die Resultate dieses Verhörs können aber nicht ein für allemal festgesetzt werden. Daher können unsere Begriffe nimmer vollkommen werden.

Hier ist so viel eingeräumt, daß die Durchführung der rein logischen Auffassung der Wirklichkeit immer als ein Ideal oder eine Hypothese dasteht. Und selbst wo die Deutung gelungen ist und die Wärmelehre ein Teil der Bewegungslehre geworden ist, wird dann dadurch der Unterschied zwischen der Sinnesqualität und den mathematischen Formeln, in denen die Wärme als physische Erscheinung ausgedrückt wird, aufgehoben? Die Krücke der Empfindung, antwortet COHEN (Seite 425), ist dadurch zerschmettert, daß die Wärmelehre ein Teil der Bewegungslehre geworden ist. Aber die Empfindung benötigt in ihrer unmittelbaren Qualität gar keine Krücke und auch nachdem die Wärmelehre ein Teil der Bewegungslehre geworden ist, bleibt die Frage ungelöst: Wie und warum macht sich die Erscheinung, die die physikalische Wärmelehre mit Hilfe ihrer Gleichungen beschreibt, für empfindende Wesen in einer bestimmten, qualitativen Weise kund? Kann man aus den Gleichungen der physikalischen Wärmelehre die nur unmittelbar gegebenen Wärmequalitäten ableiten? Freilich, man könnte diese Qualitäten als rein subjektiv auffassen; aber darum werden sie nicht aus der Welt herausgestoßen. Was für den Temperatursinn gilt, gilt auch für alle anderen Sinne. Und das Problem wird nicht nur durch das Verhältnis zu den menschlichen Sinnen gestellt. Trotz des Satzes vom Bestehen der Energie sind Licht, Wärme, mechanische Bewegung, Elektrizität usw. doch verschiedene Naturkräfte und ihre objektive Verschiedenheit kann nicht aus dem allgemeinen Satz, daß ein gewisses Quantum der einen einem gewissen Quantum der anderen entspricht, abgeleitet werden. Die eine hat faktisch andere Wirkungen als die andere, und es liegt in jedem einzelnen Fall ein Übergang in einer bestimmten Richtung vor. Auch wenn der Satz  A = B  von einem gewissen Gesichtspunkt aus wahr ist, kann es doch im einzelnen Fall einen bedeutungsvollen Unterschied machen, ob  A  oder ob  B  vorliegt. Wenn wir Wärme wünschen, hilft es uns nicht, daß das entsprechende Bewegungsquantum da ist! - Die Frage ist zuletzt die, ob die Wirklichkeit als in bloßen Gleichungen bestehend gedacht werden kann. COHEN ist nicht weit von dieser Konsequenz entfernt. Nur der Gedanke, nur der Begriff, sagt er (Seite 180), gibt wahres Sein. Alle wahre Philosophie fängt, seiner Meinung nach, mit PARMENIDES an. Doch scheint er nicht die Konsequenz, daß nur eine Welt der reinen Identitäten besteht, ziehen zu wollen.

Noch weniger als die Analogielehre KANTs vermag die Identitätslehre COHENs das HUMEsche Problem zu lösen. COHEN erkennt aber auch gar nicht die Berechtigung dieses Problems, das ja aus den Zeit- und Qualitätsverschiedenheiten entsteht, an. Er weist HUMEs ganzen Standpunkt als unmoralisch ab (Seite 230)! - Dann war es aber auch unmoralisch von KANT, sich durch HUMEs Problem aus dem dogmatischen Schlummer erwecken zu lassen - und dann ist es konsequent, daß man sich ruhig wieder schlafen legt!

