cr-4tb-1F. H. JacobiHumeR. Hönigswald     
 
FRIEDRICH HEINRICH JACOBI
David Hume über den Glauben
[ 1/5 ]

    Das Gespräch
Beilage - Vom transzendentalen Idealismus

"Nicht nur alles Übersinnliche ist Erdichtung und sein Begriff an Inhalt leer; sondern eben deswegen, zuletzt auch alles Sinnliche."

"Nach meiner Überzeugung ist demnach die Frage: Ob der Mensch vom Tier der  Art  nach oder nur der  Stufe  nach, durch ein minder oder mehr  derselben  Kräfte, unterschieden sei? einerlei mit der Frage: ist die menschliche Vernunft nur über den Sinnesanschauungen strebender, auf sie allein in Wahrheit sich beziehender  Verstand  oder ein höheres, dem Menschen das an sich Wahre, Gute und Schöne positiv offenbarendes, nicht ihm bloß leere objektiv beziehungslose Bilder (Ideen) vorgaukelndes Vermögen?"

"... eine in den  Schulen  uralte Voraussetzung, daß Wahrnehmung im eigentlichen Verstand -  nicht sei;  daß der Mensch durch seine  Sinne  nur Vorstellungen erhalte, die sich auf von diesen Vorstellungen unabhängig und ansich vorhandene Gegenstände wohl  beziehen mögen,  durchaus aber nichts von dem enthalten, was den von den Vorstellungen unabhängig vorhandenen Gegenständen selbst zukommt; daß sein  Verstand  nur diese Vorstellungen reflektiere, so wie das, was  Vernunft  genannt werde, wieder nur den Verstand nur diese Vorstellungen reflektiere, so wie das, was  Vernunft  genannt werde, wieder nur den Verstand; daß mithin das Ergreifen eines Übersinnlichen oder an und in sich Wahren, ihm unmöglich sei und ewig bleiben müsse."


Vorrede
zugleich Einleitung in des Verfassers
sämtliche philosophische Schriften

Das folgende Gespräch schließt sich dem Werk über die Lehre des SPINOZA an. Es erschien im Frühjahr 1787, anderthalb Jahre nach der ersten Bekanntmachung der Briefe an MENDELSSOHN und zwei Jahre  vor  der mit ansehnlichen Zugaben vermehrten zweiten Ausgabe derselben.

Die in dem Werk über die Lehre des SPINOZA vom Verfasser aufgestellte Behauptung:  Alle menschliche Erkenntnis gehe aus von Offenbarung und Glauben,  hatte in der deutschen philosophischen Welt ein allgemeines Ärgernis erregt. Es sollte duchaus nicht wahr sein, daß es ein Wissen aus erster hand gebe, welches alles Wissen aus der zweiten (die  Wissenschaft)  erst bedinge, ein Wissen  ohne Beweise,  welches dem Wissen  aus Beweisen  notwendig vorausgehe, es begründe, es fortwährend und durchaus beherrsche.

Um jene angefochtene Behauptung zu rechtfertigen und die mir wegen derselben gemachten Vorwürfe: daß ich ein Vernunftfeind sei, ein Prediger des blinden Glaubens, ein Verächter der Wissenschaft und zumal der Philosophie, ein Schwärmer, ein Papist - in ihrer ganzen Ungereimtheit und lügenhaften Blöße darzustellen, wurde das folgende Gespräch geschrieben.

Wie es zur Zeit seiner Erscheinung, wo der Verfasser zwischen dem noch vorherrschenden System der LEIBNIZ-WOLFischen Schule (mit deren Anhängern er es vornehmlich zu tun hatte) und der mit Macht sich erhebenden  neuen  Lehre KANTs, mit seinen von beiden abweichenden Überzeugungen in der Mitte stand; wie damals dieses Gespräch in die Denkungsart der Zeitgenossen eingegriffen und als eine in philosophischer Absicht nicht unbedeutende Erscheinung sich geltend gemacht hat; so mag es auch jetzt noch, nach Maßgabe der Wahrheit die in ihm ist und seiner geschichtlichen Bedeutsamkeit, bei zwar veränderten, aber noch immer ähnlichen Verhältnissen, sich behaupten und fortwirken.

Wegen dieser geschichtlichen Bedeutsamkeit, der ich keinen Abbruch tun wollte, habe ich mir untersagt, bei der gegenwärtigen neuen Herausgabe meiner Schrift, solche Verbesserungen mit ihr vorzunehmen, die sie ihrer Zeit entrückt und als geschichtliche Urkunden verfälscht hätten.

Und warum auch sollte ich verbergen wollen, daß ich vor dreißig Jahren irren konnte, wie ich gegenwärtig nicht mehr irre? Halte ich mich denn nun etwa von allem Irrtum befreit und glaube zu dieser Stunde die Wahrheit so ergriffen zu haben, daß hinfort nichts mehr dazu noch davon zu tun sein werde, weder durch mich selbst, noch durch Andere? Toren mögen sich rühmen vor der Menge, daß sie reich seien und satt und volles Genüge haben; sie mögen dann auch überreden wollen und wirklich überreden die Einfältigen, daß sie niemals in Wahrheit irrten, sondern nur darum so vielfältig sich selbst zu widersprechen schienen, weil es unmöglich ist, daß der höhere Geist sich dem geringeren auf einmal mitteile und ganz offenbare: wir rühmen uns lieber, daß wir unsere Entfernung von einer dem Geiste genügenden Erkenntnis und Wissenschaft des Wahren, durch unser fortgesetztes ernstes Streben nach dem Gewinn dieser Wissenschaft, nur immer tiefer inne geworden sind, zugleich aber und eben damit der Wirklichkeit des Wahren und in ihm des an sich Guten und Schönen, nur immer gewisser.

Vielleicht aber hat die Schrift selbst, unabhängig von dem, was sie zu ihrer Zeit bedeutet und geleistet hat, in ihrer ursprünglichen Gestalt einen fortdauernden Wert, der durch eingreifende Veränderungen, auch wennn sie mir und manchem anderen für Verbesserungen gälten, nur verringert werden könnte. Gibt es gleich für alle nur  einen  Weg zur Philosophie, den Weg der Selbstverständigung, so ist doch eben dieser  eine  Weg für jedes reichere und tiefere Gemüt ein anderer. Der Schriftsteller, der durch langes und tiefes Denken neue Ansichten gewonnen hat, ist oft in den Augenblicken der ersten Fülle, die er ganz ungemessen und ungesichtet gibt, am lehrreichsten für die ihm ähnlichen Geister. Er versteht in der Regel sich selbst dann noch nicht  ganze;  aber eben darum können andere desto freier von ihm nehmen und sogar vielleicht besser sich nach ihm verständigen, als er später sich aus sich selbst zu verständigen imstande sein wird.

Was der Verfasser an dem Gespräch "Idealismus und Realismus", als einer früheren Arbeit, gegenwärtig auszusetzen findet, besteht darin, daß in demselben zwischen  Verstand  und  Vernunft  noch nicht mit aller Schärfe und Bestimmtheit unterschieden wird, wie in den späteren Schriften des Verfassers. So lange dies nicht geschah, blieb er im Doppelsinn des Wortes Vernunft, den er, um zu seinem Ziel zu gelangen, notwendig zuvörderst wegräumen mußte, selbst befanden und konnte seiner Grundlehre von einer über das Vermögen demonstrierender Wissenschaft sich erhebenden Kraft des Glaubens, keine rechte philosophische Haltung geben.

Es scheint auf den ersten Anblick, als könnte eine scharf bestimmte Unterscheidung zwischen Verstand und Vernunft keine Schwierigkeit haben, da wir sie ja beständig, ohne je dabei zu irren, machen, wenn wir zwischen Tier und Mensch im Allgemeinen unterscheiden. Nie hat jemand von einer tierischen  Vernunft  gesprochen; einen bloß tierischen  Verstand  aber kennen und nennen wir alle. Wir erkennen auch im bloß tierischen Verstand mancherlei Stufen. Wie hoch stellen wir nicht den Hund, das Pferd, den Elefanten über den Stier oder die Sau? Näher der Vernunft bringt aber keine dieser Stufen das Tier, sondern alle, das vollkommenere wie das unvollkommenere, entbehren sie in gleichem Maß, das ist, schlechthin und durchaus.

Warum aber kann es einen bloß tierischen  Verstand  geben, der sogar zuweilen den menschlichen Verstand zu übertreffen scheint und durchaus keine bloß tierische  Vernunft?  Eine gründliche Erörterung dieser Frage muß die Lösung des Rätsels mit sich bringen.

Das Tier vernimmt nur Sinnliches; der mit Vernunft begabte Mensch auch Übersinnliches und er nennt dasjenige, womit er das Übersinnliche vernimmt, seine  Vernunft,  wie er das, womit er sieht, sein  Auge  nennt. Das Organ der Vernehmung des Übersinnlichen fehlt dem Tier und wegen dieses Mangels ist der Begriff einer bloß tierischen Vernunft ein unmöglicher Begriff. Der Mensch besitzt dieses Organ und nur mit demselben und durch dasselbe allein ist er ein vernünftiges Wesen. Wäre das, was wir Vernunft nennen, nur das Erzeugnis eines auf Sinneserfahrung allein sich stützenden Reflexionsvermögens, so wäre alle Rede von übersinnlichen Dingen nur Geschwätz; die Vernunft als solche wäre  grundlos,  ein dichtendes Gedicht. Ist sie aber wahrhaft offenbarend, so wird durch sie ein über den tierischen erhabener, von Gott, Freiheit und Tugend, vom Wahren, Schönen und Guten  wissender,  ein  menschlicher  Verstand.

Über dem von der Vernunft erleuchteten Verstand und Willen ist im  Menschen  nichts, auch nicht die Vernunft selbst; denn das Bewußtsein der Vernunft und ihrer Offenbarungen ist nur in einem  Verstand möglich.  Mit diesem Bewußtsein wird die lebendige Seele zu einem  vernünftigen,  zu einem  menschlichen Wesen. 

 Gott  schreiben wir sowenig Vernunft zu, als wir ihm Sinnlichkeit zuschreiben. Er, der Allgenugsame, bedarf keiner Organe. Ihm ist eigentümlich das vollkommen  unabhängige in sich sein und von sich wissen;  der reine allerhöchste Verstand, der reine allmächtige Wille.

Diese Ansichten, die dem Verfasser erst in der späteren Zeit, unter den mancherlei Kämpfen um dieselben, vollkommen klar und zu bestimmten Erkenntnissen geworden sind, waren ihm damals, da er das Gesprüch über Idealismus und Realismus herausgab, noch durch den Nebel der herrschenden Vorstellungen getrübt. Mit allen ihm gleichzeitigen Philosophien nannte er Vernunft, was nicht die Vernunft ist: das über der Sinnlichkeit schwebende bloße Vermögen der Begriffe. Urteile und Schlüsse, welches unmittelbar aus sich schlechterdings nichts offenbaren kann. Was aber die Vernunft wirklich und wahrhaft ist: das Vermögen der Voraussetzung des an sich Wahren, Guten und Schönen, mit der vollen Zuversicht zur objektiven Gültigkeit dieser Voraussetzung, stellte er auf unter dem Namen Glaubenskraft, als ein Vermögen  über  der Verunft; welches zu argen Mißverständnissen Anlaß geben und ihn selbst in unüberwindliche Schwierigkeiten des Ausdrucks und der Darstellung seiner wahren Meinung überhaupt verwickeln mußte.

Ungeachtet dieses Gebrechens fand die damit behaftete Schrift Eingang; verschiedene der besseren Köpfe überzeugten sich durch eigenes weiteres Nachdenken, daß die neue Lehre, weil entfernt das Ansehen der Verunft schmälern zu wollen, nur die Wiederherstellung desselben in vollem Ausmaß zur Absicht habe.

