tb-1ra-1A. RiehlE. MeyersonM. SchlickA. TrebitschMeinongvon Aster     
 
BENNO ERDMANN
Über Inhalt und Geltung
des Kausalgesetzes


"Nach  Kant  ist die philosophische Erkenntnis die Vernunfterkenntnis aus Begriffen, die mathematische dagegen diejenige aus der Konstruktion der Begriffe; jene also betrachtet das Besondere nur im Allgemeinen, diese das Allgemeine im Besonderen, ja gar im Einzelnen."

"Jeder Kundige weiß, daß alles Faktische schon Theorie ist."

"Die Gleichförmigkeit der Aufeinanderfolge liegt nicht in den Wahrnehmungsinhalten, die uns unmittelbar gegeben werden, als solchen. Sie entsteht vielmehr erst dadurch, daß wir im Verlauf wiederholter Wahrnehmungen die Gleichförmigkeiten ihrer zeitlichen Beziehungen durch  Abstraktion  erfassen. Und in den wiederholten Wahrnehmungen liegen nicht nur Gleichförmigkeiten der Aufeinanderfolge, sondern auch Gleichförmigkeiten des qualitativen Bestandes der einander folgenden Vorgänge selbst, die wiederum durch Abstraktion erfaßt werden müssen."


I.
Vorbemerkung

Wir haben gelernt, das Wirkliche, das wir in allgemeingültigen Urteilen wissenschaftlich zu fassen suchen, als ein nach Zeit, Raum und Kausalität kontinuierlich zusammenhängendes, und demgemäß sich kontinuierlich entwickelndes Ganzes anzusehen.

Die Kontinuität dieser Zusammenhänge hat zur Folge, daß jeder Versuch, die Gesamtheit der Wissenschaften nach der Verschiedenheit ihrer Gegenstände zu klassifizieren, lediglich zu repräsentativen Typen führt, d. h. zu Einteilungsgliedern, die durch fließende Übergänge miteinander verknüpft sind. Wir finden keine Einschnitte, durch die wir etwa Physik und Chemie, Botanik und Zoologie, politische, Kunst-, Wirtschafts- und Religionsgeschichte, oder Philologie, Geschichte und Prähistorie scharf voneinander trennen könnten.

Wie die Gegenstände, so lassen sich auch die Methoden des wissenschaftlichen Denkens nur durch eine Einteilung nach repräsentativen Typen voneinander scheiden. Denn die Verschiedenheit dieser Methoden hängt fürs erste von der Verschiedenheit der Gegenstände ab, denen unser Wissen zugewendet ist. Und sie ist zugleich durch die Differenzen zwischen den mannigfaltigen Formelementen unseres Denkens bestimmt, das selbst ein Teil des Wirklichen ist, dessen Elemente also gleichfalls fließend ineinander übergehen (1).

Nach zwei Hauptrichtungen hin verlaufen die Fäden, welche die  allgemeine Methodenlehre  des wissenschaftlichen Denkes mit benachbarten Wissensgebieten verknüpfen. In der einen bilden sie gleichsam ein geschlossenes Bündel von Wurzelfasern; in der anderen weicht der gleichsinnige Verlauf sehr bald einer Zerstreuung nach allen Dimensionen des wissenschaftlichen Denkens. Denn die Methodenlehre wurzelt erstens in der Logik im engeren Sinn des Wortes, d. h. in der Wissenschaft von den Formelementen unseres Denkens, aus denen alle wissenschaftlichen Methoden gewebt sind. Sie zieht ihre Nahrung zweitens aus den Methoden selbst, die sich in den verschiedenen Gebieten unseres Wissens aus den diesen eigenen Fragestellungen tatsächlich, also technisch entwickeln.

Die  Aufgabe  der allgemeinen Methodenlehre des wissenschaftlichen Denkens ist hiernach so weit sicher zu umgrenzen, wie die eben aufgewiesenen fließenden Zusammenhänge dies gestatten.

Es ist die Aufgabe des wissenschaftlichen  Denkens,  die Gegenstände, die sich uns in der Sinnes- und Selbstwahrnehmung darbieten, sowie aus diesen beiden Quellen abgeleitet werden können, allgemeingültig zu bestimmen. Wir vollziehen diese Bestimmung durchweg durch  Urteile  und Urteilszusammenhänge mannigfaltiger Arten. Die Begriffe, in denen die ältere Logik die eigentlichen Formelemente unseres Denkens sah, sind nur bestimmte, ausgezeichnete Arten von Urteilen, solche definitorischen und klassifikatorischen Charakters, gleichsam erstarrte Urteile, die selbständig und grundlegend scheinen, weil ihr gegenständlicher Gehalt, die ihnen eigenen Inhalts- oder Umfangsbestimmung, durch Namengebung an bestimmte Worte gebunden ist. Die wissenschaftlichen  Methoden  sind demnach die Arten und Weisen unseres Denkens, jene ihrem Ziel nach allgemeingültige Urteilsbestimmung zu vollziehen und darzustellen.