18. Der Kausalitätsbegriff ist nach meiner Auffassung eine Erweiterung derjenigen Gedankentotalität, die auf logisch-mathematischem Weg erreicht werden kann, eine Erweiterung, die dadurch geschieht, daß qualitative und sukzessive Verschiedenheiten auf dem Weg der Analogie unter logische und mathematische Gesichtspunkte gestellt werden. Es wird dadurch eine reale Gedankentotalität gebildet, mittels welcher die möglichst vollkommene Wirklichkeitserkenntnis erlangt werden kann, ohne daß doch die Wirklichkeit auf eleatisch-platonische Weise mit Logik und Mathematik identifiziert wird. Daraus, daß wir nur auf dem Weg des Gedankens unseren Glauben an eine Wirklichkeit begründen können, folgt nicht, daß diese Wirklichkeit nur in den Formen des Gedankens selbst bestehen sollte. Das Verhältnis zwischen Wahrnehmung und Deutung wird nimmer absolute Identität. Das Problem HUMEs bleibt bestehen. (9)

Ursache und Wirkung, die vorläufig als zwei verschiedene Dinge dastehen, kommen in ein innigeres gegenseitiges Verhältnis als Glieder einer realen Gedankentotalität, die nach der formalen Gedankentotalität als Vorbild und mittels der Totalitätstendenz, die allem Bewußtseinsleben, besonders dem Gedankenleben, charakteristisch ist, gebildet ist. Aber auch von anderen Seite tritt der Totalitätsbegriff oder die Totalitätsbildung im Kausalitätsverhältnis hervor und es wird zur Beleuchtung unserer Aufgabe dienen, sie heranzuziehen.
    a) Die Totalität, die Ursache und Wirkung ausmachen, ist selbst Teil einer größeren Totalität. Jedes einzelne, isolierte Kausalitätsverhältnis (wenn es ein solches gibt) ist blind und zufällig: die Bedingungen dafür, daß zwei Begebenheiten an diesem bestimmten Ort und zu dieser bestimmten Zeit in einem Kausalitätsverhältnis zueinander stehen können, müssen in einem größeren Zusammenhang, zuletzt in der Gesetzmäßigkeit, die dem ganzen Naturzusammenhang zugrunde liegt, gedacht werden. Wenn man zwei Begebenheiten im Kausalitätsverhältnis sieht, sieht man sie zugleich als in einem größeren Ganzen als das, welches sie selbst ausmachen, eingefaßt. Dies ist besonders deutlich, wenn man auf die Richtung des Kausalitätsverhältnisses das Gewicht legt, statt sie, wie allzuoft geschieht, zu übersehen. LEIBNIZ (10) machte bestimmt auf den Richtungsbegriff aufmerksam und stellte den Satz des Bestehens der Richtung auf. Später trat der Begriff der Richtung in den Hintergrund, obgleich KANT sehr stark betonte, daß das Kausalitätsverhältnis eben dadurch von einem bloßen Sukzessionsverhältnis verschieden ist, daß die Glieder nicht vertauscht werden können. Wo zweiseitige Äquivalenz zwischen Ursache und Wirkung besteht, kann man sowohl experimentell als gedankenmäßig vorwärts und rückwärts gehen. Aber in wirklicher Erfahrung, im einzelnen speziellen Fall wird entweder vorwärts oder rückwärts gegangen; die Äquivalenz ist da immer einseitig und es ist von entscheidender Bedeutung, welches Glied die Ursache und welches die Wirkung ist. Die Entdeckung der Äquivalenz der Naturkräfte hat keineswegs, wie AVENARIUS, RIEHL und COHEN meinen, HUMEs Problem gelöst. (11) - Auf lange Sicht gesehen ist vielleicht die Äquivalenz faktisch einseitig; dies ist wenigstens die Konsequenz, die bisweilen aus dem Gesetz CARNOTs gezogen wird.

