tb-2cr-2p-4H. RickertW. DiltheyH. EbbinghausH. HerringF. E. O. Schultze    
 
AGNES HOCHSTETTER-PREYER
Das Beschreiben
[Eine logische Untersuchung zur positivistischen Methodenlehre]
[2/4]

"Wenn im Folgenden von den Beziehungen als Gegenständen der Wahrnehmung gesprochen wird, so ist damit selbstverständlich nicht gemeint, daß sie als etwas Drittes zwischen den beiden Beziehungspunkten real gegeben sind. Doch ebensowenig dürfen sie als bloß vom auffassenden Subjekt hinzugedacht aufgefaßt werden. Die Beziehungen sind überhaupt nur in abstracto von ihren Beziehungspunkten zu trennen und den Wahrnehmungsinhalten immanent, unauflöslich in ihnen enthalten."

"Wenn es richtig ist, daß jede urteilsmäßige Bestimmung einer abstrakten Vorstellung diese zum Begriff macht, so ist eine scharfe Trennung von Gegenstand der Beschreibung und Begriff nicht mehr aufrechtzuhalten, da der aus der Einzelvorstellung abgeleitete Begriff dann doch in die Beschreibung eingehen könnte."


II. T E I L
Logische Erörterungen des
Begriffs der Beschreibung


1. Kapitel
Der Gegenstand der Beschreibung

§ 1. Gegenstände der Wahrnehmung

Für den Gegenstand der Beschreibung ist im Vorigen die Position gewonnen: Gegenstand der Beschreibung ist das unmittelbar Gegebene.

Was ist nun unmittelbar gegeben? Ohne Zweifel die Inhalte der Wahrnehmung. Kommen für die Naturwissenschaft nur die hier hauptsächlich zu berücksichtigenden Inhalte des Sinneswahrnehmung in Betracht, so sei hier darauf hingewiesen, daß bei der erkenntniskritischen und logischen Koordination von Sinnes- und Selbstwahrnehmung diejenigen Bestimmungen, die unabhängig von der besonderen Art der Wahrnehmung allgemein über sie getroffen werden, für beide Arten gleicherweise gelten, daß also für den Gegenstand und die Methode der Psychologie analoge Betrachtungen gemacht werden können wie hier für die Physik. Es dürfte unwidersprochen bleiben, daß die Physik von den unmittelbar gegebenen Inhalten der Sinneswahrnehmung auszugehen hat, insofern als ihr ursprüngliches Objekt mit dem Gegenstand der Beschreibung zusammenfällt (1). Nach dem gegenwärtigen Stand logischer und psychologischer Forschung dürfen wir annehmen, daß die ursprünglich gegebenen Wahrnehmungsinhalte verwickelte Inbegriffe, Komplexe von einfacheren Gliedern sind, die erst durch eine bewußte Reflexion künstlich isoliert werden können. (2)

Diese Inbegriffe aufzuzählen kann nach den mannigfachsten kategorialen Einteilungsversuchen geschehen. Von jedem derselben gilt jedoch, daß sich "die vielgestaltige Wahrnehmungswirklichkeit nicht restlos in diese Schemata zwingen läßt" (3), daß sich die Einteilungen unvermeidlich kreuzen müssen. Unter diesem Vorbehalt ist es angezeigt, mit als erste Gruppe die der Dinge mit ihren Eigenschaften [plg1urteil] auszusondern, sozusagen als Substrat für die beiden folgenden Gruppen, die der Vorgänge oder Veränderungen und der Beziehungen (4).

Dinge mit ihren Eigenschaften heißen in der Physik Körper. Nach dem Gesichtspunkt der verschiedenen Eindrücke für die Tastwahrnehmung sind sie in Körper von den verschiedenen Aggregatzuständen, feste, flüssige und gasförmige, eingeteilt. Ebenso ist in jeder Wahrnehmung der Körper nach den anderen Arten der Sinne als sichtbar, gefärbt, hörbar, schmeckbar, temperiert, schwer usw. zu erkennen. Alle diese Qualitäten, zu denen noch die von LOCKE sogenannten primären Qualitäten der Größe, Gestalt usw. hinzugerechnet werden, können selbstverständlich Gegenstände der Beschreibung sein: die Farbe, die Schwere, die Härte des Goldes, der Geruch des Schwefelwasserstoffes, das Brausen des Wasserfalls. Auf diesem Gebiet der Körper und ihrer Eigenschaften liegt nun hauptsächlich die Aufgabe der systematischen Naturwissenschaften: für die anorganischen Körper haben Mineralogie und der Teil der Chemie, der sich um die Einteilung aller Stoffe im periodischen System der Elemente bemüht, für die organischen Körper haben Botanik, Zoologie und Anatomie die erschöpfende Untersuchung und Aufzählung ihrer Eigenschaften auszuführen. Sie gehen also zweifellos von Beschreibungen aus.

Für die Physik dagegen ist die Beschreibung eines einzelnen Gegenstandes höchstens eine Vorbereitung für die eigentliche Aufgabe: der Forscher wird den Körper mit seinen wahrnehmbaren Eigenschaften kennen wollen, ehe er Experimente mit ihm macht. Doch das Experimentieren als Beobachten von Veränderungen weist der Physik die zweite Gruppe der Wahrnehmungsinhalte, die Vorgänge, als Objekte zu. Für die Außenwelt teilen diese sich ursprünglich in Bewegungen, also in Veränderungen des Orts und Veränderungen der Eigenschaften. Diese Veränderungen der Eigenschaften bleiben immer innerhalb der einzelnen Gruppen der modal verschiedenen Sinneswahrnehmungen; die Eigenschaft kann sich nur nach Qualität und Intensität ändern, nicht in eine ganz heterogene, etwa die Farbe in einen Ton, übergehen. Daß die Physik bestrebt ist, alle qualitativen Veränderungen auf solche einer bestimmten Art, sei es der mechanischen Bewegung oder elektromagnetischer Vorgänge, zurückzuführen, ist hier noch nicht zu berücksichtigen, wo nur die ursprünglichen Ausgangspunkte der Wissenschaft betrachtet werden. Jedoch nich das ganze Gebiet der Veränderungen in der anorganischen Natur - die der organischen sind Gegenstand der physiologischen und biologischen Teile der betreffenden Naturwissenschaften - wird von der Physik bearbeitet, herkömmlicherweise überläßt sie alle Vorgänge, bei denen "die Zusammensetzung der Stoffe eine Veränderung erleidet und neue Stoffe mit neuen Eigenschaften entstehen" (5), dem nicht systematischen Teil der Chemie.

Weder die Trennung von Physik und Chemie, noch die der beiden Arten innerhalb der Chemie sind allerdings reinlich durchzuführen; vielmehr fließen überall die Grenzen mannigfach ineinander. Jedenfalls aber, und darauf kommt es hier vor allem an, sind alle solche Vorgänge der Beschreibung zugänglich. Urteile wie: der Vogel fliegt, der Apfel fällt zur Erde, das Lackmuspapier färbt sich blau - sind sicherlich als Beschreibungen anzusprechen; und ebenso ist gewiß, daß die Physik von derartigen Urteilen ausgeht. So bleibt, wie in Bezug auf den Gegenstand, auch hinsichtlich der Grundurteile die Koordination der physikalischen und systematischen Naturwissenschaften bestehen.

Schwieriger wird die Betrachtung der dritten Gruppe von Gegenständen der Wahrnehmung, der Beziehungen. Denn über ihre Einteilung, sowie besonders über die erkenntniskritische Auffassung ihrer Funktion in der Wahrnehmung, gehen die Meinungen weit auseinander. Aber auf diese im Einzelnen einzugehen, würde zu weit vom eigentlichen Thema abführen.

