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ARNOLD LINDWURM
Die Theorie des Wertes
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"Das Merkmal, das den Begriff des Preises bestimmt, liegt nicht in der Tauglichkeit einer Sache zu menschlichen Zwecken überhaupt oder zum Tausch im Besonderen, sondern es liegt einzig und allein in der Art und Weise des Erwerbs jener Sache. - Auf diese Beweisführung kann man erwidern, daß der Wert nicht allein vom schätzenden Individuum, sondern ebensosehr vom geschätzten Gut abhängt, indem unsere Wertschätzung insofern ideal ist, als wir das kantische Ding-ansich nicht kennen, also insofern unsere ganze Wahrnehmung ideal ist; aber sehr real ist sie, insofern gewisse Dinge in uns eine gewisse Empfindung hervorrufen, welche uns zweifellos zu einer bestimmten Wertschätzung (einerlei welcher) veranlassen wird."

"Denken wir uns die Menschen von der Erde fort, so leuchtet es ein, daß dann auch der Wert aufgehört hätte, zu existieren. Es würden sich zwar die zurückgebliebenen Sachen nicht verändert haben, sondern von der nämlichen Beschaffenheit sein wie zuvor, aber von ihrem Wert wäre keine Rede mehr, denn Niemand würde da sein, von ihm zu reden, ihn überhaupt nur zu denken. Ebensowenig wäre der Wert möglich, wenn zwar Menschen da wären, um Etwas wertzuhalten, aber Nichts, was wertgehalten werden könnte, keine Sache, der ein Wert beizulegen wäre. Hieraus folgt, daß die notwendige Voraussetzung des Wertes ist: Jemand, der einem Ding Wert beilegt, und ein Ding, dem Wert beigelegt wird; es stehen sich Subjekt und Objekt, Person und Sache gegenüber; ohne das Eine oder das Andere kann der Wert nicht entstehen, ist der Wertbegriff eine Fiktion, ein Gedanke, der Nichts darstellt, was in der Wirklichkeit existiert."

Es hat sich in der neuesten Zeit die Aufmerksamkeit des großen Publikums nicht nur, so weit es für die Staatswissenschaft in Betracht kommt, sondern auch der gelehrten Welt mehr und mehr von der Durchbildung und Weiterentwicklung der Begriffe abgezogen und sich mit Vorliebe der Ausbeute des in der Geschichte sich darbietenden Stoffes zugewandt. Es würde aber der Schluß verkehrt sein, zu dem diese Tatsache scheinbar berechtigt, daß nämlich die Begriffe, mit denen die Staatswissenschaft und zunächst die Staatswirtschaftslehre zu operieren hat, so unangefochten fest stehen, daß ein in Frage Stellen derselben Eulen nach Athen tragen hieße, indem eben alle nur erdenkbaren Zweifel bereits erhoben und zurückgewiesen worden seien. Es ist die scharfe Begriffsbestimmung in der Staatswirtschaftslehre mehr aufgeschoben, für den Augenblick in den Hintergrund gedrängt, als erledigt und vollzogen und so nützlich es gewiß ist, auf dem Gebiet des Tatsächlichen, der Geschichte, Lücken zu füllen, welche den Historiker am ungestörten Überschauen der Vergangenheit hindern, so unumgänglich notwendig bleibt das stete Fortbilden der Grundideen der Wissenschaft, die unaufhörliche Prüfung ihrer obersten Grundsätze und Begriffe, da von der Richtigkeit dieser schließlich doch die Zuverlässigkeit aller übrigen Arbeiten, die man etwa vornehmen könnte, abhängt. Zu den Theorien, welche meines Erachtens noch nicht als abgeschlossen anzusehen sind, gehört die des  Wertes.  Man operiert zwar mit diesem Begriff, als ob es nichts Klareres als ihn geben könnte und dennoch sind sehr wohl begründete Zweifel an der richtigen Analyse desselben zu erheben. Der Zweck der gegenwärtigen Untersuchung ist, die bisherigen Begriffsbestimmungen einer Kritik zu unterziehen, das Unhaltbare in ihnen nachzuweisen und eine andere Auffassung zu begründen.


§ 1.
Bisherige Theorien

ADAM SMITH bildet für die Lehre vom Wert, so wie sie die Lehrbücher heute aufstellen, ebenso die Unterlage, wie für die Wirtschaftslehren überhaupt. Es schließen sich ihm die meisten Schriftsteller an. SMITH nimmt einen Gebrauchswert und einen Tauschwert an, welche miteinander nicht übereinstimmen. Das Wasser hat großen Gebrauchswert, aber keinen Tauschwert; der Diamant hat hochen Tauschwert, aber keinen Gebrauchswert (1). Er verwirrt durch diese Unterscheidung offenbar die Begriffe; Wasser hat allerdings im Tausch Wert und der Diamant wird im Tausch jedenfalls nur deshalb hoch geschätzt, weil man ihn im Gebrauch hoch im Wert hält. Es kann in den beiden Wertarten kein Widerspruch, wie SMITH will, angenommen werden. Dieser verfolgt seinen Gebrauchswert nicht weiter, sondern wendet sich ausschließlich dem Tauschwert zu, für den er in der Arbeit einen nie trügenden Maßstab gefunden zu haben glaubt. "Labour alone, therefore, never varying in its own value is alone the ultimate and real standard, by which the value of all commodities can at all times an places be estimated and compared. (2) [Die Arbeit allein, weil niemals in ihrem eigenen Wert variierend ist der alleinige ultimative und reale Standard, durch den der Wert aller Rohstoffe zu jeder Zeit und an allen Orten geschätzt und verglichen werden kann. - wp] Er gibt jedoch zu, daß es schwer ist, das Verhältnis zwischen zwei verschiedenen Quantitäten Arbeit zu erkunden, und gesteht schließlich sogar, sehr im Widerspruch mit dem vorangeschickten allgemeinen Satz, es habe die Arbeit selbst einen Preis, sei also doch nur ein Maßstab, der, um erkannt zu werden, selber wieder gemessen werden muß: "In this popular sense, therefore, labour like commodities, may be said to have a real and a nominal price. (3)[In diesem allgemeinem Sinn kann von der Arbeit wie von den Rohstoffen gesagt werden, daß sie einen realen und einen nominalen Preis haben.

JEAN BAPTISTE SAY nennt die Nutzbarkeit der Dinge ihren Wert: "Or, cette qualité qui fait qu'une chose a de la valeur, il est évident que c'est son utilité (4)[Von jeder Qualität, die von wert ist, ist es offensichtlich, daß sie nützlich ist. - wp], wobei diese Definition durch den Umstand Lügen gestraft wird, daß schlechtes Getreide in mageren Jahren mehr wert ist als das weit nutzbarere in fetten. (5)

JOHN STUART MILL ist der Meinung, daß weder ihm noch einem zukünftigen Schriftsteller vorbehalten sei, etwas im Gesetz des Wertes aufzuklären; er findet sich aber keineswegs gemüßigt, eine Definition dessen zu geben, was Wert ist, wenn wir nicht seinen Ausspruch: "Value is a relative expression." [Wert ist ein relativer Ausdruck. - wp] dafür gelten lassen wollen (6). MILL nimmt auch einen Gebrauchswert und einen Tauschwert an. Jenen bezeichnet er als die Grenze des Tauschwertes. Dieser könne hinter dem Gebrauchswert zurückbleiben, aber nicht darüber hinaus gehen, denn im letzteren Fall würde Jemand mehr für eine Sache zahlen, als sie ihm im Gebrauch wert wäre, was man nicht annehmen kann. MILL vergißt, daß man in dubio den Verkäufer für ebenso klug halten muß wie den Käufer, daß also anzunehmen ist: er wird seine Ware auch nicht verkaufen wollen, wenn er nicht so viel erhält, wie sie ihm im Gebrauch wert ist. Seine Exposition sieht deshalb wahrlich nicht aus wie eine abgeschlossene Theorie.

Nach LOTZ ist der Wert nur etwas Ideales, welches einzig und allein auf unserer Wertschätzung beruth, sei es, daß wir den Gebrauchswert, also den Wert mit Rücksicht auf unsere eigenen Zwecke, sei es, daß wir den Tauschwert, also den Wert mit Rücksicht auf die Zwecke Anderer, schätzen. "Das Merkmal, das den Begriff des Preises bestimmt, liegt" - nach ihm dagegen - "nicht in der Tauglichkeit einer Sache zu menschlichen Zwecken überhaupt oder zum Tausch im Besonderen, sondern es liegt einzig und allein in der Art und Weise des Erwerbs jener Sache. " (7) Auf diese Beweisführung kann man erwidern, daß der Wert nicht allein vom schätzenden Individuum, sondern ebensosehr vom geschätzten Gut abhängt, indem unsere Wertschätzung insofern  ideal  ist, wie wir das kantische Ding-ansich nicht kennen, also insofern unsere ganze Wahrnehmung ideal ist; aber sehr real ist sie, insofern gewisse Dinge in uns eine gewisse Empfindung hervorrufen, welche uns zweifellos zu einer bestimmten Wertschätzung (einerlei welcher) veranlassen wird. Ferner liegt, was den 'Preis anbelangt, der Einwand nahe, daß, wenn es einen Wert im Tausch, einen Tauschwert gibt, der Preis beim Tausch in irgendeiner Beziehung zum Wert stehen muß; weiter, daß, da die Wertschätzung nicht rein subjektiv, sondern auch durch die Eigenschaften der Gegenstände bedingt ist, der Preis allerdings auf die individuelle Wertschätzung der Dinge, also auf den Wert, nach LOTZ, Einfluß haben kann, weil er, als der Ausdruck der Wertschätzung Vieler, die individuelle Wertschätzung berichtigen kann, indem er nämlich die Erkenntnis der Eigenschaften des Objektes im Individuum durch einen Hinweis auf den Preis läutern kann.Ferner läßt sich gewiß nicht leugnen, daß, außer den inneren Eigenschaften der Dinge, auch die äußeren Umstände, unter denen sie existieren, Einfluß haben auf den Wert. Ob eine Sache selten ist oder häufig, kann bei ihrer Wertschätzung wahrlich nicht gleichgültig sein. Ist sie aber gar nicht vorhanden, dann kann von ihrer Wertschätzung jedenfalls nur suppositionsweise die Rede sein: sie würde etwas wert sein, wenn sie nämlich da wäre, zur Verfügung stände. Läßt man aber, nach LOTZ, die reine Subjektivität des Wertes zu, so kommt es auf die Seltenheit oder Häufigkeit der Dinge, ja, selbst auf ihre Existenz gar nicht an; Jedermann kann seine Wertschätzung dennoch vornehmen; es sind in diesem Fall die Ausdrücke  Gebrauchswert  und  Tauschwert,  deren sich LOTZ bedient, ohne Widerspruch selbst gar nicht anwendbar, weil sie durch das Objektive vornehmlich bedingt werden. Der Preis aber würde, vom Wert losgelöst, durch Nichts bestimmt werden als durch Nachfrage und Angebot. Diese sind aber nicht die letzten Bestimmungsgründe des Preises; vielmehr ist die Frage sehr berechtigt: was bestimmt denn die Nachfrage und das Angebot? und die Beantwortung dieser Frage würde von selber zu der des Wertes zurückführen. Eine allgemeine, für alle Fälle taugliche Definition ist also auch von diesem Schriftsteller nicht gegeben.