    Wenn nun die Richtung nur mittels eines umfassenderen Ganzen als Hintergrundes konstatiert werden und damit das bestimmte, konkrete Kausalitätsverhältnis in seiner Eigentümlichkeit gesehen werden kann, - und wenn weiter das Kriterium der Wirklichkeit im kausalen Zusammenhang der bestimmten Ordnung und Richtung der einzelnen Erlebnisse besteht, - dann ist "die Wirklichkeit", die reale Wahrheit ein Ideal, as zu jeder gegebenen Zeit nur annäherungsweise erreicht werden kann. Dies führt doch nicht, wie man gemeint hat (12), zu vollkommener Skepsis; es ist nur ein Zeugnis, das entscheidenste aller Zeugnisse davon, daß sich die Wahrheit historisch entwickelt.

    b) Wie der Grund immer ein Inbegriff von Voraussetzungen ist, so ist die Ursache immer ein Inbegriff positiver und negativer Bedingungen. Weil nun jede dieser Bedingungen eine Tendenz zum Wirken in einer bestimmten Richtung hat und weil das Verhältnis dieser Tendenzen sehr verschieden sein kann, sind sehr viele verschiedene Ordnungen und Kombinationen innerhalb der sogenannten "Ursache" möglich. Die Ursache als Totalität kann daher in sehr verschiedener Weise hervortreten und es kann schwierig, wenn nicht unmöglich sein, ein Gesetz zu formulieren, das die gegebenen Umstände erschöpft. ERNST MACH (13) sagt mit Recht: "Mehr als den umfassenden und verdichteten Bericht über Tatsachen enthält ein solches Naturgesetz nicht. Ja, es enthält im Gegenteil immer weniger als die Tatsache selbst, weil dasselbe nicht die ganze Tatsache, sondern nur die für uns wichtige Seite derselben nachbildet, indem absichtlich oder notgedrungen von Vollständigkeit abgesehen wird." BERGSON geht sogar so weit, daß er die Kausalgesetze bloße Etiketten nennt. Dieses Mißverhältnis zwischen Kausalgesetz und wirklichem Geschehen tritt besonders auf psychischem Gebiet hervor. Ein Wollen, dessen Zweck mit vollem Bewußtsein festgehalten wird, entfaltet sich nicht ohne das Mitwirken einer Menge unwillkürlicher Tendenzen spontaner, reflektorischer und instinktiver Art; außerdem machen sich auch solche Vorstellungen und Gefühle geltend, die den Zweck nicht direkt angehen. Und das Verhältnis zwischen dem bewußten Zweck und den halb oder ganz unbewußten Tendenzen kann in den einzelnen Fällen in hohem Grad variieren, so daß es kein Wunder ist, wenn die Kausalerklärung einer menschlichen Handlung oft so außerordentlich schwierig ist. (14)

    c) Was so innerhalb der einzelnen "Ursache" der Fall ist, tritt analogerweise hervor, wenn wir verschiedene Kausalreihen in ihrem gegenseitigen Zusammenhang betrachten. Keine ganz isoliert verlaufende Kausalreihe kann aufgezeigt werden. Verschiedene Kausalreihen greifen ineinander ein und was im einzelnen Fall gegeben ist, wird stets ein Komplex von Kausalreihen sein, deren Richtungen in harmonischer oder disharmonischer Weise einander begegnen. -

    Die Aufgabe wird nach alldem der Forschung immer wieder gestellt,

      a) an den großen Zusammenhang, in dem das einzelne Kausalverhältnis seine Erklärung finden kann, aufzuweisen, -

      b) das Verhältnis zwischen den Gliedern einer und derselben Kausalreihe zu finden, - und

      c) das Verhältnis zwischen den verschiedenen Kausalreihen, die zusammen das Resultat bestimmen, zu analysieren.