Es war nämlich seit ARISTOTELES ein zunehmendes Bestreben in den philosophischen Schulen entstanden, die unmittelbare Erkenntnis überhaupt der mittelbaren, daß ursprünglich alles begründende  Wahrnehmungsvermögen  dem durch Abstraktion bedingten  Reflexionsvermögen,  das Urbild dem Abbild, das Wesen dem Wort, die Vernunft dem Verstand unterzuordnen, ja in diesem jene ganz untergehen und verschwinden zu lassen. Nichts sollte fortan mehr für wahr gelten, als was sich beweisen,  zweimal beweisen  ließe: wechselweise in der Anschauung und im Begriff, in der Sache und in ihrem Bild oder Wort;  und in diesem nur, dem Wort, sollte wahrhaft die Sache lieen und wirklich zu erkennen sein.  Da sich nun ein solches zweimal weisen, mit  Erhebung des letzten über das erste,  als dem Verstand angemessen, der Vernunft aber nicht angemessen zeigte: so wurde diese für untüchtig erklärt, im Reich der wahren Wissenschaft das Zepter zu führen; man übergab es dem Verstand, ließ aber dennoch, was höchst merkwürdig ist, der Venunft den königlichen Titel und den Schmuck der Krone. Für die nicht einstimmenden  Real-Rationalisten, die  Loyalisten  der echten ursprünglichen Vernunft, wurde von den Anhängern der neuen Dynastie, den bloßen  Nominal-Rationalisten, der Spottname  Gefühls-  oder  Gemüts-Philosophen  ersonnen. (1)

So ging ehemals die Macht der Merowingischen Könige allmählich in die Hände ihrer Erzhaushälter (majores domus) über. Auch diese herrschten nicht unter dem eigenen, sondern einem anderen Namen so lange, bis sie es durch fortgesetztes Übergreifen endlich dahin brachten, daß dem heiligen Vater die Gewissensfrage vorrgelegt werden durfte: wem die Königswürde eigentlich gebühre; ob dem unfähigen Kronerben oder dem fähigen wirklichen Reichsvorsteher? wo denn der Papst ZACHARIAS für den letzten entschied.

Zu einer solchen förmlichen und lauten Entscheidung kam es zwar in Absicht der Vernunft und des Verstandes nicht; das  Wort  Vernunft wurde, als königlicher Name, aus der philosophischen Sprache nicht verbannt; man behielt es bei und ließ ihm sogar äußerlich auch die Bedeutung eines  vom  Verstand verschiedenen und über ihn erhabenen Vermögens; innerlich aber verschwand diese Bedeutung, indem man den Gemütern vorhielt: die Vernunft würde wider die Vernunft sein, wenn sie sich selbst ohne weiteres (man hieß es  blindlings)  vertrauen, ein Wissen ohne Beweise (ein  grundloses,  sagte man) sich anmaßen und als unbedingte Autorität über den Verstand erhaben sein wollte.

Dieses Irrsal hat, von seinem Beginn an mit ARISTOTELES, in den nachfolgenden philosophischen Schulen sehr verschiedene Gestalten angenommen, bis auf KANT, der den PROTEUS fesselte und ihn nötigte in seiner wahren Gestalt zu erscheinen. (2)

Unbegreiflich ist der Vorwurf, welcher diesem großen Reformator seit kurzem wiederholt gemacht worden ist: er habe, durch eine von ihm zuerst versuchte Erhebung der Vernunft über den Verstand, alles in der Philosophie, das Unterste zu Oberst gekehrt und eine babylonische Sprachverwirrung in derselben verursacht. Das gerade Gegenteil ist der Wahrheit gemäß. Die babylonische Sprachverwirrung bestand vorher und hatte zur Ursache, daß man dem Verstand in  Wahrheit  die Sinnlichkeit allein zum Grunde legte, gemäß dem aristotelischen Spruch:  Nihil est in intellectu, quod non antea fuerit in sensu;  [Nichts ist im Verstand, was nicht vorher in den Sinnen war. - wp] dennoch aber eine Erkenntnis auch übersinnlicher Dinge erwerben zu können vorgab, bloß durch fortgesetztes Abstrahieren und Reflektieren und das Unterste zu Oberst kehren. Das Vermögen, auf solche Weise sinnliche Erkenntnisse, ohne weiteres Zutun, zu übersinnlichen zu steigern, nannte man  Vernunft  und behauptete, es werde kraft dieser Vernunft, mit ihr und durch sie, das Ansich-Wahre wirklich ergriffen und eine zuverlässige  Wissenschaft desselben  zustande gebracht.

KANT erschien, untersuchte das babylonische Gebäude und tat unwidersprechlich dar, daß es mit ihm auf keine Weise zu einem  Gipfel,  der das Gewölk der Sinnlichkeit durchdringe und das den Erscheinungen  Jenseitige  berühre, kommen könne. Oder ohne Gleichnis: er zeigte, "was man für Erkenntnisse des Übersinnlichen ausgebe, seien nur durch Negationen erzeugte Ideen, deren objektive Gültigkeit ewig unerweislich bleiben müsse."

Aber wie denn nun? - Mußte nicht, wenn nach KANTs Erörterungen und Beweisen eine wahrhafte und wirkliche Erkenntnis des den Erscheinungen zugrunde liegenden  An-  und  Insich Wahren  durchaus nicht zu gewinnen war, seine Lehre, gleich der aristotelischen, bei strenger Folgerung, entweder in baren Materialismus ausgehen oder auch nicht einen  Schatten  von irgendeinem Wesenhaften und Wahren für die Erkenntnis übrig lassen?

Sie mußte allerdings, tat nicht ein in der Philosophie bis dahin unbekannte Macht sich hervor, um es zu verhindern.  Der transzendentale  Idealismus erschien und vermittelte alles. Die im Verstand theoretische untergegangene Vernunft konnte nun, jenseits des Verstandes, praktisch sich wieder erheben und einen alles Wissen überwiegenden  Glauben  an das, was über den Sinnen und dem Verstand, ja über der Vernunft selbst ist, einsetzen und gebieten.

Der Fehler des kantischen Gegenmittels wider den seinen Erörterungen und Beweisen notwendig sich anhängenden Materialismus ist dessen nur zu große Kräftigkeit. Es reinigt die Sinnlichkeit in solchem Maße, daß sie, nach dieser Reinigung, die Eigenschaft eines  Wahrnehmungsvermögens  ganz verliert. Wir erfahren, daß wir durch die Sinne überall nichts Wahres erfahren; folglich auch nicht durch den Verstand, der sich  (so will es die Lehre)  auf diese Sinnlichkeit  allein  beziehen soll und ganz leer und ohne alles Geschäft sein würde, ohne den  durch sie allein  ihm gelieferten Stoff. Demnach läßt der transzendentale Idealismus oder kantische Kritizismus, durch den die wahre Wissenschaft erst möglich werden sollte, im Gegenteil die Wissenschaft in der Wissenschaft, den Verstand im Verstand, alle und jede Erkenntnis in einem allgemeinen  Ungrund  sich verlieren, als welchem keine Errettung wäre, wenn nicht die bloß scheintote Vernunft jetzt aus ihrem künstlichem Grab, es mit Gewalt durchbrechend, eigenmächtig wieder hervordränge, sich über die Welt und alles in ihr, glänzender als je zuvor, erhöbe, ausrufend mit siegender Stimme: Siehe, ich mache alles neu!

Das Gespräch über Idealismus und Realismus, welches ein Jahr früher erschien als KANTs Kritik der praktischen Vernunft, zieht nur den ersten, bloß theoretischen Teil des Systems, in Betrachtung. Diesem wirft es vor, daß er zum Nihilismus führe und zwar mit einer solchen allzerstörenden Kräftigkeit dahin führe, daß keine hintennach ersonnene Hilfe das ein für allemal Verlorene wiederbringen könne.

Daß  jede  Philosophie, welche - dem Menschen ein der  sinnlichen  Anschauung nicht bedürfendes  höheres  Wahrnehmungsvermögen absprechend - allein durch fortgesetztes Reflektieren über das sinnlich Anschaubare  und die Gesetze der Einbildung desselben in den Verstand,  sich vom Sinnlichen zum Übersinnlichen, vom Endlichen zum Unendlichen zu erheben unternimmt - daß eine  jede  solche Philosophie, also auch namentlich  die Philosophie des unsterblichen  LEIBNIZ, sich nach oben wie nach unten zuletzt in ein klares und bares Nichts der Erkenntnis verlieren muß: diese Einsicht hatte im Verfasser des Gesprächs über Idealismus und Realismus noch nicht die Deutlichkeit und Vollendung erhalten, die ihm später, nachdem er sie errungen, den Mut gab, seine ganze Philosophie auf den aus einem wissenden Nichtwissen unmittelbar hervorgehenden, in Wahrheit mit ihm  identischen  festen  Glauben  zu gründen, welcher so gewiß jedem Menschen innewohnt, als ein jeder Mensch, kraft seiner Vernunft, ein an sich Wahres, Gutes und Schönes, das kein bloßes Nicht-Nichts ist, notwendig voraussetzt und mit dieser Voraussetzung und durch sie, erst zum Menschen wird.

Wenn LEIBNIZ zum bekannten, vorhin schon angeführten aristotelischen Spruch:  Nihil est in intellectu, quod non antea fuerit in sensu  die Einschränkung:  nisi ipse intellectus  [ausgenommen der Geist selbst - wp] hinzufügt; so hilft ihm dieses zwar glücklich genug über den gröberen Materialismus und bloßen Sensualismus hinweg; mitnichten aber wirklich hinauf über die von ihm selbst aufgelöste und dem Nichts gleich gemachte Sinnenwelt, zu einem Übersinnlichen, wahrhaft Realen. Was nützt aber eine Erhebung über das Nichtige bloß in das Leere, wo uns Dichtungen statt der Erscheinungen täuschen? Eine solche ist keine wahrhafte Erhebung, sondern gleicht dem Fliegen im Traum, das nicht von der Stelle bringt. KANT zerstörte diesen Traum und erhob sich durch diese Tat über LEIBNIZ und alle seine anderen Vorgänger von ARISTOTELES an. - Er zerstörte den Traum, indem er (wir müssen es der Wichtigkeit wegen hier noch einmal wiederholen) wider den falschen, das Wachen für Träumen und das Träumen für Wachen haltenden, wirklich alles auf den Kopf stellenden, bloßen  Nominal-Rationalismus, auf das bündigste bewies, daß ein nur Begriffe bildendes,  nur über die Sinnenwelt und sich selbst reflektierendes Vermögen,  der  Verstand,  wenn er über das Gebiet der Sinnlichkeit hinaus greife, bloß ins Leere, nach seinem eigenen, sich ins Unendliche nach allen Seiten hin ausdehnenden - Schatten greifen könne. (3)

Da nun aber, dieses lehren, so viel heißt als behaupten:  "Nicht nur alles Übersinnliche sei Erdichtung und sein Begriff an Inhalt leer; sondern eben deswegen, zuletzt auch alles Sinnliche" (4) : so muß folgerecht,  diese den Menschen von aller Erkenntnis des Wahren rein abschneidende Behauptung, entweder als gültig angenommen oder es muß erkannt werden wider sie aus einem  höheren  Vermögen, welchem sich das Wahre  in  und  über  den Erscheinungen, auf eine den Sinnen und dem Verstand unbegreifliche Weise, kund tut.

Auf ein solches höheres Vermögen stützt sich denn die Kantische Philosophie auch wirklich; und nicht nur, wie es scheinen möchte, bloß am Ende, um von ihm einen unentbehrlichen, mit Gewalt sich einfügenden "Schlußstein des philosophischen Gebäudes zu gewinnen, ohne welchen es in sich zusammenfallen und in einen vom Baumeister selbst geöffneten Abgrund des Skeptizismus hinabstürzen würde;" (5) sondern auch am  Anfang,  wo jenes höhere Vermögen den Grund und Eckstein des Gebäudes wirklich legt mit der absoluten Voraussetzung eines  Dinges an sich,  welches sich weder in den Erscheinungen, noch  durch  sie, dem Erkenntnisvermögen offenbart, sondern allein mit ihnen, auf eine den Sinnen und dem Verstand unbegreifliche,  durchaus positive  oder  mystische  Weise.

