ra-2R. StolzmannO. ConradF. J. NeumannN. BucharinH. CohnG. Myrdal    
 
ARNOLD LINDWURM
Die Theorie des Wertes
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"Es würden die Parteien, wenn sie entdeckten, daß die zu vertauschenden Gegenstände ein und denselben Wert haben, überall an keinen Tausch mehr denken. Das Prinzip, daß beim Tausch beiden Parteien den Vorteil haben, läßt noch einen weiten Spielraum für die besondere Gestaltung dieses Vorteils zu: es liegt auf der Hand, daß er für die eine Partei umso größer sein muß, als er für die andere kleiner ist. Er wird da um gleichmäßigsten sein, wo die gegenüberstehenden Parteien gleich geschickt in der Beurteilung des Wertverhältnisses sind, also hauptsächlich bei Handeltreibenden, Geschäftsleuten überhaupt."

"Der Wert beim Tausch entzieht sich daher der Kenntnis Dritter. Diese kennen nur  einen  Faktor der Wertschätzung: die Schwierigkeit der Erlangung des eingetauschten Gegenstandes. Die Schuhe bilden für den Schuster die Schwierigkeit der Erlangung der Kleider des Schneiders. Bei beiden war der Wert der eigenen Gegenstände ein Teil des Wertes, welchen jeder von ihnen auf die des andern legte, aber einen gemeinschaftlichen Wertmaßstab zweier vertauschter Gegenstände gibt es nicht und kann es niemals geben."

"Unter einem reichen Volk, bei welchem die gewöhnlichen Anforderungen des Daseins bereits vollständig befriedigt sind, entsteht alsbald das Verlangen nach Pracht, nach Verzierung des Körpers und seiner Umgebung."


§ 8.
Der Tausch

Wenn sich aus dem Vorigen ergibt, daß der Wert weder allein an den Eigenschaften der Dinge noch am Verlangen der Menschen, sich derselben für ihre Zwecke zu bedienen, noch an der Aufwandserfordernis der Aneignung der Gegenstände, gegenüber der menschlichen Aufwandsfähigkeit, ausschließlich hängt, sondern aus der Schätzung des aus diesen Elementen zusammengesetzten Verhältnisses hervorgeht; wenn außerdem aus den subjektiven Bestandteilen dieses Verhältnisses folgt, daß die Natur desselben nur vom Subjekt, für welches es gilt, beurteilt werden kann, mithin auch der Wert, welcher das Resultat der Schätzung ist, nur für das Subjekt existiert, also durchaus und rein individuell ist (27), so sehr auch die Wertschätzung mehrerer Individuen übereinstimmen mag, so folgt auch:  daß das Wesen des Tausches in der Verschiedenheit des Wertes der vertauschten Gegenstände beruth.  Denn, liegt die Notwendigkeit nicht vor, eine Übereinstimmung des Wertes beim Tausch zuzugestehen - und, wie oben gezeigt, ist diese Notwendigkeit, wegen der Individualität des Wertes keineswegs zu beweisen - so ist aller Grund vorhanden, das Gegenteil anzunehmen. Es muß beim Tausch jedenfalls ein Motiv vorliegen. Dieses nun in etwas anderem zu suchen wollen als im Begehren, ist in ein günstigeres Wertverhältnis zu treten, als das bereits bestehende ist, wäre widersinnig. Denn bei der Individualität des Wertes ist es sehr wohl erreichbar, daß die tauschenden Parteien sich in ihren Wünschen begegnen, folglich beide, in Folge des Tausches, in ein günstigeres Wertverhältnis treten, als das war, worin sie vorher standen. Der Tausch wird sich in der Tat in der Regel auf solche Fälle beschränken.

Das Prinzip streitet somit nicht gegen das, was das unmittelbare Urteil, bei einer Beobachtung des täglichen Lebens lehrt: nämlich daß beim Tausch jedermann das fortgibt, was er minder gern hat, um das zu erlangen, was er lieber haben möchte, oder worauf er höheren Wert legen würde. Wenn irgendwo, so ist dieses im überseeischen Handel, zumal da, wo noch wirklicher Tauschhandelt getrieben wird, ersichtlich. Die Wissenschaft kann diese so einfache Wahrheit daher gelten lassen, ohne darum auf deren logische Begründung zu verzichten. (28)

Indessen, wenngleich es im Wesen des Tausches liegt, daß beide tauschenden Parteien in ein ihnen günstigeres Wertverhältnis treten, so kann dennoch recht wohl der Fall sein, daß es nur bei der einen derselben geschieht. Wenn jemand den Wert eines Gutes gar nicht schätzt, dieses achtlos oder gleichgültig gegen ein anderes hingibt, so wird er, wenn der Gegner sich schärfer um das Wertverhältnis der zum Tausch stehenden Gegenstände kümmert, sehr wahrscheinlich in ein ungünstigeres Wertverhältnis treten. Eine solche Art des Tauschens kann aber nicht die Norm bilden. Es müssen bei Austausch der Güter, wenn er vorteilhaft auf beiden Seiten sein soll, die Faktoren des Wertes frei gewirkt haben. Die Schätzung ist aber das einzige Mittel, den Wert zu erkunden, somit muß dem Tausch, zu dem der Wertunterschied allein die Veranlassung sein kann, ein Urteil über das Wertverhältnis vorangegagnen sein. Ob die Schätzung klug oder einfältig zu nennen ist, tut an der Sache nichts, wenn sie nur ein Urteil war, wie es die ganze Individualität des Schätzenden verlangte, denn der Wert ist relativ; er existiert nur für die schätzende Person. Selbst ein Irrtum schadet an der Wertschätzung und deshalb am Wert nichts; solange er fortbesteht, besteht auch der Wert fort (29). Sobald er fällt, tritt ein neues Wertmotiv an die Stelle des alten; es liegt ein neues Wertmotiv vor, folglich auch die Möglichkeit eines neuen Wertes (30). Das gegenseitige Dingen aber, welches beim Tausch stattfindet, geschieht nicht, um sich über die Einheit des Wertes zu einigen, sondern im Gegenteil über seine Verschiedenheit. Es würden die Parteien, wenn sie entdeckten, daß die zu vertauschenden Gegenstände ein und denselben Wert haben, überall an keinen Tausch mehr denken. Das Prinzip, daß beim Tausch beiden Parteien den Vorteil haben, läßt noch einen weiten Spielraum für die besondere Gestaltung dieses Vorteils zu: es liegt auf der Hand, daß er für die eine Partei umso größer sein muß, als er für die andere kleiner ist. Er wird da um gleichmäßigsten sein, wo die gegenüberstehenden Parteien gleich geschickt in der Beurteilung des Wertverhältnisses sind, also hauptsächlich bei Handeltreibenden, Geschäftsleuten überhaupt (31).

Aus Obigem folgt, daß der Ausdruck  Tauschwert  eine  contradictio in adjecto  [Widerspruch in sich - wp] bildet. Denn, da aus dem Wesen des Tausches die Verschiedenartigkeit des Wertes zweier Gegenstände folgt, so kann nicht an einem Gegenstand ein Wert haften, welchen er im Tausch hat, nämlich die verschiedensten Tauschakte hindurch. Oder aber, er ist der Wert, den einer der Gegenstände, welche zum Tausch stehen, hat, dann ist er nichts anderes als der Wert überhaupt, folglich keiner besonderen Bezeichnung bedürftig. Mit der Individualität des Wertes wird alle und jede Klassifikation besonderer Wertarten über flüssig gemacht. Eine nähere Bezeichnung des Wertes hat nur insofern einen Sinn, als sie das Motiv der besonderen Wertschätzung angibt. Sie kennzeichnet also nicht eine besondere Art des Wertes, denn es gibt nur eine Art des Wertes, sondern nur die  Veranlassung  der Wertschätzung überhaupt. Diese aber läßt ganz und gar keinen Schluß auf die Schätzung selber zu, denn, ob ich eine Sache kaufe, weil ich sie gebrauchen oder weil ich sie vertauschen will, ist, ansich betrachtet, für die Wertschätzung nicht entscheidend. Bei diesre gibt die Stärke der Willensregung den Ausschlag, nicht die zufällige Veranlassung zu derselben. Daraus aber, ob jemand des Gebrauchens oder des Tausches halber kauft, ist die Stärke seiner Willensregung nicht erkennbar. Es ist daher auch nicht das mindeste wirtschaftlich-wissenschaftliche Interesse an der Unzahl von Wertbezeichnungen, welche neben dem Tauschwert noch bestehen, zu ersehen. Dieselben sind nichts als eine kasuistische Aushilfe für das fehlende Prinzip. Der einheitliche Wertbegriff macht sie hinfällig, weil er sie in sich aufnimmt.

Weil man das Wort  Tauschwert  nun einmal geschaffen hatte, so glaubte man, die Sache, welche es bezeichnet, müsse wirklich existieren; man fand bald einen Gegensatz heraus zwischen Gebrauchswert und Tauschwert, schrieb dem einen Gut diesen, dem anderen jenen zu (32). Zu diesem Widerspruch mit der logischen und faktischen Einheit des Wertbegriffs mußte man kommen, weil man einmal den Wert nicht als Produkt der von einer Person vorgenommenen Schätzung, also nicht als individuell auffassen, dann, weil man ihn einseitig, entweder in der Brauchbarkeit der Güter, in unserem bloßen Verlangen danach, oder aber in der Schwierigkeit ihrer Erlangung, der zur Verfügungder Menschen stehenden Aufwandsfähigkeit, statt im Komplex aller dieser Verhältnisse finden wollte. So behauptete man, die Luft habe zwar Gebrauchswert, aber keinen Tauschwert (33). Wasser, Eis, Schnee erlangten erst dann Tauschwert, wenn man auf ihre Herbeischaffung oder Aufbewahrung Mühe verwenden muß (34).