    Reale Totalität ist daher (wie übrigens alle Kategorien) eine "Idee" in kantischer Bedeutung des Wortes, d. h. ein Gedanke, der stets neue Aufgaben stellt und in keiner Anschauung und in keinem abgeschlossenen Begriff dargestellt werden kann. Sie ist ein Arbeitsgedanke, der nur insoweit vorliegende Aufgaben löst, daß er zugleich auf neue Aufgaben hinweist.
19. Wenn es richtig ist, wie ich oben zu begründen versucht habe, daß der menschliche Gedanke kraft seiner eigenen Natur Totalitäten zu bilden strebt, weil er selbst immer nach einem Totalitätsgesetz arbeitet, wäre es ein glückliches Ding, wenn es Erlebnisse gäbe, die von Anfang an, aller denkenden Bearbeitung voraus, mit dem Gepräge der Totalität hervorträten und in welchen die Wechselwirkung der einzelnen Elemente durch ein Totalitätsgesetz bestimmt wäre. Hier brächte dann nicht die Gedankenarbeit die Totalität hervor, sondern das Erlebenis selbst stände als eine gegebene Totalität da, die das Gesetz in ihr selbst geschrieben hätte und nicht nötig hätte, sein Gesetz vom Gedanken zu borgen. Zwar sind, wie wir oben gesehen haben, alle Erlebnisse als Totalitäten gegeben; aber diejenige Gedankenarbeit, die wir bisher betrachtet haben, ging doch wesentlich darauf aus, das Gegebene in seine Elemente aufzulösen und das Verständnis mittels einer Gedankentotalität, die durch Analogie mit der vom Gedanken selbst konstruierten logisch-mathematischen Totalität zustande kam, zu gewinnen. - Solche Erlebnisse treten auf dem organischen, dem psychischen und dem sozialen Gebiet auf und die Frage ist, wie sich die Forschung ihnen gegenüber stellt. Sind hier ganz neue Kategorien notwendig und, im bejahenden Fall, in welchem Verhältnis stehen sie zu den im Vorhergehenden erwähnten Kategorien? -

Wenn Totalität, wie es in "Der menschliche Gedanke" (Seite 238 - 249 der dt. Übersetzung) geschehen ist, als eine spezielle Kategorie, als ein einzelnes Glied inder Reihe der Kategorien aufgestellt wird, ist das nicht nur wegen der wissenschaftlichen Stellung der Biologie, der Psychologie und der Soziologie geschehen, sondern auch wegen der Verwandtschaft des Kausalitätsbegriffs mit dem Totalitätbegriff, einer Verwandtschaft, die nicht nur auf den drei genannten Gebieten hervordringt, entdeckt sie Totalitäten, die sich früher versteckt hatten. Sonst wäre ja auch der eigene Totalitätscharakter des Gedankens, seine Eigentümlichkeit als Synthese, ein höchst unzweckmäßiges Organ. Es hat sich aber als eine reine Abstraktion gezeigt, die "Ursache" als etwas Einzelnes, Ursache und Wirkung als zwei verschiedene Dinge und die Kausalitätsreihen als ganz auseinanderliegend zu betrachten. Obgleich der Totalitätsbegriff den drei genannten Wissenschaften charakteristisch ist, kommt er doch in ihnen nicht als ein deus ex machina [Gott aus der Maschine - wp] vor.