Auch wird ausdrücklich schon im ersten, dem bloß theoretischen Teil der kantischen Vernunftkritik, einer "dem Menschen innewohnenden  Erkenntniskraft  gedacht, die ein weit höheres Bedürfnis fühle, als bloß Erscheinungen nach synthetischer Einheit zu buchstabieren, um sie als Erfahrung lesen zu können; daher denn die menschliche Vernunft" (welche diese Erkenntniskraft ist) "natürlicherweise sich zu  Erkenntnissen  aufschwinge, die viel weiter gehen, als daß irgendein Gegenstand, den Erfahrung geben kann, jemals mit ihnen kongruieren [übereinstimmen - wp] könne,  die aber nichts destoweniger ihre Realität haben und  keineswegs bloße Hirngespinste sind." (6)

So in Wahrheit! - Aber ebenso in Wahrheit auch, daß die kantische Lehre mit sich selbst über diesen Punkt im Widerspruch ist, da sie eben so unleugbar  implizit  der Vernunft den Verstand, als  explizit  dem Verstand die Vernunft unterordnet, wodurch dann wirklich eine Verwirrung entsteht, die man nicht ganz unpassend eine babylonische nennen kann. (7)

Wie es geschehen konnte, daß der Tiefdenker KANT auf solche Weise fehlte und mit sich uneins wurde, ohne es je selbst zu entdecken: dieses ist von mir in der Schrift  von den göttlichen Dingen und ihrer Offenbarung  auf eine den Ruhm dieses wahrhaft großen Mannes gewiß nicht schmälernde Weise gezeigt worden. Auf jene Schrift verweisend, will ich hier über die mir eigentümliche, mit KANT mich veruneinigende  qualitative  Unterscheidung zwischen Vernunft und Verstand, nur folgende Erinnerungen noch hinzufügen; nicht um Leser, welche nicht verstehen wollen, zum Verstehen zu zwingen, sondern um Anderen, welche aufrichtig wünschen nur recht und ganz zu verstehen und zugleich das Verlangen fühlen, über diesen Gegenstand insbesondere auch mit sich selbst ins Reine zu kommen, die Mühe zu erleichtern.

Vollkommen richtig bemerkt KANT in der Einleitung zur transzendentalen Logik, "daß von den beiden Eigenschaften unseres Gemüts: Sinnlichkeit und Verstand,  keine  der anderen vorzuziehen sei; weil Gedanken ohne Inhalt leer, Anschauungen ohne Begriffe aber blind sind; mithin die Vereinigung beider Tätigkeiten notwendig ist, wenn menschliche  Erkenntnis  werden soll." (8)

Ich setze hinzu:

Wie der Verstand nicht der Sinnlichkeit vorgezogen werden darf und die Sinnlichkeit nicht dem Verstand, so darf auch die Vernunft nicht dem Verstand vorgezogen werden, noch der Verstand der Vernunft.

Ohne Verstand hätten wir nichts an unseren Sinnen; es wäre keine sie in sich vereinigende Kraft, (auch dem niedrigsten  Tier  zu seinem lebendigen Dasein unentbehrlich:) das sinnliche Wesen  selbst  wäre nicht.

Ebenso hätten wir ohne Verstand auch nichts an der Vernunft: das vernünftige Wesen  selbst  wäre nicht.

Gleichwohl ist der Mensch über das bloß tierische Wesen erhaben,  einzig und allein durch die Eigenschaft der Vernunft.  Wenn wir wegsehen von dieser, die Menschengattung von der Tiergattung  wesentlich  unterscheidenden, jener  absolut  und  ausschließend  zukommenden Eigenschaft; so läßt sich die oft wiederholte Behauptung vollkommen rechtfertigen: daß der Unterschied zwischen einem Orang-Utan und einem Kalifornier oder Feuerländer viel geringer sei, als der Unterschied zwischen einem Kalifornier oder Feuerländer und einem PLATON, LEIBNIZ oder NEWTON.

Es tritt, was diese Behauptung in sich faßt, noch deutlicher hervor, wenn man sie auf folgende Weise stellt: Der Unterschied des vollkommeneren Tieres, des Elefanten z. B. oder des Bibers, vom unvollkommenen, der Auster oder dem Polypen, ist, Stufe des Daseins gegen Stufe des Daseins gehalten, auffallend größer, als der zwischen den genannten unkultivierten Menschen und den genannten vollkommeneren Tieren.

So verhält es sich in Wahrheit und der Mensch ist wirklich nur der  Stufe,  nicht der  Art  und dem  Wesen  nach vom Tier unterschieden, wenn er vor demselben weiter nichts voraus hat, als die überlegende Betrachtung; die überlegende Betrachtung nämlich nur eines und desselben mannigfaltigen Sinnenstoffes, welcher auch dem vollkommenerem Tier durch seine Sinnenwerkzeuge zugeführt wird. Der Vorzug des menschlichen Verstandes vor dem tierischen ist dann nur, wie der Vorzug eines mit einem Mikroskop oder Teleskop bewaffneten Auges, vor einem damit unbewaffneten. (9)

Nach meiner Überzeugung ist demnach die Frage: Ob der Mensch vom Tier der  Art  nach oder nur der  Stufe  nach, durch ein minder oder mehr  derselben  Kräfte, unterschieden sei? einerlei mit der Frage: ist die menschliche Vernunft nur über den Sinnesanschauungen strebender, auf sie allein in Wahrheit sich beziehender  Verstand  oder ein höheres, dem Menschen das an sich Wahre, Gute und Schöne positiv offenbarendes, nicht ihm bloß leere objektiv beziehungslose Bilder (Ideen) vorgaukelndes Vermögen?

Das Vorderste: Daß der Mensch vom Tier, daß die Vernunft vom Verstand - nicht der  Art,  sondern nur der  Stufe  nach, nicht  qualitativ,  sondern bloß  quantitativ,  unterschieden sei, ist im Grunde die Meinung aller  nicht-platonischen  Philosophen gewesen, von ARISTOTELES hin bis auf KANT, wie sehr auch ihre Lehrgebäude übrigens voneinander abweichen, ja wohl  scheinbar  bis auf den Grund einander entgegengesetzt sein mögen.

KANT in dem merkwürdigen, höchst beachtenswerten letzten Hauptstück seiner Kritik der reinen Vernunft, legt die aristotelischen  Rationalisten  und  Sensualisten  gegeneinander auf die Waage und findet sie beide an Einseitigkeit und Inkonsequenz einander gleich. Ich stimme dem dort gefällten Urteil vollkommen bei, gebe, mit KANT, dem baren ungemischten Sensualismus des EPIKUR, als  System,  den Vorzug, nicht nur vor dem gemischten Sensualismus des LOCKE, sondern auch vor dem verstümmelten und durch diese Verstümmelung mit dem Spinozismus in eins zusammenfallenden (Seine Briefe über die Lehre des Spinoza, Beilage V 1) Platonismus des LEIBNIZ. (10)

Mich scheidet von der kantischen Lehre das allein, was sie auch von sich selbst scheidet und mit sich uneins macht, nämlich, daß sie das Dasein zweier spezifisch voneinander unterschiedener Erkenntnisquellen im menschlichen Gemüt zugleich voraussetzt und bestreitet, wie vorhin gezeigt worden ist; jenes nämlich schweigend und sich selbst unbewußt; dieses ausdrücklich, offenbar und durchaus.

Offenbar und ausdrücklich geht die kantische Lehre von der Behauptung aus und behält sie bis ans Ende, sie überall bestätigend, bei: daß es außer der sinnlichen Anschauung (der empirischen und reinen) keine andere Erkenntnisquelle gebe, aus welcher der Verstand objektiv gültige, seine Erkenntnis wahrhaft erweiternde Begriffe schöpfen könne.

Der Verstand selbst, obgleich ein zweiter Erkenntnisquell  genannt,  ist in Wahrheit keiner, indem durch ihn Gegenstände nicht  gegeben  sondern nur gedacht werden. Denken heißt urteilen. Urteil aber setzt Begriff, Begriff Anschauung voraus. Man kann nicht denken, ohne zu wissen, daß etwas ist außer dem Denken, dem das Denken gemäß sein, das es  bewahrheiten  muß. Gibt es apriorische, die wirkliche Erfahrung selbst bedingende Anschauungen, so kann es auch apriorische, von der wirklichen Erfahrung unabhängige, d. h. ihr vorgreifende Begriffe und Urteile geben. Ohne alles Gegebene aber, sei es in der reinen oder der empirischen Anschauung, kann der aus dem Grundvermögen des Gemüts, der Einbildungskraft, (nach KANT, Kr. d. r. Vnft, Seite 677) entspringende Verstand sich nicht entwickeln und zu einem wirklichen Dasein gelangen. Er ist demnach durch die Sinnlichkeit  bedingt  und bezieht mit seinem Denken sich auf dieselbe  durchaus nur als Mittel  (Kr. d. r. Vnft. Seite 33).

Es kann aber der Verstand, aus Begriffen Begriffe  von Begriffen  erzeugend und so allmählich hinaufsteigend zu Ideen, leicht die Einbildung gewinnen, daß er, vermöge dieser über den Sinnesanschauungen ihm aufsteigenden  bloß logischen Phantasmen,  die Sinnenwelt und sich selbst wahrhaft zu überfliegen und mit seinem Flug eine von der Anschauung unabhängige höhere Wissenschaft, eine Wissenschaft des Übersinnlichen zu erreichen, nicht nur das Vermögen, sondern die entschiedenste Bestimmung habe.

Dieser Irrtum des Verstandes, sagt KANT, wird "durch eine Jllusion bewirkt, welche in der Beschaffenheit des menschlichen Erkenntnisvermögens dergestalt notwendig gegründet ist, daß auch die schärfste Kritik sie nicht vertilgen, sondern nur verhindern kann, daß sie nicht betrüge." (Kr. d. r. Vnft. Seite 670).

Hierauf: auf die Enthüllung eines sich selbst betrügenden  unechten,  die Wissenschaft verfälschenden Rationalismus, ist der ganze  theoretische  Teil der kantischen Philosophie gerichtet.

Von Grund aus jenen Selbstbetrug  enthüllen,  war dasselbe, als ihn von Grund aus und auf immer zu  zerstören. 

So wurde für den  echten  Rationalismus vorerst  "wenigstens ein leerer Platz gewonnen."  Dieses ist KANTs wahrhaft große Tat, sein unsterbliches Verdienst.

Der gesunde Sinn unseres Weisen aber wehrte ihm sich zu verhehlen, daß dieser leere Platz sich sogleich in einen alle Erkenntnis des Wahren in sich verschlingenden Abgrund verwandeln müßte, wenn nicht - ein Gott ins Mittel träte, um es zu verhindern. (11)

Hier begegnen sich KANTs Lehre und die meine und es scheint, als müßten sie, das sie von hier aus vorwärts ähnliche Resultate gewinnen, auch rückwärts sich zusammenfinden und zu einer und derselben Lehre vereinen können. Dieses aber ist unmöglich wegen der Unversöhnlichkeit der ersten Voraussetzungen, auf welche die eine und die andere sich gründet: die meinige nämlich auf die Voraussetzung, daß  Wahrnehmung , im strengsten Wortverstand -  sei  und daß ihre Wirklichkeit und Wahrhaftigkeit, obgleich ein unbegreifliches Wunder, dennoch schlechthin angenommen werden müsse: die kantische auf die gerade entgegengesetzte, in den  Schulen  uralte Voraussetzung, daß Wahrnehmung im eigentlichen Verstand -  nicht sei;  daß der Mensch durch seine  Sinne  nur Vorstellungen erhalte, die sich auf von diesen Vorstellungen unabhängig und ansich vorhandene Gegenstände wohl beziehen  mögen,  durchaus aber nichts von dem enthalten, was den von den Vorstellungen unabhängig vorhandenen Gegenständen selbst zukommt; daß sein  Verstand  nur diese Vorstellungen reflektiere, so wie das, was  Vernunft  genannt werde, wieder nur den Verstand; daß mithin das Ergreifen eines Übersinnlichen oder an und in sich Wahren, ihm unmöglich sei und ewig bleiben müsse.

