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HERMANN MÖRCHEN
Die Einbildungskraft bei Kant
[2/2]

"Nun ist offenbar, daß, wenn ich eine Linie in Gedanken ziehe, oder die Zeit von einem Mittag zum andern denke, oder auch nur eine gewisse Zahl mir vorstellen will, ich erstens notwendig eine dieser mannigfaltigen Vorstellungen nach der andern in Gedanken fassen muß. Würde ich aber die vorhergehende (die ersten Teile der Linie, die vorhergehenden Teile der Zeit, oder die nacheinander vorge- stellten Einheiten) immer aus den Gedanken verlieren, und sie nicht reproduzie- ren, indem ich zu den folgenden fortgehe, so würde niemals eine ganze Vorstellung, und keiner aller vorgenannten Gedanken, ja gar nicht einmal die reinsten und ersten Grundvorstellungen von Raum und Zeit entspringen können."

"Vergesse ich im Zählen, daß die Einheiten, die mir jetzt vor Sinnen schweben, nach und nach zueinander von mir hinzugetan worden sind, so würde ich die Erzeugung der Menge, durch diese sukzessive Hinzutuung von Einem zu Einem, folglich auch nicht die Zahl erkennen; denn dieser Begriff besteht lediglich im Bewußtsein der Einheit der Synthesis."

2. Abschnitt
Die Einbildungskraft in der
Kritik der reinen Vernunft


1. Die Einbildungskraft in der transzendenten
Deduktion der reinen Verstandesbegriffe

In der Kr. d. r. V. und der Kritik der Urteilskraft wird die Einbildungskraft nicht so wie in der Anthropologie zum thematischen Gegenstand. Sie taucht in verschiedenen Zusammenhängen plötzlich auf, oft ohne ausdrücklich eingeführt zu werden; ihr Wesen bleibt trotz gelegentlicher Definitionen dunkel. Obwohl KANT sie kaum ausdrücklich zum Thema gemacht hat, kann man doch auch nicht sagen, daß er kein Interesse an ihr gehabt hat. Sie ist ihm aufgestoßen und zum Problem geworden, ohne daß er mit ihr zurande gekommen wäre. Er scheint darauf zu verzichten, das Dunkel aufzuhellen, und scheint dies auch für den nächsten Zweck seiner Untersuchung nicht für unbedingt nötig zu halten. Immerhin kann gesagt werden, daß die Frage nach der Einbildungskraft nicht an einem für KANT gleichgültigen Punkt ansetzt. Doch muß sich erst zeigen, daß sie eng mit KANTs zentralen Problemen verknüpft ist und sich aus seiner eigenen Fragestellung ergibt.

Die Untersuchung der Einbildungskraft in der Kr. d. r. V. folgt zunächst der zweiten Auflage. Doch wird sich zeigen, daß neben ihr die erste Auflage nicht nur vielfach mit heranzuziehen, sondern auf diese sogar in gewissem Sinn ein besonderes Gewicht zu legen ist. Zur berücksichtigen sind ferner in einem besonderen Kapitel wichtige Äußerungen aus der Zeit der Entstehung der Kritik.


a) Nach der 2. Auflage

Von wenigen unwesentlichen Stellen abgesehen, erscheint die Einbildungskraft zuerst im Abschnitt "Von den reinen Verstandesbegriffen oder Kategorien", der noch beiden Auflagen gemeinsam ist. Die transzendentale Ästhetik hat Raum und Zeit als die "Bedingungen der Rezeptivität unseres Gemüts" (1) herausgestellt. Jetzt sind die Bedingungen der Spontaneität zu erörtern. In Raum und Zeit ist ein Mannigfaltiges der reinen Anschauung a priori gegeben; die Spontaneität unseres Denkens nun
    "erfordert es, daß dieses Mannigfaltige zuerst auf gewisse Weise durchgegangen, aufgenommen und verbunden wird, um daraus eine Erkenntnis zu machen. Diese Handlung nenne ich Synthesis." (2)
Es wird nun zwischen einer Synthesis überhaupt und dem Vermögen, sie auf Begriffe zu bringen, unterschieden:
    "Die Synthesis überhaupt ist, wie wir künftig sehen werden, die bloße Wirkung der Einbildungskraft, einer blinden, obgleich unentbehrlichen Funktion der Seele, ohne die wir überall gar keine Erkenntnis haben würden, der wir uns aber selten nur einmal bewußt sind. Allein, diese Synthesis auf Begriffe zu bringen, das ist eine Funktion, die dem Verstand zukommt, und wodurch er uns allererst die Erkenntnis in eigentlicher Bedeutung verschafft." (3)
Man ist geneigt, diese Stelle psychologisch zu interpretieren und die Einbildungskraft als die unbewußte oder unterbewußte, den Verstand als die bewußte Handlung unseres Denkens zu verstehen. Doch eine derartige ontische Feststellung liegt KANT ganz fern; er will hervorheben, daß die Einbildungskraft zu den Selbstverständlichkeiten gehört, über die die ontologische Untersuchung leicht hinwegsieht und die sie nur selten thematisch in den Blick zwingt (4).

In KANTs Handexemplar der 1. Auflage (5) findet sich jedoch zu der Stelle "der Einbildungskraft, einer blinden, obgleich unentbehrlichen Funktion der Seele" die Abänderung: "der Einbildungskraft, einer Funktion des Verstandes". Wahrscheinlich hat KANT in der 2. Auflage so ändern wollen; es ist dann doch unterblieben. In der Tat steht wie auch ERDMANN bemerkt, die Veränderung im Zusammenhang mit den Differenzen der neubearbeiteten Deduktion der reinen Verstandesbegriffe in der 2. Auflage. Die Einbildungskraft, die wir aus der Anthropologie als ein selbständiges, zur Sinnlichkeit gehöriges Vermögen kennen, wird hier zu einer bloßen "Funktion des Verstandes". Es ist im Sinne der 2. Auflage, an die ich mich zunächst halte, die angeführte Stelle nach dieser Lesart zu interpretieren. Denn wenn wir weiterlesen, begegnet als Vermögen der Synthesis keineswegs eine besondere Einbildungskraft, sondern der Verstand, und zwar zunächst der Verstand schlechthin, ohne jede Modifikation.
    "Allein die Verbindung (conjunctio) eines Mannigfaltigen überhaupt kann niemals durch Sinne in uns kommen, und kann also auch nicht in der reinen Form der sinnlichen Anschauung zugleich mit enthalten sein; denn sie ist ein Aktus der Spontaneität der Vorstellungskraft, und da man diese, zum Unterschied von der Sinnlichkeit, Verstand nennen muß, so ist alle Verbindung, wir mögen uns ihrer bewußt werden oder nicht, es mag eine Verbindung des Mannigfaltigen der Anschauung, oder mancherlei Begriffe, und an der ersteren der sinnlichen, oder nicht sinnlichen Anschauung sein, eine Verstandeshandlung, die mit der allgemeinen Benennung Synthesis belegt wird." (6)
Dementsprechend kann KANT die transzendentale Deduktion zunächst durchführen, ohne auf die Einbildungskraft Bezug zu nehmen. Zu beachten ist dabei, daß er die prinzipielle Doppelung des gesamten Vorstellungsvermögens in Rezeptivität und Spontaneität voraussetzt. Die Synthesis scheint dann auf die Seite der Spontaneität zu gehören und führt auf die Einheit der transzendentalen Apperzeption als die in ihr selbst enthaltene Voraussetzung: Synthesis bedarf des Hinblicks auf eine Einheit überhaupt, die so etwas wie Verbindung möglich macht. Nun wird die Anschauung zuerst ansich betrachtet und als Rezeptivität von aller Spontaneität unterschieden, ihr also auch jegliche Synthesis abgesprochen; andererseits aber kann sie Erkenntnis, d. h. ihre Vorstellungen können auf einen Gegenstand bezogen seine (objektive "Gültigkeit" haben): von da aus wird nachgewiesen, daß sie eine notwendige Beziehung zum Vermögen der Synthesis und zur transzendentalen Apperzeption hat und dadurch den Kategorien untersteht (7).

Hiermit ist freilich erst der Anfang einer Deduktion der Kategorien gemacht; vielleicht dient nun die Einbildungskraft zu ihrer Vervollständigung? KANT hat bisher davon abstrahiert, daß unsere Anschauung eine sinnliche ist, daß uns Erscheinungen nur unter der Form von Raum und Zeit gegeben sind. Er hat nur gezeigt, daß alle nicht-intellektuelle Anschauung, gleichgültig ob sie sinnlich ist oder wie auch immer, notwendig unter der Einheit der transzendentalen Apperzeption steht, wenn sie für uns überhaupt etwas bedeuten soll. Die Absicht der Deduktion wird jedoch erst erreicht sein, wenn gezeigt ist, daß die Einheit unserer sinnlichen Anschauung diejenige ist, welche die transzendentale Apperzeption dem Mannigfaltigen einer gegebenen Anschauung überhaupt vorschreibt (8) Doch auch diese Ergänzung der Deduktion führt KANT ohne Bezugnahme auf die Einbildungskraft durch. Er zeigt unter Hinweis auf die transzendentale Ästhetik, daß die Bestimmung des Mannigfaltigen in Raum und Zeit in der empirischen Apprehension [Zusammenfassung - wp] schon Raum und Zeit als bestimmbar gemäß der Einheit der transzendentalen Apperzeption, d. h. als formale Anschauungen (nicht nur Formen der Anschauung) voraussetzt (9). In diesen Zusammenhängen spielt die Einbildungskraft für die Beweisführung keine Rolle, sondern erscheint nur gelegentlich als empirisches Vermögen der Apprehension und der reproduktiven Assoziation, das die apriorischen Formen von Sinnlichkeit und Verstand voraussetzt, selbst aber keine transzendentale Bedeutung beanspruchen kann. (10)

Kann so sehr der wesentliche Gedankengang der Deduktion scheinbar zu Ende geführt werden, ohne daß auf die Einbildungskraft Bezug genommen werden muß, so sind die Paragraphen 24 und 25, wo ihr dennoch eine transzendentale Bedeutung zuerkannt wird, offenbar nur eine mehr nebensächliche Ergänzung. Dieser Ansicht ist z. B. ERDMANN:
    "Die Lehre von der Synthesis, die in der 1. Auflage den eigentlichen Kern der Argumentation bildet, wird hier nur anhangsweise in die Besprechung der Theorie des inneren Sinns eingeschoben (§ 24), und auch hier nicht im Zusammenhang behandelt." (11)
In der Tat scheint sich die Sachlage dem nüchternen historischen Blick so darzustellen, insbesondere wenn man einfach objektiv die beiden Auflagen miteinander vergleicht.