KARL THOMAS (8) findet im Wert ein Verhältnis von Person und Sache angedeutet. Welcher Art dieses Verhältnis ist, überläßt er aber der Psychologie zur weiteren Ausführung. Das Materielle, fürchtet er, ist dem Leser "zu philosophisch"; er hält sich deshalb an die Form und gerät, indem er diese erfassen will, in wahrhaft erstaunliche Gedankenkombinationen. Er findet nämlich nicht nur ein Verhältnis der Person zur Sache, sondern noch ein anderes der Sache zur Person, ja, nicht nur dies, sondern auch, ebenso wie ein Verhältnis einer Person zu mehreren Sachen, ein solches mehrerer Sachen zu einer Person. Das Verhältnis der Person zur Sache macht den Wert, dasjenige aber der Sache zur Person die Würde. Dort liegt das die Schätzung Bestimmende rein im Subjekt, hier rein im Objekt; oder aber, da es keine Schätzung des Subjekts ohne Objekt, keine des Objekts ohne Subjekt gibt, so ist in beiden Fällen Etwas da, was nicht da ist. Aus ähnlichen positiven Negationen des negativ Positiven folgert THOMAS noch die Nützlichkeit, welche aus der, durch die Kausalverbindung mehrerer Sachen, in ihrem Verhältnis zu einer Person, bedingten Wertschätzung hervorgehen soll, ferner Preis und Kosten; obige Proben seiner Beweisführung genügen jedoch wohl, um zu zeigen, daß er uns das Verständnis des Wertes nicht vermittelt.

Ein Schriftsteller der neuen Welt (9) nennt schließlich den Wert das Maß des zur Erlangung der Gegenstände, deren wir für unsere Zwecke bedürfen, zu überwindenden Widerstandes: das Maß der Übermacht der Natur über den Menschen. Diese Theorie, welche neuerdings viele Anhänger gefunden hat, ist die umgekehrte RICARDOs (10) dahin modifiziert, daß nicht die Produktionskosten, sondern die Reproduktionskosten den Wert bestimmen sollen. Sie ist ebenso unrichtig wie die RICARDOs, denn Produktion wie Reproduktion sind nicht das Einzige, was bei der Wertschätzung in Betracht kommt. Ein geschenkter Gegenstand würde sonst nie Wert haben können. Die erkennt CAREY selber an, indem er den  wirklichen Wert  eines Buches im Nutzen und Vergnügen findet, welch uns das Lesen desselben gewährt (11). Also außer dem Wert, wovon der zur Erlangung eines Gegenstandes aufzuwendende Widerstand das Maß bildet, gibt es nach CAREY noch einen anderen und zwar den wirklichen Wert, an den dieser Maßstab nicht gelegt werden kann. CAREY sagt in derselben Anmerkung, daß Werte wie der eines Abdrucks eines Valdorfer  Boccaccio,  welcher für Tausende von Guineen verkauft wird, nur eingebildet und ebenso von der Mode abhängig sind wie einst der Tulpenwert in Holland. Die Grenze des Wertes ist der Reproduktionspreis; wo die Produktion unmöglich ist, wie bei seinem Valdorfer  Boccaccio,  den Gemälden von GUIDO, den Statuten von PHIDIAS, hat ihr Wert nur eine Grenz in der Laune derjenigen, die sie zu besitzen wünschen und imstande sind, sie zu bezahlen. Mit anderen Worten: CAREY macht sich für seine Definition einen Wert, und, was nicht dahinein paßt, ist für ihn - imaginär. Ich will dahin gestellt sein lassen, inwieweit CAREY bei der Konstruktion seiner Werttheorie von der Imagination Gebraucht gemacht hat; jedenfalls muß ich dieser aber das Recht zuerkennen, mit zu den Wertfaktoren zu zählen. Ebensowenig wie eine Scheidelinie zu ziehen ist zwischen Luxus und Bedürfnis, diese Ausdrücke vielmehr nur ganz relative und unbestimmte Grenzen gegeneinander bezeichnen, ebensowenig ist zu sagen, wo ein reeller, wo ein imaginärer Wert vorliegt. Was für den Einen imaginär ist, dünkt dem Anderen schon sehr real, und es heißt jedenfalls dem Käufer, welcher für eine Originalausgabe des  Boccaccio  mehrere tausend Guineen bezahlt, eine starke Einbildungskraft zutrauen, wenn man die solchergestalt manifestierte Wertschätzung rein seiner Imagination in die Schuhe schiebt.

CAREY stellt als das Gegenteil des Wertes die Nützlichkeit hin. Ist jene das Maß der Macht der Natur über den Menschen, so ist diese das Maß der Macht des Menschen über die Natur. Nach dieser Theorie kann also ein Gewitter unmöglich nützlich für die Menschen sein, weil der Mensch keine Macht darüber hat. CAREY gibt diese Definition wohl nur aus Liebe zu Antithesen. Außerdem mußte er Etwas haben, was an die Stelle des Wertes tritt, wenn dieser dereinst, nachdem die "Herrschaft des Menschen über die Natur" erst einmal vollständig geworden ist, aufgehört haben würde, zu existieren. Es ist, scheint es, CAREY doch selbst etwas unheimlich bei dem Gedanken geworden, daß dann nichts mehr auf Gottes schöner Erde etwas wert sein sollte, und er hat daher, zum Ersatz, die Nützlichkeit herangezogen, womit er seinen  horror vacui  [Panik bei Leere - wp] beschwichtigt. - Es ist am Wertbegriff jedenfalls charakteristisch, daß so verschiedenartige Auffassungen desselben möglich sind. Die angeführten Theorien weichen nicht nur voneinander ab, sondern gehen zum Teil von ganz entgegengesetzten Prinzipien aus. Der Weg für eine weitere Forschung ist dadurch gewiesen. Da keiner der verschiedenen Theorien eine relative Richtigkeit abzusprechen ist, alle Relativität der Wahrheit ihren Grund aber in der Nichtbeachtung besonderer noch einwirkender Umstände hat, so kann eine absolut gültige Werttheorie nur in der Vereinigung der relativ gültigen möglich sein. Die verschiedenen Gesichtspunkte, unter denen die angeführten Schriftsteller ausgingen, müssen zu einem einzigen zusammengefaßt werden. Nur hierdurch ist es möglich, zur Einheitlichkeit des Wertbegriffs zu gelangen, welche in der Wirklichkeit tatsächlich vorhanden ist.


§ 2.
Die Faktoren des Wertverhältnisses

Der Wert eines Gegenstandes, einer Sache, sei sie materieller oder immaterieller Natur, existiert offenbar nur für, nur durch die Menschen. Denken wir uns die Menschen von der Erde fort, so leuchtet es ein, daß dann auch der Wert aufgehört hätte, zu existieren. Es würden sich zwar die zurückgebliebenen Sachen nicht verändert haben, sondern von der nämlichen Beschaffenheit sein wie zuvor, aber von ihrem Wert wäre keine Rede mehr, denn Niemand würde da sein, von ihm zu reden, ihn Überhaupt nur zu denken. Ebensowenig wäre der Wert möglich, wenn zwar Menschen da wären, um Etwas wertzuhalten, aber Nichts, was wertgehalten werden könnte, keine Sache, der ein Wert beizulegen wäre. Hieraus folgt, daß die notwendige Voraussetzung des Wertes ist: Jemand, der einem Ding Wert beilegt, und ein Ding, dem Wert beigelegt wird; es stehen sich Subjekt und Objekt.  Person  und  Sache  gegenüber; ohne das Eine oder das Andere kann der Wert nicht entstehen, ist der Wertbegriff eine Fiktion, ein Gedanke, der Nichts darstellt, was in der Wirklichkeit existiert.