Ist schon die Trennung der ersten und zweiten Gruppe nicht streng durchzuführen, da das Eigenschaften-Haben der Körper als Zustand und dieser als Grenzfall des Vorgangs - analog wie die Ruhe als Grenzffall der Bewegung - aufgefaßt werden kann, so können wiederum beide überhaupt nicht gedacht werden ohne die sie wesentlich mitkonstituierenden Beziehungen. Wenn im Folgenden von den Beziehungen als "Gegenständen der Wahrnehmung" gesprochen wird, so ist damit selbstverständlich nicht gemeint, daß sie als etwas Drittes zwischen den beiden Beziehungspunkten real gegeben sind (6). Doch ebensowenig dürfen sie als bloß vom auffassenden Subjekt hinzugedacht aufgefaßt werden. Die Beziehungen sind überhaupt nur in abstracto von ihren Beziehungspunkten zu trennen und den Wahrnehmungsinhalten "immanent" (7), unauflöslich "in ihnen enthalten". (8) So ist überhaupt kein Wahrnehmungsinhalt, auch nicht die einfachste Empfindung, wie etwa eine Farbe, möglich ohne räumliche Bestimmtheit. Wieviel mehr enthalten also die komplexen Dinge räumliche Beziehungen: außer der Ausgedehntheit schlechthin noch die Gestalt, die Lage der Teile zueinander, ferner die räumlichen Beziehungen zu den umgebenden Dingen, die Lage, Entfernung usw. Der Vorgang ist seinem Wesen nach in und mit der Zeitbeziehung gegeben: ohne ein Vorher und Nachher sind weder die Veränderung noch der beharrende Zustand als solche aufzufassen.

Aber noch mehr: wurden die Gegenstände der Wahrnehmung als Inbegriffe gekennzeichnet, so ist darin die eigentümliche Beziehung mitgedacht, welche verschiedene Glieder zu einem Ganzen, einem Inbegriff, vereinigt. Diese Beziehung ist mehr als die bloße Summierung, oder die raum-zeitliche Verknüpfung der Teile,, sie ist nicht weiter aufzulösen, sondern nur zu charakterisieren als die, welche in der Wahrnehmung des Dings die scheinbar unlösliche Komplexion der verschiedenen Qualitäten zu einer bestimmten dinglichen Einheit ausmacht. Da die Annahme eines substantiellen Trägers aller Eigenschaften seit langem als unhaltbar erwiesen ist, so macht dieses Verhältnis gegenseitiger Durchdringung der Qualitäten das aus, was man die Inhärenz der Eigenschaften im Ding nennt. Die Inhärenz wird also hier als eine in der Wahrnehmung mitgegebene, nicht weiter zu reduzierende Beziehung angenommen. Sie ist als solche wesensverschieden von der Kausalität, die, wie HUME endgültig gezeigt hat, in der Wahrnehmung in keiner Weise gegeben ist. Trotzdem ist eine gewisse Koordination beider Arten von Beziehungen nicht zu leugnen: Die Gleichordnung von Botanik und Zoologie mit der Physik, welche auf die Parallelität zwischen Dingen und Vorgängen gegründet war, läßt sich auch so ausdrücken, daß jene systematischen Naturwissenschaften die Gleichförmigkeiten der Koexistenz, die Physik die der Sukzession der Erscheinungen zum Gegenstand hat oder die einen die substantiellen, die andere die kausalen Abhängigkeitsbeziehungen untersucht. So wird durch diese Koordination der Gedanke nahegelegt, daß ebenso wie die kausale Beziehung in die wahrnehmbare zeitliche und eine jener zugrunde liegende reale Abhängigkeit aufgelöst wird, so auch bei der Inhärenz eine formale, in der Wahrnehmung gegebene Art der Beziehung (eben jene oben charakterisierte, also nicht eine des bloß räumlichen Beieinander) und ein transzendenter Grund derselben zu trennen sind.

Mit den räumlichen Beziehungen sind ferner unmittelbar auch die des Größer, Kleiner, mit den Qualitäten die der Ähnlichkeit, Verschiedenheit, der Steigerung und Verschmelzung gegeben (9): zwei vor mir stehende Gegenstände werden, wie sie da sind, als verschieden oder gleich groß, von mir wahrgenommen; das auffassende Denken spielt dabei nur eine ebensolche Rolle, wie bei der Wahrnehmung irgendwelcher anderer Qualitäten, Vorgänge oder Beziehungen, wenn nämlich durch eine besondere Aufmerksamkeitsrichtung ein Moment in der Wahrnehmung vor allen anderen ausgezeichnet wird. (10)

Ebenso sind durch die Tatsache, daß die Dinge der Wahrnehmung in bunter Mannigfaltigkeit gegeben und in einer solchen aufgefaßt werden, zahlenmäßige Bestimmungen als in der Anschauung gegeben aufgewiesen, unbeschadet des Umstandes, daß der Begriff der Zahlen sich logisch als Folgebestimmung aus dem Begriff der Menge ergibt (11). Ich sehe unmittelbar, daß zwei Bäume vor diesem Haus stehen und dgl. Daß diese Auffassung nur bei den kleinsten Zahlen eine bestimmte, dann nur die einer größeren oder kleineren Menge ist, beruth ebenso auf den Bedingungen der Enge der Aufmerksamkeit, wie daß bei jeder Wahrnehmung stets nur einzelne Seiten derselben im Bewußtsein hervortreten.

Alle diese Beziehungen können nun auch, soweit sie in der Wahrnehmung gegeben sind, in eine Beschreibung eingehen: Neben der Kirche steht ein Haus, dieses Blatt ist grün usw.; bis zu den verwickeltsten Aufzählungen von Qualitäten, deren Anordnung und Verhältnissen, sind eine Füle von Beispielen zu finden, die als Beschreibungen allgemein anerkannt werden dürften. Und es ist klar, daß der Physiker, wenn er einen Vorgang beobachtend beschreibt, auch alle diese Beziehungen mitaufnimmt.


§ 2. Gegenstände möglicher Wahrnehmung

Ergab sich aus der ursprünglichen Bestimmung, daß der Gegenstand das unmittelbar Gegebene ist, daß hierunter aller Gegenstände der Wahrnehmung, die Dinge mit ihren Eigenschaften, die Vorgänge und Beziehungen, zu verstehen sind, so ist jetzt die Frage zu stellen, ob diese Gegenstände in dem Sinn unmittelbar gegeben sein müssen, daß sie - wie bisher in den Beispielen angenommen wurde - in der Wahrnehmung gegenwärtig vorliegen, und ob es zweitens nur Gegenstände einer tatsächlichen Wahrnehmung sein dürfen.