Der Paragraph 24 ist überschrieben: "Von der Anwendung der Kategorien auf Gegenstände der Sinne überhaupt". Offenbar genügt es also nicht, daß das Vorhandensein einer notwendigen Beziehung zwischen dem Mannigfaltigen der Sinne und der transzendentalen Apperzeption bewiesen wird; die reinen Verstandesbegriffe müssen auch auf Raum und Zeit "angewandt" werden. Das Augenmerk ist daher auf diese "Anwendung" zu richten. Die Erörterung soll den Paragraphen 26, der die Deduktion vollständig macht, vorbereiten; denn KANT geht hier dazu über, die Beziehung der Kategorien auf das Mannigfaltige unserer sinnlichen Anschauung darzulegen. Bisher erschienen die Kategorien als "bloße Gedankenformen, wodurch noch kein bestimmter Gegenstand erkannt wird." (12) Zwar war die Einheit der transzendentalen Apperzeption als eine a priori synthetische charakterisiert worden, was die Voraussetzung in sich schloß, daß dem spontanen Vermögen überhaupt ein Mannigfaltiges gegeben sein muß (13). Doch hatte KANT, gemäß der von vornherein angesetzten Trennung von Rezeptivität und Spontaneität, davon absehen können gemeint, daß dieses mögliche Gegebene das Mannigfaltige von Raum und Zeit ist; er hatte die Synthesis des Verstandes für sich genommen, bloß in Beziehung auf die Einheit der Apperzeption, und sie folglich als "nicht allein transzendental, sondern auch bloß rein intellektuell" charakterisiert (14). Nun kommt er auf das Ergebnis der transzendentalen Ästhetik, daß in uns eine Form der sinnlichen Anschauung, Raum und Zeit, a priori zugrunde liegt, zurück und stellt nachträglich eine Beziehung zwischen den apriorischen Formen der Sinnlichkeit und des Verstandes her. Daß das Mannigfaltige des inneren Sinnes, auf das die Synthesis des Verstandes "angewandt" wird, gerade in der Form der Zeit gegeben ist, ist zufällig und nicht weiter herleitbar (15). Das Mannigfaltige könnte ansich auch in einer anderen Form gegeben sein. Dieser konstruktive und unphänomenologische Ansatz KANT ruht auf der dogmatischen Voraussetzung, daß das Ich der Apperzeption nichts mit der Zeit zu tun hat. Doch darf man nicht übersehen, daß bei KANT die Phänomene selbst doch immer wieder ihr Recht zu behaupten suchen. So wurde schon die Beliebigkeit der Form der Anschauung insofern eingeschränkt, als die Anschauung als nicht-intellektuelle bestimmt wurde; das Mannigfaltige muß, ob sinnlich oder anders, doch jedenfalls gegeben sein. Man darf in KANTs Ablehnung der intellektuellen Anschauung über dem Negativen - der Kritik an der traditionellen Metaphysik - nicht übersehen, was damit positiv zur Charakteristik des "Subjekts" gesagt ist: daß nämlich zu seinem Wesen gehört, daß ihm Seiendes gegeben wird. Dieses Positive wird aber noch deutlicher, wenn wir nun fragen, warum KANTs Erörterung der Beziehung zwischen den apriorischen Formen der Rezeptivität und Spontaneität sich nicht auf den Beweis § 26 beschränkt. Genügt es denn nicht, wenn bewiesen ist, daß die Formen der sinnlichen Anschauung, wenn dadurch überhaupt Erkanntes gegeben werden soll, unter der Einheit der Apperzeption stehen muß? Wenn KANT, insbesondere in § 24 mit Hilfe des Phänomens der Einbildungskraft, darüber hinaus noch eine nähere Bestimmung des Charakters dieser Beziehung zu geben sucht, so ist das vielleicht ein Hinweis darauf, daß die bisherige Kennzeichnung der Absicht der transzendentalen Deduktion zu formal war. Wir haben nun zunächst KANTs Darstellung zu folgen.

Die a priori auf das Mannigfaltige der Zeit (und mittels ihrer des Raumes) angewandte Synthesis unterscheidet KANT als figürliche von der rein intellektuellen Synthesis.
    "Diese Synthesis des Mannigfaltigen der sinnlichen Anschauung, die a priori möglich und notwendig ist, kann figürlich (synthesis speciosa) genannt werden, zum Unterschied von derjenigen, welche in Anbetracht des Mannigfaltigen einer Anschauung überhaupt in der bloßen Kategorie gedacht würde und Verstandesverbindung (synthesis intellectualis) heißt; beide sind transzendental, nicht bloß weil sie selbst a priori vorgehen, sondern auch die Möglichkeit anderer Erkenntnis a priori gründen." (16)
Da KANT unter der intellektuellen Synthesis die Synthesis des Verstandes versteht, insofern darin abgesehen ist vom Mannigfaltigkeitscharakter des darin Verbundenen, könnte man meinen, die figürliche Synthesis sei dieselbe Synthesis, abgesehen davon, daß sie nur durch die Einheit der Apperzeption möglich wird. Das wäre falsch. Sie ist vielmehr die transzendentale Synthesis, insofern von ihrem begrifflichen Charakter, den sie im Erkenntnisurteil hat, abgesehen wird. Figürliche und intellektuelle Synthesis sind Momente eines einheitlichen Strukturzusammenhangs, wobei noch offen bleibt, ob einer von beiden vielleicht eine ursprünglichere Funktion zuzuschreiben ist. Die Einheitlichkeit wird freilich bei KANT zunächst nicht sichtbar; obwohl in transzendentaler Hinsicht betrachtet, erscheinen beide Synthesen als besondere Vermögen nebeneinander. Hier hat das seinen Grund nicht nur in einer mangelhaften Psychologie, sondern insbesondere darin, daß die intellektuelle Synthesis in ihrer Selbständigkeit gewahrt werden soll; ist diese Selbständigkeit doch der Ausdruck der selbstverständlichen Voraussetzung, daß das Ich der Apperzeption von Zeit und Raum unabhängig ist. Nur unter dieser Voraussetzung kann die Synthesis des Verstandes auch abgesehen davon betrachtet werden, daß das durch sie Verbundene den Mannigfaltigkeitscharakter von Zeit und Raum hat (17).

Als Vermögen der transzendentalen Synthesis, im Unterschied von der reproduktiven, heißt die Einbildungskraft produktiv. Doch ist sie hier zu unterscheiden von der produktiven Einbildungskraft der Anthropologie, die ein bloß empirisches Vermögen ist; andererseits ist sie auch nicht ohne weiteres identisch mit der produktiven Einbildungskraft der 1. Auflage der Kritik. Für die Einbildungskraft überhaupt gibt KANT die traditionelle Definition: sie ist "das Vermögen, einen Gegenstand auch ohne dessen Gegenwart in der Anschauung vorzustellen." (18) Charakteristisch ist, was KANT aus dieser Definition gewinnt: die Interpretation der Begriffe "Anschauung" und "ohne Gegenwart des Gegenstandes" ergibt, daß die Einbildungskraft sowohl Sinnlichkeit (Rezeptivität) als auch Spontaneität enthält. Wichtig ist daran ein Doppeltes: daß die Einbildungskraft nicht aus sich heraus einheitlich verstanden, sondern von vorherein in das bereitstehende Schema "Rezeptivität - Spontaneität" hineingezwängt wird, und daß "Gegenwart" auch hier keinen zeitlichen Sinn zu haben scheint, sondern schlechthin Anwesenheit meint; weil der Gegenstand nicht anwesend ist, kann sich das Gemüt nicht bloß leidend verhalten, sondern muß durch Spontaneität die Vorstellung (wenigstens ihrer Form nach) "herbeiführen", produzieren. Die produktive Einbildungskraft ist die spontane Einbildungskraft (19). Von der produktiven Einbildungskraft der Anthropologie unterscheidet sie sich zweifach: erstens ist sie nicht die dichterische Einbildungskraft, die frei von bestimmten Sinnesdaten, aber nicht frei von empirischen Daten überhaupt Gegenstände erfindet, sondern sie ist die an der (möglichen) Erfahrung beteiligte Einbildungskraft, sofern diese eine Spontaneität voraussetzt. Daher ist sie zweitens kein empirisches Vermögen neben der reproduktiven (der ontische Erfahrung bereitstellenden) Einbildungskraft, sondern die transzendentale (ontologische) Bedingung der letzteren. Dieses Verhältnis zur reproduktiven Einbildungskraft wird hier freilich unbestimmt gelassen und nur der Unterschied betont. Dies und das enge Verhältnis zum Verstand unterscheidet den Begriff der produktiven Einbildungskraft hier von dem in der 1. Auflage, der später zu besprechen ist. In der 2. Auflage ist sie nicht einfach ein Zwischenvermögen zwischen Sinnlichkeit und Verstand; obwohl auch sinnlich, erscheint sie doch zunächst als eine Funktion des oberen Erkenntnisvermögens.
    "Da nun alle unsere Anschauung sinnlich ist, so gehört die Einbildungskraft, der subjektiven Bedingung wegen, unter der sie allein den Verstandesbegriffen eine korrespondierende Anschauung geben kann, zur Sinnlichkeit; sofern aber doch ihre Synthesis eine Ausübung der Spontaneität ist, welche bestimmend, und nicht, wie der Sinn, bloß bestimmter ist, folglich a priori den Sinn seiner Form nach der Einheit der Apperzeption gemäß bestimmen kann, so ist die Einbildungskraft sofern ein Vermögen, die Sinnlichkeit a priori zu bestimmen, und ihre Synthesis der Anschauungen, den Kategorien gemäß, muß die transzendentale Synthesis der Einbildungskraft sein, welches eine Wirkung des Verstandes auf die Sinnlichkeit und die erste Anwendung desselben (zugleich der Grund aller übrigen) auf Gegenstände der uns möglichen Anschauung ist." (20)
So wurde die Einbildungskraft auch früher schon als "Funktion des Verstandes" bezeichnet. (21) Trotzdem darf man nicht übersehen, daß sie schlechterdings nicht intellektuell ist. KANT fährt fort:
    "Sie ist, als figürlich, von der intellektuellen Synthesis ohne alle Einbildungskraft bloß durch den Verstand unterschieden." (22)
Die Einführung der Einbildungskraft verlöre überhaupt ihren Sinn, wenn man sie als Funktion des Verstandes mit dem Verstand selbst identifizieren würden. Die Verschiedenheit beider muß festgehalten werden; die Einheitlichkeit des Gesamtphänomens der transzendentalen Synthesis erscheint vorläufig als eine solche der Ergänzung.

Was aber ist denn nun die Funktion der Einbildungskraft? Es wurde gesagt, daß sie "a priori den Sinn seiner Form nach der Einheit der Apperzeption gemäß bestimmen kann"; sie ist "ein Vermögen, die Sinnlichkeit a priori zu bestimmen". Sofern sie zur Sinnlichkeit gehört, untersteht sie der Form der Zeit als der transzendentalen Bedingung dafür, daß dem verbindenden Verstand überhaupt etwas gegeben werden kann; sie enthält in sich die Bedingung von Gebbarkeit überhaupt, zugleich aber als Spontaneität die transzendentale Apperzeption als Bedingung von Verbindbarkeit und Bestimmbarkeit überhaupt. Aber ist damit schon gezeigt, daß sie ein Vermögen ist, die Sinnlichkeit a priori zu bestimmen? Sinnlichkeit und Spontaneität werden doch von vornherein unterschieden; reißt ihre Verbundenheit im Phänomen der Einbildungskraft diese nicht vielmehr auseinander, statt daß dadurch eine "Anwendung" der Kategorien auf das reine Mannigfaltige der Sinnlichkeit ermöglich würde? Zu fragen ist also nach dem möglichen Zusammenhang der beiden Teile des Erkenntnisvermögens. KANT stellt die Frage nicht so. Aber er löst das Problem auch nicht so, daß er ein Seelenvermögen, genannt Einbildungskraft, erfindet, in dem beide Teile zusammengestückt enthalten sind, und so die Möglichkeit ihrer Zusammengehörigkeit "beweist". Freilich kann man auch nicht sagen, daß er in der Einbildungskraft deutlich eine Möglichkeit des "Subjekts" sieht, die aller Rezeptivität und Spontaneität in ihrer Gespaltenheit als Einheit schon zugrunde liegt. Er findet die Einbildungskraft vielmehr zunächst als ein Seelenvermögen unter anderen vor und bemerkt ihre vermittelnde Funktion; wie er diese versteht, ist nun weiter zu fragen.

Der zweite Teil des § 24 und 25 geben sich im Zusammenhang der Deduktion zunächst als ein Exkurs; sie greifen auf die Exposition der Zeit als der Form des inneren Sinns in der transzendentalen Ästhetik zurück. Die Gegenstände des inneren Sinnes sind in der Form der Zeit, also als Erscheinungen gegeben; die Selbstanschauung ist nicht intellektuell, sondern wir schauen uns selbst nur an, wie wir innerlich affiziert werden. Wie ist diese Selbstaffektion möglich? Können wir uns gegen uns selbst leidend verhalten? Falls eine empirische Selbstaffektion im inneren Sinn möglich ist, muß ihr eine transzendentale Selbstaffektion a priori zugrunde liegen. Der innere Sinn muß nicht nur, wie die Deduktion herausgestellt hat, unter der Einheit der Apperzeption stehen; es genügt auch nicht, daß ihm irgendwie und aus irgendwelchen nicht weiter herleitbaren Gründen die zeit als die Bedingung des in ihm gebbaren Mannigfaltigen überhaupt zugrunde liegt. Die "Form" der Apperzeption wird nicht an einen ihr in einer anderen "Form", der Zeit, gegebenen "Stoff" herangetragen; sonst wäre es keine Selbstaffektion. Selbstaffektion im inneren Sinn und Bestimmung des Mannigfaltigen des inneren Sinnes bedeuten, daß das Affizierende und das Affizierte, das Bestimmte und das Bestimmende dasselbe sind. Selbstaffektion, wenn sie als transzendentale mögliche Erfahrung begründen soll, gründet selbst darin, daß gleichursprünglich mit der Möglichkeit von Verbindung und Bestimmung überhaupt die Möglichkeit einer nicht beliebigen Gebbarkeit überhaupt, sondern der Gebbarkeit des Verbindenden selbst gesetzt ist. Wenn in der Selbstaffektion und in der Bestimmung des inneren Sinnes wirklich dasjenige zugänglich wird, das darin affiziert wird und bestimmt, müssen die transzendentale Apperzeption als Form von Verbindung überhaupt und Zeit als Form von Gebbarkeit überhaupt in einer beiden zugrundeliegenden Einheit zusammengehören.

