tb-2cr-2p-4H. RickertOgden/RichardsH. HerringF. E. O. Schultze    
 
AGNES HOCHSTETTER-PREYER
Das Beschreiben
[Eine logische Untersuchung zur positivistischen Methodenlehre]
[3/4]

"Kant hat in seiner Kritik des ontologischen Gottesbeweises endgültig dargelegt, daß die Existenz nicht in demselben Sinn als Prädikat einem Gegenstand zugesprochen werden kann, wie seine Merkmale. So ist auch in der Wahrnehmung die Wirklichkeit der wahrgenommenen Dinge niemals irgendwie gegeben, sondern sie wird vom naiven Erkennen wie auch vom einzelwissenschaftlichen als selbstverständlich vorausgesetzt. Für die erkenntnistheoretische Analyse stellt sich dieses Voraussetzen als Ergebnis eines Schlußverfahrens dar."

II. T E I L
Logische Erörterungen des
Begriffs der Beschreibung

[Fortsetzung]

2. Kapitel
Logische Bearbeitung des Gegenstandes
im beschreibenden Urteil


§ 1. Das analysierende Wahrnehmungsurteil

Wenn von der urteilsmäßigen Form der Beschreibung die Rede ist, so müssen die dafür gültigen Bedingungen nicht nur im einzelnen beschreibenden Urteil erfüllt sein, sondern auch in dessen Verknüpfung mit anderen, also sowohl auf dem Weg, auf dem es gewonnen wurde, wie auch in seiner Stellung innerhalb eines Systems von Urteilen. So ist vom eigentlich beschreibenden Urteil die beschreibende Methode zu unterscheiden.

Für die logische Bearbeitung des Gegenstandes der Beschreibung ist zunächst maßgebend, was als Aufgabe der Beschreibung anzusehen ist. Als solche finden wir einerseits die von den Positivisten stets betonte Forderung genannt, das "Wie" der Erscheinungen, also die Beschaffenheit der Gegenstände, anzugeben, andererseits die Formulierung im praktischen wie im allgemeinen wissenschaftlichen Sprachgebrauch. Hier soll eine Beschreibung meist dazu dienen, den betreffenden Gegenstand darzustellen, sei es, daß der Hörer ihn kennenlernen soll, sei es, daß der Urteilende selbst sich Klarheit über seine Wahrnehmungen verschaffen will. Beide Fassungen sagen dasselbe. So wird das "in Gedanken Wiederholen", das "Abbilden" zu eigentlichen Ziel der Beschreibung. Insofern das Bild des Gegenstandes dessen Individualität festhält, dient es zugleich dem Zweck, diesen Gegenstand "von allen anderen zu unterscheiden", wie die Schullogik die Aufgabe der Beschreibung formuliert (siehe oben). Doch ist dieser Ausdruck gegenüber dem des Abbildens nur gelegentlich zutreffend, denn einerseits kann man einen Gegenstand von allen anderen durch ein einziges willkürliches Kennzeichen oder durch die Angabe der raumzeitlichen Lokalisation unterscheiden, was dem eigentlichen Wesen der Beschreibung sehr fern liegt, andererseits ist auch eine Beschreibung möglich und, wie sich zeigen wird, sogar wissenschaftlich sehr viel geübt, die auf mehrere Gegenstände einer ähnlichen Beschaffenheit zutrifft. So bleibt der Zweck der Beschreibung, ein Bild ihres Gegenstandes zu geben.

Betrachten wir nun zunächst das eigentlich beschreibende Urteil und nehmen als einfachstes Beispiel einen Gegenstand unmittelbarer Wahrnehmung, so findet sich, daß die Darstellung desselben als Zergliederung seines komplexen Inhaltes in Elemente, in der logischen Form einer mehrgliedrigen Urteilsverbindung gegeben ist. Dabei entspricht die Art, wie die einzelnen Urteile miteinander verknüpft werden, dem Gegebensein der Bestandteile des vorliegenden Gegenstandes: die Vereinigung mehrerer Qualitäten in einem Ding wird ausgedrückt durch die Aufzählung dieser Eigenschaften in konjunktiven [verbindenden - wp] und auch gelegentlich divisiven [Verhältnis von Grund und Folge - wp] Urteilsverbindungen. Ist von mehreren Gegenständen dieselbe Eigenschaft auszusagen, so geschieht dies in kopulativer [aneinanderreihend - wp] Form.

Solche Verbindungen sind aufzulösen in elementare zweigliedrige Aussagen, die sämtlich analysierende Wahrnehmungsurteile sind, oder auf solche zurückgehen. Somit ist in diesen die Grundform des elementaren beschreibenden Urteils gefunden. Es muß hier eingeschaltet werden, daß unter einem analysierenden Wahrnehmungsurteil jedes Urteil verstanden wird, das die Bestandteile eines Gegenstandes tatsächlicher oder möglicher Wahrnehmung formuliert, ohne Rücksicht also auf Gesichtspunkte, die nach dem psychologischen Zustand des urteilenden Subjekts analysierende und konstituierende Wahrnehmungsurteile unterscheiden lassen. Damit fallen alle Wendungen zusammen, die einerseits die Beschreibung als Analyse fassen (1) und die andererseits einen "Aufbau" (2), eine Konstruktion (3) und dgl. sehen. Eine solche Gleichsetzung ist gerechtfertigt, weil die Analyse, sofern sie die Struktur eines Gegenstandes darstellt, ein Wechselbegriff der Synthese ist, und für den logischen Bestand des Urteils eine Auffassung im ein oder anderen Sinn keinen Unterschied macht. Auch auf eine zweite psychologische Unterscheidung braucht keine Rücksicht genommen zu werden, nämlich - das folgt schon aus der Koordination der Gegenstände tatsächlicher und möglicher Wahrnehmung - ob der Gegenstand so vollständig, wie er im Urteil formuliert wird, der Wahrnehmung vorliegt, oder ob apperzeptive Ergänzungen seinen Bestand für das Urteil vervollständigen, oder ob er ausschließlich in der Vorstellung des urteilenden Subjekts gegeben ist. Das ursprüngliche Wahrnehmungs-, das direkte und das abgeleitete Erfahrungsurteil sind also in dieser Hinsicht ganz gleichgeordnet.

Eine Art der ergänzenden Erfahrungsurteile bedarf jedoch einer besonderen Erwähnung: das symbolische. Es gibt zwei Formen desselben, je nachdemob das Symbol nur im Bestand einer vorliegenden Wahrnehmung enthalten ist, das Urteil also den Gegenstand unmittelbar benennt, wie bei geographischen und schematischen Zeichnungen, oder ob das Urteil selbst in symbolischen Ausdrücken formuliert ist. Für den ersten Fall versteht sich die Möglichkeit eines beschreibenden Urteils aufgrund des Symbols von selbst: war es gleichgültig, ob der Gegenstand überhaupt gegeben ist oder nicht, so macht es auch keinen Unterschied, wenn er - gleichsam auf einer Mittelstufe zwischen diesen beiden Extremen - durch einen mehr oder weniger ähnlichen Wahrnehmungsbestand angedeutet wird.