Doch macht es einen bedeutenden Unterschied, ob die Totalität nur ein Ziel ist, das erreicht wird, wenn die Forschung einen Zusammenhang zwischen verschiedenen Kausalitätsreihen finden kann oder ob sie als ein vorliegendes Erlebnis hervortritt, durch welches dann der Forschung die Aufgabe gestellt wird, ihre inneren und äußeren Bedingungen zu finden. Im letzten Fall tritt die analytische Methode des Denkens ganz besonders hervor. Ein Erlebnis möge in höchstem Grad als Totalität hervortreten, - ein Verständnis wäre doch damit nicht gegeben. Es muß analysiert, zwischen Teilen und Eigenschaften unterschieden werden, damit das Gesetz des Zusammenhans gefunden werden kann. Die faktisch vorliegenden Totalitäten sind ebenso viele Aufgaben, erst für Beschreibung und Klassifizierung, dann für eine Untersuchung der Bedingungen ihres Bestehens und ihrer Entwicklung. Der Begriff der Totalität kann nimmer als Erklärung gebraucht werden. Er ist, wie es jede Kategorie ist, auf einmal eine Form der Gedankenarbeit und ein Ideal, das ins einzelne ausgeführt werden soll. Aber bei den unmittelbar gegebenen Totalitäten regt sich, wie Erfahrungen aus der neuesten Zeit bezeugen, eine Versuchugn dazu, die Erklärung im Totalitätsbegriff selbst zu finden, ihn als einen Schlüssel, der überall aufschließt, zu gebrauchen. Alle theologischen, vitalistischen und spiritualistischen Erklärungen beruhen auf einem solchen Mißbrauch. Im Gottesbegriff, wie er in den höheren Volksregionen entwickelt ist, ist alle Kausalität der Welt wie in einer unendlichen Einheit oder Ganzheit konzentriert und es ist dann selbstverständlich, daß jede Erscheinung in ihr ihren Grund hat. Schon GALILEI machte darauf aufmerksam, daß, eben weil alles in Gott seinen Grund hat, es kein Verständnis gibt, sich auf Gott als die Ursache einer einzelnen Erscheinung in ihrer Eigentümlichkeit zu einer bestimmten Zeit und an einem bestimmten Ort zu berufen. Der Vitalismus betrachtet den Organismus als ein Wesen, das seine Ursache in sich selbst hat und findet hierin die Erklärung von allem, was im Organismus vorgeht. Auf psychologischem Gebiet findet ein ähnlicher Vorgang statt, wenn man die Seele die Ursache ihrer eigenen Zustände sein läßt, während eine wissenschaftliche Psychologie die Gesetze des Seelenlebens durch das Studium des gegenseitigen Verhältnisses der verschiedenen seelischen Äußerungen zu finden strebt. Auf soziologischem Gebiet tritt eine analoge Tendenz hervor, wenn man die Gemeinschaft als Ganzes die Ursache spezieller sozialer Erscheinungen sein läßt.

Im Individualbegriff von LEIBNIZ ist eine Anweisung gegeben, auf einmal die Eigentümlichkeit eines gegebenen Ganzen anzuerkennen und sein Wesen im Gesetz zu finden, das den Zusammenhang zwischen seinen verschiedenen Zuständen und Veränderungen erfahrungsmäßig ausdrückt. (15) Wie wir oben gesehen haben, war es für LEIBNIZ das Ideal der Erkenntnis, alle Urteile auf Identitäten zurückzuführen und es könnte dann scheinbar ein Widerspruch sein, wenn er auf individuelle Totalitäten und ihre Verschiedenheiten so großes Gewicht legte. Aber die Identität, die für PLATON ein Gegenstand einer mystischen Kontemplation war, war für LEIBNIZ eine Gedankenform und ein Denkmittel, die bei jedem kleinen Schritt, bei jedem kleinen Übergang in der Analyse, mittels welcher das Denken das Gesetz des individuellen Ganzen zu finden sucht, benutzt werden. Dieser Gedanke LEIBNIZ' hängt mit dem Grundgedanken seiner Infinitesimalrechnung genau zusammen, indem die Kontinuität eines Wesens sich eben in den unendlich kleinen Übergängen zwischen seinen Zuständen ausdrückt und indem die Eigentümlichkeit eines Wesens eben im Gesetz, nach welchem diese Übergänge geschehen, besteht.