Die Einschränkung, daß die Gegenstände der Wahrnehmung gegenwärtig vorliegen müssen, erweist sich sogleich als unnötig, ja als unhaltbar. Letzteres wenn z. B. ein Vorgang sich so rasch abspielt, oder die Aufmerksamkeit des Beschreibenden so stark auf sich zieht, daß eine formulierte Beschreibung erst hinterher gegeben werden kann. Diese Bedingungen sind sogar stets gegeben, wo es sich um die Darstellung von Psychischem handelt, da die Beobachtung seelischer Prozesse immer nur frühestens aufgrund des primären Gedächtnisbildes erfolgen kann. Es würde also durch eine solche Bestimmung die Koordination der psychologischen und physikalischen Grundurteile, die gerade wegen der Parallelität der zugrundeliegenden Selbst- bzw. Sinneswahrnehmung zu betonen war, aufgehoben. Und das ist nicht nur wegen dieser anderweitig begründeten prinzipiellen Gleichordnung abzulehnen, sondern auch aus dem Grund, daß es auch auf dem Gebiet der Sinneswahrnehmung logisch keinen Unterschied macht, ob der betreffende Gegenstand früher oder jetzt wahrgenommen wird. So behält die Beschreibung eines Hauses ihren logischen Charakter, auch wenn der Beschreibende sich viele Meilen vom betreffenden Haus entfernt befindet, oder viele Jahre nach dessen Abbruch noch ein Bild davon gibt. Es sind also die Gegenstände der Wahrnehmung, die sich psychologisch von denen der unmittelbaren Wahrnehmung als Gegenstände von Erinnerungsvorstellungen unterscheiden, logisch von gleichem Wert. Infolgedessen ist hier eine Unterscheidung, die der Sprachgebrauch zu machen pflegt, als logisch unwesentlich anzusehen: die Trennung von Beschreiben und Erzählen. Denn das Eigentümliche des Erzählens gegenüber dem Beschreiben ist ja nur dies, daß der Gegenstand der Erzählung in der Vergangenheit liegt, eine Unterscheidung, die, wie eben gezeigt, nicht reinlich durchzuführen ist. Es wird daher das Erzählen der Beschreibung als die Art derselben untergeordnet werden müssen, welche für den Gegenstand (Ding, Vorgang, Beziehung) eine Zeitbestimmung in der Vergangenheit enthält. Anders aufgefaßt wird der Unterschied des erzählenden und beschreibenden Urteils von WUNDT (12), der alle Aussagen über ein Ereignis oder einen Zustand erzählende nennt und der eine Beschreibung demzufolge nur das Ding mit seinen Eigenschaften als Objekt zuläßst. Diese Unterscheidung aber ist ebensowenig, wenn nicht weniger einschneidend als die unsere, da die Frage, welcher von beiden Arten denn Urteile über Beziehungen untergeordnet werden sollen, sowohl die eine wie die andere Antwort zulassen würde. Da ferner der Sprachgebrauch weiter ist als die Bestimmung des beschreibenden Urteils von WUNDT und endlich kein logischer Unterschied besteht zwischen den Urteilen: dieser Vogel ist grau und dieser Vogel fliegt - die nach WUNDT in ein beschreibendes und ein erzählendes geschieden wären, so lassen wir diese wenig wichtige Unterscheidung auf sich beruhen.

Die Erweiterung der Beschreibung auf Gegenstände der Wahrnehmung, die nicht direkt gegeben sind, bedeutet für eine beschreibende Physik einen wichtigen und unentbehrlichen Fortschritt zur Wissenschaftlichkeit. War bisher die Grundlage der rein beschreibenden Physik die individuelle Beobachtung des einzelnen Forschers gewesen, so sind nun alle einzelnen Berichte der verschiedenen Forscher der verschiedensten Zeiten in das Gebiet ihres Materials aufgenommen. Die Schwimmversuche des ARCHIMEDES nicht weniger als die in Zeitschriften veröffentlichten Beobachtungen zeitgenössischer Forscher - die Glaubwürdigkeit und Auffassungsart der Gewährsmänner sind psychologische Momente, die hier keine Rolle spielen -, alle solche Angaben liefern der Physik ein fast unübersehbares Material für Beschreibungen. Der zweite Punkt der Frage war, ob nur Gegenstände der Wahrnehmung beschrieben werden können. Die Unterscheidung nach dem psychologischen Ursprung, also in Gegenstände unmittelbarer Wahrnehmung und abgeleitete der Erinnerung hat sich uns eben als irrelevant erwiesen. Aber es findet sich, daß die Beschreibung noch weiter reicht. Wenn DANTE uns Himmel und Hölle schildert, die antike Dichtung und Theologie von Zyklopen und Kentauren, den Wohnungen und Erlebnissen der Götter berichten, so sind das nicht weniger Beschreibungen als die Konstruktion einer antediluvianischen [voreiszeitlicher - wp] Landschaft durch den Geologen oder des Historikers Schilderung eines längst vergangenen Kulturzustandes. Diesen Gegenständen ist gemeinsam, daß sie ungeachtet des verschiedenen Grades von wahrscheinlicher Realität, die ihnen zugeschrieben wird, als Gegenstände einer möglichen Wahrnehmung vorgestellt sind. Daß in einem logisch widerspruchsfreien Begriff der Beschreibung die Gegenstände möglicher Wahrnehmung ebensogut wie die der tatsächlichen als Objekt aufgenommen sein können, geht auch schon daraus hervor, daß logisch genommen die Existenz der Gegenstände keinen Unterschied gegenüber dem bloßen Gedachtsein ausmacht - das ist eine metaphysische Unterscheidung -, solange nur die Bestandteile und ihre Inbegriffe als Gegenstände der Wahrnehmung vorgestellt sind. Doch auch diese Bedingung ist noch zu eng gefaßt: nicht das Ganze braucht als Gegenstand der Wahrnehmung vorgestellt zu werden, sondern wenn ein Gegenstand nur zum Teil die Bestimmungen der Gegenstände der Wahrnehmung zuläßt, andernteils ihren Bedingungen widerspricht, so muß er doch der Beschreibung zugänglich sein, eben sofern seine Teile Gegenstand einer möglichen Wahrnehmung sind. Solche, nach der Analogie möglicher Wahrnehmung vorgestellten Gegenstände können also für unsere Frage den Gegenständen möglicher Wahrnehmung einfach zugeordnet werden.

Was bedeutet nun diese Erweiterung für die Physik? Sie eröffnet einer rein beschreibenden Physik das gesamte Gebiet von Gegenständen, über die eine theoretische und experimentelle Physik überhaupt etwas aussagen kann. Denn als Gegenstände möglicher Wahrnehmung sind alle hypothetischen Körper, die Elektronen, Atome, Moleküle, der Äther usw., gedacht, Gegenstände möglicher Wahrnehmung sind ferner alle Dinge und Vorgänge, welche in einem induktiv allgemeinen Naturgesetz als nicht tatsächlich wahrnehmbar mitgemeint sind, alle zukünftigen und an allen anderen Orten des Raums vorhandenen Dinge. Überall, wo der Wahrnehmung Schranken entgegenstehen der Dimensionen, denen die Kapazität der Sinnesorgane nicht gewachsen ist, oder Schranken durch die Unendlichkeit von Raum und Zeit, überall da spricht man von Gegenständen möglicher Wahrnehmung, und überall da sind Aussagen über wahrnehmbare Eigenschaften, Tätigkeiten oder Beziehungen derselben Beschreibungen. So sind im induktiv allgemeinen Gravitationsgesetz alle Körper, gedacht als alle jemals vorhandenen, Gegenstände einer möglichen Wahrnehmung.

Die bisher vollzogene Erweiterung war gefordert, sollten die im Ausgangspunkt gegebenen Bestimmungen folgerichtig präzisiert und eine willkürliche Abgrenzung vermieden werden, die doch wegen der Zusammengehörigkeit des Getrennten immer wieder verwischt worden wäre. Jetzt aber bietet sich eine nach den Voraussetzungen "natürliche" Grenzbestimmung für die Beschreibung.

Die allgemeine logische Untersuchung mußte, um die Gegenstände des Denkens nach ihrem Ursprung einzuteilen, von der unmittelbaren Wahrnehmung ausgehen. Aus ihr werden durch gültige Schlußverfahren die Gegenstände möglicher und nach Analogie möglicher Wahrnehmung abgeleitet. Führt ein ebenso gültiges Schließen weiter zu dem aller Analogie zur Wahrnehmung entbehrenden Transzendenten, über dessen Beschaffenheit überhaupt keine Bestimmungen getroffen werden können, dessen Annahme aber ein unumgängliches Postulat unseres Denkens ist; - ging dagegen die Bestimmung der Beschreibung von der Bedingung aus, daß ihr Gegenstand in der Wahrnehmung gegeben ist und zwar diese Bedingung dahin zu erweitern, daß er nur als Gegenstand einer möglichen Wahrnehmung vorgestellt sein muß, - so ist klar, daß ein solches Transzendentes unbedingt und ausdrücklich vom Gebiet der Beschreibung auszuschließen ist.