Von dieser Art des anschaulichen Symbols zu trennen - wenn auch wiederum nicht durch eine scharfe Grenze, da mit abnehmender Ähnlichkeit des Symbols ein Übergang stattfindet - ist das Symbol durch konventionelle Zeichen. Eigentlich gehört hierher das ganze Gebiet der - gesprochenen und gelesenen - Sprache, die Beziehungen zwischen dem "spezifischen" Wort und seinem Bedeutungsinhalt, dem "gemeinten" Gegenstand (HUSSERL) usw. Aber in einer Untersuchung über eine Frage der Einzelwissenschaft muß, wie schon betont, von deren Voraussetzungen ausgegangen, hier also die Sprache als conditio sine qua non [Grundvoraussetzung - wp] der mitteilbaren Wissenschaft und als einigermaßen adäquater Ausdruck der gemeinten Gegenstände vorausgesetzt werden. Für sie fängt ein Symblo erst an, wo für besondere Zwecke Zeichen festgelegt werden, welche in der gewöhnlichen Sprache nicht gebräuchlich sind, so in der Astronomie die Bilder für Sterne und Sterngruppen, die abkürzenden stöchiometrischen Zeichen in der Chemie, die Buchstaben und Formeln in der Mathematik und, was für uns von hervorragender Wichtigkeit ist, deren Anwendung in der Physik. Für solche Symbole steht von vornherein fest, daß in der Beschreibung ein jedes zulässig ist, sofern es nur den Gegenstand so zum Ausdruck bringt, wie er in ihr gedacht werden muß. Es erhebt sich also die Frage, ob mathematische Zeichen und Formeln imstande sind, Gegenstände der Wahrnehmung so zu formulieren wie Beschreibungen. Ein schroffer Gegensatz zwischen der Beschreibung und der reinen Mathematik war schon hinsichtlich des Gegenstandes gefunden worden (siehe oben). Doch sind reine Mathematik und theoretische Physik voneinander wieder so verschieden wie eine apriorische Begriffswissenschaft von der empirischen Tatsachenwissenschaft, mit der sie ein und dieselbe Sprache gemeinsam hat, sodaß es prinzipiell möglich ist, daß der Sinn der mathematischen Zeichen von den abstrakten mathematischen Gegenständen auf konkrete physische übertragen wird, wie es auch bei jeder Formulierung des Resultats einer Messung tatsächlich geschieht. Und die Tatsache, daß die Positivisten diese Sprache unbendenklich mit der verwordenen erklärenden Physik gemeinsam sprechen, zeugt von der Möglichkeit, ihre Sätze in einem verschiedenen Sinn auszulegen. So darf sich die Entscheidung unseres Problems nicht auf Argumentationen aus dem Wesen der mathematischen Begriff stützen, und dementsprechend werden die mannigfachen Fragen über das Verhältnis der mathematischen zur gewöhnlichen Formulierung hier unberührt bleiben dürfen.

Wir kehren zum einfachen analysierenden Wahrnehmungsurteil zurück.

Daß von den Theorien über das logische Wesen des Urteils hier ganz abgesehen wird, liegt in der Aufgabe der Arbeit. Ihrem Inhalt nach sind die Wahrnehmungsurteile entsprechend der Aufzählung der Gegenstände zunächst Eigenschafts- (4) oder Inhärenzurteile: dieser Apfel ist rot usw. Eine Analyse unter diesem Gesichtspunkt führt zu den einfachen Sinnesempfindungen als letzten Elementen des Wahrnehmungskomplexes (siehe oben). Indem diese selbst nicht weiter analysierbar sind, können sie nicht wieder Gegenstand einer analysierenden Beschreibung sein. Doch müssen sie in jede Beschreibung eines Dings mit Eigenschaften eingehen als Prädikate, die von dem das Ding bezeichnenden Subjekt ausgesagt werden. So sind sie unentbehrliche Bestandteile der Beschreibung und können als eines ihrer Mittel bezeichnet werden. Aber wenn ihr Inhalt auch nicht weiter zerlegt werden kann, so sind die einfachen Sinnesempfindungen selbst doch noch wieder bestimmbar: Indem sie mit anderen verglichen werden, kann ihre Ähnlichkeit mit jenen formuliert werden. Aufgrund solcher Vergleichungen sind die möglichen Inhalte der verschiedenen Qualitäten in Reihen geordnet, die Töne in die eindimensionale Reihe der Tonleiter, die Farben in verschiedene Schemata, z. B. das Farbenoktaeder usw. Jeder individuelle Empfindungsinhalt kann nun in eine solche Reihe eingeordnet und durch einen Vergleich hinsichtlich der Ähnlichkeit mit bestimmten anderen in seiner Individualität genau bestimmt werden; so eine Farbe nach Intensität und Sättigung. Da die Ähnlichkeit als Gegenstand möglicher Wahrnehmung aufgewiesen war (siehe oben), geht ein Urteil, das die Ähnlichkeit mehrerer Wahrnehmungsinhalte formuliert, nicht über die gegebene Grenze hinaus und so sind in diesem Sinne die einfachen Sinnesempfindungen auch mögliche Objekte für eine Beschreibung.

Mit der Formulierung von Ähnlichkeiten ist bereits der Übergang vollzogen zu den Relationsurteilen. Von ihnen kommen in erster Linie die in Betracht, welche räumliche und zeitliche Beziehungen ausdrücken. Streng genommen gehören auch die eben behandelten Eigenschaftsurteile hierher, weil sie eine Inhärenz, also eine Beziehung formulieren. Aber da das Bewußtseins, da es sich dabei um eine Beziehung handelt, infolge der innigen Durchdringung aller Qualitäten in einem Ganzen fast völlig fehlt, ist es berechtigt, diese Art der Eigenschaftsurteile abzusondern. Wie fließend die Übergänge bei dieser Einteilung überhaupt sind, zeigt sich an derjenigen Art der Relationsurteile, welche ausdrücklich von den beschreibenden ausgeschlossen werden muß, den Kausalurteilen. Denn in einem elementaren Kausalurteil wird die Beziehung kaum je so formuliert: A ist die Ursache von B, sondern immer: A bewirkt B, womit das Kausalurteil zum Tätigkeitsurteil wird. Eine solche Trennung ist schließlich gleichgültig gegenüber der prinzipiellen Bestimmung, daß kein Urteil ein beschreibendes ist, welches, gleichgültig in welcher Form, eine ursächliche Beziehung ausdrückt. Mit dieser Bedingung ist gegenüber dem bisher Ausgesagten nichts Neues gesagt, sondern nur eine Anwendung der allgemeinen Forderung gemacht, den Kausalbegriff auszuschalten. Denn es wäre unzulänglich, etwa aus dieser Bestimmung heraus zu argumentieren, daß die Physik Tätigkeitsurteile mit kausaler Bedeutung nicht entbehren kann, indem sie von vornherein mit Begriffen wie Heben, Reiben, Biegen usw. arbeitet, die sämtlich kausale Beziehungen ausdrücken, und daß deswegen die Möglichkeit einer beschreibenden Physik abgelehnt werden muß. Vielmehr hängt der Sinn solcher transiviten Verben von der allgemeinen Entscheidung über die physikalischen Beziehungen ab, ob diese als kausale oder funktionale im oben besprochenen Sinn aufzufassen sind. Wenn es überhaupt möglich ist, die physikalischen Zusammenhänge als rein formale aufzufassen, dann sind auch die hier besprochenen Vorgänge in diesem Sinn umzudeuten, z. B. das Reiben würde aufgelöst in die Bewegung eines Körpers entlang der Oberfläche eines anderen, die durch menschliche Muskelbewegung "ausgeübte" Bewegung ebenso in eine raumzeitliche Kontiguität [Zusammenfließen - wp]. Unter dem Vorbehalt einer späteren Entscheidung können solche Vorgänge also vorläufig der Beschreibung zugerechnet werden.