Unter der  Voraussetzung,  daß sich die Vorstellungen der äußeren Sinne auf ein unabhängig von ihnen vorhandenes  Etwas,  Ding an sich genannt, nicht nur beziehen  mögen,  sondern unzweifelhaft beziehen, werden diese  Vorstellungen "Erscheinungen"  genannt und alsdann aus dieser  Benennung, (einzig und allein aus ihr)  die Notwendigkeit der Voraussetzung selbst gefolgert, indem es ja offenbar ungereimt sein würde von Erscheinungen zu reden, ohne anzunehmen, daß etwas sei, was da erscheine (Kr. d. r. Vnft, Vorrede Seite XXVIf). Es soll aber nicht ungereimt sein, von Erscheinungen zu reden und dabei doch zu behaupten, daß sich in ihnen und durch sie durchaus nicht von dem hinter ihnen verborgenen wirklichen Wahren und wahrhaft Wirklichen, dem Erkenntnisvermögen offenbare; nicht ungereimt, solchen nur sich selbst darstellenden Vorstellungen, diesen Durch-und-durch-Gespenstern, den Namen  Erscheinungen  beizulegen, obgleich in ihnen sich bloß das eigene, nur solche leere Gespenster erzeugende, seltsam wunderliche Gemüt in der Tat darstellt.

Und in Wahrheit kann nach KANT auch dieses Gemüt nicht einmal sich darstellen, da wir unwissend bleiben, warum wir die reinen Grundgespenster, Raum und Zeit, notwendig in uns erschaffen müssen und woher wir, um das, was wir  Erkenntnisse  nennen, hervorzubringen, gerade an zwölf Stammbegriffe und bestimmt an diese und keine anderen gebunden sind (Kr. d. r. Vnft. Seite 145f).

So führt der Weg der kantischen Lehre notwendig zu einem System absoluter Subjektivität, gefällt aber eben deswegen dem erklärenden Verstand, den man den philosophierenden nennt und der zuletzt doch nicht erklärt, sondern nur vertilgt und hat  wider  sich nur die von diesem Wege abmahnende, nicht erklärende, sondern positiv offenbarende, unbedingt entscheidende Vernunft oder den  natürlichen Vernunftglauben.  Der Weg der jakobischen Lehre, indem er zu einem System absoluter Objektivität eben so notwendig führt, mißfällt dem am Begreiflichen allein sich haltenden Verstand, (er nennt sich wohl auch die philosophierende  Vernunft)  und hat für sich nur die nicht erklärende, unmittelbar offenbarende Vernunft oder den  natürlichen  Vernunftglauben. (12)

Widerspräche die kantische Lehre dem Naturglauben als durchaus täuschend geradezu ins Angesicht, so bliebe sie, wenigsten an dieser Seite, von Widersprüchen frei und es wäre nicht wider sie zu streiten. Sie geht aber unwidersprechlich vom Naturglauben an eine unabhängig von unseren Vorstellungen vorhandene materielle Welt aus und vertilgt ihn nur hintennach durch die Lehre von der absoluten Idealität alles Räumlichen und Zeitlichen, dergestalt, daß man, wie ich mich früher ausgedrückt habe, ohne vom Naturglauben als einer festen und bleibenden Grundlage auszugehen, nicht in das System hinein, mit ihm aber darin nicht verharren und sich niederlassen kann. KANT hatte sogar späterhin am Naturglauben nicht einmal genug: "Es sei ein Skandal der Philosophie "und allgemeinen Menschenvernunft", sagt er, "das Dasein der Dinge außer uns, - on denen wir doch den ganzen Stoff zu Erkenntnissen selbst für unseren inneren Sinn (dem wir das Ich verdanken) her haben - bloß auf Glauben annehmen zu müssen und wenn es jemand einfiele es zu bezweifeln, ihm keinen genugtuenden Beweis entgegenstellen zu können." (13) Um diesen Schaden der Philosophie zu heilen, erfand er eine Demonstration, welche, wunderbar genug! die früheren unvollständigen oder halben Idealismen des CARTESIUS, MALEBRANCHE und BERKELEY, durch einen ganzen und vollständigen, den kantischen  Universal-Idealismus  widerlegte. Es sollte aber dieser vollständige, die Geister- und Körperwelt in gleichem Maße verflüchtigende Universal-Idealismus, schon seit den  Prolegomenen  durchaus nicht mehr  Idealismus  heißen, sondern - kritische Philosophie. (14)

Alle Idealismus überhaupt liegt das Argument zugrunde, daß die Materie unserer Vorstellungen nur  Empfindung,  eine Modifikation unseres Selbstes sein könne, da es ja unmöglich sei, daß außer uns für sich bestehende Gegenstände durch Auge, Ohr und betastende Hand in die Seele, wie Geräte in ein Zimmer, einziehen oder daß ihre Eigenschaften in unser Vorstellungsvermögen hinüber wandern sollten. Wir werden also -  angenommen,  daß unseren Vorstellungen wirklich Gegenstände außer der Vorstellung korrespondieren - von diesen bloß affiziert, ohne mit solche Affektionen und durch sie irgendeine Erkenntnis von dem zu erhalten, was die Gegenstände an sich selbst sein mögen.

Der kantische Idealismus nimmt den Vorstellungen korrespondierenden Gegenstände schlechthin an und will deswegen Nicht-Idealismus sein; denn, sagt er, der Idealismus besteht in der Behauptung, daß es keine andere, als denkende Wesen gibt und daß die übrigen Dinge, die wir in der Anschauung wahrzunehmen glauben, nur Vorstellungen  in  den denkenden Wesen (Einbildungen) sind, denen in der Tat kein außerhalb diese (den denkenden Wesen) befindlicher Gegenstand korrespondiert. (15) Dergleichen fährt er fort, wird keineswegs von mir (dem transzendentalen Nicht-Idealismus) behauptet, sondern das gerade entgegengesetzte, nämlich, daß ohne  Du  das  Ich  unmöglich sei. (16) - "Indem ich beweise, daß selbst die innere Erfahrung des  Ich bin,  nur unter Voraussetzung äußerer Erfahrung möglich ist, vergelte ich dem Idealismus das Spiel, welches er treibt,  umgekehrt mit mehrerem Recht".  (Kr. d. r. Vnft. Seite 274f und Seite 519)

Wohl! Aber was ist nun in der Tat gewonnenmit dieser Umkehrung des Spiels, durch welche dem Cartesianischen  Cogito ergo sum,  nur ein gleich beschaffenes  Cogito ergo es,  [Ich denke, also bis du /wp] gegenüber zu stehen kommt? Nichts in Wahrheit, als was vorhin schon angezeigt wurde und wir gern noch einmal hier wiederholen, nämlich: An die Stelle der bisherigen halben und darum inkonsequenten Idealismen, ein vollständiger und darum durchaus konsequenter, beide Welten umfassender Universal-Idealismus.

Doch was vor allem hier befremden muß, ist die Behauptung selbst, daß es ein Skandal der Philosophie und allgemeinen Menschenvernunft sein würde, wenn es keinen Beweis für das Dasein unseren sinnlichen Anschauungen korrespondierenden, außer dem Vorstellungsvermögen und von ihm unabhängig vorhandenen Gegenstände geben sollte; da es doch kein Skandal der Philosophie und allgemeinen Menschenvernunft ist oder sein soll - nach demselben Kritizismus - daß wir uns unvermögend bekennen müssen, die Realität der Gegenstände der Vernunftbegriffe oder die objektive Gültigkeit der  Ideen:  Gottes Dasein, Freiheit, Substantialität und Unsterblichkeit des eigenen Geistes wissenschaftlich wahr zu machen oder zu  beweisen.  Also kein Skandal der Philosophie und allgemeinen Menschenvernunft jenes offene Bekenntnis eines Unvermögens, von dessen Erkenntnis die Überzeugung unabtrennlich ist: Philosophie, als eine über das Nichtige der Sinnenwelt wirklich und wahrhaft hinausführende Wissenschaft, sei unmöglich; also gerade diejenige Wissenschaft, für welche, nach der eigenen mannigfaltig wiederholten Aussage des Kritizismus, wenn sie zu erobern wäre, alle andere Wissenschaften freudig hingegeben werden müßten, indem sie alle ja nur weissagen von dieser, als die da kommen soll, "um uns die Grundlage zu uneren größtesten Erwartungen und Aussichten auf die letzten Zwecke,  in welchen alle Vernunftbemühungen sich endlich vereinigen müssen,  zu verschaffen" (Kr. d. r. Vnft. Seite 491); eine Wissenschaft - um zuletzt in Einem alles zusammen zu fassen - welche nicht aufgegeben werden kann, ohne daß die Vernunft, als überwiesen, daß sie nicht wahrhaft offenbarend, sondern nur betörend, ein der Wissenschaft ewig bloß leere Gaukeleien in den Weg stellendes, den Verstand rastlos äffendes und neckendes Vermögen sei, mit aufgegeben werden.

Der Kritizismus begegnet dem Ärgernis und läßt das Befremden nicht entstehen, indem er den Mangel des Beweises für die objektive Gültigkeit der Ideen, den der theoretische Teil des Systems in das helleste Licht stellt, im praktischen ersetzt durch einen Glauben, der kein  bloßer,  sondern ein  Vernunftglaube  ist und als solcher mit vollem Recht über alles Wissen des (nach dem Kritizismus) nur auf Sinneserfahrung sich beziehenden Verstandes sich erhebt. Diese Erhebung aber mit vollem Recht des Glaubens über das Wissen und zwar über ein ihm geradezu widersprechendes gewisses Wissen, würde unmöglich sein, wenn nicht mittels des transzendentalen Idealismus alles Wissen, als ein  wahres objektives Wissen,  im voraus schon wäre aufgehoben worden. Demnach ist das wahre Verhalten der Sache dieses: Der Kritizismus untergräbt zuerst, der Wissenschaft zuliebe, theoretisch die Metaphysik; dann - weil nun alles einsinken will in den weit geöffneten bodenlosen Abgrund einer absoluten Subjektivität - wieder, der Metaphysik zuliebe, praktisch die Wissenschaft.

Ihrem Geist nach aber ist die Glaubenslehre, welche KANT an die Stelle der von ihm zerstörten bisherigen Metaphysiken treten läßt, eben so wahr als sie erhaben ist. Es sind Triebe im Menschen und es ist in ihm ein Gesetz, welche unablässig ihm gebieten,  sich mächtiger zu beweisen, als die ihn umgebende und ihn durchdringende Natur.  Es muß demnach ein Funken von Allmacht, als das Leben seines Lebens in ihm glühen; oder Lüge ist die Wurzel seines Wesens. Sich selbst erkennend, müßte er im letzteren Fall, in sich selbst, verzweifelnd untergehen. Ist aber Wahrheit in ihm, dann auch Freiheit und es quillt ihm aus seinem  Wollen  das wahrhafteste  Wissen.  Sein Gewissen offenbaret ihm, daß nicht eine, nach Gesetzen eiserner Notwendigkeit ewig nur sich selbst umwandelnde, Natur das Allmächtige sei, sondern daß über der Natur ein Allmächtiger sei, dessen Nachgebild der Mensch ist.