Die Stellung, welche die Dinge, den Menschen gegenüber, einnehmen, ist keineswegs unveränderlich. Es ändert sich nicht nur unsere Erkenntnis von den Eigenschaften der Dinge, sondern die Eigenschaften mancher Dinge ändern sich im Laufe der Zeiten durch unser Zutun (des Korns, des Viehs) oder werden zumindest in einer Weise entwickelt, daß sie andere zu sein scheinen; ja, es ändert sich auch der Mensch, und zwar nicht nur, was seine  Fähigkeit  anbelangt, zu den Dingen in eine Beziehung zu treten, sondern auch, was seine  Geschmacksrichtung  anbelangt; häufig genug scheint es mehr als willkürlich zu sein, wenn er einem Ding heute den Vorzug vor einem anderen einräumt, das er gestern noch weit über jenes stellte. Es sind somit die Beziehungen der Dinge zu den Menschen nicht nur insoweit verschieden, als die Dinge verschieden sind, sondern sie ändern sich obendrein von Zeit zu Zeit, sind also in jeder Hinsicht schwankend. Um daher keine  petitio principii  [es wird vorausgesetzt, was erst zu beweisen ist - wp] zu begehen und dennoch einen festen Ausgangspunkt für die weiteren Untersuchungen zu gewinnen, ist es nötig, jenes Gegenüber von Person und Sache ganz allgemein als  ein Verhältnis  aufzufassen; denn da sich Sache und Person nicht starr und unbeweglich gegenüberstehen, vielmehr subjektive wie objektive Bedingungen der Veränderung da sind, so ist bei der Charakterisierung jenes Gegenübers auf dessen Veränderlichkeit Rücksicht zu nehmen. Der Begriff des Verhältnisses umfaßt sowohl das Beharrende als das Veränderliche eines Zustandes; er drückt aus, daß das von einem Ding zu Sagende nur mit Rücksicht auf das von einem anderen Gesagte gelten soll. Wenn somit das Gegenüberstehen von Person und Sache als ein  Verhältnis  bezeichnet wird, so drückt dies aus, daß alle Eigenschaften, welche an einem Gegenstand haften, alle Veränderungen, denen er unterworfen ist, alle Umstände, unter denen er existiert, nur für die Person gelten, und umgekehrt, daß alle Eigentümlichkeiten dieser nur mit Rücksicht auf die Sache verstanden werden können.

Solange die Person und die Sache selber als Faktoren des Verhältnisses aufgefaßt werden, erhält der Begriff des letzteren nicht die Beweglichkeit, deren er bedarf, um ihn für weitere Untersuchungen fruchtbar zu machen. Auf der anderen Seite sind die Faktoren so verschieden potenziert und zugleich so schwankend, daß nur ihre allgemeinsten Merkmale stetig sein können. Diese stets vorhandenen, nimmer fehlenden Merkmale der beiden Faktoren des Verhältnisses von Person und Sache sind: bei der Person  der auf die Dinge gerichtete Wille,  bei der Sache  die Tauglichkeit, dem auf sie gerichteten Willen zu dienen.  Ein  metaphysisches  Verhältnis von Sache und Person, wie das ist, welches der Wertbegriff voraussetzt, ist ohne diese Merkmale absolut unmöglich, denn, ebensowenig wie der Wert denkbar ist, wenn entweder die Menschen oder die Sachen fehlen, entweder diejenigen, welche Wert auf Etwas legen, oder dasjenige, auf welches Wert gelegt wird, ebensowenig ist ein Wertverhältnis der Dinge zu den Menschen denkbar, bei denen der Wille der letzteren nicht angeregt würde, oder die Dinge nicht geeignet wären, dem Willen zu dienen. Es muß notwendig, damit der Wert entsteht, bei den Personen ein Interesse für die Sachen existieren, dieses Interesse selbstverständlich durch besondere Eigenschaften der Dinge hervorgerufen sein, indem ihm sonst jedes Motiv fehlen würde, aus dem er sich just auf einen Gegenstand, statt auf einen anderen, richtet; ein Interesse ohne eine Willensregung ist aber schlechterdings eine Unmöglichkeit; es ist eine Willensregung die unumgängliche Bedingung selbst unserer leisesten Beziehungen zur Außenwelt (12).

Diese, den beiden Faktoren, trotz aller übrigen Wandelbarkeit, sets eigentümlichen Merkmale bedingen sich selbstverständlich gegenseitig. Der auf die Dinge gerichtete Wille kann nur in dem Maße stärker werden, wie die Dinge tauglicher werden, dem Willen zu dienen; umgekehrt ist die Tauglichkeit der Dinge, dem Willen zu dienen, nur in dem Maß vorhanden, wie der Wille geneigt ist, sich dieselbe dienstbar zu machen. Es bleiben also die beiden Faktoren stets gleich potenziert, steigen und fallen in gleicher Proportion, und insofern sind  alle  Wertverhältnisse, ungeachtet ihrer sonstigen Verschiedenheit, durchaus  gleichartige. 

Um die gefundenen Begriffe, den menschlichen Wilen und die Tauglichkeit der Dinge, dem Willen zu dienen, anschaulicher, fähiger zu machen, den konkreten Verhältnissen angepaßt zu werden, ist es nötig, dieselben noch näher zu bestimmen.

Da der menschliche Wille für den Wert nur insofern in Betracht kommen kann, als ihm die Tauglichkeit der Dinge, ihm zu dienen, gegenübersteht, indem ein Wollen ohne Etwas, das gewollt wird, nicht der Ausdruck des Verhältnisses des Wollenden zum Gewollten sein kann, welches Verhältnis aber vom Wert vorausgesetzt wird, so ist mit dem Begriff des Willens nicht nur positiv das Verlangen, Wunsch oder Bedürfnis des Menschen gegeben, sondern negativ auch der Grad der Aufwandsfähigkeit, welcher dem Verlangen, sei dieses zum Bedürfnis erstarkt oder zum Wunsch abgeschwächt, zur Verfügung steht. Unter der Tauglichkeit der Dinge, dem menschlichen Willen zu dienen, ist nicht nur die besondere positive Beschaffenheit derselben, ihre Eigenschaften, verstanden, sondern auch die Umstände, unter denen sie existieren und welche stets eine gewisse Schwierigkeit involvieren, das auf die Dinge gerichtete Verlangen nach ihr zu genügen,  eingeatmet  werden muß. Ohne die Fähigkeit zu einem Kraftaufwand, wie ihn das Einatmen erfordert, ist unser Verlangen nach Luft vergebens; diese tritt außerhalb eines Verhältnisses zum Menschen; ein solches Verhältnis ist aber die notwendige Voraussetzung des Wertes.

Die Trennung der positiven und negativen Gesichtspunkte, unter welche die Faktoren des Wertverhältnisses bei näherer Betrachtung fallen, ändert selbstverständlich nichts an der Abhängigkeit der letzteren voneinander. Das Verlangen der Menschen nach den Dingen ist ebenfalls nur insofern für den Wert von Bedeutung, als die Dinge es zu befriedigen geeignet sind. Diese sind aber nur  dann  dazu geeignet, wenn sie, außerdem daß sie die entsprechenden Eigenschaften besitzen, auch noch unter den Umständen existieren, welche die Wirkung derselben ermöglichen. Es muß also dem Verlangen nach den Dingen nicht nur deren besondere Beschaffenheit, sondern der Aufwandsanforderung, an die die Wirksamkeit aller Eigenschaften der Dinge geknüpft ist, muß notgedrungen eine das Verlangen begleitende Aufwandsfähigkeit entsprechen. So unzertrennlich, wie das Verlangen an die ihm zu Gebote stehende Aufwandsfähigkeit geknüpft ist, ebensowenig läßt sich die Tauglichkeit der Dinge, das Verlangen zu befriedigen, ohne eine gewisse Aufwandsanforderung denken. Es ist die Natur selbst maliziös genug gewesen, mit denjenigen Dingen die größte Aufwandsanforderung zu verbinden, welche am heftigsten begehrt werden, wenn man nicht lieber annehmen will, daß die Menschen so eigensinnig sind, das am höchsten wertzuhalten, was am schwersten zu erlangen ist. Steigt die Schwierigkeit der Erlangung, so wird es wenig helfen, daß das Verlangen in gleichem Maße stärker wird, wenn nicht zugleich die Fähigkeit, diese Schwierigkeit zu überwinden, zunimmt. Das Gleichgewicht der sich gegenüberstehenden Faktoren muß stets hergestellt werden, wobei es allerdings gleichgültig ist, ob auf der einen Seite, dem Objekt, etwa der negative Gesichtspunkt mehr überwiegt und dem positiven auf der anderen die Waage hält, oder umgekehrt, oder ob bei beiden Faktoren beide Gesichtspunkte in gleichem Maße in Betracht kommen.


§ 3.
Der Wertbegriff selbst

Ehe wir dazu übergehen, den Wertbegriff selber abzuleiten und zu formulieren, ist es nötig, ein Bedenken auszuräumen, welches sich in Bezug auf die Faktoren des Wertverhältnisses aufdrängen muß. Wie ich schon oben andeutete, sind diese veränderlich und schwankend; sie sind nicht nur verschieden je nach den verschiedenen Menschen, sondern auch bei denselben Menschen je nach verschiedenen Zeiten. Was das Verlangen nach den Dingen anbelangt, so offenbaren sich die wunderbarsten Gegensätze in dem, was man den Geschmack der Menschen nennt. Man trete in einen Modewarenladen oder sehe sich nur auf der Gasse, am Festtag, den Putz der Leute an, so wird man fast so viele Geschmacksrichtungen wie Menschen finden, wenn nicht in den Stoffen so doch im Machwerk, oder in der Art es zu tragen; sogar bei den Nahrungsmitteln spielt die Verschiedenheit des Willens in der Eigentümlichkeit des Geschmacks eine große Rolle: genug, ein neuer Mensch und ein neuer Wille ist ein und dasselbe. Selbst die Objekte sind nicht unwandelbar dieselben. Allerdings ist ihre Beschaffenheit ansich zu einer gegebenen Zeit unbedingt nur  eine,  aber die Beschaffenheit der Dinge-ansich kommt für das Wertverhältnis nicht in Betracht, sondern nur ihre Tauglichkeit, dem auf sie gerichteten Willen zu dienen. Die Beschaffenheit der Dinge ist daher mit Rücksicht auf den besonderen Willen, welcher sie sich dienen lassen will, zu beurteilen, und, da dieser verschieden ist, so wird dadurch auch die Beschaffenheit der Dinge verschieden. Überdies existieren die Eigenschaften aller Gegenstände für die Menschen nur, insoweit sie erkannt sind. Eine unerkannte Eigenschaft kann kein Verlangen erwecken; für den Unkundigen existiert dasjenige gar nicht, was der Kundige sieht. Es müssen die Eigenschaften der Dinge für die Menschen somit so verschieden sein, wie der Grad ihrer Erkenntnis verschieden ist. Wer wird hier nicht an die Geschichte des  Sancy -Diamanten in der Krone Russlands erinnert, der von dem Soldaten, welcher ihn fand, für einen Gulden an einen Geistlichen verkauft und, nachdem er durch verschiedene Hände gegangen war, selbst den Magen eines Bediensteten passiert, außerdem verschiedene Kronen geziert hatte, vom Kaiser von Russland um eine halbe Million Silberrubel erworben wurde? Beim Kaiser und dem Soldaten konnte ein solcher Unterschied in der Wertschätzung nur infolge eines großen Unterschieds in der Beurteilung der dem Stein innewohnenden Eigenschaften stattfinden. Und zwar passieren in kleinerem Maßstab alle Tage ähnliche Geschichten. Ein Buch ist für denjenigen, welcher nicht lesen kann, in der Regel nur zusammengeheftetes Papier, nicht viel mehr für denjenigen, welcher die Sprache nicht versteht, worin es geschrieben ist.