Was nun die Funktion des Analysierens betrifft, so kann die Beschreibung wie zu den einfachsten Empfindungsinhalten, so auch zu letzten einfachen Verhältnissen und Veränderungen fortschreiten. Insofern diese nicht wieder einer analysierenden Beschreibung fähig sind (siehe oben), können sie als "Bausteine" (5), ihre Wortbezeichnungen als die eigentlichen Ausdrucksmittel der Beschreibung bezeichnet werden. Jedoch wird im allgemeinen eine Beschreibung nicht bis zu solchen letzten Elementen kommen, sondern bei Ausdrücken stehen bleiben, die sie als allgemein bekannt voraussetzen kann. Da aber prinzipiell jede Analyse erst bei ihnen zum Abschluß gelangt, so möge in diesem Sinn die Unterscheidung MACHs von direkter und indirekter Beschreibung (6) hier aufgenommen werden. Auf deren weitere Bestimmung ist an späterer Stelle einzugehen.

Aber die Formulierung der einfachen Beziehungen zwischen einfachen Gegenständen ist selbst nur eine Abstraktion aus der wirklichen Art der Darstellung des Gegebenen. Die Mannigfaltigkeit der Welt der Sinneseindrücke bringt es mit sich, daß zwischen den einfachen Beziehungen und Vorgängen verwickeltere Beziehungen wahrgenommen werden - man könnte sie solche zweiter Ordnung nennen. Um sie urteilsmäßig zu wiederholen, müssen die elementaren Urteile zu Gefügen verbunden werden, die man mit ERDMANN als hypothetische im weitesten Sinn (7) bezeichnen kann. Mit ihnen beginnt das eigentliche wissenschaftliche Forschen, denn nicht die einzelnen Beobachtungen interessieren den Physiker, wie z. B. das Reiben einer Siegellackstange für sich und das Bewegen leichter Körper auf den Siegellack hin, sondern die Beobachtung einer regelmäßigen Aufeinanderfolge dieser beiden verschiedenen Vorgänge.

Entsprechend den Bedingungen für die Beschreibung sind von solchen Gefügen jedenfalls diejenigen beschreibend, welche eine zeitliche oder räumliche Beziehung der Glieder ausdrücken: als der Hund bellte, schlug die Uhr; wo einst ein Dorf stand, strömt jetzt der Fluß. Aus einer solchen Form entstehen auch die physikalischen Urteile, denn für jedes kann eine erste einzelne Beobachtung als Grundlage gedacht werden. die in der Weise formuliert wird: nachdem ich den Siegellack gerieben hatte, bewegten sich leichte Körper auf ihn zu.

Aber wenn diese physikalischen Grundurteile sich dann zu eigentlich physikalischen Sätzen umgestalten, nämlich das Resultat wiederholter ausnahmsloser Beobachtungen in der Verallgemeinerung: immer, jedesmal wenn ... formulieren, erheben sich neue Fragen für die Möglichkeit der beschreibenden Physik: einerseits hängt sie vonm Sinn der Beziehung ab, in dem die Glieder des Vor- und Nachsatzes stehen sollen, d. h. also von der schon aufgestellten Frage, ob alle physikalischen Beziehungen funktionaler Art im weiteren Sinn sind. Denn nur diese wahrnehmbaren Beziehungen dürfen in einer Beschreibung formuliert werden. Außer der Art der Verknüpfung ist aber ferner die behauptete Regelmäßigkeit der Erscheinungen von Bedeutung. Denn nur wenn diese als rein empirische Allgemeinheit, ohne irgendeinen Untergedanken kausaler oder notwendiger Wiederholung gedacht wird, kann sie Objekt einer Beschreibung sein. Die Bedingung, daß die physikalischen Sätze, die man im allgemeinen Gesetze zu nennen pflegt, nur Regeln bedeuten in dem Sinne, daß sie wahrnehmbare Gleichförmigkeiten darstellen, ist also ein neues sachliches Moment, und an der Entscheidung, ob die Physik sich mit dieser Auffassung begnügen kann, hängt wiederum die Möglichkeit einer rein beschreibenden Physik.

Zunächst müssen nun die Grundformen des beschreibenden Urteils zu Ende untersucht werden. Unter den analysierenden Wahrnehmungsurteilen gibt es die schon erwähnte (siehe oben) Art, welche besonders und ausschließlich der Forderung genügt, einen Gegenstand von allen anderen zu unterscheiden; das ist dasjenige Urteil, welches ein Ding nach seiner raumzeitlichen Individuation bestimmt. In der Tat ist der Gegenstand, welcher sich um so und soviel Uhr eines bestimmten Tages an einem Ort so und sovielter Länge und Breite befindet, von allen anderen durchaus unterschieden, auch ohne daß irgendetwas über seine Beschaffenheit und Art gesagt würde (8). Wie hier in das allgemeine System der Zeit- und Ortsbestimmung, so kann ein Ding natürlich in jeden anderen Zusammenhang auch lokalisiert werden: das gesuchte Buch ist in der zweiten Reihe das fünfte von rechts und dgl. Fragt man, ob derartige Bestimmungen auch als Beschreibungen anzusehen sind, so wird man das aus zwei Gründen bejahen. Einmal gehört auch so ein abzählendes Bestimmen noch in die Analyse eines Wahrnehmungsinhalts, und dann ist es durch fließende Übergänge mit den anderen möglichen Arten des Analysierens verbunden, sodaß es nur durch eine ganz willkürliche Begrenzung von jenen getrennt werden könnte; denn ob man sagt: neben dem roten Haus steht ein gelbes, oder: das vierte Haus nach dem gelben hat ein blaues Dach - ist doch völlig gleichwertig. Der besonderen Funktion dieser abzählenden Beschreibung, der speziell individualisierenden Kenntlichmachung, könnte man durch ihre Benennung als diagnostische Beschreibung Rechnung tragen. Von Bedeutung ist, daß in dieser vorwissenschaftlichen Art der Beschreibung schon die Anwendung der Zahlbestimmung beginnt - völlig mit Recht, da ja auch die Anfänge dieser Begriffe in der Wahrnehmung gegeben sind (siehe oben).