Zu solchen auszuschließenden Gegenständen - wir sehen von vornherein von allen ab, die mit der Physik nichts zu tun haben - gehört in erster Linie, wie vorhin schon anzudeuten war, die Beziehung zur Kausalität. Es braucht keiner Diskussion mehr unterstellt zu werden, daß die Kausalität eine in der Wahrnehmung nicht gegebene, doch als den wahrgenommenen Relationen der Dinge zugrunde liegende Beziehung zu postulieren ist. Zu ihr gehört als Folgebestimmung der Begriff der Kraft, denn Kraft ist unter der Kategorie der Eigenschaft eines Dings gesehen, was die Kausalität als Beziehung zwischen mehreren Dingen ist. Hier könnte eingewandt werden, daß der Begriff der Kraft nicht so ganz, wie oben vom Transzendenten behauptet wurde, der Analogie zur Wahrnehmung entbehrt, da er in Analogie zur Wahrnehmung der menschlichen Muskelkraft gebildet ist.

In der Tat ist dieses Argument nicht einfach durch die Begründung abzuweisen, daß eben, weil die Kraft nicht wahrnehmbar ist, ihre Ableitung aus der Empfindung verfehlt ist (13). Denn von allen Gebieten der Sinneswahrnehmung kommt die Physik durch ein allmähliches Fortschreiten zu Gegenständen, die der menschlichen Wahrnehmung nicht mehr zugänglich sind, deren Ableitung aus der Wahrnehmung trotzdem unbestritten ist und sie eben zu den besprochenen Gegenständen möglicher und nach Analogie möglicher Wahrnehmung macht. Es ist dies die logische Benennung des Vorgangs, den PLANCK als zunehmende Ausschaltung aller anthropomorphen Elemente aus der Physik bezeichnet hat (14). Gerade PLANCK, der das Ideal der Physik in der größtmöglichen Freiheit von allen aus der spezifischen Natur des Menschen stammenden Beimischungen sieht, ist es, der den Ursprung aller fundamentalen physikalischen Begriffe, speziell auch des Kraftbegriffs, aus den spezifischen Sinnesempfindungen betont. Genau wie man bei einer Temperatur, einer Farbe und dgl. zunächst an die entsprechenden Sinneswahrnehmungen denkt, ebenso soll der Begriff der Kraft nicht die Vorstellung des Produktes von Masse und Beschleunigung, sondern zunächst der Empfindung erwecken, welche man haben würde, wenn man selbst anstelle des Kraft ausübenden Körpers, z. B. eines Magneten, einem Körper eine Bewegung erteilte (15).

Mit diesen Ausführungen stellt sich der hervorragende Physiker in einen ausdrücklichen Gegensatz zum rein kinetischen [bewegungstechnischen - wp] Begriff der Kraft, wie ihn seit KIRCHHOFF die Vertreter der Beschreibungsforderung allein gelten lassen wollen. Für unseren Gedankengang kommt es jedoch zunächst auf Folgendes an. Trotz der Parallelität mit den aus anderen Sinnesempfindungen abgeleiteten physikalischen Begriffen spielt der Kraftbegriff unter ihnen eine besondere Rolle. Mit fortschreitender Wissenschaft entfernen sie sich zwar alle immer mehr vom ursprünglichen Wahrnehmungsinhalt; doch bleiben sie ihrem Bestand nach erschöpfend darzustellen durch Maßzahlen und Bestimmungsstücke, die Gegenstände möglicher Wahrnehmung sind. Beim Kraftbegriff dagegen tritt immer mehr die im primitiven Fall nur durch die Verwechslung mit der Muskelempfindung verwischte Bedeutung hervor, daß er die Beziehung des Kausalbegriffs auf den wirkenden Körper ist. Mehr als diese Bestimmung bleibt für den Kraftbegriff überhaupt nicht übrig, insofern ist die Kraft in der Tat eine qualitas occulta. So gehört also der Begriff der Kraft nicht zu den nach Analogie möglicher Wahrnehmung vorgestellten Gegenständen, denn schon in seiner ursprünglichen Form, der Empfindung der "Muskelkraft", enthält er die Kausalbeziehung, welche schließlich zu seinem einzigen Inhalt wird, - sondern er ist, wie die Kausalität selbst, ein Transzendentes, für das wir keine Analogie in der Wahrnehmung haben.

Damit sind Kausalität und Kraft aus dem Gebiet der Beschreibung prinzipiell ausgeschlossen. Dieses Ergebnis entspricht nicht nur der Meinung der Positivisten, sondern trifft gerade in einem wesentlichen Punkt, um dessen Willen die Forderung der beschreibenden Physik aufgestellt wurde, mit ihnen zusammen. Doch beschränken sich die Positivisten nicht auf die negative Bestimmung des Ausschaltens, sondern sie wollen den Kausalbegriff ersetzen durch den Begriff der Funktion, der, ohne die Mängel des Kausalbegriffs zu haben, die gleichen positiven Dienste leistet (16). Somit erweist es sich als notwendig, die funktionalen Beziehungen in ihrem Verhältnis zur Beschreibung zu untersuchen. Sie durften in der Aufzählung der Beziehungen oben übergangen werden, weil sie diesen gegenüber kein neues Genus darstellen, sondern eine Modifikation. Unter Umständen können alle anderen, in erster Linie aber die raumzeitlichen Beziehungen funktional sein. Der aus der Mathematik stammende Begriff der Funktion bedeutet ein Verhältnis zwischen zwei oder mehr Gliedern, demzufolge jeder Veränderung des einen eine bestimmte Veränderung des anderen entspricht. Den Sinn dieses "Entsprechens" erläutert die einfache analytische Funktion der Geraden: wenn im Koordinatensyste eine Gerade gegeben ist, so ist jeder Veränderung der Abszisse ihrer Punkte eine Veränderung der Ordinate eindeutig zugeordnet, derart, daß mit der einen Größe die andere unumgänglich mitgegeben und bestimmt ist. Ein Analogon aus dem Gebiet der körperlichen Dinge wäre die Bewegung zweier durch eine starre Stande verbundener Körper: jeder Bewegung des einen entsprichte eine ganz bestimmte des anderen, oder auch das Verhältnis der konkaven und konvexen Flächen einer Kugelkappe und dgl. Man sieht, die Abhängigkeit der beiden Größen voneinander ist dieselbe wie die von zwei verschiedenen Seiten derselben Sache. Das Wesen dieser Beziehung liegt in ihrem analytischen Charakter (17), d. h. in der Eigenart, daß die betreffenden Verhältnisse im einmal Gegebenen völlig impliziert sind, daß sie also, logisch genommen, mit Notwendigkeit daraus folgen. (18)

Es fragt sich aso, ob derartige Beziehungen beschrieben werden, d. h. Gegenstand der Wahrnehmung sein können. Einerseits scheint das durchaus der Fall zu sein: ich sehe unmittelbar, daß beim Spannen des Bogens die Innenseite immer konkaver, die äußere immer konvexer wird, daß bei einer Wippe mit der tiefsten Lage des einen Endpunktes die höchste des anderen gegeben ist, usw. Wenn es aber andererseits in der analytischen Art der Beziehung liegt, daß sie aus etwas "mit logischer Notwendigkeit folgt", so ist damit das Feld der Beschreibung überschritten, denn ein notwendiges Folgen kann niemals Gegenstand der Wahrnehmung sein. Trotzdem bleiben wir bei der Bejahung der Frage. Die logische Konsequenz nämlich steht auf einer anderen Stufe als die Wahrnehmung dieser Beziehung. Der naiv Wahrnehmende - und von dessen Standpunkt muß in jedem Fall ausgegangen werden - wird ebensowenig auf die Frage kommen: warum die innere und äußere Krümmung des Bogens sich so entsprechen, wie es ihn wundern wird, daß die Kugel zugleich rund und rot ist. Wie also oben eine Beziehung der Inhärenz gefunden wurde, die in der Wahrnehmung gegeben und auf keine andere reduzierbar war, so findet sich hier eine in der Wahrnehmung gegebene Abhängigkeitsbeziehung, welche vieleicht eine empirisch funktionale genannt werden könnte. Sie kann als sinnliche Grundlage für den mathematischen Funktionsbegriff aufgefaßt werden, der sich durch die Bestimmung des kontinuierlichen, d. h. in indefinitum interpolierbaren [unbegrenzte Wertermittlung zwischen Funktionen - wp] Zusammenhangs der Größen ebenso von ihr unterscheidet, wie jeder wissenschaftliche, in die äußersten Konsequenzen fortgeführte Begriff von dem entsprechenden oberflächlichen des praktischen Lebens verschieden ist.

