tb-1cr-2Zur Theorie der AbstraktionÜber Gestaltqualitäten    
 
HANS CORNELIUS
Zur Kritik der
wissenschaftlichen Grundbegriffe

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Der Dingbegriff gehört also wirklich nicht nur zu den wissenschaftlichen Grundbegriffen, sondern er ist für die physikalischen Wissenschaften geradezu der wichtigste aller dieser Begriffe.

Gerne folge ich der freundlichen Aufforderung des Herausgebers dieser Zeitschrift, einen Beitrag zu deren Inhalt zu liefern. Ich beziehe mich dabei auf Fragen, die während der Prager Tagung teils hervorgetreten sind, teils in den dort gehaltenen Vorträgen versteckt enthalten sind und ans Licht gezogen werden müssen, wenn dem Fortschritt der Erkenntnis nicht auf Schritt und Tritt Hindernisse erwachsen sollen.

Ich habe die Fragen, von denen hier die Rede ist, nicht erst jetzt zum Gegenstand meiner Untersuchungen gemacht. Mein ganzes Leben ist der Begründung einer neuen, den Forderungen der exakten Wissenschaften genügenden Erkenntnistheorie gewidmet gewesen, die ich wohl, ohne unbescheiden zu sein, als den systematischen Ausbau der von MACH gegebenen Anregungen bezeichnen darf. Es scheint indessen von meinen Arbeiten und deren Ergebnissen wenig oder nichts in die Kreise gedrungen zu sein, die sich heute für die Begründung einer exakten Erkenntnistheorie zu interessieren beginnen. Vielleicht können diese Zeilen dazu dienen, die Aufmerksamkeit auf das bisher Erreichte zu lenken - etwas verspätet freilich, da mein Leben, das diesem Werk gewidmet war, sich seinem Ende zuneigt.

Erkenntnistheoretische Untersuchung hat nur Sinn, wenn sie mindestens mit derselben Strenge betrieben wird, wie die exakten Wissenschaften. Soll sie aber für diese Wissenschaften von Bedeutung werden - soll sie ihnen etwas geben, was sie brauchen und bisher nicht besessen haben, so muß noch mehr von ihr gefordert werden: es muß gefordert werden, daß sie mit noch größerer Strenge arbeite, als es in den exakten Wissenschaften bisher geschehen ist, nämlich mit noch "erbarmungsloserer" Forderung nach Klarheit. Denn sie soll ja über Fragen Rechenschaft geben, die in den exakten Wissenschaften bisher nicht beantwortet worden sind und die doch bearbeitet werden müssen, damit in dem Betriebe dieser Wissenschaften keine Unklarheit übrigbleibt. Nur um solche Unklarheit zu vermeiden, um letzte Klarheit zu schaffen, werden ja eben jene Betrachtungen gefordert und angestellt, wie sie heute in den an der Prager Tagung interessierten Kreisen zutage treten.

Eben hiermit ist aber auch bereits gesagt, worin denn die größere Strenge bestehe, auf was sie sich beziehen soll, die hier gefordert wird. Sie kann und soll nur darin bestehen, daß keinerlei Unklarheit gelassen wird: und dies wiederum ist nur dadurch möglich, daß keinerlei Begriffe unbesehen eingeführt und angewendet werden, über deren Sinn und Bedeutung nicht vorher vollkommene, endgültige Klarheit geschaffen ist.

Daß in dieser Hinsicht bei den neueren erkenntnistheoretischen Bestrebungen der Mathematiker und Physiker noch nicht allen berechtigten Wünschen Rechnung getragen ist, zeigt sich allgemein gerade darin, daß noch Unklarheiten bestehen, die zur Forderung weiterer erkenntnistheoretischer Analyse Anlaß geben. Worin diese Unklarheiten der Hauptsache nach begründet sind und wie sie beseitigt werden können, wie also die "erbarmungslose Forderung nach Klarheit" auch hinsichtlich der Grundprobleme aller Wissenschaft zu erfüllen ist, davon soll im folgenden die Rede sein.

1. Der Begriff des Erlebnisses
Mit vollem Rechte - und in Übereinstimmung mit meiner anderwärts gegebenen Theorie der Begriffsbestimmung - verlangen die Wortführer der exakt wissenschaftlichen Methode, daß die Bedeutung jeder Aussage auf "Gegebenes" zurückgeführt werden könne. Sie erklären folgerichtig jede Aussage für sinnlos, für die diese Forderung nicht zu erfüllen ist. Das einzig Gegebene aber "ist das individuell Wahrgenommene, das unmittelbar Erlebte oder, wie ich aus alsbald zu besprechenden Gründen lieber sagen möchte: das letzte Gegebene, worauf die Bedeutung aller Aussagen zurückgeführt werden muß, sind unsere unmittelbar gegebenen Erlebnisse. Jene Feststellung knüpft zweifellos an MACH an; und wenn jemand an die erwähnten Vertreter der exakten Wissenschaft die Frage richtete, was denn mit den Worten "wahrgenommen" oder "unmittelbar Erlebtes" gemeint sein solle, würde er vermutlich auf MACH verwiesen werden. In der Tat finden sich bei MACH hinreichende Beispiele für das, was mit dem unmittelbaren Erlebnis gemeint ist; so daß über jenes "Gegebene", das den Sinn des Wortes Erlebnis ausmacht, hinreichende Klarheit zu bestehen scheint.