Alle bisher abgeleiteten Ergebnisse bedürfen mannigfacher Ergänzungen, um sie zu einem spezifisch wissenschaftlichen Gebrauch fähig zu machen. Vorher jedoch erhebt sich die Frage, ob über den Gegenstand der Wahrnehmung noch andere als analysierende Urteile möglich sind, und wie sie sich zu den Bedingungen der Beschreibung verhalten. Nun kann einem Inhalt der Wahrnehmung noch entweder ein reales Korrelat in der Wirklichkeit zu- oder abgesprochen oder er kann als Exemplar einer Gattung gekennzeichnet werden. Diese Formulierungen, also das Existenzial- und Klassifikationsurteil, sind darum jetzt zu untersuchen.


§ 2. Existenzial- und
Klassifikationsurteil

Was zunächst das Existenzialurteil betrifft, so braucht nur auf die Argumentation KANTs hingewiesen werden, der in seiner Kritik des ontologischen Gottesbeweises endgültig dargelegt hat, daß die Existenz nicht in demselben Sinn als Prädikat einem Gegenstand zugesprochen werden kann wie seine Merkmale. So ist auch in der Wahrnehmung die Wirklichkeit der wahrgenommenen Dinge niemals irgendwie gegeben, sondern sie wird vom naiven Erkennen wie auch vom einzelwissenschaftlichen als selbstverständlich vorausgesetzt. Daß sich für die erkenntnistheoretische Analyse dieses Voraussetzen selbst als Ergebnis eines Schlußverfahrens darstellt, kann hier unberücksichtigt bleiben, ebenso wie die mancherlei Probleme, die in der logischen Untersuchung dieser Urteile noch enthalten sind. Hier kommt es lediglich auf die Wiederholung des - unbestrittenen - Satzes an, daß die Existenz kein Merkmal des Dings, nicht in der Wahrnehmung enthalten ist. Diese Tatsache genügt, um das Existenzialurteil vom beschreibenden prinzipiell zu trennen. Darum kann hier völlig von der Deutung abgesehen werden, welche im Existenzialurteil die Beziehung auf das Transzendente denken und dieses damit zu einer Art der Kausalurteil werden läßt. Das würde diese Begrenzung übrigens ebenso rechtfertigen, wie sie sich als Konsequenz des früheren Gedankens erweist, daß hinsichtlich des Objekts der Beschreibung den Gegenständen tatsächlicher Wahrnehmung diejenigen möglicher und nach Analogie möglicher Wahrnehmung, den realen die Fiktionen, nebenzuordnen sind, da es logisch gleichgültig ist, ob diese Gegenstände existieren oder nicht, sofern sie nur das Gebiet möglicher Wahrnehmung nicht überschreiten.

Ist so das Existenzialurteil als verschieden vom beschreibenden aufgewiesen, so knüpfen sich hieran zwei Bemerkungen. Zunächst ist es wohl sicher, daß ein Existenzialurteil die "Konstatierung einer Tatsache" ist, denn die Existenz ist doch die Grundtatsache für ein Ding. Damit ist die vorhin angedeutete Unzulänglichkeit der Gleichsetzung von Beschreibung und Konstatieren einer Tatsache aufgewiesen. Zweitens zeigt sich ein erster Unterschied zwischen einem beschreibenden Urteil und der Methode einer beschreibenden Wissenschaft. Denn für eine solche, etwa die Zoologie, ist die Voraussetzung, daß die von ihr beschriebenen Organismen auch wirklich existieren, von unentbehrlicher Wichtigkeit. Zwar kann sie auch aus Zweckmäßigkeitsgründen oder durch zwingende Schlußfolgerungen veranlaßt, neue Wesen fingieren und sie als Gegenstände einer möglichen Wahrnehmung beschreiben, aber von systematischem Wert ist eine solche Konstruktion doch erst, wenn ein derartiges Exemplar wirklich als auffindbar angenommen wird. So sind Urteile wie: es gibt schwarze Schwäne, es hat den pithecanthropus erectus gegeben - von außerordentlicher Bedeutung für eine solche Wissenschaft, und sind zugleich doch weit davon entfernt, ihr den Charakter einer beschreibenden Wissenschaft zu nehmen. Genau das Gleiche gilt natürlich für die Physik. Es wäre also festzustellen: daß das Existenzialurteil nicht zu den beschreibenden Urteilen gehört, doch ist es ein unentbehrlicher Bestandteil der beschreibenden Methode.

Auch für die zweite Gruppe von Urteilen, die klassifikatorischen, wird sich ein ähnliches Ergebnis herausstellen. Zwar würde die Definition des klassifikatorischen Urteils theoretisch mit den gegebenen Bedingungen übereinstimmen, welche dieses als Behauptung einer Ähnlichkeit zwischen dem im Subjekt bezeichneten und den im Prädikat zusammengefaßten Gegenständen bestimmt (9), denn wir haben die Ähnlichkeit als eine Beziehung erkannt, welche ihre Grundlage ebenso im Bestand der Wahrnehmung hat wie die des Größer, Kleiner usw., aber eine Ähnlichkeit wird natürlich nur solange Gegenstand einer Beschreibung sein können, wie beide Beziehungsglieder Gegenstände der Wahrnehmung sind. Diese Bedingung wird nun im klassifikatorischen Urteil nicht erfüllt. Denn das Prädikat bezeichnet eine Gattung und ist infolgedessen ein Begriff. Ein solcher aber faßt die unter ihn fallenden Gegenstände nicht als Kollektivum zusammen, sondern bearbeitet sie in einer abstrahierenden Tätigkeit, so daß er selbst nur noch ein Gedankending ist, nach Inhalt und Umfang bestimmt, ohne ein mögliches Korrelat in der Wirklichkeit. So fällt schon mit dem zweiten Beziehungsglied auch die Möglichkeit, das klassifikatorische Urteil als beschreibendes anzusehen. Allerdings wird durch diese Auffassung überhaupt die Auslegung des Subsumtions- als Ähnlichkeitsurteil in Frage gestellt (10). Auf keine Weise kann es aber, wenn es eine Beziehung zwischen einem Gegenstand der Wahrnehmung und eine Begriff herstellt, als beschreibendes aufrechtgehalten werden.

