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RICHARD KRONER
Über logische und
ästhetische Allgemeingültigkeit

[3/3]

"Das ästhetische Urteil gründet sich auf ein Gefühl. Gefühle aber gehören, wie wir wissen, dem Individuum, d. h. der schlechten Subjektivität an, können also von sich aus keine objektive Bedeutung beanspruchen. Das ästhetische Bewußtsein sinnt aber Jedermanns Beifall an. Wie ist dieser Anspruch zu rechtfertigen?"

"Das Postulat der Formbarkeit des Inhalts, auf das sich die Anerkennung transzendenter Normen und damit die Gültigkeit von Wirklichkeitsurteilen stützt, unterscheidet sich von der hinsichtlich einer zusammenhängenden Erfahrung postulierten empirischen Gesetzmäßigkeit dadurch, daß es schon jeder Wahrnehmung zugrunde liegt, d. h. von jedem denkenden Bewußtsein schlechthin als rechtmäßig und einsichtig notwendig anerkannt werden muß, sofern es überhaupt nur Existentialurteile denkt und bejaht."

"So ist das Gefühl, die Weise, in der das Bewußtsein einen Inhalt als schönen ergreift und wertet, die Innerlichkeit, die im ästhetischen Wohlgefallen erlebt wird, nichts Psychisches und nichts Subjektives, insofern wir auf ihren Gehalt, nicht auf ihr Sein reflektieren."


II. Ausführender Teil
[Fortsetzung]

B. Die transzendental-logische und
ästhetische Allgemeingültigkeit

Alle Wissenschaft, die sich auf die Erkenntnis eines Seienden richtet, scheidet in ihm Wesentliches vom Unwesentlichen, faßt zusammen und sondert ab und fügt sich so zu einem geschlossenen Bau der Begriffsbildung. Auch die Philosophie, die kein Seiendes, sondern ein Sinnvolles zu erforschen trachtet, kann eines ähnlichen, ihr Gebiet organisierendes Prinzip nicht entraten; ich habe schon öfters erwähnt (1), daß auch im Reich des Sinnvollen unwesentliche Elemente auffindbar sind, denen die überindividuelle Bedeutung fehlt. Aber auch in den für uns wesentlichen Sphären des ansinnenden, Werte setzenden Bewußtseins hat die unterscheidende, Struktur gebende Arbeit des begrifflichen Denkens einzutreten, um eine im Erleben selbst ungeschiedene Einheit zu zerlegen und in die lichte Klarheit des Gedankens überzuführen.
    "Es ist verschieden solche vom Denken bestimmte und durchdrungene Gefühle und Vorstellungen (Religion, Recht, Sittlichkeit) - und Gedanken darüber zu haben." (2)
Die erlebte Einheit sinnvoller, (vom Denken durchdrungener) Gefühle, Vorstellungen, Wünsche und Begriffe offenbart sich uns nämlich selbst keineswegs als sinnvolle, sondern als bloß erlebte Einheit; Sache der Philosophie ist es, nach einer Untersuchung der Einzelrichtungen des Bewußtseins ihr sinnvoll ineinander greifendes Gefüge im System zu erbauen und zu durchleuchten. Die Gliederung eines solchen Systems darf sich nicht gründen auf eine psychologische Einteilung des Seelenlebens (3) - denn nicht das psychische Wirkliche gilt es zu begreifen, sonden den Sinn des Lebens, der sich durch sich selbst differenziert und durch die Gebilde der gestaltenden Kraft des Bewußtseins seine eigene Darstellung an die Hand gibt. Daß die religiöse Vorstellung uns nicht zusammenfällt mit dem religiösen Kunstwerk - wie nahe hier auch im Erleben das psychisch Wirkliche beieinanderstehen, ja sich vielleicht oftmals decken mag, daß wir das lebendige Bewußtsein ihres unterschiedlichen Sinnes in uns tragen, ist selbst ein sinnvolles, auf nichts Primäres zurückführbares Erlebnis, an dem sich schlechterdings nicht zweifeln läßt.

Gelangen wir so zu einer von selbst einleuchtenden Scheidung des logischen vom ästhetischen Erlebnisinhalt, so is damit philosophisch doch nur der erste und leichteste Schritt getan; denn in der Folge gilt es, diese Scheidung zu verstehen, d. h. sich deutliche Rechenschaft zu geben, worin sich begrifflich die beiden Wertgebiete gleichen, worin sie voneinander verschieden sind, in welchen sinnvollen Zusammenhang in der zum System umgedachten Einheit des Erlebens beide etwa einzustellen sind. Eine Antwort auf diese Fragen versucht der folgende Abschnitt zu geben. Und zwar treten wir zuerst in eine Kritik der kantischen Begriffe ein.


§ 5. Subjektive Allgemeinheit
und Notwendigkeit

In der "Kritik der reinen Vernunft" erlangt, wie wir gesehen haben, aus zwei Gründen nur das streng allgemeine Urteil den Vorzug der Objektivität:
    1. Infolge des Bestrebens, das individuelle Moment des Vorstellungsinhaltes als ein subjektives aufzuheben.

    2. Infolge des die transzendentale Deduktion umgarnenden syllogistischen Schemas.
Beide Momente tragen das Ihrige dazu bei, dem ästhetischen Urteil nur eine "subjektive Allgemeinheit" (4) zuteil werden zu lassen:
    1. Vermag das auf ein Gefühl sich stützende, einen singularen Gegenstand meinende ästhetische Urteil nicht die Züge der "schlechten Subjektivität" zu verwischen.