Auf Gott schauend schaffet der Mensch in sich ein reines Herz und einen gewissen Geist; außer sich Gutes und Schönes:  schaffende  Freiheit ist also kein erdichteter Begriff; ihr Begriff ist der einer  Vorsehungs-  und Wunderkraft, wie der Mensch solche in seiner vernünftigen Persönlichkeit durch sich selbst inne wird: wie solche überschwänglich sein muß in Gott, wenn die Natur von ihm und nicht er von der Natur ausgegangen ist; ein Nachtgebild der Phantasie, das der Tag der Wissenschaft zerstreut.

Allmacht ohne Vorsehung ist blindes Schicksal und Freiheit und Vorsehung sind von einander unzertrennlich; denn was wäre Freiheit ohne Wissen und Wollen und was Wille, dem die Tat vorherginge oder welcher nur die Tat begleitete?

Obgleich nun ein unüberwindliches Gefühl - das Zeugnis der Wahrnehmung durch Vernunft - uns nötigt, Freiheit und Vorsehung dem Menschen beizumessen, vermeiden wir dennoch schwer, sie in der Reflexion ihm später wieder abzusprechen, ja sie überall zu leugnen. Beide sind nämlich dem Verstand durchaus unbegreiflich, scheinen sonach unmöglich. Begreiflich ist nur ein Vorhersehen aus Erfahrung, nicht wesentlich verschieden von einer auch bei Tieren anzutreffenden Erwartung ähnlicher Fälle, keine  Vorsehung im eigentlichen Verstand.  Begreiflich ist nur eine Freiheit, welche das Weltgesetz der Kausalverknüpfung  über  sich hat, eine mechanisch nachbildende, einem allgemeinen  (gleichviel ob dynamischen oder atomistischen)  Triebwerk folgende Tätigkeit, keine selbst und mit  Absicht  hervorbringende,  ursprünglich Werke und Taten beginnende,  sonach einzige des Namens würdige, Freiheit.

Die Annahme einer wirklichen und wahrhaften Vorsehung und Freiheit, nicht nur im höchsten, sondern in jedem vernünftigen Wesen und die Behauptung, daß diese zwei Eigenschaften sich einander gegenseitig voraussetzen, ist das, was meine Philosophie von allen anderen, seit ARISTOTELES bis auf diesen Tag entstandenen, Philosophen unterscheidet.

Was ich zur Rechtfertigung der philosophischen Anerkennung des Wunders der Vorsehung und Freiheit in meinen verschiedenen Schriften vorgetragen habe, ist von keinem meiner anders gesinnten Zeitgenossen einer förmlichen Erörterung und Prüfung gewürdigt worden; denn alle urteilten wohl in ihrem Herzen, die von mir bezeichnete Freiheit sei nichts, als das leidige Ungefähr; die absolute Zufälligkeit: und wer freilich dieses offenbare Unding zum Grund der Philosophie macht, würde nicht nur keine Aufmerksamkeit verdienen, sondern mit Recht verspottet werden. Daß ihnen selbst aber, den auf solche Weise Urteilenden, nichts übrig bleibe zum Begründen, als eine blinde Notwendigkeit, das Unding eines unendlichen Naturmechanismus, wollten sie nicht erkennen, wenigstens nicht gestehen.

So stand die Sache vor dreißig Jahren; so steht sie noch. Man will weder mit mir eine wunderkräftige Wirksamkeit mit Vorsehung (was ich Freiheit nenne) als ein Oberstes und Erstes, als das absolut beginnende, annehmen, noch mit SPINOZA und anderen Philosophen nach und vor ihm sich zum Fatalismus ausdrücklich und durchaus folgerecht bekennen. (17) Jenes nicht, weil der auf den Grundsatz der Kausalverknüpfung sich durchaus stützende Verstand im Entgegengesetzten des Notwendigen nur ein wüstes Ungefähr erblicken kann; dieses nicht, weil der Satz: "Alles was geschehe und getan werde, geschehe und werde getan nach einer allgemeinen Notwendigkeit der Natur", das Gewissen und alle menschlichen Gefühle wider sich hat, indem mit ihm alle Zurechnung und Beimessung von Taten und Werken, so wie die Persönlichkeit selbst, zu nichts werden. (18)

Ich weiß, welche sonderbare Hilfe in dieser Not man hie und da ergreift. Man läßt die Vernunft  ursprünglich  blind sein und nennt sie in diesem Zustand die  absolute;  identifiziert sie dann mit der Notwendigkeit, so daß diese nun als eine  insgeheim  vernünftige sich darstellt und schafft so flugs das anstößige blinde  Schicksal,  die  vernunftlose  Notwendigkeit aus dem Weg.

"Sind", spricht man, "wie jeder eingesteht und alle Sprachen bezeugen, die Begriffe des Vernünftigen und Notwendigen gleichbedeutende Begriffe, ist jenes nur die Abspiegelung, die in der Reflexion hervorgehende Vorstellung von diesem: so können die Begriffe des Notwendigen und Freyen unmöglich entgegengesetzte, sich wechselseitig aufhebende Begriffe sein. Offenbar fallen dann die Begriffe des Freien, des Vernunftgemäßen und des Notwendigen in einem Begriff des Unbedingten oder der ewigen Wesenheit der Dinge und der ewigen Urkraft in dieser Wesenheit zusammen; das Freie schwebt dann nicht mehr, wie so viele kindisch geträumt haben und wohl hie und da noch träumen, als Schöpfer  über  der Natur, sondern es liegt als das allein wahre Sein ihr nur zugrunde."

Ich will nicht fragen: wie aus diesem Freyen, das, wie sie sagen, nicht als Schöpfer  über  der Natur schwebt, sondern als das allein wahre, das unbedingte Sein ihr nur zugrunde liegt und das mit der ewigen Wesenheit der Dinge und mit der ewigen Urkraft in dieser Wesenheit eines und dasselbe ist, so wie auch eines und dasselbe mit der Vernunft, aber nur der  absoluten,  die wieder eines und dasselbe ist mit der Notwendigkeit, beide blind, aber diese jene leitend und ihr vorangehend unfehlbaren Trittes beim großen Werk der Entwicklung des Dinges aus dem Unding - ich will nicht fragen: wie aus diesem Freyen irgendetwas denkbar hervorgehen oder sich entwickeln möge, da ihm dem unwandelbaren Ewigen, das Erzeugen ebenso entschieden widerspricht, als das Erzeugtworden sein? - sondern bemerken will ich nur das Eine: daß nach dieser Lehre die  Macht  offenbar das ursprünglich Beginnende ist; eine Macht, über welcher keine andere ist, welcher also auch Erkenntnist, Weisheit und Güte, (selbst angenommen, daß sie als  Keime  in ihrem Grund, der  Allwesenheit,  verschlossen wären,) wenigstens nicht  vorwalten  und sie  leiten  können. Eine Macht aber, über welcher keine andere ist und der nicht Erkenntnis, Weisheit und Güte regierend vorwalten, ist blindes Schicksal und wird auf keine Weise dadurch, daß man sie mit dem Wortschall einer  absoluten Vernunft und Freiheit  zu- oder vorbenamt, zu einem wahrhaft vernünftigen, mit Freiheit waltenden Wesen; das heißt:  es wird dadurch nicht das Schicksal zu einem Gott. 

Der Gegensatz zum Schicksal, das Gott zu einem  wahren  Gott macht, heißt  Vorsehung.  Nur wo  sie ist,  da ist Vernunft und wo Vernunft ist, da ist auch  sie.  Sie selbst ist der Geist und nur dem, was des  Geistes  ist, entsprechen die sein Dasein verkündenden Gefühle der  Bewunderung,  der  Ehrfurcht,  der  Liebe.  Wohl können wir von einem Gegenstand urteilen, daß er schön sei oder vollkommen, ohne vorher zu wissen, wie er so wurde, ob mit oder ohne Vorsehung; aber die Macht, die ihn werden ließ, können wir nicht bewundern, wenn sie gedankenlos, ohne Absicht und Vorsatz, nach Gesetzen einer bloßen Naturnotwendigkeit ihn hervorbrachte. Selbst die Herrlichkeit und Majestät des Himmels, die den noch kindlichen Menschen anbetend auf die Knie wirft, überwältigt nicht mehr das Gemüt des Kenners der Mechanik, welche diese Körper bewegt, in ihren Bewegungen erhält, ja sie selbst auch bildete. Nicht vor dem Gegenstand erstaunt er mehr, ist dieser gleich unendlich, sondern allein vor dem menschlichen Verstand, der in einem KOPERNIKUS, GASSENDI, KEPLER, NEWTON und LAPLACE, über den Gegenstand sich zu erheben, durch Wissenschaft dem Wunder ein Ende zu machen, den Himmel seiner Götter zu berauben, das Weltall zu entzaubern vermochte. (19)

Aber auch diese Bewunderung, die alleinige des menschlichen Erkenntnisvermögens, würde verschwinden, wenn es einem künftigen HARTLEY, DARWIN, CONDILLAC oder BONNET wirklich gelänge, uns eine Mechanik des menschlichen Geistes vor Augen zu legen, die ebenso allumfassend, begreiflich, einleuchtend wäre, als die newtonsche des Himmels. Wir würden dann weder Kunst noch hohe Wissenschaft, noch irgend eine Tugend mehr wahrhaft und besonnen ehren, sie erhaben finden, mit Anbetung sie betrachten können.

Ästhetisch zu rühren und selbst ein bis zum Entzücken gehendes Wohlgefallen im Gemüt zu erregen, würden zwar auch dann noch die Taten und Werke der Heroen des menschlichen Geschlechts - das Leben eines SOKRATES und EPAMINONDAS, die Wissenschaft eines PLATON und LEIBNIZ, die dichterischen und plastischen Darstellungen eines HOMER, SOPHOKLES und PHIDIAS - vermögen; ebenso, wie auch den ausgelerntesten Schüler eines NEWTON oder LAPLACE der sinnliche Anblick des Sternhimmels noch zu rühren und sein Gemüt erfreulich zu bewegen imstande ist; nur dürfte alsdann nach dem Grund einer solchen Rührung nicht gefragt werden, denn die Besinnung antwortete unfehlbar: du wirst kindisch nur betört, behalte einmal, daß Bewunderung überall nur der Unwissenheit Tochter ist.

Nicht eine, alle Wunder vertilgende, Wissenschaft, sondern ein neben der Wissenschaft bestehender, ihr unüberwindlicher Glaube an ein Wesen, welches  nur  Wunder tun kann und auch den Menschen wunderkräftig schuf; der Glaube an Gott, Freiheit, Tugend und Unsterblichkeit, ist das Kleinod unseres Geschlechts; er ist das unterscheidende Merkmal der Menschheit; er ist, dürfte man sagen, die vernünftige Seele selbst und deswegen nicht nur älter, als alle von Menschen erfundene Systeme und gelehrte Künste, sondern auch, als eine Kraft unmittelbar aus Gott, über sie alle wesentlich erhaben. Glaube ist die Abschattung des göttlichen Wissens und Wollens im endlichen Geist des Menschen. Könnten wir diesen Glauben in ein Wissen verwandeln, so würde in Erfüllung gehen, was die Schlange im Paradies der lüsternen Eva verhieß: wir würden sein wie Gott.

In dem Zustand eines noch unausgebildeten Verstandes, worin oft ganze Völkerschaften lange beharren, zeigen sich Wissen und Glauben, die Zuversicht zu dem, was man sieht und die noch festere und innigere zu dem, was man nicht sieht, dergestalt vermischt, daß sich aus diesem Zustand der Vermischung alle die befremdenden Erscheinungen in der Geschichte der Menschheit: der rohe und verfeinerte Fetischismus, der Tier- und Gestirndienst, die unzähligen Gattungen der Idololatrie [Bilderverehrung - wp] und des Aberglaubens, die Menge ungereimter und widersprechender Systeme - sattsam erklären lassen. Das vernunftlose Tier, unfähig der Religion, ist auch unfähig des Aberglaubens und des Götzendienstes.

