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HERMANN MÖRCHEN
Die Einbildungskraft bei Kant

"Phantasie ist unser guter genius oder daemon, welcher die Herrschaft unserer Willkür verachtet und sich, obgleich sie diszipliniert sein möchte, doch oft in Freiheit setzt und mit dem Menschen davon rennt ... Sie ist die Quelle aller unserer entzückendsten Freuden, aber auch unserer Leiden ... Die Vernunft muß herrschen und die Einbildungskraft ohne Phantasie ihr zu Diensten sein."

Einleitung

Eine Untersuchung der Einbildungskraft bei KANT ist anscheinend eine psychologische. Denn das ist doch offenbar das erste, was man über die Einbildungskraft sagen kann, daß sie etwas Psychisches, etwas irgendwie in der Seele Vorkommendes ist. Es wäre dann etwa zu fragen, wie sich KANT die Ansiedlung von verschiedenen "Kräften" und "Vermögen" "in" der Seele vorgestellt, wie er sich das Zustandekommen von Einbildungsvorstellungen gedacht hat und dgl. Solche Untersuchungen würden dann vielleicht Wesentliches beitragen zur Herausarbeitung der "psychologischen Grundlagen" der Transzendentalsphilosophie; mit ihrer Hilfe würde man Licht tragen in die Dunkelheit und Wirrnis der transzendentalen Deduktion und der Schematismuslehre und würde diese bis zu einem gewissen Grad "historisch verständlich" machen. Man würde in der Tat bei KANT einiges Material zur Beantwortung derartiger Fragen finden, wenn auch nicht gerade viel; man könnte es aber gewiß durch Umschau in der Philosophie und Psychologie des 18. Jahrhunderts bedeutend ergänzen und durch den Nachweis des von KANT selbstverständlich Übernommenen manches unerörtert Gebliebene verdeutlichen (1). Insbesondere die Einbildungskraft hat im 18. Jahrhundert wiederholt Interesse gefunden und ist in mehreren ausführlichen Darstellungen erörtert worden.

Demgegenüber ist aber zu beachten, daß erstens schon sehr problematisch ist, in welchem Sinne KANT überhaupt ein psychologisches Interesse an der Einbildungskraft gehabt hat, in welchem Sinne vor allem seine Anthropologie, in der er allenfalls eine Psychologie der Einbildungskraft entwirft, als Psychologie bezeichnet werden kann. Zweitens aber hat er an vielen Stellen seine transzendentale Betrachtung unzweideutig genug gegen die psychologische abgegrenzt. So gerade mit Bezug auf die Zusammenhäng, in denen die Einbildungskraft eine wesentliche Rolle übernimmt. Zwar wird man, obwohl es immer wieder geschieht, die bekannte Äußerung in der Vorrede zur ersten Auflage der Kr. d. r. V. (2) in diesem Sinne verstehen dürfen, wonach die Deduktion der reinen Verstandesbegriffe zwei Seiten hat, eine objektive und eine subjektive: sie handelt
    1. von den Gegenständen des reinen Verstandes und soll die objektive Gültigkeit seiner Begriffe a priori dartun und begreiflich machen;

    2. handelt sie vom reinen Verstand selbst nach seiner Möglichkeit und den Erkenntniskräften, auf denen er selbst beruth, will ihn also folglich in subjektiver Beziehung betrachten.
Wenn KANT sagt, daß diese zweite Erörterung zwar in Anbetracht seines "Hauptzwecks" von großer Wichtigkeit ist, aber doch nicht wesentlich zu demselben gehört, so kann er das nur, weil sein "Hauptzweck" die kritische Grundlegung der Ontologie der Natur ist, für die er eine Ontologie des denkenden Subjekts letztlich entbehren zu können meint. Jedenfalls handelt die transzendentale Dedutkion, auch in der zweiten Hinsicht betrachtet, stets vom reinen Verstand, und es kann daher in dieser Bemerkung KANTs nicht von einer Abgrenzung der transzendentalen gegenüber der empirischen Deduktion die Rede sein, wie er sie weiterhin, und zwar auch schon in der 1. Auflage, vollzieht:
    "Ich nenne daher die Erklärung der Art, wie sich Begriffe a priori auf Gegenstände beziehen können, die transzendentale Deduktion derselben, und unterscheide sie von der empirischen Deduktion, welche die Art anzeigt, wie ein Begriff durch Erfahrung und Reflexion über dieselbe erworben worden, und daher nicht die Rechtmäßigkeit, sondern das Faktum betrifft, wodurch der Besitz entsprungen." (3)
Diese empirische, d. h. psychologische Deduktion, gehört nach KANT nicht in den Rahmen der Kr. d. r. V. Freilich hat man gewisse Parteien der transzendentalen Deduktion in der 1. Auflage als eine solche psychologische Vorbereitung der eigentlichen transzendentalen Untersuchung ansehen zu müssen und dementsprechend ihre Weglassung aus der 2. Auflage als einen Fortschritt im Sinne von KANT selbst bezeichnen zu sollen geglaubt. Auf diese Frage wird später zurückzukommen sein. Hier handelt es sich nur darum, daß KANT die Unabhängigkeit der Transzendentalphilosophie von allen Feststellungen der positiven Wissenschaften und insbesondere der Psychologie deutlich gesehen hat. KANT unterscheidet zwei Möglichkeiten, wie man eine etwaige empirische Deduktion der Kategorien meinen könnte. Entweder könnte man versuchen, das Prinzip der Möglichkeit der reinen Verstandesbegriffe in der Erfahrung aufzusuchen; das
    "würde ganz vergebliche Arbeit sein; weil eben darin das Unterscheidende ihrer Natur liegt, daß sie sich auf Gegenstände beziehen, ohne etwas zu deren Vorstellung aus der Erfahrung entlehnt zu haben." (4)
Suchte man aber nicht das Prinzip ihrer Möglichkeit, sondern "die Gelegenheitsursachen ihrer Erzeugung" in der Erfahrung, so würde man eine psychologische Deduktion versuchen.
    "Ein solches Nachspüren der ersten Bestrebungen unserer Erkenntniskraft, um von einzelnen Wahrnehmungen zu allgemeinen Begriffen zu steigen, hat ohne Zweifel seinen großen Nutzen, und man hat es dem berühmten Locke zu verdanken, daß er dazu zuerst den Weg eröffnet hat. Allein eine Deduktion der reinen Begriffe a priori kommt dadurch niemals zustande, denn sie liegt ganz und gar nicht auf diesem Weg, weil in Anbetracht ihres künftigen Gebrauchs, der von der Erfahrung gänzlich unabhängig sein soll, sie einen ganz anderen Geburtsbrief, als den der Abstammung von Erfahrungen, müssen aufzuzeigen haben. Diese versuchte physiologische Ableitung, die eigentlich gar nicht Deduktion heißen kann, weil sie eine quaestionem facti betrifft, will ich daher die Erklärung des Besitzes einer reinen Erkenntnis nennen. Es ist also klar, daß von diesen allein es eine transzendentale Deduktion und keineswegs eine empirische geben kann und daß letztere in Anbetracht der reinen Begriffe a priori, nichts als eitle Versuche sind, womit sich nur derjenige beschäftigen kann, welcher die ganz eigentümliche Natur dieser Erkenntnisse nicht begriffen hat." (5)
Mit einer solchen psychologischen Deduktion, die KANT niemals versucht hat, hat die von ihm unternommene "subjektive" nichts zu tun. (6)

Ebenso wird auch in dem anderen Hauptzusammenhang bei KANT, in dem die Einbildungskraft auftritt, in der Kritik der Urteilskraft, der Psychologie die Kompetenz abgesprochen, in Fragen der transzendentalen Untersuchung mitzureden, obwohl KANT dort gelegentlich selbst eine psychologische Erörterung versucht (7). So heißt es im Anschluß an einen längeren Exkurs über die psychologische (8) Exposition der ästhetischen Urteile von BURKE, daß dem Geschmacksurteil irgendein (es sei objektives oder subjektives) Prinzip a priori zum Grunde liegen muß, "zu welchem man durch Aufspähung empirischer Gesetze der Gemütsveränderungen niemals gelangen kann." (9)

Mit Beziehung auf die Einbildungskraft wird uns diese Abgrenzung der Transzendentalphilosophie gegen die Psychologie unten wieder begegnen in der Unterscheidung der produktiven von der reproduktiven Einbildungskraft in der Kr. d. r. V. Damit meint KANT im Grunde nicht zwei verschiedene Vermögen, die neben- oder durcheinander in der Seele vorkommen, sondern die reproduktive Einbildungskraft, die allein Gegenstand der Psychologie werden kann, setzt die produktive als ihre transzendentale Bedingung voraus. Nur auf letzterer ruht KANTs eigentliches Interesse, und sie muß darum auch ins Zentrum dieser Untersuchung gerückt werden.

Dadurch ergibt sich aber eine eigentümliche Schwierigkeit, die der Frage nach der Einbildungskraft bei KANT von vornherein anhängt, und die es nicht zu beseitigen, sondern zu sehen gilt. Wäre diese Frage als psychologische gemeint, dann wäre ihre Möglichkeit ohne weiteres einsichtig. So etwas wie Einbildungen gibt es eben faktisch, und so können sie auch Thema einer positiven Untersuchung werden. Nun aber wird nach der transzendentalen, d. h. nach der philosophischen Bedeutung der Einbildungskraft gefragt. Wie kommt denn die Einbildungskraft in die Philosophie? Die Philosophie hat doch nicht derlei psychische Gegebenheiten zu ihrem Gegenstand! In der Tat ist die Frage nach der Einbildungskraft bei KANT zunächst eine Verlegenheitsfrage. Denn sie ergibt sich in dieser Form weder aus einer systematisch-philosophischen Problemstellung, abgesehen von KANT, noch aus der kantischen Problematik selbst, zumindest wenn man sie nicht schon über KANT hinaus entwickeln will. Die Einbildungskraft wird in der Kr. d. r. V. eingeführt, um eine Vermittlung zwischen den beiden Stämmen der Erkenntnis, Sinnlichkeit und Verstand, Rezeptivität und Spontaneität zu schaffen. Aber was garantiert denn diesen von KANT nicht weiter begründeten Ansatz der beiden Erkenntnisstämme? Ist ihre Einheit nicht vielleicht eine ursprüngliche, wesenhaft unvermittelte? Ist also das Problem der Vermittlung zwischen ihnen überhaupt ein echtes philosophisches Problem? Ist nicht die Einführung der Einbildungskraft in die Philosophie in diesem Sinne von vornherein abzuweisen? Wenn so der Problemzusammenhang, in dem die Einbildungskraft auftaucht, durchaus in Dunkel gehüllt und schon die Notwendigkeit, sie überhaupt zu besprechen, fraglich ist, so kommt erschwerend noch hinzu, daß auch KANT sie, abgesehen von der Anthropologie, nur ganz kurz und nebenbei zum Thema macht. Sie erscheint zunächst gar nicht als ein spezifisch kantischer Begriff, der noch dazu eine Spezialuntersuchung verdient.

Wird also die Frage nach der Einbildungskraft weder von KANT selbst, noch abgesehen von KANT, von mir gestellt, so ist sie als isoliertes Phänomen offenbar nicht das eigentlich Gefragte. In Frage steht der eigentliche Gegenstand der Philosophie überhaupt, bzhw. der Zusammenhänge bei KANT, in denen die Einbildungskraft vorkommt. Und nur weil nach diesem Gegenstand noch nicht gefragt werden kann, frage ich vorläufig nach der Einbildungskraft, auf die die kantische Untersuchung gestoßen ist, und hoffe, daß eine Klärung ihres Begriffs vielleicht die eigentliche Fragerichtung klären hilft, in der sich die kantische Philosophie bewegt. Die scheinbare Sonderfrage nach der Einbildungskraft muß sich, falls sie als philosophische gemeint ist, herausstellen als hinführend zu den Grundproblemen der kantischen Philosophie und der Philosophie überhaupt.

Das setzt freilich voraus, daß die Einbildungskraft bei KANT kein beliebig herausgegriffenes Phänomen ist, sondern von vornherein in Verbindung mit den Zentralfragen KANTs steht. Darauf aber deutet schon rein äußerlich die Tatsache hin, daß sie sowohl in der Kr. d. r. V. als auch in der Kritik der Urteilskraft in den zentralen Kapiteln erscheint, vor allem in der Deduktion der Kategorien, im Schematismuskapitel und in der Analytik der ästhetischen Urteilskraft. Darauf deutet ferner, daß KANT in der ersten Auflage der Kr. d. r. V. ihre Bedeutung für die Möglichkeit der Wahrnehmung, die die Psychologen bisher nicht gesehen haben, besonders hervorhebt (9a); und endlich, daß Anzeichen dafür vorhanden sind, daß KANT nicht nur in der Zeit zwischen der ersten und der zweiten Auflage der Kr. d. r. V., sondern auch schon vorher seine Meinungen über die Einbildungskraft und ihre philosophische Bedeutung verschiedentlich modifiziert, sich also eingehender mit ihr beschäftigt hat. Daher läßt sich eine thematische Untersuchung der Einbildungskraft vielleicht doch als Vorarbeit für die Wiederaufnahme eines bei KANT selbst unerledigt gebliebenen philosophischen Problems verstehen.


In den Gesamtdarstellungen der Lehre KANTs wird die Einbildungskraft zumeist nur referierend erwähnt; die Bedeutung des Phänomens wird kaum je gewürdigt, geschweige denn eine wirkliche Interpretation versucht (10). Nur die Kantinterpretation der Marburger Schule mußte, geleitet durch die Frage nach der Einheit der Kr. d. r. V. , auf das Vermittlungsphänomen "Einbildungskraft" aufmerksam werden. Gleichwohl beschränkt sich auch HERMANN COHEN (11) im Wesentlichen auf eine Wiedergabe des kantischen Wortlauts. Mehr gibt seine Darstellung der Problematik der Kritik der Urteilskraft (12).

Andere Forscher dagegen haben die Bedeutung der Einbildungskraft ausdrücklich hervorgehoben. Sie alle sind dadurch charakterisiert, daß sie die schon bei KANT selbst einsetzende und dann im deutschen Idealismus fortgeführte einseitige Interpretation der Einbildungskraft als Spontaneität übernehmen und zum Teil radikalisieren. Zuerst hat ALFRED HÖLDER (13) den Begriff der Einbildungskraft als den "beherrschenden Mittelpunkt der kantischen Erkenntnistheorie" (14) bezeichnet. Er faßt die Einbildungskraft psychologisierend als den unbewußt arbeitenden Verstand (15) und versucht zu zeigen, daß Raum und Zeit durch die konstruktive Synthesis der produktiven Einbildungskraft allererst "entstehen" (16). Dies wird aber nicht phänomenal verdeutlicht: HÖLDER bleibt bei der äußerlichen Vorstellung einer "Konstruktion des Fachwerks", in das das Empirische eingeordnet werden kann (17), stehen. Eine Bestätitgung seiner Auffassung findet er in der Bearbeitung der transzendentalen Deduktion in der zweiten Auflage und in der kantischen Idee der Selbstaffektion. Doch gelingt es ihm nicht, wie es eigentlich das Ziel dieser Interpretation ist, die Rezeptivität des Erkenntnisvermögens in die Spontaneität aufzulösen:
    "Raum und Zeit, wenngleich sie in der Tat sich schließlich als Formen der Selbsttätigkeit darstellen, heißen doch Formen der Sinnlichkeit; denn in der Rezeptivität des Ich ist es begründet, daß es diese Formen in erster Linie zu konstruieren gezwungen ist." (18)
Der Verstand eines endlichen Ich kann nicht schöpferische Selbsttätigkeit sein, sondern ist "mit einer Rezeptivität dieses Ich (Sinnlichkeit) unlösbar verbunden". (19) Es bleibt dunkel, daß die Einbildungskraft bei KANT eingeführt wird, um gerade diese "Verbindung" aufzuklären, die hier gar nicht zum Problem gemacht wird.

Außer dieser Schrift von HÖLDER sind mir drei Arbeiten über die kantische Einbildungskraft bekannt.

Die Dissertation von J. MAINZER (20) betont die positive Wertung des Begriffs der Einbildungskraft bei KANT im Unterschied von HUMEs Skeptizismus, dem sie nur als Lügnerin gilt. MAINZER geht über eine bloße Aufnahme des Tatbestandes bei KANT, den er in traditioneller Weise interpretiert, nur wenig hinaus.