Diese Interpretation scheint sich nun freilich sehr weit von dem zu entfernen, was KANT wirklich sagt. Von einer Zusammengehörigkeit von Zeit und Apperzeption ist keineswegs die Rede. Statt einer Grundeinheit der Subjektivität wird vielmehr ihre Gespaltenheit in Verstand und Sinnlichkeit wieder betont. Der Verstand selbst ist in uns Menschen kein Vermögen der Anschauungen und kann diese daher, wenn sie auch durch die Sinnlichkeit gegeben sind, doch nicht in sich aufnehmen und so gleichsam das Mannigfaltige seiner eigenen Anschauung verbinden. Seine Synthesis kann KANT auch abgesehen von der Form der sinnlichen Anschauung betrachten; sie ist dann nichts als die Einheit der Handlung, deren sich das Subjekt auch ohne Sinnlichkeit bewußt sein kann (23), indem es als "Ich vermag" existiert. Freilich ist es sich seiner dann nicht bewußt, wie es sich erscheint, auch nicht wie es ansich ist, sondern nur daß es ist (24), daß es sein kann. Das Problem der Selbstaffektion wird nun von KANT mit Hilfe der figürlichen Synthesis gelöst. Der Verstand vermag durch seine Synthesis
    "die Sinnlichkeit innerlich an Anbetracht des Mannigfaltigen, was der Form ihrer Anschauung nach ihm gegeben werden mag, zu bestimmen." (25)
Indem er die Synthesis als figürliche erörtert hat, hat KANT die Möglichkeit der Bestimmung der Sinnlichkeit durch den Verstand aufgewiesen. Mittels ihrer kann der Verstand, wie zu jeder sinnlichen Anschauung, so auch zu der des inneren Sinnes gelangen und sie bestimmen. Der Verstand also
    "übt, unter der Benennung einer transzendentalen Synthesis der Einbildungskraft, diejenige Handlung auf das passive Subjekt, dessen Vermögen er ist, aus, wovon wir mit Recht sagen, daß der innere Sinn dadurch affiziert wird." (26)
Das kann nicht heißen, daß durch diese Affektion des inneren Sinnes die transzendentale Synthesis als etwas Psychisches, als ein faktisches Vorkommnis in der Seele anschaulich wird; sie ist nicht etwas, was im inneren Sinn unter anderem gegeben wird und Gegenstand der Psychologie werden könnte. Vielmehr ist sie als figürliche Synthesis die transzendentale Bedingung dafür, daß überhaupt Psychisches der psychologischen Beobachtung zugänglich werden kann. Sie ist die Bedingung von eigentlicher Gebbarkeit von Mannigfaltigem im inneren Sinn überhaupt.

Doch ist die Bedeutung der Selbstaffektion eine noch umfassendere. Es handelt sich dabeinicht nur um das Spezialproblem wie psychologische Selbstbeobachtung möglich ist. Das geht deutlich genug aus den Beispielen hervor, die KANT als Erscheinungen des inneren Sinns anführt: es sind nicht psychische Vorgänge und Erlebnisse, die als solche zum Thema werden, sondern die apriorischen Vorstellungen von Raum und Zeit und von mathematischen Figuren (27). Alle apriorischen Vorstellungen und, durch sie ermöglicht, alle empirischen Erscheinungen, auch die des äußeren Sinnes, sind uns nach KANT zunächst im inneren Sinn gegeben und haben den Mannigfaltigkeitscharakter der Zeit. Sie alle sind zunächst "subjektiv", dem "Subjekt" zugehörig; erheben sie zugleich Anspruch auf objektive "Gültigkeit", auf "Übereinstimmung mit Objekten "draußen", so bedarf dieser Anspruch eines apriorischen Beweises seiner Rechtmäßigkeit. Die transzendentale Selbstaffektion durch die figürliche Synthesis der Einbildungskraf ermöglicht also nicht nur, daß unser eigenes Inneres dem betrachtenden psychologischen Blick vorgegeben sein kann, sondern daß es überhaupt Gebbares für uns gibt.

Diese Bedingung von Gebbarkeit überhaupt aber ist nach der transzendentalen Ästhetik die Zeit. Uns zwar handelt es sich hier nicht etwa um eine bloß formale Übereinstimmung. Ebenso wie die figürliche Synthesis der Einbildungskraft wird in der 2. Auflage auch die Zeit als transzendentale Selbstaffektion bestimmt:
    "Nun ist das, was als Vorstellung, vor aller Handlung irgendetwas zu denken, vorhergehen kann, die Anschauung, und, wenn sie nichts als Verhältnisse enthält, die Form der Anschauung, welche, da sie nichts vorstellt, außer sofern etwas im Gemüt gesetzt wird, nichts anderes sein kann, als die Art, wie das Gemüt durch eigene Tätigkeit, nämlich dieses Setzen ihrer Vorstellung, folglich durch sich selbst affiziert wird, d. h. ein innerer Sinn seiner Form nach." (28)
Die Zeit wird von KANT als apriorische und subjektive Form der Anschauung bestimt, folglich nicht durch Einwirkung äußerer Dinge auf das Gemüt erst bewirkt, sondern durch das Subjekt vor aller Anschauung spontan gesetzt, doch so, daß sie gleichwohl oder gerade deswegen die Bedingung der Möglichkeit von Gebbarkeit und Rezeptivität sein kann: das Subjekt begegnet gleichsam sich selbst im Bild der ZHeit. Freilich muß an dieser Stelle ausdrücklich betont werden, daß es noch völlig ungeklärt ist, wie dieses Zusammensein von Spontaneität und Rezeptivität im Phänomen der Selbstaffektion möglich ist. Die kantische Idee der transzendentalen Selbstaffektion bleibt einer fast verführerischen Zweideutigkeit verhaftet und legt den Gedanken nahe, daß in der Spontaneität selbst die Möglichkeit für so etwas wie Rezeptivität liegt. Dergleichen wird sich jedoch niemals aufweisen lassen, solange man nicht übersieht, daß Selbstaffektion doch Affektion ist. Hier läßt sich nur so viel sagen: wenn die Struktur der Zeit so weit mit der der Synthesis der Einbildungskraft übereinstimmt, kann die Frage nach dem Verhältnis beider nicht ungestellt bleiben (29). Die Zeit als Form der Rezeptivität und die Einbildungskraft, die vorläufig wesentlich als Spontaneität gilt, kommen im Phänomen der Selbstaffektion gewissermaßen in ihre auf dem Boden der kantischen Fragestellung größtmögliche Nähe. Daß ihre ursprüngliche Identität nicht sichtbar wird, liegt daran, daß KANT einen genügend ursprünglichen Zeitbegriff nicht gewinnt. Daß er jedoch diese Beziehungen beider irgendwie gesehen haben muß, geht wohl schon daraus hervor, daß er sowohl in der Ästhetik wie auch in der Analytik die Idee der Selbstaffektion erst in der 2. Auflage eingeführt hat; das ist nicht unabhängig voneinander denkbar. Trotzdem wird die Frage in der Deduktion nicht erörtert. Im Gegenteil: die vorausgesetzte Grundunterscheidung von Rezeptivität und Spontaneität sowie das Interesse KANTs psychologistische Mißverständnisse (Verwechslung von transzendentaler und empirischer Apperzeption) zu vermeiden, wirken zusammen, die Kluft zwischen den Formen beider Erkenntnisvermögen erst recht deutlich zu machen.
    "Die Apperzeption und deren synthetische Einheit ist mit dem inneren Sinn so gar nicht einerlei, daß jene vielmehr, als der Quell aller Verbindung, auf das Mannigfaltige der Anschauungen überhaupt unter dem Namen der Kategorien, vor aller sinnlichen Anschauung auf Objekte überhaupt geht; dagegen der innere Sinn die bloße Form der Anschauung, aber ohne Verbindung des Mannigfaltigen in derselben, folglich noch gar keine bestimmte Anschauung enthält, welche nur durch das Bewußtsein der Bestimmung desselben durch die transzendentale Handlung der Einbildungskraft (synthetischer Einfluß des Verstandes auf den inneren Sinn), welche ich die figürliche Synthesis genannt habe, möglich ist." (30)
Gleichwohl kann KANT auch hier den Zusammenhang zwischen Einbildungskraft und Zeit nicht gänzlich unbeachtet lassen. Das Denken einer mathematischen Figur, z. B. ein Linie oder eines Kreises, ist nicht möglich, ohne daß wir sie in Gedanken zeichnen. In diesem Zeichnen vollzieht das verbindende "Subjekt" eine Bewegung, indem es einen Raum beschreibt. Dasselbe muß es auch tun, wenn es sich die Zeit figürlich vorstellen will. Dies kann es, indem es etwa im Ziehen einer geraden Linie bloß auf die Handlung der Synthesis des Mannigfaltigen, dadurch es den inneren Sinn sukzessiv bestimmt, und dadurch auf die Sukzession dieser Bestimmung in demselben, acht hat. In diesem raumbeschreibenden Aktus der produktiven Einbildungskraft, der in der Synthesis außer der rein intellektuellen Verbindung enthalten sein muß, wird so etwas wie Sukzession, Zeit, entdeckbar, wenn wir vom Raumcharakter dieses Mannigfaltigen abstrahieren und
    "bloß auf die Handlung achthaben, dadurch wir den inneren Sinn seiner Form gemäß bestimmen".
Der Verstand findet also im inneren Sinn nicht schon eine solche Verbindung des Mannigfaltigen, wie sie der Begriff der Zeit enthält, "sondern bringt sie hervor, indem er ihn affiziert." (31) Der Verstand kann den Begriff der Zeit nur erkennen, weil und indem er sich selbst Zeit gibt. Diese Möglichkeit der Vorgabe von Zeit für ein bestimmendes Erkennen von Zeit hat er durch die produktive Einbildungskraft.

Aber widerspricht das nicht einem wesentlichen Grundgedanken der Vernunftkritik? Wird damit nicht eine intellektuelle Anschauung behauptet, die KANT doch gerade in diesem Zusammenhang ablehnt (32). Das anschauende und das denkende Vermögen sollen doch gerade nicht identisch sein? Mit solchen formalen Einwänden wird das Problem nicht gefördert. Was heißt denn "intellektuelle Anschauung"? Da KANT Sinnlichkeit und Intellekt von vornherein trennt, ist "intellektuelle Anschauung" gerade dadurch ausgezeichnet, daß sie nicht-sinnliche Anschauung ist. Hier aber wurde behauptet, daß der Verstand selbst es ist, der sich die Zeit, also die Möglichkeit unserer sinnlichen Anschauung überhaupt vorgibt. "Intellektuelle Anschauung" bezieht sich auf "Übersinnliches"; hier dagegen ist von der gänzlichen Verhaftung des Verstandes an die sinnliche Welt die Rede. KANT hatte durch die Art, wie er intellektuelle und figürliche Synthesis unterschieden hat, noch die Möglichkeit offengelassen, daß der Verstand als Vermögen der ersteren auch das Mannigfaltige einer nicht-zeitlichen Anschauung verbinden könnte, wenn sie uns nur anderweitig gegeben wäre. Diese Möglichkeit scheint nun durch die transzendentale Deduktion selbst abgeschnitten zu werden. Wenn KANTs "Hauptzweck" der einer Grenzbestimmung unseres Erkenntnisvermögens war, sollte dann nicht vielleicht die hier sich meldende Konsequenz im Zuge seiner eigenen Fragerichtung liegen?


b) nach der 1. Auflage

Wir haben jetzt zunächst auf die Bearbeitung der Deduktion in der 1. Auflage einzugehen. Diese zerfällt nicht wie die der zweiten in zwei, sondern in drei Abschnitte. Der 1. Abschnitt (33) ist in seinen wesentlichen Teilen beiden Auflagen gemeinsam. Dem 2. Abschnitt der 2. Auflage (34) entsprechen in der ersten der 2. Abschnitt "Von den Gründen a priori zur Möglichkeit der Erfahrung" (35) und der 3. Abschnitt "Von dem Verhältnis des Verstandes zu Gegenständen überhaupt und der Möglichkeit, diese a priori zu erkennen" (36). Der Beweisgang der Deduktion wird in der 1. Auflage viermal durchgeführt.