So, wie sich im menschlichen Bewußtsein die Wahrnehmungen des Sinnlichen von den  Vernehmungen  des Übersinnlichen mit  Klarheit  zu unterscheiden anfangen, so beginnt  Philosophie.  Dunkel geschieht diese Unterscheidung auch schon beim Kind, das, noch in der Wiege, schon lallend Rede versucht und wie die Mütter sprechen, mit den Engeln lächelt; aber Jahrhunderte verfließen, ehe ein ANAXAGORAS erscheint, welcher dem in seiner wissenschaftlichen Entwicklung so lange der Natur allein zugewandt gebliebenen Verstand den Weg einer höheren Entwicklung öffnet, den Weg der Erkenntnis eines über der Natur waltenden Geistes, einer  schaffenden Intelligenz. 

Die der Natur allein zugewandte Wissenschaft vermag wohl aus bloß eigenen Mitteln den Aberglauben, welcher Afterglaube [Irrglaube - wp] ist, allmählich zu vertilgen; sie vermag aber nicht zu hindern, daß mit dem Aberglauben auch der echte Glaube sich verliere. (20) Dennoch gibt sich dieser nicht verloren, sondern richtet neben der Wissenschaft und ihr im Angesicht, sich nur höher auf; es entsteht eine über die Naturlehre sich erhebende, den Naturbegriff durch den Freiheitsbegriff  einschränkende,  eben damit aber den Verstand wahrhaft erweiternde Lehre:  Philosophie in Platons Sinne. 

Wie jedes andere System von Erkenntnissen, so erhält auch die Philosophie ihre  Form  allein vom Verstand, als dem Vermögen überhaupt der Begriffe. Ohne Begriffe ist kein Wiederbewußtsein, kein Bewußtsein von  Erkenntnissen,  folglich auch keine Unterscheidung und Vergleichung, Trennung und Verknüpfung, kein Wägen, Erwägen und Würdigen derselben - mit einem Wort - keine wirkliche  Besitzergreifung  von irgendeiner Wahrheit möglich. Den  Inhalt  hingegen der Philosophie, den ihr eigentümlichen, gibt allein die Vernunft, "das Vermögen nämlich einer von der Sinnlichkeit unabhängigen, ihr unerreichbaren Erkenntnis." (21) Die Vernunft schafft keine Begriffe, erbaut keine Systeme, urteilt auch nicht, sondern ist,  gleich den äußeren Sinnen,  bloß offenbaren, positiv verkündend.

Dies ist vor allem anderen festzuhalten: Wie es eine sinnliche Anschauung gibt, eine  Anschauung durch den Sinn,  so gibt es auch eine rationale Anschauung durch die  Vernunft.  Beide stehen als eigentliche Erkenntnisquellen einander gegenüber und es läßt sich ebensowenig die letztere aus der ersteren, als die erstere aus der letzteren ableiten Ebenso stehen beide zum Verstand und insofern auch zur Demonstration, in gleichem Verhältnis. Der  sinnlichen Anschauung  entgegen gilt keine Demonstration, indem alles Demonstrieren nur ein Zurückführen des Begriffs auf die ihn bewährende (empirische oder reine)  sinnliche Anschauung  ist: diese ist in Beziehung auf Naturerkenntnis das Erste und Letzte, das unbedingt Geltende, das Absolute. Aus demselben Grund gilt auch keine Demonstration wider die  rationale  oder  Vernunftanschauung,  die uns der Natur jenseitige Gegenstände zu erkennen gibt, d. h. ihre Wirklichkeit und Wahrheit uns gewiß macht.

Wir müssen den Ausdruck  Vernunft-Anschauung  gebrauchen, weil die Sprache keinen anderen besitzt, um die Art und Weise anzudeuten, wie dem Verstand das den Sinnen Unerreichbare in überschwänglichen  Gefühlen  allein und doch als ein wahrhaft Objektives - das er keineswegs bloß erdachte - zu erkennen geben wird.

Wenn jemand spricht, er wisse, so fragen wir mit Recht, woher er wisse? Unvermeidlich muß er dann am Ende auf eins von diesen beiden sich berufen: entweder auf Sinnes- Empfindung  oder auf Geistes -Gefühl.  Von dem, was wir aus Geistes-Gefühl wissen, sagen wir, daß wir es  glauben.  So reden wir alle. An Tugend, mithin an Freiheit, mithin an Geist und Gott, kann nur  geglaubt  werden. Die Empfindung aber, die das Wissen in der sinnlichen Anschauung (genannt das  eigentliche  Wissen) begründet, ist so wenig über dem Gefühl, welches das  Wissen im Glauben  begründet, als die Tiergattung über der Menschengattung, die materielle Welt über der intellektuellen, die Natur über ihrem Urheber ist. (22)

­ Und so gestehen wir denn ohne Scheu, daß unsere Philosophie vom Gefühl, dem  objektiven  nämlich und  reinen,  ausgeht; daß sie keine Autorität für eine allerhöchste anerkennt und sich, als Lehre vom Übersinnlichen, auf diese Autorität allein gründet.

Das Vermögen der Gefühle, behaupten wir, ist im Menschen das über alle andere erhabene Vermögen; dasjenige, welches allein ihn vom Tier spezifisch unterscheidet, ihn der Art, nicht bloß der Stufe nach, d. i.  unvergleichbar  über dasselbe erhebt; es ist, behaupten wir, mit der Vernunft eines und dasselbe; oder wie man auch mit Fug sich ausdrücken könnte: Es geht uns das, was wir Vernunft nennen und über den  bloßen,  der Natur allein zugewandten Verstand erheben, aus dem Vermögen der Gefühle einzig und allein hervor. Wie die Sinne dem Verstand in der Empfindung weisen, so weist ihn die Vernunft im Gefühl. Die Vorstellungen des im Gefühl allein Gewiesenen, nennen wir  Ideen. 

Verstand, in einem gewissen Maß, besitzen auch die Tiere und müssen alle lebendigen Wesen besitzen, weil sie ohne verknüpfendes Bewußtsein, welches die  Wurzel  des Verstandes ist, keine lebendigen Individuen sein können; des mit der Vernunft identischen Vermögens der Gefühle aber, des unkörperlichen Organs für die Wahrnehmungen des Übersinnlichen, entbehren sie durchaus.

Wenn wir von einem Menschen sagen, er sei ohne alles Gefühl; so setzen wir ihn damit nicht bloß dem Tier  gleich,  sondern stoßen ihn noch unter dasselbe tief hinab, indem wir annehmen müssen, er habe, da er, als Mensch, von Natur damit begabt gewesen, es nur freiwillig von sich tun können. Deswegen können wir Tiere, obgleich der Erkenntnis des Guten, des Wahren und Schönen durchaus unfähig, dennoch lieben und mit ihnen wirklich in eine Art von freundschaftlichem Verhältnis treten; den Menschen aber, jener Erkenntnis nicht unfähig, sondern ihr  widernatürlich  nur entfremdet, betrachten wir, entweder als eine ekelhafte Mißgeburt, nur mit Grauen oder als ein satanisches Wesen, nur mit Entsetzen und Abscheu.

Also noch einmal: das Vermögen oder Unvermögen der Gefühle unterscheidet zwischen Tier und Mensch. Wo Vernunft nicht ist, da sind auch keine objektiven, etwas außer ihnen selbst dem Bewußtsein unmittelbar darstellenden Gefühle; wo solche Gefühle sind, da ist unfehlbar auch Vernunft; da offenbaren sich und treten tätig hervor Freiheit, Tugend, Gotteserkenntnis, Weisheit und Kunst.

Es erheben und vereinigen sich aber wider die Lehre von den Vernunftanschauungen oder den reinen Gefühlen und ihrer Objektivität, alle diejenigen, die ein für allemal nichts wissen wollen von einem  gewissen Geist,  der  unmittelbar  in alle Wahrheit leite, sondern nur von einem  gewissen Buchstaben  ohne welchen der Geist überall nichts nützte sei und der, in seiner Vollkommenheit, den Geist sogar entbehrlich mache oder den eigentlichen  allein gewissen  Geist erst erzeuge und dann auch eingebe. Diesen Buchstaben nennen sie die  Wissenschaft. 

Was Ihr den  gewissen  Geist nennt, sprechen zu uns diese Männer, ist der  ungewisse,  ein Irrlicht, ein Verführer. Prüft die Geister! das heißt, versucht sie am Buchstaben, ob sie diesen annehmen, vollkommen in ihn eingehen mögen; traut keinem, der bei dieser Probe zurückweicht und - anstatt leibhaftig zu erscheinen - sich davon macht. Laßt ihn fahren, sagt ihm ab und trachtet nur immer eifriger dem  Wesen  nach, das allein im  Wort,  dem Wort nach, das allein durch den  Buchstaben,  von ihm und mit ihm ist.

Nicht durchaus verwerflich ist die Rede dieser Männer und wir müssen billig das Wahre in ihr vom Unwahren scheiden. "Ohne Wort keine Vernunft - keine Welt." -  Am Anfang war das Wort,  verkündet eine heilige Stimme; doch nicht abbrechend mit dieser Verkündigung, sondern also fortfahrend: Und das Wort war bei Gott und Gott war das Wort. Darin nun irren die Männer, die eben wider uns geredet haben, daß sie den Vater erzeugt werden lassen vom Sohn, das Wort vom Buchstaben, da es ja, meinen sie, offenbar aus Buchstaben nur zusammengesetzt, diese mithin vor ihm gewesen sein müssen. Das also erschaffene Wort erzeugt ihnen dann erst den Verstand, dieser hierauf, zuletzt und am Ende, die Vernunft. So kehrt sich alles um. Es gibt keinen Geist mehr, der in ihm selbst wäre, sondern nur Seelen von Leibern oder lebendige körperliche Wesen und wie der Leib, so nur jedesmal und überall die Seele.