Als Kronzeugen für eine bestimmte philosophische Richtung suchen KANT die Untersuchungen von JAKOB FROHSCHAMMER (21) und RAYMUND SCHMIDT (22) in Anspruch zu nehmen (23).

FROHSCHAMMER, dessen Philosophie der Phantasie eine zentrale Stellung einräumt (24), beschränkt sich innerhalb einer allgemeinen Charakteristik der Hauptprobleme KANTs im Wesentlichen darauf, die Bedeutung der Einbildungskraft rein formal hervorzuheben. Ein Eingehen auf seine Schrift würde aber nicht der Interpretation KANTs, sondern einer Auseinandersetzung mit FROHSCHAMMERs eigenem System dienen. Bemerkenswert ist, daß FROHSCHAMMER den Versuch macht, Unzuträglichkeiten innerhalb der transzendentalen Dialektik und der praktischen Philosophie auf das Fehlen des Begriffs der Einbildungskraft zurückzuführen.

Auch die Arbeit von SCHMIDT will offenbar nur ein knappes Referat über die faktischen Aufstellungen KANTs und einige Hinweise auf die Philosophie des Als-Ob geben. Seine übersichtliche Darstellung der kantischen Verarbeitung der Vermögenslehre BAUMGARTENs gibt ein deutliches Bild von der Radikalisierung des philosophischen Fragens bei KANT, selbst in seinen bloß anthropologischen Untersuchungen. Er findet den treffenden Ausdruck, daß die Einbildungskraft bei KANT "zur (wenn auch ungekrönten) Königin der Vermögen" wird (25); doch verträgt sich damit anscheinend durchaus, daß sie letztlich doch mit dem Verstand identisch ist: KANT habe diese Identifikation zwar nie vollzogen, doch bewege er sich in dieser Richtung (26). Die "Urkraft der Seele selbst", die "im Aschenbrödelgewand einer schlechten Einbildungskraft einhergeht" (27), wird einseitig als "schöpferisches Prinzip", als "der letzte bewegende Faktor unserer Seele", ja "diese Seele selbst in ihrer nackten Spontaneität" (28) verstanden. Infolgedessen wird das spezifische Problem, das durch die Einbildungskraft aufgegeben ist, überhaupt nicht gesehen. In der Darstellung der Funktion der Einbildungskraft in der Kritik der ästhetischen Urteilskraft betont SCHMIDT die Selbständigkeit der Einbildungskraft gegenüber Verstand und Vernunft, doch wird das Verständnis der Einbildungskraft als "Inbegriff aller seelischen Spontaneität" (29) festgehalten. Die Kritik der Urteilskraft schildert nur "gewissermaßen die Gefühlsseite der transzendentalen Synthesis" (30); die Eigentümlichkeit der Objektivierung des "schönen Gegenstandes" wird gar nicht zum Problem gemacht. SCHMIDT versteht die Aufgabe seiner Untersuchung als eine psychologisch-erkenntnistheoretische. Zwar sucht er eine "Transzendentalpsychologie" von der empirischen Psychologie abzugrenzen und mit Hilfe dieses Begriffs die Methode der "subjektiven Deduktion" zu umschreiben; doch bleibt diese Unterscheidung undeutlich und hat keine Konsequenzen für die Art und Weise der Problembehandlung. Auf Einzelnes wird Bezug zu nehmen sein.


Vorauszuschicken ist noch eine Bemerkung die Terminologie. Der bei KANT durchaus herrschende Terminus ist "Einbildungskraft", entsprechend der lateinischen imaginatio; daneben kommt gelegentlich "Imagination" vor (31). Unwesentlich ist, daß selten im ungenauen Wortgebrauch auch "Einbildung" für "Einbildungskraft" eintreten kann (32). Der Terminus "Phantasie" bleibt beschränkt auf "die Einbildungskraft sofern sie auch unwillkürlich Einbildungen hervorbringt". (33) Ferner kann die Einbildungskraft, besonders in der Anthropologie, gemäß ihrer jeweiligen empirischen Tätigkeit als "Dichtungsvermögen", "Erinnerungsvermögen", "Vorhersehungsvermögen" usw. bezeichnet werden. In der der Kr. d. r. V. vorausliegenden Periode erscheint das Phänomen unter dem Namen "bildende Kraft", und der Terminus "Einbildungskraft" ist gleichbedeutend mit "Phantasie".


1. Abschnitt
Kants anthropologische Erörterungen
der Einbildungskraft

Am ausführlichsten hat KANT über die Einbildungskraft gehandelt in seiner Anthropologie, die er von 1772/73 bis 1795/96 in jedem Winter vierstündig gelesen und unter dem Titel "Anthropologie in pragmatischer Hinsicht" 1798 in Buchform veröffentlicht hat (34). Nachschriften von Anthropologie-Vorlesungen sind herausgegeben von FRIEDRICH CHRISTIAN STARCKE (35) und ARNOLD KOWALEWSKI (36). Ferner sind zahlreiche Aufzeichnungen KANTs zur Anthropologie erhalten und von BENNO ERDMANN und in der Akademie-Ausgabe von KANTs Schriften veröffentlicht. (37)

Denselben Stoff hat KANT in kürzerer Fassung auch in seinen Vorlesungen über Metaphysik abgehandelt. KANT teilte die Metaphysik in traditioneller Weise ein in die allgemeine Metaphysik oder Ontologie und die spezielle Metaphysik, die in Kosmologie, Psychologie und Theologie zerfällt. Psychologie ist hier eigentlich nur rationale, nicht empirische Psychologie; daß die letztere noch in die Metaphysik hineingeraten ist, hat nach KANT seinen Grund erstens in der Unklarheit des Begriffs der Metaphysik, die den prinzipiellen Unterschied beider Disziplinen hat übersehen lassen, zweitens im geringen Umfang der seitherigen Psychologie. Da die empirische Psychologie noch nicht das Gewicht einer selbständigen Wissenschaft besitzt, man sie aber doch nicht gänzlich hat fallen lassen wollen, hat man sie mit der rationalen zusammen abgehandelt. Diesem Gebrauch schließt sich KANT an (38). Nachschriften von Vorlesungen über Metaphysik sind herausgegeben von PÖLITZ (39) und in der schon genannten Sammlung von Kollegheften des Grafen DOHNA. Das DOHNAsche Metaphysikheft ist im Winter 1792/93 nachgeschrieben; die Ausgabe von PÖLITZ dagegen ist eine Kompilation [Zusammenstellung - wp] aus zwei Heften, von denen nach Untersuchungen ERDMANNs (40) nur das jüngere eine Nachschrift aus den 90er Jahren ist; das ältere stammt aus der ersten Hälfte der 70er Jahr (ca. 1774) und hat PÖLITZ nicht nur die ganze spezielle Metaphysik, sondern auch einige Partien der Ontologie geliefert. Die Ergebnisse ERDMANNs werden etwas korrigiert durch MAX HEINZE (41), der die zur PÖLITZschen Metaphysik stimmenden Manuskripte zwischen Winter 1775/76 und Winter 1779/80 ansetzt.

Daß KANT in der Lehre von den einzelnen Seelenvermögen und in ihren Definitionen durch WOLFF und BAUMGARTEN bestimmt ist, liegt offen zutage. Doch tritt bei ihm das empirisch-psychologische Interesse, im Vergleich mit seinen Vorläufern, bedeutend zurück; dafür kommt das systematische stärker zur Geltung, vor allem in dem Versuch, unter dem Titel der Einbildungskraft zahlreiche Vermögen zu begreifen, die bei WOLFF und BAUMGARTEN nur nebeneinander aufgezählt werden (42). Die wesentlichen Aufstellungen WOLFFs und BAUMGARTENs, auf die ich am geeigneten Ort Bezug zu nehmen habe, finden sich in des ersteren "Metaphysik" (43), in seiner "Psychologia empirica" (44) und in BAUMGARTENs "Metaphysica" (45).

Ich lege zunächst KANTs eigene Ausgabe, die "Anthropologie in pragmatischer Hinsicht", zugrunde und ziehe das übrige Material mit heran. Die Abweichungen sind hauptsächlich rein terminologischer Art. Bei der Besprechung der einzelnen Betätigungsweisen der Einbildungskraft werde ich der PÖLITZschen Metaphysik folgen.


1. Einbildungskraft und Sinnlichkeit

KANT teilt seine Anthropologie ein in die anthropologische Didaktik und die anthropologische Charakteristik. Die Didaktik enthält die Lehre von den Seelenvermögen, deren KANT drei Grundarten kennt:
    1. das Erkenntnisvermögen
    2. das Gefühl der Lust und Unlust,
    3. das Begehrungsvermögen.
KANT stellt auch, bestimmt durch die Tradition der LEIBNIZ-WOLFFschen Schule (46), die Frage, ob diese verschiedenen Vermögen vielleicht alle aus einer Grundkraft abzuleiten sind; er verneint aber die Möglichkeit ihrer Beantwortung. Man kann, so argumentiert er, nicht mit WOLFF eine Grundkraft, die Seele selbst als vis repraesentativa universi [allgemeine Kraft der Repräsentation - wp], annehmen; denn die Seele darf nicht als Kraft definiert werden, weil sie den Grund der wirklichen Vorstellungen in sich enthält. Kraft aber ist nicht dieser Grund, sonder der respectus [Bezug - wp] der Substanz zum Akzidenz [Merkmal - wp], sofern in der Substanz der Grund der wirklichen Vorstellungen enthalten ist. Die Kraft ist also, was KANT besonders betont, nicht selbst das Prinzip, sondern nur ein respectus.
    "Wer also sagt: anima est vis [Seele ist Kraft - wp], der behauptet, daß die Seele keine besondere Substanz ist, sondern nur eine Kraft, also ein Phänomenon und Akzidenz."
KANT führt dann ein Beispiel an: wir können zwar das Gedächtnis von einem ursprünglicheren Vermögen, der Imagination, ableiten, denn es ist nichts anderes als eine Imagination vergangener Dinge; die Imagination selbst aber können wir nicht weiter herleiten. Sie ist demnach eine Grundkraft. Ebenso führt die Vernunft auf den Verstand zurück. Wir müssen also verschiedene Grundkräfte annehmen; "denn wer wollte sich wohl bemühen, den Verstand aus den Sinnen herzuleiten?" (47)

Dieser Gedankengang ist für meine Untersuchung insofern wichtig, als er die Verankerung auch der scheinbar rein psychologischen Erörterungen der Anthropologie in den ontologischen Problemen verdeutlicht. Die für die positive Seelenforschung scheinbar selbstverständlich vorgegebene Scheidung der einzelnen psychischen Phänomene gründet in der Unbestimmtheit dessen, was ihnen allen als "Seele" zugrunde liegt. Diese Unbestimmtheit macht es unmöglich, nach dem einheitlichen Zusammenhang des nicht weiter Ableitbaren zu fragen. Die Seele wird von vornherein als Substanz, d. h. als etwas Naturhaftes, Vorhandenes im weitesten Sinne verstanden. Eine in der von KANT eingeschlagenen Richtung weitergehende Untersuchung des Phänomens der Einbildungskraft muß diesen Ansatz problematisch machen. Denn sie muß auf die Frage nach der Einheit des Erkennens, des anschauenden und denkenden Subjekts, und weiterhin des theoretisch erkennenden und des in der Welt des Schönen lebenden Subjekts führen, die nur durch eine ontologische Analyse dessen, was wir mit Subjekt und Seele meinen, beantwortet werden kann. Die Einbildungskraft selbst in ihrer Beziehung zum Phänomen der Zeit enthält einen Hinweis in dieser Richtung.

Die Einbildungskraft wird im ersten Buch der anthropologischen Didaktik, das die Lehre vom Erkenntnisvermögen enthält, abgehandelt. Das Erkenntnisvermögen wird von KANT in das handelnde und das leidende "Vermögen" eingeteilt. Der Ausdruck "Vermögen" (facultas) ist eigentlich nur auf das Gemüt, insofern es handelt, anzuwenden; insofern es leidet, besteht es in Empfänglichkeit (receptivitas). Beide Zustände des Gemüts sind notwendig, damit Erkenntnis zustandekommen kann. Die Möglichkeit, Erkenntnis zu haben, heißt Erkenntnisvermögen und führt ihren Namen vom vornehmeren Teil, nämlich von der Tätigkeit des Gemüts, Vorstellungen zu verbinden und voneinander zu sondern. (48)

Das Erkenntnisvermögen, sofern es leidend ist, d. h. von seinen Gegenständen affiziert wird, heißt sinnliches Erkenntnisvermögen oder Sinnlichkeit; sofern es tätig ist, d. h. denkt, heißt es intellektuelles Erkenntnisvermögen oder Verstand. Sinnlichkeit und Verstand sind also als Passivität und Spontaneität streng zu unterscheiden (49). Die Sinnlichkeit liefert Anschauungen und erfaßt das Einzelne, der Verstand durch seine Begriffe dagegen erkennt das Allgemeine oder die Regel (50). KANT übernimmt die traditionelle Einschätzung des Verstandes als des vornehmeren und "oberen" Erkenntnisvermögens gegenüber der Sinnlichkeit als dem "unteren". Doch betont er gegen die LEIBNIZ-WOLFFsche Schule den selbständigen und positiven Charakter der Sinnlichkeit (51) und bringt eine ausführliche "Apologie [Rechtfertigung - wp] für die Sinnlichkeit" gegen ihre mannigfachen Ankläger (52).

Schon hier mag auf die berühmte Stelle am Schluß der Einleitung der Kr. d. r. V. hingewiesen sein, wo KANT meint, daß die "zwei Stämme der menschlichen Erkenntnis", Sinnlichkeit und Verstand, "vielleicht aus einer gemeinschaftlichen, aber uns unbekannten Wurzel entspringen" (53), ohne dieses Problem weiter zu erörtern (54).

War das Prinzip der Einteilung des Erkenntnisvermögens überhaupt die Unterscheidung von Rezeptivität und Spontaneität, so ist nun bei der Einteilung der Sinnlichkeit der Gesichtspunkt maßgebend, ob der Gegenstand der Anschauung notwendig anwesend sein muß oder nicht.
    "Die Sinnlichkeit im Erkenntnisvermögen (das Vermögen der Vorstellungen in der Anschauung enthält zwei Stücke: den Sinn und die Einbildungskraft. - Das erstere ist das Vermögen der Anschauung in der Gegenwart des Gegenstandes, das zweite auch ohne die Gegenwart desselben." (55)
Dies ist die bei KANT gewöhnliche Einteilung, die mit geringen Modifikationen öfters wiederkehrt. So in den Reflexionen:
    "Sinnlichkeit ist das Vermögen der Anschauungen, entweder der Gegenstände in der Gegenwart = Sinn, oder auch ohne Gegenwart: Einbildungskraft." (56)

    "Alle Anschauung außerhalb des Sinns ist Einbildung." (57)
Diese Einteilung der Sinnlichkeit, bzw. diese Definition der Einbildungskraft ist auch in der Kr. d. r. V. (58) vorausgesetzt. Sie findet sich schon bei WOLFF: "Facultas producendi perceptiones rerum sensibilium absentium facultas imaginandi seu imaginatio appellatur" [Die Fähigkeit, Wahrnehmungen von abwesenden sinnlichen Objekten hervorzurufen, wird Einbilduhngsfähigkeit oder Einbildungskraft genannt. - wp] (59).
    "Die Vorstellungen solcher Dinge, die nicht zugegen sind, pflegt man Einbildungen zu nennen. Und die Kraft der Seele, dergleichen Vorstellungen hervorzubringen, nennt man die Einbildungskraft." (60)
Was besagt aber "Gegenwart des Gegenstandes?" KANT hat die Beziehung der Vorstellung auf den gegenwärtigen Gegenstand offenbar zunächst nicht als eine solche gemeint, die die heutige Phänomenologie als "intentionale" bezeichnet. Das ist eigentlich schon aus den zitierten Sätzen und aus der Formulierung WOLFFs klar und wird durch Stellen aus den Reflexionen noch deutlicher. Danach sind Empfindungen Vorstellungen, die "durch die Gegenwart einer Sache gewirkt werden". (61) Empfindungen "sind (vorgestellte) Veränderungen des Zustands des Subjekts durch die Gegenwart eines Gegenstandes" (62). KANT stellt es sich also so vor, als würden die Empfindungen kausal durch die irgendwie bei, neben oder vor dem Subjekt anwesenden und vorhandenen Dinge gewirkt. Wie das möglich sein soll, bleibt freilich dunkel. Aber obwohl KANT das Phänomen der Intentionalität nicht explizit gesehen hat, hat er doch auch nicht etwa das Gegenteil ausdrücklich behaupten wollen. Die nähere Interpretation hat herauszustellen, was KANT allein gemeint haben kann.