    2. Läßt es sich nicht wie "Erfahrungsurteile" unter allgemeine synthetische Grundsätze a priori subsumieren.
Wir haben nun eingehend zu untersuchen, wie diese beiden Momente im Denken KANTs sich verschränken und welche Komplikationen noch von Seiten der logischen Allgemeingültigkeit herzutreten, um die nach KANTs eigenen Worten "nicht ganz zu vermeidende Dunkelheit" hervorzurufen, die über diesen Problemen und Problemlösungen lagert. Zunächst haben wir zu fragen, wie KANT zu seinem Begriff der "subjektiven Allgemeinheit" gelangt, und was dieser für unsere Auffassungsweise der transzendentalen Deduktion bedeutet. War die "Kritik der reinen Vernunft" ganz beherrscht von dem leitenden Gedanken einer Begründung der obersten Voraussetzungen der mathematischen Naturwissenschaft, so stellen sich in der "Kritik der Urteilskraft dem auf die Ästhetik und die organische Natur gerichteten Blick KANTs Probleme in den Weg, die ihn zwingen, dem Konkreten und Individuellen gerecht zu werden.
    "Dieser Fortgang bietet zwei Ansichten, eine analytische und eine synthetische. Auf der analytischen Seite wird immer schärfer die Norm von der Allgemeinheit gesondert, auf der synthetischen werden die Interessen des Kritizismus zu einem immer stärkeren Konvergieren auf die Wirklichkeit, oder da diese in einem System der Transzendental-Philosophie immer nur durch eine Form vertreten sein kann, auf die Individualität, gebracht." (5)
Während in der "Kritik der reinen Vernunft" der Satz GALILEIs gilt: "Der Begriff der Materie ist das unentbehrliche Korrelat der Notwendigkeit." (6) wird in der "Kritik der Urteilskraft" dem ästhetischen Urteil ebenfalls eine, wenn auch nur "subjektive Notwendigkeit" zuteil. Die subjektive Notwendigkeit, Allgemeingültigkeit oder Allgemeinheit, Begriffe, die bei KANT keine stete und scharfe Besonderung erfahren, sondern für einander gebraucht werden, bedeutet aber nichts anderes als das Gelten für Jedermann oder die Gültigkeit ohne Stimmensammlung, welche ich auch als das einzige Kriterium der Objektivität der Erkenntnis oder materialen Wahrheit festgestellt habe, nachdem ich die logische Allgemeinheit vom Begriff der Allgemeingültigkeit losgetrennt habe. Auch für KANT besitzt jedes objektiv allgemeingültige Urteil zugleich eine subjektive Allgemeinheit.
    "Nun ist ein objektiv allgemeines Urteil auch jederzeit subjektiv, d. h. wenn das Urteil für Alles, was unter einem gegebenen Begriff enthalten ist, gilt, so gilt es auch für Jedermann, der sich einen Gegenstand durch diesen Begriff vorstellt." (7)
Das ästhetische Urteil vermag aber nicht dieselbe Allgemeingültigkeit zu erreichen, die dem logischen zukommt, denn sein Prädikat bezieht sich nicht auf einen Begriff (worunter KANT immer den Naturbegriff eines rational durchdrungenden, allgemeinen Gegenstandes, nie den Begriff eines individuellen Gegenstandes versteht, den er nicht kennt).
    "Von einer subjektiven Allgemeingültigkeit, d. h. der ästhetischen, die auch keinen Begriff braucht, läßt sich nicht auf die logische schließen, weil jene Art Urteil gar nicht auf das Objekt geht. Eben darin aber muß die ästhetische Allgemeinheit, die einem Urteil beigelegt wird, von besonderer Art sein, weil sie das Prädikat der Schönheit nicht mit dem Begriff des Objekts, in seiner ganzen Sphäre betrachtet, verknüpft und doch eben dasselbe über die ganze Sphäre der Urteilenden ausdehnt." (8)
Mit klaren Worten werden hier die Begriffe der logischen und ästhetischen Allgemeingültigkeit geschieden. Mit der ersteren ist stets die strenge Allgemeinheit verknüpft, deshalb ist sie eine objektive Allgemeingültigkeit, die letztere bezieht sich auf einen individuellen Gegenstand; da diesem keine "Sphäre" zukommt, gebührt ihm nicht der Name Objekt; das Prädikat der Schönheit gilt jedoch für die "ganze Sphäre der Urteilenden", so bleibt für diese Art der Allgemeingültigkeit gewissermaßen nur die Hälfte ihrer Würde übrig.

Wir erkennen in dieser Auffassung deutlich die Wirkung des "transzendentalen Syllogismus". Hier ist das synthetische Urteil a priori nur objektiv allgemeingültig, weil und insofern es sich auf die ganze Sphäre des Objekts (auf alle "Fälle") ausdehnt. Seine transzendental-logische Begründung erstreckt sich deshalb auch nur soweit, als die in der Kategorie gedachte Sphäre des Transzendent-Allgemeinen sich erstreckt. Wo wir daher von logischer Allgemeingültigkeit schlechthin gesprochen haben, dürfen wir im Geist dieser Richtung des kantischen Denkens nur die Gültigkeit der synthetischen Grundsätze a prior verstehen, in denen das Ideal des Geltens erreicht ist. Sobald jedoch in den beurteilten Gegenstand (in den Subjektbegriff der Urteile) individuelle Züge aufgenommen werden, differenziert sich der Begriff der logischen Allgemeingültigkeit, und wir haben zuerst zu verfolgen, in welcher Weise diese Differenzierung von KANT gedacht wird, und welche Folgen für die ästhetische Allgemeingültigkeit sich aus ihr herleiten.

Insofern sich die Allgemeinheit des Transzendental-Allgemeinen zu empirischen Gesetzen spezifiziert, wird nach KANT die Notwendigkeit dieser undeduzierbar. Das Individuelle als solches läßt sich aus dem Allgemeinen nicht herleiten, also auch das empirisch Allgemeine (ein graduell oder relativ Individuelles) nicht aus dem Transzendental-Allgemeinen; wir haben im vorigen Kapitel schon diese im syllogistischen Schlußverfahren liegende Eigentümlichkeit erwähnt; die aus ihr mit unerbittlicher Konsequenz fließende Folgerung raubt somit auch den emprischen Gesetzen oder Erfahrungsurteilen die objektive logische Allgemeingültigkeit im strengen Sinn. Der Inhalt der Subjektbegriffe in den Erfahrungsurteilen ist größer als der Inhalt der Grundsätze a priori, ihr Umfang geringer als der des Transzendental-Allgemeinen, das Prädikat dieser Urteile beherrscht also nicht die ganze Sphäre des im Subjekt mitgedachten, durch den empirischen Inhalt getrübten, reinen Verstandesbegriffs; deshalb muß auch die Sphäre der objektiven oder durch den transzendentalen Syllogismus beweisbaren Notwendigkeit oder Allgemeingültigkeit bei ihnen kleiner sein, und insofern bleibt also auch für die empirischen Gesetze keine vollwertige objektive Notwendigkeit übrig. Freilich ist dieser Gedankengang nicht überall herrschend. So oft KANT die Allgemeingültigkeit der empirischen Gesetze zusammenhält mit der einsichtig beweisbaren Notwendigkeit der synthetischen Urteile a priori (z. B. in der Einleitung zur "Kritik der Urteilskraft") verblaßt die erstere zu einer auf einem "subjektiven Prinzip der Urteilskraft" (9) fußenden Notwendigkeit; so oft er aber die logische Allgemeingültigkeit überhaupt zusammenhält mit der subjektiven Allgemeinheit des ästhetischen Urteils, zeichnet er die logische Allgemeingültigkeit dadurch aus, daß "ihr notwendiger Beifall durch Beweise erzwungen werden" (10) kann. Es wird nun meine Aufgabe sein, die schillernde Notwendigkeit der empirischen Gesetze von der subjektiven Allgemeinheit der ästhetischen Urteile begrifflich genau zu unterscheiden.