Trotzdem ist das Wort noch nicht gegen Mißbrauch gesichert. Der schon erwähnte Zusatz "unmittelbar" Erlebtes dürfte dem Gefühl dafür entsprungen sein, daß man ohne diesen Zusatz unter dem Erlebten auch etwas anderes verstehen könnte, als was die Vertreter jenes Satzes eigentlich meinen. Aber auch der Zusatz birgt noch Unklarheit in sich: er sagt noch nicht, worauf sich denn der Gegensatz dieses "unmittelbaren" zu einem logischerweise vorausgesetzten "mittelbaren" Erlebten beziehen soll.

Zur Beseitigung solcher Unklarheit gibt es ein einfaches Mittel. Es ist hier, wie bei aller Bestimmung der Bedeutung eines Worts durch den Hinweis auf Beispiele, nur eben nötig, das Gemeinsame hervorzuheben, das die angegebenen Beispiele untereinander verbindet und damit zugleich auf den Gegensatz hinzuweisen zu all dem, woran jenes Gemeinsame sich  nicht  findet.

Als Beispiele von unmittelbar Erlebtem pflegen vor allem sinnliche Wahrnehmungen angeführt zu werden. Diese Beispiele sind zunächst vieldeutig. Die Farbe als unmittelbar Erlebtes und die Farbe des Dinges, an dem wir sie erleben; der Ton als Gehörsempfindung und der "objektive" Ton, der in einem Raum erklingt, auch ohne daß er von jemandem gehört wird, sind Beispiele solcher Vieldeutigkeit. Das Gemeinsame aber der beiden ersteren Fälle im Gegensatz zu den anderen und zugleich das Gemeinsame aller "unmittelbar erlebten" Tatbestände ist ohne Schwierigkeit zu erkennen. Dieses Gemeinsame besteht darin, daß das unmittelbar Erlebte überall im Augenblick seines Auftretens uns als vorhanden bekannt ist, oder daß wir ein Wissen von seinem Vorhandensein haben, ohne daß wir dazu irgendeines anderweitigen Wissens bedürften, durch das jenes erstere Wissen uns erst verschafft würde. Eben diese Verneinung der Vermittlung jenes Wissens durch ein anderes Wissen ist der Sinn, der dem Beiwort "unmittelbar" erlebt - oder was dasselbe sagt, unmittelbar gegeben - innewohnt.

In der Tat: während ich eine Farbe sehe, habe ich von dem Vorhandensein der betreffenden Farbqualität in meinem Gesichtsfelde ein Wissen, ohne daß ich dazu irgendein anderes Wissen haben müßte (auch nicht etwa das Wissen davon, was die Worte "mein Gesichtsfeld" bedeuten). Um dagegen von der Farbe eines Dinges etwas zu wissen, muß ich mindestens auch vom Dasein dieses Dinges etwas wissen, sowie auch davon, daß die Farbe an diesem Dinge haftet oder wie man diesen Tatbestand sonst bezeichnen mag. Von dem jetzt gehörten Ton weiß ich, ohne dafür irgend etwas anderes wissen zu müssen; von dem "objektiven Ton", der in einem Raum erklingt, ohne daß ihn jemand hört, kann ich nur auf verwickelten Umwegen über anderweitiges Wissen etwas erfahren.

Man pflegt jenes Gemeinsame der unmittelbar gegebenen Tatbestände im Gegensatz zu allen anderen Sachen auch dadurch zum Ausdruck zu bringen, daß man von den unmittelbar erlebten Sachen als von den  Tatsachen  unseres Bewußtseins redet. Auf die Bezeichnung kommt es nicht an, sondern nur darauf, daß man sich darüber klar ist, was man damit bezeichnen will. Das Gemeinsame der "Bewußtseinstatsachen" ist eben dieses, daß man von ihnen im Augenblick ihres Daseins stets weiß, ohne dafür der Vermittlung anderen Wissens von anderen Sachen irgendwie zu bedürfen. Von einem Dinge, etwa von einem Buch, erhalte ich nicht durch sein bloßes Vorhandensein ein Wissen. Ich muß solches Wissen vielmehr stets durch eine im allgemeinen sehr beträchtliche Reihe von Erlebnissen erst vermittelt erhalten, in deren keinem das Ding selbst mir gegeben wird: erst in der Gesamtheit dessen, was ich in Form dieser Erlebnisse erfahre, besitze ich eine - im allgemeinen unvollständige und immer weiter zu ergänzende - Kenntnis von dem Dinge.