KANT übernimmt selbstverständlich den traditionellen Ansatz der Philosophie, wonach alles Seiende und so auch das, was er "Subjekt" oder "Gemüt" nennt, von einem einheitlichen Seinsbegriff aus interpretiert wird: Sein ist Vorhandenheit. Das führt dazu, das Verhältnis zwischen Subjekt und vorgestelltem Gegenstand in demselben Sinn zu verstehen, wie das zwischen zwei vorhandenen Dingen "draußen", nämlich als durch Kausalität bestimmt. Warum man das im Zustand der Sinnesempfindung und angeschautem Ding durch einen Zeichencharakter, nämlich als "Gegenwart" bezeichnet, bleibt im Horizont dieses Seinsverständnisses dunkel. Die Bezeichnung ist auch nicht ausdrücklich als Zeitcharakter gemeint; "Gegenwart" bedeutet nichts als Anwesenheit, Nebeneinandersein, Aufeinanderbezogensein in kausaler Wechselwirkung. Wahrnehmung ist "Bewußtsein von der Gegenwart eines Gegenstandes". (63)

Wie aber nun, wenn die Anschauung eine einbildende ist? Einbildung ist nach KANT Anschauung ohne die Gegenwart des Gegenstandes. Das besagt zunächst etwas rein Negatives: das Subjekt schaut an, aber es ist kein Gegenstand da, der in ihm diese Anschauung bewirkt. Wie verhält sich das aber zu der vorhin gegebenen Bestimmung der Sinnlichkeit, zu der doch die Einbildungskraft gehört, als Rezeptivität? Gehört dann die Einbildungskraft nicht vielmehr zur Spontaneität, zum Verstand? Wodurch wird dennoch an die Sinne geknüpft?

Das führt auf die Frage nach dem näheren Verhältnis zwischen Einbildungskraft und Sinnen. Dies wird schon deutlicher durch eine Einteilung der Sinnlichkeit überhaupt, die, abgesehen von der Terminologie, im Resultat mit der erörterten zusammenfällt, aber nach einem etwas anderen Einteilungsprinzip verfährt. In der PÖLITZschen Psychologie wird das sinnliche Erkenntnisvermögen ("Vorstellungen, die wir von den Gegenständen haben, sofern wir von ihnen affiziert werden") eingeteilt in der "Vermögen der Sinne selbst" und die "nachgeahmte Erkenntnis der Sinne" ("Erkenntnisse der bildenden Kraft"). Die Vorstellungen der Sinne selbst entspringen gänzlich durch den Eindruck des (anwesenden) Gegenstandes die der bildenden Kraft dagegen aus dem Gemüt, aber doch unter der Bedingung, unter welcher das Gemüt von den Gegenständen affiziert wird. Eine solche sinnliche Erkenntnis ist eine nachgeahmte Vorstellung der Sinne (64).
    "Vergegenwärtige ich mir ein Haus, was ich ehedem gesehen habe, so entspringt die Vorstellung jetzt aus dem Gemüt; aber doch unter der Bedingung, daß der Sinn vorher von diesem Gegenstand affiziert war." (65)
Die bildende Kraft (die nachgeahmte Erkenntnis der Sinne) ist ein Vermögen,
    "Erkenntnisse aus sich selbst zu machen, die aber demnach die Form an sich haben, nach der die Gegenstände unsere Sinne affizieren würden." (66)
Die Einbildungskraft, die hier "bildende Kraft" heißt, konstituiert also auch jetzt mit den Sinnen zusammen das Ganze der Sinnlichkeit. Doch ist bei ihrer Unterscheidung nicht so sehr auf die An- oder Abwesenheit des Gegenstandes das Hauptgewicht gelegt, als vielmehr darauf, ob sich das anschauende Subjekt rein passiv oder auch aktiv verhält. Freilich handelt es sich im Grunde beidemal um dasselbe; doch wird in der zweiten Einteilung das Wesen der Einbildungskraft positiver bestimmt, nämlich als Nachahmung der Vorstellungen der Sinne. Zugleich wird dadurch das zeitliche Moment, das sich in dem Ausdruck "ohne die Gegenwart des Gegenstandes" immerhin gemeldet hat, verdeckt; allerdings kommt es in dem "Nach" gleich wieder zum Vorschein.

Die Nachahmung enthält das Moment der Passivität und Aktivität in einem; das Verhältnis beider muß der Unklarheit enthoben werden. Daher erörtert KANT die Weise der Abhängigkeit und Unabhängigkeit der Einbildungskraft von den Sinnen immer wieder.
    "Die Einbildungskraft ist ein Vermögen, eine Anschauung hervorzubringen, deren Gegenstand nicht da ist. Dieses Vermögen ist von großem Umfang, überschreitet in Anbetracht der Form die Natur, doch so, daß es den Stoff aus ihr nimmt. So kann der Mensch sich keine neue Farbe bilden, als die er gesehen hat. Wir können folglich durch die Einbildung nicht schaffen, sondern nur umbilden." (67)
Was hier "Form" heißt, kann nicht wohl identisch sein mit dem, was KANT unter "Form der Anschauung" versteht, also Raum und Zeit. Diese sind die apriorischen "Formen" der Sinnlichkeit überhaupt und gelten auch für die Einbildungskraft. Hier ist "Form" aus dem Wesen der Einbildungskraft selbst zu verstehen, die also offenbar in irgendeiner Analogie mit dem zu begreifen ist, was wir im alltäglichen Leben als Formen, "Bilden", eines Stoffes, zunächst im handgreiflichsten Sinn, kennen. Auch die Dinge der Natur, die wir mit den Sinnen anschauen, haben in diesem Sinn eine "Form", aus der wir ihre forma, ihr Wesen ablesen. Was allein kann nun KANT meinen, wenn er sagt, die Einbildungskraft überschreite die Natur in Anbetracht der Form? Es kann nicht bedeuten, daß die Einbildungskraft in keiner Weise an die Formen der Natur gebunden wäre; denn all das, was sie als Stoff aus der durch die Sinne vorgestellten Natur übernimmt, und sei es auch nur etwa eine Farbe wie das Rot, enthält ja schon "Form", insofern "Rot" schon nicht mehr das nur Bestimmbare, völlig Unbestimmte, d. h. Stoff, ist. Der Ausdruck "überschreiten" kann nur meinen, daß die Einbildungskraft in der Verbindung der Formen der Natur, die man wiederum ine Formung nennen kann, über die Natur hinausgeht und die durch die Formen der Natur selbst vorgezeichneten Möglichkeiten der Verbindung in anderer Weise variiert, als die Natur selbst es faktisch tut.

Dies ist offenbar zunächst gemeit, wenn KANT zwischen produktiver und reproduktiver Einbildungskraft unterscheidet und die erstere als lediglich umbildend, nicht eigentlich schöpferisch charakterisiert. Beide Arten der Einbildungskraft sind zunächst als ontisch nebeneinander vorkommende gemeint; nicht ist hier die produktive als ontologische Bedingung der Möglichkeit der reproduktiven verstanden.
    "Die Einbildungskraft (facultas imaginandi), als ein Vermögen der Anschauungen auch ohne die Gegenwart des Gegenstandes, ist entweder produktiv, das ist ein Vermögen der ursprünglichen Darstellung des letzteren (exhibitio originaria), welche also vor der Erfahrung vorhergeht; oder reproduktiv, der abgeleiteten (exhibitio derivativa), welche eine vorher gehabte empirische Anschauung ins Gemüt zurückrbringt." (68)

    "Die Einbildungskraft ist ... entweder dichtend (produktiv), oder bloß zurückrufend (reproduktiv). Die produktive aber ist dennoch darum eben nicht schöpferisch, nämlich nicht vermögend, eine Sinnesvorstellung, die vorher unserem Sinnesvermögen nie gegeben war, hervorzubringen, sondern man kann den Stoff zu derselben immer nachweisen. Dem, der unter den sieben Farben die rote nie gesehen hat, kann man diese Empfindung nie faßlich machen, dem Blindgeborenen aber gar keine; selbst nicht die Mittelfarbe, die aus der Vermischung zweier hervorgebracht wird; z. B. die grüne. Gelb und Blau, miteinander gemischt, geben grün; aber die Einbildungskraft würde nicht die mindeste Vorstellung von dieser Farbe, ohne vermischt gesehen zu haben, hervorbringen." (69)

    "Die Einbildungskraft ist nicht produktiv in Anbetracht der Empfindungen, sondern bloß (in Anbetracht der) Anschauungen." (7)
Diese Abhängigkeit der Einbildungskraft von den Sinnen, d. h. von einem möglichen Gegebenen, ist zu betonen (71). Sie bleibt bei KANT immer ein Vermögen des Menschen als eines auf sinnlich Gegebenes angewiesenen, d. h. eines endlichen Wesens (72). Wenn KANT sie gelegentlich dennoch "schöpferisch" nennen kann (73), so meint er nur ihr Produktivität und ihr freies, nicht so wie die anderen Vermögen an Regeln gebundenes Spiel. (74)

Es ist nun zu verdeutlichen, was KANT unter dem versteht, was wir das "Formen" und "Bilden" des Stoffes (der Empfindungen) durch die Einbildungskraft genannt haben.
    "Wenn der Mensch erst den Stoff hat, so kann er sich immer neue Vorstellungen machen. Zum Beispiel wenn er schon einmal die Vorstellung von Farbe hat, so kann er sich neue Vorstellungen bilden durch Versetzung der Farben, die gar nicht in der Natur existieren. Aber neue Sinne kann man sich gar nicht vorstellen, weil uns der Stoff dazu fehlt. Die Sinne sind also ein notwendiges Prinzip der Erkenntnis." (75)
Die Tätigkeit der Einbildungskraft ist hier offenbar verstanden nach Analogie der Tätigkeit eines Handwerkers oder Künstlers, der aus einem vorgegebenen Stoff einen Gegenstand herstellt. Das heißt, das Einbilden wird begriffen im Hinblick auf das, was dabei herauskommen soll, bzw. herausgekommen ist; dies, etwa ein Kentaur, den ich mir in der dichterischen Einbildung vorstelle, wird wie ein vorhandenes Hergestelltes nach Stoff und Form analysiert. Diese Betrachtungsweise sieht ganz von dem ab, was den Sinnen und der Einbildungskraft gemeinsam ist, nämlich dem Anschauen als solchem; hinter dem "Bilden" in diesem Sinn des Formens und nachträglichen Verbindens tritt ganz zurück das "Bilden" in einem ursprünglicheren Sinn, wie wir etwa sagen: "ein liebliches Bild bot sich mir dar". "Bild" hat hier den Sinn: primäres Anschauungsbild; es ist das Ganze des Vorgestellten, wie wir es in der direkten Anschauung (gleichgültig ob Sinnen- oder Einbildungsvorstellung) gegenwärtigen. Wenn dieses primäre "Bilden", dfas ein Konstituens der Einbildung als Anschauung ausmacht, übersehen und dafür das vorgestellte "Gebilde" der Einbildungskraft, und zwar abgesehen davon, daß es angeschaut wird, als ein hergestelltes Ding hervorgehoben wird, dann scheint die Einbildungskraft ganz zur Spontaneität zu werden und sich von der Sinnlichkeit, die ihr nur noch den "Stoff" liefert, überhaupt zu scheiden. Die Einbildungskraft tritt dann in eine Reihe mit anderen spontanen Kräften, deren Stellung innerhalb des Schemas Sinnlichkeit - Verstand unklar bleibt.
    "Die Sinne geben die Materie zu allen unseren Vorstellungen. Daraus macht erstens das Vermögen zu bilden, unabhängig von der Gegenwart der Gegenstände, Vorstellungen: Bildungskraft, imaginatio; zweitens das Vermögen zu vergleichen: Witz und Unterscheidungskraft, iudicium discretum; drittens das Vermögen, Vorstellungen nicht mit ihrem Gegenstand unmittelbar, sondern mittels einer stellvertretenden zu verknüpfen, d. h. zu bezeichnen." (76)
An anderer Stelle, wo "die ganze sinnliche Vorstellungskraft" eingeteilt wird in Sinn, Einbildungskraft und Vergleichungsvermögen" (77), bleibt die Zugehörigkeit der Einbildungskraft zur Sinnlichkeit erhalten, aber es fehlt ein einsichtiges Einteilungsprinzip. Etwas deutlicher ist eine Einteilung bei PÖLITZ (78): die sinnlichen Vorstellungen sind entweder gegeben (Sinn überhaupt) oder gemacht; innerhalb der gemachten Vorstellungen wird dann zwischen solchen der bildenden Kraft (facultas fingendi), der facultas componendi und der facultas signandi unterschieden. Schärfer gefaßt wird die Beziehung der bildenden Kraft zum spontanen Vermögen an anderer Stelle:
    "Alle diese Aktus der bildenden Kraft können willkürlich und auch unwillkürliche geschehen. Sofern sie unwillkürlich geschehen, gehören sie gänzlich zur Sinnlichkeit: sofern sie aber willkürlich geschehen, gehören sie zum oberen Erkenntnisvermögen." (79)
Gelegentlich kann dann die Einbildungskraft sogar direkt neben Verstand (im engeren Sinn), Urteilskraft und Vernunft als eine der Gattungen des Verstandes (im allgemeinen Sinn) auftreten (80). Natürlich darf man auf solche Einzelheiten kein großes Gewicht legen. Festzuhalten ist aber, daß sich die Einbildungskraft nicht ohne Gewaltsamkeit in das Schema Sinnlichkeit - Verstand einordnen läßt. Bei KANT ist dies nicht nur ein Mangel im psychologischen System, sondern eine echte philosophische Verlegenheit. Wie wir sehen werden, entsteht aus ihr eine grundsätzliche Schwierigkeit der Kr. d. r. V. und weiterhin, als die Einbildungskraft sogar den Rahmen des Erkenntnisvermögens überhaupt sprengt und zu Gefühl und Begehrungsvermögen in Beziehung tritt, auch der Kritik der Urteilskraft zahllose Versuche, die Seelenvermögen, mit deren bloßer Aufzählung er sich nicht begnügen konnte, nach Prinzipien einzuteilen, sind gerade in ihrer widerspruchsvollen Mannigfaltigkeit ein Symptom dafür, daß ihn die philosophische Frage nach der einheitlichen Grundstruktur der Subjektivität, deren voreilige Beantwortung in der WOLFFschen Schule er ablehnte, ständig in Atem gehalten hat.