Ohne Weiteres leuchtet ein, daß den empirischen Gesetzen, obwohl ihre Gültigkeit, eben weil sie empirisch sind, nicht bewiesen werden kann, doch weil sie Gesetze, d. h. allgemeine logische Urteile sind, eine logisch deduzierbare Notwendigkeit zusteht, insofern in ihnen das Momenntn der transzendentalen Allgemeinheit enthalten ist. Genau so - denn wir haben zum Verständnis des transzendentalen Syllogismus nicht ohne tieferen Grund, wie wir wissen, uns immer analoger Verhältnisse im naturwissenschaftlichen Begreifen zu erinnern, genau so, wie an einer Pflanze vom Standpunkt der Botanik all das als notwendig angesehen werden muß, was diesem Individuum gattungsmäßig zukommt, als zufällig, was aus der Gattung nicht abgeleitet werden kann, genau so haben wir mit KANT in den empirischen Gesetzen einen notwendigen und einen zufälligen Bestandteil zu unterscheiden. Unsere nächste Aufgabe ist es daher nachzuforschen, ob auch im ästhetischen Urteil zwei Bestandteile dieser Art enthalten sind, oder wie die Dinge hier liegen. Und zwar will ich zunächst die Eigentümlichkeit des ästhetischen Urteils, sich auf ein Gefühl zu stützen, in ihrer Bedeutung für das Prinzip der "schlechten Subjektivität" einerseits, für den transzendentalen Syllogismus andererseits prüfen; erst dann werde ich wieder zur Singularität zurückkehren. Ich beginne also damit, die Rolle, die das Gefühl in den Begriffen KANTs spielt, darzulegen.


a) Das ästhetische Gefühl

Ich habe in Abschnitt I zu zeigen versucht, daß die syllogistische Begründung dahin neigt, die Erkenntnis wie ein naturnotwendiges Sein oder Geschehen zu deduzieren und den reinen Verstand als Gattungsbewußtsein (Typus 1) oder in der Art HUSSERLs als Inbegriff von spezifischen Ideen der Erkenntnisakte (Typus 2) aufzufassen. In beiden Fällen ermöglichte eine Vermischung von Seins- und Wertbegriffen die Durchführung des Deduktionsgedankens, hinter dem mehr oder weniger versteckt psychologistische Motive lauern. Der dritte Typus vermied eine solche Vermischung, da er mit rein erkenntnistheoretischen Begriffen zu operieren versuchte, wenn er auch freilich damit zu keinem Ergebnis gekommen ist. Seine nicht-psychologistische Form verdankte er jedoch einzig und allein der syllogistischen Natur alles Begrifflichen überhaupt: hier konnten Begriffe konkreten Inhalts unter transzendental-logische Allgemeinheiten subsumiert werden und der Anschein einer rein-logischen Deduktion entstehen. In dem Augenblick jedoch, da es sich um die Begründung von Urteilen handelt, die unter kein logisch Allgemeines mehr subsumierbar sind, weil ihr Subjektbegriff keine "Sphäre" beherrscht, muß der wahre Charakter des transzendentalen Syllogismus, sein naturalistisches und psychologistisches Wesen, auch in der kantischen Fassung offen hervortreten.

Diese Wendung vollzieht sich auf ästhetischem Gebiet. Das ästhetische Urteil gründet sich auf ein Gefühl. Gefühle aber gehören, wie wir wissen, dem Individuum, d. h. der schlechten Subjektivität an, können also von sich aus keine objektive Bedeutung beanspruchen. Das ästhetische Bewußtsein sinnt aber Jedermanns Beifall an. Wie ist dieser Anspruch zu rechtfertigen? Nur so, sagt KANT, daß die Quelle dieses Gefühls in der Tätigkeit der Organe der guten Subjektivität gesucht und in einem Zusammenwirken von Verstand und Einbildungskraft in ihrer Freiheit (in der Harmonie der Erkenntniskräfte) aufgefunden wird. Durch diese eigentümliche und geniale Konstruktion, die das subjektive Gefühl mit erkenntnistheoretischen Begriffen in Beziehung setzt, bringt KANT gleichsam ein transzendentales Naturgesetz auf den Plan, das eine ähnliche syllogistische Begründung gestattet, wie wir sie auf logischem Gebiet kennen gelernt haben. Freilich tritt, wie gesagt, der psychologistische Charakter hier stärker zutage. Mit Hilfe dieser Konstruktion versucht KANT, die merkwürdige Doppelbestimmtheit der ästhetischen Allgemeingültigkeit, daß sie sich nämlich auf ein subjektives Gefühl gründet und doch objektive Allgemeingültigkeit beansprucht, zu erklären. Um die hier miteinander ringenden Motive völlig zu verstehen, müssen wir uns noch einmal das Prinzip des transzendental-logischen Syllogismus in seinen psychologistischen Typen vergegenwärtigen und das des transzendental-ästhetischen im Anschluß daran zu begreifen suchen. Wir erhalten dann folgendes Bild:

Der Verstand funktioniert, schroff ausgedrückt, stets und ausnahmslos nach allgemeinen Gesetzen, denen deshalb gleichzeitig das Erkennen und die Natur gehorchen muß; der einzelne Fall, d. h. ein Erfahrungsurtel (im Sinne KANTs) oder ein empirisches Gesetz ist daher mit einsichtiger Notwendigkeit diesen transzendentalen Gesetzen unterworfen, unter die ihn die "bestimmende Urteilskraft" mühelos subsumiert. (11)