Die Einheitlichkeit des Wertbegriffes läßt keine solche Verschiedenheit des Wertverhältnisses zu. Ein Gegensatz zwischen Gebrauchswert und Tauschwert ist deshalb unmöglich. Alle Verschiedenheit des Wertes liegt nicht in seinem Wesen, sondern in seiner Größe, ist kein qualitativer, sondern ein quantitativer Unterschied. Dieser aber hat seinen natürlichen Grund in der Individualität der Wertschätzung, in dem Schwankenden, welches dem Wert, wegen seiner Relativität, eigen ist. Da nun bei jeder Wertschätzung der Wille eines Menschen auf einen Gegenstand gerichtet ist,  so muß jeder Gegenstand, welcher Wert hat, auch Tauschobjekt sein können,  vorausgesetzt natürlich, daß der Gegenstand übertragen werden kann. Bei Gegenständen des täglichen Verkehrs ist dies deutlich genug: es bleibt der Wert und der Tauschwert der Dinge in stetem, unzertrennbarem Zusammenhang, eben weil sie ein und dasselbe sind, aber auch an den Gütern, mit denen kein Verkehr stattfindet, kann ich die Wahrheit meines Satzes nachweisen. Nehmen wir z. B. die Luft, welche wir atmen, unbestritten Wert für uns; ich habe oben selbst ihren Wert hervorgehoben. Worin liegt also der scheinbare Widerspruch mit dem oben aufgestellten Satz? Einfach darin, daß der Wert sich aus der Schätzung des ganzen Verhältnisses ergibt, worin ein Gegenstand zu uns steht. In welchem Verhältnis aber steht die Luft zu uns? In einem Verhältnis, worin alle überflüssigen Sachen zu uns stehen, d. h. alle Sachen, welche im Überfluß vorhanden sind. Die Luft ist allerdings ein Gegenstand, welcher geeignet ist, das auf ihn gerichtete Verlangen zu befriedigen. Sie ist sogar ganz ohne Ersatz allein dazu geeignet. Aber sie ist gewöhnlich ohne alle objektive Schwierigkeit zu erlangen, während unsere Aufwandsfähigkeit in der Regel eine unbegrenzte ist. Das ganze Verhältnis ist somit der Art, daß wir es, im Vergleich mit anderen Gegenständen unmöglich sehr wertschätzen können. Es liegt in der Natur des Menschen, daß er das, was reichlich da ist, weniger schätzt, als das, was selten ist. Je mehr er vom Notwendigen hat, desto geringer wird er es gegen dasjenige halten, was als Luxus gelten kann. Wir sehen deshalb im Leben oft eine Abstufung der Wertschätzung, welche der Gradation der Unentbehrlichkeit der Dinge gerade entgegengesetzt ist. Perlen, Edelsteine, jedenfalls Gegenstände, welche zu den entbehrlichen zu rechnen sind, werden von Vielen auf gar hohen Wert geschätzt im Vergleich mit Lebensmitteln, Getreide usw. Worin liegt das anders, als daß der Wille derer, die so schätzen, auf den Schmuck umso stärker gerichtet ist, je weniger der durch anderes in Anspruch genommen wird! (35) Der menschliche Wille ist stets und immerfort rege; die besonderen Neigungen, mehr noch die Umstände bestimmen, worauf er sich richtet. Diese Willensrichtung ergibt aber, im Verein mit einer derselben entsprechenden Beschaffenheit der Gegenstände, durch die Schätzung den Wert, folglich ist dieser, wiederhole ich nochmals, rein individuell, und es ist  quaestio facti,  wie hoch der einem Gegenstand beizulegende Wert ist. Der Luft wird kein so hoher Wert beigelegt, daß man mehr um ihre Erlangung tun sollte, als zu atmen; unter besonderen Umständen kann aber recht wohl der Fall werden, daß ihrer Erlangung wegen ein beträchtlicher Aufwand gemacht wird. Mit dem Eis, dem Schnee usw. verhält sich die Sache geradeso. Da der Wert die Schätzung des Verhältnisses eines Gegenstandes zu uns ist im Vergleich mit anderen, so hängt seine Höhe selbstverständlich von der Art dieses Verhältnisses ab.

Man darf nicht vergessen, daß, wenn jemand einen Gegenstand wertschätzt, er darum noch nicht alle gleichartigen Gegenstände wertschätzt. Man schätzt ein Exemplar eines Buches vielleicht sehr hoch; sobald man im Besitz von zweien ist, wird das Wertverhältnis des ersten ein anderes: welches, ist jedoch auch rein  quaestio facti  (36). Bei der Luft zumal wird man über das Quantum hinaus, welches man für die Mühe des Atmens erhält, nicht auf dem Weg des Tausches noch mehr einhandeln, weil dieses  mehr  vollständig wertlos wäre (37).


§ 9.
Das Tauschmedium

Da das Wesen des Tausches in der gegenseitigen Hingabe von Gegenständen verschiedenen Wertes besteht, so kann folgerichtig ein dritter Gegenstand nicht ihre Werteinheit darstellen. Es ist der gemeinschaftliche Ausdruck  zweier verschiedener  Werte durch  einen  dritten eine logische Unmöglichkeit. Die Verschiedenheit des Wertes beim Tausch zugegeben, kann für diesen somit kein einheitliches Wertmaß existieren. Da nun aber faktisch beim Tausch ein einheitlicher Maßstab des Wertes angelegt zu werden scheint, so muß in jenem auch der Übergang vom Begriffsmäßigen zum Positiven zu finden sein.

Der Zweck eines  tertium comparationis  [gemeinsamen Dritten - wp] ist jedenfalls die Verdeutlichung der Wertverhältnisse. Das Unbekannte am Bekannten zu erläutern, ist auf allen Gebieten geistiger Tätigkeit ein natürliches Bemühen. Die Schwierigkeit, das Wertverhältnis eines Gegenstandes zu uns zu schätzen, macht zumal einen naheliegenden Vergleich wünschenswert. Dennoch ist ein Tauschmedium, welcher Art auch immer, wohl nie mit dem Bewußtsein jenes Zwecks in Übung gekommen. Der Umstand, daß der Gegenstand, welcher zum Tauschmedium gemacht wurde, bei den Völkern, je nach der Kulturstufe, auf der sie standen, ein verschiedener war, zeugt dafür, daß das Tauschmedium, das  tertium comparationis,  selbst Gegenstand des Tausches war. Bei den Jägervölkern war es Wild, bei den Hirtenvölkern Vieh, bei Ackerbautreibenden Getreide (38). Ein jedes konnte, nachdem die Arbeitsteilung den Tausch möglich gemacht hatte, für die einzuhandelnden Waren ursprünglich nichts anderes als seine Produkte geben. Bei einem solchen Tausch lag offenbar ein verschiedener Wert vor. Mit zunehmender Betriebsamkeit entstand aber eine immer vielseitigere Veranlassung zum Tausch. Die Handwerker und Ackerbauern z. B. vertauschten ihre gegenseitigen Erzeugnisse nicht allein, sondern auch die Handwerker untereinander wurden durch ihr Interesse zum Tausch getrieben, und in diesem letzteren Fall trat das, was beim Verkehr mit den Ackerbauern Tauschgegenstand war, als bloßes Tauschmedium auf. Da die Handwerker gewohnt waren, ihre Erzeugnisse gegen Getreide zu vertauschen, so mußte ihnen deren Wertschätzung, im Vergleich mit Getreide, am geläufigsten sein, und, da dieses auf beiden Seiten der Fall war, wo war beim Tausch ihrer gegenseitigen Erzeugnisse, zur Wahrung des beiderseitigen Vorteils, weiter nichts nötig, als das Quantum Getreide festzustellen, welches der eine und der andere beim Tausch mit den Ackerbauern erhalten haben würde. Gab der eine mehr als der andere, so blieb er den Rest in Getreide schuldig. Lieferte er Waren nach, deren Wertverhältnis den Rest deckte, so war die Rechnung ausgeglichen. Es war also das ganze Tauschgeschäft in einer Getreiderechnung geführt und ausgeglichen. Die Gegenstände  verschiedenen  Wertes hatten also scheinbar nicht nur einen einheitlichen Ausdruck gefunden, sondern waren sogar nach demselben bezahlt. Dies ist das faktische Verhältnis. Wie ist der Widerspruch mit dem Prinzip zu lösen?

Indem wir zur Beantwortung dieser Frage schreiten, haben wir einen Irrtum zu vermeiden, welcher von den Meisten bei der Erforschung der Wertverhältnisse im Tausch begangen ist, nämlich den: den Wert wie eine Zahlengröße zu behandeln (39).  Die Berechnung des Wertes ist eine Rechnung mit Motiven, keine Rechnung mit Zahlen, denn dem Wert liegt der Grund der Motivation, nicht der Seinsgrund zugrunde.  (40) Wir haben daher, um die Wertschätzung nicht von irgendjemandem zu erforschen, die Motive zu analysieren, welche auf ihn gewirkt, welche seinen Willen angeregt haben. Die durch die Beschaffenheit der Objekte bedingte Willensregung ist es ja, welche über die Wertschätzung entscheidet. Aus dem bloßen Faktum des Tausches erhellt sich die Wertschätzung noch nicht, denn jener ist ein äußerer, dieser aber ein innerer Vorgang. Um also den Begriffen  Tausch  und  Tauschmedium  ihren Umfang und ihre Grenzen gegeneinander zu bestimmen, müssen wir sie deutlich zu erkennen suchen. "Diese Erkenntnis ist nur möglich auf dem Weg der Zergliederung und Auflösung der Begriffe in ihre Bestandteile" (41): also der Analysis, aber nicht auf arithmetischem Weg, dessen Berechtigung auf der synthetischen Vorherbestimmtbarkeit der Begriffe beruth. Es kommt dieser erst beim  Preis,  wo es sich um Zahlengrößen handelt, in Betracht.

Um die Wertschätzung mit der Benutzung eines Tauschmediums von derjenigen ohne ein solches gehörig zu unterscheiden, haben wir uns die Art und Weise beider genau klar zu machen. Wenn in einem gedachten Fall die Handwerker ihre Erzeugnisse direkt ohne Benutzung eines Tauschmediums vertauschen wollten, so mußten sie nicht nur den Wert ihrer eigenen, sondern den ihrer gegenseitigen Erzeugnisse kennen, denn nur dann war ein Tausch mit Besonnenheit vornehmbar. Da der Wert nun das Produkt der Schätzung des Verhältnisses ist, worin die Gegenstände zu uns stehen, im Vergleich miteinander, so haben die beiden tauschenden Parteien das Verhältnis zu schätzen, worin die gegenseitigen Erzeugnisse zu ihnen stehen, im Vergleich mit den ihrigen. Das Verhältnis aber besteht in ihrem an eine gewisse Aufwandsfähigkeit geknüpften Verlangen nach Gegenständen, welche geeignet sind, dieses Verlangen zu befriedigen, deren Erlangung aber an ein gewisses Aufwandserlebnis gebunden ist.