Ich habe bisher nur auf den Vorzug der Einbildungskraft vor den Sinnen geachtet, der darin liegt, daß sie die Gegenstände ohne ihre Anwesenheit spontan vorstellen kann. Doch daß der Gegenstand nicht gegenwärtig ist, bedeutet zugleich, daß die Einbildungskraft auch "nur auf die Form der Dinge" geht (81). Sie kann nicht wie die Sinne neuen Erkenntnisstoff zugänglich machen. Sie kann daher wohl "vicarius [Pfarrer - wp] der Sinne" (82) heißen, aber auch nur dies. Von hier aus ergibt sich die Möglichkeit der abschätzenden Wertung, die wir damit verbinden, wenn wir sagen: etwas ist "nur Einbildung". Wir meinen dann, daß der Gegenstand der Einbildung "nicht wirklich da", ja daß er überhaupt "nichts Wirkliches" oder doch seine Wirklichkeit nicht bewiesen ist. In der Tat wird die Imagination einmal definiert als "das Vermögen, Vorstellungen in uns hervorzubringen, von denen der Gegenstand nicht wirklich ist" (83). Was ist dieser Gegenstand aber dann? Ist er denn ein Nichtseiendes? Aber wir sagen doch: er ist das und das! Diese Fragen werden von KANT nicht erörtert. Er begnügt sich damit, über den Gegenstand der einbildenden Anschauung auszusagen, daß er nicht anwesend, nicht gegenwärtig ist. Im Übrigen läßt er seine Seinsart unbestimmt, oder aber er faßt sie stillschweigend doch wieder als Vorhandenheit, Anwesenheit. Er macht in der folgenden Darlegung der verschiedenen Möglichkeiten des Einbildens ständig davon Gebrauch, daß das Subjekt sich auch auf "Gegenstände" bezieht, die nicht die Seinsart des Vorhandenen haben; doch weil das bei ihm unausdrücklich bleibt, gelingt es ihm nicht, die Einbildungskraft als Vermögen, d. h. Möglichkeit des Subjekts wirklich verständlich zu machen. Sie bleibt in der Anthropologie ein Seelenvermögen, das neben anderen im Subjekt vorkommt.
2. Die Betätigungsweisen der
Einbildungskraft

Das Vermögen der Anschauung ohne die Gegenwart des Gegenstandes ist nun aus den verschiedenen Möglichkeiten der Betätigung, die ihm von KANT zugewiesen werden, näher zu bestimmen. Die Untersuchung des Verhältnisses der Einbildungskraft zu den Sinnen hat uns schon auf die Unterscheidung von produktiver und reproduktiver Einbildungskraft geführt. Dies ist bei KANT die immer wiederkehrende Grundunterscheidung; daneben, besonders deutlich in der PÖLITZschen Metaphysik, wo die erste Unterscheidung fehlt, wird, und zwar mit Hilfe der Zeit, eine andere Einteilung versucht, die aber nicht zu einem so klaren Ergebnis führt. Trotzdem ist dieser Ansatz vielleicht als ein radikalerer zu verstehen, weil er von den verschiedenen Möglichkeiten des Einbildens selbst ausgeht und nicht gleich auf das Verhältnis des Produktes der Einbildung zu dem durch Sinnesempfindungen gelieferten Stoff reflektiert. Denn das besagt die Unterscheidung zwischen produktiver und reproduktiver Einbildungskraft: das Produkt der Einbildungsvorstellung enthält den Stoff der Sinne entweder in neuen Verbindungen ("Formen"), also umgebildet, oder es ist nur einfach eine Wiederholung, ein Abbild des durch die Sinne Gegebenen in den "Formen", die es schon hatte. - Immerhin laufen beide Grundeinteilungen des Phänomens im Ergebnis doch etwa auf dasselbe hinaus, da die Bedeutung der Zeit für das Wesen der Einbildungskraft auch in der Metaphysik nicht erkannt wird. Die Zeit bleibt auch dort ein Gesichtspunkt unter anderen, die man an die Einbildungskraft herantragen kann.

Wie schon betont, sind in der Anthropologie beide Arten der Einbildungskraft, die produktive und die reproduktive, als ontische Vermögen zu verstehen. Die produktive (84) heißt auch dichtend, weil sie ihren Gegenstand frei erfindet; frei und ursprünglich, insofern sie keine empirische Anschauung ihres Gegenstandes voraussetzt, obwohl sie nicht schöpferisch, d. h. nicht von vorgegebenen Sinnesvorstellungen überhaupt unabhängig ist. Sie geht vor der (möglichen) Erfahrung ihres Gegenstandes vorher. Ganz frei von empirischen Anschauungen ist nur die Einbildung des Mathematikers; seine reinen Raum- und Zeitanschauungen scheint KANT als die eigentliche und reine Form der produktiven Einbildung anzusehen, doch kommt er hier darauf nicht weiter zurück (85). Auch die mathematische Einbildungskraft ist nicht schöpferisch; denn das Ich muß sich Raum und Zeit als reine Anschauungen geben.

Die produktive Einbildungskraft ist nicht mit der Phantasie zu verwechseln. Freilich ist die Stellung der Phantasie in den verschiedenen Erörterungen KANTs keine einheitliche. Bald tritt sie in einen Gegensatz zur Einbildungskraft überhaupt, bald erscheint sie als Unterabteilung der produktiven oder auch der reproduktiven Einbildungskraft. Als Unterscheidungsmerkmal wird festgehalten, daß die Phantasie nicht unserer freien Willkür untersteht (86). In den "Reflexionen" sind Einbildungskraft und Phantasie die beiden Arten des "Reproduktions- oder Dichtungsvermögens"; durch erstere sind wir aktiv, d. h. "wir spielen mit ihr"; durch letztere dagegen passiv, d. h. "sie spielt mit uns". Erstere steht unter dem Gesetz der Assoziation; das Gesetz der Phantasie dagegen "ist noch nicht bekannt". (87)
    "Einbildungskraft ist ein Vermögen zu Diensten der freien Willkür. Phantasie ist sie, wenn sie der Willkür entgegengesetzt ist." (88)

    "Die Phantasie schwärmt, die imagination stellt etwas treu oder untreu, lebhaft etc. dar." (89)

    "Die Phantasie treibt mit der imagination ihr Spiel und teils produktiv, teils reproduktiv". (90)
Ähnlich in der "Anthropologie etc.":
    "Die Einbildungskraft, sofern sie auch unwillkürlich Einbildungen hervorbringt, heißt Phantasie." (91)
Im DOHNAschen Anthropologieheft dagegen gehört die Phantasie nur zur produktiven Einbildungskraft; diese läßt sich teilen
    "a) in willkürliche, wenn der Mensch die actus seiner Imagination nach Belieben exerzieren kann, d. h. Bilder erregen und auslöschen kann;

    b) in unwillkürliche oder Phantasie. Bei der willkürlichen Imagination spielen wir mit den Bildern, bei der Phantasie spielen die Bilder mit uns." (92)
Aus diesem Begriff der Phantasie wird KANTs ontische Einschätzung dieses Vermögens verständlich:
    "Phantasie ist unser guter genius oder daemon, welcher die Herrschaft unserer Willkür verachtet und sich, obgleich sie diszipliniert sein möchte, doch oft in Freiheit setzt und mit dem Menschen davon rennt ... Sie ist die Quelle aller unserer entzückendsten Freuden, aber auch unserer Leiden ... Die Vernunft muß herrschen und die Einbildungskraft ohne Phantasie ihr zu Diensten sein." (93)
Reproduktiv heißt die Einbildungskraft, wenn sie "eine vorher gehabte empirische Anschauung ins Gemüt zurückbringt" (94), "wenn sie Bilder, die uns schon vorgekommen sind, in ihrer Abwesenheit erneuert" (95). Die psychologische Frage, wie das gemacht wird, pflegt KANT nur durch Hinweis auf das Gesetz der Assoziation zu erörtern, das aber erst recht der Erklärung bedarf. Gelegentlich stellt er auch physiologische Fragen, wie: "ob die Bilder im Gehirn oder in der Seele aufbehalten werden"; entsprechend mit Bezug auf den willkürlichen Lauf der Phantasie: "ob der Fluß der Phantasie, auch die Direktion ihrer Bildungskraft, vom Gehirn herrührt" (96). Natürlich hat KANT über diese Dinge seine mehr oder weniger ausgebildeten Theorien gehabt; diese interessieren mich hier nur, insofern sie seine Voraussetzungen enthüllen. Er drückt sich darüber meist sehr unbestimmt und allgemein aus.
    "Das Bewußtsein ist das Vermögen, Vorstellungen so aufzufassen, daß wir sie reproduzieren können. Die Fertigkeit darin heißt Erinnerungsvermögen, Gedächtnis". (97)

    "Imagination ist das, was den Vorrath der Vorstellungen in sich enthält." (98)
Daß die Einbildungskraft also irgendwie die Herrschaft hat über die Vorstellungen nicht anwesender Gegenstände, scheint sich KANT so vorzustellen, daß bei der ursprünglichen Empfindung durch den Eindruck des anwesenden Gegenstandes irgendetwas Physisches oder Psychisches entsteht, im Gehirn oder im Subjekt, das mehr oder weniger lange erhalten bleiben und wieder ein aktuelles Bild des später abwesenden Gegenstande auslösen kann. Die Einbildungskraft ist dann gedacht als das Vermögen des Subjekts, über diesen seinen aufgesammelten Vorrat frei zu verfügen. Dies ist nun freilich eine arge Vergröberung der kantischen Vorstellung und zeigt eben, wie unzulässig es ist, seine unbestimmten Andeutungen zu psychologischen Theorien auszubauen. Doch wird daraus deutlich, in welcher nicht nur psychologischen, sondern auch grundsätzlich-philosophischen Unklarheit diese Lehre von der reproduktiven Einbildungskraft befangen ist. Es hat aber keinen Sinn, KANT Fehler nachzurechnen; wenn wir jetzt seine etwas krause und ungeordnete Darstellung der Tätigkeiten der Einbildungskraft zusammenzufassen suchen, so muß es unter dem Gesichtspunkt geschehen, zu verstehen, wie hier Einbildungskraft und Subjekt überhaupt verstanden sind.

Ich folge zunächst der Darstellung der PÖLITZschen Metaphysik, die, wie schon erwähnt, die Einteilung in produktive und reproduktive Einbildungskraft nicht kennt oder nicht berücksichtigt und dafür die "bildende Kraft", wie der Terminus hier heißt, im Hinblick auf die Zeit dreifach unterscheidet: die facultas fingendi zerfällt in
    1. facultas formandi oder Abbildungskraft
    2. facultas imaginandi oder Nachbildungskraft,
    3. facultas praevidendi oder Vorbildungskraft (99).
Diese verschaffen
    1. Vorstellungen der gegenwärtigen Zeit,
    2. Vorstellungen der vergangenen Zeit,
    3. Vorstellungen der zukünftigen Zeit (100).
Diese Weisen des Vorstellens entsprechen der Zeitlichkeit des alltäglichen Daseins:
    "Wir finden uns in der Gegenwart bestimmt, sehen ins Vergangene hinein und sehen hinaus in das Zukünftige." (101)
Der Ausdruck "Abbildungskraft" für die Möglichkeit der bildenden Kraft, Vorstellungen der gegenwärtigen Zeit zu haben, ist durchaus irreführend. Wir pflegen als Abbild, Abbildung, etwas zu bezeichnen, was streng zu unterscheiden ist von dem, was KANT hier im Auge hat. Eine Abbildung ist ein hergestelltes Ding, z. B. ein Gemälde oder eine Statue, wodurch etwas, was man anschauen kann, z. B. eine Landschaft oder eine Person, dargestellt, abgebildet wird. Das Abbild dient als Vertretung des direkt anschaubaren Gegenstandes, etwa weil dieser weit entfernt oder überhaupt nicht mehr vorhanden ist; wir sagen: "es soll das und das oder der und der sein". Für ein solches Abbild pflegen wir auch einfach den Ausdruck "Bild" zu gebrauchen. Wir können aber auch in einem ganz anderen Sinn vom "Bild" einer Landschaft oder einer Person reden, wie schon oben ein ursprünglicheres "Bilden" der Einbildungskraft unterschieden wurde. So sagen wir: "Die Landschaft bot den Augen ein liebliches Bild dar", "der Possenreißer gab ein komisches Bild ab". Dieses Phänomen hat KANT im Auge und gebraucht dafür beide Termini, "Bild" und "Abbild".
    "Mein Gemüt ist jederzeit beschäftigt, das Bild des Mannigfaltigen, indem es durchgeht, sich zu formieren. Zum Beispiel wenn ich eine Stadt sehe, so formiert sich das Gemüt vom Gegenstand, den es vor sich hat, ein Bild, indem es das Mannigfaltige durchläuft. Wenn daher ein Mensch in eine Stube kommt, die mit Bildern und Auszierungen überhäuft ist; so kann er sich kein Bild davon machen, indem sein Gemüt das Mannigfaltige nicht durchlaufen kann. Es weißt nicht, von welchem Ende es anfangen soll, um sich den Gegenstand abzubilden. So berichtet man, wenn ein fremder Mensch in die Peterskirche zu Rom kommt, daß er ganz bestürzt wird wegen der Mannigfaltigkeit der Pracht. Die Ursache ist: Seine Seele kann das Mannigfaltige nicht durchgehen, um es sich abzubilden. Dieses abbildende Vermögen ist das bildende Vermögen der Anschauung. Das Gemüt muß viele Beobachtungen anstellen, um sich einen Gegenstand abzubilden, indem es sich den Gegenstand von jeder Seite anders abbildet. Zum Beispiel sieht eine Stadt von der Morgenseite anders aus als von der Abendseite. Es sind also viele Erscheinungen von einer Sache nach den verschiedenen Seiten und Gesichtspunkten. Aus allen diesen Erscheinungen muß das Gemüt, indem es sie alle zusammennimmt, sich eine Abbildung machen." (102)
Die letzten Sätze machen deutlich, warum KANT für das Bild im Sinne des primären Anschauungsbildes auch das Wort "Abbildung" gebrauchen kann. Er versteht es in der Tat nach Analogie des Abbilds. Er analysiert nicht einfach das, was uns im Anschauen als "Bild" gegeben ist, auf seine Struktur hin, sondern berücksichtigt es nur insofern, als es eine hergestellte Abbildung, und zwar eine wirklichkeitsgetreue, ermöglicht. Das in der "Seele" irgendwie als "Bild" Seiende wird nicht in seinem primären Seinssinn festgehalten, als Seiendes in dem Sinne, wie "Seele", "Mensch" usw. ist, sondern es wird von vornherein als Hergestelltes und wie ein hergestelltes Bildding Vorhandenes interpretiert.

Trotzdem kommt in dieser Interpretation der bildenden Kraft als Abbildungskraft bei PÖLITZ ein ursprüngliches Moment dieses Phänomens zur Geltung, das in den späteren anthropologischen Darstellungen fehlt. In letzteren wird, wie wir sahen, die Einbildungskraft als das Vermögen der Anschauungen auch ohne die Gegenwart eines Gegenstandes gefaßt; daher beschränkt sich die Untersuchung von vornhereiin auf diejenigen Anschauungen, die nicht leibhaftig Anwesendes oder reproduktiv, und Reproduktion wird verstanden als Vorstellung eines nicht Anwesenden. Dadurch wird das Phänomen des "Durchlaufens" und "Zusammennehmens" des Mannigfaltigen auch gerade im Anschauen eines Anwesenden, das dann in der Kr. d. r. V. genauer erörtert wird (103), in diesen Zusammenhängen übersprungen. Ob dieses Phänomen ein echt gesehenes ist, muß noch fraglich bleiben; jedenfalls kann hier schon gesagt werden, daß es innerhalb der kantischen Problematik, die ganz auf das Vorhandene, d. h. das in einem Gegenwärtigen Anwesende konzentriert ist, eine ursprünglichere Rolle spielt als die Phänomene der Nach- und Vorbildung. In der PÖLITZschen Metaphysik scheint also das "ohne die Gegenwart des Gegenstandes" als Charakteristikum der Einbildungskraft preisgegeben zu sein. Das ist aber nur so lange richtig, als man es in dem interpretierten und bei KANT nie ausdrücklich aufgegebenen Sinn versteht. Unsere Untersuchung wird zu zeigen haben, daß KANTs eigenes Verständnis der Einbildungskraft darauf drängt, den Terminus "ohne die Gegenwart des Gegenstandes" anders auszulegen.

In dieselbe Periode wie die PÖLITZsche Metaphysik scheinen einige Reflexionen zu gehören, die inhaltlich und terminologisch verwandt sind. Vor allem findet sich hier mehrfach eine verwandte Einteilung der bildenden Kraft (104). Einzelnes ist geeignet, das über die Abbildungskraft Gesagte zu verdeutlichen. Die Abbildungen sind Vorstellungen, die von der Gegenwart der Objekte, d. h. unmittelbar von den Objekten selbst herrühren (105). Natürlich ist das nicht in dem Sinne gemeint, als ob hier der spontane Charakter der bildenden Kraft aufgehoben werden sollte; letztere ist na nicht einfach mit den empfindenden Sinnen identisch, sondern ist facultas formandi, das formgebende (bildende) Element, das zum Stoff der Empfindungen hinzukommt. Ferner wird von ihr ausdrücklich gesagt:
    "Das Vermögen der Abbildung eines sinnlichen, gegenwärtigen Objekts ist das Fundament. Danach werden Nachbildungen und Vorbildungen gemacht; Einbildungen aber nach ihrer Analogie natürlicherweise, bisweilen wieder oder ohne sie willkürlicher- oder vernünftigerweise. Der subjektive Grund der Nachbildungen ist auch der Grund der Vorbildung. Alle diese actus setzen das materiale aus den Sinnen voraus." (106)
Diesen fundamentalen Charakter erhält die "Abbildung" des Anwesenden nur dadurch, daß in ihr primär dasjenige Seiende zugänglich wird, das wir als pures Vorhandenes nur betrachten. Wir sagen etwa "Die Unglücksstätte bot ein Bild der Verwüstung" nur dann, wenn wir an dem, worauf wir gerichtet sind, nur betrachtend, etwa als Zuschauer beteiligt sind, nicht wenn wir z. B. helfend Hand anlegen oder verzweifelnd auf die Trümmer starren (107). Das "Abbilden" in diesem Sinn des betrachtenden Begegnenlassens eines nur noch Vorhandenen ist also schon eine ganz bestimmte Weise des Verhaltens zu Seiendem überhaupt und braucht durchaus nicht selbstverständlich das Fundament zu sein, von dem das einbildende Verhalten zu Zukunft und Vergangenheit abzuleiten wäre. Doch bleibt der Ansatz der theoria, des anschauenden Betrachtens als der Grundart des Verhaltens zu Seiendem bei KANT undiskutiert und wird selbstverständlich beibehalten. Daneben melden sich dann, gerade in der Anthropologie "in pragmatischer Hinsicht", also in den Zusammenhängen, wo weniger von strenger Wissenschaft als von praktischer Menschenkenntnis die Rede ist, andere Seinsbezüge, die aber entweder nicht theoretisch zum Gegenstand werden oder von dem selbstverständlichen Grundansatz aus eine Umdeutung erfahren. Schon in KANTs Beispiel vom Fremden in der Peterskirche handelt es sich nicht mehr um ein bloßes Betrachten, sondern um ein bestürztes Überwältigtwerden von der Überfülle der Pracht, wobei die Unzulänglichkeit der abbildenden Einbildungskraft erfahren wird. Auf dieses Phänomen kommt die "Kritik der Urteilskraft" zurück. Jetzt ist zu zeigen, wie KANT Nachbildung und Vorbildung aus der Abbildung ableitet.