Scheinbar dieselbe Konstellation liegt bei flüchtigem Hinsehen im Ästhetischen vor. Verstand und Einbildungskraft stimmen ebenfalls nach allgemeinen Gesetzen harmonisch miteinander überein, "weil sich sonst Menschen ihre Vorstellungen und selbst die Erkenntnis nicht mitteilen könnten". (12) Der einzelne Fall, d. h. das ästhetische Urteil, untersteht auch hier einer transzendentalen Gesetzmäßigkeit - freilich nicht mit einsichtiger Notwendigkeit; darin aber liegt der bedeutsame Unterschied.
    "Die Erkenntniskräfte, die durch diese Vorstellung (die als schön beurteilte) ins Spiel gesetzt werden, sind hierbei in einem freien Spiel, weil kein bestimmter Begriff sie auf eine besondere Erkenntnisregel einschränkt." (13)
Während alles Denken durch den Verstand bedingt ist, ist alles Fühlen nicht durch das Zusammenwirken der Erkenntniskräfte bedingt. Wo der Verstand hindenkt, denkt er objektiv; was er anfaßt, verwandelt sich in das Gold des Erkennens; wo das Gefühl hinfühlt aber, da stimmen nicht imer die Erkenntniskräfte harmonisch miteinander zusammen. Mit anderen Worten: wann jene Proportion der Kräfte eintritt, die das ästhetische Phänomen erst zum ästhetischen macht, ist a priori nicht bestimmbar, sondern hängt ab von der Gunst des Zufalls. Den "Fall" der Anwendung des allgemeinen ästhetischen Gesetzes kennen wir nicht; deshalb vermag er seine apriorische Bedeutung nicht durch die Subsumtion unter ein Transzendental-Allgemeines sich zu erringen. Verdeutlichen wir uns diese Sachlage wieder an einer naturwissenschaftlichen Analogie. Wissen wir von einer Pflanze, zu welcher Gattung sie gehört, so können wir die an ihr beobachteten Eigentümlichkeiten als notwendig begreifen; wir sagen dann wohl, sie ist so und so beschaffen, weil sie zu dieser Gattung gehört; und umgekehrt, wir müssen die und die Charakterzüge bei jeder Pflanze dieser Gattung mit Notwendigkeit antreffen. Begegnen wir jedoch einer fremden Pflanze und beobachten an ihr auszeichnende Merkmale, so begreifen wir deren Notwendigkeit gar nicht, vielmehr schließen wir auf eine Gattung, der jene auszeichnenden Merkmale zu eigen sind. Erst wenn wir nachträglich, d. h. unter Bezugnahme auf andere, bekannte Merkmale, konstatieren können, daß diese Pflanze einer bekannten Gattung mit jenen auszeichnenden Merkmalen wirklich zugehört, ist die Notwendigkeit ihrer Merkmale für uns "einsichtig" geworden. Beim ästhetischen Gefühl treffe ich auszeichnende Merkmale an, aber ich weiß nicht, daß das Gefühl ein "Fall" des harmonischen Zusammenstimmens der Erkenntniskräfte darstellt, vielmehr schließe ich aus jenen Merkmalen erst auf das Gesetz; sie führen mich zu der Annahme, daß mein Gefühl unter jenen gattungsmäßigen Vorgang zu subsumieren ist. So vermag ich hypothetisch gewissermaßen jene Notwendigkeit mir begreiflich zu machen, aber ich habe an meinem Gefühl nicht andere, bekannte Merkmale als Beweisgründe, die mir ihrerseits gestatten, mein Gefühl zu klassifizieren und nach der Erkenntnis seiner Gattung jenes Merkmal des ästhetischen Wohlgefallens als "einsichtig" notwendig zu begreifen (14). Das ästhetische Gefühl ist als Gefühl nicht ein "Fall" des harmonischen Zusammenwirkens der Erkenntniskräfte, sowie in der psychologistischen Vorstellung das Urteil ein "Fall" der wirkenden Kraft des Verstandes ist (15); vielmehr ist das ästhetische Gefühl für mich immer wieder eine "fremde Pflanze", deren gattungsmäßige Züge mir im Übrigen verschlossen sind. Darum ist die Notwendigkeit des ästhetischen Urteils nicht a priori deduzierbar. Freilich reicht die Wahrheit dieser Analogie nur soweit, als die Wahrheit der syllogistischen Begründung in der Transzendental-Philosophie überhaupt reicht. Daß der Vergleich hinkt, zeigt, daß wir es hier nur mit einem Vergleich zu tun haben, der uns nicht das leistet, was wir verlangen. Verfolgen wir unsere Analogie noch einen kleinen Schritt weiter. Daß eine Pflanze, die wir nicht kennen, bestimmte Merkmale trägt, vermögen wir freilich nicht einzusehen; daß aber eine Gattung in ihren Exemplaren sich selbst verleugnet, daß ein wesentliches Gattungsmerkmal dem Exemplar und noch dazu in der Mehrzahl der Fälle fehlt, werden wir für undenkbar halten. Das tatsächliche Auseinandergehen der Urteile über das Schöne wäre für diese ganze Denkungsart also ein unlösbares Problem, wie der Irrtum für den logischen Psychologismus, denn die Proportion der Erkenntniskräfte müßte doch durch die Vorstellung produziert gedacht werden, d. h. von einem erkenntnistheoretischen Standpunkt: durch objektive Inhalte, also in gleicher Weise für alle erkennenden Subjekte. Schön aber ist nicht, was wir notwendig als schön beurteilen, sondern was wir als schön beurteilen sollen.

Doch wir haben vorläufig, ehe wir an die eigene Gestaltung und Lösung der Probleme gehen, noch tiefer in KANTs Gedankengänge einzudringen. Wir sind sowohl im logischen als im ästhetischen Gebiet auf Notwendigkeitsbegriffe gestoßen, die KANT ausdrücklich unterschieden hat von dem der einsichtigen und beweisbaren Notwendigkeit der synthetischen Urteile a priori. Ist die subjektive Notwendigkeit der empirischen Gesetze und die der ästhetischen Urteile ein und dieselbe?

Wir wissen jetzt, warum diese Frage nur verneinend beantwortet werden kann. Das logisch-gültige Urteil ist für alle Fälle ein Exemplar der Gattung "Verstandesurteil" und deshalb "einsichtig" notwendig, insofern es subsumierbar ist, d. h. insofern in seinem Subjektbegriff as Transzendental-Allgemeine steckt. Wenn wir an das Beispiel der Pflanze denken, so verhält sich das ästhetische Urteil zum empirischen Gesetz, wie sich die Merkmale einer nicht subsumierbaren, fremden Pflanze verhalten zu individuellen Eigentümlichkeiten einer subsumierbaren, gattungsmäßig wiedererkannten Pflanze.

Doch noch sind wir nicht am Ende. Denn die Schwierigkeit dieser Verhältnisse erhöht sich noch dadurch, daß das ästhetische Gefühl, das als "ästhetisches" sich unter seine Gattung, nämlich das harmonische Zusammenstimmen der Erkenntniskräfte, nicht subsumieren läßt, als "Gefühl" eienr anderen Gattung angehört, aus der sich die ihm eigenen Merkmale nicht als notwendig ableiten lassen. Ich habe diesen Punkt schon oben angedeutet. Das Gefühl weist nicht immer auf eine, sei es günstige, sei es ungünstige Proportion im Spiel von Verstand und Einbildungskraft hin, sondern untersteht der Gattung "Gefühl überhaupt", wie das Urteil der Gattung "Verstand" untersteht. Es ist nötig, diese scheinbar fernliegenden psychologistisch-logischen Beziehungen aufzudecken, denn nur so gelangen wir zu einem vollen Verständnis, wenn nicht der Intentionen KANTs, so doch der hier liegenden syllogistischen Denkmöglichkeiten, die KANTs Spekulation ohne Zweifel beeinflußt haben. Nur so gelangen wir endlich zu einer Überwindung dieser Theorie.

Das Gefühl als Gattung, sagte ich, besitzt keine allgemeinen Merkmale, die sich im ästhetischen Gefühl wiederfinden lassen, so zwr, daß dadurch die Notwendigkeit des ästhetischen Urteils zu erweisen wäre. Hier ist der transzendente Syllogismus am Ende seines Herrschaftsbereichs. Denn das Gefühl als Gattung gehört der schlechten Subjektivität an; die allgemeinen Merkmale, die von dieser Gattung im ästhetischen Gefühl etwa wiedererkannt werden könnten, haben keine Objektivität begründende Bedeutung. Im ästhetischen Gebiet gibt es keine "Grundsätze", die den synthetischen Urteilen a priori entsprechen. (16) Läßt sich, bei Zwielicht des transzendentalen Syllogismus gesehen, die Deduktion im Feld der Erkenntnis in die Worte kleiden: der Verstand mag die Welt denken, wie er will, so muß er sie doch immer seiner eigenen Gesetzmäßigkeit gemäß denken, d. h. die aus einem allgemeinen Wesen (als Inbegriff der Kategorien) fließenden allgemeinsten Urteile sind notwendig gültig für die gedachte Welt, nämlich für die Natur, so ist es im Feld der Beurteilung des Schönen unmöglich gleicherweise zu behaupten: wir mögen fühlend die Gegenstände beurteilen, wie wir wollen, wir sind dabei stets allgemein ästhetischen Gesetzen a priori unterworfen. Vielmehr bleibt es damit, ob "die Natur auch als Inbegriff von Gegenständen des Geschmacks a priori anzunehmen ist", bei der bloßen Frage und beim Zweifel. Fassen wir das über die beiden "Gattungen" des ästhetischen Gefühls Gesagte zusammen, so ergibt sich von beiden Seiten her derselbe Mangel an einsichtiger oder apriorischer Notwendigkeit. Unter die das Prinzip der guten Subjektivität vertretende Gattung läßt sich nicht subsumieren; die einer Subsumtion fähige Gattung gehört dem Prinzip der schlechten Subjektivität an.