Dieses verkehrte Einbilden kann der Verstand, wenn er mehr nicht ist und sein will als ein Reflexionsvermögen sinnlicher Anschauungen, ein Vermögen des Absonderns und Wiedervereinigens in Begriffen, Urteilen und Schlüssen, gestellt auf jenen einzigen Grund, nicht abwehren; denn die ihn selbst erzeugende Reflexion ist ihrem Wesen nach umkehrend. In der Reflexion oder dem Verstand erscheinen vor den einzelnen Wesen, als sie erzeugen, die Arten, vor den Arten die Gattungen; in der Reflexion geht überhaupt alles Besondere hervor aus dem Schoß eines schöpferischen Allgemeinen, so daß durchaus die Wirklichkeit, das Reale selbst, nur als hinzukommende Eigenschaft dem Ding folgt, ein  Complementum possibilitatis,  [Ergänzung der Möglichkeit - wp] ein inhaltloser Begriff, ein leeres Wort. Deswegen hat der der Sinnenwelt allein zugekehrte Verstand sich selbst als das Vermögen definiert,  das Besondere im Allgemeinen zu erkennen  durch -  Begriffe  und nimmt, diese Krone sich aufsetzend, den Zunamen  Vernunft  an. Immer weitere Begriffe bildend gewinnt diese Vernunft zuletzt den unendlich weiten eines All-Einen, den Ungedanken eines durchaus unbestimmten, zugleich einfachen und zwiefachen - unendlichen  Wesens:  einerseits nämlich einer durchaus unbestimmten unendlichen Materie, aus der sich eine Unendlichkeit endlicher bestimmter materieller Wesen, alle Körper mit ihren verschiedenen Eigenschaften physisch entwickeln; und andrerseits eines durchaus unbestimmten unendlichen, in seiner Unendlichkeit von sich nicht wissenden Denkens, aus welchem die Seelen zu den Leibern hervorgehen, jede zu jedem notwendig sich gesellend.  Notwendig,  weil die unendliche Materie und der unendliche Geist miteinander nur ein und dasselbe Wesen ausmachen. Jede aus dem Wesen aller Wesen - dieses  Systems  (der absoluten Identität des Seins und Bewußtseins) entsprungene Seele, ist und kann nur sein der  unmittelbare  Begriff oder das  Leben  eines Leibes, mit ihm entstehend, sich entwickelnd und vergehend - doch nicht so vergehend, daß nicht von ihnen auch gesagt werden könnte, sie seien beide in gleichem Maße und Verhältnis, obgleich sterblich, doch unvergänglich: oder auch - obgleich vergänglich - doch unsterblich: denn in dem, die Identität des Seins und des Nichtseins, der absoluten Ruhe und der absoluten Bewegung darstellenden,  All-Einen,  ist weder ein gestern, noch heute noch morgen, sondern alles in ihm ist gleich ewig, wie  a parte ante,  so  a parte post.  [von Anfang bis Ende - wp]

Der Anfang dieser Lehre der All-Einheit ist, nach PLATON, daß man, ausgehend vom Sichtbaren und Tastbaren, dem  Körperlichen,  dieses zugrunde legend als das allein wahrhaft Seiende, bei weiterem Forschen auf die Entdeckung trifft: das mittels der Sinne wahrnehmbare Körperlich sei das Seiende  nicht,  sondern alles sei nur Bewegung  und anderes außerdem nichts.  Dies nun, läßt PLATON den SOKRATES im Theatetos sagen, ist gar keine schlechte Rede: "daß nämlich gar nichts (durch die äußeren Sinne wahrnehmbares) an und für sich ein bestimmtes ist und daß du keinem Ding mit Recht auch nicht eine einzige Eigenschaft beilegen kannst, vielmehr wenn du etwas groß nennst, wird es sich doch auch klein zeigen und wenn schwer, auch leicht und so gleicher Weise in allem, daß eben nichts  Eins  ist, noch ein Bestimmtes, noch von einer gewissen Beschaffenheit; sondern immer nur  wird  es. Und hierüber sind nacheinander alle Weisen, den PARMENIDES aus genommen, PROTAGORAS sowohl als HERAKLEITOS und EMPEDOKLES übereingekommen mit den Dichtern, welche die Anführer sind von beiden Arten der Dichtkunst, mit dem EPICHARMUS, dem der komischen und mit dem der tragischen, HOMEROS, welcher, wenn er sagt, "daß ich den Vater OKEANOS schau und THETIS die Mutter," (23) andeuten will, daß  alles  entsprungen ist aus dem Fluß und der Bewegung." (24)

Es ist aber, zeigt PLATON oder der platonische SOKRATES, mit dieser Besserung jener rohen Lehre vom Sein, daß es nur dem Körperlichen eigne, am Ende nichts gebesser; denn so, wie dort alles in das Körperliche, als das allein wahre Sein, hineingezogen wurde, so wird nun hier alles hineingezogen in ein bewegliches Werden, welches das Sein überall ausstößt und nichts als eine Rede davon übrig läßt, aber eine trügliche und falsche, die in Wahrheit auch nicht einmal bloß  geredet  werden kann. Denn es fließen diesen Fließenden, wie alles andere, auch die  Worte,  die Haupt- oder Nennworte nämlich, davon; sie behalten nur Zeitworte und verlieren von diesen auch noch die gegenwärtige Zeit, die ihnen nie ist, wie überhaupt kein Ist oder Sein. Wo aber überall nichts ist, noch wird, da ist und wird auch keine Erkenntnis und alle Lehre hat ein Ende.

Dies erwägend, haben spätere Weise den homerischen und noch vorhomerischen Satz, den uralten,  daß alles nur Bewegung sei und anderes außer dem nicht,  umgekehrt, nun die gerade entgegengesetzte Behauptung aufstellend: Bewegung sei überall  in Wahrheit  nicht, sondern es sei in  Wahrheit  überall nur ein Unbewegliches, ein allein seiendes Eines. Wie also jene früheren Weisen ein ewiges Werden annehmen ohne Sein, so nehmen diese späteren im Gegenteil an, ein ewiges Sein ohne Werden; und wie dort die Rede sich verlor und die Lehre in sich selbst verstummen mußte aus Mangel an Nennwörtern, so verliert sich hier wiederum die Rede aus Mangel an Zeitwörtern, von denen nur die gegenwärtige Zeit übrig bleibt, also in Wahrheit keine.

Hier tritt nun erst die  eigentliche  All-Einheitslehre hervor und schlägt sich hilfreich ins Mittel. Mit dem Werden ohne Sein vermählt sie das Sein ohne Werden und spricht: So ist es gar! - Siehe, es gehet und stehet!

Daß diese All-Einheitslehre einem, der Sinnenwelt allein zugekehrten, sich über diese nur in aus ihr geschöpften, Begriffen und Begriffen von Begriffen erhebenden, Verstand für die allein wahre gelten müsse, wird auch von PLATON nicht geleugnet; ihre Unwahrheit, sagt er, werde eingesehen nur mittels einer höheren Erkenntniskraft, eines für das Anschauen des Übersinnlichen allein geschaffenen und demselben unverrückt zugekehrten Auges. "Wie nun, spricht er weiter, das leibliche Auge, wenn es nicht für sich beweglich wäre, sich mit dem ganzen Körper aus der Finsternis zur Lichthelle umwenden müßte; so muß auch jene Erkenntniskraft  mit der ganzen Seele  so lange von den wandelbaren Dingen abgewandt werden, bis sie zum Selbständigen und zum erhabensten Licht des Selbständigen, von uns das  Gute  genannt, sich mit der Anschauung zu erheben vermag." (25)

Nicht wird hiermit behauptet, daß im Wandelbaren gar nichts vom Selbständigen zu erkennen sei, sondern nur,  daß wir das Selbständige schon erkannt haben müssen, um es im Wandelbaren wiederzuerkennen.  Enthielte das Wandelbare nichts vom Selbständigen, so könnte es auch nicht einmal als ein Wandelbares da sein, könnte auf keine Art und Weise auch nur  erscheinen.  Darum verwandelt sich dem der Sinnenwelt allein zugekehrten, mit seinem Denken gerade zu fortschreitendem Verstand, diese Welt notwendig zuletzt in ein Ein und Alles des Nichts. Nie wird aber jemand den All-Einheitslehrer zu dem Geständnis bringen, daß ihm dies begegne, oder daß der Weg seiner Wissenschaft und ihr Ende sei, die Verwandlung allen Wesens in lauter Worte. Wie er diesem Gedständnis entflieht und es dem Philosophen unmöglich macht, ihn zu erhaschen und zu fesseln, findet sich unübertrefflich dargestellt in PLATONs Sophistes. Ich habe früher schon auf dieses Meisterwerk des Göttlichen verwiesen und verweise ernstlicher hier von neuem auf dasselbe. (26)