Das Vermögen der Vergegenwärtigung von Vergangenem ist
    "das Vermögen der Nachbildung, nach welchem mein Gemüt die Vorstellungen der Sinne aus den vorigen Zeiten herbeizieht und sie mit den Vorstellungen der gegenwärtigen verknüpft." (108)
Auf dieser Verknüpfung mit den gegenwärtigen Vorstellungen (den Vorstellungen von anwesenden Gegenständen) liegt bei KANT der Nachdruck; die Nachbildungskraft oder facultas imaginandi ist für ihn das Vermögen der Reproduktion durch Assoziation. Ist die Reproduktion eine willkürliche, so handelt es sich um Erinnerungsvermögen oder Gedächtnis (beide werden nicht klar geschieden).
    "Das Vermögen sich vorsätzlich das Vergangene zu vergegenwärtigen, ist das Erinnerungsvermögen, und das Vermögen, sich etwas als zukünftig vorzustellen, das Vorhersehungsvermögen. Beide gründen sich, sofern sie sinnlich sind, auf die Assoziation der Vorstellungen des vergangenen und künftigen Zustandes des Subjekts mit dem gegenwärtigen, und obgleich nicht selbst Wahrnehmungen, dienen sie zur Verknüpfung der Wahrnehmungen in der Zeit, das, was nicht mehr ist, mit dem was noch nicht ist, durch das, was gegenwärtig ist, in einer zusammenhängenden Erfahrung zu verknüpfen." (109)
Im Verhältnis zu der großen Bedeutung, die KANT ihr zuschreibt, wird die Einbildungskraft als Vermögen der Assoziation, d. h. das "sinnliche Darstellungsvermögen der Beigesellung" in der Anthropologie sehr kurz abgetan:
    "Das Gesetz der Assoziation ist: empirische Vorstellungen, die nacheinander oft folgten, bewirken eine Angewohnheit im Gemüt, wenn die eine erzeugt wird, die andere auch entstehen zu lassen." (110)
KANT erklärt, daß eine physiologischer Erklärung hiervon vergeblich ist, und macht später noch folgenden Anmerkung:
    "Wie es zugeht, daß wir oft im Traum in die längst vergangene Zeit versetzt werden, mit längst Verstorbenen sprechen, dieses selbst für einen Traum zu halten versucht werden, aber doch diese Einbildung für Wirklichkeit zu halten uns genötigt sehen, wird wohl immer unerklärt bleiben. Man kann aber wohl für sicher annahmen, daß kein Schlaf ohne Traum sein kann, und wer nicht geträumt zu haben wähnt, seinen Traum nur vergessen hat." (111)
Zu dieser Annahme kommt KANT, weil die Reihe der Assoziationsvorstellungen eine ununterbrochene sein muß. Auch ein Überspringen ist nicht möglich:
    "Diese Nachbarschaft geht öfter sehr weit, und die Einbildungskraft geht vom Hundertsten aufs Tausendste oft so schnell, daß es scheint, man habe gewisse Zwischenglieder in der Kette der Vorstellungen gar übersprungen, obgleich man sich ihrer nur nicht bewußt geworden ist, so daß man sich selbst öfters fragen muß: wo war ich? von wo war ich in meinem Gespräch ausgegangen und wie bin ich zu diesem Endpunkt gelangt?" (112)
Ausführlicher handelt KANT von der Vorbildungskraft (facultas praevivendi, Vorhersehungsvermögen) (113).
    "Obgleich das Künftige in mir keinen Eindruck und also kein Bild macht, sondern nur das Gegenwärtige, so kann man sich vorher doch vom Künftigen ein Bild machen, und sich etwas vorher einbilden. Zum Beispiel: Man stellt sich die Gestalt vor, in welcher man sein wird, wenn man eine Rede halten will. - Wie ist aber eine Vorbildung des Künftigen möglich?"
KANT löst die Schwierigkeit durch den Hinweis darauf, daß man aus dem Gegenwärtigen, ebenso wie ins Vergangene, auch ins Zukünftige gehen kann.
    "Gleichwie der gegenwärtige Zustand auf den vergangenen folgt, ebenso folgt auf den gegenwärtigen der künftige. Dies geschieht nach Gesetzen der Imagination", (114)
d. h. nach dem Gesetz der Assoziation. Dies ist eigentlich das Gesetz der Nachbildungskraft, doch ist die Vorbildungskraft nur eine Anwendung davon (115).
    "Ein Kind, das an einer Lichtflamme sich verbrannt hat, erwartet denselben Schmerz, wenn ihm die Flamme wieder genähert wird. Dies geschieht per legem associtionis idearum. Man sieht die reproduzierte Vorstellung des Schmerzes als etwas auf die bemerkte Annäherung des Lichts folgendes oder künftiges voraus." (116)

    "Das Voraussehen ist umso sicherer, je öfter wir derartiges schon gesehen haben." (117)

    "Das empirische Voraussehen ist die Erwartung ähnlicher Fälle (expectatio casuum similium) und bedarf keiner Vernunftkunde von Ursachen und Wirkungen, sondern nur der Erinnerung beobachteter Begebenheiten, wie sie gemeinhin aufeinander folgen und wiederholte Erfahrungen bringen darin eine Fertigkeit hervor." (118)
Sehr charakteristisch sind KANTs Beispiele; er nennt Wettervoraussagen, auf die er allerdings nicht viel gibt (119), und sagt später, nachdem er ausführlich Ahnung, Wahrsagerei und dgl. als Hirngespinste erörter hat:
    "Es gibt sonst keine so sichere und doch in so große Weite hinaus erstreckte Wahrsagungswissenschaft als die Astronomie, welche die Umwälzungen der Himmelskörper ins Unendlich vorherverkündigt." (120)
Es zeigt sich in diesen der Natur entnommenen Beispielen, daß KANT das Voraussehen der Zukunft mit der induktiven Erkenntnis von Naturgesetzen identifiziert, oder aber daß er es für ein Hirngespinst, d. h. für ein Verhalten zu einem Nichtseienden erklärt. Das Seiende der Natur ist aber dasjenige, was immer ist; also ist das angebliche Verhalten zur Zukunft entweder ein Verhalten zum Immerseienden der Natur (und dies ist das einzige echte Verhalten zur Zukunft), oder es ist ein Verhalten zu Nichtseiendem. Das Voraussehen der Zukunft, das KANT als echt anerkennt, hat also dieselbe Struktur wie das "Abbilden" des Gegenwärtigen, ist theoria des Immerseienden, Vorhandenen; nur daß etwa im Beispiel von der astronomischen Vorausberechnung aus dem konkreten Anschauungsbild eine abstrakte "Theorie" geworden ist. Die Vorbildung ist so als ein abkünftiger Modus der Abbildung charakterisiert.

Wie aber kommt die Ableitung zustande? Wenn nach einem Naturgesetz zwei Vorgänge, etwa das Berühren einer Flamme und eine Schmerzempfindung, immer zusammen vorkommen, dann wird die Vorstellung des einen so mit der des anderen assoziiert, daß mit dem Auftreten der einen auch die andere auftritt. Dadurch wird der Schritt von der Vorstellung eines Gegenwärtigen zu der eines Künftigen möglich. Erkenntnis der Zukunft kann also nur stattfinden aufgrund der Kenntnis eines (nicht notwendig ausdrücklich formulierten) Naturgesetzes. KANT ist mit dieser These durchaus im Recht, solange das Zukünftige verstanden wird als zukünftig Vorhandenes, d. h. Vorhandenes, das nur im Abfluß der Zeit noch aussteht. Die Einbildungskraft ist aber nicht primär das Vermögen des theoretischen Vorausberechnens, sondern ein Vermögen der Anschauung. Es gibt einen ursprünglicheren Blick in die Zukunft, der bei KANT gar nicht eigentlich zum Problem gemacht wird, z. B. wenn ein Staatsmann sich die künftigen Erfolge seiner Politik ausmalt. Wenn wir nach der Struktur dieser "Vorbildung" fragen, dürfen wir uns nicht etwa auf den Standpunkt eines künftigen beobachtenden Historikers stellen, der beurteilt, ob alles so wie erwartet eingetroffen ist; wenn wir dazu auch überhaupt die Möglichkeit hätten, würden wir doch von dort aus nie die Struktur der "Vorbildung" als solcher sehen. Diese läßt es ja gerade offen, ob das Vorausgesehene eintrifft. Das bedeutet aber: der "Gegenstand" der Vorbildung hat nicht den Charakter des Vorhandenen und nun theoretisch oder praktisch Verfügbaren. Der Politiker sieht nicht auf etwas, was er als Unbeteiligter betrachten kann, sondern auf etwas, woran er ganz persönlich interessiert ist in dem Sinne, daß es dabei um die eigensten Möglichkeiten seines Seins als Politiker geht. KANT hat die Bedeutung des Zukünftigen und des Gewärtigens der Zukunft ontisch sehr wohl gesehen:
    "Dieses Vermögen (das Vorhersehungsvermögen) zu besitzen, interessiert mehr als jedes andere: weil es die Bedingung aller möglichen Praxis und der Zwecke ist, worauf der Mensch den Gebrauch seiner Kräfte bezieht. Alles Begehren enthält ein (zweifelhaftes oder gewisses) Voraussehen dessen, was durch diese möglich ist. Das Zurücksehen auf das Vergangene (Erinnern) geschieht nur in der Absicht, um das Voraussehen des Künftigen dadurch möglich zu machen: indem wir im Standpunkt der Gegenwart überhaupt um uns sehen, um etwas zu beschließen oder worauf gefaßt zu sein." (121)
Noch deutlicher wird KANT an anderer Stelle:
    "Die Gegenwart ist vorüberfließend, das Vergangene kann kein Interesse bei sich führen, also ist es die Zukunft, die unser ganzes Interesse enthält. Man sagt unrichtig, der Mensch vergnüge sich an der Gegenwart, obschon etwas noch in der Zukunft ist. Einer vergnügt sich am heutigen Tag, aber an dem, was er vom heutigen Tag noch in der Zukunft hat. - Alles setzt sein Vergnügen in die entfernteste Zukunft; wir haben für die ganze Tätigkeit unserer Seele keine anderen Triebfedern, als die, welche Hoffnung hervorbringt. Alles Gegenwärtige interessiert nur, weil es mit dem Keim vom Künftigen geschwängert ist." (122)
Gleichwohl hat KANT die "Vorbildungskraft" nicht in ihrem Vorrang, der ihr in der Struktur des zeitlichen Daseins zukommt, ontologisch zum Problem gemacht. Sie
    "ist der Ordnung nach nicht die erste Gemütskraft. Denn vor der prävidierenden geht die reproduktive Einbildungskraft." (123)
Die letztere, d. h. die Nachbildungskraft, wird dann auch bei KANT als dasjenige Vermögen gefaßt, das durch "Wiederhervorführung" vergangener Vorstellungen die Erkenntnis der Übereinstimmung des Immerseienden mit sich selbst in Gegenwart und Vergangenheit ermöglicht. Auch die Erinnerung wird von außen her interpretiert, nämlich aus der Konstatierung der Übereinstimmung der gegenwärtigen Vorstellung mit der erinnerten ursprünglichen. Diese Konstatierung ist dem ursprünglichen Phänomen der Erinnerung durchaus fremd. So kann sich jemand an die "gute alte Zeit" erinnern und sich dabei völlig darüber täuschen, daß diese Zeit ein ganz anderes Aussehen hatte, als sie noch "Gegenwart" war (124). In der Struktur der Erinnerung selbst wird man so etwas wie Täuschung nie finden, ebensowenig wie "objektive" Gewißheit. Dergleichen findet sich freilich auch nicht im primären Phänomen der "Abbildung"; es erscheint erst dann, wenn man den intentionalen Gegenstand des jeweiligen Aktes als das vorhandene Produkt eines Herstellens interpretiert. Wird das Abgebildete als ein durch die Abbildung hergestelltes Abbildding, das Erinnerte als ein durch die Erinnerung irgendwo im chronologischen Schema lokalisiertes Objektding verstanden, dann lassen sich diese Produkte miteinander vergleichen, und die objektive Richtigkeit bzw. Täuschung kann konstatiert werden. So zeigt sich, daß der Gegenstand der Erinnerung von KANT interpretiert wird als ein sekundäres Nachbildding, nachgebildet nach dem durch eine frühere Anschauung hervorgebrachten Abbildung. Natürlich soll das nicht heißen, daß KANT sich den Gegenstand der Erinnerung stets als ein körperliches Ding vorgestellt hat; "Ding" ist ein Vorhandenes im weitesten Sinne, mag man es sich nun als Physisches, Psychisches oder wie auch immer vorstellen. Und weil die Seelenvermögen selbst aus den jeweils von ihnen geschaffenen Gebilden interpretiert werden, ergibt sich so die Nachbildungskraft als aus der Abbildungskraft hergeleitetes Vermögen.

Diese Ableitung, d. h. der Schritt vom direkten Anschauungsbild zur Erinnerung, wird wiederum durch das Gesetz der Assoziation der Vorstellungen möglich. Es könnte darum so scheinen, als wäre für KANT die Vergegenwärtigung des Künftigen mit der des Vergangenen identisch. KANT erörtert den Unterschied beider nicht genauer; er gibt nur an, daß die erstere eine Anwendung der letzteren ist. In der Tat gewinnen wir eine ursprünglichere Anschauung vom Vergangenen als vom im Abfluß der Zeit noch Ausstehenden. Denn obwohl beide Vermögen auf der Assoziation beruhen, tun sie es doch in verschiedener Weise. Das Gegenwärtigen eines noch Ausstehenden wird nur dadurch möglich, daß wir zuvor durch Reproduktion von Vergangenem und Vergleich des Vergangenen mit dem Gegenwärtigen eine allgemeine Regel gewonnen haben, durch die zwei Vorstellungen assoziiert werden (z. B. Berührung einer Flamme und Schmerz); erst dann können wir mit Fug aus der gegenwärtigen Vorstellung die des assoziierten Ausstehenden "vorhersagen". Die Reproduktion des Vergangenen ihrerseits kann aber nun nicht schon eine Reproduktion voraussetzen; die Bedingung der Möglichkeit muß eine ursprünglichere sein. Die Reproduktion wird nicht aufgrund einer durch Reproduktion gewonnenen allgemeinen Regel vollzogen; wir schließen nicht: "ich empfinde Schmerz, also habe ich eine Flamme berührt". Vielmehr setzt jede allgemeine Regel schon voraus, daß ich die Möglichkeit habe, auf meine früheren Erfahrungen zurückzukommen. Die Einbildungskraft als das Vermögen der Reproduktion ist also die dem Subjekt eignende Mrch Reproduktion gewonnenen allgemeinen Regel vollzogen; wir schließen nicht: "ich empfinde Schmerz, also habe ich eine Flamme berührt". Vielmehr setzt jede allgemeine Regel schon voraus, daß ich die Möglichkeit habe, auf meine früheren Erfahrungen zurückzukommen. Die Einbildungskraft als das Vermögen der Reproduktion ist also die dem Subjekt eignende Möglichkeit des Seins bei seiner eigenen "Vergangenheit" aufgrund seiner Gewesenheit. Daher ist sie "das, was den Vorrat der Vorstellungen in sich enthält". Diese Bedingung der Möglichkeit der Reproduktion hat KANT in der "Anthropologie" nicht weiter erörtert. Er betont nur das Wunderbare und Unbegreifliche an ihr (125). In der Kr. d. r. V. erscheint die "produktive Einbildungskraft" als die ontologische Bedingung er Möglichkeit ontischer Reproduktion. Durch sie wird zugleich Assoziation überhaupt möglich; dies muß KANT meinen, wenn er einmal sagt "daß wir beim Sprechen immer eine Strecke zurück und eine voraus sehen, ohne welches keine Verknüpfung sein würde." (126) Assoziierend ist das "Subjekt" gleichsam außerhalb seiner selbst, und zwar sowohl sich selbst schon voraus als noch hinter sich selbst zurück. -

Die an der Zeit orientierte Einteilung der bildenden Kraft in Abbildungs-, Nachbildungs- und Vorbildungskraft ist aber keine erschöpfende. KANT fährt in der Metaphysik fort:
    "Dieser Unterschied der bildenden Kraft betrifft die Zeit. Es gibt aber noch einen anderen Unterschied, nach welchem wir noch zwei Vermögen der bildenden Kraft bekommen. Diese Vermögen sind das Vermögen der Einbildung und das Vermögen der Gegenbildung." (127)
Ein besonderes Unterscheidungsprinzip scheint hier nicht zugrunde zu liegen (128). Die folgenden Tätigkeiten der bildenden Kraft scheinen mit der Zeit nichts zu tun zu haben (129).