So sehen wir, daß die beiden, KANTs Untersuchung bestimmenden Faktoren: der Begriff der schlechten Subjektivität einerseits, das Prinzip des transzendentalen Syllogismus andererseits in ihrer Gemeinschaft dazu führen, die ästhetische Allgemeingültigkeit als subjektiv und der logischen gegenüber als uneinsichtig zu erklären. Danach scheint es, als wäre die ästhetische Allgemeingültigkeit für KANT überhaupt zweiten Ranges im Vergleich mit der logischen. Wir haben jedoch noch andere Gedankengänge KANTs, die sich auf das Problem der Singularität des ästhetischen Urteils beziehen, kennen zu lernen, ehe wir das Verhältnis der logischen und ästhetischen Allgemeingültigkeit, wie es in der "Kritik der Urteilskraft" zutage tritt, klar erfassen können. Wenden wir uns daher jetzt wieder der Singularität des ästhetischen Urteils zu.


b) Die Singularität des ästhetischen Urteils

Während empirische Gesetze nur relativ konkret und individuell (17) zu nennen sind, ist das ästhetische Urteil ein singulares, d. h. sein Subjekt ist absolut individuell und läßt sich unter keinen Allgemeinbegriff subsumieren.
    "Das Geschmacksurteil unterscheidet sich darin vom logischen, daß das letztere eine Vorstellung unter Begriffe vom Objekt, das erstere aber gar nicht unter einen Begriff subsumiert, weil sonst der notwendige Beifall durch Beweise würde erzwungen werden können." (18)
Daß der notwendige Beifall auch beim logischen Urteil, insofern dieses ein empirisches und kein synthetisches a priori ist, nicht durch Beweise erzwungen werden kann, habe ich schon gezeigt (siehe oben). Aber insofern das empirische Urteil unter die transzendentale Allgemeinheit subsumiert werden kann, ist es als "Fall" einsichtig notwendig und in diesem Sinn auch beweisbar. Daher ist vorauszusehen, daß die Differenz des relativ und absolut Individuellen für die Allgemeingültigkeit nicht wirkungslos bleiben wird. Das ästhetische Urteil enthält überhaupt kein Transzendental-Allgemeines; muß seine Singularität oder absolute Individualität daher nicht notgedrungen eine gänzlich andere Rolle für seine Allgemeingültigkeit spielen als die des relativ Individuellen für die Allgemeingültigkeit des empirischen Gesetzes? Aber gibt es denn kein logisches Urteil, das dem ästhetischen darin gleicht, daß es absolut individuell und singulär ist? Und könnte uns ein Blick auf logisch singuläre Urteile nicht vielleicht Aufschluß für den analogen Fall des Geschmacksurteils geben? Doch, wird man hier einwenden, das logische Urteil vermag niemals an Konkretheit und Individualität dem ästhetischen gleichzukommen, denn der Subjektbegriff eines logischen Urteils wird stets durch einen Begriff vertreten, in jedem Begriff aber ist eine transzendentale Allgemeinheit enthalten. In der Tat, dieser Einwurf ist durchaus dem kantischen Denken gemäß. Ein das Individuelle meinender Subjektbegriff wird für KANT Begriff im prägnanten Sinne nur durch das Teilhaben an der Kategorie; mit dieser ist aber die absolute Individualität schlechterdings unvereinbar; so entsteht jene notwendige Spannung im Problem des singulären logischen Urteils, bei der ich noch einen Augenblick verweilen will.

Mit der Wahrnehmung eines Gegenstandes, sagt KANT, kann
    "unmittelbar der Begriff von einem Objekt überhaupt, von welchem jener die empirischen Prädikate enthält, zu einem Erkenntnisurteil verbunden und dadurch ein Erfahrungsurteil erzeugt werden. Diesem liegen nun Begriffe a priori von der synthetischen Einheit des Mannigfaltigen der Anschauung, um es als Bestimmung eines Objekts zu denken, zum Grunde, und diese Begriffe (die Kategorien) erfordern eine Deduktion, die auch in der Kr. d. r. V. gegeben worden ist, wodurch dann auch die Auflösung der Aufgabe zustande kommen konnte: wie sind synthetische Urteile a prior möglich?" (19)
Diese Stelle berührt den überaus peinlichen Übergang von der Wahrnehmung zum Erfahrungsurteil. Aus meinen früheren Erörterungen wissen wir, daß dieser Übergang bei KANT sehr schroff und unvermittelt dasteht, denn sein Erfahrungsurteil ist stets ein empirisches Gesetz. Das singuläre Urteil aber, dessen Subjektbegriff absolut individuell ist, also schlechterdings gar keine Sphäre hat (Wahrnehmungsurteil), schrumpf auch in seiner Geltungssphäre auf ein individuelles Subjekt zusammen. Hier sehen wir das Gesetz des transzendentalen Syllogismus in voller Wirksamkeit: je größer der Inhalt des Subjektbegriffs, desto kleiner sein Umfang, desto kleiner auch der Umfang der Geltung. Im Wahrnehmungsurteil reduziert sich für KANT der Umfang des Subjektbegriffs und der des Geltens gleichzeitig auf ein einziges Individuum ("subjektive Gültigkeit"). Das Problem des ästhetischen Urteils aber liegt darin, daß sein Subjekt ebenfalls eine totale Individualität darstellt, daß sein Geltungsumfang hingegen dem des synthetischen Urteils a priori gleichzukommen prätendiert [Anspruch erhebt - wp].
    "Daß die Geschmacksurteile aber, was die geforderte Beistimmung von Jedermann betrifft, Urteile a priori sind, oder dafür gehalten werden wollen, ist gleichfalls schon in den Ausdrücken ihres Anspruchs enthalten, und so gehört diese Aufgabe der Kritik der Urteilskraft unter das allgemeine Problem der Transzendental-Philosophie: wie sind synthetische Urteile a priori möglich?" (20)
Bei den logischen singulären Urteilen können wir uns also, wenn wir KANT folgen, keinen Rat und Aufschluß holen. Am Problem ihrer Begründung ist KANT vorbeigegangen (21). Die Wahrnehmung repräsentiert ihm kein Urteil im Sinne einer logischen Gültigkeit; sobald sie aber zu dieser Stufe emporklimmt, hat sie sich schon in ein empirisches Gesetz verwandelt. Es begibt sich bei KANT durch diese Lagerung seiner Gedanken das sonderbare Schauspiel, daß er die absolut individuellen, konkreten, singulären Geschmacksurteile, da sie den "unerhörten" Anspruch auf Beistimmung von Jedermann erheben, in eine Reihe mit den Grundsätzen der Naturwissenschaften zu stellen sich gezwungen sieht. Sie sind synthetische Urteile a priori oder wollen dafür gehalten werden.
    "Es ist ein empirisches Urteil, daß ich einen Gegenstand mit Lust wahrnehme und beurteile. Es ist aber ein Urteil a priori, daß ich ihn schön finde, d. h. jenes Wohlgefallen Jedermann als notwendig ansinnen darf." (22)
Man darf sich wundern, warum KANT diese hohe Würde dem Geschmacksurteil zugebilligt hat, warum er ihre Allgemeingültigkeit nicht vielmehr der der empirischen Gesetze annäherte, in denen die transzendente Allgemeinheit doch auch durch individuelle Elemente die Apriorität im vollen Sinn und Wert eingebüßt hat. Und in der Tat finden sich auch Stellen, wo die Geschmacksurteile keineswegs jene majestätische Stelle der synthetischen Urteile a priori einnehmen, sondern, ihrer Würde entkleidet, mit dem Geltungsgrad einfacher empirischer Urteile fürlieb nehmen müsen.
    "Hier ist nun eine Lust, die ... wie alle empirischen Urteile, keine objektive Notwendigkeit ankündigen und auf Gültigkeit a priori Anspruch machen kann. Aber das Geschmacksurteil macht auch nur Anspruch wie jedes andere empirische Urteil, für Jedermann zu gelten, welches ungeachtet der inneren Zufälligkeit desselben, immer möglich ist. Das Befremdende Abweichende liegt nur darin, daß es nicht ein empirischer Begriff, sondern ein Gefühl der Lust (folglich gar kein Begriff) ist, welches doch durch das Geschmacksurteil, als ob es ein mit der Erkenntnis des Objekts verbundenes Prädikat wäre, Jedermann zugemutet und mit der Vorstellung desselben verknüpft werden soll." (23)
Man ersieht aus diesen Ausführungen ein gewisses Schwanken, das nach meiner ausführlichen Darlegung der schwierigen hier zugrunde liegenden Begriffe, vor allem aber, nachdem wir für die unselige Vermischung syllogistischer und transzendentaler Begründungsmotive Verständnis gewonnen haben, uns nicht mehr sonderlich in Erstaunen versetzen kann. Die Quelle aller Verwirrungen liegt ausschließlich in dieser Vermischung. In ihr auch haben wir den Grund zu suchen, daß KANT mit dem Begriff des "empirischen Urteils" zu keiner rechten Klarheit kommt. Bald identifiziert er es geradewegs mit dem des empirischen Gesetzes (Erfahrungsurteil), bald mit dem des Wahrnehmungsurteils, denn ein solches kann nur gemeint sein, wenn KANT in den oben zitierten Worten sagt: "Es ist ein empirisches Urteil, daß ich einen Gegenstand mit Lust wahrnehme und beurteile." Mit einem solchen Urteil verglichen scheint sich das Geschmacksurteil in die Region der synthetischen Urteile a priori aufzuschwingen. Denkt KANT es hingegen mit jener anderen Klasse empirischer Urteile verglichen, die nichts anders als empirische Gesetze sind, so sinkt es auf die Stufe derselben hinab, denn es macht auch nur Anspruch für Jedermann zu gelten, "wie jedes andere empirische Urteil".