Es ist nun wohl anzunehmen, daß die ersten drei Faktoren des Verhältnisses, dessen Schätzung den Wert ergeben soll, beiden tauschenden Parteien leidlich klar geworden sind, soweit dies ohne Klarheit über das ganze Verhältnis möglich ist, das sich in seinen Teilen bedingt; dahingegen wird die Ergänzung des vierten schwierig sein. Beide Handwerker werden für ihre Waren eine Forderung stellen: der Schneider in Schuhen, der Schuster in Kleidern. Dieselbe bildet für die Beurteilung der Schwierigkeit der Erlangung den ersten Anhaltspunkt. Aber einer solchen Forderung unterwirft man sich nicht ohne weiteres. Beide suchen die Angemessenheit der Forderung zu prüfen. Dies kann offenbar nicht anders geschehen, als indem der Schneider sich fragt, ob die Selbstverfertigung der Schuhe, der Schuster, ob die Selbstverfertigung der Kleider eine geringere Aufwandserfordernis sein würde als die Hingabe des eigenen Erzeugnisses. Denn, soll kein  tertium comparationis  angewendet werden, so kann nur ein direkter Vergleich stattfinden. Wie die Antwort auf diese Frage ausfallen würde, ist natürlich eine  quaestio facti.  Es hängt dieselbe nicht allein von der Höhe der Forderung, also von der Beschaffenheit der Ware, sondern auch von der Geschicklichkeit desjenigen ab, der sich die Antwort zu geben hat. Findet aber, nach geschehener Prüfung, ein Tausch statt, so ist es nicht mehr  quaestio facti,  ob die Tauschenden die Hingabe des eigenen Erzeugnisses für das fremde als die geringere Aufwandserfordernis für die Erlangung dieser angesehen haben. Es bildet das Faktum des Tausches vielmehr den logischen Erkenntnisgrund hiervon (im Schluß von der Folge auf den Grund).

Aus dem Faktum des Tausches läßt sich auch darauf schließen, daß jede der tauschenden Parteien in ein günstigeres Wertverhältnis getreten ist, als das war, worin sie stand. Denn vor dem Tausch schon war das Verlangen derselben auf die Tauschgegenstände gerichtet, und von ihnen erkannt, daß die Beschaffenheit dieser das Verlangen ansich wohl befriedigen kann. Es war das Verlangen aber an ein gewisses Maß der Aufwandsfähigkeit geknüpft, und daher war die Schwierigkeit der Erlangung des gewünschten Gegenstandes fähig, dasselbe zu modifizieren, denn es war, eben wegen jener Beschränkung, von vornherein nur bedingungsweise formuliert. Die Schwierigkeit der Erlangung aber bestand in der Hingabe des eigenen Gegenstandes für den fremden. Erwägen wir nun, daß der eigene Gegenstand für den Besitzer ebenfalls Wert hatte, also ein  vollständiges,  aus den genannten vier Faktoren gebildetes Wertverhältnis repräsentierte, daß aber dieser selbe Gegenstand von dem Wertverhältnis, in welches der Besitzer getreten war, nur  einen  Faktor: die Schwierigkeit der Erlangung des Einzutauschenden, ausmachte, so lautet der nicht zu umgehende Schluß, daß der Wert des weggebenen Gegenstandes zu dem des empfangenden sich verhielt wie ein Teil zum Ganzen, folglich  kleiner  war. Aus dem erfolgten Tausch geht somit hervor, daß beide Tauschenden den eingetauschten Gegenstand höher schätzten als den fortgebenen. (42)

Wie es denkbar ist, daß zwei Gegenstände, gegeneinander hingegeben,  nicht  der Ausdruck, der eine des Wertes des andern, sein sollen, habe ich schon oben auseinandergesetzt; es liegt einfach darin, daß der wert aus subjektiven und objektiven Elementen zusammengesetzt ist, folglich nicht nur bei der Substituierung eines neuen Objekts, sondern auch bei der eines neuen Subjektes ein durchaus neues Wertverhältnis vorliegt, folglich von den beiden Wertverhältnissen beim Tausch, der eine mit dem andern absolut nichts zu schaffen hat. Es findet beim Tausch nicht nur eine Veränderung des vorher bestehenden Wertverhältnisses in Bezug auf seine objektiven, sondern auch in Bezug auf seine subjektiven Bestandteile statt, und selbstverständlich läßt sich aus den bloß  objektiven  Merkmalen des Tausches nicht auf das neue Wertverhältnis schließen, welcher aus objektiven  und  subjektiven Bestandteilen zusammengesetzt ist.

Der Wert beim Tausch entzieht sich daher der Kenntnis Dritter. Diese kennen nur  einen  Faktor der Wertschätzung: die Schwierigkeit der Erlangung des eingetauschten Gegenstandes. In unserem Beispiel waren die Kleider des Schneiders dieser eine Faktor seiner Wertschätzung der eingetauschten Schuhe. Die Schuhe bildeten für den Schuster die Schwierigkeit der Erlangung der Kleider des Schneiders. Bei beiden war der Wert der eigenen Gegenstände ein Teil des Wertes, welchen jeder von ihnen auf die des andern legte, aber einen gemeinschaftlichen Wertmaßstab zweier vertauschter Gegenstände gibt es nicht und kann es niemals geben.

Betrachten wir nunmehr die Wertschätzung, welche beim Tausch vorgenommen wurde, bei dem man sich eines Tauschmediums bediente, so liegt es auf der Hand, daß die ersten drei Faktoren, im gegebenen Fall, die nämlichen geblieben wären. Das an eine gewisse Aufwandsfähigkeit geknüpfte Verlangen nach dem Tauschgegenstand, die demselben entsprechende Beschaffenheit des letzteren, müssen bei der Anwendung eines Tauschmediums genau dieselben bleiben wie bei direktem Tausch. Es hat das Tauschmedium auf ihre Potenzierung direkt durchaus keinen Einfluß. Nur insofern es auf die Potenzierung des vierten Faktors wirkt, kann es auf die anderen drei Faktoren des Wertverhältnisses zurückwirken. Denn die nähere Bestimmung des vierten Faktors, also des Aufwandserfordernisses zur Erlangung des Tauschgegenstandes, ist es, welche vom Tauschmedium abhängt.

Beim Tausch ohne Anwendung eines Tauschmediums hatten die Tauschenden die in der Forderung der Gegenpartei liegende Aufwandserfordernis des einzutauschenden Gegenstandes direkt zu schätzen, indem sie prüften, ob die Selbstverfertigung des letzteren nicht eine geringere Aufwandserfordernis ist. Das Resultat einer solchen Prüfung, sagte ich schon, sei  quaestio facti,  aber wir können voraussetzen, daß in den meisten Fällen, wenn nämlich die Forderung nicht übertrieben war, beide Parteien im Tausch die geringere Aufwandserfordernis erblicken würden. Die in der Stetigkeit ihrer Arbeit erlangte Geschicklichkeit mußte jeder von ihnen, für ihr besonderes Fabrikat, ein solches Übergewicht über die andere geben, daß nur ausnahmsweise in der Selbstverfertigung die geringere Schwierigkeit der Erlangung des gewünschten Gegenstandes liegen konnte. Indessen, selbst wenn sie von vornherein von dieser Annahme ausgingen und die Frage, ob die Selbstverfertigung eine geringere Aufwandserfordernis mit sich bringen würde, überall keiner ernstlichen Prüfung unterwarfen, so mußten sie doch nach einem Mittel suchen, die Höhe der Forderung, welche die Aufwandserfordernis im Tausch ausmacht, zu prüfen. Dieses Mittel gewährte ihnen das Tauschmedium.

Vergegenwärtigen wir uns zunächst das Wertverhältnis, worin sich beide Parteien beim Austausch ihrer Erzeugnisse gegen Getreide befunden hatten, so war das demjenigen analog, welches ich oben als das normale beim Tausch nachgewiesen habe: das eingetauschte Getreide hatte für sie höheren Wert als die für dasselbe hingegebenen Gegenstände. Was ist nötig, um ein solches Wertverhältnis herzustellen? Jedenfalls die freie Wirkung der vier Faktoren, aus denen ein Verhältnis der Dinge zu uns, deren Schätzung den Wert ergibt, überhaupt nur bestehen kann. Da nun die Wertschätzung der Schuhe und Kleider von Seiten der beiden Handwerker der Art geschehen sollte, daß der noch fehlende Faktor: die Aufwandserfordernis der einzutauschenden Gegenstände, nach dem früher stattgehabten Austausch gegen Getreide geschätzt wurde, so könnte es scheinen, weil dieses letztere doch einen höheren Wert gehabt hat als die fortgegebenen Gegenstände, daß das Getreide, während es nur einen einzigen Faktor des Wertverhältnisses darstellen sollte, faktisch einen Wert hatte, welcher höher war als das ganze Wertverhältnis, von dem es ein Teil war. Doch dies ist eben auch nur Schein.

Damit ein Gegenstand in einem Wertverhältnis zu uns steht, ist es nötig, daß unser Wille auf ihn gerichtet und er geeignet ist, unserem Willen zu dienen. War dies bei dem Getreide der Fall, welches als  tertium comparationis  gebraucht werden sollte? Keineswegs. Im Gegenteil; aus dem direkten Austausch, welchen die Handwerker vornehmen wollten, geht hervor, daß ihr Wille  nicht  auf das Getreide errichtet wa, daß sie statt Getreide, der Schuster Kleider, der Schneider Schuhe wollten. Das frühere Wertverhältnis, als solches, kmmt bei der neuen Schätzung deshalb gar nicht in Betracht. Es ist ein bloßes Faktum, welches für eine neue Wertschätzung von den Tauschenden benutzt wird, welches also auf die Gestaltung des Wertes der neuen Schätzung nur als ein  Motiv  wirken kann. Den Umfang dieser Wirkung aber können wir einzig und allein durch eine Analyse der Motivation kennen lernen.

Aus dem angeführten Beispiel geht hervor, daß die Veranlassung erst dann entstehen. Denn weder für die Beurteilung des Verlangens der Tauschenden noch ihrer Aufwandsfähigkeit noch der Beschaffenheit der Gegenstände, dem Verlangen zu entsprechen, konnte ein früherer Tauschakt gegen Getreide  data  abgeben. Es handelte sich für den Schneider um Schuhe, für den Schuster um Kleider, was konnte der gegenseitigen Wertschätzung das Getreide nützen? Der frühere Tauschakt knnte nur bei der Beurteilung des Aufwandserfordernisses in Betracht kommen. War das aber der Fall, so konnte das frühere Wertverhältnis auch nur als Aufwandserfordernis zu einem Vergleich mit dem neuen benutzt werden, denn selbstverständlich läßt sich weder das frühere Verlangen nach Getreide noch die Aufwandsfähigkeit, an die es damals geknüpft war, noch die Beschaffenheit des Getreides selber, mit der Aufwandserfordernis für Schuhe und Kleider vergleichen. Hieraus folgt aber, daß die beiden tauschenden Parteien, in unserem Fall also der Schuster und der Schneider, bei einem Austausch ihrer gegenseitigen Erzeugnisse  nicht  ihr eigenes Wertverhältnis, in dem sie zur Zeit ihres früheren Tausches gegen Getreide gestanden hatten, in Rechnung zogen,  sondern das des Ackerbauers,  von dem sie das Getreide, gegen ihre Erzeugnisse, erhalten hatten. Die Anwendung des  tertium comparationis  ist ein unterstellter Tausch. Der Schneider wie der Schuster mußten sich sagen, daß es dasselbe ist, ob sie ihre Erzeugnisse gegen Getreide vertauschten und für das erhaltene Getreide ihre gegenseitigen Erzeugnisse einhandelten, oder ob sie diese direkt nach demjenigen Verhältnis eintauschten, welches sich bei der Dazwischenkunft des Getreides ergeben haben würde. Das Getreide war aber nicht dasjenige, was sie haben wollten; es diente dasselbe also nicht zum Vergleich mit den Tauschgegenständen, sondern einzig und allein mit der Aufwandserfordernis. Beide stellten sich auf den Standpunkt des Bauern. Die Schwierigkeit, welche dieser hatte, die Handwerkserzeugnisse zu erlangen, konnte als Maßstab der Forderung gelten, welche sich die Handwerker einander zu stellen hatten. Es kam somit nicht das Wertverhältnis in Betracht, in welchem sie zum Getreide gestanden hatten, sondern die Aufwandserfordernis, welche für den Bauern mit ihren beiderseitigen Erzeugnissen verknüpft gewesen war. Es diente das Getreide nur dazu, das indirekt zu erfahren, was direkt schwer zu ermitteln stand.