Ebenso wie beim Existenzialurteil versteht es sich aber wieder von selbst, daß auch das klassifikatorische innerhalb der wissenschaftlichen Methode nicht zu entbehren ist. Auch hier wird aber der Charakter als beschreibender Wissenschaft dadurch nicht aufgehoben. Denn ebenso wie Definition und Einteilung, wie Problemstellungen und Benennungen, sind auch die Klassifikation und Existenzbehauptungen Elemente jeder wissenschaftlichen Methode als solcher, sie bilden also Bestandteile, die allen Wissenschaften gemeinsam sind und darum keine Unterschiede der Methoden ausmachen können.

Doch wir stoßen bei diesem Subsumtionsurteil noch auf Schwierigkeiten anderer Art. Hatten wir keinen Widerspruch zu erwarten gegen die Behauptung, daß ein Existenzialurteil keine Beschreibung sein kann, so finden wir doch gelegentlich das klassifikatorische als Beschreibung angesprochen, z. B. bei JOHN STUART MILL. Daß in seinem Beispiel für eine Beschreibung, die fälschlich als Induktion bezeichnet wird, in dem Urteil: "dieses Land ist eine Insel" wirklich eine Klassifikation vorliegt, dürfte unzweifelhaft sein, auch MILL selbst würde es wohl zugeben, ohne aber darin einen Grund zu sehen, daß das Urteil nicht zugleich eine Beschreibung sein dürfte. Er meint nämlich so (11): Wenn ein Phänomen aus einzelnen Teilen besteht, die nur getrennt und mit Zwischenräumen beobachtet werden können, so ist eine Beschreibung des ganzen Phänomens nachträglich möglich, indem die Beschreibungen der Teile, "die Fragmente", "miteinander verbunden, summarisch zusammengefaßt" werden. Dieser theoretischen Bestimmung würden wir unbedenklich Recht geben: die bloße Zusammenstellung der Beschreibungen einzelner Teile eines Dings kann gar nichts anderes sein als wieder eine Beschreibung, so etwa die nur in langen Zeitabständen zu gewinnende Schilderung der Entwicklung eines Samenkorns zur fruchttragenden Pflanze. Aber - und bei dieser Gelegenheit möge eine allgemeinere Bemerkung Platz finden - es besteht eine Gefahr in der Deutung eines Ausdrucks als "Zusammenfassung", der gerade die Vertreter des Empirismus und Positivismus häufig zum Opfer gefallen sind. Es liegt nahe, wenn man findet, daß ein einziger Ausdruck für die Mitteilung ungefähr dasselbe leistet wie mehrere ausführlichere, diesen für die Zusammenfassung jener zu halten. Aber es muß in jedem solchen Fall erst genau untersucht werden, ob durch die "Zusammenfassung" nicht ein neues Moment hinzugekommen ist, das den einzelnen Teile und ihrer bloßen Zusammenstellung fern liegt, so wie - umd das von MILL zitierte (12) treffende Beispiel WHEWELLs zu gebrauchen - der Haufen vorhandener Perlen erst durch die Schnur zur zusammenhängenden Kette wird. Besonders fehlt eine derartige kritische Besinnung bei einer Lehre, welche die Probleme der Begriffs- und Gesetzesbildung, der Induktion usw. übersieht, indem sie alle in der abkürzenden, zusammfassenden Funktion einer Ökonomie des Denkens gelöst glaubt.

So zeigt sich nun auch, daß das von MILL angeführte Beispiel nicht der Bestimmung als bloßer Zusammenfassung entspricht. Er läßt einen Schiffer ein Land entdecken und aus mehrtätigen Beobachtungen beim Umschiffen desselben die Bennung des Landes als Insel gewinnen. Darin hat MILL vollkommen recht, daß ein solcher logischer Prozeß mit Induktion nichts zu tun hat. Aber eine komplexe Beschreibung ist er auch nicht. Die "summarische Zusammenfassung" der einzelnen beobachteten Tatsachen, etwa der Drehung der Kompaßnadel, Stellung der Gestirne usw., schließlich der Rückkehr zum Ausgangspunkt - bildet vielmehr bei einer logischen Analyse des Prozesses die zweite Prämisse in einem Syllogismus, dessen Obersatz die Definition der Insel und dessen Conclusio [Schluß - wp] eben das Resultat, daß das Land eine Insel sei, ist; es liegt also ein regelrechter Subsumtionsschluß vor, durch den die ursprünglichen Beschreibungen wesentlich erweitert werden.

Wir haben dieses Beispiel so ausführlich erörtert, weil sich wichtige Betrachtungen daran anknüpfen lassen. Zunächst überträgt MILL die Bestimmungen seines Inselbeispiels auf einen Fall aus der Geschichte der Physik, der fast in jeder Erörterung über die physikalische Methode als Beispiel herhalten und darum auch hier betrachtet werden muß: Auf KEPLERs Erkenntnis, daß die Bahn des Mars eine Ellipse ist. Sieht man vorläufig von der mathematischen Instrumentaion ab, so läßt sich in der Tat diese Entdeckung auf das gleiche logische Schema bringen: die einzelnen Beobachtungen der verschiedenen Örter des Mars, ihrer gegenseitigen Beziehungen inbegriffen, als Untersatz, dazu die Definition, daß Punkte, zwischen denen solche Beziehungen bestehen, in einer Ellipse liegen, erfordern den Schlußsatz, daß die Bahn des Mars eine Ellipse ist. War unsere erste Analyse richtig, so muß also auch das Urteil: "der Mars bewegt sich in einer Ellipse" ein klassifikatorisches und kein beschreibendes sein. Und doch wird diese Behauptung, auch unter Anerkennung der Richtigkeit der obigen logischen Ableitung, nicht so einfach bestätigt werden. Von anderen Gesichtspunkten aus werden auch wir nicht umhin können, dieses Urteil als Beschreibung zu bezeichnen: die Planeten, die Bewegung, die durchlaufende, ellipsenförmige Bahn, sind Gegenstände möglicher Wahrnehmung, und von dem - gewiß beschreibend zu nennenden - Urteil: "die Kinder spielen im Kreis herum" unterscheidet es sich nicht anders wie jedes wissenschaftlich präzisierte vom entsprechenden Urteil des täglichen Sprachgebrauchs. Die Lösung dieser Schwierigkeit liegt in einer allgemeineren Sachlage, die einerseits durch das wechselseitige Verhältnis aller Teile der Wissenschaft zueinander, andererseits durch die Gebundenheit der Wissenschaft an die sprachliche Formulierung bedingt ist.