Aber wenn wir so der positivistischen Forderung scheinbar in weitem Maß entgegenkommen, indem eine in der Wahrnehmung gegebene, also der Beschreibung zugängliche funktionale Beziehung angenommen wird, so trifft diese Bestätigung doch nur einen geringen Bruchteil des Ganzen der in Betracht kommenden Beziehungen: nur in den seltensten Fällen stellen sich Zusammenhänge nach Art der genannten Beispiele als verschiedene Seiten derselben Sache, also as analytische Funktionen dar. Es sind die die Fälle "unmittelbarer", umkehrbarer Abhängigkeit (19). Vielmehr ist der Gegenstand der Physik, wie alles erfahrungsmäßig Gegebene, seinem Wesen nach synthetischer Natur. Und es fragt sich nun, ob und in welchem Sinn solche synthetischen Beziehungen als funktionale angesehen werden können. Wenn dies der Fall sein soll, so erleidet der ursprüngliche Funktionsbegriff eine Erweiterung derart, daß ein bisher wesentliches Merkmal, das der analytischen Beziehung, aus seiner Bestimmung ausscheidet, sodaß eine neue Definition nötig würde. Nun stehen wir vor der Tatsache, daß die empirischen physikalischen Beziehungen ihren endgültigen Ausdruck in den Formeln mathematischer Funktionen finden. Das eröffnet einerseits die Frage nach dem Verhältnis der mathematischen Formulierung zu ihrem Bedeutungsinhalt, welche wir hier noch beiseite lassen können. Andererseits muß der Sinn klar gestellt werden, in dem solche empirischen Beziehungen aufgrund ihres mathematischen Ausdrucks funktionale genannt werden dürfen, da sie es doch im eigentlich mathematischen, analytischen Sinn nicht können. Wenn also das Wort überhaupt noch angewandt werden soll, so bleibt von der ursprünglichen Bedeutung nur noch die übrig, daß sich zwei Veränderungsreihen entsprechen müssen. Der Sinn dieses neuen Entsprechens ist jedenfalls kein analytischer. Ebensowenig darf sich eine kausale Deutung einschleichen, die ja gerade ausgeschaltet werden soll. Außer dieser beiden Möglichkeiten gibt es aber nur noch die Auffassung des "Entsprechens" als einer äußerlichen, raumzeitlichen Korrespondenz heterogener Vorgänge. Daß die in einem solchen Sinn "funktionalen" Beziehungen der Beschreibung zugänglich sind, versteht sich aus ihrer Wahrnehmbarkeit. Aber zugleich sieht man, daß mit der Einführung des Funktionsbegriffs ein positiver Gewinn gegenüber der bloßen Ablehnung des Kausalbegriffs nicht gemacht ist, da dieser Begriff, um überhaupt angewandt werden zu können, in seinem Inhalt so unbestimmt werden mußte, daß er nicht mehr enthält als die negative Bedingung der ausgeschlossenen Kausalität.

So bestätigt die logische Untersuchung die Konsequenz in der positivistischen Forderung, welche die beschreibende Methode mit der Ausschaltung des Kausalbegriffs in den engsten Zusammenhang bringt. Zugleich hat die Erörterung des Begriffs hier einen Punkt erreicht, wo sie, unserer Aufgabe gemäß, in ein sachliches Problem mündet: denn wenn wir in Übereinstimmung mit dem Positivismus festsetzen, daß die Beschreibung von Beziehungen da aufhört, wo die Kausalität anfängt, so erhebt sich die Frage, ob mit einem so eingeschränkten Verfahren noch eine fruchtbare Physik möglich ist. Die Entbehrlichkeit oder Notwendigkeit des Kausalbegriffs ist also die erste Kernfrage, an der die Möglichkeit einer beschreibenden Physik anfängt. Wie alle sachlichen Entscheidungspunkte sollte sie hier nur aufgewiesen, nicht beantwortet werden. Wir haben die logischer Erörterung fortzuführen.


§ 3. Die übrigen Bestimmungen der
Gegenstände

Die Bestimmung der Objekte der Beschreibung ist mit dem bisher Gefundenen nicht erschöpft. Die Gegenstände, welche das wissenschaftliche Denken zu erfassen sucht, sind unter den mannigfachsten Gesichtspunkten einzuteilen. Im Vorigen waren sie ihrer Beschaffenheit nach in gleicher Weise als Dinge mit Eigenschaften, Vorgänge und Beziehungen der Beschreibung zugänglich gefunden. Ein wichtigeres Resultat ergab sich unter dem Einteilungsgrund des logischen Ursprungs, daß Gegenstände tatsächlicher und möglicher Wahrnehmung allein, unter Ausschluß des Transzendenten, Objekt der Wahrnehmung sein können. Dieses Ergebnis muß in der folgenden Erörterung über die anderen möglichen Bestimmungsarten der Gegenstände, der wir wieder die Gliederung ERDMANNs zugrunde legen (20), als Kriterium dienen.

Zunächst ist es auch logisch von Bedeutung, durch was für "psychische Gebilde" (STUMPF) die Gegenstände der Beschreibung dargestellt werden können, d. h. welche Gegenstände, nach dem psychologischen Ursprung betrachtet, in einer Beschreibung vorkommen dürfen.

Von den nach dem psychologischen Ursprung eingeteilten Gegenständen hatten sich im Vorigen bereits als mögliches Objekt der Beschreibung gezeigt: die unmittelbar gegebenen Präsente der Wahrnehmung, von den Repräsenten die unmittelbar der Erinnerung (in der Unterart des Erzählens) und die mittelbaren der Einbildung als Produkte der dichterischen und wissenschaftlichen Phantasie. Vom psychologischen Gesichtspunkt aus sind nun die Repräsente der Abstraktion in einem kontinuierlichen Zusammenhang mit denen der Erinnerung und Einbildung verbunden: das psychologische Gesetz, daß bei wiederholter Wahrnehmung derselben oder ähnlicher Gegenstände die konstanten, bzw. gleichen Merkmale sich dem Gedächtnis deutlich einprägen, während die wechselnden oder verschiedenen Merkmale rasch verblassen, läßt aus den Erinnerungsvorstellungen unwillkürlich abstrakte Einzel- und Allgemeinvorstellungen entstehen. Und ebenso wie die Erinnerung bei dieser sachlichen Abstraktion wird die Einbildung bei der Entstehung der Gegenstände der sprachlichen Abstraktion. Beide Arte, die sprachliche und die sachliche Abstraktion, können hier, wo es nicht auf die Art ihres Entstehens, sondern auf den Bestand der Vorstellungen ankommt, ungetrennt behandelt werden.

Entspricht nun dieser psychologisch-genetischen Kontinuität auch eine logische, die eine Erweiterung der Gebiets der Beschreibung wie von den Gegenständen der unmittelbaren Wahrnehmung auf die der Erinnerung und Einbildung, so von diesen auf die abstrakten Gegenstände erfordert? Wenn dies der Fall wäre, so müßte auch der Begriff als Objekt der Beschreibung anerkannt werden, denn indem die abstrakten Vorstellungen ihrem Inhalt nach durch die Definition, nach ihrem Umfang durch die Einteilung bestimmt werden,, sind sie Begriffe geworden. (21) Diese Erweiterung stünde in einem direkten Gegensatz zu den obigen Ausführungen, die eine scharfe Scheidung zwischen der Beschreibung einerseits und der Definition und dem definitorischen Urteil andererseits, hergestellt hatten.