Die allgemeinen  Methodenlehre  fällt demnach ein Inbegriff von Aufgaben zu, die wir kurz in drei, nur  in abstracto  voneinander trennbare Gruppen zerlegen können. Sie hat erstens die Methoden, die sich in den verschiedenen Wissensgebieten technisch entwickelt finden, in die Formelemente unseres Denkens zu zerlegen, aus denen sie zusammengesetzt sind. Dieser  analysierenden  Aufgabe steht eine zweite zur Seite, die wir als  normative  bezeichnen dürfen. Denn es gilt weiter, den Bestand, den demzufolge möglichen Zusammenhang sowie den Geltungswert dieser sehr verschiedenartigen Urteilselemente aufzuweisen und aus den Quellen systematisch abzuleiten, die dem Grund unseres Denkens entströmen. Zu diesen beiden Aufgaben gehört endlich eine dritte, die wir, wiederum  a potiori  [der Hauptsache nach - wp], eine  synthetische  nennen können. Denn es ist schließlich notwendig, aus den so gewonnenen Grundbestandteilen unseres Denkens die Methoden zu rekonstruieren, die den verschiedenen Wissensgebieten eigen sind, sowie deren verschiedenartigen Geltungsbereich und Geltungswert festzulegen.

Ansätze zu einer anderen Aufgabenstellung für die Methodenlehre stecken in den Gedanken, die insbesondere durch LEIBNIZ' Fragmente und Entwürfe zu einem  calculus ratiocinator  [ideale Logik - wp] oder einer  spécieuse générale  [Universalsprache - wp] bedeutsam geworden sind. Was in diesen Ansätzen und deren modernen Fortbildungen die Aufgabe zulässig erscheinen läßt, die Mannigfaltigkeit der möglichen Methoden unseres Denkens  a priori,  also vor, und damit unabhängig von aller Erfahrung zu konstruieren, ist im Vorstehenden ausgeschlossen. Völlig unbestimmt dagegen bleibt, wie sich gehört, in unserer propädeutischen Fassung der Aufgaben für die allgemeine Methodenlehre ein anderer Gedanke, der in jenen alten und modernen Plänen enthalten ist, die Frage nämlich, ob alle Methoden unseres wissenschaftlichen Denkens sich zuletzt als Verzweigungen ein und derselben universalen Methode aufzeigen lassen. Diese Frage, die der neuere, naturwissenschaftlich gesättigte Empirismus geneigt ist, noch bestimmter und dogmatischer zu bejahen, als irgendeine Art des älteren Rationalismus, läßt sich nur im Fortgang der methodologischen Untersuchungen entscheiden.

Man kann sagen, daß die  Idee  einer Methodenlehre des wissenschaftlichen Denkens fast so alt ist, wie dieses selbst. In der sokratischen Forderung des Wissens ist sie bereits als ein wesentlicher, wenngleich nicht deutlich entwickelter Gedanke enthalten. Aber die Geschichte der Methodenlehre zeigt uns, wie die Geschichte jeder anderen Wissenschaft, den Verlauf, den KANT in klassischen Worten beschrieben hat:
    "Niemand versucht es, eine Wissenschaft zustande zu bringen, ohne daß ihm eine Idee zugrunde liegt. Allein in der Ausarbeitung derselben entspricht das Schema, ja sogar die Definition, die er gleich zu Anfang von seiner Wissenschaft gibt, sehr selten seiner Idee; denn diese liegt wie ein Keim in der Vernunft, in welchem alle Teile noch sehr eingewickelt und kaum der mikroskopischen Beobachtung kennbar verborgen liegen." (2)
Für das Verständnis der  deduktiven  Methoden des mathematischen Denkens verdanken wir der griechischen, insbesondere der platonisch-aristotelischen Philosophie, wertvolle Beiträge. Gerade diese Richtung des Philosophierens, die den methodologischen Gedanken bis tief in unser 17. Jahrhundert hinein zumeist das Fundament geliefert hat, bot jedoch keinen Weg dar, der Eigenart der Methoden gerecht zu werden, die für unser Wissen um Tatsachen maßgebend sind. Was SOKRATES vielleicht zuerst  Induktion  genannt hat, ist nach Ausgangspunkt, Ableitung und Ziel von den induktiven Methoden, die unserer natur- und geisteswissenschaftlichen Forschung das Gepräge geben, wesensverschieden. Denn in diese beiden Gebiete haben wir den Inbegriff der Wissenschaften von Tatsachen, der  materialen  Wissenschaften, wie wir sie im Gegensatz zu den  formalen,  mathematischen Wissenschaften nennen wollen, einzuteilen, wenn anders wir dem Unterschied der sinnlichen und der Selbstwahrnehmung, der "äußeren" und "inneren" Tatsachen, gerecht werden wollen.