Der Gedanke LEIBNIZ' kann uns in unserer erkenntnistheoretischen Betrachtung des Organismus, der Persönlichkeit und der Gemeinschaft leiten.
LITERATUR - Harald Höffding, Der Totalitätsbegriff - Eine erkenntnistheoretische Untersuchung, Leipzig 1917
    Anmerkungen
    1) Im folgenden wird die Darstellung in "Der menschliche Gedanke" (dt. Übersetzung) Seite 190 berichtigt.
    2) KANT läßt den reinen Zeitbegriff nicht zu seinem Recht kommen als Grundlage einer eigenen kleinen rationalen Welt, die doch für ihre Ausformung die Analogie mit dem Raum und die Anwendung des Größenbegriffs erfordert. Er parallelisiert ihn ohne weiteres mit dem Raum und neigt dazu, ihn in ein genaues Verhältnis zur Zahl zu setzen. In der "Kritik der reinen Vernunft", Seite 142f, wird die Zahl als die Einheit der Zusammenfassung einer gleichartigen Mannigfaltigkeit definiert, die dadurch bedingt wird, daß ich die Zeit durch Analyse der Anschauung hervorbringe. In den  Prolegomena,  § 10, liegt die Zeit der Arithmetik zugrunde, wie der Raum der Geometrie.
    3) HÖFFDING, Der menschliche Gedanke (dt. Übersetzung), Seite 197 - 220.
    4) HÖFFDING, Geschichte der neueren Philosophie I, (dt. Übersetzung) Seite 106f; II Seite 277, 432.
    5) BRADLEY, Essays on Truth and Reality, 1914, Seite 312
    6) Vgl. mein Büchlein über die Philosophie HENRI BERGSONs (Französische Übersetzung, 1916) WILLIAM JAMES steht hier BERGSON nahe. (A pluralistic universe, 1909, Seite 242, 247, 260 - 263
    7) HENRI POINCARÉ, Derniéres Pensées, Seite 31
    8) HERMANN COHEN, Logik der reinen Erkenntnis, Seite 185, 239 bis 247. - Zu einem ähnlichen Resultat kam auch RICHARD AVENARIUS von seinem pragmatischen Standpunkt aus. Vgl. seine Theorie von der absoluten Deproblematisierung. (Mein Buch "Moderne Philosophie", dt. Übersetzung)
    9) In ANTON THOMSENs Buch über Hume (dt. Übersetzung 1913) wurde ein Versuch gemacht, die Ehre, das Kausalitätsproblem gestellt zu haben, nicht HUME, sondern HOBBES zuzuschreiben. Nur eine einzelne Stelle bei HOBBES liegt diesem Versuch zugrunde (De Corpore I, 3, 20). Es war verdienstvoll, diese Stelle heranzuziehen, aber was HOBBES hier gelegentlich gesagt hat, übt keinen Einfluß auf seinen dogmatischen Gedankengang. Und auch früher als von HOBBES wird der Unterschied zwischen Grund und Ursache angedeutet. So bei BRUNO (De la causa, principio et uno, Ed. Lagarde, Seite 230) und noch deutlicher bei den Nominalisten des vierzehnten Jahrhunderts, besonders bei NICOLAS d'AUTRICOURT. Vgl. über ihn: LAPPE: Die Philosophie des Nicolas d'Autricourt, Bern 1905. - H. RASHDALL: Nicholas de Ultricuria - a medieval Hume, Aristotelian Society, Proceedings 1906
    10) LEIBNIZ, Opera philosophica, Ed. Erdmann, Seite 132f
    11) HÖFFDING, Der menschliche Gedanke (dt. Übersetzung) Seite 310 - 315
    12) Vgl. BERTRAND RUSSELLs Kritik des dynamischen Wahrheitsbegriffs in seiner Abhandlung "On the Nature of Truth" (Proceedings of the Aristotelian Society, 1907, Seite 48 und 49. Selbst behauptet RUSSELL einen "analytischen Realismus", glaubt an eine Welt absoluter Existenzen, teils universeller (PLATONs Ideen ähnlich), teils sinnlicher Art (Le Réalisme analytique, Bulletin de la Société Francaise de Philosophie, 1911. Nur dadurch meint er festen Grund unter den Füßen zu haben.
    13) ERNST MACH, Die ökonomische Natur der physikalischen Forschung (Vorträge), Seite 224f
    14) Vgl. meine Abhandlung "Le Concept de la Volonté (Revue de Métaphysique et de Morale, 1906) Seite 12f
    15) Vgl. "Der menschliche Gedanke" (dt. Übersetzung, Seite 142 - 145)