Obschon also der Tausch, unter Zugrundelegung des Getreides als  tertium comparationis,  zustande kam, so ist der Wert der vertauschten Gegenstände keineswegs nach dem Getreide zu bemessen. Es spricht der Schein hierfür nur deshalb, weil eine jede Wertschätzung sich nach außen lediglich in der Aufwandserfordernis manifestiert, welche im  tertium comparationis  ihren Ausdruck findet, die Aufwandserfordernis kommt außerdem beim Tausch als der letzte Faktor der Wertschätzung in Betracht. Das Wort  Wertmaßstab  ist deshalb eine durchaus falsche Bezeichnung für  tertium comparationis.  Alle Dinge sind sich im Vergleich, wozu sie bei der Wertschätzung dienen, Wertmaßstab; sie sind aber bei jedem Tauschenden verschieden, das  tertium comparationis  deshalb nicht gemeinsames Wertmaß. Es bleibt, trotz dem, was man Wertmaß nennt, die Verschiedenheit des Wertes der vertauschten Gegenstände bestehen, so wie es begriffsmäßig aus dem Wechsel der Schätzungssubjekt und Objekte, also aus dem Entstehen zwei vollständig neuer Wertverhältnisse, folgt.  Das sogenannte Wertmaß selber aber ist nur das Maß eines einzigen Faktors der Wertschätzung: der Aufwandserfordernis  - also ein  Preis maß, kein Wertmaß. Aus ihm konnte auf eine zukünftige Wertschätzung daher nur unter der Voraussetzung geschlossen werden, daß eine Ergänzung der übrigen Wertfaktorn in gleicher Weise stattfinden wird. (43) Der Unterschied aber zwischen dem direkten Tausch und dem Tausch mit Benutzung eines Tauschmediums liegt nur darin, daß bei jenem die Aufwandserfordernis durch den hingegebenen Gegenstand selber, bei diesem aber durch das Austauschmedium ausgedrückt wird (44).


§ 10.
Wert und Preis

Wir können hier schon den prinzipiellen Unterschied derselben feststellen.  Der Preis ist die Aufwandserfordernis einer Sache im Tausch,  bzw. die Aufwandsfähigkeit, je nachdem man den subjektiven oder objektiven Gesichtspunkt nimmt: der Ausdruck der Schwierigkeit ihrer Erlangung. Er ist somit  einer der Faktoren des Verhältnisses,  dessen Schätzung den Wert ergibt. Aus diesem Grund ist er notendig kleiner als der Wert, von dem er nur ein Teil ist. Der Preis ist das Einzige, was vom Wert konkret in in Erscheinung tritt, was äußerlich bestimmt wird, beharrt (45); er kommt deshalb ausschließlich beim Tausch infolge des Tausches vor. Das begriffsmäßige Verhältnis zwischen Wert und Preis bleibt daher nur so lange bestehen wie der Preis unverändert bestehen bleibt. Sobald dieser schwankt, wird jenes Verhältnis gestört. Es kann sich daher sehr wohl ereignen, daß, wenn der Wert sinkt, der Preis, welcher ursprünglich nur einen Teil des Wertes ausmachte, höher wird als dieser, denn der Preis, einmal bezeahlt, ist Faktum, starr, und folgt den Schwankungen des Wertes nicht mehr; mit anderen Worten, daß jemand, der eine Sache eingetauscht hat, dieselbe später niedriger schätzt als das, was er dafür gegeben hat.

Obschon somit der Preis nur ein unvollkommener Ausdruck des Wertes ist, so ist er im Verkehr dennoch von großer Wichtigkeit. Beim Vergleichen von Preisen kommt der Seinsgrund in Betracht: die Rechnung mit  Zahlen  wird möglich, mit ihr zugleich die komplizierte Berechnung, welche das entwickelte Wirtschaftsleben nötig macht. Namentlich bei den Gegenständen des gewöhnlichen Lebens (den articles de premiére necessité), wo es hauptsächlich darauf ankommt, daß sie überhaupt zu beschaffen sind, bildet der Preis, als die zur Erlangung der Dinge nötige Aufwandserfordernis, ein wichtiges Mittel der Wertschätzung. Sobald außer ihm die Beschaffenheit der Dinge bekannt ist, so kann die Wertschätzung geschehen, denn die beiden anderen Faktoren des zu schätzenden Verhältnisses sind rein subjektiver Natur, folglich schon mit dem Schätzungssubjekt gegeben. Aber auch bei weniger gewöhnlichen Gegenständen, wo also die besondere Art, häufig Launenhaftigkeit, des Verlangens in Frage kommt, ist es wichtig, zunächst den Preis einer Sache zu kennen. Denn, da das Verlangen sehr wesentlich abhängig von der Aufwandsfähigkeit, der Preis aber die Aufwandserfordernis darstellt, so gibt die bloße Kenntnis des Preises häufig schon an, ob sich das Verlangen so hoch versteigen darf oder nicht.

Im Gewerbsleben zumal ist der Preis eines Gegenstandes von Wichtigkeit. Denn für den Gewerbetreibenden wird der Wert seiner Waren durch das Urteil des Käufers über seine Forderung mit bedingt. Diese bringt der Käufer, bei seiner Wertschätzung, als Aufwandserfordernis in Rechnung, und da der Käufer, in unseren wirtschaftlich entwickelten Zuständen, zum Zweck der Prüfung der Aufwandserfordernis, einen Vergleich der Preise miteinander anstellen wird, so muß der Gewerbetreibend stets sein Auge auf diese gerichtet halten. Er soll aber nicht vergessen, daß die Aufwandserfordernis nur  einen  Faktor der Wertschätzung bildet; die Erforschung dieser bei seinen Käufern muß deshalb seine eigentliche Aufgabe sein.


§ 11.
Das Edelmetall als Tauschmedium

Wenn wir oben schon von der Annahme ausgingen, daß die Benutzung des Getreides, als  tertii comparationis,  nicht mit vollem Bewußtsein ihrer Zweckmäßigkeit geschah, sondern ganz von selber aus dem Umstand folgte, daß die ersten Erzeugnisse der Arbeitsteilung gegen Getreide vertauscht wurden, vertauscht werden mußte, so können wir uns noch weniger dem Zugeständnis entziehen, daß die Einführung der edlen Metalle als Tauschmedium nicht ein Produkt wirtschaftlicher Reflexion, sondern das der wirtschaftlichen Verhältnisse war. Ebenso wie das Vieh, als Tauschmedium, auf das Wild, das Getreide auf das Vieh folgte, ebenso mußten die Edelmetalle, als der äußere Ausdruck der Vereinbarung beim Tausch, auf das Getreide folgen. Jede neue Wirtschaftsstufe brachte die Veränderung von selber mit sich.

Die wirtschaftliche Veranlassung zur Benutzung der Edelmetalle für jenen Zweck führt man wohl mit Recht auf den asiatischen Handel zurück. Da der Süden Asiens "so ziemlich alles, was das Menschenleben zu seiner Erhaltung und Verfeinerung bedarf" (46), besaß, blieb den mit ihm handelnden Völkern kaum ein anderer Tauschgegenstand als edle Metalle. Diese aber wurden gern genommen, denn edle Metalle sucht man südlich vom Himalaya vergebens. Unter einem reichen Volk, bei welchem die gewöhnlichen Anforderungen des Daseins bereits vollständig befriedigt sind, entsteht alsbald das Verlangen nach Pracht, nach Verzierung des Körpers und seiner Umgebung; und einem solchen Begehren bieten die glänzenden allein in gediegenem Zustand vorkommenden, leicht zu bearbeitenden edlen Metall den nächsten Anhalt dar". So entwickelte sich ein Austausch der indischen Waren gegen Edelmetalle, welcher heutzutage noch fortbesteht, eben weil er auf in der Natur begründeten Verhältnissen beruth.

Der Hergang war somit demjenigen analog, welchen ich oben beim Getreide als den wahrscheinlichen geschildert habe. Das, was wir heute als Ware und als Tauschmedium kennen, war ursprünglich nur Tauschgegenstand. Es schätzten die Völker, welche reichlich Gold und Silber besaßen, diese auf einen niedrigeren Wert als die asiatischen Waren. Die Asiaten, welche die Edelmetalle entbehrten, schätzten dieselben höher als die Produkte, welche ihr Land in Fülle erzeugte. Beide legten auf ihre Erzeugnisse aber insofern Wert, als dieselben dazu dienten, ihnen das zu verschaffen, was sie zu haben wünschten. Den Asiaten waren somit ihre Produkte Aufwandserfordernis der Erlangung des Goldes und Silbers; die Edelmetalle wiederum waren Aufwandserfordernis der Erlangung der asiatischen Waren für die anderen Völker.