Das Vermögen der Einbildung wird in der Metaphysik streng von der bildenden Kraft überhaupt und besonders von der Imagination oder Nachbildungskraft (130) unterschieden. Es heißt auch "Phantasie", ist aber nicht ohne weiteres identisch mit dem sonst bei KANT üblichen Begriff der Phantasie, für die vor allem ihre Zügellosigkeit charakteristisch ist.
    "Das Vermögen der Einbildung ist das Vermögen, Bilder aus sich selbst, unabhängig von der Wirklichkeit der Gegenstände hervorzubringen, wo die Bilder nicht aus der Erfahrung entlehnt sind. Zum Beispiel ein Baumeister fingiert sich, ein Haus zu bauen, was er noch nicht gesehen hat." (131)
Als willkürliches Vermögen heißt diese "Einbildungskraft" im engeren Sinne auch "Dichtungsvermögen" (132) und ist das Vermögen einer "vorsätzlichen Schöpfung neuer Gedanken ohne alle Gegenstände." (133) Sie ist die Grundlage des Ersinnens als einer Weise der Erfindung: "Ersinnen heißt von etwas Schöpfer sein, durch die Sinne gänzlich der Urheber einer Sache sein." (134). In der "Anthropologie" erscheint sie wieder als imaginatio plastica oder "sinnliches Dichtungsvermögen der Bildung":
    "Ehe der Künstler eine körperliche Gestalt (gleichsam handgreiflich) darstellen kann, muß er sie in der Einbildungskraft verfertigt haben, und diese Gestalt ist alsdann eine Dichtung, welche, wenn sie unwillkürlich ist (wie etwa im Traum), Phantasie heißt und nicht dem Künstler angehört; wenn sie aber durch Willkür regiert wird, Komposition, Erfindung genannt wird." (135)
Weiterhin heißt es, daß der Künstler "nach Bildern arbeitet", die der Natur mehr oder weniger ähnlich sind (136). Unter "Kunst" ist jedoch nicht nur "schöne Kunst" verstanden; daher ist diese Einbildung nicht einfach mit der Einbildung schöner Natur- und Kunstgegenstände gleichzusetzen, von der die Kritik der ästhetischen Urteilskraft handelt. KANT meint vielmehr die zum Herstellen aller Art gehörige Phantasie. Sie wird bei WOLFF (137) als wesentlichste Erscheinungsform der produktiven Einbildungskraft (facultas fingendi) erörtert. Der Begriff der produktiven Einbildungskraft enthält jedoch immer schon die Orientierung am sinnlichen Empfindungsstoff, aus dem sie ein neues phantasma herstellt. Für das Herstellen selbst aber ist ein eigentümliches Einbilden mitkonstitutiv, das also nicht aus dem Herstellen verständlich gemacht werden kann, sondern seine Möglichkeit allererst begründet. Wenn KANT das Vermögen der "Einbildung" hier als ein besonderes Vermögen erörtert, ohne auf die Zusammensetzung des Stoffs der Sinne zu reflektieren, hat er vielleicht die Vorgängigkeit dieses Einbildens vor allem faktischen Komponieren und Produzieren im Auge (138).

Das Vermögen der Gegenbildung ist das "Vermögen der Charakteristik".
    "Gegenbild ist ein Mittel, das Bild des anderen Dinges hervorzubringen. So sind Worte Gegenbilder der Sachen, um die Vorstellungen der Sache sich zu konzipieren. Weil es also Bilder vorstellt, so gehört es zur Sinnlichkeit, obgleich die Bilder nicht durch den Einfluß der Gegenstände, sondern aus uns selbst kommen; aber der Form nach gehört es doch zur Sinnlichkeit." (139)
Was ist hier unter "Bild" verstanden? Wir kennen bisher zwei Arten von "Bildern":
    1. Bild = primäres Anschauungsbild,
    2. Bild = hergestelltes Abbild eines Anschaubaren.
Hier kann keines von beiden gemeint sein; vielmehr ist
    3. Bild = Zeichen.
Wenn Worte als "Bilder" für Sachen verstanden werden, dann meldet sich hier vielleicht der ursprüngliche Sinn der Rede, die die Tendenz hat, das jeweils Beredete für den Hörer "sichtbar" zu machen. Wahrscheinlich aber hat KANT das geschriebene oder gedruckte "Wortbild" im Auge. Ein "Wortbild" nun ist zwar ein direktes Anschauungsbild, doch nicht das der gemeinten Sache, sondern nur eben des Wortes als dieses geschriebenen oder gedruckten Dings, nicht einmal des Wortes, wie es etwa der Gegenstand der Grammatik ist. Für die gemeinte Sache ist das Wort auch nicht Abbild, es sei denn, daß es sich um eine Bilderschrift handelt. Unsere Schrift gebraucht nicht Bilder, sondern Buchstaben, "Schriftzeichen", "Charaktere". Die Einbildungskraft gilt also als das Vermögen, durch solche Zeichen eine Sache zu bezeichnen; sie ist, wie es sonst auch heißt, facultas signandi (signatrix), Bezeichnungsvermögen. (140) Dieses Vermögen gehört bei KANT meist zu den Arten der Einbildungskraft (141); einmal wird es neben der Einbildungskraft und der facultas componendi als zum spontanen Teil der Sinnlichkeit gehörig genannt (142). In der Anthropologie wird es einfach hinter der Einbildungskraft abgehandelt (143) und soll wohl zu dieser gehören. Es wird definiert als
    "das Vermögen der Erkenntnis des Gegenwärtigen als Mittel der Verknüpfung der Vorstellung des Vorhergesehenen mit der des Vergangenen". (144)
Zu dieser dunklen Definition gibt KANT keinerlei Erörterung. Vielleicht ist seine Meinung die: die Vorstellung eines Gegenwärtigen überhaupt verknüpft die des Künftigen und die des Vergangenen; sie ist mit der, die ich gleich haben werde, und der, die ich eben gehabt habe, durch Assoziation verknüpft und stellt dadurch die Kontinuität des gesamten Erfahrungszusammenhangs her. Nun kann es sein, daß diese Vorstellung eines Gegenwärtigen eine solche ist, die ich absichtlich nur zu dem Zweck hervorrufe, um "weiterzukommen", um von ihr zu der nächsten, die ich gleichsam schon voraussehe, übergehen zu können. Dann hat die Vorstellung des Gegenwärtigen gar keine selbständige Bedeutung, sondern weist von vornherein schon wieder von sich weg zur kommenden, der "bezeichneten". Der Gegenstand einer solchen Vorstellung ist ein Zeichen. Die Einbildungskraft als Bezeichnungsvermögen ist dann das Vermögen, ein angeschautes Vorhandenes als ein von sich wegweisendes Zeichen zu verstehen; nur dadurch, daß sie dies ist, ist sie zugleich das Vermögen, ein Zeichen herzustellen, etwas zu bezeichnen. Diese Funktion der Einbildungskraft setzt aber voraus, daß die Einbildungskraft die Möglichkeit hat, sich selbst, indem sie noch das Zeichen gegenwärtigt, gewissermaßen voraus zu sein, sich selbst vorwegzueilen; sonst würde sie nie und nimmer verstehen können, was das von sich wegweisende Zeichen den eigentlich will. Und ein Zeichending, das von einem Subjekt angestarrt würde, ohne daß dieses schon im Voraus so etwas wie "Zukünftiges" verstanden, gesichtet, "vorhergesehen" hätte, würde für dieses Subjekt ein bloßes Ding und niemals ein Zeichen sein. Es ist schwerlich auszumachen, ob KANT dies oder ähnliches im Auge gehabt hat; jedenfalls ist kaum einzusehen, was sonst die zeitlichen Bestimmungen des "Vorher" und "Vergangen" in seiner Definition des Bezeichnungsvermögens sollen. Zugleich wird deutlich, daß auch die scheinbar nicht-zeitlichen Tätigkeitsweisen der Einbildungskraft vielleicht doch irgendwie mit der Zeit zu tun haben (145).

Statt einer genaueren Analyse des Vermögens der Gegenbildung selbst bringt KANT eine ausführliche Erörterung der Arten von Zeichen, die im praktischen Leben vorkommen. Auch hier kennt er verschiedene Einteilungen. Im Hinblick auf die Zeit unterscheidet er demonstrative, rememorative und prognostische Zeichen (146). Die Anthropologie (147) kennt
    1. willkürliche,
    2. natürliche Zeichen (z. B. Krankheitssymptome, historische Denkmäler)
    3. Wunderzeichen, die als Aberglaube abgetan werden.
Zu den willkürlichen Zeichen gehören insbesondere die Charaktere und Symbole, mit deren Unterscheidung sich KANT öfters beschäftigt (148). Charaktere sind solche Zeichen, die, wie Buchstaben, ansich gar nichts bedeuten, sondern nur durch Assoziation auf Anschauungen und durch diese auf Begriffe führen; Symbole dagegen liefern selbst schon Anschauungen, sind aber dadurch Zeichen, daß diese Anschauungen in einer Analogie mit Begriffen stehen und dadurch auf diese Begriffe hinweisen. Sie ermöglichen so für Begriff, von denen eine rein intellektuelle Erkenntnis unmöglich ist, eine symbolische oder figürliche Erkenntnis (cognitio speciosa).

In der Kr. d. r. V. und der Kritik der Urteilskraft spielt die Einbildungskraft als Darstellungsvermögen eine wesentliche Rolle; in den anthropologischen Zusammenhängen wird sie als solches nicht erörtert. In der Kritik der Urteilskraft (149) hat KANT eine Zusammenfassung der verschiedenen Darstellungsweisen gegeben, für die hier der geeignete Ort ist. Unter "Darstellung" versteht KANT die Handlung, die (objektive) Realität von Begriffen durch die Beiordnung von Anschauungen darzutun, also die Begriffe irgendwie zu versinnlichen. "Alle Hypotypose (Darstellung, subjecto sub adspectum) als Versinnlichung ist zweifach: entweder schematisch, da einem Begriff, den der Verstand faßt, die korrespondierende Anschauung a priori gegeben wird; oder symbolisch, da einem Begriff, den nur die Vernunft denken, und dem keine sinnliche Anschauung angemessen sein kann, eine solche unterlegt wird", welche aber mit dem Begriff "bloß der Form der Reflexion, nicht dem Inhalt nach übereinkommt." (150)

Es zeigt sich also, daß das Darstellungsvermögen sich zum Teil mit dem Bezeichnungsvermögen deckt, insofern beide symbolisieren. Doch leistet das letztere daneben auch bloße "Charakterismen", die von allen "Hypotyposen" verschieden sind; das Darstellungsvermögen andererseits ist auch ein Vermögen des Schematismus und ermöglicht als solches Bilder im eigentlichen Sinn, d. h. nicht Zeichen (151). Auf die schematisierende Einbildungskraft ist später ausführlich zurückzukommen; hier ist nur der Begriff des Symbols zu verdeutlichen.

Im Unterschied vom Schema enthält das Symbol keine direkte, sondern nur eine indirekte Darstellung des Begriffs; die Darstellung geschieht nicht "demonstrativ", sondern nur "mittels einer Analogie". Das eigentliche Vermögen der Darstellung ist hier nicht die Einbildungskraft, sondern die Urteilskraft; das Problem des Verhältnisses beider ist später zu erörtern. Die Urteilskraft hat ein doppeltes Geschäft:
    "erstens den Begriff auf den Gegenstand einer sinnlichen Anschauung, und dann zweitens die bloße Regel der Reflexion über jene Anschauung auf einen ganz anderen Gegenstand, von dem der erstere nur das Symbol ist, anzuwenden." (152)
Wenn z. B. eine vorgestellte Handmühle einen despotischen Staat symbolisch darstellen soll, so mache ich den darzustellenden Begriff zum Prädikat für den sinnlichen Gegenstand: "Diese Handmühle ist ein despotischer Staat." Dabei wende ich nicht das in der angeschauten Handmühle sinnlich Gegebene, auch nicht etwas im allgemeinen Begriff "Handmühle" Enthaltenes, sondern die allgemeine Regel der Reflexion darüber auf den despotischen Staat an, den ich auf diese Weise indirekt erkenne, indem ich ihn symbolisch darstelle. Ich reflektiere über die Handmühle und über den despotischen Staat in derselben Weise, indem ich bei beiden mein Augenmerk auf die Art der daran vorfindlichen Kausalität richte: wie die Handmühle, so wird auch der despotische Staat durch eine ihn leitende Gewalt beherrscht (153).

Es ist zu beachten, daß durch die symbolische ebenso wie durch die systematische Darstellung, wenn auch noch so indirekt, ein vorhandener Gegenstand erkannt wird. Daß das Symbol, wenigstens in der Kunst, nicht einen Verstandes-, sondern einen Vernunftbegriff darstellt, scheint daran nichts zu ändern. Das Erkennen wird nur vom theoretischen zum "praktischen" modifiziert, oder auch "das theoretische Vermögen mit dem praktischen auf gemeinschaftliche und unbekannte Art zur Einheit verbunden." (154) Später ist zu zeigen, daß die darstellende Einbildungskraft im Dienst der Vernunft keineswegs Seiendes gegenwärtigt, das wie das im theoretischen Erkennen Erkannte nur vorhanden ist.

Außer den genannten Tätigkeiten der Einbildungskraft kennt KANT noch mehrere andere, die alle bloß lose angereiht oder gelegentlich erwähnt werden, aber in keinem systematischen Zusammenhang stehen. So nennt er in der Metaphysik das Vermögen der Ausbildung (155).
    "Wir haben nicht allein ein Vermögen, sondern auch einen Trieb, alles auszubilden und zu vollenden. So wie uns Sachen, Geschichten, Komödien oder dgl. mangelhaft zu sein scheinen, so sind wir unablässig bemüht, es zum Ende zu bringen; man ärgert sich, daß die Sache nicht ganz ist. Dieses setzt ein Vermögen voraus, sich eine Idee des Ganzen zu machen, und die Gegenstände mit der Idee des Ganzen zu vergleichen." (156)
Dieses Vermögen kehrt in den "Reflexionen" (157) wieder als "der Hang auszubilden (perficiendi)". Es bedeutet, daß wir, um etwas zu vollenden, "ausbilden" zu können, schon Ganzheit und Ende verstanden haben müssen. Aus der Idee eines Ganzen heraus sind wir erst in der Lage, die Teile zusammenzufügen. Im Herstellen des Teils ist auch hier wieder die Einbildungskraft sich selbst voraus, insofern sie vom Ganzen her, das sie irgendwie schon "vorhersieht", auf den Teil zurückkommen muß.