Was die Schwierigkeit anbelangt, die Dinge zu erlangen, sie dem Willen dienen zu lassen, so läßt sich von ihr nun zumal nur mit Rücksicht auf eine gewisse Fähigkeit, sie zu überwinden, sprechen. Es ist nichts in der Welt absolut leicht oder schwierig, sondern beides nur in Bezug auf ein gedachtes Maß von Kraft oder Geschicklichkeit. Einem Tagelöhner wird es schwer genug, sein tägliches Brot herbeizuschaffen, während es der Hofdame LUDWIGs XV. so wenig Mühe machte, daß sie nicht einmal den Stoff kannte, woraus es bereitet wird.

Um diese Bedenken auszuräumen, ist es nötig, die von den Faktoren des Wertverhältnisses gebildeten Begriffe zu beschränken. Sollen diese darstellen, was in der Wirklichkeit stattfindet, sollen sie unbedingte Gültigkeit haben, wie es von einem Grundprinzip verlangt werden kann, so müssen sie von der Allgemeingültigkeit verlieren, in der sie, wie wir gesehen haben, nicht haltbar sind.

Die Beschränkung, welche in Bezug auf die Faktoren des Wertverhältnisses zu machen sind, ergeben sich fast von selbst. Das, was auf die Gesamtheit der Menschen nicht paßt, paßt auf sie als lauter Einzelne. Das Verhältnis der Dinge zu uns, welches der Wert voraussetzt, existiert  nicht  für die Menschheit, sondern  nur für den Menschen.  Es ändert sich folglich ein Wertverhältnis, wenn ein Gegenstand aus der einen Hand in die andere geht, denn dann sind ganz andere Faktoren desselben vorhanden. Es ist sowohl ein anderer Wille da, wie auch eine andere Erkenntnis der Tauglichkeit der Dinge, dem Willen zu dienen. Der Schwierigkeit der Erlangung der Dinge steht eine andere Aufwandsfähigkeit gegenüber, was auch sie ändert.  Das Wertverhältnis ist somit durchaus und rein individuell es existiert nur für und durch das Individuum, und, wenn es je so scheinen sollte, als hätte der Wert mancher Gegenstände einen allgemeinen Charakter, so ist das dieselbe Erscheinung, welche man in Bezug auf das Individuelle im Menschen überhaupt wahrnehmen kann. Dieses ist nur das Eigentümliche innerhalb eines Gemeinsamen. Wo das Gemeinsame anfängt, hört das Eigentümliche auf. Es ist aber das nichts absolut Gemeinsames, was durch Eigentümliches unterbrochen ist; das Eigentümliche ist als die Abweichung vom Gemeinsamen gerade das Charakteristikum des Individuums, und das Wertverhältnis, weil es nicht ganz gemeinsam ist, eben deswegen individuell. Die Wirklichkeit streitet dann auch nicht gegen die Individualität des Wertes. Hätte dieser seine Wurzel in der Allgemeinheit, so müßte das Individuum dem Wert folgen; wir haben aber selbst bei den blutigsten Wertedikten der ersten französischen Revolution gesehen, daß das Individuum das Wertverhältnis entschieden als für es selbst und niemand anderen bestehend angesehen hat, und der Wert der Herrschaft des einzelnen Menschen unterworfen geblieben ist (13).

Wenn schon das Verhältnis der Dinge zum Menschen ein rein individuelles ist, so muß offenbar auch der Wert selber individuell sein, da dieser auf jenem fußt. Wie aber entsteht aus dem Wertverhältnis der Wert selber?

offenbar wirken die Faktoren des Wertverhältnisses nicht mechanisch, so daß aus ihrem Zusammentreffen der Wert von selber und notwendig erfolgen müßte. Da derselbe sich nur aus den Beziehungen der Dinge zum Menschen ergeben kann, so muß notwendig die Art, die besondere, jedesmalige Natur dieser Beziehungen, im einzelnen Menschen zum Bewußtsein gelangen. Denn, da die Faktoren dieser Beziehungen je nach den Menschen verschieden sind, so kann die besondere Beschaffenheit derselben auch nur in den Individuen zum Bewußtsein gelangen. Ohne dieses Bewußtwerden der besonderen Art des Wertverhältnisses kann der Wert selbstverständlich nicht entstehen; es wäre so gut, als ob es überall nicht existierte. Muß doch sogar der eigene Wille, damit er sich auf besondere Gegenstände richten kann, erst ins Bewußtsein treten, d. h. erkannt werden, wie viel mehr die Tauglichkeit der Dinge dem Willen zu dienen! Ich habe oben schon ausgeführt, daß die Beschaffenheit der Gegenstände nicht ohne weiteres auf den Wert wirkt, sondern daß es auf die Erkenntnis derselben ankommt; dies ist hier zu wiederholen in Bezug auf das ganze Verhältnis. Dasselbe wirkt nur durch die Erkenntnis und sehr verschieden, je nach der Erkenntnis; durch diese allein können die Faktoren das Wertverhältnis, dieses den Wert erzeugen; es ist die Erkenntnis sogar häufig ein großes Stück der Aufwandsfähigkeit zur Überwindung der Schwierigkeiten, an welche die Tauglichkeit der Gegenstände, dem Willen zu dienen, geknüpft ist.

Die besondere Art der Geistestätigkeit, um die es sich bei der Erkenntnis des Wertverhältnisses handelt, ist die Beurteilung der mehr oder weniger starken Wirkung der Wertfaktoren, also die Beurteilung von Größenverhältnissen. Eine solche Beurteilung bezeichnet man mit dem Wort  Schätzung.  Diese muß deshalb dem Wert vorausgegangen sein.

Resümieren wir das Vorhergegangene, so ergibt sich mtihin: daß die Gegenstände, auf welche Wert gelegt wird, zu den Menschen, welche Wert auf sie legen, in einem Verhältnis stehen. Dies beruth darin, daß die Menschen Verlangen nach den Gegenständen tragen, die Gegenstände dagegen geeignet sind, das Verlangen zu befriedigen, daß zugleich diese Befriedigung an gewisse Aufwandsanforderungen geknüpft ist, welche ein entsprechendes Maß an Aufwandsfähigkeit nötig machen. Da außerdem diese Bestandteile des Verhältnisses der Dinge zu uns verschieden sind, je nach den Menschen, so ist das letztere rein individuell. Damit aus dem Verhältnis der Dinge zum Menschen der Wert entsteht, muß das Verhältnis in diesen zum Bewußtsein gelangen. Solches geschieht, indem die Bestandteile des Wertverhältnisses einer Beurteilung unterworfen werden. Eine solche Beurteilung nennt man, weil sie Größenverhältnisse zum Gegenstand hat, eine Schätzung:  es ist der Wert mithin das Produkt der von einem Individuum vorgenommenen Schätzung des Verhältnisses, worin ein Ding zu ihm steht im Vergleich mit anderen.  Eine Schätzung, welche einen der Bestandteile des Wertverhältnisses unberücksichtigt ließe, würde niemals den Wert ergeben können. Für die einzelnen Bestandteile des Wertverhältnisses bestehen bereits Begriffe; es ist deren Zusammenfassung, welche im Wert ihren Ausdruck findet. Man kann deshalb ohne Widerspruch den Wert selbst niemals an die Stelle eines der Faktoren des Wertverhältnisses setzen; für dieses selber fehlt aber ein Begriff, wenn man dem Wertbegriff nicht den ihm gebührenden Platz einräumt (14).  Der Wert selber aber,  und dies ist wohl zu beachten,  ist nicht möglich, sobald einer der Faktoren des Wertverhältnisses fehlt.  Mit dem bloßen Wollen ist es nicht getan. Dinge, auf welche mein Wille gerichtet ist, haben, wenn sie nicht geeignet sind, meinem Willen zu dienen, so wenig Wert für mich, als wenn sie sich auf dem Mond befänden. Ich kann allerdings suppositionsweise eine Schätzung vornehmen, d. h. ich ergänze in Gedanken den etwa fehlenden Faktor und gelange so zur  Vorstellung  eines Wertes, welche sich dadurch von einem  wirklichen  Wert unterscheidet, daß ihr Inhalt nicht in der Wirklichkeit, sondern nur in meiner Phantasie existiert, d. h. daß er kein tatsächliches Verhältnis eines Dings zu mir, sondern nur ein gedachtes ausdrückt. Eine Schätzung kann auch für einen Dritten vorgenommen werden, in diesem Fall supponiert der Schätzende statt seiner ein anderes Schätzungssubjekt und bei der vorzunehmenden Schätzung so viel wie möglich sich in dessen Individualität versetzt.


§ 4.
Der Unwert

Nicht der Wert allein kann das Produkt einer Schätzung sein, es kann ebensowohl der Unwert daraus hervorgehen. Ob das eine oder das andere der Fall sein wird, hängt ganz und gar von der Art des Verhältnisses ab. Die Schätzung des Verhältnisses, welches ich geschildert habe, muß notwendig den Wert ergeben; aus seinem Gegenteil wird ebenso gewiß der Unwert folgen. Dieses Gegenteil (15) besteht darin, daß der menschliche Wille gegen eine Sache gerichtet, und diese tauglich ist, ihm zuwider zu sein, wobei die negativen Momente ebenfalls in Betracht kommen, insofern der Widerwille von einer gewissen Aufwandsfähigkeit, sich zu betätigen, abhängt, die Tauglichkeit der Sache den Widerwillen zu erregen die Möglichkeit der Überwindung läßt.