Zur Entscheidung dieser Frage sind zunächst die beiden Arten von abstrakten Vorstellungen, die als abstrakte Einzel- und Allgemeinvorstellung unterschieden werden, auseinanderzuhalten. Zweifellos zeigt die abstrakte Einzelvorstellung eine viel engere psychologische Verwandtschaft mit denen der Erinnerung und Einbildung als die allgemeine: ist es doch nicht mehr zu unterscheiden, ob die Vorstellung z. B. eine bekannten Menschen eine reine Erinnerung oder eine aus den wiederholten Wahrnehmungen herausgebildete, abstrakte ist , während das Erinnerungsbild an einzelne Exemplare z. B. von Löwen, sich im Bewußtsein deutlich von der Allgemeinvorstellung "der Löwe" unterscheidet. Diese Differenz scheint auf einem sehr wesentlichen Grund zu beruhen: Logisch wie auch psychologisch ist die abstrakte Allgemeinvorstellung allen anderen psychologischen Repräsenten entgegenzusetzen hinsichtlich einer eigentümlichen Objektbeziehung. Während nämlich die letzteren sich alle in einem doppelten Sinn auf einen Gegenstand beziehen, daß sie erstens - entsprechend dem Charakter der Vorstellung überhaupt - ihren gegenständlichen Inhalt haben, dann aber diesen Vorstellungsinhalt wiederum beziehen auf einen unabhängig davon gedachten individuellen Gegenstand, der eben durch das Vorstellen "abgebildet" werden soll, entbehrt die abstrakte Allgemeinvorstellung dieser Beziehung auf den anschaulichen individuellen Gegenstand. Es gibt ja nicht nur keinen allgemeinen Löwen, kein allgemeines Dreieck - diese Leugnung der Wirklichkeit ist nicht ausschlaggebend, den den Kentauren Chiron gibt es auch nicht -, sondern man kann zu diesen allgemeinen Vorstellungen auch kein Korrelat als existierend denken, überhaupt keins anschaulich vorstellen. Es soll hier nicht untersucht werden, ob in der abstrakten Allgemeinvorstellung das spezielle Beisammensein von Merkmalen gedacht wird als in einer gesetzmäßigen Organisation der einzelnen jene Merkmale enthaltenen Dinge begründet, ob also in diesem Sinne auch hier eine doppelte Objektbeziehung vorliegt, denn darauf kommt es jetzt nicht an. Wichtig ist für uns nur, daß die abstrakte Allgemeinvorstellung sich von allen anderen dadurch unterscheidet, daß sie sich nicht auf einen individuellen Gegenstand bezieht. Dieses aus allgemeiner Betrachtung gewonnene Resultat gibt nun auch eine natürliche Grenze für das Gebiet der Objekte der Beschreibung. Durch einen kontinuierlichen Übergang war dieses von den Gegenständen unmittelbarer Wahrnehmung auf solche der Erinnerung und Einbildung erweitert, nun ergibt sich, daß ebenso ein fließender Zusammenhang auch den Gegenstand der abstrakten Einzelvorstellung noch hinzuzunehmen zwingt, daß aber, wo der Gegenstand der Vorstellung aufhört, ein individueller zu sein, auch hier kein Anlaß, geschweige denn ein Recht mehr besteht, ihn als mögliches Objekt der Beschreibung anzusehen.

Eine Bestätigung für die berechtigte Hinzunahme der abstrakten Einzelvorstellung ist leicht zu finden. So werden alle Beispiele, die ERDMANN für die durch die sprachliche Abstraktion gewonnenen Einzelvorstellung gibt, von ihm ohne weiteres als Beschreibungen bezeichnet. Auch die hier bisher angeführten Beispiele für die Beschreibung von Gegenständen möglicher Wahrnehmung - des erinnerten Hauses, der eingebildeten historischen Ereignisse oder der Atome und Moleküle - werden in ihrem psychologischen Bestand weit öft auf abstrakte Einzelvorstellungen, als auf reine Erinnerungs- oder Phantasievorstellungen gegründet sein. So werden also auch die Objekte der physikalischen Forschung in abstrakten Einzelvorstellungen gedacht und in diesem Sinne ist ERDMANNs Behauptung zu verstehen, daß
    "die abstrakten (nicht die allgemeinen!) Gegenstände unseres Denkens ... in den mathematischen und in den allgemeinen Naturwissenschaften ... die eigentlichen Objekte der Untersuchung ausmachen." (22)
Jedoch bleibt eine Schwierigkeit zu beachten. Wenn es richtig ist, daß jede urteilsmäßige Bestimmung einer abstrakten Vorstellung diese zum Begriff macht, so ist die oben begründete scharfe Trennung von Gegenstand der Beschreibung und Begriff nicht mehr aufrechtzuhalten, da der aus der Einzelvorstellung abgeleitete Begriff dann doch in die Beschreibung eingehen könnte. Es muß also entweder die Schärfe der Formulierung, welche den Begriff überhaupt ausschließen wollte, in diesem Sinn gemildert werden, oder es ist zu zeigen, daß die ihrem Inhalt nach genau bestimmte abstrakte Einzelvorstellung nicht im gleichen Sinn wie die Allgemeinvorstellung zum Begriff werden kann. In der Tat ist das Letztere der Fall: für den Begriff im allgemeinen Sinn, z. B. den des Löwen, ist es logisch vollkommen gleichgültig, ob ihm unübersehbar viele oder nur ein einziges Exemplar in der Wirklichkeit, oder auch gar keins entsprechen. So ist es kein seltener Fall, daß in den systematischen Naturwissenschaften aufgrund eines einzigen vorgefundenen Exemplars eine neue Klasse oder Art in das System eingefügt wird. Ungeachtet der Art seines psychologischen Entstehens, das meist durch wiederholte Wahrnehmungen bedingt ist, liegt es im logischen Wesen des Allgemein-Begriffs, daß er nur bestimmt, welche Begriffe zusammengedacht werden sollen, ganz unabhängig davon, ob eine entsprechende Merkmalsverknüpfung in der Wirklichkeit zu finden ist. Die noch offen gelassene Frage, ob diese Verknüpfung als ein gesetzlicher Zusammenhang gedacht wird, spielt hierbei keine Rolle, da eine derartige formale Bestimmung auf den Inhalt keinen Einfluß hat. Diese Indifferenz gegen das Reale ist nun der abstrakten Einzelvorstellung unmöglich, denn es gehört gerade zu ihrem Wesen, daß sie sich auf das bestimmte, raumzeitlich individualisierte Ding bezieht. Ein solcher Gegensatz scheint uns ein hinreichender Grund für die Behauptung zu sein, daß es vom individuellen Gegenstand keinen Begriff gibt. Die vollständige Aufzählung aller Merkmale, etwa des Menschen A, wird also nie eine Definition, sondern immer nur eine Beschreibung sein und umgekehrt ist die Inhaltsbestimmung des Begriffs "Mensch" stets eine Definition oder ein definitorisches Urteil. Schließlich ist es eine Frage der Terminologie, ob man die deutliche Einzelvorstellung Begriff nennen will oder nicht; doch scheint die Zweckmäßigkeit im Hinblich auf möglichst klar geschiedene Bezeichnungen für unsere engere Fassung des Begriffs zu sprechen. Jedenfalls ist sachlich festzuhalten, daß von Beschreibung solange zu reden ist, wie der vorgestellte Gegenstand als ein individueller gedacht ist, und daß darum der Allgemeinbegriff niemals beschrieben werden kann. (23)

Nur erwähnt soll die selbstverständliche, doch für unsere Frage wichtige Tatsache werden, daß unter solchen individuellen Gegenständen auch Kollektive jeder Art zu verstehen sind, deren Glieder als Gegenstände tatsächlicher oder möglicher Wahrnehmung gedacht werden. Die Bestimmungen der Objekte der Beschreibung gelten also weiter, wenn diese zu Gegenständen zweiter Ordnung im Sinne ERDMANNs werden. So kann sowohl eine Stadt, eine Schlacht und dgl., wie, früher Abgeleitetes wird von dieser Seite so bestätigt, die induktiv allgemeine Gesamtheit etwa aller Körper Gegenstand einer Beschreibung werden.