Es ist für meine Aufgabe nicht unwesentlich, daß über den allgemeinen Charakter dieser verschiedenen Argumentationen von vornherein Klarheit besteht. Man hat nämlich in den beiden ersten Beweisen, also dem Inhalt des 2. Abschnitts, das gefunden, was KANT in der "Vorrede zur 1. Auflage" die "subjektive Seite" der Deduktion nennt (37), und hat diese Erörterungen immer wieder als "psychologische" gekennzeichnet (38). In einer Ausscheidung des Psychologischen findet man dann den Fortschritt der 2. Auflage über die erste hinaus. Das gilt besonders von der ausführlichen Erörterung der Synthesen der Einbildungskraft. Darauf, daß KANT mit Hilfe der Einbildungskraft seinen Beweis psychologisch hat unterbauchen wollen, scheint man dadurch gekommen zu sein, daß er in der 1. Auflage mehrfacht von der "reproduktiven Einbildungskraft" handelt, die er in der zweiten (39) aus der Transzendentalphilosophie hinausverweist. Doch mußte es schon fraglich erscheinen, daß jene Äußerung in der Vorrede wirklich den Unterschied von transzendentaler und psychologischer Deduktion im Auge hat, so geht aus vielen Stellen der Deduktion der 1. Auflage selbst hervor, daß KANT zumindest nicht beabsichtigt hat, hier Psychologie zu treiben. Er will
    "die subjektiven Quellen, welche die Grundlage a priori zu der Möglichkeit der Erfahrung ausmachen, nicht nach ihrer empirischen, sondern transzendentalen Beschaffenheit zuvor erwägen." (40)
Das empirische Gesetz der Assoziation zieht er nur heran, um die Notwendigkeit seiner transzendentalen Begründung zu erweisen (41). Ausdrücklich
    "gehört die reproduktive Synthesis der Einbildungskraft zu den transzendentalen Handlungen des Gemüts" und heißt "das transzendentale Vermögen der Einbildungskraft." (42)
Freilich hat KANT selbst durch seine Terminologie Verwirrung gestiftet, da er auch in der 1. Auflage die produktive und die reproduktive Einbildungskraft als transzendentales und empirisches Vermögen unterscheidet (43). Trotzdem sollten Mißverständnisse hier nicht möglich sein (44).

Allein wie soll man die Umarbeitung der Deduktion in der 2. Auflage verstehen, wenn sie nicht dem Bedürfnis entwachsen ist, die psychologischen Reste zu beseitigen? Diese Frage kann hier nicht ausführlich untersucht werden. ERDMANN (45) hat allerlei Motive KANTs historisch aufgewiesen. Warum die eingehendere Erörterung der Einbildungskraft unterbleibt und die Synthesis wesentlich dem Verstand zugeschrieben wird, ist daraus kaum ersichtlich. Daß daran eine "Verengung" des Begriffs der Einbildungskraft durch die Übernahme der traditionellen Definition der wolffschen Schule mit schuld ist (46), ist unrichtig; in der 1. Auflage gilt die Einbildungskraft nicht weniger als in der zweiten als das Vermögen der Anschauung auch ohne die Gegenwart des Gegenstandes (47). Möglich ist, daß KANT in der Neubearbeitung das ungeklärte Phänomen der Einbildungskraft deshalb zurückgedrängt hat, weil er jetzt überhaupt eine Aufhellung der dunklen Stellen seines Werkes anstrebt. Freilich kann man kaum sagen, daß die Idee der Selbstaffektion in der 2. Auflage zu einer solchen Vereinfachung beiträgt. Auch mag die geschlossenere Herausarbeitung des Gedankengangs der Deduktion die Kürzung anscheinend nebensächlicher, bloß "subjektiver" Partien gefordert haben. Ferner ließe sich erwägen, ob KANTs Eifer, seine Philosophie vom Verdacht des materialen Idealismus zu reinigen, ihn vielleicht bedenklich gemacht hat, der Einbildungskraft eine so bedeutende Rolle bei der Begründung der Objektivität der Erkenntnis zuzuweisen. Endlich mag es sein, daß KANT selbst, so sehr die Deduktion der 1. Auflage der psychologischen Interpretation widerspricht, sie später doch psychologisch verstanden hat (48). Eine wirkliche Entscheidung der Frage ist aber vor der Erreichung eines genügenden Verständnisses der kantischen Gesamtproblematik nicht zu treffen.

In der 1. Auflage erscheint die Einbildungskraft nicht als eine bloße Funktion des Verstandes, sondern zunächst in voller Selbständigkeit als besonderes Seelenvermögen. Sie ist eine von den drei ursprünglichen Quellen, aus denen alle Erfahrung hergeleitet werden kann: Sinn, Einbildungskraft, und Apperzeption. Diese Vermögen sollen hinsichtlich ihres transzendentalen Gebrauchs erörtert werden. KANT hat also zu handeln
    1. von der Synopsis [Zusammenfassung - wp] des Mannigfaltigen a priori durch den Sinn,

    2. von der Synthesis dieses Mannigfaltigen durch die Einbildungskraft,

    3. von der Einheit dieser Synthesis durch ursprüngliche Apperzeption (49).
Der 2. Abschnitt der Deduktion handelt "Von den Gründen a priori zur Möglichkeit der Erfahrung". Im Begegnenlassen eines Mannigfaltigen überhaupt in der bloßen Anschauung, sei es des äußeren oder des inneren Sinnes, begegnet nach der transzendentalen Ästhetik Zeit unthematisch immer schon mit. In der Bearbeitung der 2. Auflage heißt es nur, daß in dieser Mannigfaltigkeit noch nichts von "Verbindung" enthalten ist, diese vielmehr erst durch die figürliche Synthesis der Einbildungskraft bewirkt werden muß (50). Hier dagegen wird schon dem Sinn, "weil er in seiner Anschauung Mannigfaltigkeit enthält", eine "Synopsis" beigelegt, der jederzeit ein "Synthesis" "korrespondiert" (51). Freilich wird diese "Synopsis" des Sinnes nur deshalb behauptet, weil die Anschauung von vornherein als Anschauung, die Stoff für einen erkennenden Verstand liefert, angesehen wird. Es wird nicht gesagt, daß den Sinnen als Sinnen nur unter der Voraussetzung etwas gegeben werden kann, daß ein Zusammen von möglichem Gebbaren da ist. Andererseits ist zu beachten, daß KANT, wo er von der "Synopsis" redet, diese ausdrücklich dem Sinn selbst beilegt, d. h. der Rezeptivität, und dieser die Synthesis (Spontaneität), als notwendige Ergänzung zwar, gegenüberstellt. So wenig dies schon in der reinen Anschauung als solcher enthaltene "Syn" bei KANT zur Geltung kommt (52), es darf doch nicht übersehen werden (53). Der eine Raum und die eine Zeit sind nach KANT schon in ihrer Ganzheit vorgegeben, ehe in ihnen einzelne Räume und Zeiten bestimmt werden können (54). Das reine Mannigfaltige der Zeit, ehe es als Einzelnes artikuliert werden kann, ist schon als Ganzes gegeben. Die Zeit, die es vorgibt, ist eine einzige. Wenn KANT der bloßen Anschauung immer wieder die Einheit abspricht, so kann er es mit phänomenalem Recht nur insofern, als die Anschauung noch unbestimmt ist im Sinne der theoretischen Bestimmung gemäß den Einheiten der Kategorien. Das wird z. B. deutlich, wenn er der Anschauung mit Bezug auf die besondere Kategorie der Realität die reale Synthesis abspricht. (55) Das besagt aber nicht schon, daß in der Zeit als solcher keinerlei Einheit gegeben wäre. Nun wäre es freilich aussichtslos, wenn man von der Einheit dieser Zeit (der reinen Anschauung) aus die Einheit des Ich-denke verständlich machen wollte. Aber auch das Umgekehrte ist unmöglich. Wenn man Einheit einzig auf der Seite der Spontaneität sieht, bleibt die eigentümliche Einheit der Rezeptivität, die ihr vor aller "Bestimmung" zukommt, unverständlich. KANT mußte, wenn er einmal die Rezeptivität ihrer Form nach zunächst isoliert erörtert hat, auch radikal verfahren und wirklich davon abstrahieren, daß das Mannigfaltige der Sinne Stoff für theoretische Erkenntnis ist, und, zu diesem Zweck vergegenständlicht, allerdings einer fremden Synthesis bedarf. Nur dann kann das durch die Einheit und Einzigkeit der Zeit aufgegebene Problem überhaupt sichtbar werden. Weil das Mannigfaltige der Zeit nur als synthesis-bedürftiges zum Thema wird, d. h. als Zeit, die vergegenständlich werden soll, muß seine ursprüngliche Einheit von vornherein auseinandersplittern. Die verschiedenen Wahrnehmungen werden "im Gemüt ansich zerstreut und einzeln angetroffen" (56). Der Ansatz einer einzelnen, der anderen ganz fremden, gleichsam isolierten Vorstellung (57) wird nicht prinzipiell für falsch erklärt; es wäre möglich, daß wir solche Anschauungen hätten, nur würden sie für uns als erkennende Subjekte nichts bedeuten. Weil KANT nur auf die Einheit der Zusammensetzung acht gibt, muß er sagen, daß ansich die Teilvorstellungen früher sind als das (daraus zusammengesetzte) Ganze. Bemerkenswert ist der Ort, an dem KANT zu dieser These gelangt: in dem Abschnitt "Von den Axiomen der Anschauung", also im Hinblick auf den zu den Kategorien der Quantität gehörigen synthetischen Grundsatz a priori. Dort heißt es:
    "Eine extensive Größe nenne ich diejenige, in welcher die Vorstellung der Teile die Vorstellung des Ganzen möglich macht (und also notwendig dieser vorhergeht)." (58)
Diese einseitige Orientierung läßt übersehen, daß alle Synthesis, sofern sie Anschauung voraussetzt, schon von einem einheitlichen Ganzen her zu den zusammenzusetzenden Teilen kommt. Da gleichwohl auch KANTs Synthesisbegriff von dieser Einheit des Gegebenen als solchen Gebrauch machen muß, gerät er in eine eigentümliche Mehrdeutigkeit. Jedes "Syn" wird als Synthesis interpretiert, so daß dieser Ausdruck bedeuten kann:
    1. die Möglichkeit der spezifischen Einheit der Zeit als der universalen Form der Anschauung,

    2. das Vermögen der Zusammensetzung eines vorgegebenen Mannigfaltigen durch die Spontaneität des Subjekts, endlich aber auch

    3. dasjenige, was die beiden ersten "Synthesen" erst ermöglicht und ihrer Zusammengehörigkeit konstituiert.
Das Letztere ist, wie zu zeigen sein wird, der eigentliche Sinn der "Synthesis der Einbildungskraft". Nur durch diese Mehrdeutigkeit kann die Synthesis zu dem Problem werden, das den ganzen vorbereitenden Teil der Deduktion beherrscht.

Entsprechend den drei subjektiven Quellen der Erkenntnis erörtert KANT daher jetzt
    1. die Synthesis der Apprehension in der Anschauung,
    2. die Synthesis der Reproduktion in der Einbildung,
    3. die Synthesis der Rekognition im Begriff. (59)
Da die Einbildungskraft das eigentliche Vermögen der Synthesis ist (60), sollte man erwarten, daß auch sie eine Vorrangstellung unter den subjektiven Quellen der Erfahrung erhält. Sie wird jedoch zum Vermögen einer besonderen Synthesis, der der Reproduktion, degradiert. Man darf das Problem nicht voreilig beseitigen und meinen, daß die dreifache Synthesis natürlich im Grunde nur eine ist, die nach ihren verschiedenen Momenten expliziert wird. Warum sagt KANT dergleichen nicht? Ist daran eine primitive Psychologie schuld, die für jeden psychischen Akt ein besonderes Seelenvermögen erfindet? Welche ontologische Voraussetzung liegt aber einer solchen Psychologie schon zugrunde?

KANT beginnt die Untersuchung mit einer "allgemeinen Anmerkung", die man beim Folgenden durchaus zugrunde legen muß:
    "Unsere Vorstellungen mögen entspringen, woher sie wollen, ob sie durch den Einfluß äußerer Dinge, oder durch innere Ursachen gewirkt sind, sie mögen a priori oder empirisch als Erscheinungen entstanden sein; so gehören sie doch als Modifikationen des Gemüts zum inneren Sinn, und als solche sind alle unsere Erkenntnisse zuletzt doch der formalen Bedingung des inneren Sinnes, nämlich der Zeit unterworfen, als in welcher sie insgesamt geordnet, verknüpft und in Verhältnisse gebracht werden müssen." (61)
Wie verhält sich diese Ordnung und Verknüpfung des Mannigfaltigen zur Zeit, die das Mannigfaltige überhaupt erst gibt? Ist sie etwas nachträglich Hinzukommendes, das ansich nichts mit der Zeit zu tun hat?