§ 3. Die Voraussetzungen des
beschreibenden Urteils

Innerhalb des Systems einer Wissenschaft, in welchem sich ähnlich dem Organismus alle Teile gegenseitig bedingen und stützen, geht es nicht immer an, ein Urteil ganz für sich allein, losgelöst aus seinem Zusammenhang, zu betrachten. Es ist vielmehr möglich, daß je nach seinem logischen Ort wörtlich ein und dasselbe Urteil doch eine ganz verschiedene Bedeutung hat. Man kann dafür auch sagen: entsprechend dem Gedankengang liegt der Ton mehr auf diesem, mehr auf jenem Teil des Urteils. So ist es nun auch beim obigen Beispiel: in der logischen Schematisierung von KEPLERs Entdeckung, wo es darauf ankommt, die Bahn der Planeten - etwa im Gegensatz zu den alten Zyklen- und Epizyklentheorien - als Art zur Gattung der Ellipse darzustellen, ist das Urteil zweifellos ein klassifikatorisches, während es in einem anderen Zusammenhang durchaus als beschreibendes gelten kann. Solcher Art findet sich eine Fülle von Beispielen, ja es zeigt sich, daß auch im vorwissenschaftlichen Denken schließlich jedes analysierende Wahrnehmungsurteil, sogar wenn es bis zu den letzten Elementen, den reinen Empfindungen, den einfachsten Beziehungen und Vorgängen fortgeht, einer solchen doppelten Interpretation fähig ist.

Diese, häufig eher durch den logischen Takt als durch ein Messen an logischen Normen zu entscheidenden Schwierigkeiten sind unvermeidlich in jeder Wissenschaft, welche unmittelbar aus dem praktischen Leben entstanden und mit ihm und seinem Sprachgebrauch durch fließende Übergänge verknüpft ist. Allein die Mathematik in ihrer abstrakten Abgeschlossenheit macht eine Ausnahme. Nirgends als bei ihr ist es daher auch möglich, die Grundlagen einer Wissenschaft so zu konstruieren, daß nicht eine Position eine andere zugleich bedingt und voraussetzt - ein Umstand, der nur dann ernsthafte Schwierigkeiten bereitet, wenn die unmögliche Forderung einer isolierten und in sich gegründeten Wissenschaft gestellt wird. Wieder ist hier das Verhältnis von Klassifikation und Beschreibung als Beispiel anzuführen. Denn wenn die Beschreibung von einem Gegenstand der Wahrnehmung spricht, etwa diesem Baum, so ist das Urteil über ihn doch erst möglich, wenn sein Wahrnehmungsbestand aufgrund eines Subsumtionsschlusses der oben bezeichneten Art unter den Begriff des Baumes klassifiziert ist. Andererseits war diese Subsumtion erst gerade dadurch möglich, daß die Beschreibung des Gegenstandes vorhergegangen war.

Eine Vermeidung dieses Zirkels wäre möglich, wenn man mit SIGWART (13) das Urteil nur als reine Beschriebung gelten ließe, dessen Subjekt die bloße Form, das räumlich bestimmte Phänomen, ist. Ein Beispiel ist für ihn: das was an einem bestimmten Ort innerhalb wahrnehmbarer Grenzen erscheint, ist gelb, glänzend, hart usw. Und er fährt fort:
    "Von diesem Phänomen aber auszusagen, daß es Gold ist, beruth auf einem Subsumtionsschluß ... Damit wird das Phänomen interpretiert und man geht über die Beschreibung hinaus. Ferner setzt man damit die klassifikatorische Begriffsbildung voraus."
Würde dementsprechend der Gegenstand der Beschreibung so weit eingeschränkt, daß ihm nur noch das unbestimmte, etwa durch den Hinweis, dieses da, jenes damals bezeichnete Subjekt entsprüche - was aber auch SIGWART selbst gar nicht verlangt -, so würde nicht nur dem Sprachgebrauch des täglichen Lebens wie dem der Wissenschaft Gewalt angetan, sondern es wäre auch nicht viel gewonnen, da für die im Prädikat auszudrückenden Eigenschaften, bzw. Vorgänge und Beziehungen doch wieder eine vorangegangene Klassifikation gefordert werden müßte. Dieses Verhältnis besteht übrigens nicht nur zwischen dem beschreibenden und dem klassifikatorischen Urteil, sondern zwischen diesem und einem jeden, sofern es bedeutungsvolle Worte enthält.

Die beiden hier aufgewiesenen Schwierigkeiten, die mögliche doppelte Bedeutung ein und desselben Urteils und das eben besprochene Zirkelverhältnis, sind begründet in den Bedingungen, die bei jedem Urteil als formuliertem Denken vorausgesetzt werden müssen, nämlich den der sprachlichen Formulierung. Was zunächst das zweite betrifft, so sei daran erinnert, daß die Wissenschaft zur Grundlage einen Bestand von Begriffen und Denkfunktionen hat, welche den Bedürfnissen des praktischen Lebens entsprechend ausgestaltet und benannt, in ihrem Inhalt vielfach logisch unzulänglich und widerspruchsvoll geblieben sind. Sie werden zuerst unbesehen aufgenommen und verwendet. So entstehen Beschreibungen, die jene vorläufig klassifizierten Begriffe verwenden (14) und deren reichere Ergebnisse zu neuen Definitionen und Klassifikationen führen, die wieder das Material zu neuen Beschreibungen liefern. Es ist dies das überall geübte Verfahren der "fortschreitenden Korrektur" der älteren Ergebnisse durch neuere, wovon nicht nur die lebendige Weiterentwicklung der Naturwissenschaften, sondern auch die der Geisteswissenschaften bedingt ist, und das nur deshalb oft nicht klar zu durchschauen ist, weil in den meisten Fällen dieselben Worte für den unklaren Begriff des vorwissenschaftlichen Denkens wie für jede Stufe des korrigierten angewandt werden müssen. Solche "Äquivokationen" (HUSSERL) sind innerhalb der Sprache unvermeidlich.

Sie bieten auch die Lösung für den Fall der zweifachen Urteilsbedeutung. Nehmen wir z. B. den Satz: "Dieser Baum trägt Nadeln". Er kann die Formulierung eines Wahrnehmungsinhaltes sein, indem die durch den äußeren Reiz bewirkten Worte reproduzieren. Diesen psychologischen Tatsachen entspricht die logische Normierung, daß im eigentlichen Wahrnehmungsurteil das Prädikat so weit und nur so weit gedacht werden soll, wie es durch das Subjekt bestimmt wird. Dieser Fall ist der des beschreibenden Urteils. - Wenn nun aber in unserem Beispiel ausgedrückt werden soll, daß der in der Wahrnehmung gegebene Baum an seinen Zweigen Gebilde trägt, die in allen Merkmalen den Bedingungen entsprechen, unter denen eine Modifikation der Blätter Nadeln genannt wird, so ist das Urteil hinsichtlich des Prädikats ein Subsumtionsurteil, und das Prädikatswort bezeichnet nicht mehr den vorliegenden Wahrnehmungsbestand, sondern den Begriff, dem dieser untergeordnet wird. Diesem wesentlichen Unterschied kann die Sprache keinen Ausdruck geben. Nur daraus ist es zu verstehen, daß er solange übersehen und die Subsumtionstheorie des Urteils aufrechterhalten werden konnte, die auch heute noch Vertreter hat. Dieser scheinbare Mangel der Sprache ist eine Folge aus ihrer Eigenart, daß sie, um mit einer geringen Zahl von Ausdrucksmitteln die mannigfachsten Gedanken mitzuteilen, Worte verwenden muß, die aus ihrem Zusammenhang losgelöst, eine allgemeinere Bedeutung haben, und erst durch die Einordnung in ein Urteilsganzes zu einem spezielleren Sinn determiniert werden.