Eine weitere Unterscheidung der Gegenstände ist nach ihrem Bestand in einfache und zusammengesetzte möglich. Unter einfachen Gegenständen versteht man im allgemeinen solche, deren Vorstellungsinhalt nicht weiter in Teilinhalte zerlegt werden kann, und findet sie in den reinen Sinnesempfindungen; völlig mit Recht, denn die Analyse des komplexen Wahrnehmungbestandes führt zu ihnen als den Elementen, welche alle möglichen Wahrnehmungen konstituieren. Wenn zwar für gewöhnlich jede Wahrnehmung einen verwickelten Komplex von Empfindungsinhalten darstellt, so sind die reinen Empfindungen doch nicht lediglich ein Produkt der Abstraktion, dem kein Korrelat in der Wirklichkeit entspräche, sondern in der künstlichen Isolierung des Experiments ist es auch möglich, solche einfachen Inhalte realiter zu geben - unter dem selbstverständlichen Vorbehalt, daß eine fortgeschrittenere Wissenschaft vielleicht noch weitere Vereinfachungen anstellen kann. Mit dieser Tatsache sind jedenfalls die einfachen Empfindungen als Gegenstände der Wahrnehmung, somit als mögliche Objekte der Beschreibung gekennzeichnet. Inwiefern es angeht, einen einfachen Gegenstand zu beschreiben, wird erst im nächsten Kapitel erörtert werden können.

Was ferner die Einteilung der Gegenstände nach ihrer Beziehung auf das Wirkliche in reale und ideale anlant, so treffen wir hier auf eine neues Problem. Selbstverständlich ist, daß für gewöhnlich sowohl die Wissenschaft wie der praktische Sprachgebrauch den Objekten ihrer Beschreibungen Realität zusprechen wird. Doch ging schon aus den bisherigen Ausführungen hervor, daß auch Beschreibungen von Gegenständen der Einbildung gegeben werden können mit dem Bewußtsein, daß es das beschriebene Ding nicht gibt. Indem ein solcher Gegenstand lediglich vom Bewußtsein des vorstellenden Subjekts abhängt, erfüllt er die Definition des idealen Gegenstandes. Doch ist nicht zu leugnen, daß innerhalb der dieser Definitioin entsprechenden Gegenstände etwa die Märchenwelt eines Schneewittchen, ja, selbst die schwer vorstellbaren Flächenwesen von HELMHOLTZ mehr, wenn man so sagen darf, "von Fleisch und Blut sind", als z. B. ein Doppelintegral. Innerhalb der idealen Gegenstände sind also nocht wesentliche Unterscheidungen festzusetzen. Von den beiden entgegengesetzten Gruppen sind der ersten alle "Fiktionen", d. h. alle anschaulichen Vorstellungsinhalte zuzuordnen,, die als Annahmen, in der Wissenschaft meist als Hilfskonstruktionen, mit dem Bewußtsein gebildet werden, daß ihnen kein reales Korrelat entspricht (24), der anderen die Mannigfaltigkeit der mathematischen Gegenstände. Bei dem Versuch, diese beiden Arten der Idealität ihrem Wesen nach zu bestimmen, stößt man auf die Fülle der Probleme, welche in den Begriffen der Existenz, speziell der mathematischen Existenz, der Geltung, Wahrheit usw. liegen. Sie müssen hier übergangen werden. Nach den bisher beibehaltenen Gesichtspunkten ist zu sagen, daß die Fiktioinen eine viel nähere Beziehung zu den Gegenständen möglicher Wahrnehmung haben, als alle mathematischen Gegenstände, selbst die geometrischen. Denn jene Fiktionen sind zunächst Individual-Vorstellungen, ihr Gegenstand wird als ein einzelner gedacht, und dann sind sie aus Bestandteilen zusammengesetzt, die den Bedingungen unserer Wahrnehmung durchaus entsprechen. Das trifft auch für die in sich widerspruchsvollenn Fiktionen zu. Sie sind also gedacht wie die Gegenstände möglicher oder nach einer Analogie möglicher Wahrnehmung, "als ob" sie solche Gegenstände wären, mit der einen Besonderheit,, daß ihne die Realität ausdrücklich abgesprochen wird. Da - wie bereits zu betonen war - die Realität am logischen Bestand nichts ändert, so folgt, daß diejenigen idealen Gegenstände, welche nach Art der Gegenstände möglicher Wahrnehmung gedacht sind, auch Objekte von Beschreibungen sein können. Was nun die mathematischen Objekte betrifft, so gilt für sie das eben Gesagte nicht: zwar sind zweifellos auch die mathematischen Begriffe ursprünglich aus der Sinneswahrnehmung abgeleitet, aber wenn bei der Bildung von Fiktionen das die Wahrnehmung als solche charakterisierende Moment beibehalten wird, so ist es beim mathematischen Begriff so weit ausgeschaltet, er ist in einem solchen Sinn abstrakt, indem er eine verallgemeinernde "Idealisierung" des Wahrnehmungsbestandes ist, daß für ihn kein Korrelat anschaulich vorzustellen möglich ist. Die geometrischen Zeichnungen und ihre Vorstellungen fungieren nur als erläuternde Symbole. Eine exakte Wesensbestimmung der mathematischen Gebilde, ihrer Gesetzlichkeit und objektiven Gültigkeit, ist sehr schwierig, ein Kriterium für die Art der "abstrakten" Existenz in einem mathematischen Sinn gegenüber der konkreten Existenz gibt MEDICUS in scharfsinniger Weise an (25), wenn er das
    "Charakteristische der konkreten Existenz" in der "Selbständigkeit" sieht, "mit der sich die einzelnen Eigenschaften (der konkreten Dinge) ... gegeneinander halten", während "die Eigenschaften der rein mathematischen Objekte ... ineinander aufgehen und jede Selbständigkeit gegeneinander einbüßen."
Diese Andeutungen mögen genügen, um innerhalb der idealen Gegenstände wieder eine natürliche Grenze zu finden, welche dem Gebiet der Beschreibung der Fiktionen noch zurechnet, während die in einem mathematischen Sinn idealen Gegenstände davon ausgeschlossen sind. Es wird ja auch kein unbefangenes Urteil jemals behaupten, der Satz von der Winkelsumme im Dreieck oder gar eine Differentialgleichung, sei eine Beschreibung.

Schließlich sind nun noch die Unterschiede des Einzelnen und Allgemeinen einer Untersuchung zu unterziehen. Für diesen Gesichtspunkt war bereits das Ergebnis festgelegt, daß der Gegenstand der Beschreibung ein individueller, also ein einzelner sein muß, jedoch in dem Sinne, daß eine kollektive Allgemeinheit bis hin zur induktiven, in diese Einzelheit einzubegreifen war. Als Gegenseite dieser Bestimmung wurde das abstrakt Allgemeine ausdrücklich vom Gebiet der Beschreibung ausgeschlossen.

Das Allgemeine ist wohl der Begriff, welcher die Logik seit ARISTOTELES und bis heute am meisten beschäftigt und in der Deutung seines Bestandes und seiner Funktion die verschiedensten Auffassungen gefunden hat von der durch PLATO begründeten Hypostasierung [einer bloßen Vorstellung wird gegenständliche Existenz unterstellt - wp] der Allgemeinbegriffe als dem allein wahrhaft Seienden bis zum nominalistischen Extrem ihrer Auffassung als bloßer flatus vocis [Lufthauch - wp], zwischen welchen beiden Polen auch die heutigen Lehren noch in mannigfachen Formen bestehen. Auch in dieser Frage ist darum hier geboten, sich auf die speziellen Gesichtspunkte des Themas zu beschränken, ohne eine Entscheidung für das allgemeine Problem zu versuchen.

Daß eine Gesamtheit von Einzeldingen, sofern sie lediglich kopulativ zusammengefaßt sind, ein der Beschreibung zugängliches Allgemeines bildet, braucht nicht weiter erläutert zu werden. Es gehören hierher Aggregate jeder Art, wie Herden, Gebirge, Haufen und dgl., ferner, wie schon betont, der induktiv allgemeine Inbegriff aller Gegenstände einer bestimmten Art.