Meine Untersuchung hat gezeigt, daß für KANT in Wahrheit die Allgemeingültigkeit des ästhetischen Urteils, wenn wir unter dem Mikroskop der formallogischen Über- und Unterordnung die vielfach ineinander laufenden Fäden der transzendental-syllogistischen Begründungsmomente zu entwirren suchen, weder der einsichtigen und beweisbaren, apriorischen Allgemeingültigkeit der synthetischen Grundsätze, noch der auf einem subjektiven Prinzip ruhenden, teilweise jedoch aus Begriffen deduzierbaren Notwendigkeit der empirischen Gesetze, noch der subjektiven Gültigkeit der Wahrnehmungsurteile, deren transzendentale Zone im Subjektsbegriff gleich Null zu setzen ist, gleicht; sie ist vielmehr durch die das ästhetische Gefühl mit den Organen der guten Subjektivität in eine nahe Beziehung bringende begriffliche Konstruktion, sowie durch die Singularität und absolute Individualität des Geschmacksurteils in eigentümlicher Weise bedingt und mit einer eigentümlichen Geltungskraft ausgestattet zu denken.

Gleichzeitig hat meine Untersuchung bewiesen, daß KANTs Bestimmungen so scharfsinnig und genial sie angelegt und durchgeführt sind, sich nicht halten lassen; daß der Boden, auf dem sie stehen, brüchig und morsch ist. Dieser Boden aber ist der des transzendentalen Syllogismus. Ihn gilt es zu verlassen und eine andere Grundlage zu suchen; jene Grundlage, die der erste Teil meiner Arbeit aufgeführt hat. Die Hauptschuld des transzendentalen Syllogismus fällt auf seine transzendentale Negation der Gültigkeitssphäre des singularen, das absolut Individuelle meinenden logischen Urteils, die durch die Abhängigkeit dieser Sphäre von der absoluten Individualität des Subjektbegriffs hervorgerufen wird. Die wunde Stelle der kantischen Problemlösung liegt deshalb in der aus den Prolegomena übernommenen, höchst unglücklichen Trennung von Wahrnehmungs- und Erfahrungsurteilen. Halten wir die beiden Stellen bei KANT zusammen, die den Widerspruch seiner Begriffe am stärksten hervortreten lassen!
    "Es ist ein empirisches Urteil, daß ich einen Gegenstand mit Lust wahrnehme und beurteile. Es ist aber ein Urteil a priori, daß ich ihn schön finde, daß ich jenes Wohlgefallen jedermann als notwendig ansinnen darf."
Und:
    "Das Geschmacksurteil macht auch nur Anspruch wie jedes andere empirische Urteil für Jedermann zu gelten."
Wenn ich den Begriff "empirisches Urteil" gegen KANTs Willen in beiden Stellen identisch setze, so komme ich zu meiner Grundauffassung. Auch das Wahrnehmungsurteil sinnt Jedermanns Beistimmung an. Ich fordere in dem Urteil "dieser Turm ist rot" (24) dieselbe Gültigkeit für eine Allgemeinheit von erkennenden Subjekten wie in dem Urteil "dieser Turm ist schön"; das Gesetz des umgekehrten Verhältnisses von Subjektinhalt und Geltungsumfang paßt auch beim logischen Urteil nicht, so wenig wie bei ästhetischen. Das Prädikat "rot" verknüpft sich so wenig wie das Prädikat "schön" mit dem Begriff des Objekts "in seiner ganzen Sphäre betrachtet". So tritt von selbst das neue Problem auf den Plan: wie läßt sich jene von KANT fälschlich mißachtete Allgemeingültigkeit des Wahrnehmungsurteils begründen? Das "Befremdende und Abweichende" macht sich hier noch in stärkerem Maße geltend, denn die absolute Individualität des wahrgenommenen Objekts (des Subjekts des Wahrnehmungsurteils) scheint die von der transzendentalen Allgemeinheit ausstrahlende Geltungskraft gänzlich zu verzehren, wie es ja auch KANTs Meinung war. Wie ist es dennoch zu erklären, daß diese Urteile eine Beistimmung von Jedermann fordern dürfen, ohne daß hier im Geringsten die Möglichkeit vorliegt, diesen "Beifall durch Beweise zu erzwingen."? Ich habe schon im vorigen Abschnitt (§ 3 und § 4) beobachten können, wie der ganze Apparat des transzendentalen Syllogismus an diesem Problem scheitert, denn das logisch singuläre Urteil bietet nicht mehr wie das ästhetische den Ausweg, die Eigentümlichkeiten seiner Allgemeingültigkeit auf die schlechte Subjektivität des Gefühls zu schieben.