Es ist also der Unwert das Gegenteil des Wertes. Ich habe ihn hier angeführt, um daran gewissermaßen eine Rechnungsprobe zu machen. War das Prinzip richtig, nach dem ich den Wert konstruierte, so mußte sich auch sein Gegenteil analog daraus ableiten lassen.


§ 5.
Die Anwendung des Wertbegriffs

Ich habe in meiner Definition des Wertes den Vergleich der Dinge miteinander als notwendiges Zubehör derselben antizipiert; es obliegt mir daher, seine Notwendigkeit zu erweisen.

Eine Schätzung ohne Vergleich ist schlechterdings eine Unmöglichkeit. "Jeder Wert ist eine Vergleichsgröße, ja er steht notwendig in doppelter Relation: denn erstens ist er  relativ,  indem er für jemanden ist, und zweitens ist er  komparativ,  indem er im Vergleich mit etwas anderem, wonach er geschätzt wird, ist. Außer diesen zwei Relationen gesetzt, verliert der Wert allen Sinn und alle Bedeutung (16). Es mag dies im ersten Augenblick befremden; im Grunde genommen folgt es ganz von selber schon aus dem Vorhergehenden.

Wie wir gesehen haben, ist das Verhältnis eines Dings zum Menschen, welches durch des ersteren Tauglichkeit, dem menschlichen Willen zu dienen, entsteht, keineswegs schon der Wert selber. Eben weil die Wertfaktoren nicht absolut, sondern nur relativ auf ein bestimmtes Individuum, außerdem nur insoweit wirken, als sie erkannt sind, so kann nur das Urteil dieses Individuums den Wert selber erzeugen. In der Tat, bis dieses Urteil erfolgt, ist es noch immer zweifelhaft, ob ein Wertverhältnis oder das Gegenteil vorliegt, ob der Wert oder der Unwert das Ergebnis des Urteils ist. Es muß also die Schätzung dem Wert vorausgehen; nur als deren Produkt ist dieser denkbar. Vergegenwärtigen wir uns aber den Begriff der Schätzung, so besteht derselbe im Anlegen eines Maßstabes an einen Gegenstand. Ansich selber kann nichts gemessen werden. Das Heranziehen von etwas Anderem zum Zweck der Messung ist ein Vergleichen. Alles Schätzen ist daher ein Vergleich zweier Dinge miteinander, und der Wert eines Gegenstandes existiert nur durch und im Vergleich mit dem Wert eines anderen. Es würde der ohne Vergleich gedachte Wert ein Begriff ohne Inhalt sein, ein absolutes  X,  d. h. ein solches, welches in keiner Weise zu ermitteln stünde, eine Größe, von der man nicht wüßte, ob sie klein oder groß wäre, ein Rahmen, der nichts umfaßt. Es ist nicht der Zweck des Wertes,  einen  seiner Faktoren zu kennzeichnen, also z. B. unsere Liebhaberei für etwas, oder besondere Eigenschaften, Brauchbarkeiten der Dinge, oder die Schwierigkeit ihrer Erlangung; für dieses Alles haben wir schon die bezeichnenden Begriffe; sondern das ganze Verhältnis zu verdeutlichen, zu vergegenwärtigen, in welchem die Objekte zum Schätzungssubjekt stehen. Es läßt sich ein Wertverhältnis aber nur durch sein Gegenteil deutlich machen, den das Sondern des Verschiedenartigen und das Vereinen des Gleichartigen ist die Methode, worin sich alles richtige Denken bewegt (17). So gut wie der Begriff des Süßen erst durch den des Sauern, der des Bitteren durch den des Milden, der des Rauhen durch den des Glatten, der des Rohen durch den des Feinen, der des Starken durch den des Schwachen verständlich wird, so gut ist der Wert nur durch seinen Gegensatz, den Unwert, erkennbar. Ist aber der Wert überhaupt nur an seinem Gegenteil erkennbar, so läßt sich ein besonderer Wert nur im Unterschied von einem anderen erkennen. Das Finden eines Unterschiedes setzt aber ein Unterscheiden voraus, und dieses Unterscheiden ist eben ein Vergleich. Wäre kein Vergleich bei der Wertschätzung nötig, so würde überall kein Streit über die Höhe des Wertes eine Gegenstandes entstehen, denn in dem Fall gäbe es beim Wert weder hoch noch niedrig, ja, es gäbe gar keinen Wert, denn dieser dient offenbar nur dazu, die Unterschiede der Verhältnisse zu bezeichnen, worin die Dinge zu uns stehen. Gäbe es auf der Erde nur einen Gegenstand in stets gleicher Beschaffenheit, so würde der Wert so gut aufhören wie alle Eigenschaften. Selbst die Eigenschaft des einen Gegenstandes würde nicht erkannt werden. Die Menschen würden sich physisch vielleicht sehr wohl fühlen, wenn der betreffende Gegenstand sie leiblich befriedigte, aber das Unterscheiden hätte ein Ende, weil es nichts mehr zu unterscheiden gäbe; infolgedessen würde auch das Denken über die Natur aufhören; es müßte sich alle geistige Tätigkeit dem Studium des Menschen zuwenden, und warum? weil hier noch Unterschiede wären. Diese sind es allein, um welche sich das Denken dreht, deren Auffindung ein Urteil zeigt; ein Begriff, welcher das Produkt eines Urteiles ist, wird daher ohne die Unterscheidung, worin alles Urteilen überhaupt besteht, zur Unmöglichkeit, und der Wert eines Dings ist nur im Vergleich mit dem eines anderen denkbar. Schon die bloße Erwähnung, daß ein Din Wert hat, ruft unwillkürlich die Frage hervor: welchen? Der Wert muß angegeben, bezeichnet werden können; wie soll das aber geschehen, wenn nicht der Wert anderer Sachen zu Hilfe gerufen, die eine Größe an der anderen erklärt wird? Und zwar muß es eine gleichartige Größe und deshalb ein anderer Wert sein. Mit einer Eigenschaft läßt sich der Wert so wenig vergleichen, wie der Geruch eines Veilchens mit einem Kirchturm.


§ 6.
Fortsetzung

Trotz der Individualität des Wertes, welche also den einzelnen Menschen volle Freiheit läßt, bei der Wertschätzung nur ihre eigenen Gefühle und Ansichten in Betracht zu ziehen, wird jedermann oft Schwierigkeiten haben, den Wert, den er einem Gegenstand beilegt, anzugeben. "Wer die Wahl hat, hat die Qual" ist ein Sprichwort, das in der Schwierigkeit der Schätzung des Verhältnisses, worin ein Gegenstand zu uns steht, seine Quelle hat. Handelte es sich bei der Wertschätzung nur um einen der Wertfaktoren, so wäre die Sache schon leichter: die Aufwandsfähigkeit, die Schwierigkeit der Erlangung, die Eigenschaften der Dinge ließen sich schon beurteilen, sie treten ziemlich klar ins Bewußtsein; aber der Verhältniskomplex, die Gesamtbeziehung sämtlicher Faktoren zu uns macht den Überschlag mißlich. Zumal unser Verlangen nach einem Gegenstand (18) gibt dem Verstand, bei der Beurteilung des Wertes, was zu raten auf. Nicht allein, daß es ansich wandelbar, häufig undeutlich ist und deshalb nur mangelhaft ins Bewußtsein tritt, es vedunkelt, übertölpelt den Verstand, und mancher kommt von einer Wertschätzung zurück, die er wenige Augenblicke vorher für sehr dauerhaft gehalten hat. In der Tat, es wird derjenige, welcher sich befragt, wie es ihm im Leben mit seinen Wertschätzungen ergangen ist, zur Erschütterung seines Glaubens, diese  in thesi  als absolut verteidigen zu können, keiner langen Beweisführung bedürfen (19). Wer noch keine Erfahrungen der Art gemacht hat, braucht nur in den ersten besten Modewarenladen zu gehen, um zu sehen, wie das Verlangen durch die Verschiedenheit der Wahl hin und her gezerrt wird. Bald soll es dieses, bald jenes Stück sein, bald ein Tuch oder auch lieber ein Schal; das da ist zu rot, das andere zu gelb, und schließlich geht der Käufer - öfter wohl noch die Käuferin - fort, um - sich zu besinnen. Ja, wenn es das Verlangen, das Wünschen allein wäre, worauf es beim Wert ankommt, so ginge es noch, aber hinter beiden lauert stets die Aufwandsfähigkeit mit kaltem, unbarmherzigen Griff, um den Menschen stets zu erinnern, daß es ein Ding gibt, welches  Wirtschaft  heißt.