Mit der Entwicklung des Austausches mußte die Einführung des Goldes oder Silbers als Tauschmedium und die Verdrängung des früher als solches gebrauchten Gegenstandes Hand in Hand gehen. Hatte der Kaufmann des Westens gegen Gold- und Silbersachen die Produkte des Ostens erhandelt, so mußte er vorziehen, seine Rechnung in den edlen Metallen zu machen, denn es war ein Leichtes, die Unkosten der Reise ebenfalls auf dieselben zu reduzieren. Hatte man z. B. vorher Getreide als  tertium comparationis  gebraucht, so war auch der Preis des Goldes und Silbers darin angesetzt worden. Er brauchte also das Verhältnis nur umzukehren, um den Preis des Getreides in Gold oder Silber zu wissen. Die übrigen Notwendigkeiten der Reise aber war es ein Leichtes, ebenfalls auf Getreide und dadurch auf das Edelmetall zurückzurechnen. Für die mitgebrachten Waren aber ewar es ihm weit bequemer, den Preis direkt in Gold oder Silber anzusetzen, denn dessen bedurfte er zur Erneuerung seiner Unternehmungen. Außerdem bot die Rechnung in den Edelmetallen noch viele andere Vorteile. Einmal war es von viel gleichmäßigerer Beschaffenheit als Getreide. Die Sache selber entsprach also genauer dem von ihr formulierten Begriff. Ferner, was sehr wichtig war, stand das edle Metall zu ihnen, zu den Menschen überhaupt, in einem konstanteren Verhältnis als die Erzeugnisse des Ackerbaus. Es ist nicht nur die Beschaffenheit desselben eine stets gleiche, sondern auch, in gewissem Grad, die Schwierigkeit der Erlangung; selbst die Aufwandsfähigkeit, nämlich die Mittel, welche zur Besiegung dieser Schwierigkeit zu Gebote stehen, sind minder entwicklungsfähig als bei anderen Gegenständen, so daß also nur das Verlangen nach dem edlen Metall als das mehr Wandelbare zurückblieb. Aber dieser subjektivst der Faktoren des Wertverhältnisses, zu dessen Erregung in der Tat eine gewisse Kulturstufe nötig zu sein scheint, war durch den Handel in einer Weise ergänzt, welche dem, die Wertschätzung anderer antizipierenden Kaufmann reichlich so viel, wenn nicht mehr Sicherheit bot als der gleiche Faktor im Wertverhältnis des Getreides.

Der Kaufmann des Westens, welcher die asiatischen Waren zurückbrachte und zum Tausch anbot, fand wohl nicht sofort Gelegenheit, unmittelbar Gold und Silber wieder einzutauschen. Seine Gewürze usw. vertauschte er daher, wie es die Umstände gerade erforderten, gegen das ein, was ihm angeboten wurde und was er hoffen durfte, seinerseits wieder gegen die edlen Metalle zu vertauschen. Bei diesem Handel aber mußte er stets durch die Rücksicht geleitet werden, daß es Gold und Silber war, was er sich letzten Endes verschaffen mußte. Für ihn waren seine Waren Aufwandsfähigkeit dem Einzutauschenden gegenüber; sie wurde in dem Maß größer, als die Aufwandserfordernis, die Forderung des Gegners, abnahm. Die Waren also, welcher er nur nahm, weil er das Gold und Silber nicht direkt erhandeln konnte, blieben für ihn dasselbe, was seine Gewürze waren: Aufwandsfähigkeit zur Erlangung des Edelmetalls; er mußte seine Wertschätzung derselben daher nach diesem vornehmen, denn sie hatten nur Wert für ihn, insofern sie der Aufwandserfordernis für dasselbe dienen konnten. Nahm er also z. B. für seine Gewürze Getreide an, so mußte er berechnen, ob er für dieses so viel oder mehr Edelmetall würde erhalten können wie für das dafür hingegebene Gewürz.

Wenngleich es eigentlich nur der Kaufmann war, welcher die Edelmetalle als  tertium comparationis  gebrauchte, so brachten es schon die Unterhandlungen über den Tausch mit sich, daß die Gegenpartei im Tausch das vom Kaufmann angelegte Preismaß zu würdigen lernte. Eine große Anzahl solcher Geschäfte mußten dieses daher schließlich den Wirtschaftenden geläufig machen und sie gewöhnen, es selbst bei solchen Geschäften in Anwendung zu bringen, welche nich in einem unmittelbaren Zusammenhang mit dem asiatischen Handel standen. Es trat also ganz an die Stelle des Getreides oder dessen, was vorher als Preismaß benutzt worden war, und diente dazu, die zur Erlangung eines Gegenstandes nötige Aufwandserfordernis zu bezeichnen.


§ 12.
Das Geld, Verkauf, Kauf.

Verkauf und Kauf sind schon denkbar bei der Benutzung des Getreides als  tertium comparationis,  aber schwerlich finden sie statt. Denn, wenn keine andere Ausgleichung geschah, so mußte die Übertragung des Getreides selber erfolgen, gewiß nicht stets eine den Tauschenden angenehme Eventualität. Selbst die Benutzung des Edelmetalls als eines übertragbaren Tauschmediums, vor der Kreierung von Geld, mußte großen Schwierigkeiten dadurch unterliegen, daß über seine größere oder geringer Feinheit keine vollständige Sicherheit bestand, sein Gewicht jedesmal ermittelt werden mußte und seine Teilbarkeit nicht in dem Maße praktikabel war, wie es die Eigenschaften der Metalle übrigens zulassen. Die volle Wirkung, deren diese als Tauschmedium fähig waren, konnten sie erst tun, nachdem sie,  forma publica percussa,  [das Geld repräsentiert staatlich festgesetzt den Vermögenswert - wp] sich der verschiedenartigsten Gestaltung der Wertverhältnisse, von denen sie  einen Faktor  stets repräsentieren sollten, anpaßten. Dadurch, daß unter höchster Autorität die Gewichtsmenge des edlen Metalls in den einzelnen Geldstücken festgestellt war, die arithmetische Einheit also in den Münzen sich konkret vorfand, außerdem kleine Ungleichheiten, welche die Technik der Prägekunst nicht zu überwinden vermag, durch absolutes Gesetz als nicht existenz verkündet, dadurch somit aufgehoben wurden, so konnte in Wirklichkeit das Rechnungsfazit eines geschehenen Tauschaktes in absoluter Identität, je nach der Erfordernis sofort überwiesen oder für eine demnächstige Überweidung, bestimmt werden.

Der Übergang vom Metall, als bloßem  tertium comparationis,  zum Geld, als übertragbarem Tauschmedium, und der vom Tausch zum Verkauf hat unbestreitbar etwas Eigentümliches, von dem die Wissenschaft Notiz zu nehmen hat. Es liegen neue Begriffe vor, welche analysiert sein wollen, deren genaue Erläuterung umso notwendiger ist, als jenes Eigentümliche meist überschätzt wird. Wir können aber gleich von vornherein die Grenzen ziehen, innerhalb deren sich die Merkmale der Begriffe vorfinden müssen. Da nämlich, wie wir gesehen haben, das Geld sich dadurch vom Metall unterscheidet, daß es ein bestimmtes Gewicht dieses letzteren enthält, welches vom Staat durch ein Gepräge verbürgt wird, Kauf und Verkauf aber vom Tausch dadurch, daß in ihnen eine Trennung des in jenen vereinigten Angebotes und der Nachfrage stattfand, so können die neuen Begriffe  Geld, Verkauf, Kauf  keine Merkmale enthalten, welche sich materiell von denen der früheren Begriffe Metall und Tausch unterschieden. Der allein mögliche Unterschied kann nur ein formeller sein. Denn in der Folge kann nicht mehr liegen als in ihrem Grund. Der Grund der neuen Begriffe war eine formelle Veränderung, deshalb kann mit der Folge, also den Begriffen selber, auch nur eine formelle Veränderung vorgegangen sein. Es muß also das Metallgeld nach wie vor  tertium comparationis  sein, im Kauf und Verkauf noch stets ein Tausch vorgenommen werden, wenn auch die Art, in der es geschieht, eine andere ist.

Die Bedeutung der körperlichen Übertragung des Geldes kann man sich am leichtesten deutlich machen, wenn man das Schicksal einer Ausprägung verfolgt. Die vor 100 und mehr Jahren ausgegebenen Münzen werden eingezogen, um eingeschmolzen zu werden. Sie laufen bis auf ein minus ein, welches durch Verlust, vernachlässigte Einlieferung etwa entsteht. Es kann also die Zirkulatin des Geldes ansich kein wirtschaftlicher Akt gewesen sein. Denn ein hundertjähriges Händewechseln des Geldes ohne dritte Wirkungen kann weiter nichts als eine Verschlechterung der Münzen zur Folge haben, also nicht wirtschaftlich sein. Die indirekten Wirkungen können zugleich in nichts anderem als einer Veranlassung zu anderweitigen Wirtschaftsvorgängen bestehen. Die ohne irgendeine Spur ihres Daseins verlaufende Zirkulation der Metallstücke kann nur dadurch eine denkbare Bedeutung bekommen.

Für den Gebrauch des Geldes als  tertium comparationis  ist offenbar das körperliche Übertragen desselben nicht notwendig. Dazu bedarf es in der Tat nicht einmal der Existenz desselben in concreto (47). Es werden täglich solche Massen von Käufen und Verkäufen geschlossen, daß das ganze Edelmetall der Erde ihre Summe nicht erreicht. Es genügt zum Zweck der Preisbenennung die Vereinbarung über eine Metalleinheit. Die Notwendigkeit der körperlichen Übertragung des Geldes müßte sich somit aus der Natur von Kauf und Verkauf ergeben. Aber wir sehen, daß in dem Erwerbszweig dessen eigentliches Geschäft Kauf und Verkauf ist, die meisten, die größten Käufe und Verkäufe geschlossen werden, ohne daß mehr als ein verschwindend kleiner Bruchteil in Geld dazu nötig wäre. Jene Notwendigkeit kann daher im Kauf und Verkauf nur relativ beruhen, und zwar läßt sich nachweisen, daß sie sich dann aus den Formen des Tausches ergibt, wenn die Fäden dieses zu weit auseinander laufen, um sich ohne Dazwischenkunft des Geldes vereinen zu können. Nehmen wir z. B. den Handel Hamburgs mit Brasilien. Es wird der Betrag der brasilianischen Abladungen für Hamburger Rechnung auf London entnommen. Die Waren selber, Kaffee größtenteils, gehen, nach Ankunft in Hamburg, nach dem deutschen Hinterland, Schweden, Norwegen usw. In Hamburg selbst bleibt sehr wenig. Diejenigen Kaufleute, welche den Kaffee von Brasilien bezogen haben, befassen sich in der Regel nicht mit der Ausfuhr dorthin. Dieses pflegen wieder andere Häuser zu tun. Ebensowenig sind es ausschließlich die Gegenden Deutschlands, welche einen Teil des Kaffees empfangen haben, wo die Export-Artikel für Brasilien gearbeitet werden, wie auch Schweden und Norwegen ihren Bedarf an Kaffee nicht durch ihre Exporte von Holz, Fisch usw. nach Brasilien decken. Aber das deutsche Inland gleicht seine Forderungen durch andere Güterbewegungen aus und schickt seine Brasil-Export-Artikel wieder nach den Hanse-Städten. Schweden und Norwegen aber haben plus-Export nach England und decken ihre Debet-Posten in Hamburg mit Papier auf London, welches nach diesem Platz schließlich von Hamburg aus mit den übrigen die Rio-Tratten ausgleichenden Rimessen geht. Die Beträge der deutschen Waren, welche nach Brasilien geschickt werden, weist der Empfänger ebenfalls in London an, England aber exportiert nach Brasilien mehr, als es von dort empfängt, und somit ist es sehr wohl möglich, daß alle diese doch wahrlich nicht geringfügigen überseeischen Warenbewegungen in London zur Ausgleichung kommen, ohne daß deshalb ein nennenswerter Betrag an Geld benutzt wurde. Trotz der Verschiedenheit der Käufer, trotz der Verschiedenheit der Länder sind alle Posten ausgeglichen ohne weitere Hilfsmittel als eine Metalleinheit und Wechsel, welche die Übertragung der Forderungen vom Einen auf den Anderen vermitteln. Nehmen wir dagegen die Fortsetzung des erwähnten Handels bis zum Konsumenten, so ist eine Ausgleichung mit bloßer Zugrundelegung einer Metalleinheit nicht praktikabel. Teils wird der Handel hier viel zu unbedeutend, viel zu kleinlich, um nicht in der Benutzung des Gelds die willkommenste Methode der Ausgleichung zu sehen; dann aber lassen sich auf dieser niedrigsten Stufe von Kauf und Verkauf, wo auf der einen Seite schon gar kein Handel mehr ist, sondern der Konsument mit seinen Pfennig-Bedürfnissen steht, die Fäden nicht mehr verfolgen, welche Kauf und Verkauf zum Tausch vereinen, zumal manche Forderungen nicht durch Verkauf, sondern durch Dienstleistungen ausgeglichen werden. Hier findet daher fast immer statt, was man auf der höheren Stufe wirtschaftlicher Tätigkeit meistens zu vermeiden Gelegenheit hat.