Zwei eng zusammenhängende Momente insbesondere haben die methodologischen Betrachtungen über die materialen Wissenschaften vielfach bis gegen Ende des 18., teilweise noch bis zum Beginn des 19. Jahrhunderts in die Irre geführt. Fürs Erste jene Richtung des Denkens, die uns das Recht gibt, die platonisch-aristotelische Philosophie als  "Begriffsphilosophie"  zu kennzeichnen: eben der Umstand also, der in der aristotelischen Logik" den "Begriff" dem "Urteil" voranstellen ließ; kurz gesagt, die Denkrichtung, bei der die Aufmerksamkeit nicht auf die Konstanten des Geschehens, die gesetzmäßigen Zusammenhänge der Vorgänge, sondern auf die scheinbaren Konstanten der Dinge, auf deren "wesentliche" Eigenschaften oder Essentien gerichtet ist. Denn in diesen abstrakten Allgemeinbegriffen von Dingen, den Ideen, sieht die Begriffsphilosophie infolge einer naheliegenden Hypostasierung [einem Gedanken gegenständliche Realität unterschieben - wp] das unveränderliche, wahrhaft Seiende, das den Dingen zugrunde liegt und in ihnen neben den unwesentlichen, veränderlichen Merkmalen enthalten ist. (3) Damit ist auch das zweite Moment gegeben, das die antike Methodenlehre inspiriert: jene Ideen sind, wie das eigentlich Seiende, so das in allem Entstehen und Vergehen der veränderlichen Dinge zuletzt allein Wirksame. In der aristotelischen  Kausalitätstheorie  gewinnt dieser Gedanke grundsätzliche Bedeutung. Wir formulieren nur was in ihm enthalten ist, wenn wir sagen, daß sich ihm zufolge die wirkenden und zugleich zwecktätigen Ursachen durch eine bloße Analyse aus dem wesentlichen Inhalt der Wirkungen ableiten lassen, daß ebenso die möglichen Wirkungen jeder Ursache aus deren definitorisch bestimmtem Inhalt abgeleitet werden können. Die gedankliche Bestimmung der kausalen Beziehungen wird demnach, und mit ihr im Prinzip der Inbegriff der Methoden in den materialen Wissenschaften, zu einer  rationalen, analytischen, deduktiven.  (4) Vom speziellen Gehalt der fortschreitenden Erfahrung bleiben diese Wissenschaften, gleichfalls im Prinzip der so gedeuteten Methoden, somit durchaus unabhängig.

Damit ist im Grunde jeder wesentliche Unterschied zwischen dem mathematischen und dem kausalen Denken zugunsten einer ratonalistischen Deutung der materialwissenschaftlichen Methoden aufgehoben. Demgemäß wird im 17. Jahrhundert nicht das induktive Denken, das die neue Epoche unserer Wissenschaft begründet, sondern die deduktive mathematische Instrumentation der naturwissenschaftlichen Forschung zum Vorbild aller wissenschaftlichen Methoden. Die Fanfaren, mit denen FRANCIS BACON den Ansturm der induktiven Methoden in der Naturwissenschaft seiner Zeit begleitet, bleiben wirkungslos, weil sie von keiner Umbildung der überlieferten aristotelisch-scholastischen Kausalauffassung getragen sind, und dementsprechen weder ein Verständnis des Induktionsproblems, noch eine Einsicht in die Bedeutung der induktiven Methoden seiner Tage bezeugen (5). DESCARTES, HOBBES, SPINOZA und ihre Geistesverwandten entwickeln ihre  mathesis universalis  nach der Weise des geometrischen Denkens; LEIBNIZ sucht seine  spécieuse générale  dem Denken der mathematischen Analysis anzupassen. Ihre schärfste Fassung gewinnt die alte methodologische Überzeugung in der Lehre SPINOZAs: "aliquid efficitur ab aliqua re" [Etwas wird zu einer Sache gemacht. - wp] bedeutet: "aliquid sequitur ex ejus definitione" [Etwas folgt einer Definition. - wp].

Die sachlich einfachsten Wege des Denkens sind selten die historisch nächstliegenen. Neue Problemstellungen und -Lösungen wirken vorerst durch ihren offenbaren Gehalt und ihre Konsequenzen, nicht durch die überlieferten Annahmen, die ihnen zugrunde liegen. Als sich um die Mitte des 17. Jahrhunderts die Einsicht in die spezifische Verschiedenheit der geistigen und physischen Vorgänge in schärfster Formulierung aufdrängte, wurde die unbesehene Voraussetzung eines analytischen Zusammenhangs zwischen Ursache und Wirkung nicht zweifelhaft, sondern vielmehr vorerst zu deutlichem Bewußtsein gebracht. Es bedurfte des Umwegs über den Okkasionalismus [Lehre von den Gelegenheitsursachen - wp] und die prästabilierte Harmonie mit der Zuflucht zur Allmacht Gottes, um die Frage möglich zu machen, ob denn die Voraussetzung, daß der Zusammenhang zwischen Ursache und Wirkung ein analytisch rationaler ist, in der Tat zutrifft.

Den Auserwählten unter den Berufenen der Zeit drängt sich die Frage fast gleichzeitig als die Kardinalfrage der zeitgenössischen Philosophie in das Bewußtsein. Und es ist ein weiteres Symptom dafür, wie durchaus sie in der tiefer erfaßten Problemlage um die Mitte des 18. Jahrhunderts begründet war, daß HUME und KANT anscheinend anscheinend unabhängig voneinander, und sicher von völlig verschiedenen Voraussetzungen aus sowie auf ganz verschiedenen Wegen, zu derselben Fragestellung getrieben wurden. Die historische Entwicklung dessen, was in der Philosophie von jeher Wissenschaft gewesen ist, vollzieht sich eben nicht wesentlich anders, als die historische Entwicklung in allen anderen Wissensgebieten. Auf ähnliche Weise gelangten im letzten Drittel des 17. Jahrhunderts NEWTON und LEIBNIZ zur Aufstellung der Grundbegriffe der Infinitesimalrechnung, und in den vierziger Jahren des 19. Jahrhunderts ROBERT MAYER, HELMHOLTZ und etwa JOULE zur Feststellung des Gesetzes von der Erhaltung der Energie.