Andererseits gewährt uns die soeben verfolgte Gedankenentwicklung eine glänzende Bestätigung für das Recht der von RICKERT unternommenen, von mir dargestellten Umbildung der transzendentalen Deduktion. Ich hatte mir schon weiter oben als ich das ästhetische Urteil mit dem logische singulären Urteil vergleichen wollte, selbst den Einwurf gemacht: daß das Subjekt des logischen Urteils niemals die Konkretheit und Individualität, die dem ästhetischen Urteil eigen ist, erreichen, da es begrifflich ist und eben darum Teil hat am Transzendental-Allgemeinen. Wir haben nunmehr erkannt, daß dieser Einwurf für das singuläre logische Urteil (das Wahrnehmungsurteil) gar nicht paßt. Wir haben vielmehr gesehen, daß KANT diesem gerade wegen seiner absoluten Individualität die Geltung für Jedermann abspricht. Nachdem ich meinerseits die feste Gewißheit erlangt habe, daß auch das Wahrnehmungsurteil hinsichtlich seiner Gültigkeit keinem anderen logischen Urteil nachsteht, daß daher die Aufgabe einer transzendentalen Begründung derselben unentfliehbar ist, stoßen wir jetzt von Neuem auf die Notwendigkeit einer Umdeutung der kantischen Kategorie. Die transzendentale Allgemeinheit, die in den Subjektbegriffen der sindularen logischen Urteile steckt, darf der absoluten Individualität, auf die in diesen Begriffen hingezielt wird, nicht widersprechen. So schwindet unwillkürlich die im Kategoriebegriff KANTs gedachte Analogie zu den Naturbegriffen dahin. Das individuelle "Wirklichkeitsurteil" ist es jetzt, dem
    "Begriff a priori von der synthetischen Einheit des Mannigfaltigen der Anschauung, um es als Bestimmung eines Objekts zu deenken, zum Grunde liegen".
Diese Begriffe aber sind Formen des Individuellen. Hinsichtlich der Konkretheit und Individualität des logisch singularen und des ästhetischen Urteils findet so keine Differenz mehr statt. Freilich dürfen wir nicht etwa sagen, daß im Subjektbegriff des logisch singularen Urteils die transzendentale Allgemeinheit im Sinne des transzendentalen Syllogismus enthalten ist. Eine Vereinigung von absoluter Individualität und absoluter Allgemeinheit ist im Geiste des naturwissenschaftlichen Begreifens eine contradictio in adjecto [Widerspruch in sich - wp]. Die Allgemeinheit der Kategorien als der konstitutiven Prinzipien aller Wirklichkeitserkenntnis darf eben deshalb nicht als naturbegriffliche gedacht werden. So findet auch von dieser Seite die oben aufgeführte Scheidung der konstitutiven von den methodologischen Normen ihre Bestätigung. Das Hauptergebnis der letzten Untersuchung aber besteht darin, daß der Begriff der ästhetischen Allgemeingültigkeit bei KANT infolge seiner Einstellung in syllogistische Gedankenreihen und infolge seiner Basierung auf den Begriff der schlechten Subjektivität des Gefühls nicht zu seinem Recht gekommen ist. Ehe wir daran gehen, von anderen Angriffspunkten aus das ästhetische Urteil und seine Allgemeingültigkeit zu erörtern, wollen wir uns noch einem Zentralbegriff des kantischen Denkens zuwenden, der unseren ferneren Untersuchungen sonst im Wege stehen könnte, dem Begriff der Zweckmäßigkeit. Die Betrachtung dieses problematischen Begriffs wird auch meine systematischen Absichten fördern.


§ 6. Die Zweckmäßigkeit
und das Gefühl der Lust

Der Begriff der Zweckmäßigkeit wird uns zunächst die oben offen gelassene Frage, wie die Notwendigkeit der empirischen Gesetze, so weit sie sich nicht durch einen "Beweis" erhärten läßt, bei KANT begründet wird, beantworten und ihre Bezeichnung als subjektive Notwendigkeit rechtfertigen. Während für KANT die synthetischen Grundsätze um ihrer Allgemeinheit willen für die Natur mit einsichtiger Notwendigkeit gelten, beruth die Möglichkeit der mannigfaltigen empirischen Gesetze und deren Einheit unter wenigen Prinzipien in der Zweckmäßigkeit der Natur, einem "subjektiven Prinzip der Urteilskraft",
    "daher wir auch gleich, als ob es ein glücklicher, unsere Absicht begünstigender Zufall wäre, wenn wir eine solche systematische Einheit unter bloß empirischen Gesetzen antreffen, erfreut werden, obgleich wir notwendig annehmen mußten, es sei eine solche Einheit, ohne daß wir sie doch einzusehen und zu beweisen vermochten." (25)
Ich habe im Obigen gezeigt, daß auch die allgemeinen Grundsätze ihre Gültigkeit nur einem teleologischen Deduktionsprinzip verdanken können, daß wir aber hinsichtlich der materialen Wahrheit der Erkenntnis nicht in ihnen, sondern in "Wirklichkeitsurteilen" die letzten Voraussetzungen allen Erkennens zu erblicken haben.

Es entsteht uns nun die Aufgabe, die genaue Beziehung zwischen der kantischen Zweckmäßigkeit der Natur und der transzendental-teleologischen Notwendigkeit der Grundsätze einerseits, der Wirklichkeitsurteile andererseits aufzudecken, da wir nur auf diesem Weg zu einem abschließenden Urteil über den Begriff der ästhetischen Zweckmäßigkeit und damit zu einer letzten Klärung des Verhältnisses von logischer und ästhetischer Allgemeingültigkeit gelangen zu können.