Ich horche aber der sokratischen Warnung: einzulenken, "damit nicht immer neu Zuströmenden die erste Rede ganz verschütte."
LITERATUR - Friedrich Heinrich Jacobi, David Hume über den Glauben oder Idealismus und Realismus(ein Gespräch), Werke, Bd. 2, Leipzig 1815
    Anmerkungen
    1) Die Gelehrtengeschichte ist voll Trost für diejenigen, welche dergleichen Unglimpf erfahren. Als NEWTON mit seiner Gravitationslehre ans Licht trat, erhob sich wider ihn das bloß allgemeine Geschrei: er wolle die von CARTESIUS so glücklich aus der Wissenschaft vertriebenen  qualitates occultas  wieder in die Wissenschaft einführen, mithin aus einer eben sehend gewordenen sie wieder zu einer blinden machen. Erst nach einem halben Jahr legte sich das Geschrei.
    Solche tiefe Wurzeln hatte in allen Gemütern die Lehre des Mannes geschlagen, dem nach vollendeter Zergliederung seines Bewußtseins nichts als zuverlässig vorhanden übrig geblieben war, als Ausdehnung und Denken,  ohne  Substrat weder des einen noch des anderen.
    2) "ARISTOTELES trennte zuerst vollständig die Formen der Reflexion vom übrigen  materiellen Erkennen  ab und gab so das Reflexionsvermögen für sich hin, um damit Versuche zu machen. Sogleich fing der Irrtum an sich zu zeigen, welcher nur in der Deutlichkeit der Verstandeserkenntnis das Gesetz der Wahrheit sucht. Man ist seitdem beständig mit mehr oder weniger Selbsttätigkeit geschäftig gewesen,  mit dem Reflexionsvermögen allein Philosophie zu machen.  Die logische Form der Definitionen, Schlüsse und Beweise, welche nur zur  Wiederbeobachtung  unserer Erkenntnis dient, sollte hinlangen, um durch sie zur Philosophie zu kommen; ein Verfahren, welches dem ganz gleich kommt, wenn jemand durch das Fernrohr zur Astronomie kommen wollte,  ohne einen Himmel den er beobachtete.  Nehmen wir nur einige, bis vor kurzem als Schwärmer und Narren verrufene Philosophen aus, so ist es der allgemeine Fehler  aller Philosophen dieser langen Periode,  daß sie mit Hilfe der bloßen logischen Form das System der Metaphysik aus der Logik zu schaffen versuchen und somit ist eigentlich die ganze Periode der aristotelischen, scholastischen und neuerer Philosophie bis auf WOLFF nichts, als eine Vorbereitung des Wolfianismus als der  vollendeten logischen Metaphysik.  Selbst die berühmtesten neueren Namen, wie LEIBNIZ und SPINOZA, stehen mit in dieser Reihe. Wenn man nämlich bei ihnen nicht bei der Aufstellung ihrer Dogmen stehen bleibt, sondern in ihren Schriften selbst ihre Verfahrungsart beobachtet, so finden wir überall dieselbe Hoffnung auf den Erfolg bei strenger Anwendung der logischen Methode und regelmäßiger Überbauung der Lehrsätze mit Definitionen und Axiomen. Durch diese logische Methode, welche man zuletzt Anwendung der mathematischen Methode auf Philosophie nannte, hoffte jedermann hier auszukommen." - FRIES, Neue Kritik der Vernunft, Bd. I, Seite 201
    3) Siehe "Kritik der reinen Vernunft", Seite 790, 791, ferner Seiten 306 und 309
    4) Siehe "Kritik der praktischen Vernunft, die Vorrede Seite 4, 8, 9ff
    5) Siehe "Kritik der praktischen Vernunft, Vorrede Seite 4f
    6) Siehe "Kritik der reinen Vernunft", Seite 370f
    7) FRIES bemerkt hierüber in seiner neuen Kritik der Vernunft: "Es habe KANT eine unmittelbare, über allen Irrtum erhabene eigene Erkenntnis der Vernunft zwar überall   - vorausgesetzt;  sie sei ihm aber nie deutlich geworden. - Seine  spekulative  Vernunft sei offenbar nichts als das bloße Schluß- oder  Reflexionsvermögen,  welches, als bloßes Instrument der  Wiederbeobachtung,  natürlich für sich allein nichts zur Erkenntnis geben könne. - Aber auch in der  praktischen  Vernunt sehe, KANT  unmittelbar  immer nur das, was dem Reflexions-Vermögen gehöre. Aus diesem Grund bleibe denn auch seine praktische Philosophie und ihr Glaube etwas sehr dunkles, man erfahre auf keine recht bestimmte Weise, warum diese praktische Vernunft mehr als die spekulative vermöge." (Siehe FRIES, "Neue Kritik der Vernunft, Teil 1, Seiten 203 - 206, und vorher Seite 199f)
    8) KANT, "Kritik der reinen Vernunft", Seiten 75 und 76
    9) "Alles, was das bewaffnete Auge durch das Teleskop (etwa am Mond) oder durch das Mikroskop (an Infusionstierchen) entdeckt, wird durch unsere bloßen Augen gesehen; denn diese optischen Mittel bringen ja nicht mehr Lichtstrahlen und dadurch erzeugte Bilder ins Auge, als auch ohne jene künstliche Werkzeuge sich auf der Netzhaut gemalt haben würden, sondern breiten sie nur mehr aus, um uns ihrer bewußt zu werden." - KANTs Anthropologie, Seite 17
    10) Aber wie? - darum, weil ich also stimme, beistimme, bekenne und behaupte, soll mir (S. Tennemanns Grundriß der Geschichte der Philosophie, Leipzig 1812) der Beiname eines  Misologen  [einer der Weisheit ohne Wissenschaft will - wp], der ärgste der wider einen philosophischen Forscher ersonnen werden kann, mit Recht gebühren? ­Mir soll dieser Beiname gebühren, weil ich zu der echten unentmannten Lehre des alten Platon mich bekenne: dem PLATON selbst aber denselben Beinamen zu geben und damit die Beschuldigung, daß er dem Aberglauben und der Schwärmerei freien Spielraum eröffne, wider ihn auszusprechen, scheut man sich; obgleichman zugibt, daß sein Intellektualsystem nicht bloß logisch, sondern mystisch (siehe Kr. d. r. Vnft. Seite 832) sei!
    ­Auch KANT soll nicht mit demselben Beinamen belegt und damit den Verächtern und Untertretern der Wissenschaft beigezählt werden; obgleich er zuerst das Unvermögen der Wissenschaft, aus dem Gebiet des Sinnlichen in das Gebiet des Übersinnlichen theoretisch hinüberzuschreiten,  "und den eigentlichen Zweck, in welchem alle Vernunftbemühungen sich zuletzt vereinigen müssen, wirklich  zu erreichen," vollständig dargetan hat.
    ­"Ich mußte" sagt er, "um für den Glauben Platz zu bekommen, "erst das Wissen aufgeben." - Dieses geleistet und "den Vorwitz und die Vermessenheit einer ihre Grenze und wahre Bestimmung verkennenen Vernunft, die mit  Einsicht  und  Wissen  groß tut,  da, wo eigentlich Einsicht und Wissen aufhören,  ein für allemal niedergeschlagen zu haben:" darein setzt er sein eigentliches Verdienst, seine philosophische Ehre, seinen ganzen Ruhm. - Ohne jene "Aufhebung des Wissens: in Absicht alles der Erscheinungswelt Jenseitigen," könnten wir, nach KANTs ausdrücklicher Behauptung (Siehe Vorrede zur Kr. d. r. Vnft, vornehmlich Vorrede zur Kr. d. pr. Vnft) "Gott, Freiheit und Unsterblichkeit auch nicht einmal  annehmen  (problematisch gelten lassen), wie dringend auch eine solche Annahme von der Vernunft zu ihrem notwendigen praktischen Gebrauch gefordert werde. Die spekulative oder theoretische Vernunft behielte alsdenn den  Primat;  ihrer Voraussetzung müßte die Voraussetzung der  praktischen  weichen;  Freiheit  nämlich, als gar nicht denkbar, dem sehr wohl denkbaren, ja als die Notwendigkeit selbst erscheinenden Naturmechanismus. - Mit einem Wort: Gott, Freiheit und Unsterblichkeit müßten entschieden und ohne Vorbehalt geleugnet werden."
    ­Ich sagte, wenn KANT, weil er so lehrte, dennoch den bitteren Vorwurf nicht verdienen soll: daß er "aller Spekulation und Theorie aus Misologie den Krieg geschworen habe," - warum soll er mir denn gebühren, da ich von jeher nur wider die Möglichkeit einer Metaphysik aus bloßer Logik gestritten und nie eine Behauptung gewagt habe, die ich nicht philosophisch zu begründen mich auf das ernstlichste bemüht hätte?
    11) Siehe die vorhin schon wiederholt angeführten Vorreden zur Kritik der reinen und der praktischen Vernunft.
    12) Entweder sind alle Erkenntnisse, letzten Ortes, objektiv, d. h. sie sind Vorstellungen von etwas unabhängig vom vorstellenden Subjekt Vorhandenen, so daß sie auch im göttlichen Verstand anzutreffen sein müssen, nur nicht auf eine eingeschränkte, endliche, sondern auf eine alle Verhältnisse zugleich umfassende, unendlich Weise oder es gibt überall keine wahrhaft objektiven Erkenntnisse - keine Welt, keinen Gott. [Siehe dazu Teil 1 des 15. Briefes in Allwills Sammlung, wo vielleicht anschaulicher und begreiflicher, als sonst irgendwo in meinen Schriften, hervortritt, was mir die absolute Objektivität bedeutet. Ich verweise besonders auf die Seiten 134f.]
    13) Kritik der reinen Vernunft, zweite Auflage, Vorrede Seite XXXIX, Anmerkung
    14) Siehe KANT, Prolegomena, Seite 71
    15) KANT, "Prolegomena zu einer jeden künftigen Metaphysik", Seite 62f
    16) Dieser einige Jahre früher vom Verfasser der Briefe über die Lehre des Spinoza zuerst deutlich ausgesprochene und für alle endlichen Wesen gültige Satz:  Ohne Du kein Ich,  wurden in der zweiten Auflage der "Kritik der reinen Vernunft" in eine förmliche Widerlegung des Idealismus verwandelt. Später lehrte ihn der Tiefdenker FICHTE zum Behuf seines über den kantischen hinaustretenden Idealismus um und bewies vollkommen gründlich wider jenen, daß es eben so unmöglich sei, daß ein Eindruck eine Vorstellung oder sogenannte  Erscheinung  werden, als daß die Vorstellung oder Erscheinung den Gegenstand selbst (das von der Vorstellung unabhängige An- und insich desselben) darstelle. Nun mußte aber die Theorie in den Satz ausgehen: alles Du ist Ich; oder, das absolute Ich allein ist. Dann folgte aber ganz am Ende wieder: alles was ist, ist Nichts. - Denn was wäre wohl eine absolute Subjektivität oder in bloßes Durch-und-durch-Subjekt? - Das entging dem scharfsinnigen Mann nicht. Er bewies daher im zweiten Teil seiner Philosophie, dem praktischen, daß der theoretische, dessen letztes Resultat nämlich, nicht wahr sein -  dürfe.  (Man sehe hierüber vornehmich FICHTEs Bestimmung des Menschen.)
    17) Dem SPINOZA, sagt AENESIDEMUS SCHULZE (Enzyklopädie der philosophischen Wissenschaften, Seite 62), muß man zum wenigsten nachrühmen, daß er sich unumwunden über den Wahn, der Mensch sei frei und könne sittlich gut und böse handeln, desgleichen über die Absicht erklärt habe, mit der  Ethik  eine durch sein System notwendig gemachte Verwandlung derselben in eine  Physik  vorzunehmen.
    18) "Wenn alles, was  wird,  vom Größten bis zum Kleinsten und in der Geisterwelt eben sowohl als wie in der Körperwelt durch das Wesen des Absoluten determiniert ist; so sind die Vorstellungen von der  Freiheit  und  Spontaneität  unseres Geistes und von einem Verdienst und einer  Schuld  in Ansehung seines Handelns, eine Lüge, womit wir uns selbst hintergehen und so ist das Tun und Lassen jedes menschlichen Ungeheuers  göttlich,  woran nur  Unvernunft  oder  Kurzsichtigkeit  etwas tadelnswürdiges finden kann. (a.a.O. Seite 61 und 62)
    19) NEWTON gab den festen durchaus verständlichen Grundgedanken, durch welchen die noch geheimnisvolle Lehre KEPLERs in eine durchaus klare Mechanik des Himmels verwandelt wurde, wie wir sie jetzt in LAPLACEs unsterblichen Werken besitzen, - wo wir nicht nur alle Begebenheiten für Vergangenheit und Zukunft aus  einem  Grundgesetz (dem Grundgesetz der Gravitation) begreifen lernen, sondern selbst mit vielem Vertrauen dem Lehrer in den Vermutungen über die erste Ausbildung des Planetensystems folgen können."
    "Man erwidert wohl hierauf: Ihr erklärt alles aus eurer allmächtigen Gravitation, aber welchen Ursprungs ist denn diese? Darauf antworte ich: Das eben wissen wir sehr wohl!  Sie ist des uralten blinden Schicksals Erbtochter: Größe, Zahl und Maß sind ihre Diener, ihr Erbteil aber ist eine Welt ohne Gott, die keines Gottes bedarf". 
    Wenn der große Sternenkundige LALANDE die Gottheit leugnete, in den Himmeln keinen Gott, in den Bewegungen der Gestirne keinen Finger Gottes finden konnte, so müssen wir dem Gedankengang seines Verstandes Recht geben. Jene hohe Ordnung und Zweckmäßigkeit ist ja eben nur das Erzeugnis eines strengen Mechanismus notwendiger Naturgesetze, dort oben ist ein geistlos blindes Schicksal der unumschränkte Gebieter seiner Welt."
    "Ich aber berufe mich auf die Wahrheit des Spruches bei JOHANNES: nur im  Geist  sollen wir die Gottheit verehren. Nur in dem, was unsere Wissenschaft dem Geiste ist, können wir ihre  Würde  finden. Es kann nur der die Ordnung der Welt Zweckmäßigkeit nennen, der den Glauben an die Zwecke hinzubringt. Die wahre Deutung des Weltlaufs auf seine Zwecke liegt weit einfacher im  Gefühl  des Menschen. - Unter Maß und Zahl birgt sich der unendliche Geist nicht! Das Spiel mit Zahlen ist ein leichtes Spiel - seine Freude  nur Freude des gefangenen  Geistes am Klirren seiner Ketten." [Siehe "Populäre Vorlesungen über die Sternkunde" von J. F. FRIES, Seite 225, 227, 18, 16.
    20) "Die Fortschritte in der Physik machen, damit diese nicht übermütig werde  und die Vernunft durch den Verstand entthrone,  die Metaphysik nötig. - Diese Absicht der Metaphysik aber ist, dem Übergang aus der Sinnenwelt zum Übersinnlichen Sicherheit zu verschaffen, - und ihre  Endabsicht  die Beantwortung der Fragen: Mit welchen Eigenschaften ist dasjenige Wesen zu denken, worauf die Welt, als auf den höchsten Grund davon, bezogen werden muß? und, von welcher Beschaffenheit ist der Zusammenhang, der zwischen jener und dieser stattfindet?" [G. E. SCHULZE, Enzyklopädie der philosophischen Wissenschaften, Seite 71, 47, 52.
    21) G. E. SCHULZE, Grundsätze der allgemeinen Logik, § 2, Anmerkung 12
    22) Es gehört aber kein gemeiner Verstand dazu, einzusehen, wie das Höhere im Menschen, die Vernunft, der Sinnlichkeit entgegensteht und wie das eigentliche  Denken  im Innersten des Gemüts, nicht mit einer Verwandlung sinnlicher Vorstellungen in Begriffe, sondern  mit einer Erhebung des Gemüts über die sinnliche Vorstellung,  und eben deswegen mit einem  Gefühl  anfängt, das ganz anderer Abkunft ist, als alle sinnlichen Vorstellungen. Das doppelsinnige Wort  Gefühl  ist hier ein Notbehelf in Ermangelung eines anderen, das wir umsonst in einer Sprache suchen, die nicht von Philosophen erfunden wurde [Göttingische Gelehrte Anzeigen 1809, Seite 207].
    23) HOMER, Ilias, XIV, 201
    24) PLATO, Theaetet
    25) PLATO, Republik VII
    26) PLATO, Sophistes, von den göttlichen Dingen, 3. Beilage