Wie diese Kenntnis beschaffen ist und wie sie sich insbesondere von der bloßen Erinnerung an die verschiedenen Erlebnisse unterscheidet, durch die sie zustande gekommen ist, wird später zu besprechen sein. Das eine ist jedenfalls ohne die genauere Untersuchung der eben genannten Frage sofort deutlich, daß solches Wissen von einem Dinge und das Wissen von dem unmittelbar Erlebten, etwa der Erscheinung des Buches in meinem Gesichtsfelde beim Anblick von irgendeiner bestimmten Seite, zwei völlig verschiedene Sachen sind. Denn was ich im letzteren Falle unmittelbar weiß, ist etwas, was nur in diesem Augenblick und für diesen Augenblick vorhanden ist (abgesehen davon, daß ich mich späterhin daran erinnern kann). Es ist mit der Aussage, die den unmittelbar erlebten Tatbestand als solchen feststellen will, nichts ausgesagt, was irgendwelche Erwartungen für die Zukunft in sich schlösse - (wiederum von der Erwartung, daß ich mich künftig an den erlebten Tatbestand erinnern könne, abgesehen).

Wenn ich dagegen vom Dasein eines Dinges, also von dem Gegenstande jenes mittelbaren Gegebenseins etwas aussage, so ist damit sinngemäß immer zugleich etwas über meine Erwartungen für die Zukunft mitausgesagt. Die Behauptung, daß ein Ding irgendwo in der Welt existiere, schließt ihrer Bedeutung nach die Erwartung in sich, daß ich bei Erfüllung gewisser Bedingungen stets bestimmte, durch die Beschaffenheit dieses Dinges gesetzlich bedingte Wahrnehmungen vorfinden werde. Nur durch die Erfüllung dieser Erwartungen wird jene Behauptung als richtig erwiesen; bleiben sie aus, wo sie gemäß der genannten Behauptung zu erwarten waren, so ist damit diese Behauptung als irrig erwiesen.

Oder, um es mit einem dem Physiker vertrauten Ausdruck zu bezeichnen: das Wissen von einem Dinge ist im Gegensatz zum Wissen von dem unmittelbar Erlebten stets das Wissen von einer Theorie: einer Theorie, die freilich wie alle Theorien in letzter Instanz Theorie über unmittelbar gegebene Sachverhalte ist, die aber, als Ausdruck einer Gesetzmäßigkeit für das Auftreten dieser unmittelbar gegebenen Tatbestände weit über jedes einzelne Erlebnis hinausreicht.

Von dem Wesen des Dinges als Theorie seiner Erscheinungen wird weiterhin ausführlicher zu reden sein. Für den Augenblick war es mir nur darum zu tun, den Unterschied des Wissens von Dingen und des Wissens von unmittelbar Erlebtem hervorzuheben. Das unmittelbar Erlebte ist als solches ohne jede Theorie und ohne jedes Wissen von einer solchen gegeben. Sobald ich aber aus dem unmittelbar Erlebten das Ding erkenne oder zu erkennen meine, als dessen Erscheinung dieses Erlebnis uns entgegentritt, gehe ich über das unmittelbar Erlebte hinaus und ordne es einer Theorie ein, die nun ihrerseits richtig oder falsch sein kann, d.h. die durch sie bedingten Erwartungen bestätigen oder enttäuschen kann. Solange ich sage: dieser Teil meines Gesichtsfeldes sieht schwarz aus, habe ich nur eine Aussage über das unmittelbare Erlebnis gemacht; sage ich aber: dies ist ein Stück Kohle, so habe ich mein Erlebnis im Sinne einer Theorie gedeutet, die durch weitere Erfahrungen bestätigt oder widerlegt werden kann.

Dieser Unterschied des unmittelbar Erlebten und der dinglichen Theorien, die darüber in irgendeiner Form ausgesagt werden können, ist nun aber nicht bloß von der "Schulphilosophie" , sondern auch von den philosophierenden Physikern nicht selten verkannt und vernachlässigt worden. Durch solche Vernachlässigung aber entspringen die schwerwiegendsten Unklarheiten des Denkens, und solange sie herrschen, kann an eine endgültige Klärung der wissenschaftlichen Grundbegriffe nicht gedacht werden. Wir sind an den Gebrauch des Dingbegriffes so sehr gewöhnt und er drängt sich überall so unmerklich dem Denken auf, daß es in der Tat einer unbarmherzigen Vorsicht gegenüber dem eigenen Denken bedarf, um ihn nicht da vorauszusetzen, wo seine eigene Herkunft und Legitimation erst geprüft werden soll. Diejenigen, die über diese Herkunft und Legitimation des Dingbegriffes ohne jene unbarmherzige Vorsicht Auskunft zu geben versucht haben, mußten sich daher stets in einen unentwirrbaren Zirkel verwickeln, indem sie gerade das, was sie suchten, schon in ihren Voraussetzungen mit in die Untersuchung hineinbrachten.