Außer wegen Kauf und Verkauf ist die körperliche Übertragung des Geldes der Sicherheit der Ausgleichung wegen nötig, ganz besonders aber wegen der durch ein absolutes Gesetz auferlegten Verpflichtung gewisser Verbindlichkeiten (Wechsel) durch Geld zu lösen (48). Dieser letzte Umstand wirkt, wie wir sehen werden, als Motiv der Wertschätzung des Geldes. Was diese schließlich anbetrifft, so kann ich dieselbe natürlich von der Wertschätzung überhaupt nicht unterscheiden. Es kann sich der Wert des Geldes nur aus der Schätzung des Verhältnisses ergeben, worin dasselbe zum Schätzenden steht, und da dieses Verhältnis bei den verschiedenen Menschen ein verschiedenes ist, so ist auch der Wert des Geldes, je nach dem Schätzenden, verschieden. Man hat allerdings bislang allgemein behauptet, daß das Wesen eines Preismaßes (oder vielmehr, wie man meinte, Wertmaßes) in der Gemeinsamkeit seines Wertes besteht, ohne aber, meines Wissens, gute Gründe hierfür anzuführen (49). Es war daher wohl nur der Schein, welcher zu dieser Annahme verführte. Und der ist allerdings dafür, insofern in der Tat das Geld als Preisabdruck aller Dinge dient. Vom Preis aber ist auf den Wert der Dinge nur ein hypothetischer Schluß zulässig.

Drei der Wertfaktoren des Edelmetalls sind allerdings sehr stetig, im Vergleich mit denen anderer Artikel. Ich hob schon oben hervor, daß sich die Eigenschaften des Goldes und Silbers stets gleich bleiben, die technischen Schwierigkeiten ihrer Erlangung, gegenüber den vorhandenen Mitteln sie zu überwinden, weniger und langsamerer Veränderungen nur fähig zu sein scheinen, als es bei den meisten Gegenständen der Fall zu sein pflegt, aber jene drei Faktoren sind noch nicht alle diejenigen, welche das Verhältnis ausmachen, deren Schätzung den Wert ergibt. Es muß das Verlangen noch hinzukommen und dies ist in Bezug auf Edelmetall so wandelbar, so subjektiv wie in Bezug auf alle Luxusgegenstände. Außerdem kommt bei der Wertschätzung, die ja individuell ist, die Aufwandsfähigkeit in ganz anderer Weise in Betracht, als oben angedeutet. Ich hob dort nur die objektiv gegebenen Verhältnisse, unter denen die Edelmetalle zu existieren pflegen, hervor, um anschaulich zu machen, daß sich dieselben besser als z. B. Getreide dazu eignen, als  tertium comparationis  für die Aufwandserfordernis im Tausch zu dienen. Diesem Zweck gegenüber kommen die objektiven Faktoren des Wertverhältnisses in Betracht, und es war wichtig, daß die technischen Schwierigkeiten der Erlangung möglichst gleichmäßig bleiben möchten, denn dem zu schaffenden Maßstab wollte man nicht das ganze Wertverhältnis beim Tausch, sondern nur einen Faktor desselben: die Aufwandserfordernis messen.  Beim Wert des Geldes aber entscheidet die Schätzung des einzelnen Menschen. 

Da die Wertschätzung des edlen Metalles zum Teil andere Motive hat als die des Geldes, so kann aus der Höhe jener auf diese nicht geschlossen werden. Es wird allerdings die Schwierigkeit der Erlangung des Edelmetalls Einfluß haben auf die Aufwandserfordernis des zur Verfertigung des Geldes verwandten Metalles, und dadurch auf die Aufwandserfordernis des Geldes selber, wenn man es sich verschaffen will, aber die Wertschätzung des Metalls wie des Geldes bleibt von diesem Umstand so unberührt, wie es die Abhängigkeit der Wertfaktoren voneinander überhaupt zuläßt. Mit anderen Worten: die Regierung kauft Edelmetalle, um Münzen daraus zu prägen; das, was sie hingeben muß, ist die Aufwandserfordernis des Metalls; sie wird daher das geprägte Geld nicht ausgeben wollen, ohne zumindest den gemachten Aufwand zurückerstattet zu erhalten. Welchen  Wert  die Regierung auf das erhandelte Metall legt, ist selbstverständlich aus dem Ankauf so wenig zu ersehen wie der Wert aus dem Preis überhaupt (50). Ebenso selbstverständlich kann auch dieser aus subjektiven und objektiven Elementen gebildete Wert des Geldes bei den Regierungen keinen Einfluß ausüben auf die von den Empfängern des Geldes vorgenommene Wertschätzung desselben, denn hier liegen ja ganz andere Subjekte der Schätzung vor! Es wird sich nur das objektivste Moment der Wertschätzung: die Aufwandserfordernis, dessen zeitiger Ausdruck der Preis ist, geltend machen.

Das Motiv der Wertschätzung des Geldes ist allerdings insofern ein gemeinsames, als dieses, solange es Geld, also seiner eigentlichen Bestimmung nicht entzogen, ist, jedermann nur aus dem Grund schätzt, weil es als Tauschmedium und Zahlmittel dient, daher man Papiergeld gerade so hoch wie Metal schätzen sieht, aber das Motiv ist, trotz seiner Gemeinsamkeit, großer Verschiedenheit in Bezug auf seine Intensität fähig, selbst die doppelte Anwendung, welche das Geld erfährt, hat eine Verschiedenheit der Motive selber zur Folge.

Um die Motive gehörig zu unterscheiden, müssen wir stets das ganze Wertverhältnis, worin das Geld zum Schätzenden steht, vor Augen haben. Was den ersten Faktor desselben, das Verlangen, anbetrifft, so richtet sich das nach dem Zweck, wozu man das Geld bedarf oder wünscht. Besteht dieser in der Benutzung desselben als  tertium comparationis,  als Preismaß, so geht das Verlangen nur auf die Existenz des Geldes, d. h. der Münzeinheit; es wird die konkrete Dazwischenkunft gewissermaßen fingiert. Wünscht man es als übertragbares Tauschmedium zur Vornahme eines Kaufes, so wird niemandes Verlangen danach größer sein als seine Bereitwilligkeit, seine Aufwandsfähigkeit zur Erlangung des gewünschten Gegenstandes anzustrengen. Denn das Geld, welches für einen Gegenstand bezahlt werden muß, drückt nicht den  Wert  aus, welchen der Käufer auf denselben legt, sondern nur die  Aufwandserfordernis  dessen Erlangung. Wenn der Käufer auf das Geld denselben Wert legte wie auf den zu kaufenden Gegenstand, so könnte er sich die Mühe sparen, diesen zu kaufen, denn in dem Fall erwüchse ihm aus dem Kauf kein Gewinn. Aber es wird nicht nur die Aufwandserfordernis der Gegenstände, sondern auch die  Aufwandsfähigkeit  der Personen mit Geld ausgedrückt, und, da bekanntlich jenes nichts Absolutes ist, sondern von einer Höhe oder Geringfügigkeit desselben nur in Bezug auf einen gedachten Maßstab gesprochen werden kann, so ist selbstverständlich auch die Schätzung des Aufwandserfordernisses eines Gegenstandes je nach dem Schätzungssubjekt verschieden: mit ihr aber auch die des  Geldes,  welches der Ausdruck des Aufwandserfordernisses ist. Die Wertschätzung des Geldes ist somit keine gemeinsame, sondern eine ebenso verschiedene, wie die aller anderen Dinge; sie ist in der Tat ebenso verschieden wie das Verhältnis, worin dasselbe zu den Menschen steht. Wenn man sich im Leben umsieht, so kann man dies genugsam bestätigt finden. Es fällt nur nicht in die Augen, weil alles nach Geld benannt und deshalb nur der Wertunterschied der  Waren  beachtet wird. In großen Städten gibt es aber Läden, wo  alle Sachen,  die verkauft werden, vielleicht doppelt so teuer sind wie anderswo. Weshalb? Eines besonderen Publikums halber, welches das die höhere Aufwandserfordernis nicht scheut, um einen fashionablen Ort zu haben, wo es kaufen kann. Was ist das aber anderes als eine mindere Wertschätzung des Geldes? Sagt man doch auch im Leben: er achtet das Geld gering, bzw. hoch. Was die Beschaffenheit des Geldes anbetrifft, so kommt die bei seiner Wertschätzung in der Regel minder in Betracht, weil sie, der gleichmäßigen Ausprägung halber, keine Verschiedenheiten zu zeigen pflegt, zumal ewaige dennoch vorkommende Unterschiede durch das Gesetz wirkungslos gemacht werden; sie wird aber allerdings in Frage kommen, wenn diese Voraussetzungen beim Geld nicht zutreffen, also z. B. bei schlechten Münzen, noch mehr bei Papiergeld. Wenngleich dieses dem Käufer wie Verkäufer ebenso lieb, häufig lieber ist als Metallgeld, just weil sie das Geld nur als Mittel zu dritten Zwecken schätzen, daher alles Geld gleich schätzen müssen, welches diese Zwecke erreicht, so ist dies doch nur der Fall unter der Voraussetzung, daß die bezweckte Wirkung auch wirklich erreicht werden kann.