Nennt man jene abstrakte Bedeutung eine begriffliche, so ist es eine Selbstverständlichkeit, daß die Ausdrucksmittel jeder Wissenschaft, auch der beschreibenden, Begriffe sind. Wenn also MACH die Beschreibung definiert als sprachliche Mitteilung, die rein begriffliche Mittel verwendet (15), so ist das nach dem Vorigen entweder viel zu allgemein, weil für jede Wissenschaft geltend, oder gerade, in Verkennung des anschaulichen Charakters der Beschreibung, unzutreffend. Diese Definition will bei MACH aber auch weniger die eigentliche Beschreibung treffen, als vielmehr das, was so heißen soll, nämlich die physikalischen Sätze. Deren Unterscheidung in solche, die nur exakt gemessene Größen und solche, die noch hypothetische Hilfsvorstellungen enthalten, ist auch die Definition der direkten und indirekten Beschreibung angepaßt, wenn es heißt, jene enthält nichts Unwesentliches mehr, während diese sich "auf eine bereits anderwärts gegebene oder auch erst genauer auszuführende Beschreibung beruft." (16) Übrigens ist die letztere Bestimmung auch sachlich unzutreffend, insofern als bei den abkürzenden Ausdrücken der indirekten Beschreibung keine andere Beschreibung, sondern vielmehr ein fester Begriffsinhalt vorausgesetzt werden muß. Doch sind diese Definitionen überhaupt ihrem Inhalt nach weniger wichtig als nach der prinzipiellen Tendenz, daß sie das Wesen des physikalischen Gesetzes mit dem der Beschreibung in Einklang zu bringen suchen, ein Bestreben, dessen Berechtigung gerade das Problem der vorliegenden Untersuchung bildet.

Außer den besprochenen Voraussetzungen findet sich noch eine Fülle anderer, psychologischer, logischer und metaphysischer Art, welche die Bedingungen der Beschreibung ausmachen (17). Ihre Erörterung darf mit demselben Recht unterbleiben, mit dem die Einzelwissenschaft sie unbesehen aufnimmt.


§ 4. Die übrigen Bestimmungen
des beschreibenden Urteils

Aus den bisherigen Resultaten ergeben sich die Bestimmungen des beschreibenden Urteils nach den anderen möglichen Gesichtspunkten, in deren Einteilung wir uns wieder an ERDMANN anschließen, ohne Schwierigkeit. Nach der Unterscheidung in Real- und Idealurteile ist es selbstverständlich, daß die Beschreibung ganz zu der ersten Gruppe gehört, hier aber von den Kausalurteilen wieder ausdrücklich ausgeschlossen werden muß. Auch beschreibende Urteile über ideale Gegenstände (siehe oben) gehören zu den Realurteilen, wie ERDMANN besonders betont.

Durch die Bestimmung des Gegenstandes der Beschreibung als singulär- oder kollektiv-Individuellen unter Ausschluß jedes abstrakt Allgemeinen ist ferner für die Einteilung der Inhalts- und Umfangsurteile gegeben, daß ein generelles Urteil niemals beschreibend sein kann; die ursprüngliche Form der Beschreibung ist das Einzelurteil, doch hat die Untersuchung gezeigt, daß auch allgemeine und besondere Urteile ihre Funktion ausüben können.

Mehr Anlaß zur Überlegung bietet nun die Frage der Modalität. Für das ursprüngliche beschreibende Urteil, das einen vorliegenden Wahrnehmungsinhalt analysiert, ist es klar, daß es assertorische [als gültig behauptete - wp] Geltung hat. Ebenso versteht es sich aus der Umgrenzung des Gegenstandes auf dem Gebiet tatsächlicher und möglicher Wahrnehmung von selbst, daß hier für apodiktische [unumstößliche - wp] Urteile kein Raum ist. Damit rechtfertigt sich von dieser Seite die prinzipielle Ausschließung der mathematischen Urteile. Und es zeigt sich, daß nicht nur hinsichtlich des Gegenstandes, sondern auch nach der Modalität ein tiefgreifender Unterschied zwischen der rein mathematischen und der theoretisch-physikalischen Formel besteht (siehe oben), denn diese kann als Ausdruck eines empirischen Tatbestandes nicht mehr als eine assertorisch Geltung haben. Ja, man muß sogar so weit gehen zu sagen, daß auch sie, im Augenblick wo sie induktiv allgemein gedacht wird, nur problematisch gültig ist. Diese von fast allen Physikern geteilte Einsicht, daß ihre Induktionen von problematischer Geltung sind, stellt uns vor die Frage, ob auch eine Beschreibung diese Modalität haben kann.