Der Gesichtspunkt, daß alle Tätigkeiten der bildenden Kraft willkürlich oder unwillkürlich sein können, führt dann in der Metaphysik noch zur Abgrenzung zweier besonderer willkürlicher Vermögen, des Gedächtnisses und des Dichtkunstvermögens, die wir als Modifizierungen der Nachbildungskraft und der Einbildungskraft im engeren Sinne schon kennengelernt haben (158). Eine unsichere Stellung zur bildenden Kraft nehmen die facultas comparandi und die facultas componendi ein (159).

Die Anthropologie kennt endlich noch, als eine Art des sinnlichen Dichtungsvermögens neben imaginatio plastica und imaginatio associans, die imaginatio affinitatis, die freilich sehr undeutlich bleibt (160). Sie ist nicht nur die willkürliche Abart der imaginatio associans, die "kopulative Einbildungskraft" (161), die die Vorstellungen gemäß ihrer begrifflichen Verwandtschaft assoziiert; vielmehr scheint KANT mit dem Ausdruck "Verwandtschaft" in der Anthropologie den Ursprung der ungleichartigen Geschwister "Verstand" und "Sinnlichkeit" aus einem "gemeinschaftlichen Stamm" bezeichnen zu wollen; die imaginatio affinitatis ist die Einbildungskraft, insofern die in ihr vollzogene Assoziation zwar als freies sinnliches Spiel, aber doch nicht ohne Mitwirkung des Verstandes erfolgt: sie ist "dem Verstand gemäß", obgleich nicht "aus dem Verstand abgeleitet". (162) In der Handschrift hat KANT diese Art des Dichtungsvermögens zuerst als "intellektuelles Dichtungsvermögen" bezeichnet, aber dann diesen Ausdruck wieder gestrichen. Offenbar hat er ihm nicht genügt, da gerade gesagt werden sollte, daß dieses Vermögen sowohl intellektuell als sinnlich ist. KANT bemüht sich, mit Hilfe eines Bildes aus der Chemie die Möglichkeit des Zusammenwirkens der ungleichartigen Geschwister Verstand und Sinnlichkeit verständlich zu machen: wie durch die
    "Wechselwirkung zweier spezifisch verschiedener, körperlicher, innigst aufeinander wirkenden und zur Einheit strebender Stoffe" ein Drittes (das Mittelsalz) entsteht, "was Eigenschaften hat, die nur durch die Vereinigung zweier heterogener Stoffe erzeugt werden können",
so läßt sich auch die Zusammensetzung der Vorstellungen durch die imaginatio affinitatis als "dynamische", d. h. erzeugende verstehen. Im Gegensatz dazu wird die Art der Zusammensetzung der Vorstellungen durch die imaginatio plastica und die imaginatio associans als "mathematisch", d. h. vergrößernd, bezeichnet (163).

Da die imaginatio affinitatis nur als ein Vermögen unter anderen gefaßt wird und die hier berührten Probleme nicht weiter geklärt werden, bleibt dieses Kapitel ohne Einfluß auf die sonstigen Untersuchungen der Anthropologie. Nur gelegentlich, besonders in den zahllosen "pragmatischen" Einzelbemerkungen über die Einbildungskraft, stößt KANT auf das Problem des Verhältnisses der Einbildungskraft zum Verstand, das in dieser rohen Form freilich kaum ein Problem genannt zu werden verdient. Sie ist das Vermögen, welches zwischen Sinnlichkeit und Verstand vermittelt, indem es
    "dem Verstand Stoff unterlegt, um den Begriffen desselben Inhalt (zum Erkenntnisse) zu verschaffen." (164)
Dadurch ist die Einbildungskraft "die Dienerin der anderen Kräfte, des Witzes, des Verstandes etc." Sie
    "ist eine Art von Sinn, der die Gegenstände nach Belieben herbeizaubern oder verjagen, in Helligkeit setzen und verdunkeln kann. Sie idz fir notwendigste aller Erkenntniskräfte nächst den Sinnen, kann aber den Mangel eines derselben nicht ganz ersetzen. Sie ist der Willkür unterworfen." (165)

    "Einbildungskraft und Verstand sind zwei Freunde, die einander nicht entbehren, aber auch einander nicht leiden können, denn immer tut einer dem andern Abbruch. Je allgemeiner der Verstand in seinen Regeln ist, desto vollkommener ist er, will er aber Dinge in concreto betrachten, so kann (er) schlechterdings gar nichts ohne die Einbildungskraft tun." (166)
Wie aber der Dienst zu verstehen ist, den die Einbildungskraft dem Verstand leistet, wird in diesen Zusammenhängen nicht weiter erörtert. Einmal werden Witz und Urteilskraft als abermalige Vermittlung zwischen Verstand und Einbildungskraft eingeführt (167). Die Einbildungskraft als Vermögen der Synthesis des Mannigfaltigen der Empfindung gemäß der Einheit der Apperzeption kommt in der Anthropologie nicht vor.

Die philosophische Bedeutung der anthropologischen Erörterungen der Einbildungskraft kann aus der Anthropologie allein kaum gewürdigt werden. Der Grund wird darin zu suchen sein, daß die kantische Anthropologie bei allem Fortschritt über ihre Vorgänger hinaus doch noch nicht dazu vorgedrungen ist, die Frage nach dem Menschen als einheitlich zu stellen. Hierin ist es auch begründet, daß KANT - mit Recht - seine philosophischen Hauptschriften nicht in einer Anthropologie fundiert. Andererseits ist es nicht zufällig, daß er in ihnen immer wieder auf anthropologische Voraussetzungen rekurrieren muß. Vielleicht wird in den folgenden Interpretationen die Bedeutung einiger wesentlicher Bezüge der Einbildungskraft, die ich aufzuweisen versuchte, klarer werden.