Der Begriff des Mannigfaltigen ist bei KANT ebenso mehrdeutig wie der der Synthesis. Einmal wird Mannigfaltiges schon durch die bloße Form der Rezeptivität, die Zeit, gegeben.
    "Das Bewußtsein seiner selbst (Apperzeption) ist die einfache Vorstellung des Ich, und, wenn dadurch allein alles Mannigfaltige im Subjekt selbsttätig gegeben wäre, so würde die innere Anschauung intellektuell sein. Im Menschen erfordert dieses Bewußtsein innere Wahrnehmung vom Mannigfaltigen, was im Subjekt vorher gegeben wird, und die Art, wie dieses ohne Spontaneität im Gemüt gegeben wird, muß, um dieses Unterschiedes willen, Sinnlichkeit heißen." (62)
Dann wieder setzt das Mannigfaltige, um auch nur "als ein solches" entdeckt zu werden, schon "Synthesis" (die als Spontaneität interpretiert wird) voraus; es wird als vergegenständlichtes betrachtet und bedarf dann des Durchlaufens und Zusammennehmens in der Synthesis der Apprehension (63). Diese ist aber gleichwohl, ebenso wie die Zeit, a priori, "früher". Gibt es denn innerhalb des "Früheren" eon "Nochfrüher"? Geht in diesem Sinne das Mannigfaltige der Zeit der Synthesis noch voraus? Da es sich offenbar nicht um ein "Früher" der ablaufenden Zeitfolge handelt, ist ein solcher Ansatz sinnlos. Dann wären also Zeit und spontane Synthesis gleich-ursprünglich? Wenn sie aber als apriorisch im "Subjekt" begründet sind, wie verhalten sie sich dann zueinander? Sind am Ende beide aus einem einheitlichen Grund zu verstehen?

Wie verhält sich ferner die Synthesis der Apprehension zu der der Reproduktion in der Einbildung? KANT geht vom empirischen Gesetz der Assoziation aus. Vorstellungen, die sich oft gefolgt sind, vergesellschaften sich und setzen sich in eine Verknüpfung,
    "nach welcher, auch ohne die Gegenwart des Gegenstandes, eine dieser Vorstellungen einen Übergang des Gemüts zu der anderen, nach einer beständigen Regel, hervorbringt."
Diese Reproduktion durch die empirische Einbildungskraft setzt voraus, daß im Mannigfaltigen der Erscheinungen eine regelmäßige Begleitung oder Folge stattfindet; die Einbildungskraft würde sonst
    "niemals etwas ihrem Vermögen Gemäßes zu tun bekommen, also, wie ein totes und uns selbst unbekanntes Vermögen im Innern des Gemüts verborgen bleiben." (64)
Für das empirische Faktum des "Übergangs" der Einbildungskraft von einer Vorstellung zur anderen sucht KANT den transzendentalen Grund seiner Möglichkeit. Er muß dazu zeigen,
    "daß selbst unsere reinsten Anschauungen a priori keine Erkenntnis verschaffen, außer, sofern sie eine solche Verbindung des Mannigfaltigen enthalten, die eine durchgängige Synthesis der Reproduktion möglich macht." (65)
Eine solche Verbindung wäre selbst a priori und würde, da sie Erfahrung erst möglich macht, die transzendentale Synthesis der Einbildungskraft heißen müssen.
    "Nun ist offenbar, daß, wenn ich eine Linie in Gedanken ziehe, oder die Zeit von einem Mittag zum andern denke, oder auch nur eine gewisse Zahl mir vorstellen will, ich erstens notwendig eine dieser mannigfaltigen Vorstellungen nach der andern in Gedanken fassen muß. Würde ich aber die vorhergehende (die ersten Teile der Linie, die vorhergehenden Teile der Zeit, oder die nacheinander vorgestellten Einheiten) immer aus den Gedanken verlieren, und sie nicht reproduzieren, indem ich zu den folgenden fortgehe, so würde niemals eine ganze Vorstellung, und keiner aller vorgenannten Gedanken, ja gar nicht einmal die reinsten und ersten Grundvorstellungen von Raum und Zeit entspringen können." (66)
Dies entspricht dem anthropologischen Satz, daß die Einbildungskraft das ist, "was den Vorrat der Vorstellungen in sich enthält". Wie ist das aber zu verstehen? Sammelt die Einbildungskraft die gehabten Vorstellungen in der Seele auf? Wir pflegen zu sagen, daß wir etwas "behalten", wenn wir es "nicht aus den Gedanken verloren", es "nicht vergessen" haben. Das Behalten läßt sich offenbar nur im Zusammenhang mit dem Vergessen verstehen. Ist das Vergessen das Verloren-haben einer "Vorstellung"? So, daß die "Vorstellung", wenigstens für mich, nicht mehr vorhanden wäre? Aber ich kann mich doch an etwas "wieder erinnern", nachdem ich es vergessen habe? Wie habe ich es wiedergefunden? Wenn KANT die Erinnerung als Reproduktion bestimmt, ist sie offenbar kein bloßes Aufbewahren. "Reproduktion" meint, daß ich die Vorstellungen jetzt wieder und jetzt wieder hervorführen kann. Aber vergesse und behalte ich denn "Vorstellungen"? Wenn Vorstellungen etwas sind, was "im Gemüt" vorkommt, wird dann nicht das Phänomen der Erinnerung gänzlich verkehrt? Wenn ich mich etwa an meine Schulzeit erinnere, erinnere ich mich doch nicht an eine Vorstellung? Warum stellt KANT derartige Fragen nicht? Warum macht er die reproduktive Einbildungskraft nicht in ihrer ursprünglichen, nämlich zeitlichen Möglichkeit zum Thema? Warum wird er dazu nicht im Verfolgen seiner eigenen Frage nach der Möglichkeit von Synthesis gezwungen?

Die nähere Bestimmung der Weise der Zeitlichkeit der Reproduktion kann für KANT in gewissen Grenzen gleichgültig bleiben, weil die Innerzeitigkeit des reproduzierenden Seienden zu einer ebenmäßigen Gegenwärtigkeit, im Sinne von bloßer Vorhandenheit, nivelliert ist. Obwohl die Reproduktion Anschauung "ohne die Gegenwart des Gegenstandes" ist, wird der Gegenstand doch als gegenwärtig, anwesend, vorhanden gewesener, als nicht mehr vorhandener verstanden; seine Seinsart ist nur ein Modus der Vorhandenheit. Diese Seinsart haben die vergangenen Dinge der Natur. Die Natur ist das, was von ihm selbst her immer schon vorhanden ist; als Immerseiendes ist es zu jeder Zeit. Vergangenheit ist ein bloß zufälliges Merkmal; das Vergangene kommt nur insofern "in Betracht", als es (in seiner Gattung) auch jetzt noch vorhanden ist. KANTs ausschließliche Orientierung am Vorhandenen der Natur wird an seinen Beispielen deutlich.
    "Würde der Zinnober bald rot, bald schwarz, bald leicht, bald schwer sein, ein Mensch bald in diese, bald in jene tierische Gestalt verändert werden, am längsten Tag bald das Land mit Früchten, bald mit Eis und Schnee bedeckt sein, so könnte meine empirische Einbildungskraft nicht einmal Gelegenheit bekommen, bei der Vorstellung der roten Farbe den schweren Zinnober in die Gedanken zu bekommen, oder würde ein gewisses Wort bald diesem, bald jenem Ding beigelegt, oder auch eben dasselbe Ding bald so bald anders benannt, ohne daß hierin eine gewisse Regel, der die Erscheinungen schon von selbst unterworfen sind, herrschte, so könnte keine empirische Synthesis der Reproduktion stattfinden." (67)
Thema wird also bei KANT nur die Reproduktion von Vorhandenem, das mit dem ihm Assoziierten jederzeit wieder verknüpft werden kann. Zinnober ist immer rot, der Mensch als Säugetiergattung hat immer diese Gestalt, am längsten Tag ist es immer Sommer und nie Winter. Nicht Reproduktion überhaupt wird zum Problem, sondern die Reproduktion von Vorhandenem. KANTs Augenmerk ruht nicht auf der Möglichkeit der Reproduktion, sondern der eines allgemeinen Gesetzes der Reproduktion. Zugleich wird die eigentümlich nivellierende Tendenz der nur am Vorhandenen orientierten Ontologie deutlich: auch Seiendes wie die Jahreszeiten, mit denen der Mensch rechnet, das also primär kein bloß Vorhandenes ist, wird nur noch als ewig wiederkehrende, immer gleiche Naturerscheinung Gegenstand; und Seiendes wie Worte, die ursprünglich zur Seinsart des Menschen selbst gehören, werden ebenfalls als Vorhandenes interpretiert: Worte sind nur noch zwischen Subjekten weitergebbare, fest geprägte Bezeichnungen für Dinge.

Offenbar müßte, wenn nach dem "Reproduzieren" etwa des Historikers gefragt würde, die zeitliche Möglichkeit der Reproduktion in viel höherem Grad problematisch werden. Doch fragt es sich, ob nicht auch die reproduktive Einbildungskraft, die sich lediglich auf Vorhandenes bezieht, allein aus der Zeitlichkeit verständlich zu machen ist. Wenn KANT die transzendentale Synthesis der Reproduktion durch die Einbildungskraft als das Vermögen, vergangene Vorstellungen nicht zu verlieren und dabei doch zu den folgenden fortzugehen, bestimmt, so macht er schon von dieser Möglichkeit der Zeitlichkeit Gebrauch. Nicht nur, daß die gleichsam vor uns ausgebreitete Zeit und das, was sie gibt, uns irgendwie unverloren ist, wenn wir auf vergangenes Vorhandenes in ihr zurückkommen können. Die Zeit kann dem rückgewandten Blick nur deshalb in dieser Weise zur Verfügung stehen, weil dieser Blick selbst in einem ursprünglicheren Sinn zeitlich ist. Nur deshalb "braucht er Zeit", um reproduzierend ein Mannigfaltiges von einzelnen Vorstellungen zu einem Ganzen zusammenzufassen.

Die dritte der subjektiven Quellen der Erfahrung ist die Synthesis der Rekognition im Begriff. Der Begriff besteht im Bewußtsein der Einheit der Synthesis (68); diese Einheit der transzendentalen Apperzeption ist die Bedingung der Möglichkeit der vorhergehenden Synthesen. Sie ermöglicht so etwas wie eine allgemeine Regel der Erkenntnis von Erscheinungen (69). Daraus wird erst deutlich, warum KANT neben der Synthesis der Apprehension noch die der Reproduktion hatte einführen müssen. Es zeigte sich schon, daß letztere das Allgemeine, Immerseiende zugänglich macht. Doch konnte es befremdlich erscheinen, daß KANT das Phänomen des Behaltens der vergangenen Vorstellungen nicht schon an der schlichten Apprehension aufgewiesen, sondern unter dem Titel der Reproduktion erst nachträglich hinzugefügt hat. Er braucht diese Reproduktion im engeren Sinne als Bedingung der Möglichkeit allgemeiner Regeln induktiver Naturerkenntnis. Diese ist auf das Sammeln gleicher Fälle angewiesen; daher ist ihr mit der Möglichkeit des bloßen Auffassens des unmittelbar Begegnenden noch wenig gedient. Freilich schränkt KANT damit, entgegen seiner eigenen Einsicht (70), den Gebrauch der Einbildungskraft auf Reproduktionen in diesem engeren Sinn ein.

Die transzendentale Affinität des Mannigfaltigen der Erscheinungen, die es nach Gesetzen der Assoziation (der Möglichkeit nach) reproduzierbar macht, gründet in der Einheit der transzendentalen Apperzeption. Der durch die transzendentale Affinität bewirkte notwendige Zusammenhang der Erscheinungen heißt dann bei KANT auch in der Tat "Natur" (71), wie die Interpretation der Seinsart der Gegenstände der Reproduktion schon erwarten ließ. Daher ist auch die Assoziation, die als das empirische Vermögen der Einbildungskraft gilt, stets als Assoziation von Vorhandenem verstanden. Und nur an dieser Assoziation sind die Versuche orientiert, Assoziationsgesetze aufzufinden. An dieser psychologischen Frage zeigt jedoch KANT kein Interesse.