Ich sprach oben nur vom Käufer. Beim Verkäufer ist dasselbe der Fall, den es verkauft niemand des Geldes halber, sondern um neue Käufe zu machen, bzw. um die nötige Aufwandserfordernis für andere Wirtschaftsakte zu erlangen. Dieses ist es geratener in Geld als in anderen Gegenständen aufzubewahren, weil, wie oben erwähnt, die Schwierigkeit der Ausbeute von Metall eine gleichmäßigere ist, als die Gewinnung anderer Gegenstände, dessen Preis gegen andere Waren deshalb weniger schwankend ist.

Wenn jemand das Geld dagegen wünscht, um Zahlungen damit zu leisten oder, was dasselbe ist, der Aufwandserfordernis zu genügen, zu dem er sich verpflichtet, so kann eine weit über die in der Zahlung selber liegende Aufwandserfordernis hinausgehende Wertschätzung eintreten. In den gewöhnlichen Fällen, wo es mit den Zahlungen nicht übermäßig eilt, wird man allerdings, um eine Schuld von 100 Talern zu decken, nicht mehr als 100 Taler dafür geben wollen. In den Fällen dagegen, wo die Zahlung sofort geschehen muß, wird der Schuldner nach dem Geld ein Verlangen tragen, welches ihn zu einer weit höheren Wertschätzung veranlassen wird, einer höheren oder niedrigeren natürlich, je nachdem die Aufwandsfähigkeit des Zahlers größer oder kleiner ist. Die Hauptfälle der letzteren Art sind Ehrenschulden und Wechselschulden. Dadurch, daß das Geld nicht nur Tauschmedium, sondern auch das legale Zahlungsmittel ist, für den Ehrenschuldner wie für den Wechselschuldner die Liquidation der Forderungen aber, wegen der mit der Fristversäumung verknüpften Folgen, als höchste Notsache betrachtet werden muß, so geschieht es, daß dem Geld als Zahlungsmittel ein Wert beigelegt wird, welcher denjenigen übersteigt, den man ihm als Preismaß und Tauschmedium geben würde. Da aber das Geld Zahlungsmittel und Preismaß zugleich ist, so kann selbstverständlich der ihm beigelegte höhere Wert nicht sofort in Geld bezahlt werden. Denn, wenn der Schuldige das Geld hätte, so würde er es für die Zahlung benutzen, seine Erlangung nicht mehr wünschen können. Es wird vielmehr für die zur Stelle zu schaffende Aufwandserfordernis ein höheres in späterer Zeit versprochen.

Es könnte scheinen, daß ich hier eine, über den im Zweck des Geldes als Preismaß und Tauschmedium beruhenden Wert hinausgehende, Wertschätzung desselben als Zahlungsmittel mit dem Zins verwechsle, also mit der Vergütung der Überlassung desjenigen, wovon das Geld den Preis gemessen, dessen Übertragung dasselbe vermittel hat, aber dem ist nicht so. Es wird in den sogenannten geldknappen Zeiten um Handel ein Diskont bezahlt, der in keinem Verhältnis zum Zinsfuß steht. Wenn daher auch der Diskont den Zins für das mit dem Geld übertragene Kapital mit enthält, so enthält er dennoch außerdem ein Element, welches durch den Unterschied zwischen Zins für mobiles und dem für immobiles Kapital nicht erwiesen wird. Wie will man z. B. aus diesem Unterschied den Diskont erklären, welcher während der Krisis 1857/58 in den Vereinigten Staaten von Nordamerika bezahlt wurde? Derselbe ist in der schlimmsten Periode auf nicht weniger als 365 prozent gestiegen (1 Dollar pro Tag). Wie ist das mit der Theorie in Einklang zu bringen, welche den ganzen Unterschied zwischen Diskont und Zins in der Verschiedenheit mobilen und immobilen Kapitales sieht? Höchst einfach und sachgemäß erklärt es sich aber aus der höheren Wertschätzung, welche in der Notwendigkeit der Zahlung ihr Motiv findet, denn, um Wechsel zu bezahlen, genügt es nicht, Kapital zu haben: es ist  Geld,  was der Gläubiger verlangt, verlangen darf, ja mehr noch, verlangen  muß.  (51)