In einem wesentlichen Punkt der Antwort auf die neue, unerhörte, und deshalb von den Zeitgenossen mißverstandene Frage sind KANT und HUME einig: beide haben erkannt, daß der Zusammenhang zwischen den einzelnen bestimmten Ursachen und Wirkungen kein rational analytischer, sondern eine  empirisch synthetischer  ist. Aber der Gegensatz der Voraussetzungen sowie des Weges läßt dieses Beiden gemeinsame Ergebnis in sehr verschiedener Stellung und Beleuchtung auftreten. In HUMEs Empirismus erscheint auch der Zusammenhang zwischen Ursache und Wirkung überhaupt als ein lediglich empirischer, assoziativer. In KANTs Rationalismus dagegen wird die allgemeine Beziehung zwischen Ursache und Wirkung eine Grundbedingung aller möglichen Erfahrung, die demnach von aller Erfahrung unabhängig ist und als eine Art, Vorstellungen zu verbinden, auf der angeborenen Gesetzmäßigkeit unseres Denkens beruth.

So sind die Wege zu einer prinzipiellen Scheidung der materialwissenschaftlichen induktiven von den deduktiven mathematischen Methoden gebahnt. Für HUME wird die Mathematik im Gegensatz zu den Wissenschaften von Tatsachen die Wissenschaft von den Relationen der Ideen. Nach KANT ist die philosophische Erkenntnis die Vernunfterkenntnis aus Begriffen, die mathematische dagegen diejenige aus der Konstruktion der Begriffe; jene also betrachtet das Besondere nur im Allgemeinen, diese das Allgemeine im Besonderen, ja gar im Einzelnen.

Die beiden Lösungen des neuen Problems, das im 18. Jahrhundert an die Stelle der alten, scheinbar selbstverständlichen Voraussetzung tritt, erscheinen somit eingebettet in den Gegensatz zwischen der rationalistischen und empiristischen Deutung des Ursprungs und der Geltung unserer Erkenntnis, der die geschichtliche Entwicklung der Philosophie seit alters her in immer neuen Verschiebungen durchzieht.

Zwischen diesen entgegengesetzten Richtungen der erkenntnistheoretischen Untersuchung steht die Frage nach dem Sinn und der Geltung des Kausalzusammenhangs noch heute. Schärfer als jemals zuvor trennen sich die Wege zu ihrer Beantwortung. Dringender als in früheren Zeiten ist es deshalb in unseren Tagen nötig, eine Grundlage zu finden, auf der sich erkenntniskritisch, und damit auch methodologisch weiterbauen läßt. Ein solches Fundament für die Eigenart der Methoden in den Wissenschaften von Tatsachen zu suchen, ist die Aufgabe dieser Zeilen.


II.
Analyse der Voraussetzung
aller Induktion

Den Ausgangspunkt für die Wissenschaften von Tatsachen bilden, wie bereits anzudeuten war, die Inhalte unseres Bewußtseins, die uns in der Sinnes- und Selbstwahrnehmung unmittelbar gegeben sind. Aus diesen einzelnen Tatsachen der Wahrnehmung leiten wir die Urteile ab, durch die wir die künftigen Wahrnehmungen im Verlauf möglicher Erfahrung vorhersagen, leiten und normieren. Diese Ableitungen vollziehen sich durch reproduktive Vorstellungsvorgänge, die sich, werden sie logisch gefaßt, als  induktive Schlüsse  im weiteren Sinn darstellen. Diese Schlüsse umfassen zwei Arten, die im Grunde nur zwei Seiten ein und desselben Denkverfahrens ausmachen: sie sind teils  Analogie-,  teils  Induktionsschlüsse im engeren Sinn.  Die Analogieschlüsse führen vom Besonderen einer vorliegenden Wahrnehmun g, das in früheren Wahrnehmungen mit anderen besonderen Wahrnehmungsinhalten gleichförmig verbunden war, auf ein Besonderes, das jenen anderen Wahrnehmungsinhalten ähnlich ist. Kurz gesagt: sie sind Schlüsse vom Besonderen auf das Besondere. In der Weise solcher Schlüsse formulieren wir z. B. logisch die Reproduktionsvorgänge, deren Schlußsätze sind: dieser Mensch, den ich vor mir sehe, ist aufmerksam, fühlt Schmerz, wird sterben; dieser Meteorstein wird eine den bekannten Meteorsteinen ähnliche chemische Zusammensetzung und ähnliche Oberflächenveränderungen infolge des schnellen Durchgangs durch unsere Atmosphäre aufweisen. Die Induktionsschlüsse im engeren Sinn leiten dagegen von den Wahrnehmungsinhalten einer Reihe gleichförmiger Erscheinungen zu einem Allgemeinen, das die gegebenen Fälle, sowie alle möglichen umfaßt, in denen die gleichen Bestandteile des besonderen Inhalts der früheren Wahrnehmungen als gegeben vorausgesetzt werden. Kurz, sie sind Schlüsse vom Besonderen auf ein Allgemeines, das allgemeiner ist, als die Summe des gegebenen Besonderen. Also z. B. in Fällen verallgemeinernder Induktionen (von den ergänzenden ist hier abgesehen): alle Menschen werden sterben, sind beseelt; alle Meteorsteine werden diese chemische Konstitution und jene Oberflächenänderungen zeigen.