Die Art der Motive, welche bei der Wertschätzung wirken, ist für den Wertbegriff ansich selbstverständlich gleichgültig. Man müßte alle denkbaren Veranlassungen zur Wertschätzung aufsuchen, wollte man danach den Wert klassifizieren, und obendrein hätte man dadurch nichts erläutert, denn, sobald ein Gegenstand aus der einen Hand in die andere geht, sind wieder andere Motive der Wertschätzung da. Die Lehrbücher haben allerdings schon eine erstaunliche Anzahl Wertarten zusammengebracht und wenn sie so fleißig fortfahren, so können sie es darin weit bringen (20). Auch die Höhe der Wertschätzung hängt nicht von der  Art  der Motive ab; daraus, daß ich eine Sache des Tauschens halber, die andere des Gebrauches halber zu haben wünsche, geht noch nicht hervor, welche ich höher schätze. Allein die  Stärke  der Motive entscheidet über die Höhe der Wertschätzung. Um dieselbe aber zu beurteilen, muß man das ganze Wertverhältnis, nicht nur dessen einzelnen Faktoren vor Augen haben; es üben diese nur in ihrer Zusammensetzung ihren Einfluß auf den Wert aus. Es steigt z. B. das Korn in Jahren magerer Ernte weit höher, als es im Verhältnis zum Ertragsminus erwartet werden sollte (21); zugleich erfahren die Getreidefaktoren geringerer Qualität verhältnismäßig eine stärkere Steigerung als die besseren. Diese Erscheinung, welche sich aus keiner der bisherigen Werttheorien erklären lätß, stimmt mit meiner Definition vollkommen überein, denn das Verhältnis des Brotkorns zu uns nach fetten Ernten ist von demjenigen, worin es nach mageren zu uns steht, nicht in Proportion zum Erntequantum verschieden. Wenn Nahrungsmittel reichlich vorhanden sind, so begehren wir sie der Ernährung halber; sie sind in der Tat nur hierzu tauglich; wenn sie hingegen selten sind, so begehren wir sie der Erhaltung des Lebens halber. Es tritt also ein viel stärkeres Motiv ein, welches einen Einfluß auf die Wertschätzung gewinnen kann, der in keinem Verhältnis zum Ernteminus steht. Und zwar ist dieses Motiv keineswegs willkürlich. Die großen Vorräte von Getreide waren ungeschickt zur Errettung des Lebens, denn ihnen gegenüber kam das Leben nicht in Gefahr; sie dienten nur zur Ernährung; erst der wirkliche oder geglaubte Mangel machte das Getreide zum Mittel der Erhaltung des Lebens und dadurch in keinem Verhältnis zu den vorhandenen Quantitäten wertgeschätzt (22). Es gehen die Begriffe der Ernährung und der Erhaltung des Lebens allerdings ineinander über, aber sie sind dennoch verschieden. Austern und Rheinwein dienen jedenfalls zur Ernährung, aber es wird unter gewöhnlichen Umständen niemandem geglaubt werden, der sie als seine Lebensretter bezeichnet. Wenn aber ein Kranker keine andere Speise als Austern vertragen kann, so dienen diese allerdings der Erhaltung seines Lebens; sie sind dann die ultima ration, was sie beim Gesunden nicht waren. So wird jemand, auch wenn er sehr hungrig ist, ein ihm angebotenes Mittagessen in dem Fall geringschätzen, wo er sicher ist, daß ihm ein opulenteres Mahl bevorsteht; er wird aber hohen Wert darauf legen, wenn er befürchten muß, nichts anderes zu erhalten. Es muß also, will man die Wertschätzung beurteilen, stets das ganze Verhältnis des Schätzungsobjektes in Betracht gezogen werden. Eben weil dieses ganze Verhältnis in Frage kommt, steigen die geringeren Qualitäten des Getreides nach mageren Ernten verhältnismäßig stärker als die besseren; denn das bloße Verlangen nach den Dingen oder deren Beschaffenheit entscheidet nicht allein über den Wert, sondern auch die Schwierigkeit ihrer Erlangung gegenüber der Aufwandsfähigkeit. Eine etwas größere Quantität des schlechteren Kornes wird, nach kärglichen Ernten, von der Mehrzahl der Menschen deshalb höher geschätzt als eine kleinere des besseren, wenn auch früher das Verhältnis nicht das gleiche war.

Ebenso wie das ganze Verhältnis eines Gegenstandes zum Menschen bei der Wertschätzung in Betracht kommen muß, ebenso müssen in jedem Wertverhälnis  alle  vier Wertfaktoren enthalten sein. KANT ist daher im Irrtum, wenn er annimmt, daß der Wert eines sogenannten Andenkens (eine zum Andenken gegebene Sache) nicht in der Sache selbst, sondern nur im Schätzenden liegt (23). Es kommt allerdings bei der Wertschätzung die Beschaffenheit desselben ansich nicht in Betracht; es ist einerlei, ob es ein Handschuh oder ein Buch ist, aber es kommt sehr wesentlich in Betracht, unter welchen Umständen der Gegenstand früher existiert hat. Diese Umstände werden in einem Gegenstand gleichsam verkörpert und deshalb verknüpft der Besitzer Ideen damit, welche das subjektive Motiv der Wertschätzung sind. Sobald der Gegenstand verloren ginge, könnte er nur durch einen anderen, der einen gleiche Vergangenheit gehabt hätte, ersetzt weden, und zwar müßte er auch unter denselben Umständen erworben werden, denn auch diese sind von Belang; gerade sie können beim Andenken von Bedeutung werden. Die Schwierigkeit der Erlangung eines Andenkens hat schon als wichtiger Faktor mancher Wertschätzung figuriert, und, so verschieden das an den Gegenstand geknüpfte Aufwandserfordernis ist, so verschieden, wird man zugeben, ist die Aufwandsfähigkeit, welche dem Verlangen nach einem Zeichen der Erinnerung zu Gebote steht; auch fühlt man sofort durch, welchen Einfluß diese bei der Beurteilung jener ausüben muß!

Ebenso wird es bei der Wertschätzung der Liebe, der Freundschaft, der Achtung kurz aller immateriellen Dinge sein. Es kommen stets alle vier Faktoren der Wertschätzung in Betracht. Selbst bei der Wertschätzung einer Person als solcher, ohne Rücksicht auf deren Willensäußerungen - ein Fall, der wohl nur bei Eltern in Bezug auf ihre Kinder und umgekehrt, vielleicht bei nahen Verwandten denkbar ist - sind dieselben nachzuweisen, denn selbstverständlich kann der auf eine Person gerichtete Wille, dem gegenüber sich diese ganz negativ verhält, nur auf das Dasein, das Leben derselben, gerichtet sein. Diesem Willen zu dienen, ist das Objekt ganz geeignet; es bietet aber ebenfalls Schwierigkeiten der Erlangung, eine Aufwandserfordernis, dar, wie dann auch die demselben gegenüberstehende Aufwandsfähigkeit nicht unwesentlich das Verlangen nach der Fortdauer des Daseins einer Person modifizieren kann!

Was den Ausdruck anbetrifft, welchen man dem Wert, d. h. seiner Höhe, geben, wie man diese bezeichnen will, ist natürlich jedermanns eigene Sache. Da der Wert individuell ist, so kann jeder nur selber sagen, was ihm eine Sache wert ist. Nur spreche man nicht von einem unvergleichlichen Wert. Man kann eine Sache, die Liebe von jemandem etwa, höher schätzen als die ganze übrige Welt zusammengenommen, aber man kann ihr keinen absoluten Wert beilegen, denn eben durch den Vergleich entstand erst der Wert (24).

In der Wirtschaft, werden wir sehen, hat man dem Mißlichen, welches für den Wertbegriff in seinen subjektiven Bestandteilen liegt, durch den Preis abgeholfen, ein Begriff, mit dem sich, weil er konkreter ist, leichter operieren läßt. Ich habe aber umso mehr Veranlassung genommen, dem Wertbegriff bis zu seiner untersten Gedankenwurzel nachzuspüren, als die bisherigen Werttheorien mir hauptsächlich daran zu leiden schienen, daß sie den genetischen Konnex zwischen Wert und Preis verfehlten. Dieser konnte aber nur aus einer eingehenden Erörterung des Wertbegriffs folgen.


§ 7.
Was kann Gegenstand der Wertschätzung sein?