Der 3. Abschnitt der Deduktion, der das im Vorhergehenden einzeln Abgehandelte zusammenfassend darstellen soll, zerfällt wieder in zwei Teile (72). Im ersten geht der Beweisgang von der transzendentalen Apperzeption aus; im zweiten fängt er "von unten auf", nämlich mit der Erscheinung an.

Die transzendentale Einheit der Apperzeption ist eine synthetische. Sie wird aufgewiesen als das notwendige Worauf des Hinblicks im Verbinden von Mannigfaltigem, das in der Form der Zeit gegeben wird. Sie ist das Wofür für mögliches Gebbares. Daher schließt sie eine Synthesis ein, die ebenso wie sie selbst a priori ist.
    "Also bezieht sich die transzendentale Einheit der Apperzeption auf die reine Synthesis der Einbildungskraft, als eine Bedingung a priori der Möglichkeit aller Zusammensetzung des Mannigfaltigen in einer Erkenntnis. Es kann aber nur die produktive Synthesis der Einbildungskraft a priori stattfinden; denn die reproduktive beruth auf Bedingungen der Erfahrung." (73)
Erst hier erscheint der Terminus "produktive Einbildungskraft". Gleichzeitig wird der reproduktiven eine apriorische Funktion abgesprochen. Ob dies den Erörterungen über die reproduktive Einbildungskraft im 2. Abschnitt widerspricht, wird nachher zu fragen sein. Die apriorische Synthesis der Einbildungskraft ist transzendental, wenn sie bloß auf die Verbindung des Mannigfaltigen a priori eingeht. Mit ihrer Hilfe gelangt KANT zu der Idee einer
    "reinen Form aller möglichen Erkenntnis, durch welche folglich alle Gegenstände möglicher Erfahrung a priori vorgestellt werden müssen."
Diese Form ist "die transzendentale Einheit der Synthesis der Einbildungskraft" (74). Ihr Verhältnis zur Form der Zeit, der ebenfalls alle Vorstellungen als Modifikationen des inneren Sinnes unterworfen sind, wird nicht erörtert. Auch das Verhältnis der Einbildungskraft zum Verstand wird nicht ausdrücklich bestimt; doch finden wir hier keinerlei Anzeichen dafür, daß sie wie in der 2. Auflage zu einer bloßen Funktion des Verstandes erniedrigt wird. Der Verstand gibt ihr durch die Kategorie eine Einheit der Synthesis; im Übrigen ist sie gegenüber dem Verstand als einem Vermögen nicht weniger unabhängig als die Sinne. Diese Unabhängigkeit ist freilich keine Beziehungslosigkeit; die Beziehung ist vielmehr, wie zwischen Einbildungskraft und Sinnen, so auch zwischen ihr und dem Verstand eine notwendige.
    "Die Einheit der Apperzeption in Beziehung auf die Synthesis der Einbildungskraft ist der Verstand, und eben dieselbe Einheit, bzw. auf die transzendentale Synthesis der Einbildungskraft, der reine Verstand."
"Mittels" der Anschauung und der Synthesis derselben durch die Einbildungskraft bezieht sich der reine Verstand notwendig auf die Gegenstände der Sinne. (75) Als zwischen dem oberen und dem unteren Erkenntnisvermögen vermittelnd begründet die Einbildungskraft die Objektivität der Kategorien.

Ausführlicher als dieser erste ist der zweite Beweisgang des 3. Abschnitts. KANT setzt jetzt wieder die Verbindungsbedürftigkeit des von den Sinnen Gegebenen auseinander.
    "Es ist also in uns ein tätiges Vermögen der Synthesis dieses Mannigfaltigen, welches wir Einbildungskraft nennen, und deren unmittelbar an den Wahrnehmungen ausgeübte Handlung ich Apprehension nenne. Die Einbildungskraft soll nämlich das Mannigfaltige der Anschauung in ein Bild bringen; vorher muß sie also die Eindrücke in ihre Tätigkeit aufnehmen, d. h. apprehendieren." (76)
Die Einbildungskraft ist also hier nicht bloß ein Vermögen der Reproduktion im engeren Sinne, wie es nach dem 2. Abschnitt scheinen könnte. In einer Anmerkung hebt KANT dies besonders hervor:
    "Daß die Einbildungskraft ein notwendiges Ingredienz [Zutat - wp] der Wahrnehmung selbst ist, daran hat wohl noch kein Psychologe gedacht. Das kommt daher, weil man dieses Vermögen teils nur auf Reproduktionen eingeschränkt hat, teils weil man glaubte, die Sinne liefern uns nicht allein Eindrücke, sondern setzen solche auch sogar zusammen, und bringen Bilder der Gegenstände zuwege, wozu ohne Zweifel außer der Empfänglichkeit der Eindrücke, noch etwas mehr, nämlich eine Funktion der Synthese derselben erfordert wird." (77)
Hier wird zunächst deutlich, warum KANT dem bloßen Vernehmen der Sinne alle Synthesis abspricht. Rezeptivität und Spontaneität sind bei ihm von vornherein streng getrennt. Unser sinnliches Vermögen ist schlechterdings nichts als Empfänglichkeit für "Eindrücke". Schon der Terminus "Eindruck" zeigt, daß der Vorgang der Empfindung nach Analogie kausaler Wirkungen in der Natur verstanden wird. Empfindungen sind die pathe [das, was einem widerfährt - wp] eines hypokeimenon [das Zugrundeliegende, von dem etwas ausgesagt wird - wp]. Es ist zunächst ein "Subjekt" vorhanden, das dann auch zuweilen Einwirkungen eines "äußeren", vorhandenen Gegenstandes erleidet. Diese Voraussetzungen werden bei KANT nicht erörtert. Es wäre natürlich falsch, zu meinen, daß KANT sich den Empfindungsvorgang ganz so primitiv vorgestellt hat. Aber gerade je mehr diese Voraussetzungen durch die Einschränkung, daß es natürlich nicht so dinglich aufzufassen ist, verhüllt werden, umso selbstverständlicher und verhängnisvoller sind sie. Unsere Aufgabe aber ist nicht, sie bloß zu kritisieren, sondern sie von KANTs eigenen Thesen aus anzugreifen. Denn ein solcher Angriff auf seine eigenen Voraussetzungen ist in der Tat der positive und phänomenal echte Sinn der Behauptung KANTs, daß schon die Wahrnehmung als solche eines Mitwirkens der synthetischen Einbildungskraft bedarf. Sie besagt, daß das, was wir faktisch als Wahrnehmung kennen, nie so etwas enthält wie "Eindrücke" im genannten Sinn. Um das einzusehen, ist es nötig, alle Vormeinungen über den spontanen Charakter der "Synthesis" auszuschalten und das ins Auge zu fassen, was KANT allein gemeint haben kann.

Am Beispiel der Wahrnehmung einer Linie will ich das Problem zu verdeutlichen versuchen. Was KANT gegenüber der traditionellen Psychologie geltend macht, ist dies: im Wahrnehmen einer (gezeichneten) Linie liegt immer schon "Synthesis", ist immer schon ein Zusammen von Punkten vorgestellt. Ich kann die Linie zerteilen so oft ich will: ich werde nie einen Punkt wahrnehmen. Die analysierende Mathematik, die dennoch zu Punkten als letzten Elementen gelangt, ist nur aufgrund einer vorgängigen "Synthesis" möglich. Die Linie besteht nur aus Linien; der Punkt ist nur "Grenze" (78). Die "Synthesis" der produktiven Einbildungskraft ist immer schon über den Punkt hinaus. Die Einbildungskraft ist "ein notwendiges Ingredienz der Wahrnehmung". Wahrnehmung enthält immer schon dieses "Überhinaus"; sie ist sich selbst immer schon vorweg. Sofern sie Wahrnehmung von Einzelnem ist, kommt sie immer schon von einem Ganzen her. Das Einzelne ist nicht ihr "Ausgangs-punkt", sondern sie ist aus dem Ganzen, zu dem sie sich selbst schon vorweg war, schon wieder zum Einzelnen zurückgekehrt. Dieses "Sich-vorweg" und "Schon-wieder-zurück" gehören zur Struktur der Wahrnehmung. NIchts anderes kann KANTs "Synthesis" und "Analysis" meinen. Aber was hat es dann für einen Sinn, noch von "Verbindung", "Synthesis" zu reden? Wenn der Punkt nie "Ausgangspunkt" für die Wahrnehmung der Linie ist, wie ist dann die Linie dennoch aus Punkten "zusammengesetzt"? Dies bleibt bei KANT dunkel. Schuld daran ist die Unklarheit des Verhältnisses von Sinn und Einbildungskraft. Was heißt es, daß die Einbildungskraft ein "notwendiges Ingredienz" der Wahrnehmung ist? Kommt sie nachträglich und äußerlich zu den Sinnen hinzu? Diese Meinung würde völlig ins Dunkel führen. Sie würde besagen: was durch die Sinne rein rezeptiv erfahren wird, wird durch die Einbildungskraft spontan aufgefaßt, zusammengenommen und zu einem Wahrnehmungsbild gestaltet. Da aber das den Sinnen Gegebene noch keinerlei Verbindung enthält, hat es den Charakter von bloßen isolierten Punkten. Wie aber soll die Einbildungskraft diese Punkte aufgreifen und zusammenschieben? Punkte sind unendlich klein und die Einbildungskraft ist ein beschränktes Vermögen, das zur Apprehension eines Unendlichen keineswegs fähig ist (79). Die Voraussetzung einer ursprünglichen Getrenntheit von Rezeptivität und Spontaneität ist also preiszugeben. Und was wird denn mit ihr eigentlich preisgegeben? Sind nicht beide in der Einbildungskraft längst verbunden? Was hatte die Einführung der Einbildungskraft als Vermittlung zwischen Sinnen und Verstand denn sonst für einen Sinn? Warum hat nicht der Verstand die Funktion der Synthesis übernommen? Führt meine Interpretation wirklich so ganz von KANTs eigener Fragerichtung ab?

KANTs These, daß die Einbildungskraft ein "notwendiges Ingredienz der Wahrnehmung" ist, enthält aber nicht nur eine Abweisung der Meinung, daß durch bloß rezeptives Aufnehmen isolierter "Eindrücke" schon Wahrnehmung möglich ist; sie wendet sich auch gegen das Vorurteil, das die Einbildungskraf "auf Reproduktionen einschränkt". Die Einbildungskraft ist nicht bloß das Vermögen der Erinnerung und Vergegenwärtigung von Vergangenem. Das Verhältnis zur "Vergangenheit", besser: zu seiner Gewesenheit, ist nicht etwas, wohinein das "Subjekt" sich gelegentlich einmal bringt. Die Gewesenheit darf nicht aus der Gegenwart herausgestrichen werden. Im Gegenwärtigen von etwas lebe ich immer schon aus der "Vergangenheit" in die "Zukunft". Dies gilt auch noch von der Wahrnehmung eines bloß Vorhandenen oder Bestehenden. Zum Wahrnehmen einer Linie braucht das "Subjekt" Zeit, weil es selbst zeitlich ist. Zeit ist immer Zukunft, Gewesenheit und Gegenwart in einem; daher haben wir nicht die Möglichkeit einer abstrakten Gegenwart, die unzeitlich nur Gegenwärtiges begegnen läßt. Zur Wahrnehmung gehört nicht nur ein schon auf das Einzelne zurückgekommenes Sich-vorweg, sondern auch eine Gewesen-bei (möglichem früher Wahrgenommenen), ein Behalten, das empirische Reproduktion erst ermöglicht.