Über die innere Gleichartigkeit dieser beiden Schlußweisen, über ihren äußeren logischen Bau und ihren äußeren Gegensatz gegen die deduktiven Schlüsse, die nicht vom Besonderen zum Besonderen oder Allgemeinen, sondern vom Allgemeinen zum Besonderen führen, herrscht kein Streit.

Umstritten dagegen ist ihre innere Konstitution und ihr inneres Verhältnis zu den deduktiven Schlüssen. Beide Fragen hängen an der Entscheidung über den Sinn und die Geltung der Kausalbeziehung. Die streitenden Parteien rekrutieren sich im wesentlichen aus den Lagern des überlieferten Empirismus und Rationalismus und deren modernen Weiterbildungen.

Wir behaupten vorerst:
    1. Die  Voraussetzung  aller induktiven Schlüsse, die weiterhin stets in ihrem allgemeineren Sinn zu nehmen sind, ist, daß uns Wahrnehmungsinhalte in wiederholten Wahrnehmungen  gleichförmig d. h. in gleichen Beständen und gleichen Beziehungen, gegeben werden.

    2. Die  Bedingung für die Geltung  der induktiven Schlüsse liegt in den Gedanken, daß in dem nicht beobachteten Wirklichen  die gleichen Ursachen vorhanden sein werden,  wie im beobachteten, und daß  diese gleichen Ursachen die gleichen Wirkungen hervorbringen. 

    3. Die Schlußsätze aller induktiven Schlüssen haben, logisch gesprochen, lediglich  problematische  Gültigkeit, d. h. ihr kontradiktorischer Gegensatz bleibt ebenso wohl denkbar. Sie sind, genauer gesagt, lediglich  Hypothesen,  deren Geltung der Verifikation durch die fortschreitende Erfahrung bedarf.
Die erstgenannte Voraussetzung unseres induktiven Schließens wird nicht mißverstanden werden. Das Paradoxon, daß sich Nichts in Wirklichkeit wiederholt, daß die Natur nur einmal da ist, ist ebensowohl oder ebensowenig berechtigt, wie die Behauptung, daß alles schon mal dagewesen ist. Es hebt die Tatsache nicht auf, daß unser abstrahierendes Erfassen der Wahrnehmungsinhalte Gleichförmigkeiten in deren Bestand und deren Beziehungen darbietet, daß also gleiche Elemente in diesen stets neuen Komplexen vorhanden sind. Diese Tatsache ist eine Bedingung dafr, daß sich die mannigfachen Wahrnehmungen zu ein und derselben Erfahrung verbinden; und auch jenes Paradoxon setzt voraus, daß die verschiedenen Wahrnehmungsinhalte miteinander vergleichbar sind, also irgendwelche Gemeinsamkeiten aufweisen. Das versteht sich nicht nur für den Empirismus von selbst, der den ganzen Bestand unseres möglichen Erkennens auf Gewohnheitswirkungen, also Gleichförmigkeiten des Zugleich- und Nacheinanderseins zurückführt, sondern muß auch von jeder Form rationalistischer Deutung unseres Erkenntnisbestandes zugegeben werden. Jeder Kundige weiß, daß alles Faktische schon Theorie ist. KANT urteilt in diesem Punkt genauso, wie vor ihm HUME und nach ihm etwa JOHN STUART MILL:
    "Würde der Zinnober bald rot, bald schwarz, bald leicht, bald schwer sein, ein Mensch bald in diese, bald in jene tierische Gestalt verändert werden, am längsten tag bald das Land mit Früchten, bald mit Eis und Schnee bedeckt sein, so könnte meine empirische Einbildungskraft nicht einmal Gelegenheit bekommen, bei der Vorstellung der roten Farbe den schweren Zinnober in die Gedanken zu bekommen." (6)
Die Annahme, daß uns in wiederholten Wahrnehmungen gleichförmige Bestände von Wahrnehmungsinhalten im engeren Sinne, sowie ihrer Beziehungen gegeben werden, ist also eine  notwendige Bedingung für die Möglichkeit der Erfahrung  selbst, und damit für alle Denkoperationen, die über den Bestand einer gegebenen Wahrnehmung hinaus und zum Bestand möglichen Wahrnehmens nach dem Vorbild früherer Wahrnehmungen hinführen.

Eine seit HUME feststehende Überlieferung hat uns gewöhnt, die Beziehung von Ursache und Wirkung nicht sowohl an die Gleichförmigkeiten des Zugleichseins oder der Koexistenz, sondern vielmehr an die Gleichförmigkeiten der  Aufeinanderfolge  zu knüpfen.

Wir folgen dieser Überlieferung vorläufig. Dann ergibt sich fürs erste, daß wie die Beziehung von Ursache und Wirkung in den sukzessiven Zusammenhängen von Vorgängen, Veränderungen, Ereignissen oder Geschehnissen zu suchen haben. Die  Ursache  wird somit zu dem gleichförmig vorhergehenden Vorgang, dem  regelmäßigen antecedens  [Vorhergehenden - wp], die Wirkung zu dem gleichförmig folgenden, dem  regelmäßigen consequens  [Folgenden - wp] im Verlauf von Veränderungen, die sich entsprechend einer vorausgesetzten Änderung der Reizlage unserem Bewußtsein darbieten.