Sobald man beachtet, daß das unmittelbar Gegebene stets nur als Erlebtes sein Dasein hat und daß jede Behauptung über etwas, was über das augenblickliche Erlebnis hinaus fortbesteht, immer schon Ausdruck einer dinglichen Theorie ist, wird man vor der Gefahr der Verwechslung bewahrt bleiben. So ist z.B. "eine auf einer Kugelfläche gemessene elektrische Ladungsverteilung" ganz sicher kein "Erlebnis". Wer solche "Erlebnisse" als letzte Gegebenheiten voraussetzt, wird mit der Klärung der Grundbegriffe nicht zu einem guten Ende kommen. Wenn dagegen - sicher mit weit größerer Folgerichtigkeit - gelegentlich gesagt wird, daß das unmittelbar Beobachtete (und also Erlebte) nur "tanzende Farbflecken" seien, so geht diese Charakterisierung doch wohl etwas über das Ziel hinaus. Die Farbflecken, die wir als die unmittelbar gegebenen Gesichtserlebnisse kennen, sind keineswegs immer im Tanzen, d.h. in dauernder Veränderung ihrer Form und Lage begriffen, sondern weisen oft sehr weitgehende Konstanz ihrer Eigenschaften auf.

Gerade solche annähernd konstante und bei Erfüllung bestimmter Bedingungen immer wieder in annähernd gleicher Beschaffenheit zu beobachtende Gestalten sind die ersten Gebilde, deren gesetzmäßige Zusammenhänge wir kennenlernen und begrifflich fixieren. In diesen Zusammenhängen haben wir die ersten Gegenstände des physikalischen Denkens - sie sind aber durchaus nicht mehr mit den Erlebnissen identisch, aus denen sie freilich - in hier noch nicht näher zu erörtender Weise - konstituiert sind. Daß wir aber von solchen Gegenständen - und so insbesondere von den Dingen - ein Wissen haben, ist zunächst eine nicht abzuleugnende Tatsache.

Die Behauptung, daß die "Wahrheit nicht außerhalb unserer Erlebnisse gesucht werden darf" ist daher mindestens mißverständlich formuliert. Es ist wahr, daß Silber in Salpetersäure löslich ist; es ist nicht wahr, daß München an der Donau liegt - das sind klarverständliche und völlig sichere Behauptungen, die nicht Erlebnisse, sondern Dinge zum Gegenstande haben. Was richtig bleibt, ist nur der Satz, daß wir auch das Wissen von diesen Dingen letztlich nur aus Erlebnissen gewinnen konnten und die Wahrheit jener Sätze immer nur an irgendwelchen konkreten Erlebnissen zu kontrollieren vermögen.

Wenn freilich hier und anderwärts von "konkreten Erlebnissen" gesprochen wird, so bedarf auch dieser Ausdruck eines Vorbehaltes, damit er nicht zur Quelle neuer Unklarheiten wird.

Es wurde bereits oben bemerkt, daß das unmittelbare Erlebte nichts anderes ist als das, was auch mit dem Namen der Tatsachen unseres Bewußtseins bezeichnet wird. Beispiele solcher Tatsachen sind nicht nur die für die Physik vor allem wichtigen sinnlichen Wahrnehmungsinhalte, sondern ebenso die Erinnerungs- und Vorstellungserlebnisse, die Urteile, Gefühle, Wünsche usw. Aber alle diese Beispiele sind nur Beispiele für unterschiedene Bestandteile dessen, was wir als das Ganze unseres Bewußtseinsverlaufes bezeichnen und kennen - und was in seinem Dasein niemals aus der bloßen Aneinanderfügung jener Bestandteile zu verstehen ist. Denn es weist über diese Bestandteile und die Summe ihrer Eigenschaften hinaus eben dasjenige auf, was man folgerichtig als deren Zusammenhang zu einem Bewußtseinsganzen benennen muß.

Dieser Zusammenhang scheint zunächst für die Physik keinerlei Interesse darzubieten. Aber wenn man nicht bloß für die physikalischen Fragen im herkömmlichen Sinne, sondern für die Klärung der wissenschaftlichen Grundbegriffe interessiert ist, wird dieser Zusammenhang von der allergrößten Wichtigkeit. Denn es zeigt sich, daß die Art, wie die dinglichen und damit alle physikalischen Gegenstände aus den einzelnen unmittelbaren Erlebnissen konstituiert sind, überall in diesem Zusammenhang der Erlebnisse wurzelt und nur aus ihm verstanden werden kann. Es gibt kein konkretes Erlebnis außerhalb des Zusammmenhanges eines individuellen Bewußtseinsverlaufs; und alles, was wir an Begriffen und Theorien besitzen, ist in den Faktoren begründet, die diesen Zusammenhang im Gegensatz zu seinen Bestandteilen charakterisieren. Aus der bloßen Summation von Wahrnehmungen entstehen niemals die Gebilde, die zur Einordnung der "konkreten Erlebnisse" in gesetzliche Zusammenhänge dienen - wie die Wissenschaft solche überall sucht und findet.