Die Antwort hierauf liegt gewissermaßen schon in der Frage selbst, denn es kann nur ein Schätzungsobjekt Gegenstand der Wertschätzung sein. Es erscheint daher fast müßig, diese Frage überhaupt aufzuwerfen, die Lehrbücher sind aber über diesen Punkt so unbestimmt, daß es nicht überflüssig sein kann, die Unmöglichkeit der Wertschätzung von etwas Anderem als einem Schätzungs objekt  hervorzuheben. Es ist durchaus untunlich, vom Wert, welchen das Subjekt für sich selber hat, zu reden. Denn indem das Subjekt sich selber schätzt, hört es auf, Subjekt zu sein, weil es sich durch die Schätzung selber zum Objekt macht. Es kann seiner selbst als Subjektes für die Schätzung also gar nicht habhaft werden. Dasjenige, was zu der Annahme verleitet, als könne eine Wertschätzung des eigenen Selbst stattfinden, ist nur der Umstand, daß jeder sich im Gehirn seiner Subjektivität bewußt wird und nun vom übrigen Menschen so sehr abstrahiert, daß er ihn wie etwas ihm Fremdes auffaßt. Denn da unser Gehirn sowohl ein äußeres als ein inneres Erkenntnisvermögen enthält, so ist ihm der Wille im Inneren ebensowohl Erkenntnisobjekt wie die äußere Natur (25). Von einer Schätzung dieser Willensregung kann aber selbstverständlich nicht die Rede sein, weil das Erkenntnisvermögen vollständig inhaltslos, ein Instrument des Willens ist. Es ist das Erkenntnisvermögen gleichsam der Indifferenzpunkt, wo sich der innere Mensch und die Außenwelt begegnen, und, da der Wert die Unterschiede in den Beziehungen der Gegenstände der Außenwelt zu uns bezeichnen, angeben soll, so ist keine Wertschätzung einer Willensregung, als solcher, möglich, denn diese sind wir selber. Es ist daher auch nicht zu billigen, die eigenen Gaben, Talente, Arbeitskraft des Menschen einer Wertschätzung fähig zu halten. Sie bilden integrierende Teile der Persönlichkeit, sind als solche zum Schätzungssubjekt gehörig und nicht Schätzungsgegenstände. Bei einer Wertschätzung anderer Dinge kommen sie allerdings in Betracht und zwar als Aufwandsfähigkeit; dieses liegt schon in der Individualität des Wertes. ROSCHER ist daher im Irrtum, wenn er glaubt, daß "eine Sängerin ersten Ranges oder ein weltberühmter Arzt, schiffbrüchig und nackt in Nordamerika ans Land geworfen" reicher sind, sobald man sie erkennt als ein blinder Bettler, der mitfuhr (26). Es läßt sich aus den angegebenen Umständen auf Reichtum überall nicht schließen. Die erwähnten Begabungen der Leute sind wirtschaftlich nur als Aufwandsfähigkeit aufzufassen. Diese empfäang ihre Bedeutung aber erst in ihrem Verhältnis zu dem sie begleitenden Verlangen und der ihm gegenüberstehenden Aufwandserfordernisse. Und da von diesen das Verlangen, der Wille, jedenfalls unbekannt bleiben muß, so läßt sich über den gedachten konkreten Fall gar nicht urteilen.
LITERATUR Arnold Lindwurm, Die Theorie des Wertes, Jahrbücher für Nationalökonomie und Statistik, Bd. 4, Jena 1865
    Anmerkungen
    1) ADAM SMITH, An inquiry into the Nature and Causes of the Wealt of Nations, Seite 33 der Londoner Ausgabe von 1826.
    2) SMITH, a. a. O., Seite 35
    3) SMITH, a. a. O., Seite 36
    4) J. B. SAY, Cours d'économie politique pratique, Paris 1828, Seite 163
    5) Ebenso definiert den Wert noch RAU, Volkswirtschaftslehre, Leipzig 1860, Seite 70: "Der im menschlichen Urteil anerkannte Grad von Nützlichkeit eines Sachgutes ist der  Wert  desselben". RAU macht zu seiner Definition noch die folgende Anmerkung: "Wenn der Wert nicht den  Grad,  sondern die Nützlichkeit selbst bedeuten sollte, so wäre einer von beiden Ausdrücken überflüssig." Was aber, darf man wohl fragen, ist  der Grad?  nämlich nicht der Grad  von  etwas, sondern  der Grad schlechthin Ein "Grad der Nützlichkeit" kann meines Erachtens nur ein Gewisses mehr oder weniger  von Nützlichkeit  sein. Wenn man also den Wert den "Grad der Nützlichkeit" eines Sachgutes nennt, so besagt dies, daß die Nützlichkeit das Allgemeine, der Wert das Besondere ist. Da nun aber der Wert selbst etwas Allgemeines ist und zu seiner besonderen Bezeichnung eines Prädikates bedarf, so tritt in der Tat der von RAU vorausgesehene Fall ein, nämlich einer der beiden Ausdrücke wird überflüssig; oder aber, da wir wissen, daß man mit denselben im wirklichen Leben durchaus verschiedene Dinge bezeichnet, Wert und Nützlichkeit keineswegs Synonyma sind, so ist eine starke Vermutung für die Irrigkeit von RAUs Definition berechtigt.
    6) JOHN STUART MILL, Principles of political economy, Bd. 1, London 1852, Seite 587.
    7) LOTZ, Handbuch der Staatswirtschaftslehre, Erlangen 1821, Seite 35
    8) KARL THOMAS, Die Theorie des Verkehrs. Erste Abteilung: Die Grundbegriffe, Berlin 1841
    9) MATHEW CAREY in seinen "Grundlagen der Sozialwissenschaft", Kap. VII. § 9.
    10) DAVID RICARDO, Principles of political economy and taxation, London 1819, Seite 43.
    11) RICARDO, a. a. O.
    12) "Als das Organ des Selbstbewußtseins hat man auch einen  inneren Sinn  aufgestellt, der jedoch mehr im bildlichen als im eigentlichen Verstand zu nehmen ist. Wie dem auch sei, so ist unsere nächste Frage: was enthält nun das Selbstbewußtsein? oder: wie wird der Mensch sich seines eigenen Selbst unmittelbar bewußt? oder: wie wird der Mensch sich seines eigenen Selbst unmittelbar bewußt? Antwort: durchaus als eines  Wollenden.  Jeder wird, bei der Beobachtung seines eigenen Selbstbewußtseins, bald gewahr werden, daß sein Gegenstand allezeit das eigene Wollen ist. Hierunter hat man aber freilich nicht bloß die entscheidenen, sofort zur Tat werdenden Willensakte und die förmlichen Entschlüsse, nebst den aus ihnen hervorgehenden Handlungen zu verstehen; sondern wer nur irgendwie das Wesentliche, auch unter verschiedenen Modifikationen des Grades und der Art festzuhalten vermag, wird keinen Anstand nehmen, auch alles Begehren, Streben, Wünschen, Verlangen, Sehnen, Hoffen, Lieben, Freuen, Jubeln und dgl. nicht weniger, als Nichtwollen oder Widerstreben, alles Verabscheuen, Fliehen, Fürchten, Zürnen, Hoffen, Trauern, Schmerzleiden, kurz alle Affekte und Leidenschaften nur mehr oder weniger schwache oder starke, bald heftige und stürmisch, bald leise Bewegungen des entweder gehemmten oder losgelassenen, befriedigten oder unbefriedigten eigenen Willens sind und sich alle auf das Erreichen oder Verfehlen des Gewollten und Erdulden oder Überwinden des Verabscheuten in mannigfaltigen Wendungen beziehen: sie sind also entschiedene Affektionen desselben Willens, der in den Entschlüssen und Handlungen tätig ist. Sogar aber gehört eben dahin das, was man Gefühle der Lust und Unlust nennt: diese sind zwar in großer Mannigfaltigkeit von Graden und Arten vorhanden, lassen sich aber doch allemal zurückführen auf begehrende oder verabscheuende Affektionen, also auf den als befriedigt oder unbefriedigt, gehemmt oder losgelassen sich seiner bewußt werdenden Willen selbst: ja, dieses erstreckt sich bis auf die körperlichen, angenehmen oder schmerzlichen und alle zwischen diesen beiden liegenden zahllosen Empfindungen, da das Wesen all dieser Affektionen darin besteht, daß sie als ein dem Willen Gemäßes oder ihm Widerwärtes unmittelbar ins Selbstbewußtseins treten. Des eigenen Leibes ist man sogar, genau betrachtet, sich unmittelbar nur bewußt als des nach Außen wirkenden Organs des Willens und des Sitzes der Empfänglichkeit für angenehme oder schmerzliche Empfindungen, welche aber selbst, wie soeben gesagt, auf ganz unmittelbare Affektionen des Willens, die ihm entweder gemäß oder widrig sind, zurücklaufen. Wir mögen übrigens diese bloßen Gefühle der Lust oder Unlust mit einrechnen oder nicht; jedenfalls finden wir, daß all jene Bewegungen des Willens, jenes wechselnde Wollen und Nichtwollen, welches in seinem beständigen Ebben und Fluten, den alleinigen Gegenstand des Selbstbewußtseins, oder, wenn man will, des inneren Sinnes ausmacht, in durchgängiger und von allen Seiten anerkannter Beziehung steht auf das in der Außenwelt Wahrgenommene und Erkannte". - ARTHUR SCHOPENHAUER, Die beiden Grundprobleme der Ethik, Frankfurt 1841, Seite 11f.
    13) Wo in der Wirklichkeit keine Vereinigung von Menschen wirtschaftlicher Art stattfindet, da soll auch die Wissenschaft die Menschen nicht massenweise, wie Regimenter Soldaten, sondern als Individuen auffassen. In der Wert- und Preistheorie ist die Wissenschaft nichtsdestoweniger den entgegengesetzten Weg gegangen. [...]
    14) Sobald man den Wert aus den einzelnen Bestandteilen des Wertverhältnisses hervorgehen läßt, gerät man in einen unlösbaren Widerspruch mit der Wirklichkeit. Soll z. B. das Verlangen der Menschen nach den Dingen der einzige Wertfaktor sein, so muß die Theorie lauten: der Wert liegt im subjektiven Belieben. Das sind Hirngespinste, erwidert die Praxis: die Gerichte des Reichen haben für den Armen so wenig Wert wie Früchte, die auf dem Mond wachsen. Erster Widerspruch: - Soll der Wert in der Tauglichkeit der Dinge liegen, das Verlangen zu befriedigen, so muß die Theorie den Taschenuhren von heute mehr Wert zuschreiben als den Nürnberger Eiern. Die Praxis lacht dazu und zeigt auf den erstbesten Hausknecht, der jetzt eine silberne für den zehnten Teil des Preises hat, den früher hohe Herren für ein tombackene [aus Messing - wp] zahlten. Zweiter Widerspruch. - Sagt die Theorie: der Wert liegt im Aufwandsverhältnis eines Gegenstandes, so spotten die Produzenten und sagen: Hol' doch einmal aus dem Rhein das Gold, welches bekanntermaßen darin zu finden ist, heraus und bewähre deine Theorie, damit wir dir glauben; wir haben andere Erfahrungen gemacht. Dritter Widerspruch. - Soll die Aufwandsfähigkeit der Menschen der alleinige Wertfaktor sein, so sehen die Krämer die Theorie vorwurfsvoll an und sagen: Und dennoch beklagst dur dich, daß wir dir mehr abgenommen haben als deinem Nachbarn; du hättest doch, da du reicher bist (zumindest an Hirngespinsten), das Ding unter deinem Wert erhalten. Vierter Widerspruch. - Soll nun der Wert gar ausschließlich aus dem Vergleich der Dinge im Tausch hervorgehen, so wird die Praxis ärgerlich und kehrt der Theorie den Rücken, indem sie - an die Geschäftskrisen denkend - zwischen den Zähnen murmelt, was die Zuchtmeisterin der Theorie, die Logik, laut sagt: Das ist Unsinn, denn hier handelt es sich bloß um Objekte. Ein Objekt aber ohne Subjekt ist - ein Messer ohne Klinge, an welchem der Stiel fehlt. Fünfter Widerspruch. -