Die Gleichförmigkeit der Aufeinanderfolge von Vorgängen ist also gemäß diesem überlieferten Ausgangspunkt unserer Betrachtung eine notwendige Voraussetzung für die Möglichkeit der Beziehung zwischen Ursache und Wirkung. Diese Gleichförmigkeit ist uns als ein Bestandteil unserer Erfahrung gegeben. Wir finden gleichförmige Sukzessionen im Verlauf der wechselnden Wahrnehmungsinhalte tatsächlich vor. Da alle unsere Wahrnehmungen zuletzt von sinnlichen ihren Ausgang nehmen, so liegt es nahe, sie als die sinnliche Voraussetzung für die Möglichkeit der Kausalbeziehung zu bezeichnen.

In dieser Voraussetzung ist jedoch sehr viel mehr enthalten, als die eben besprochene Bezeichnung anzeigt.

Denn die Gleichförmigkeit der Aufeinanderfolge liegt, wie wir sahen, nicht in den Wahrnehmungsinhalten, die uns unmittelbar gegeben werden, als solchen. Sie entsteht vielmehr erst dadurch, daß wir im Verlauf wiederholter Wahrnehmungen die Gleichförmigkeiten ihrer zeitlichen Beziehungen durch  Abstraktion  erfassen. Und in den wiederholten Wahrnehmungen liegen nicht nur Gleichförmigkeiten der Aufeinanderfolge, sondern auch Gleichförmigkeiten des qualitativen Bestandes der einander folgenden Vorgänge selbst, die wiederum durch Abstraktion erfaßt werden müssen. Die gleichförmigen Wahrnehmungsinhalte stehen also Reihen der Form dar:
    a1 -> b1
    a2 -> b2
    .          .
    .          .
    .          .
    an -> bn 
Die Voraussetzung für die Möglichkeit der Kausalbeziehungen enthält also mehr als bloße Wahrnehmungsbestände; sie schließt eine Beziehung der verschiedenen, wenn man darauf bestehen will, in sich einzigartigen Wahrnehmungsinhalte ein, kraft deren wir  a2 -> b2 ... an -> bn  als Vorgänge erkennen, die einander und dem Vorgang  a1 -> b1  sowohl qualitativ wie in der Aufeinanderfolge ähnlich sind. In unserer Voraussetzung sind also  reproduktive  Elemente enthalten, die auf Gedächtniswirkungen zurückweisen. Denn damit ich im Fall der Wahrnehmung von  a3 -> b3  die Gleichförmigkeit dieses mir vorliegenden Wahrnehmungsinhalts mit  a2 -> b2  und  a1 -> b1  erfassen kann, müssen diese früheren Wahrnehmungen bei Gelegenheit der gegenwärtigen irgendwie, etwa in der Erinnerung - wie dies tatsächlich geschieht, geht uns hier nichts an (7) - lebendig werden.