Man kann daher über die wissenschaftlichen Grundbegriffe niemals zur Klarheit kommen, wenn man sich nur auf die einzelnen Erlebnisse als auf letzte Gegebenheiten beziehen will. Es ist vielmehr für die Lösung dieser Aufgabe unumgänglich notwendig, sich darüber Rechenschaft zu geben, wie jene einzelnen Bestandteile des Bewußtseinsverlaufs immer und überall untereinander notwendig und unabtrennbar verknüpft sind und wie aus den Faktoren dieser Verknüpfung die Formen herfließen, in die wir, über die einzelnen Erlebnisse hinausgehend, allgemeine und gesetzliche Zusammenhänge dieser Erlebnisse zulassen durch einen unvermeidlichen Zwang genötigt werden.

Alle Rede von "konkreten Erlebnissen" muß daher stets "cum grano salis" (mit einer Brise Salz) verstanden werden.

2. Der Dingbegriff
Wenn es mir in den vorigen Darlegungen gelungen sein sollte, den Unterschied des unmittelbar Erlebten von allen dinglichen, über den Augenblick der Wahrnehmung hinaus fortbestehenden Gegebenheiten deutlich zu machen, so wird die Herkunft unseres Wissens von diesen dinglichen Gegebenheiten zunächst am dringendsten der Aufklärung bedürfen. Daß auch dieses Wissen irgendwie aus unmittelbar Erlebtem konstituiert ist, wird von vornherein nicht bezweifelt werden können. Wie es aber zugeht, daß wir aus unmittelbaren Erlebnissen, die doch ihrerseits immer nur im Augenblick ihres Auftretens bestehen und als solche nie zu irgendwelchen Erwartungen für die Zukunft Anlaß geben, zur Erkenntnis der Dinge gelangt sind und in unserer weiteren Erfahrung immer wieder gelangen der Dinge, die uns ein Wissen von etwas geben oder doch zu geben scheinen, was weit über das Dasein des unmittelbar Erlebten hinausgeht -, das ist die Frage, die hier notwendig gestellt und beantwortet werden muß, wenn jemals Klarheit über den ersten und wichtigsten aller Grundbegriffe der physikalischen Wissenschaften gewonnen werden soll.

Die Lauheit des vorwissenschaftlichen Denkens gegenüber dieser Frage ist freilich begreiflich. Was ein "Ding" ist, scheint jedem so bekannt und "klar", daß man sich über Bedeutung und Herkunft dieses Begriffs kein Kopfzerbrechen meint machen zu müssen.

Die bisherigen Betrachtungen zeigen aber wohl zur Genüge, daß das Ding durchaus nichts "Selbstverständliches" ist; ebensowenig aber ein bloßes Hirngespinst, an dessen Stelle man lieber nur von den unmittelbaren Wahrnehmungen sprechen sollte. Denn es ist schon aus den angeführten trivialen Beispielen wahrer und falscher Aussagen klar ersichtlich, nicht nur - was nur gegenüber den mißverständlichen Behauptungen über den Begriff der Wahrheit festzustellen war - daß über die Dinge allgemeine wissenschaftlich wahre Aussagen gemacht werden können, sondern daß recht eigentlich gerade die Aussagen über Dinge den Gegenstand der physikalischen Wissenschaften im weitesten Sinne dieses Worts ausmachen. Eine Physik oder gar Chemie der unmittelbaren Erlebnisse gibt es nicht: es würde nicht bloß höchst umständlich, sondern tatsächlich unmöglich sein, die naturwissenschaftlichen Gesetze ohne Hilfe des Dingbegriffs auszusprechen. Der Dingbegriff gehört also wirklich nicht nur zu den wissenschaftlichen Grundbegriffen, sondern er ist für die physikalischen Wissenschaften geradezu der wichtigste aller dieser Begriffe.

Ohne hier schon auf die Frage nach der Herkunft dieses Begriffs einzugehen, sei zunächst der Gegensatz zwischen dem "Ding" und den unmittelbaren Wahrnehmungen, durch die wir von den Dingen Kunde erhalten, kurz nochmals hervorgehoben. Ich bezeichne dabei das unmittelbar Erlebte, das mir bei irgendeiner Wahrnehmung "eines Dinges" im Gegensatz zum Fehlen einer solchen Wahrnehmung gegeben ist - sei es beim Anblick des Dinges als der entsprechend veränderte Teil meines Gesichtsfeldes, sei es bei der Berührung des Dinges als die entsprechend gestaltete Berührungs- oder Druckempfindung usw. als Erscheinung des Dinges. Unter Erscheinung ist also hier stets ein unmittelbar Erlebtes zu verstehen. Dann können wir sagen:
  • Die Erscheinungen eines Dinges sind unbegrenzt viele - das Ding dagegen bleibt ihnen gegenüber stets Eines.