Schon der elementare Fall der Analyse eines gegebenen Wahrnehmungsbestandes kann die Gelegenheit zu problematischen Urteilen geben: unter gewissen Bedingungen, schwacher Beleuchtung, ungünstiger Lage usw., wird die Wahrnehmung so erschwert, daß kein sicheres Urteil gefällt werden kann. Man sagt dann: die Fläche scheint weiß zu sein, sie kann weiß sein, usw. Im strengen Sinn beschreibend ist nur das Urteil, welches die Farbe von der Fläche aussagt, und das im vorliegenden Fall in einem problematischen Satz beurteilt wird. - Ähnlich liegen die Dinge bei den induktiven Sätzen. Da sie vergangene und zukünftige, überhaupt nicht-beobachtete Fälle umfassen, kann man sie entsprechend zerlegen in der Art: alle beobachteten A waren B, es ist wahrscheinlich, daß alle A B sein werden. Der erste Teil, die Feststellung der beobachteten Fälle, ist zweifellos eine Beschreibung; ebenso kann es auch das Urteil sein, dessen Sachverhalt in der Zukunft liegt, da dieser doch als Gegenstand möglicher Wahrnehmung gedacht ist. Aber sobald es Gegenstand der modalen Behauptung wird, stehen wir vor der gleichen Frage, wie im ersten Fall. Und wir haben nicht das mindeste Recht, eine Beurteilung, d. h. ein Urteil, dessen Subjekt selbst wieder ein Urteil, also kein Gegenstand tatsächlicher oder möglicher Wahrnehmung ist, als Beschreibung anzusprechen. Somit ergibt sich, daß beschreibende Urteile nur solche sein können, über deren Geltung keine ausdrücklichen Bestimmungen getroffen sind, die als modal (als assertorisch oder problematisch) unbestimmt sind. Trotzdem ist hiermit noch nicht bewiesen, daß die induktiven Sätze der Physik ihrer Modalität wegen keine beschreibenden sein können. Denn nicht nur bei den Verallgemeinerungen des praktischen Lebens, sondern auch im Betrieb der Einzelwissenschaft fehlt das Bewußtsein der problematischen Geltung dieser Sätze meist völlig, und mit objektivem Recht, weil ihre Wahrscheinlichkeit mit der praktischen Gewißheit fast zusammenfällt. So wäre für die Physik der beschreibende Charakter ihrer Sätze bewahrt, wenn man etwa in der Einleitung darauf hinweisen würde, daß streng genommen alle Resultate nur Wahrscheinlichkeit beanspruchen dürften, daß aber praktisch die induktiven Sätze für assertorisch, also beschreibende gelten könnten. Aber selbst mit einer solchen Konzession ist die Frage doch noch nicht zugunsten der Beschreibungsforderung entschieden. Denn nicht nur ein Resultat, auch der Weg seiner Gewinnung, muß den Bedingungen der Beschreibung genügen (siehe oben). So kommen wir auf die Frage, ob das Verfahren des induktiven Schließens diesen Bedingungen entspricht. Daß ihm die Voraussetzung irgendeiner Art von Gleichförmigkeit, von Regelmäßigkeit des Geschehens zugrunde liegt, wird von allen Positivisten eingesehen; daß dieser Gleichförmigkeit aber ein anderer Sinn zukommt als der einer empirischen Beobachtung von großer Allgemeinheit, wird von ihnen bestritten und muß es werden. Denn wenn die Grundlage der Induktion mehr enthält, wenn sie ohne kausale Notwendigkeit nicht zu denken möglich ist, wird dem System der Physik eine Voraussetzung gegeben, welche den Prinzipien der Beschreibung widerspricht, und damit wird die ganze positivistische Forderung hinfällig. Wieder also ist ein Punkt sachlicher Entscheidung erreicht. Mit dem Sinn des Induktionsprinzips steht und fällt die Möglichkeit einer beschreibenden Physik.

Hiermit sind die Bestimmungen abgeleitet, welche die Beschreibung charakterisieren. Nachdem ihr Gegenstand festgelegt war, hat sich für die urteilsmäßige Formulierung der Beschreibung folgendes ergeben: Ihrem Wesen nach komplex, vereinigt sie elementare analysierende Wahrnehmungsurteile teils zu Urteilsverbindungen konjunktiver, kopulativer und divisiver Verknüpfung, teils zu hypothetischen Urteilsgefügen im weiteren Sinn, sofern diese wahrnehmbare Relationen in ihrer Konsequenzbeziehung bezeichnen. Das elementare Grundurteil ist näher zu kennzeichnen als Real-Urteil, als einzelnes, besonderes oder allgemeines, von unbestimmt assertorischer oder problematischer Modalität.

Aber diese Bestimmungen legen nur die Umrisse fest, innerhalb deren jede Beschreibung sich zu halten hat. Neue Fragen erheben sich, wenn eine wissenschaftliche Vertiefung des beschreibenden Verfahrens erstrebt wird. Mit diesen haben wir uns nun noch zu beschäftigen, wobei wir wiederum nur einseitig nach der Seite der Naturwissenschaft orientiert bleiben.
LITERATUR - Agnes Hochstetter-Preyer, Das Beschreiben, Halle a. d. Saale, 1916
    Anmerkungen
    1) vgl. z. B. SIGWART, Logik II, Seite 345
    2) MACH, Wärmelehre, Seite 404
    3) LOTZE, Logik, Seite 197.
    4) Vgl. SIGWART, Logik I, § 10.
    5) Vgl. MACH, Wärmelehre, Seite 404
    6) ebd. Seite 398
    7) Die Möglichkeit, solche Beziehungen auch in einer nicht-hypothetischen Form, durch die Anknüpfung von Hauptsätzen mittels Konjunktionen, wie deshalb usw., auszudrücken, gehört in das Gebiet der Grammatik und änndert am sachlichen Bestand nichts.
    8) Denn mit der Eigenschaft der Körper, den Raum so zu erfüllen, daß, wo einer ist, nicht zugleich ein anderer sein kann, müssen wir als mit einem Grundsatz rechnen.
    9) vgl. BENNO ERDMANN, Logik I, Seite 461.
    10) Nur kurz sei angedeutet, auf welchem Weg eine genauere Bestimmung zu gehen hätte. Der im Prädikat bezeichnete Begriff wird weniger nach den unter ihn fallenden Gegenständen, also seinem Umfang, als vielmehr nach den in ihm gedachten Merkmalen, also seinem Inhalt, gemeint. Denn es ist möglich, einen Gegenstand zu klassifizieren, wenn der Gattungsbegriff nicht durch Abstraktion aus vielen ähnlichen Gegenständen, sondern durch Konstruktion aufgrund irgendwelcher Schlußfolgerungen entstanden ist, wie bei dem schon einmal angeführten pithecanthropus erectus. Gesetzt, es würde ein entsprechender Schädel gefunden, so wäre das Urteil: dies ist ein pithecanthropus erectus ein vollgültiges klassifikatorisches Urteil, und doch ist ein Vergleich mit anderen unter den Begriff fallenden Gegenständen ausgeschlossen. Die Subsumtion muß vielmehr auf einer Übereinstimmung zwischen den Eigenschaften des betreffenden Gegenstandes und den Merkmalen des Begriffs gegründet sein.
    11) MILL, Logik I, Seite 365
    12) ebd. Seite 368
    13) SIGWART, Logik II, Seite 406f.
    14) Vgl. z. B. LOTZE, Logik, Seite 357. Diese "vorläufige Klassifikation" ist dieselbe Voraussetzung, die SIGWART (Logik I, Seite 74) so ausdrückt, daß jedem Urteil, in dem das bestimmte Objekt, über welches geurteilt wird, nicht durch ein Demonstrativ, sondern durch ein bedeutungsvolles Wort bezeichnet wird, ein Benennungsurteil vorausgegangen sein muß. - Denn außer der willkürlichen Namensgebung, die kaum je bei den Gegenständen des praktischen Lebens vorkommt, ist das Verfahren jeder Benennung auf die logische Form der Klassifikation zu bringen.
    15) MACH, Wärmelehre, zweite Auflage, Seite 398.
    16) MACH, Wärmelehre, a. a. O.
    17) Zum Beispiel die psychologischen Bedingungen des wahrnehmenden Erkennens, die logischen Voraussetzungen der Urteilstheorie, die metaphysischen der Realität der Außenwelt usw.