Aber will KANT dies wirklich sagen? Will er nicht die Einbildungskraft als zeitliches Vermögen der Reproduktion von der Einbildungskraft als Vermögen der Apprehension unterschieden haben? Die Synthesis der Apprehension und der Reproduktion werden doch getrennt besprochen? Und sind sie nicht wirklich verschieden? Die Wahrnehmung als Anschauung eines leibhaft Anwesenden ist doch nicht identisch mit der Reproduktion eines Vergangenen oder der Einbildung eines Bestehenden im Sinne der Mathematik? Ich habe mich an das Beispiel der Wahrnehmung einer gezeichneten Linie gehalten, KANT an das einer in Gedanken gezogenen Linie. Der Unterschied beider soll keineswegs geleugnet werden. Doch betrifft er nicht die Weise der Zeitlichkeit der Einbildungskraft. KANT hätte das Beispiel ebensogut zur Verdeutlichung der Synthesis der Apprehension verwenden können. Es hat sich schon gezeigt, warum KANT überhaupt auf die Synthesis der Reproduktion im engeren Sinn Bezug nehmen mußte. Abgesehen davon erscheint jetzt die Einbildungskraft in ihrer zwischen Apperzeption und Sinn vermittelnden Funktion als ein einheitliches Phänomen. Sie ist als Vermögen der Synthesis die Einheit des Sich-vorweg-zu ... und Gewesen-bei ... mit dem Gegenwärtigen der schlicht apprehendierenden Wahrnehmung ebensowohl als dem der Reproduktion durch Assoziation. Denn in der Reproduktion durch Assoziation handelt es sich um dieselbe Synthesis wie in der Apprehension; diese ist nur dadurch modifiziert, daß über das leibhaftig Anwesende hinausgegangen wird zu dem in einer vergangenen Assoziation damit Verknüpften. Die Möglichkeit der Reproduktion im engeren Sinne gründet in der Apprehension. Dies kommt bei KANT darin zum Ausdruck, daß die Möglichkeit der Reproduktion durch das Beispiel der in Gedanken gezogenen Linie erörtert wird, in dem ja gar nich von assoziierender Reproduktion die Rede ist - es sei denn, daß man Assoziation mit Synthesis überhaupt identifiziert. Der Terminus wird von KANT verschieden weit gefaßt. Assoziation, d. h. Synthesis von oft und immer Zusammengehörigem, ist nur eine besondere Weise von Synthesis überhaupt.

Das apprehendierte Mannigfaltige nun soll die Einbildungskraft "in ein Bild bringen" (80). Das Bild ist zunächst das Ergebnis der Synthesis der Apprehension, also das "primäre Anschauungsbild". Doch KANT ist nicht sowohl an der Möglichkeit von Bildern überhaupt als vielmehr an der Möglichkeit von Reihen von Wahrnehmungsbildern interessiert. Die Synthesis ermöglicht nicht nur Bilder, sondern einen "Zusammenhang der Eindrücke" (81) überhaupt. So gleitet KANT ab zur Frage nach der Bedingung der Assoziation. Die empirische Assoziation ist das Vermögen der reproduktiven Einbildungskraft,
    "eine Wahrnehmung, von welcher das Gemüt zu einer anderen übergegangen, zu den nachfolgenden herüberzurufen, und so ganze Reihen derselben darzustellen." (82)
Sie vollzieht sich nicht willkürlich, sondern nach den Regeln der Assoziation. Diese schreiben der Einbildungskraft vor, daß sie Erscheinungen nur unter der Bedingung einer möglichen synthetischen Einheit der Apprehension apprehendiert. Daß sich so die Erscheinungen nicht zufällig, sondern notwendig in einen Zusammenhang der menschlichen Erkenntnisse schicken, beruth auf der transzendentalen Affinität aller Erscheinungen. Dieser objektive Grund aller Assoziation wird nur durch die Einheit der transzendentalen Apperzeption möglich. Die dieser entsprechende und aller empirischen Verbindung vorgeordnete Synthesis ist die transzendentale Funktion der Einbildungskraft (83).
    "Die Einbildungskraft ist also auch ein Vermögen einer Synthesis a priori, weswegen wir ihr den Namen der produktiven Einbildungskraft geben, und, sofern sie in Anbetracht alles Mannigfaltigen der Erscheinung nichts weiter, als die notwendige Einheit in der Synthesis derselben zu ihrer Absicht hat, kann diese die transzendentale Funktion der Einbildungskraft genannt werden. Es ist daher zwar befremdlich, allein aus dem bisherigen doch einleuchtend, daß nur mittels dieser transzendentalen Funktion der Einbildungskraft, sogar die Affinität der Erscheinungen, mit ihr die Assoziation und durch diese endlich die Reproduktion nach Gesetzen, folglich die Erfahrung selbst möglich wird: weil ohne sie gar keine Begriffe von Gegenständen in eine Erfahrung zusammenfließen würden." (84)
Es ist selbstverständlich, daß diese produktive Einbildungskraft nicht ein besonderes Vermögen neben der reproduktiven ist wie in der Anthropologie. Sie ist vielmehr die transzendentale Bedingung der Möglichkeit reproduktiven Einbildens (85). Die reproduktive Einbildungskraft der Anthropologie ist zumeist das nicht von der Erfahrung überhaupt, aber von der Erfahrung seines Gegenstandes unabhängig schaffende Vermögen (insbesondere des Dichters). Dementsprechend wurde sie als im eigentlichen Sinne "nicht schöpferisch" bezeichnet. Geht im Gegensatz zu ihr die produktive Einbildungskraft der Kr. d. r. V. aller Erfahrung voraus, so scheint die Unterscheidung von "produktiv" und "schöpferisch" ihren Sinn zu verlieren. Freilich wäre sie nur formal schöpferisch zu nennen, da sie ja nur einen Gegenstand überhaupt, als solchen, möglich macht. Ihr Bild enthält nichts als die Verbindung und Bestimmung von Zeit überhaupt. Dann aber ist "formal schöpferisch" ein Unbegriff; "schöpferisch" setzt eine intellektuelle, nichtzeitliche Anschauung voraus, die (auch "material") erschafft, was sie anschaut.

Als die eigentliche Form der produktiven Einbildungskraft wurde freilich schon in der Anthropologie die mathematische Einbildung der reinen Raum- und Zeitanschauungen genannt, die aber auch nicht schöpferisch heißen kann. Sie gehört insofern mit der produktiven Einbildungskraft der Kr. d. r. V. zusammen, als sie wie diese keinerlei faktische Erfahrung von Ontischem voraussetzt. Doch muß KANT ihr gegenüber die transzendentale Einbildungskraft doch noch abgrenzen, weil diese geeignet sein soll, mögliche Erfahrung überhaupt als Beziehung des Denkens auf Gegenstände zu begründen. Die mathematische Einbildung, obgleich sie "nichts als Gestalten" hervorbringt, bleibt doch ein ontisches, d. h. auf Ontisches bezogenes, Vermögen und kann nicht die fundamentalontologische Bedingung einer möglichen Gegenstandsbeziehung abgeben. Doch scheint KANT hier nicht mit voller Eindeutigkeit unterschieden zu haben (86).

Die produktive Einbildungskraft ist Bedingung der reproduktiven; d. h. es muß zuvor möglich sein, Erscheinungen überhaupt "hervorzuführen", ehe es möglich ist, diese und jene bestimmte Erscheinung, die einmal gewesen ist, "wieder hervorzuführen". Aber KANT hat auch der reproduktiven Einbildungskraft eine transzendentale Bedeutung zugesprochen (87). Wie verträgt sich das? Schleicht sich hier Psychologie in die Transzendentalphilosophie ein? Der Unterschied ist ein bloß terminologischer. Die "reproduktive Synthesis der Einbildungskraft" wird genauso bestimmt wie später die produktive. Die Vertauschung der Ausdrücke ist nicht zufällig. Die reproduktive Einbildungskraft gibt, als zunächst ontisch feststellbares Vermögen, den Boden her, auf dem allein die Idee der produktiven Einbildungskraft setzt, obwohl sie auf keinerlei psychologische Aussagen gründet, voraus, daß die reproduktive Einbildungskraft zuvor in den Blick gebracht ist. Nur in ständiger Orientierung an ihr ist eine genügende philosophische Bestimmung möglich (88). Vielleicht muß man nicht sagen, daß KANT der reproduktiven Einbildungskraft zuviel Platz eingeräumt hat, sondern im Gegenteil, daß er das Phänomen noch nicht in seiner ganzen Weite hat zu seinem Recht kommen lassen. Er hat nur die Reproduktion von Vorhandenem im Auge. Diese Verengung hat zur Folge, daß die Zeitlichkeit als Möglichkeit aller Reproduktion nicht ausdrücklich zum Thema wird.

Die transzendentale Synthesis der Einbildungskraft hat zu ihrer Absicht die Einheit der Apperzeption.
    "Diese Apperzeption ist es nun, welche zu der reinen Einbildungskraft hinzukommen muß, um ihre Funktion intellektuell zu machen. Denn ansich ist die Synthesis der Einbildungskraft, obgleich a priori ausgeübt, dennoch jederzeit sinnlich, weil sie das Mannigfaltige nur so verbindet, wie es in der Anschauung erscheint, z. B. die Gestalt eines Triangels. Durch das Verhältnis des Mannigfaltigen aber zur Einheit der Apperzeption werden Begriffe, welche dem Verstand angehören, aber nur mittels der Einbildungskraft in Beziehung auf die sinnliche Anschauung zustande kommen können." (89)
Auf den Kategorien
    "gründet sich also alle formale Einheit in der Synthesis der Einbildungskraft, und mittels dieser auch alles empirischen Gebrauchs derselben (in der Rekognition, Reproduktion, Assoziation, Apprehension) bis herunter zu den Erscheinungen, weil diese, nur mittels jener Elemente der Erkenntnis und überhaupt unserem Bewußtsein, folglich uns selbst angehören können." (90)
KANT scheint hier auch die Rekognition der Einbildungskraft zuzuschreiben. Jedenfalls ist nach dem Verhältnis der Synthesis der Apprehension (und Reproduktion) zur Synthesis der Rekognition, sowie nach dem Sinn des "Hinzukommens" der Apperzeption zur reinen Einbildungskraft zu fragen. Wieso liegt denn in der Rekognition eine Synthesis? Was besagt überhaupt Rekognition?

Zur Synthesis der Reproduktion muß noch das Bewußtsein hinzukommen, "daß das, was wir denken, eben dasselbe ist, was wir einen Augenblick zuvor gedacht haben." (91)
    "Vergesse ich im Zählen, daß die Einheiten, die mir jetzt vor Sinnen schweben, nach und nach zueinander von mir hinzugetan worden sind, so würde ich die Erzeugung der Menge, durch diese sukzessive Hinzutuung von Einem zu Einem, folglich auch nicht die Zahl erkennen; denn dieser Begriff besteht lediglich im Bewußtsein der Einheit der Synthesis." (92)
Die Rekognition bezieht sich also nicht primär auf einen längst vergangenen, jetzt nach irgendwelchen Gesetzen reproduzierten Gegenstand, sondern ist schon zur Synthesis der bloßen Apprehension nötig. Sie ist auch nicht der Akt der Urteilskraft, worin dem Vorgestellten, das reproduziert und behalten wurde, das Prädikat der Selbigkeit beigelegt wird. Es kommt nicht darauf an, ob das Vorgestellte wirklich noch dasselbe ist, sondern darauf, daß ich es mir als dasselbe vorstelle. (93) Die Rekognition ist wie die Reproduktion ein Nichtvergessen, aber nicht der Vorstellung, sondern der Selbigkeit des vorstellenden Subjekts. Nur dadurch ist sie ein Begreifen des Gegenstandes (als Erscheinung) in seiner Einheit (94). Sie ist Apperzeption, d. h. das, was zum Gegenstand das Selbst immer mit hinzu vernimmt. Insofern sie das "stehende und bleibende Ich (der reinen Apperzeption)" (95) festhält, hat sie eine transzendentale Bedeutung. In welchemn Sinn aber ist dieses Ich der transzendentalen Apperzeption ein stehendes und bleibendes, wenn die Rekognition als ein Nichtvergessen bezeichnet werden kann? Wie kann die Rekognition Synthesis sein, wenn sie nur ein Selbiges erfaßt? Dies bleibt bei KANT dunkel. Überhaupt wir die Synthesis der Rekognition weniger verdeutlicht als die beiden anderen Synthesen. Das von KANT letztlich gemeinte Phänomen des Sich-behauptens des "Subjekts" in seiner Selbst-ständigkeit im Entwurf einer Einheit, die die Synthesen der Apprehension und Reproduktion erst möglich macht, wird in der Rede vom "stehenden und bleibenden Ich" zwar angedeutet, aber zugleich verdeckt. Auch das Verhältnis der Rekognition und Apperzeption wird nicht klar. Sind sie wirklich identisch? Transzendentale Vermögen sind sie jedenfalls beide. Aber die Rekognition ist offenbar ein zeitliches Vermögen, während die transzendentale Apperzeption nichts von Zeit zu enthalten scheint. Steht sie doch scharf unterschieden der empirischen Apperzeption gegenüber, die an die Form der Zeit gebunden ist. Daher muß ihr Verhältnis zur Rekognition sowie zur Einbildungskraft und ihr a priori synthentischer Charakter unklar bleiben.