  • Die Erscheinungen wechseln je nach den Bedingungen der Wahrnehmung; das Ding ist diesem Wechsel gegenüber beharrlich, es wird in seinem Dasein nicht durch den Wechsel der Wahrnehmungen beeinflußt.
  • Die Erscheinungen sind vergänglich - das unmittelbar Erlebte besteht nur, solange die Wahrnehmung dauert; das Ding dagegen ist, nach unser aller festesten Überzeugung, von dieser Vergänglichkeit seiner Erscheinungen unberührt, es "beharrt"" d. h. es besteht vor wie nach der Wahrnehmung und unbeeinflußt davon, ob es wahrgenommen wird oder nicht - so sehr es vielleicht inzwischen anderen Einflüssen ausgesetzt und durch diese verändert werden mag.
All dies ist anscheinend nur der Ausdruck für allbekannte und unbestreitbare Tatsachen. Indessen ist doch die Behauptung, daß wir mit Sicherheit wissen, daß es so etwas wie ein "Ding" gibt und vor allem, daß es während der Pausen der Wahrnehmung weiterbesteht, keineswegs unbestritten. Es ist ja auch im Lager der Physiker bekannt, daß es eine Lehre gibt, die den Dingen das Dasein abstreitet, weil wir doch nur Wahrnehmungen kennen und von den "Dingen" nur durch Wahrnehmungen wissen. Darum erscheint das Dasein der Dinge, während sie nicht wahrgenommen werden, zum mindesten zweifelhaft, und wenn die Dinge wirklich nichts anderes sind als Summen der Wahrnehmungen, so muß ihr Dasein während der Pausen der Wahrnehmung durchaus verneint werden - denn dann sind sie ja in diesem Falle Summen von lauter verschwindenden Summanden.

Allein eben diese "idealistische" Behauptung, daß die Dinge nur Summen von Wahrnehmungen sind (genauer gesagt, Summen "ihrer" Erscheinungen) - diese Behauptung ist unrichtig. Die Dinge sind etwas ganz anderes als Summen von Erscheinungen, und es ist nicht schwer, dieses andere einem jeden aufzuzeigen.

Wenn ich irgendein Ding, etwa einen Schrank, von einer seiner Seiten her aus irgendeiner nicht allzu großen Entfernung betrachte, erhalte ich eine bestimmte Erscheinung, die "Ansicht des Schrankes von dieser Seite her". Betrachte ich ihn von einer anderen Seite, so erhalte ich eine andere Erscheinung. Ich will etwa annehmen, die erste Ansicht sei die von vorn, die zweite die von der rechten Seitenwand her. Diese beiden Erscheinungen können dem Auge des Beschauers niemals gleichzeitig gegeben sein - es hat also sicher keinen Sinn, davon zu reden, daß das Ding aus einer Summe dieser (und anderer) Erscheinungen bestehe, da beim Vorhandensein des einen "Summanden" die anderen stets gleich null wären. Dagegen ist ohne weiteres klar, daß wir, um von der einen Ansicht zur anderen zu gelangen, eine bestimmte Bewegung ausführen müssen (vorausgesetzt, daß nicht etwa das Ding die entgegengesetzte Bewegung ausführt): diese Bewegung ist die Bedingung dafür, daß an Stelle der einen Erscheinung die andere auftritt.

Auf dem Weg zwischen beiden Erscheinungen erhalten wir, falls wir nicht das Auge abwenden oder schließen, eine bestimmte Reihe von "Zwischenansichten", die stets die gleiche bleibt, wenn wir von der ersten zur zweiten Ansicht in der gleichen Weise uns hinüberbewegen, solange das Ding unverändert bleibt. (Je nach dem, was etwa an dem Ding geändert wird, kann die Folge unverändert bleiben oder sich vollständig ändern: wird die Tür des Schrankes geöffnet, so tritt eine durchaus andere Folge von Erscheinungen an die Stelle der vorigen; wird dagegen der Boden des Schrankes weggenommen, so wird man das im allgemeinen bei der erstgenannten Bewegung "nicht sehen"; wird der Schrank verbrannt, so treten durchaus neue Erscheinungen an die Stelle der früheren usw.)

Das Beispiel zeigt, daß die Erscheinungen des Dinges untereinander in bestimmten gesetzmäßigen Zusammenhängen stehen. Das Auftreten der einen oder der anderen Erscheinung des Dinges ist, solange das Ding unverändert bleibt, von der Erfüllung ganz bestimmter Bedingungen abhängig: der Zusammenhang zwischen der Erfüllung dieser Bedingungen und dem Auftreten der entsprechenden Erscheinung ist etwas, was dem Ding eigentümlich ist und wodurch es sich von anderen Dingen unterscheidet, also etwas, was, wie man zu sagen pflegt, das Wesen des betreffenden Dinges ausmacht. Und soweit wir das Ding nur vermöge der direkten Wahrnehmungen kennen, die wir ohne Untersuchung seiner physikalischen und chemischen Eigenschaften einfach durch unsere Sinne von ihm erhalten, kennen wir nichts anderes, was für das Ding wesentlich wäre, als eben diesen gesetzmäßigen Zusammenhang seiner Erscheinungen.