LITERATUR: Hermann Mörchen, Die Einbildungskraft bei Kant, Jahrbuch für Philosophie und phänomenologische Forschung, Bd. 11, Halle/Saale 1930
    Anmerkungen
    1) Vgl. Max Dessoir, Geschichte der neueren deutschen Psychologie, Bd. 1, Von Leibniz bis Kant, Berlin 1894.
    2) A XVIf - Die Kr. d. r. V. wird zitiert nach der Ausgabe von Raymund Schmidt, Leipzig 1926, Philosophische Bibliothek 37a, jedoch mit den Seitenzahlen der 2. (B) bzw. 1. (A) Auflage.
    3) B 117.
    4) B 118.
    5) B 118f.
    6) Als J. W. A. Kosmann ihm 1789 eine psychologische Darstellung der Apriorität der Raumvorstellung vorlegte, wies er sie zurück, indem er scharf zwischen einer psychologischen und transzendentalen Deduktion unserer Vorstellungen unterschieden hat und die erstere für sein Vorhaben als unnötig bezeichnete (vgl. den Briefwechsel, bei Cassirer, Bd. IX, Seite 437 und 438).
    7) vgl. "Kritik der Urteilskraft", § 17, Seite 75f. - Die "Kritik der Urteilskraft" wird zitiert nach der Ausgabe von Karl Vorländer, sechste Auflage, Leipzig 1924, Philosophische Bibliothek, Bd. 39.
    8) in der zweiten und dritten Auflage "physiologische".
    9) Seite 127; vgl. 19; 81, 112f.
    9a) Seite 120 Anm. (A)
    10) Dies gilt von einem Werk von Alois Riehl, Der philosophische Kritizismus, Bd. 1: Geschichte des philosophischen Kritizismus, zweite Auflage, Leipzig 1908. Vgl. Seite 508 mit Anm. und Seite 516. - Nur eine knappe Übersicht gibt Aloys Neukirchen, Das Verhältnis der Anthropologie Kants zu seiner Psychologie, Münchener Dissertation, Bonn 1914, Seite 71-88. - Der Titel des Buches von Jürgen Bona-Meyer, Kants Psychologie, Berlin 1870, ist irreführend, da es nicht Kants psychologische Meinungen darstellt, sondern Kants Meinung über die Psychologie überhaupt.
    11) Hermann Cohen, Kants Theorie der Erfahrung, dritte Auflage, Berlin 1918; Kommentar zu Immanuel Kants Kr. d. r. V., Philosophische Bibliothek, Bd. 113, Leipzig 1907.
    12) Cohen, Kants Begründung der Ästhetik, Berlin 1889.
    13) Alfred Hölder, Darstellung der kantischen Erkenntnistheorie mit besonderer Berücksichtigung der verschiedenen Fassungen der transzendentalen Deduktion der Kategorien, Tübingen 1873.
    14) Hölder, a. a. O., Seite 19
    15) Hölder, a. a. O., Seite 46f
    16) Hölder, a. a. O., Seite 53f
    17) z. B. Hölder, a. a. O., Seite 54, 69
    18) Hölder, a. a. O., Seite 56f
    19) Hölder, a. a. O., Seite 72
    20) J. Mainzer, Die Lehre von der Einbilduhngskraft in Humes und Kants theoretischer Philosophie, Dissertation, Heidelberg 1881.
    21) Jakob Frohschammer, Über die Bedeutung der Einbildungskraft in der Philosophie Kants und Spinozas, München 1879.
    22) Raymund Schmidt, Kants Lehre von der Einbildungskraft. Mit besonderer Berücksichtigung der Kritik der Urteilskraft, Annalen der Philosophie und philosophischen Kritik, Bd. 4, Leipzig 1924, Seite 1 - 41.
    23) Dasselbe wird man vielleicht auch der vorliegenden Untersuchung vorhalten. Diese verdankt in der Tat die grundsätzliche Fragerichtung und die wesentlichen Gesichtspunkte für die Kant-Interpretation durchaus der Philosophie von Martin Heidegger, in dessen Vorlesungen und Übungen ich lernen durfte. Da die Interpretation als phänomenologische gezwungen war, sich außer am Wortlaut Kants auch an den Phänomenen selbst zu orientieren, mag sie in manchem gewaltsam erscheinen. Es ist aber im Sinne Kants, die Phänomene selbst als den einzigen Maßstab für die Wahrheit des Gesagten gelten zu lassen. - Heideggers Interpration Kants war mir vor der Abfassung dieser Arbeit besonders aus seinen Vorlesungen über Logik (Marburg, Winter 1925/26) und über die Kr. d. r. V. (Marburg, Winter 1927/28) bekannt. Inzwischen ist sein Buch "Kant und das Problem der Metaphysik" (Bonn 1929) erschienen, dessen dritter Abschnitt (Seite 119f) die eigentlich philosophische Interpretation des Problems der Einbildungskraft in der Kr. d. r. V. enthält.
    24) Frohschammer, Die Phantaise als Grundprinzip des Weltprozesses, München 1877.
    25) Schmidt, a. a. O., Seite 20
    26) Schmidt, a. a. O., Seite 26-28
    27) Schmidt, a. a. O., Seite 14
    28) Schmidt, a. a. O., Seite 16
    29) Schmidt, a. a. O., Seite 40 und 41
    30) Schmidt, a. a. O., Seite 41
    31) zum Beispiel Kr. d. r. V. (Ausgabe B) Seite 233
    32) So "Kritik der Urteilskraft", Seite 112.
    33) Kant, "Anthropologie etc.", Seite 66
    34) Ich zitiere nach der Ausgabe von Karl Vorländer, fünfte Auflage, Leipzig 1912, Philosophische Bibliothek, Bd. 44. Zu den Daten vgl. Vorländers Einleitung, Seite IXf.
    35) Starcke, Immanuel Kants Menschenkunde oder philosophische Anthropologie, Leipzig 1831.
    36) Kowalewski, Die philosophischen Hauptvorlesungen Immanuel Kants, München und Leipzig 1924, nach Kollegheften des Grafen Heinrich zu Dohna-Wundlacken.
    37) Erdmann, Reflexionen Kants zur kritischen Philosophie, 2 Bände, Leipzig 1882 und 1884. Erster Band: Reflexionen zur Anthropologie. - Kants gesammelte Schriften, hg. von der kgl. Preußischen Akademie der Wissenschaften, 3. Abteilung.: Kants handschriftlicher Nachlaß, Bd. II: Anthropologie, Berlin 1913. - Einzelnes findet sich auch bei Rudolf Reicke, Lose Blätter aus Kants Nachlaß, Königsberg 1889-98, 3 Hefte.
    38) Vgl. in der gleich zu nennenden Ausgabe der Metaphysik von Pölitz, Seite 19 und 128-130; ferner Kr. d. r. V. (B) Seite 876f.
    39) Karl Heinrich Ludwig Pölitz (Hg), Immanuel Kants Vorlesungen über die Metaphysik, Erfurt 1821, anonym.
    40) Erdmann, Eine unbeachtet gebliebene Quelle zur Entwicklungsgeschichte Kants, Philosophische Monatshefte, Bd. XIX, 1883, Seite 129-144.
    41) Max Heinze, Vorlesungen Kants über Metaphysik aus drei Semestern, Abhandlung der kgl. sächsischen Gesellschaft der Wissenschaften, philologisch-historische Klasse, Bd. 14, Nr. 6, Leipzig 1894, Seite 481-728. Vgl. besonders Seite 516f.
    42) vgl. Raymund Schmidt, a. a. O., Seite 5 - 16.
    43) Christian Wolff, Vernünftige Gedanken von Gott, der Welt und der Seele des Menschen, Frankfurt und Leipzig 1729, §§ 229f und § 821.
    44) Wolff, Psychologia empirica, Frankfurt und Leipzig 1732, §§ 91 - 231.
    45) Baumgarten, Metaphysik, siebte Ausgabe, Halle 1779, §§ 557 - 571, 579 - 605 und 610 - 623.
    46) Vgl. Neukirchen, a. a. O., Seite 31f.
    47) "Metaphysik", hg. von Pölitz, Seite 192 - 195. Vgl. auch Kr. d. r. V. (B) Seite 676 - 678; Über den Gebrauch teleologischer Prinzipien in der Philosophie, 1788 (Cassirer, Werke IV, Seite 511 - 513.
    48) Anthropologie etc., a. a. O., § 7, Seite 29.
    49) Anthropologie etc., a. a. O., § 7, Seite 29f.
    50) Anthropologie etc., a. a. O., § 40, Seite 106
    51) Anthropologie etc., a. a. O., § 7, Seite 30, Anm.
    52) Anthropologie etc., a. a. O., §§ 8 -11, Seite 33 - 37
    53) Kr. d. r. V. (B) Seite 29.
    54) Eine Andeutung findet sich auch in der transzendentalen Methodenlehre: es ist die Rede von der "allgemeinen Wurzel unserer Erkenntniskraft", die sich "teil und zwei Stämme auswirft, deren einer Vernunft ist", d. h. "das ganze obere Erkenntnisvermögen" (B 863). So weit stimmt diese Stelle mit der anderen (B 29) überein; nicht dazu zu passen scheint, daß die Scheidung des oberen und unteren Erkenntnisvermögens mit der des Rationalen und Empirischen gleichgesetzt wird. Vaihinger (Kommentar zur Kr. d. r. V., Bd. 1, Stuttgart 1881, Seite 485) meint daher, es handle sich an beiden Stellen lediglich um eine Übereinstimmung des Wortlauts. Doch daß Kant hier das Rationale, Nicht-Empirische, mit dem oberen Erkenntnisvermögen, also mit dem Logischen identifiziert, entspricht nur seiner allgemeinen Tendenz, die wesentliche Bestimmung des Subjekts in der transzendentalen Apperzeption, abgesehen selbst von der reinen Anschauung (der Zeit), zu sehen. Wenn Kant also hier von einer Teilung der allgemeinen Wurzel unserer Erkenntniskraft redet, dann meint er zwar ursprünglich Sinnlichkeit und Verstand (Vernunft); doch ordnet er die reine Sinnlichkeit stillschweigend dem oberen Erkenntnisvermögen ein bzw. unterem.
    55) Anthropologie etc., a. a. O., § 15, Seite 46
    56) Kants handschriftlicher Nachlaß (Akademie-Ausgabe), Bd. II, Nr. 225 (= Erdmann, Reflexionen I, Nr. 64).
    57) ebd. Nr. 342 (= Reflexionen I, Nr. 127) - So auch im Metaphysikheft des Grafen Dohna, Seite 593.
    58) Kr. d. r. V. (A) 100, (B) 151.
    59) Wolff, Psychologia emmpirica, § 92.
    60) Wolff, Vernünftige Gedanken etc." a. a. O., § 235. Vgl. auch Baumgarten, Metaphysik, §§ 557f, wo sie phantasia heißt.
    61) Handschriftlicher Nachlaß, Bd. II, Nr. 619 (= Reflexionen II, Nr. 315)
    62) ebd. Nr. 650 (= Reflexionen II, Nr. 318)
    63) Reicke, a. a. O., 2. Heft, Seite 155, Blatt E 41.
    64) Pölitz, a. a. O., Seite 140f.
    65) Pölitz, a. a. O., Seite 140.
    66) Pölitz, a. a. O., Seite 149.
    67) Dohna, Anthropologie, Seite 106
    68) a. a. O., § 28, Seite 66
    69) a. a. O., § 28, Seite 66f.
    70) Handschriftlicher Nachlaß, Bd. II, Nr. 341 (= Reflexionen I, Nr. 124)
    71) Besonders, und wohl in Kants Sinne, denen gegenüber, die sie und somit das Grundvermögen des Subjekts überhaupt als reine Spontaneität interpretieren möchten (So Schmidt, a. a. O., Seite 25f).
    72) Vgl. Wolff, Psychologia empirica, § 106: Sine praevia sensatione nullum in anima phantasma oriri potest. [Ohne vorherige Empfindung kann in der Seele kein Phantasma entstehen. - wp]
    73) zum Beispiel "Anthropologie etc.", a. a. O., § 57, Seite 146; Dohna, Anthropologie, Seite 106, beidemal im Zusammenhang mit der Lehre vom Genie.
    74) vgl. Neukirchen, a. a. O., Seite 85
    75) Pölitz, a. a. O., Seite 144f.
    76) Erdmann, Reflexionen I, Nr. 118
    77) a. a. O., Nr. 117
    78) Pölitz, a. a. O., Seite 141
    79) Pölitz, Seite 153. - Wolff, der die scharfe kantische Scheidung von Sinnlichkeit und Verstand als Rezeptivität und Sponeität nicht kennt und wie Leibniz nur einen Gradunterschied (Dunkelheit und Klarheit) zwischen beiden sieht, hat keine solche Mühe, die Einbildungskraft im psychologischen Schema zu lokalisieren. Da die Vorstellungen der Einbildungskraft ja noch weniger klar sind als die der Sinne, gehört sie selbstverständlich zum unteren Erkenntnisvermögen, was zugleich eine Abwertung in sich schließt. (Vgl. "Psychologia empirica", § 94 - 103, besonders § 96; "Metaphysik", § 236; ferner Baumgarten, "Metaphysik", § 570) Sie hat also als empirisches Vermögen keinerlei Eignung, etwa wie in der Kr. d. r. V. zwischen dem oberen und dem unteren Erkenntnisvermögen zu vermitteln. Wohl aber kommt das metaphysische Problem des Verhältnisses von Rezeptivität und Spontaneität in der rationalen Psychologie zur Geltung: "Die Einbildungen werden bald unter die Leidenschaften (d. h. zur Passivität), bald unter die Taten gerechnet ... In der Tat aber erweist sich die Seele bei allen Einbildungen als ein tätiges Wesen, indem sie von der Seele durch ihre eigene Kraft hervorgebracht werden und daher den Grund, warum sie entstehen, in der Seele haben, und solchergestalt nicht anders als für Taten der Seele können gehalten werden." (Metaphysik, § 821)
    80) Brief an den Fürsten von Beloselsky, 1792 (Werke X, Cassirer-Ausgabe, Seite 140-143).
    81) Dohna, Metaphysik, Seite 594.
    82) ebd. Seite 595
    83) Starcke, a. a. O., Seite 106.
    84) Die Tätigkeit der produktiven Einbildungskraft im anthropologischen Sinn (facultas fingendi) wird bei Wolff so bestimmt: "Perceptiones partiales diversorum entium compositorum pro arbitrio combinare valemus, subjecto quoque imaginatio tribuere potest modos in eo (sc. subjecto) sensu nondum a nobis perceptos, perceptos tamen antea in aliis subjectis, modo eidem non repugnent, ut prodeat phantasma entis sensu nondum percepti." (Psychologia empirica, § 141)
    85) Anthropologie etc. § 28, Seite 66
    86) Vgl. Wolff, Psychologia empirica, § 172
    87) Handschriftlicher Nachlaß, Bd. II, Nr. 338 (= Reflexionen I, Nr. 120)
    88) ebd. Nr. 337 (= Reflexionen I, Nr. 121)
    89) ebd. Nr. 334 (= Reflexionen I, Nr. 122)
    90) ebd. Nr. 340 (= Reflexionen I, Nr. 123)
    91) Anthropologie etc. § 28, Seite 66.
    92) Dohna, Anthropologie, Seite 106. So auch Starcke, Seite 108.
    93) Handschriftlicher Nachlaß, Bd. II, Nr. 370 (= Reflexionen I, Nr. 171)
    94) Anthropologie etc., § 28, Seite 66
    95) Dohna, Anthropologie, Seite 106
    96) Handschriftlicher Nachlaß, Bd. II, Nr. 352 (= Reflexionen I, Nr. 128)
    97) Dohna, Metaphysik, Seite 596.
    98) Handschriftlicher Nachlaß, Bd. II, Nr. 334 (= Reflexionen I, Nr. 122). - Wolff, Psychologia empirica, §§ 176f; Metaphysik §§ 250 - 252) verwirft die Definition des Gedächtnisses (memoria) als eines receptaculum idearum, indem er einerseits auf die bloße Bildlichkeit einer solchen Vorstellung von einem Behälter für Ideen hinweist, andererseits aber betont, daß dieses Aufbewahren durch die imagination geschieht, die nicht mit der memoria verwechselt werden darf. Imaginatio ist facultas reproducendi, memoria dagegen "facultas recognoscendi".
    99) Pölitz, a. a. O., Seite 141
    100) ebd. Seite 149. Vgl. Starcke, Seite 188. - Raymund Schmidt, a. a. O., Seite 7, vermißt hier ein psychologisches Einteilungsprinzip und bezeichnet die Aufteilung nach den Richtungen der Zeit als "rein formal". Gleichwohl findet er "in dieser oberflächlichen Verbindung der Einbildungskraft mit dem Zeitbegriff das Urstadium zu jener Lehre der Kr. d. r. V. ..., nach welcher die Zeit die eigentliche Domäne der transzendentalen Einbildungskraft ist." Er sagt nichts darüber, daß die Einbildungskraft ihrem Wesen nach mit der Zeit zu tun hat.
    101) Starcke, a. a. O., Seite 139.
    102) Pölitz, a. a. O., Seite 149f.
    103) Da die Abbildungskraft in der vorkantischen Psychologie zu fehlen scheint, steht diese Erörterung wohl in einem direkten Zusammenhang mit dern neuen "psychologischen" Einsicht von der Einbildungskraft als einem "notwendigen Ingredienz [Zutat - wp] der Wahrnehmung", Krd. r. V. (A) Seite 120 Anm. Erst J. G. E. Maaß (Versuch über die Einbildungskraft, Halle/Saale 1792) betont dann, und zwar ohne sich auf Kant zu berufen, daß die Einbildungskraft schon bei der Entstehung der Empfindungen selbst mitwirkt (Seite 4f), ohne freilich die philosophische Bedeutung dieser Erkenntnis zu sehen.
    104) Handschriftlicher Nachlaß, Bd. II, Nr. 313a, 314, 315 (= Reflexionen I, Nr. 142, 134, 136).
    105) a. a. O., Nr. 314 (= Reflexionen I, Nr. 134)
    106) a. a. O., Nr. 315 (= Reflexionen I, Nr. 136).
    107) Dieses Beispiel des Zuschauers gibt zwar das Phänomen des bloßen Betrachtens nicht ganz rein - es ist ein Übergangsphänomen zwischen umsichtiger Auslegung und Aussage über Vorhandenes (vgl. Heidegger, Sein und Zeit, erste Hälfte, Halle/Saale 1927, § 33, Seite 158) -, macht aber gerade dadurch den abkünftigen Charakter dieses Phänomens deutlich.
    108) Pölitz, a. a. O., Seite 150. - Vgl. Wolff, Psychologia empirica, §§ 173 - 233 (De memoria, oblivione et reminiscentia) und Baumgarten, Metaphysik, §§ 579 - 588 (Memoria).
    109) Anthropologie etc., § 34, Seite 86f.
    110) Anthropologie etc. § 31, Seite 78.
    111) a. a. O., § 37, Seite 98.
    112) Anthropologie etc. § 31, Seite 78f. Ähnlich Starcke, a. a. O., Seite 109 - 111. - Man vergleiche mit Kants spärlichen Andeutungen die weitschweifigen Untersuchungen über das Assoziationsgesetz und die damit zusammenhängenden Frage der empiristischen Psychologie bei Wolff und Baumgarten sowie bei Tetens, Philosophische Versuche über die menschliche Natur und ihre Entwicklung, Leipzig 1777, und gar bei Maaß, a. a. O.
    113) Fehlt bei Wolff. Baumgarten erörter praevisio (Metaphysik §§ 595 - 605) und praesagitio (das Vermögen, das Zukünftige zu erwarten, §§ 610 - 618) in verschiedenen Abschnitten. Beide verhalten sich zueinander wie phantasia (Reproduktion) zu memoria (Rekognition) (§ 611).
    114) Pölitz, a. a. O., Seite 151.
    115) Handschriftlicher Nachlaß, Bd. II, Nr. 225 (= Reflexionen I, Nr. 64)
    116) Aus Erläuterungen zu Baumgartens "Metaphysik", 1756, bei Reicke Blatt C 9, 1. Heft, Seite 156.
    117) ebd. Seite 157
    118) Anthropologie etc., § 35, Seite 92
    119) ebd.
    120) ebd. § 36, Seite 96
    121) Anthropologie etc. § 35, Seite 91f; vgl. Handschriftlicher Nachlaß, Bd. II, Nr. 389 (= Reflexionen I, Nr. 183)
    122) Starcke, a. a. O., Seite 188f.
    123) Dohna, Anthropologie, Seite 126. - Die Zeitlichkeit als Zukunft bleibt für Kant ein Problem: "Das Künftige ist der (fortgesetzte) Lauf der Welt: Des Vergangenen und Gegenwärtigen, nur im Nebel. Nur die Zukunft scheint uns wichtig. Woher mag das kommen und was mag es bedeuten?" (Handschriftlicher Nachlaß, Bd. II, Nr. 389 (= Reflexionen I, Nr. 183).
    124) vgl. Starcke, Seite 114.
    125) Starcke, a. a. O., Seite 140.
    126) Handschriftlicher Nachlaß, Bd. II, Nr. 390 (= Reflexionen I, Nr. 155)
    127) PÖLITZ, a. a. O., Seite 151f
    128) Für Raymund Schmidts (a. a. O., Seite 8) Vermutung, diese Einteilung (er rechnet auch die nachher zu besprechende "Ausbildung" mit hinzu) habe "eine räumliche Nuance", findet sich bei Kant keinerlei Andeutung. Kant denkt wohl gar nicht an eine eigentliche Einteilung. Schmidt sagt: "Wir haben es offenbar mit einem Vorstadium jener Lehre der Transzendentalphilosophie zu tun, die auch den Raum zu einer Domände der Einbildungskraft macht." Damit bringt er gewaltsam Raum und Zeit in eine äußerliche Parallelität, während Kant einen Primat der Zeit über den Raum kennt. Freilich können die räumlichen Charaktere des Ein, Gegen, Aus nicht zufällig sein; doch schließen sie einen zeitlichen Sinn auch dieser Funktionen der Einbildungskraft nicht aus.
    129) Vgl. auch Handschriftlicher Nachlaß, Bd. II, Nr. 344 (= Reflexionen I, Nr. 137).
    130) vgl. Pölitz, Seite 151.
    131) Pölitz, Seite 152.
    132) Pölitz, Seite 153.
    133) Dohna, Anthropologie, Seite 117.
    134) ebd. Seite 118
    135) Kant, Anthropologie etc. § 31, Seite 76
    136) a. a. O., § 31, Seite 76f.
    137) Wolff, Psychologia empirica, §§ 148 - 151.
    138) Der Terminus "Erfindung" ist darum ursprünglicher als "Komposition". - Die Einbildungskraft, die Kant in der rationalen Psychologie den Tieren zuspricht, ist offenbar von hier aus zu verstehen. Wenn er die nur sinnliche und nicht vernünftige Tierseele bestimmt sein läßt durch Einbildungskraft, dann meint er diejenige, die ein herstellendes Verhalten ermöglicht, wie wir es z. B. bei Spinnen beobachten. Obwohl wir bei Tieren ein Vorstellungsvermögen voraussetzen müssen, sind wor doch "gar nicht genötigt, bei den Tieren Überlegung anzunehmen, sondern wir können das alles aus der bildenden Kraft herleiten. Wir eignen demnach diesen Wesen ein Empfindungsvermögen, Imagination usw. zu, aber alles nur sinnlich als unteres Vermögen, und nicht mit Bewußtsein verbunden". (Pölitz, Seite 220f. Vgl. Dohna, Anthropologie, Seite 126; Metaphysik, Seite 616. Ferner Wolff, Metaphysik, §§ 789, 794, 869 - 872, 888 -898, 901, 921 - 927; Baumgarten, Metaphysik, §§ 792 - 795).
    137) Valeur du mot "principe" etc. Rev. de. Mét. et de Mor. 1906, Seite 446
    138) Note sur l'ideé d'existence, a. a. O., Seite 69; Valeur du mot etc., a. a. O., Seite 446
    139) Pölitz, Seite 152
    140) vgl. Wolffs "significatus hieroglyphicus", Psychologia empirica, §§ 151f und Baumgartens "facultas characteristica", Metaphysik, §§ 619 - 623.
    141) Pölitz, Seite 152; Starcke, Seite 195; Dohna, Anthropologie, Seite 129; Metaphysik, Seite 596; Handschriftlicher Nachlaß, Bd. II, Nr. 3131a, 314, 344 (= Reflexionen I, Nr. 142, 134, 137).
    142) Pölitz, Seite 141.
    143) Anthropologie etc., § 38f, Seite 98 - 106.
    144) Anthropologie etc., § 38, Seite 98.
    145) Über Zeichen überhaupt vgl. Heidegger, a. a. O., § 17, Seite 76f.
    146) Starcke, Seite 196 und 200.
    147) Anthropologie etc., § 39, Seite 100.
    148) Zum Beispiel Anthropologie etc., § 38, Seite 99; auch in einer von Erdmann mitgeteilten Stelle aus einer in Königsberg befindlichen Nachschrift von Kants Metaphysikkolleg, die von der sonst parallel gehenden, aber hier textlich verwirrten Ausgabe von Pölitz abweicht (siehe Philosophische Monatshefte, Bd. 19, 1883, Seite 133, Anm. 1.
    149) Kritik der Urteilskraft, § 59, Seite 211 - 213.
    150) ebd. Seite 211.
    151) Freilich wird zwischen Bild und Zeichen nicht streng geschieden.
    152) Kritik der Urteilskraft, Seite 212
    153) vgl. ebd. Seite 212
    154) Vgl. die Erörterung der Symbolisierung des Sittlich-Guten durch das Schöne, ebd. Seite 213 - 215.
    155) Eine Entsprechung bei Wolff und Baumgarten fehlt.
    156) Pölitz, Seite 152f.
    157) Handschriftlicher Nachlaß, Bd. II, Nr. 313a (= Reflexionen I, Nr. 142).
    158) Pölitz, Seite 153; Handschriftlicher Nachlaß, Bd. II, Nr. 373, 339 (= Reflexionen I, Nr. 175, 177).
    159) Vgl. Pölitz Seite 141 und 164. Erstere erscheint einmal unter den "nicht in Zeit" objektiv bestimmenden Tätigkeiten der Einbildungskraft (Handschriftlicher Nachlaß, Bd. II, Nr. 344 (= Reflexionen I, Nr. 137).
    160) Anthropologie etc., § 31 C, Seite 79f.
    161) Handschriftlicher Nachlaß, Bd. II, Nr. 326 (= Reflexionen I, Nr. 154).
    162) Anthropologie etc. Seite 80.
    163) Seite 80 mit Anm.
    164) Anthropologie etc., § 28, Seite 68f.
    165) Handschriftlicher Nachlaß, Bd. II, Nr. 370 (= Reflexionen I, Nr. 170).
    166) Dohna, Logik, Seite 413. Dasselbe von Verstand und Sinnlichkeit: Dohna, Anthropologie, Seite 118f.
    167) Handschriftlicher Nachlaß, Bd. II, Nr. 477 (= Reflexionen I, Nr. 284).