Wenn die Rekognition Synthesis ist, muß auch in ihr die Einbildungskraft als ein "notwendiges Ingredienz" enthalten sein (96). Diese Erkenntnis aber führt nicht weiter, solange das Verhältnis der Rekognition zur Apperzeption ebenso ungeklärt ist wie das der Apprehension zum reinen Mannigfaltigen der Zeit. Schuld an beidem ist das Dogma von der Gespaltenheit des "Subjekts" in Spontaneität und Rezeptivität, Apperzeption und Zeit. KANT deduziert aus dem Begriff der Erfahrung ihren notwendigen Zusammenhang; doch bleiben beide "Enden" "ansich" getrennt. Der Zusammenhang wird nicht als ursprünglicher aufgewiesen, sondern nachträglich mittels der Einbildungskraft hergestellt.
    "Wir haben also eine reine Einbildungskraft, als ein Grundvermögen der menschlichen Seele, das aller Erkenntnis a priori zugrunde liegt. Mittels deren bringen wir das Mannigfaltige der Anschauung einerseits, und mit der Bedingung der notwendigen Einheit der reinen Apperzeption andererseits in Verbindung (97). Beide äußerste Enden, nämlich Sinnlichkeit und Verstand, müssen mittels dieser transzendentalen Funktion der Einbildungskraft notwendig zusammenhängen; weil jene sonst zwar Erscheinungen, aber keine Gegenstände eines empirischen Erkenntnis, folglich keine Erfahrung geben würden." (98)
Die Problematik dieses Versuchs, einen Grundzusammenhang der transzendentalen Subjektivität herzustellen, darf nicht verdeckt werden.

Ich versuche jetzt kurz die wesentlichen Unterschiede der 1. und 2. Auflage mit Bezug auf die Einbildungskraft zusammenzufassen:
    1. Die Einbildungskraft steht in der 1. Auflage als selbständiges Erkenntnisvermögen zwischen den Sinnen und dem Verstand in der zweiten wird sie als Vermögen der figürlichen Synthesis zu einer bloßen Funktion des Verstandes.

    2. Demgemäß wird sie in der 2. Auflage weniger ausführlich erörtert und verliert ihre zentrale Stellung im äußeren Schema der Beweiskette.

    3. Der terminologische Unterschied von produktiver und reproduktiver Einbildungskraft wird in der 2. Auflage deutlicher gewahrt.

    4. Doch hängt mit der Verdrängung der reproduktiven als des ontischen Fundaments der produktiven Einbildungskraft eine Verdeckung ihrer eigentümlichen Zeitlichkeit, die sich in der 1. Auflage gezeigt hatte, zusammen.

    5. Gleichwohl muß auch die Interpretation der 2. Auflage auf das Verhältnis von Einbildungskraft und Zeit führen, zumal da jetzt der Einbildungskraft das Vermögen der Selbstaffektion zuerkannt wird.
LITERATUR: Hermann Mörchen, Die Einbildungskraft bei Kant, Jahrbuch für Philosophie und phänomenologische Forschung, Bd. 11, Halle/Saale 1930
    Anmerkungen
    1) B 102
    2) B 102
    3) B 103
    4) Nach Hölder (a. a. O., Seite 48), der psychologisch versteht, ist das "selten nur einmal" ein Hinweis darauf, daß der Unterschied zwischen Einbildungskraft und Verstand ein fließender ist. Damit ist der Sinn der scharfen Unterscheidung beider Vermögen verkannt.
    5) Nachträge zu Kants Kr. d. r. V. aus Kants Nachlaß hg. von Benno Erdmann, Kiel 1881, Nr. XLI, Seite 24.
    6) B 129f
    7) vgl. B §§ 15-20
    8) vgl. B § 21
    9) vgl. B § 26
    10) B 141f, 162 Anm., 164.
    11) Erdmann, "Kants Kritizismus in der ersten und zweiten Auflage der Kr. d. r. V." Eine historische Untersuchung, Leipzig 1878, Seite 236 Anm.
    12) B 150
    13) B 145
    14) B 150
    15) B 146, § 21 Schlußsatz.
    16) B 151
    17) Die Abgrenzung der figürlichen gegen die intellektuelle Synthesis wird dadurch etwas undeutlich, daß erstere zugleich zur Vermeidung von psychologisierenden Mißverständnissen auch von der assoziierenden Synthesis der reproduktiven Einbildungskraft unterschieden wird. Letztere folgt lediglich empirischen Gesetzen und gehört nich in die Transzendentalphilosophie, sondern in die Psychologie. Von ihr ist die figürliche Synthesis als die "transzendentale Synthesis der Einbildungskraft" dadurch unterschieden, daß "sie bgloß auf die ursprünglich synthetische Einheit der Apperzeption, d. h. diese transzendentale Einheit geht, welche in den Kategorien gedacht wird." (B 151) Der letzte Satz kann nur diesen Sinn haben und nicht, wie der Zusammenhang nahelegen möchte, die Abgrenzung gegen die intellektuelle Synthesis enthalten.
    18) B 151.
    19) vgl B 151f
    20) B 151f
    21) Die Tendenz, die Einbildungskraft dem Verstand unterzuordnen und sie als wesentlich spontan zu bestimmen, findet sich in der 2. Auflage durchgängig; vgl. auch die "Widerlegung des Idealismus", B 276 Anm.
    22) B 152
    23) B 153
    24) B 157
    25) B 153
    26) B 153f
    27) B 154f
    28) B 67f.
    29) Auch Cohen (Kommentar Seite 71f) fragt: "Ist denn aber die Zeit, die Form der Anschauung, zugleich Einbildungskraft? Ist nicht Einbildungskraft vielmehr das Mittel der Synthesis, der Verbindung? Man sieht, die Schranken der Terminologie lösen sich, und scheinen ineinander zu fließen." Er meint, daß die Unterscheidung von Schema und Bild im Schematismuskapitel diese Auflösung der Terminologie verhindern soll.
    30) B 154. - Daß das Zusammengesetzte als solches nicht angeschaut werden kann, daß die Zusammensetzung gemacht wird und nicht gegeben ist, betont Kant auch immer wieder in den Briefen der späteren Zeit, wenn er das Problem der Deduktion berührt.
    31) B 154f
    32) B § 25.
    33) A 84-95, B 116-129
    34) B 129-169
    35) A 95-114
    36) A 115-130
    37) A XVIf
    38) Cohen, Kants Theorie der Erfahrung, Seite 398f, 405, 414; Erdmann, Kritizismus, Seite 24 und 232-235; Riehl, a. a. O., Seite 501-505; Raymund Schmidt, Kants Lehre von der Einbildungskraft. Mit besonderer Berücksichtigung der Kritik der Urteilskraft, Annalen der Philosophie und philosophischen Kritik, Bd. 4, Leipzig 1924, Seite 16f.
    39) B 152
    40) A 97
    41) vgl. A 100
    42) A 102
    43) vgl. A 121-123
    44) Vgl. etwa noch A 94, 101, 107, 112f, 115f. "Psychologisch" ist allenfalls die Anmerkung A 120, die aber dann Erkenntnisse der Transzendentalphilosophie für die Psychologie verwerten will, nicht umgekehrt.
    45) Erdmann, Kants Kritizismus.
    46) Erdmann, a. a. O., Seite 236 Anm.
    47) vgl. A 100.
    48) Dieser Auffassung ist Husserl (Ideen einer reinen Phänomenologie, Bd. 1, Seite 119): "So bewegt sich z. B. die transzendentale Deduktion der ersten Auflage der Kr. d. r. V. eigentlich schon auf phänomenologischen Boden; aber Kant mißdeutet denselben als psychologischen und gibt ihn daher selbst wieder preis."
    49) A 94
    50) B 154
    51) A 97
    52) Erdmanns "Reflexionen", I Nr. 65 (= Handschriftlicher Nachlaß, Bd. II, Nr. 255) wird man in dieser Hinsicht nicht ausschlachten dürfen.
    53) Heidegger hat darum für "Synopsis" den weniger mißverständlichen Terminus "Syndosis" eingeführt.
    54) vgl. B 39f, 47f.
    55) Reicke, Blatt 7, 1. Heft, Seite 19
    56) A 120
    57) vgl. A 97.
    58) B 203
    59) A 97
    60) B 103, A 78.
    61) A 98f
    62) B 68. - Es ist jedoch zu beachten, daß der Begriff des Mannigfaltigen in der transzendentalen Ästhetik kaum vorkommt (vgl. B 34, 39, 50, 68), und daß er nur an der zitierten Stelle, die überdies in der 1. Auflage noch fehlt, unzweideutig noch keine Spontaneität voraussetzt. Besonders B 39 dagegen scheint es so, als gäbe es Mannigfaltiges überhaupt erst durch den objektivierenden Verstand.
    63) A 99
    64) A 100
    65) A 101
    66) A 102. - Es ist zu beachten, daß Kant neben diesem durchaus vorherrschenden Begriff der Synthesis als sukzessiver Synthesis auch den einer momentanen Synthesis kennt, den er freilich kaum expliziert; oder besser: daß auch die Apprehension eines bloßen Realen überhaupt, die "nicht sukzessiv, sondern augenblicklich ist", Synthesis ist. Auch diese Synthesis, wenn sie als "augenblickliche" bezeichnet werden kann, hat offenbar in irgendeinem Sinn, wie die sukzessive, mit der Zeit zu tun. Doch bleibt dies bei Kant völlig dunkel (vgl. B 209f, 217).
    67) A 100f
    68) A 103
    69) A 104-110
    70) A 120 Anm.
    71) vgl. A 113f.
    72) A 116-119; 119-128. Voraus geht eine knappe Zusammenfassung der Erörterungen über Sinn, Einbildungskraft und Apperzeption im 2. Abschnitt (A 115f), die Deduktion wird beschlossen durch eine "summarische Vorstellung" des kritischen Ergebnisses (A 128-130).
    73) A 118
    74) A 118
    75) A 119
    76) A 120
    77) A 120 Anm. Riehl (a. a. O., Seite 508 Anm.) weist darauf hin, daß schon Hobbes gelehrt hat, daß zu aller Wahrnehmung Gedächtnis, die Fähigkeit, sich vergangene Eindrücke in der Vorstellung zu vergegenwärtigen gehört, also "Einbildungskraft" in der weiteren Bedeutung des Begriffs.
    78) Vgl. B 211, A 169; ferner Pölitz, Seite 90f: De saltu et lege continuitatis [Der Sprung und das Gesetz der Kontinuität - wp].
    79) Vgl. Kritik der Urteilskraft, § 26, Seite 94f.
    80) A 120
    81) A 121
    82) A 121
    83) vgl. A 121-123
    84) A 123
    85) Reicke, Blatt B 12, Heft 1, Seite 114: "Die Einbildungskraft ist teils eine produktive, teils reproduktive. Die erste macht die letzte möglich."
    86) Vgl. etwa Reicke, an der oben genannten Stelle Seite 114f.
    87) A 102
    88) Dieses methodische Prinzip, daß ontologische Bestimmungen, als Bestimmungen des Seins, ständig am Seienden orientiert sein müssen, wird freilich von Kant nicht klar erfaßt und erfährt deshalb in der Kr. d. r. V. durchgängig eine eigentümliche Umdeutung. Die produktive Einbildungskraft, die eigentlich als ontologische Bedingung der Möglichkeit der reproduktiven Einbildungskraft als eines seienden Vermögens gemeint ist, wird selbst als ein Seiendes interpretiert und erscheint infolgedessen als ein neues Vermögen neben der reproduktiven Einbildungskraft; der Anspruch ihrer apriorischen Synthesis auf "objektive Gültigkeit" muß sich dann erst nachträglich rechtfertigen durch den Nachweis ihrer Beziehung auf die reproduktive Einbildungskraft, "welche die Gegenstände der Erfahrung herbeiruft, ohne die sie keine Bedeutung haben" würde (vgl. B 195). Anderwärts, wo Kants Blickrichtung zwar im Grunde dieselbe bleibt, wird aber wenigstens betont, daß die bildende Synthesis der produktiven Einbildungskraft "mit derjenigen gänzlich einerlei ist, welche wir in der Apprehension einer Erscheinung ausüben, um uns davon einen Erfahrungsbegriff zu machen." (B 271)
    89) A 124
    90) A 125 "Der Erkenntnis" ist offenbar Dativ.
    91) A 103
    92) A 103
    93) So auch in einer Anmerkung der 2. Auflage, B 131.
    94) vgl. A 108
    95) A 123
    96) Vgl. hierzu unten die Erörterung der Schematismuslehre.
    97) Zum Text vgl. Heidegger, Kant und das Problem der Metaphysik, Bonn 1929, Seite 78, Anm. 2.
    98) A 124