Soviel ist ferner jedenfalls sicher, daß auch der Einzelgegenstand unter Umständen "allgemein" betrachtet werden kann, und zwar in verschiedener Weise. Zunächst wenn er nur "in großen Zügen" aufgefaßt wird, also von einem Wahrnehmungsinhalt z. B. die äußeren Umrisse, oder die Linien seiner Gestalt in den hauptsächlichen Richtungen ohne Rücksicht auf geringere Abweichungen, oder seine augenfälligsten Farben und sonstigen Qualitäten beachtet werden. Eine solche Wahrnehmung kann unwillkürlich stattfinden, gezwungen durch unzulängliche Wahrnehmungsbedingungen. Wird sie willkürlich ausgeführt, so ist sie das Produkt einer Denkfunktion, welche HEINRICH MAIER als "anschauliche Abstraktion" bezeichnet, und die in der Wissenschaft, besonders z. B. in der Geographie, eine wichtige Rolle spielt, ohne bisher in der Methodenlehre die gebührende Würdigung gefunden zu haben.

Eine weitere Möglichkeit der allgemeinen Betrachtung des einzelnen Dings ist die, daß man an ihm all die Eigenschafften erfaßt, welche den Merkmalen eines Begriffs entsprechen, unter den es fällt. Damit wird der Gegenstand als Art einer Gattung im Sinne eines Typus charakterisiert, ohne dabei an seiner Singularität Einbuße zu leiden.

Beide Bestimmungen des Allgemeinen sind nicht an die Gegenstände unmittelbarer Wahrnehmung gebunden, sondern gelten auch für diejenigen einer möglichen Wahrnehmung. Auch in Bezug auf sie sind also Modifikationen der Beschreibung möglich. Im Hinblickk darauf, daß alle diese Bestimmungen des Allgemeinen an einzelnen, individuellen Gegenständen stattfinden, könnte man diese Art im Gegensatz zum abstrakt Allgemeinen zusammenfassend das konkret Allgemeine nennen.

Alle Unterscheidung von Einzelnem und Allgemeinem ist schließlich relativ, d. h. die Auswahl, nach der bestimmte Teile oder Seiten eines Gegenstandes vernachlässigt, andere zur Bildung des Allgemeinen herangezogen werden, muß nach bestimmten Gesichtspunkten oder Maßstäben geschehen, bei der begrifflichen Abstraktion ebenso wie bei dem eben besprochenen konkret Allgemeinen. Die hierhergehörigen Fragen werden ebenso wie die noch nicht berührte Allgemeinheit des Urteils erst im Folgenden behandelt werden.

Abschließend ist das Resultat dieses Kapitels zusammenzufassen: Der Gegenstand der Beschreibung muß ein Gegenstand unmittelbarer, möglicher oder nach Analogie möglicher Wahrnehmung sein; als solcher kann er sein:
    1. ein Ding mit Eigenschaften, ein Vorgang oder eine Beziehung

    2. dargestellt durch eine unmittelbare Wahrnehmungsvorstellung, durch solche der Erinnerung;

    3. einfach oder zusammengesetzt;

    4. real oder ideal im Sinne einer Fiktion;

    5. ein einzelner oder allgemein im Sinne des konkret Allgemeinen.
Damit kann er nicht sein:
    1. ein Transzendentes
    2. ein Allgemeinbegriff
    3. ein mathematischer Gegenstand,
    4. ein abstrakt Allgemeines.
Spezielle für den Gesichtspunkt der vorliegenden Untersuchung ist damit noch einmal hervorzuheben, daß in das Gebiet möglicher Beschreibung also seinem ganzen Umfang nach das Forschungsobjekt aller Naturwissenschaft fällt: die ganze "Natur" oder die uns umgebende Welt. Insofern dieser von ihrem Vorgestelltwerden eine unabhängige Wirklichkeit zugesprochen wird, ist es demnach zutreffend zu sagen, die Beschreibung gehe auf Tatsachen oder Tatsächliches, was jedoch im Hinblick auf die beschreibenden Fiktionen eine zu enge, und in anderer Hinsicht, wie sich zeigen wird, eine zu weite Bestimmung ist.

Unser Resultat hat aber das Objekt der Beschreibung in einem so weiten Gebiet aufgewiesen, daß eine Wesensbestimmung derselben aus ihrem Gegenstand allein nicht möglich ist. Daher muß das für sie Charakteristische in der Art gefunden werden, wie ihr Gegenstand urteilsmäßig gefaßt wird. Als Bedingung für diese Formulierung ist die hier gewonnene Bestimmung maßgebend, daß die Grenzen tatsächlicher und möglicher Wahrnehmung nicht überschritten werden dürfen.
LITERATUR - Agnes Hochstetter-Preyer, Das Beschreiben, Halle a. d. Saale, 1916
    Anmerkungen
    1) MAX PLANCK, Einheit des physikalischen Weltbildes, Seite 6.
    2) BENNO ERDMANN, Logik, Seite 60 und öfter; MEINONG, Die Erfahrungsgrundlagen unseres Wissens, Seite 29
    3) HEINRICH MAIER, Psychologie des emotionalen Denkens, Seite 173.
    4) Die logischen Voraussetzungen der nachstehenden Ausführungen sind in erster Linie an den Gedankengängen der Logik ERDMANNs (zweite Auflage 1907) orientiert. Man vgl. auch desselben: "Methodologische Konsequenzen aus der Theorie der Abstraktion", Sitzungsbericht der Akademie der Wissenschaften vom 16. März 1916, von welcher Abhandlung erst nach Abschluß der vorliegenden Arbeit Kenntnis genommen wurde.
    5) REMSEN-SEUBERT, Anorganische Chemie, 1906, Seite 2
    6) Vgl. MEINONG, Über Gegenstände höherer Ordnung, Zeitschrift für Psychologie und Physiologie der Sinnesorgane, Bd. 21, Seite 198.
    7) STUMPF, Tonpsychologie I, Seite 97.
    8) MILL, Logik I, Seite 83
    9) Vgl. STUMPF, Tonpsychologie I, Seite 119
    10) Vgl. MEINONG, a. a. O., Seite 201
    11) Vgl. HUSSERL, Philosophie der Arithmetik, Seite 179f.
    12) Logik I, Seite 173f
    13) vgl. HÖFLER, Studien zur gegenwärtigen Philosophie der Mechanik, Veröffentlichungen der Philosophischen Gesellschaft Wien, Bd. 3b, Seite 34
    14) vgl. Einheit des physikalischen Weltbildes, Seite 8
    15) Prinzip der Erhaltung der Energie, Leipzig 1908, Seite 172.
    16) vgl. MACH, Erkenntnis und Irrtum, Seite 278, 282 und öfter.
    17) BENNO ERDMANN, Über Inhalt und Geltung des Kausalgesetzes, Seite 5.
    18) Als konsequentester Versuch, die Vertretung des Kausalbegriffs durch den der Funktion durchzuführen, zugleich mit dem deutlichsten Bewußtsein des analytischen Sinn dieser Beziehungen, gliedert sich die Mechanik von HEINRICH HERTZ mit den fingierten starren Verbindungen der Massenpunkte hier in die Reihe der positivistischen Gedanken ein.
    19) vgl. MACH, Erkenntnis und Irrtum, Seite 279
    20) Logik, Seite 176
    21) Vgl. BENNO ERDMANN, Psychologie des Eigensprechens, Sitzungsbericht der preußischen Akademie der Wissenschaften vom 8. Januar 1914, Seite 6.
    22) Logik I, Seite 92
    23) In SIGWARTs Terminologie wäre zu sagen: nur erzählende Urteile können Beschreibungen sein, niemals erklärende (vgl. Logik I, Seite 68).
    24) Vgl. LOTZE, Logik (hg. von MISCH), Seite 412; VAIHINGER, Philosophie des Als Ob, Seite 24.
    25) Bemerkungen zum Problem der Existenz mathematischer Gegenstände, Kant-Studien, Bd. 19, Seite 11