In dieser reproduktiven Beziehung steckt überdies noch ein weiteres Moment, das allerdings von dem eben hervorgehobenen nur  in abstracto  geschieden werden kann. Das gegenwärtig Reproduzierte ist, auch wenn es in der Erinnerung als selbständiger Bewußtseinsinhalt gegeben ist, vom früher Wahrgenommenen wesentlich verschieden, in all den Modifikationen z. B., in denen wir die Erinnerungen von einem Blitz und Donner von der Wahrnehmungsfolge dieser Vorgänge, oder die Erinnerungen an einen Schmerz und deruch ihn bedingten Aufmerksamkeitsstörungen von den entsprechenden Erlebnissen differieren können. Dennoch stellt sich das Reproduzierte, wo es als Erinnerung lebendig wird, wie ein Bild des früher Wahrgenommenen dar, insbesondere dann, wenn es in der Weise der Wiedererinnerung auch die individualisierenden raumzeitlichen oder zeitlichen Beziehungen wiederspiegelt. Geben wir diesem identifizierenden Moment der Erinnerungsreproduktion einen logischen Ausdruck, so haben wir zu sagen, daß der Erinnerung im allgemenien, der Wiedererinnerung durchweg das Bewußtsein eigen ist, das gegenwärtig von uns Reproduzierte gebe eben dasselbe wieder, was uns vorher in der Wahrnehmung gegeben war. Nun ist es Tatsache, daß die Reproduktion früherer Wahrnehmungsinhalte nicht notwendig Erinnerungen, geschweige denn Wiedererinnerungen auslöst: das schnell, flüchtig und gewohnheitsmäßig Reproduzierte, das aufgrund assoziativer Zusammenhänge erregt wird, kann auch unbewußt bleiben, d. h. es braucht nicht als Vorstellungsinhalt, als Bestandteil des Bewußtseins also, aufzutreten: es ist erregt, aber bleibt unbewußt, solange wir mit dem Wort  Bewußtsein  die Gattung zu unseren Vorstellungen, Gefühlen, und dementsprechend unseren Wollungen bezeichnen. Dennoch muß daran festgehalten werden, daß jenes Bewußtsein der sachlichen Identität des gegenwärtig Reproduzierten mit dem früher Wahrgenommenen in jedem Fall einer solchen Reproduktion erzeugt werden kann. Wie dies tatsächlich geschieht, tut hier wiederum nichts zur Sache. Wir können diese zweite Seite der reproduktiven Beziehung, die der Voraussetzung für die Möglichkeit der Kausalbeziehungen eigen ist, mit einem kantischen Terminus als  "Rekognition"  bezeichnen. Man wolle jedoch dem Wort  Rekognition  hier nur den Sinn geben, der in der eben ausgesprochenen Bestimmung liegt; die rationalistischen Voraussetzungen und Konsequenzen, die der "Synthesis der Rekognition" bei KANT den Stempel aufdrücken, liegen dem vorliegenden Gedankengang völlig fern. Wir dürfen also zusammenfassen behaupten:
    In der Voraussetzung einer gleichförmigen Aufeinanderfolge von Vorgängen, die als eine notwendige Bedingung für die Möglichkeit der Kausalbeziehungen aus der Überlieferung seit HUME aufgenommen wurde, liegt der Gedanke, daß die Wahrnehmungsinhalte, die durch wiederholte Reizlagen gegeben sind, durch eine  reproduktive Rekognition  aufeinander bezogen werden.
Die Annahme einer solchen reproduktiven Rekognition bewährt sich nicht nur in den Punkten, die wir eben betrachtet haben. Sie ist schon für den Verlauf der einzelnen Wahrnehmungen  a  und  b,  also den Gesamtbegriff eines Vorgangs, unentbehrlich. Sie macht die Aufeinanderfolge, in der etwa  a  und  b  verknüpft sind, überhaupt möglich. Denn um  b  als  a folgend  zu denken, falls es bei Eintritt des  b  nicht in seinem ursprünglichen Wahrnehmungsbestand beharrt, muß es bei diesem Eintritt so weit rekognitiv reproduziert werden, als es bereits der Wahrnehmung entschwunden ist. Ohne diese Bedingung wäre statt der  b  auf  a  beziehenden Folge nur ein beziehungsloser Wechsel von  a  und  b  möglich. Und dies gilt schlechthin allgemein, also nicht nur in den Fällen, wo die Wahrnehmung des  a,  wie beim Blitz und Donner, bei Eintritt des  b  völlig aufgehört hat, oder, wie beim Wurf eines Steins, teilweise erloschen ist. Denn wir haben  a  als einen Vorgang oder eine Veränderung supponiert und angenommen, daß gleichförmige Aufeinanderfolgen von Vorgängen allein als Voraussetzung der Kausalbeziehung in Betracht kommen. Jeder Vorgang aber verläuft in der Zeit, und ist demnach in viele, zuletzt in unendlich viele Teilvorgänge zerlegbar. Tritt daher  b  auch nur ein unendlich kleines Intervall später ein als  a  - und etwas später als  a  muß es der Voraussetzung nach eintreten -, so ist ein entsprechender Teil von  a  bei Eintritt des  b  bereits erloschen. Nun ist das unendlich Kleine der Wahrnehmung ebenso unzugänglich, wie das unendlich Große. Aber daraus folgt nur, daß diese begriffliche Zergliederung der kontinuierlichen Zeitfolge für die Analyse des Wahrnehmungsbestandes durch Intervalle von endlicher Größe ersetzt werden muß. Das ändert jedoch nichts in der vorliegenden Betrachtung. Denn wenn  b  nach einem wahrnehmbaren, endlichen Intervall auf  a  folgt, so muß ein diesem Intervall entsprechendes Geschehen von  a  bei Eintritt des  b  bereits verlaufen sein; und das bleibt auch dann bestehen, wenn der Vorgangsteil von  a,  der vor dem Eintritt des  b  stattfand, noch bei diesem Eintritt beharrt: das jetzige Geschehen ist ein anderes, als das bereits verflossene, selbst wenn es sich jetzt eben in derselben Weise vollzieht, wie das vergangene. Und jenes, nicht dieses, gibt den hier erforderlichen Beziehungspunkt; jenes also muß rekognitiv reproduziert werden. Auch dieser Gedanke liegt also in der oben gegebenen Zusammenfassung dessen, was sich in der Voraussetzung der gleichförmigen Aufeinanderfolge bei kritischer Analyse eingeschlossen zeigt.

Mit all dem haben wir das Gebiet der bloßen Wahrnehmung, das unseren Ausgangspunkt für die Analyse der gleichförmigen Aufeinanderfolge gab, bereits verlassen. Nur den wechselnden Wahrnehmungsbestand dürfen wir als in engerer Bedeutung sinnliche Voraussetzung für die Kausalbeziehung bezeichnen. Damit diese wechselnden Wahrnehmungsinhalte als einander ähnlich, als einander folgend, und als einander gleichförmig folgend erkannt werden können, müssen sie durch rekognitive Reproduktion aufeinander bezogen sein.