    15) "Namen, welche der Form nach positiv sind, sind in Wirklichkeit häufig negativ, und andere sind wirklich positiv, obgleich ihre Form negativ ist. Das Wort  unbequem  z. B. drückt nicht die bloße Abwesenheit der Bequemlichkeit aus, es drückt ein positives Attribut aus, das, die Ursache der Betrübnis oder Belustigung zu sein. Somit bezeichnet das Wort  unbequem,  ungeachtet seiner negativen Form, nicht die bloße Abwesenheit von Annehmlichkeit, sondern einen geringen Grad von dem, was durch das Wort  schmerzhaft  ausgedrückt wird, ein Wort, das, wie kaum nötig ist zu sagen, positiv ist. Auf der anderen Seite ist  träge  ein Wort, welches, obgleich der Form nach positiv, Nichts ausdrückt, als was entweder durch die Redensart  nicht-arbeitend,  oder durch  nicht auferlegt zu arbeiten  gemeint ist; ebenso ist nüchtern gleichbedeutend mit  nicht-trunken,  oder  nicht betrunken."  - JOHN STUART MILL, Logik I, Seite 48, Braunschweig 1862
    16) SCHOPENHAUER, a. a. O., Seite 163
    17) "Kant lehrt, daß beide Gesetze (das der Homogenität: entia praeter necessitatem non esse multiplicanda [„Entitäten dürfen nicht über das Notwendige hinaus vermehrt werden. - wp] und das der Spezifikation: entium varietates non temere esse minuendas [Die wirklichen Species dürfen nicht unnötig reduziert werden. - wp]) transzendentale, Übereinstimmung der Dinge mit sich a priori postulierende Grundsätze der Vernunft sind, und Plato scheint dasselbe auf seine Weise auszudrücken, indem er sagt, diese Regeln, denen alle Wissenschaft ihre Entstehung verdankt, sind zugleich mit dem Feuer des Prometheus vom Göttersitz zu uns herabgeworfen." - SCHOPENHAUER, Die vierfache Wurzel des Satzes vom zureichenden Grunde, § 1, Frankfurt 1847.
    18) Das Wort  Gegenstand  oder Ding ist im weitesten Sinne zu nehmen. Es soll ununterschiedlich alles Existierende bezeichnen. "Wenn wir Gelegenheit haben, einen Namen anzuwenden, der als Gegensatz zu einem Nichtsein oder Nichts alles zu bezeichnen imstande ist, was existiert, so gibt es kaum ein für diesen Zweck verwendbares Wort, welches nicht auch, und zwar noch gewöhnlicher, in einem solchen Sinn genommen wird, daß es nur Substanzen bezeichnet. Aber die Substanzen sind nicht alles, was existiert, die Gefühle existieren ebenfalls. Wenn wir aber von einem  Gegenstand  oder von einem  Ding  sprechen, so setzt man fast immer voraus, daß wir eine Substanz damit meinen." (MILL, Logik). Das Wort  "Wesen ursprünglich der Infinitiv eines Zeitwortes, ist, so sonderbar dies auch aussieht, noch vollständiger als das Wort  Ding  für den Zweck Verderben, für des es besonders gemacht schien". (ebd. Seite 57) Im Sinne dieser Abhandlung hat das Wort  Ding  und das Wort  Gegenstand  die weitere Bedeutung.
    19) KANT (Rosenkranz, Bd. VIII, Seite 64) definiert Würde als "eien unbedingten unvergleichbaren Wert". Dies ist eine Erklärung, die durch ihren erhabenen Klang dermaßen imponiert, daß nicht leich Einer sich untersteht, heranzutreten, um sie in der Nähe zu untersuchen, wo er dann finden würde, daß eben auch sie nur eine hohle Hyperbel ist, in deren Innerem, als nagender Wurm, die contradictio in ajecto [Widerspruch in sich - wp] nistet. Jeder Wert ist die Schätzung einer Sache im Vergleich mit einer anderen, also ein Vergleichsbegriff, mithin relativ, und diese Relativität macht eben das Wesen des Begriffs  Wert  aus ... Ein unvergleichbarer, unbedingter, absoluter Wert, dergleichen die Würde sein soll, ist demnach, wie so vieles in der Philosophie, die mit Worten gestellte Aufgabe zu einem Gedanken, der sich gar nicht denken läßt, so wenig wie die höchste Zahl oder der größte Raum." (SCHOPENHAUER, Ethik, Seite 169)
    20) RAU zählt auf: 1) den Gebrauchswert oder Wert im engeren Sinne, davon a) unmittelbaren Gebrauchswert oder Genußwert, b) Erzeugungswert; 2) den Verkehrswert, wovon der Tauschwert wieder eine beschränkte Abteilung bildet; 3) einen Gattungs- oder abstrakten Wert; 4) einen konkreten Wert (welche beiden wieder Unterabteilungen des Gebrauchswertes sind, sowie die folgenden); 5) einen Affektionswert; 6) einen allgemeinen; 7) einen besonderen; 8) einen individuellen Wert; er ist aber der Meinung (Anm. Seite 79, a. a. O.), daß die Unterscheidung BECCARIAs in einen absoluten und relativen Wert "nicht ganz passen" ist. KNIES, Die nationalökonomische Lehre vom Wert, in der Tübinger Zeitschrift für die gesamte Staatswissenschaft, Jhg. 1855, Seite 468f hat die Wissenschaft außerdem noch um einen Stoffwert, einen Formwert und einen Ortswert bereichert. Simplex sigillum veri! [Einfachheit ist das Siegel des Wahren. - wp]
    21) "So ergaben z. B. in England die Ernten der Jahre 1795 und 1796 einen Ausfall von einem Achtel des Durchschnittsgewinns; der Preis aber stieg keineswegs nur um 12 bis 13 Prozent, sondern von 48 Schilling auf 75 Schilling (TOOKE). Derselbe TOOKE hat zu wiederholten Malen beobachtet, daß die Kornpreis Englands um 100 bis 200 Prozent in die Höhe gingen, wenn der Erntebetrag nur ein Sechstel bis ein Drittel unter dem Durchschnitt gewesen war, und fremde Zufuhr auch dieses Minus noch gemildert hatte." ROSCHER, Über Kornhandel und Teuerungspolitik, Stuttgart und Tübingen 1852, Seite 2.
    22) ROSCHER sagt: "Mit der größeren Unentbehrlichkeit des Korns hängt es zusammen, daß wohl  bei keiner anderen Ware die bloße Furcht eines zukünftigen Mangels so gewaltig auf die Preise wirkt".  (Über Kornhandel etc. a. a. O. Seite 6) Er nennt aber doch "den Grad jener Brauchbarkeit, welche einen Gegenstand zum Gut erhebt, ... den Wert desselben" (System I, Seite 5), wozu er allerdings weiter unten (Seite 9) die Bemerkung macht: "Wir dürfen ja überhaupt den Gebrauchswert nicht als inhärente Eigenschaft der Güter selbst ansehen: er besteht eben nur in einem Verhältnis ihrer Eigenschaften zu den Bedürfnissen der Menschen" (was bekanntlich den Wert auch noch nicht ausmacht): also gibt ROSCHER eine Definition, vor der er selber warnt; man soll sie nicht so verstehen, wie sie lautet.
    23) KANT würfelt übrigens Wert und Preis dermaßen durcheinander, daß man daraus auf eine sehr oberflächliche Auffassung beider Begriffe schließen darf. (Rosenkranz, Bd. VIII, Seite 64)
    24) Immaterielle Güter werden mit materiellen, d. h. der Wert beider, öfter verglichen, als man glaubt. Ich habe arme Leute, wenn ihnen ein Stück Vieh gestorben war, öfters klagen hören: Wel hebbet doch so veele Kinder, un nich einmal hat de leeve Gott uns ein afenomen" (statt des Schweines oder der Ziege). Und wer dieses für eine Verirrung der Natur hält, den erinnere ich an den Ausspruch des ersten  Napoleon,  daß jeder Mensch seinen Preis hat (zu erkaufen ist).
    25) "Demnach erkennt das Subjekt sich nur als ein  Wollendes,  nicht aber als ein  Erkennendes.  Denn das vorstellende Ich, das Subjekt des Erkennens, kann, da es, als notwendiges Korrelat aller Vorstellungen, Bedingung derselben ist, nie selbst Vorstellung oder Objekt werden, sondern von ihr gilt der schöne Ausspruch des heiligen Upanischad: "Daher also gibt es kein Erkennen des Erkennens; weil dazu erfordert würde, daß das Subjekt sich vom Erkennen trennt und nun doch das Erkennen erkennt, was unmöglich ist." (OUPNEKHAT, Bd. 1, Seite 202) - - - Auf den Einwand: "Ich erkenne nicht nur, sondern ich weiß doch auch, daß ich erkenne", würde ich antworten: Dein Wissen von deinem Erkennen ist von deinem Erkennen nur im Ausdruck unterschieden. "Ich weiß, daß ich erkenne", sagt nicht mehr als "Ich erkenne", und dieses, so ohne weitere Bestimmung, sagt nicht mehr als "Ich". Wenn dein Erkennen und dein Wissen von diesem Erkennen zweierlei sind, so versuche nur einmal jedes für sich allein zu haben, jetzt zu erkennen, ohne darum zu wissen, und jetzt wieder bloß vom Erkennen zu wissen, ohne daß dieses Wissen zugleich wieder das Erkennen sei. Freilich läßt sich von allem  besonderen  Erkennen abstrahieren und so zu dem Satz "Ich erkenne" gelangen, welches die letzte uns mögliche Abstraktion ist, aber identisch mit dem Satz "Für mich sind Objekte" und dieser identisch mit dem "Ich bin Subjekt", welcher nicht mehr enthält als das bloße "Ich". SCHOPENHAUER, Die vierfache Wurzel, Seite 135f. - "Es ist kein Geringerer als HEGEL gewesen, der die kritische Philosophie mit dem törichten Schwimmer verglichen und das bewunderungswürdige Unternehmen auf diese Weise als ein ungereimtes hingestellt hat. - - - Hier hat HEGEL den Sinn der kritischen Philosophie gänzlich verkannt und mit seinem wohlfeilen Vergleich ein üble Verwirrung angerichtet. Das Erkennen mit dem Schwimmen verglichen, um in HEGELs Vergleich zu bleiben, so will KANT das Schwimmen weder lernen noch lehren, sondern erklären. Wie sich der Physiker, der uns den Mechanismus des Schwimmens und die Möglichkeit dieser Tatsache auseinandersetzt, zum schwimmenden Körper verhält, so verhält sich KANT zum tatsächlichen Erkennen." (KUNO FISCHER, Geschichte der Philosophie, Bd. III, Seite 21)
    26) a. a. O. Seite 4, Anmerkung 2