Je nach den Motiven kann die Wertschätzung des Geldes noch anders ausfallen, wenn es jemand des Besitzes halber schätzt (der Geizhals, das Kind); man mag sich solche Fälle in infinitum ausdenken; mir genügte, die obigen wichtigeren zu erwähnen, um zu zeigen, wie meine Werttheorie auch bei dem Thema, welches sich bisher bei der Behandlung des Kapitels vom Wert am sprödesten gezeigt hat, Stand hält.
LITERATUR Arnold Lindwurm, Die Theorie des Wertes, Jahrbücher für Nationalökonomie und Statistik, Bd. 4, Jena 1865
    Anmerkungen
    27) Hiermit stimmt RAVIT überein, Beiträge zur Lehre vom Geld, im Archiv staatswissenschaftlicher Abhandlungen, Lübeck 1862, Bd. 1, Heft 1: "Es ist nicht bloß das Urteil über die Fähigkeit der Sache einem Bedürfnis zu dienen ein individuelles, sondern es kommt auch lediglich das Bedürfnis des Urteilenden, des Tauschenden in Betracht" (§ 1).
    28) Bislang war der Satz, daß beim Tausch die Werte gleich sind, eines der vielen Dogmen der Wirtschaftswissenschaft, ohne daß man jedoch große Scheu trug, Ausnahmen zuzulassen: "Hier (beim billigen, dem Durchschnittspreis) gewinnt jeder, indem er das nach seiner Ansicht minder notwendige Gut hingibt und das notwendige dafür wieder empfängt; es sind aber vom Standpunkt der Volkswirtschaft (Weltwirtschaft) aus die gegebenen und empfangenen Werte gleich". (ROSCHER, a. a. O., Bd. 1, Seite 183). Worin der Unterschied zwischen den beiden Wirtschaftserscheinungen, welcher einen prinzipiellen Widerspruch zur Ursache haben müßte, wenn er nämlich wahr wäre, begründet liegt, das, wie so manches andere, läßt ROSCHER unerörtert.
    29) Zum Beispiel wenn jemand statt eines Originalgemäldes eine Kopie besitzt; solange er glaubt, daß die Kopie das Original ist, hat sie den Wert des Originals; sobald ihr Irrtum aufgedeckt ist, sinkt ihr Wert auf den einer Kopie.
    30) Eine solche Wertregulierung sind die sogenannten Handelskrisen. Tauschgegenstände sind, infolge eines weitverbreiteten Irrtums, auf einen hohen Wert gestiegen. Solange der Irrtum besteht, bewahren sie ihn. Plötzlich entdeckt man, daß die vermeintliche Wahrheit ein Irrtum war. Das alte Wertmotiv fällt; das neue, welches an seine Stelle trit, wirkt ganz anders, läßt eine so hohe Schätzung wie früher nicht zu. Diejenigen, welche, nach der Entdeckung des Irrtums, im Besitz der Waren standen, haben nun für alle zu büßen: sie können dieselben nur zu dem Wert, auf welchen sie aus dem neuen Motiv geschätzt werden, vertauschen. Differiert derselbe viel vom früheren, daß ihre Aufwandsfähigkeit nicht ausreicht, so treten die Zahlungseinstellungen ein, welche, wenn sie zahlreich sind, auf das ganze Handelspublikum zurückwirkend - die Krisen erzeugen.
    31) Die Sozialisten und Philanthropen können sich deshalb über das Raubsystem im Handel beruhigen. Dieser verschafft einem jeden Gegenstände höheren Wertes als er zu ihrer Erlangung aufopferte, und wenn einmal jemand betrogen wird, so liegt der Grund davon nicht im Wesen des Handels, also in etwas Äußerem, zu Modifizierendem, sondern im Wesen des Menschen, also in etwas durchaus Innerem, woran die Sozialisten und Philanthropen so wenig wie die Wissenschaft etwas ändern werden. Der Satz des ADAM SMITH aber, welcher so viel böses Blut gesetzt hat: "In der Tat werden beim Austausch der verschiedenen Arten von Arbeit gemeinsame Spielräume für beide Parteien frei. Diese werden jedoch nicht in einer exakten Messung justiert, sondern durch das Feilschen und Handeln auf dem Markt nach einem harten Ausgleichsmechanismus, der wiederum nicht exakt, aber ausreichend für den Weiterbestand des Geschäftslebens im öffentlichen Leben ist" verliert durch die Verschiedenheit des Wertes beim Tausch alle Bedeutung. Vgl. hierüber HILDEBRAND, Die Nationalökonomie der Gegenwart und Zukunft, Frankfurt am Main 1848: Die sozialen Wirtschaftstheorien. HILDEBRAND ist übrigens im Irrtum (?), wenn er Seite 169 Beziehungen der Sachen zur menschlichen Gesellschaft annimmt und Seite 317 glaubt, daß das schätzende Subjekt ebensowohl diese wie ein einzelnes Individuum sein kann. Denn, wenn der Wert, wie er selbst sagt, eine "Beziehung der Sache, welche geschätzt wird, zum Subjekt, welches schätzt" ist, so muß er von der Art dieser Bezeichnung abhängen. Da nun innerhalb der menschlichen Gesellschaft die Beziehungen der Sachen zu den Menschen gar verschiedenartige sind, die menschliche Gesellschaft aber nicht  in pleno  [vollzählig - wp], sondern jeder für sich schätzt, so kann das, was HILDEBRAND eine Beziehung der Sachen zur menschlichen Gesellschaft nennt, nichts anderes sein als eine Beziehung zu den einzelnen Menschen, welche gewisse gemeinsame Merkmamle zeigen, so gut wie die Individuen gemeinsame Merkmale zeigen. Der Wert aber, als das Produkt der von Individuen vorgenommenen Schätzung, kann selbstreden (?) nur individuell sein (?). - - - [Zusatz der Redaktion: Sind Gesinnung und Ideen nicht ebenso individuell wie die Schätzung? und gibt es nicht auch eine patriotische Gesinnung der Nation und Ideen, welche die ganze Gesellschaft einer Zeit beherrschen? Wo der Grund der Schätzung ein allgemeiner ist, der jedem Individuum die Wertschätzung des Gegenstandes abnötigt, da schätzt die  Gesellschaft da entstehen  gesellschaftliche  Werte und Güter trotz des individuellen Schätzungsaktes. Den schlagendsten Beweis dafür bietet das Geld, dem niemand einen allgemeinen  gesellschaftlichen  Wert bestreiten wird.
    32) RAU, a. a. O., Seite 81: "Manche Güter sind auch da, wo schon lebhafter Verkehr besteht, nicht preisfähig, weil es noch herrenlose Vorräte gibt, die man unentgeltlich an sich bringen kann, oder weil aus irgendeiner äußeren Ursache keine Veräußerung vorkommt. Im ersten Fall ist gar kein Verkehrswert vorhanden und man muß sich allein an den Gebrauchswert halten, im zweiten Fall gibt es zumindest keinen Tauschwert solcher Güter, wenn auch vielleicht einen Mietwert."
    33) CAREY, a. a. O.
    34) RAU, a. a. O., Seite 81, Anmerkung
    35) Man findet in der Regel, daß die Schwierigkeit der Erlangung, also die Aufwandserfordernis, das Verlangen nach den Gegenständen steigert, die Aufwandsfähigkeit ihrerseits die Beschaffenheit der Gegenstände bestimmt.
    36) RAU, a. a. O., Seite 77, Anmerkung c verwechselt Wert und Eigenschaft, wenn er dem abstrakten Wert den konkreten gegenüberstellt: "Das zweite Exemplar des geschätztesten Buches, Kupferstichs usw. ist für den Eigentümer fast ohne konkreten Wert"; es hat also der konkrete Wert fast (sic) aufgehört, während der abstrakte geblieben ist. Eine solche Werttheorie ist in der Tat für die Studierstube ausreichend, für das Leben aber nicht. Die nähere Beschreibung beider Wertarten zeigt dann auch, auf wie schwachen Füßen die ganze Einteilung in abstrakten und konkreten Wert ruht: "Während der Gattungswert bloß im  Allgemeinen  die Beziehung eines Gutes zu den menschlichen Zwecken ausspricht, gibt der konkrete Wert einen Antrieb für den Willen, weil er jedem Einzelnen zeigt, was zur Verbesserung seines Zustandes dient". (§ 61a) Noch eklatanter ist die Verwechslung von Wert und Eigenschaft Seite 73: "Die Auffindung eines besseren Mittels vermindert den Wert des bisherigen besten keineswegs, hat aber die Folge, daß nun das neu entdeckte einen höheren Wert erlang"; es begründet RAU diesen Satz durch die Anmerkung: "Der Wald ist zum Blaufärben, die Talglichter und Öllampen sind zur Beleuchtung noch ebenso nützlich, als vor der Anwendung des Indigo und der Gasbeleuchtung, aber jene Stoffe werden nun von anderen Mitteln an Wert übertroffen". Es ist also, nach ihm der Wert etwas Absolutes, welches an den Dingen haftet, so daß ein Wert steigen kann, ohne daß der andere fällt. Das Wahre an der Sache ist, daß die  Eigenschaften  der Sache die nämlichen blieben, daß aber ihr  Wert  unter den der anderen fällt. RAU sagt weiter: "Ist das bessere Mittel in hinreichender Menge zu haben, so kommt leicht das ältere ganz außer Gebrauch und die übrigen Vorräte verlieren allen Preis". Also sie verlieren  allen Preis,  während ihr  Wert  voll bestehen bleibt! ... Das nennt man billig!
    37) Das Wort  Wert  wird häufig sogar da angewendet, wo pure Eigenschaft bezeichnet werden soll. So spricht man vom Nahrungs- oder Futterwert des Getreides, der Kräuter. (siehe RAU, a. a. O., Seite 72, Anmerkung f) Hierunter kann man nur verstehen, daß der Wert unbedingt mit dem Objekt gegeben ist. Nun leidet es aber gar keinen Zweifel, daß, wenn Getreide oder Futter in großem Überfluß vorhanden ist, sein Wert überhaupt geradezu aufhören kann. Der "Nahrungswert" muß aber als am Objekt, an dessen Eigenschaften haftend, fortdauern. Es existiert also Etwas, was nicht existiert. Die Sache ist die, daß dasjenige, was man "Nahrungswert" nennt, Nahrungs gehalt  des Getreides oder Futters ist, dessen Wert in derselben Weise wie der Wert überhaupt bestimmt wird.
    38) Vgl. RAVIT, a. a. O., Seite 2f
    39) Ein Beispiel hiervon bei RAU, a. a. O., Seite 581, Anhang. Es ist das Charakteristische der daselbst angewandten Manier, daß sie wissenschaftlich ohne Nutzen und praktisch unbrauchbar ist. Sie kann dann auch nicht ohne das bedeutungsvolle "wenn" angewandt werden, welches gerade das voraussetzt, was es der Wissenschaft wie der Praxis Not tut, zu erfahren: nämlich dasjenige, was auf den Wert Einfluß hat. Weiß man das, dann braucht es wahrlich keiner arithmetischen oder geometrischen Formeln, um die Wirkung des Einflusses anschaulich zu machen.
    40) vgl. ARTHUR SCHOPENHAUER, Die vierfache Wurzel des Satzes vom zureichenden Grunde, Frankfurt a. M. 1847.
    41) KUNO FISCHER, Geschichte der Philosophie III, Seite 193 und weiter unten Seite 194: "Es ist das Geschäft der Weltweisheit", sagt KANT, "Begriffe, die als verworren gegeben sind, zu zergliedern, ausführlich und bestimmt zu machen; das Geschäft der Mathematik aber, gegebene Begriffe von Größen, die klar und sicher sind, zu verknüpfen und vergleichen, um zu sehen, was hieraus gefolgert werden kann".
    42) SCHOPENHAUER ist deshalb seinerseits im Irrtum, wenn er a. a. O. (Die beiden Grundprobleme der Ethik, Seite 168) die Lehre der Stoiker (nach DIOGENES LAERTIUS, LVII, c 106: "Eine weitere Bedeutung des Wortes  Wert  bezieht sich auf den Warenumtausch, wobei der beurteilende Sachverständige das Wertverhältnis bestimmt, etwa wie man sagt, Weizen umtauschen gegen Gerste mitsamt dem Maulesel.") für richtig hält. Aus der  commutatio  [Austausch - wp] ging die Aufwandserfordernis, der Preis, aber nicht der Wert hervor.
    43) Man sehe sich im Leben um, ob jemals aus der Tatsache eines Tausches oder Kaufes und Verkaufs unbedingt auf den Wert anderer ganz gleicher Gegenstände geschlossen wird. Es geschieht stets unter der Voraussetzung, daß sich neue Käufer einstellen. Hierin liegt die Bedingung der Ergänzung der übrigen Wertfaktoren. Denn wenn auch die Beschaffenheit der restierenden Waren durchaus die nämliche ist wie die der vertauschten, so kommt es doch darauf an, ob das Verlangen des Käufers und seine Aufwandsfähigkeit dieselben sind.
    44) Daß zwischen dem Wert und dem Preis einer Sache im Wirtschaftsleben ein Unterschied gemacht wird, ergibt sich schon aus dem Sprachgebrauch. Man sagt wohl: Die Sache hat für mich einen hohen Wert, aber niemals: Sie hat für mich einen hohen Preis. Aus dem Sprachgebrauch ergibt sich aber auch schon, daß beide Begriffe in einem Zusammenhang miteinander stehen, denn man sagt: Die Sache ist über Wert bezahlt; sie ist ihren Preis wert. Und zwar sind die Wirtschaftenden bei der Anwendung dieses Sprachgebrauchs so wenig im Zweifel über den demselben zugrunde liegenden Sinn, daß es schon deshalb als gewagt erscheinen müßte, mit LOTZ einen Übergang vom Begriff des Wertes zu dem des Preises zu leugnen (siehe oben Anmerkung 7), mit JOHN STUART MILL (der Wert einer Sache ist das, wofür sie sich austauschen läßt, a. a. O., Seite 520), mit CAREY (siehe oben Anmerkung 10) den Wert nur im Preis zu suchen, mit HERMANN den Sprung vom Wert zum Preis nicht besonders zu begründen (Untersuchungen, Seite 67: Der Begehr eines Gutes entspringt überhaupt aus dem Vorteil, den sich der Käufer von seinem Eintausch verspricht. sucht er das Gut zum eigenen Gebrauch, so wird es höheren Gebrauchswert für ihn haben müssen, als was er hingibt; tauscht er es ein zum Wiederverkauf, so wird er allerdings zunächst den Tauschwert beachten, den es bei einem neuen Verkauf hat: da aber jedes Gut am Ende von irgend jemandem zum Gebrauch gekauft wird, so ist der Gebrauchs- oder Nutzwert immer eine Wurzel des Tauschwertes und im Begehren von Einfluß auf den Preis), oder gar mit RAU (siehe oben Anmerkung 36) einen Gegensatz zwischen Preis und Wert anzunehmen.
    45) Das, was man Wertmaß nennt, ist daher faktisch nichts anderes als Preismaß.
    46) WILHELM KIESSELBACH, Der Gang des Welthandels und die Entwicklung des europäischen Völkerlebens im Mittelalter, Stuttgart 1860, Seite 6
    47) Beweis das Hamburger Blankogeld.
    48) vgl. RAVIT, a. a. O., und meine Abhandlung: Das Geld usw. in den Jahrbüchern, 1. Jhg. 4. Heft, in welcher ich jedoch die daselbst noch gemachte irrtümliche Unterscheidung zwischen Gebrauchs- und Tauschwert im Sinne des Obigen zu berichtigen bitte.
    49) RAVIT sagt a. a. O., Seite 2: "Es folgt mit innerer Notwendigkeit, daß eine Bemessung des Wertes der verschiedenen Gegenstände nach einem allgemeinen Maßstab und somit der Übergang zum Kauf nur dann stattfinden kann, wenn die allgemeine Ansicht über den Wert eines bestimmten Gegenstandes eine übereinstimmende geworden ist." Der Ausruck "innere Notwendigkeit" beweist jedoch nichts, sondern die Notwendigkeit kann sich nur aus einem Grund derselben ergeben. "Der Satz vom zureichenden Grund überhaupt ist der Ausdruck der im Innersten unseres Erkenntnisvermögens liegenden Grundform einer notwendigen Verbindung aller unserer Objekte, d. h. Vorstellungen: er ist die gemeinsame Form aller Vorstellungen und der alleinige Ursprung des Begriffs der  Notwendigkeit,  als welcher schlechterdgins keinen anderen wahren Gehalt, noch Beleg, hat, als den des Eintritts der Folge, wenn ihr Grund gesetzt ist". SCHOPENHAUER, Vierfache Wurzel, Seite 85. - Übrigens hat es, abgesehen vom Unlogischen der "inneren Notwendigkeit" noch  niemals  eine allseitige Übereinstimmung über den Wert einer Sache gegeben, daher man sie vom Geld ebensowenig im Ernst wird behaupten wollen.
    50) Die Wertschätzung des Metalls zum Zweck der Geldausprägung wird aber bei den Regierungen verschieden sein, weil die Vorteile der Geldprägung, je nach den wirtschaftlichen Verhältnissen eines Landes, verschieden sind.
    51) Die Konsequenz des aufgestellten Wertprinzips führt somit zu dem bereits in meiner Abhandlung über das Geld, a. a. O., Seite 472f von einem ganz anderen Standpunkt aus gewonnenen Resultat, eine Übereinstimmung, welche, deucht mir, eine Bestätigung meiner Beweisführung enthält.