Unsere kritische Analyse der gleichförmigen Aufeinanderfolge ist jedoch noch nicht zuende. Jede Beziehung zweier Vorstellungsinhalte aufeinander erfordert zugleich ein Vergleichen und Unterscheiden, das diese Vorstellungsinhalte zu Gliedern jener Beziehung macht, und setzt damit grundsätzlich - wenn auch tatsächlich in allen möglichen Abstufungen - Aufmerksamkeit sowohl auf jedes der beiden Glieder der Beziehung, als auch auf die Beziehung selbst, hier also der Aufeinanderfolge, voraus. Damit kommen wir zu einem weiteren Moment. Denn wir haben jeden Vorstellungsvorgang, der eine Aufmerksamkeitsspannung auf den Bestand des Bewußtseins enthält und dazu treibt, die Glieder dieses Bestandes miteinander zu vergleichen oder voneinander zu unterscheiden, als ein  Denken  zu bezeichnen (8). Die Beziehung, die zwei Vorgänge als ähnlich, als einander folgend, und zwar gleichförmig folgend erkennen läßt, ist also so weit davon entfernt, eine in engerer Bedeutung sinnliche zu sein, daß sie als eine  gedankliche  in Anspruch genommen werden muß. Die Gleichförmigkeit der Aufeinanderfolge von  a  und  b  ist also eine gedankliche Beziehung, sofern sie nur dadurch möglich wird, daß wir  a  als Ursache und  b  als Wirkung zugleich mit einander vergleichen und voneinander unterscheiden; zugleich, d. h. das Vergleichen und Unterscheiden sind Wechselbegriffe, die ein und denselben logisch gefaßten Vorstellungsvorgang nach zwei verschiedenen, einander entgegengesetzten Seiten hin bezeichnen. Es braucht deshalb hier nicht betont zu werden, daß die Beziehung, die uns  a  als Ursache und  b  als Wirkung denken läßt, auch deshalb eine gedankliche ist, weil sie für uns Namengebungen voraussetzt, die sie zu einem Bestandteil unseres  formulierten,  diskursiven Denkens erhebt. Wir  denken  also  a  als Ursache und  b  als Wirkung, indem wir jenes als gleichförmiges  antecedens,  diese als gleichförmiges  consequens  auffassen.
LITERATUR - Benno Erdmann, Über Inhalt und Geltung des Kausalgesetzes, Halle/Saale 1905
    Anmerkungen
    1) Man vergleiche B. ERDMANN "Theorie der Typeneinteilungen" in Bd. XXX der Philosophischen Monatshefte, Berlin 1894
    2) KANT, Kritik der reinen Vernunft, zweite Auflage, Seite 862
    3) Bei PLATON sind zwar die Ideen von den sinnlichen Dingen getrennt - sie müssen in einem begrifflichen Ort gedacht werden, da der Raum der Sinneswahrnehmung als das Nichtseiende, die Materie, aufgefaßt wird -; aber die sinnlichen Dinge stellen doch auch ein Mittleres zwischen dem Seienden und Nichtseienden dar, so daß sie an den Ideen teilhaben. In diesem Sinne gilt der gewählte Ausdruck auch für die ältere Fassung der Begriffsphilosophie.
    4) ARISTOTELES unterscheidet bekanntlich vier Arten von Ursachen: die formende, zwecktätige, bewegende und stoffliche. Aber Form, Zweck und Bewegung als Energie oder Entelechie des der Möglichkeit anch Seienden sind für die aristotelische Begriffsphilosophie Wechselbegriffe, und der Stoff ist - im Prinzip das schlechtin Unbestimmte, Leidende und Wirkungslose, das selbst ungewordene Substrat des Werdens. Alles Entstandene und Vergängliche ist - gleichfalls im Prinzip - geformter Stoff. Aus dem Bestand jedes Gewordenen, d. h. jedes geformten Stoffs läßt sich demnach durch bloße Analyse, d. h. auf rationalem Weg, die formende (zwecktätige oder bewegende) Ursache ebenso wohl herauslesen, wie die Materie. Die formende Ursache erscheint demnach in der Wirkung als deren Inhaltsbestandteil. Und umgekehrt: aus dem begrifflichen Bestand jeder Zweckform ergibt sich die ihrem Inhalt entsprechende mögliche Wirkung. Am analytisch rationalen oder deduktiven Charakter des so gefaßten Kausalzusammenhangs wird auch dadurch nichts geändert, daß sich ARISTOTELES genötigt sieht, im Hinblick auf das Gewordene, dem Stofflichen in Widerspruch mit seiner wirkungslosen Passivität eine eigene Wirksamkeit zuzuschreiben. Auch so weit das Stoffliche als Ursache gedacht werden muß, bleibt es doch im geformten Stoffe enthalten, und folgt umgekehrt aus seinem Bestand das, was es, in irgendeinem Sinn die Form hemmend, zu wirken vermag. Freilich hat ARISTOTELS den analytisch rationalen Sinn seiner Kausalauffassung niemals formuliert. Nicht für seine, aber für unsere Gesichtspunkte liegt er allen seinen Annahmen über den Zusammenhang zwischen Ursache und Wirkung bestimmend zugrunde.
    5) Man vergleiche die Aufsätze über FRANCIS BACON von CHRISTOPH SIGWART in den "Preußischen Jahrbüchern", Bd. 12, 1863 und Bd. 13, 1864.
    6) KANT, Kritik der reinen Vernunft, erste Auflage, Seite 100f
    7) Die psychologischen Voraussetzungen, die der Abhandlung zugrunde liegen, entstammen der Theorie der Reproduktion, die ich in Bezug auf die Psychologie der Sprache in den Abhandlungen über "Die psychologischen Grundlagen der Beziehungen zwischen Sprechen und Denken (Archiv für systematische Philosophie, Bd. 2, 3 und 7) ausgeführt habe.
    8) Man vergleiche meine "Umrisse zur Psychologie des Denkens", Tübingen 1900 (aus den "Philosophischen Abhandlungen", Christop Sigwart gewidmet.