Nicht also eine bloße Summe von Erscheinungen, sondern ein Gesetz für Erscheinungen ist das Ding, so wie es uns vor jeder weiteren wissenschaftlichen Untersuchung bekannt wird. Alle wissenschaftliche Untersuchung aber knüpft notwendigerweise an dasjenige an, was das vorwissenschaftliche Denken ihr in Form dieser ersten Gesetze entgegenbringt. Wir können physikalische und chemische Gesetzmäßigkeiten an den Dingen erst studieren, wenn wir die Dinge haben, d. h. wenn wir bereits auf Grund der vorwissenschaftlichen Erfahrung die Kenntnis bestimmter Arten beständiger Gesetze für unsere Wahrnehmungen besitzen. Nicht in Form von Summen, sondern von Gesetzen der Wahrnehmungen ist alle unsere vorwissenschaftliche Erkenntnis der Welt uns gegeben.

Daß wir in diesen Gesetzen "Theorien" für unsere Wahrnehmungen, also für unmittelbar Erlebtes besitzen, ist eben bereits angemerkt worden. Alle Theorienbildung verfolgt - bewußt oder unbewußt das Ziel, gesetzmäßige Zusammenhänge zu gewinnen, durch die wir das Mannigfaltige der Tatsachen zusammenfassen und gleichsam mit einem Blick überschauen können. Die durchgeführte Betrachtung zeigt, daß unser Denken schon vor aller wissenschaftlichen Bestrebung dieses Ziel wenigstens für unsere unmittelbaren Erlebnisse verwirklicht. Im Gegensatz zu den durch die Wissenschaft erarbeiteten - physikalischen, chemischen u.a. - Theorien werden wir diese Ergebnisse des vorwissenschaftlichen Denkens folgerichtig als natürliche Theorien bezeichnen dürfen.

Zwischen dem Ding und den Erscheinungen des Dinges besteht nach all diesem nicht, wie die alte Schulphilosophie und die neuesten Pseudoempiriker meinen, eine unüberbrückbare Kluft, sondern ein äußerst einfacher Zusammenhang. Die Dinge und ihre "dinglichen" Eigenschaften, wie wir sie durch unsere sinnlichen Wahrnehmungen vor weiterer Untersuchung kennenlernen, sind nichts anderes als Gesetze für unsere Wahrnehmungen.

Gegenüber den Seltsamkeiten, zu denen der angebliche Gegensatz zwischen dem "Schein" der sinnlichen Wahrnehmung und der "Wirklichkeit" der Dinge und ihrer Eigenschaften die philosophischen Skribenten veranlaßt hat, mag es nicht überflüssig sein, auf einige der einfachsten Folgerungen aus dem beschriebenen Sachverhalt kurz hinzuweisen.

Die Form eines Dinges ist nichts anderes als das Gesetz für die Formen seiner Erscheinungen. Eine kreisförmige Platte z.B. ist nicht in dem Sinne "kreisförmig", daß sie von allen Seiten gesehen die Form eines Kreises zeigen müßte (dies tut nur eine Kugel); sie sieht bekanntlich von weitaus den meisten Seiten her elliptisch aus, von einem Teil der Standpunkte aus sogar geradlinig begrenzt. Was wir aber mit der kreisförmigen Platte, mit ihrer konstanten Kreisform im Gegensatz zu jenen wechselnden Formen ihrer Erscheinung meinen, ist das Gesetz, daß sie von der einen Seite kreisförmig, von jenen anderen Seiten her elliptisch aussieht, und daß diese Erscheinungsformen bei bestimmtem Wechsel unseres Standpunktes einander stets in ebenso bestimmter Folge ablösen.

Ebenso ist die Farbe eines Dinges durchaus nicht dieselbe wie irgendeine der Farben seiner Erscheinungen; sondern was wir als die konstante Dingfarbe bezeichnen, ist stets ein Gesetz für die Farben der Erscheinungen des Dinges. Ein blaues Stück Papier verändert nach unser aller sicheren Überzeugung nicht etwa seine Farbe dadurch, daß es von einer dunkleren an eine hellere Stelle des Zimmers gebracht wird - auch nicht dadurch, daß es in eine Dunkelkammer gebracht wird und dort, wie alle anderen Dinge, schwarz aussieht; - ebensowenig dadurch, daß wir es in Natriumlicht bringen und es nunmehr weiß erscheint. Niemand behauptet solche Ungereimtheiten. Vielmehr sind wir alle völlig überzeugt, daß das Ding trotz all dieser Änderungen der Beleuchtung seine Farbe wie alle seine übrigen Eigenschaften unverändert beibehält. Nur die Farbe seiner Erscheinung hat sich verändert - die Farbe des Dinges dagegen bleibt dieselbe - sie ist eben eine Farbe von der Beschaffenheit, daß sie im helleren Licht heller, im dunklen schwarz, im Natriumlicht weiß erscheint - oder, was dasselbe mit kurzen Worten sagt: was wir mit der konstanten Farbe des Dinges meinen, ist nichts anderes als das Gesetz für die Farbe seiner Erscheinungen.

Diese einfache Tatsache übersieht z.B. RUSSELL, wenn er eine Schwierigkeit für die Gleichförmigkeit der Farbe seines Tisches darin findet, daß bei der Bewegung seines Auges über den Tisch hin die Stellen glänzender erscheinen, von denen das Licht reflektiert wird. Die vermeintliche Ungereimtheit, die sich hier findet, ist mit den vorigen Betrachtungen, wie ich hoffe, aus der Welt geschafft.

Aber auch die noch viel größere Ungereimtheit des "Idealismus", für den die Dinge nur so lange existieren, als sie wahrgenommen werden, ist mit der gewonnenen Erkenntnis überwunden. Das sinnliche Erlebnis der Gesichtswahrnehmung freilich vergeht, sobald wir unser Auge von dem Ding abwenden oder es schließen; aber darum vergeht nicht das Ding. Die alte Frage - die wahre crux philosopherum - wie wir trotz dieser Vergänglichkeit der sinnlichen Wahrnehmungen zur Erkenntnis einer Welt von bleibenden Dingen kommen, findet hier ihre einfache Erledigung. Das Bleibende ist das Gesetz der Wahrnehmungen. Oder genauer gesagt: nur soweit wir Gesetze der Wahrnehmungen vorfinden, haben wir neben und über dem ewig Veränderlichen ein bleibendes Sein gewonnen. Dieses aber ist nicht ein den Erscheinungen Fremdes, von ihnen durch eine unüberbrückbare Kluft Getrenntes; sondern es ist vielmehr gerade die Form, in die wir alle Erscheinungen in unseren Gedanken einordnen - und einordnen müssen: die Erscheinungen sind die Einzelfälle des allgemeinen Gesetzes, das wir mit dem Namen des Dinges bezeichnen.

Wer diesen einfachen Sachverhalt eingesehen hat, wird schwerlich mehr der Meinung RUSSELLs beipflichten, daß wir durch die Beschäftigung mit Philosophie uns gewöhnen müssen, vor Ungereimtheiten keine Angst mehr zu haben. Philosophie als Streben nach letzter, unerbittlicher Klarheit wird vielmehr ihre Aufgabe gerade darin erblicken müssen, daß sie alle Ungereimtheiten aus unserem Denken endgültig hinausfegt. Die schlimmsten Ungereimtheiten der "Schulphilosophie" sind mit den hier gewonnenen Einsichten in der Tat erledigt.

Um das Gesagte nicht mißzuverstehen, ist die oben bereits berührte Tatsache nicht aus dem Auge zu lassen, daß der Satz von der beständigen Existenz des Dinges im Gegensatz zu der Vergänglichkeit seiner Erscheinungen nur so lange richtig bleibt, als jeweils das gefundene Gesetz der Wahrnehmungen sich unverändert als gültig erweist - da dieses Gesetz ja eben das Ding ist. Wenn eine der Erwartungen, die sich aus diesem Gesetz ergeben, enttäuscht wird, mit anderen Worten, wenn wir bei Erfüllung der Bedingungen, die dem bisher gefundenen Gesetz entsprechen, eine andere Erscheinung vorfinden, als sie dem bisherigen Gesetz entspricht, so ist eben das Ding nicht mehr dasselbe wie vorher, es hat sich verändert. Wie wir uns in einem solchen Falle verhalten, um die von unserem Denken gesuchte Einheit unserer Vorstellungswelt von der Störung zu befreien und wiederherzustellen, davon wird später zu reden sein.

Auch die Frage nach der "Erkenntnis der Dinge an sich ist, wie hier nebenbei zur Vermeidung einer heute beginnenden irrigen Auffassung bemerkt sei, keine andere als die nach der Erkenntnis des bleibenden Seins im Gegensatz zu den vergänglichen Wahrnehmungen. Überlegungen, die den oben erwähnten von RUSSELL entsprechen, führen zur Behauptung der "Unerkennbarkeit" dieses bleibenden Seins. Die vorigen Betrachtungen aber zeigen, daß es nicht nur nicht unerkennbar ist, sondern daß wir seine Erkenntnis in Händen halten. Auch die Frage nach der "Existenz der Außenwelt" ist im wesentlichen mit jener nach der Erkenntnis der Dinge an sich gleichbedeutend. Daß sie nicht einfach abzulehnen ist, wie es CARNAP und SCHLICK tun, geht ebenfalls aus den vorigen Überlegungen hervor, die gezeigt haben, in welcher Weise die Welt der Dinge an sich in den Erlebnissen konstituiert ist.
LITERATUR - Hans Cornelius, Zur Kritik der wissenschaftlichen Grundbegriffe, in Rudolf Carnap / Hans Reichenbach (Hg), Erkenntnis 2/1931, Amsterdam 1967