Worin liegt für KANT der Unterschied der "für die menschliche Einsicht zufälligen" von der einsichtigen und beweisbaren Notwendigkeit? Wenn wir die Beweisbarkeit nicht auf die durch Subsumtion unter die transzendente Allgemeinheit hervorgebrachte Notwendigkeit der empirischen Gesetze beziehen, wie es sich bei der Betrachtung des transzendentalen Syllogismus als erforderlich erwiesen hat, sondern als teleologische auffassen, wie es dem Geist der Transzendentalphilosophie eigentlich entspricht und bei einer Elimination aller transzendental-gesetzlichen Nebengedanken sich als das einzig Mögliche ergibt, so scheint durch diese Zurückführung auf eine Zweckgemäßigkeitsprinzip des Erkennens die "beweisbare" Notwendigkeit in größter Nähe der nur "zufälligen" zu rücken. Freilich: die allgemeine Gesetzmäßigkeit überhaupt konstituiert erst den Naturbegriff; ohne sie wäre Natur nicht zu denken (26), dagegen könnte Natur sehr wohl gedacht werden, aber "kein durchgängiger Zusammenhang empirischer Erkenntnisse zu einem Ganzen der Erfahrung stattfinden" (27), wenn empirische Gesetze nicht möglich wären. Empirische Gesetzmäßigkeit ist daher eine in Anbetracht der "a priori in unserem Verstand liegenden Aufgabe", "aus gegebenen Wahrnehmungen eine zusammenhängende Erfahrung zu machen" (28) als zweckmäßig zu beurteilende Ordnung der Natur. Hier werden also die Denkbedingungen einer Natur überhaupt entgegengestellt den Bedingungen der Erfüllung eines notwendigen Geschäfts des menschlichen Verstandes (29); es scheint, als gebührt den synthetischen Grundsätzen eine unbeschränkte, den empirischen Gesetzen dagegen eine nur anthropologische Allgemeingültigkeit, als besäßen die ersteren eine über den menschlichen Verstand hinausreichende Gültigkeit, die letzeren nur eine hinsichtlich menschlichen Erkennens deduzierbare.

Dies ist der Punkt, an dem Empirismus und Rationalismus nach verschiedenen Richtungen auseinandergehen. Die ideae innatae [angeborene Idee - wp], die vérités éternelles [ewige Wahrheiten - wp], die allgemeinsten Naturgesetze und die rein-logischen Gesetze HUSSERLs sind in diesem Sinn Glieder einer Familie, alle aus demselben Holz geschnitzt; auf Seiten der andern Partei stellen in ähnlicher Weise sensation, impression oder "reine Erfahrung" die letzte Instanz und die sicherste Bürgschaft für alle Wahrheit dar. Eine Versöhnung dieser Gegensätze ist es, die wir anzustreben haben. Der Kategoriebegriff RICKERTs dient diesem Zweck. Hatte KANT die Grundsätze a priori als notwendig gültige proklamiert - nicht nur für die empirische Erkenntnis, sondern als Bedingung der Gegenständlichkeit oder Erfahrung überhaupt, so rücken für uns nun ohne Weiteres die konstitutiven Normen, deren Anerkennung Wirklichkeitsurteile begründet, an die Stelle der über alles menschliche Begreifen hinausreichenden Wahrheiten: nur sie vereinigen die absolute Irrationalität mit der absoluten Rationalität, nur ihre transzendentale Allgemeinheit besitzt jenen Charakter, den kein menschlicher Allgemein(Natur)-Begriff besitzt, der vielmehr allen Begriffen voranliegt, weil er die Form der Wirklichkeit selbst ist, die sich nicht mit Begriffen umspannen läßt. Für mich kommt somit nicht den Grundsätzen als Naturgesetzen, sondern als Postulaten für die Geltung allen Erkennens eine logisch frühere Notwendigkeit zu als dem Postulat der empirischen Gesetzmäßigkeit überhaupt. Denn das Postulat der Formbarkeit des Inhalts, auf das sich die Anerkennung transzendenter Normen und damit die Gültigkeit von Wirklichkeitsurteilen stützt, unterscheidet sich von der hinsichtlich einer "zusammenhängenden Erfahrung" postulierten empirischen Gesetzmäßigkeit dadurch, daß es schon jeder Wahrnehmung zugrunde liegt, d. h. von jedem denkenden Bewußtsein schlechthin als rechtmäßig und "einsichtig" notwendig anerkannt werden muß, sofern es überhaupt nur Existentialurteile denkt und bejaht. Damit glaube ich das tiefste und innerste Motiv aufgedeckt zu haben, das KANT dazu geführt hat, die beweisbare von der nur zufälligen Notwendigkeit zu trennen; nur sehe ich mich zu der in RICKERTs "Gegenstand der Erkenntnis" ausgesprochenen Konsequenz hingedrängt, in den Grundsätzen a priori nicht durch sich selbst einsichtige allgemeine Naturgesetze um der Möglichkeit einer "Natur" willen, sondern in individuellen Fällen anzuerkennende Normen um der Möglichkeit einer "Wirklichkeit" willen zu verstehen. Die empirische Gesetzmäßigkeit überhaupt dagegen werden wir mit KANT angesichts der dem menschlichen Erkennen gesteckten Aufgabe als für jedes erkennende Bewußtsein überhaupt teleologisch notwendig ansehen. Eine letzte Klärung dieser Probleme will ich auf eine spätere Untersuchung verschieben.

Zunächst habe ich die aus dem Gesagten für den kantischen Begriff der Zweckmäßigkeit in seiner Verbindung mit dem Gefühl der Lust sich ergebenden Folgerungen zu ziehen. Dabei macht sich eine bisher zurückgeschobene Schwierigkeit bemerkbar, der wir uns nun zuwenden müssen. Vom Gesichtspunkt des teleologischen Prinzips nämlich scheint sich der von KANT hervorgehobene, von mir auf ein neues Niveau übertragene Unterschied der einsichtigen und zufälligen Notwendigkeit geradezu in sein Gegenteil zu verkehren. Während nämlich die Gesetzmäßigkeit überhaupt als Norm für unsere Einsicht zweckmäßig ist, da sie ja einer a priori gesteckten Aufgabe als Bedingung zugrunde liegt, besitzt die Formbarkeit überhaupt, - wenn wir sie nicht auf eben jenen Zweck beziehen, sondern ihr, als Bedingung der Wirklichkeit, eine anders geartete, wenngleich auch als Norm zu verstehende Gültigkeit zuschreiben, keinen einsichtig erkennbaren Zweck. Diese scheinbar paradoxe Begriffsverschiebung aber macht uns erst den bei KANT hervortretenden Mangel eines den Grundsätzen gegebenen teleologischen Akzentes verständlich. So scheint es, wie wir wissen, als handle es sich bei ihnen, ohne die eben "Natur" (die kantische "Wirklichkeit" gar nicht zu denken wäre, nicht um die durch Reflexion auf Sinn und Zweck des Erkennens einsichtig deduzierbare Notwendigkeit, sondern um irgendein unentfliehbares, den Zwecken des Erkennens und dem Wahrheitswillen des Subjektes vorausliegendes, ihnen gegenüber völlig gleichgültiges Müssen. Während von den Maximen der Urteilskraft hervorgehoben wird, daß
    "sie nicht sagen, was geschieht, d. h. nach welcher Regel unsere Erkenntniskräfte ihr Spiel wirklich treiben, und wie geurteilt wird, sondern wie geurteilt werden soll" (30),
wird einige Zeilen später den apriorischen Grundsätzen eine Gültigkeit zugesprochen, die in höherem Grad, d. h. schlechterdings notwendig ist. Dieselbe Differenz aber wiederholt sich in KANTs Lehre von der Verbindung des Gefühls der Lust mit dem Begriff der Zweckmäßigkeit der Natur: die Wahrnehmung ruft keine Lust hervor, weil der Verstand hier "unabsichtlich nach seiner Natur notwendig verfähr" (31), dagegen
    "ist die Vereinbarkeit zweier heterogener Naturgesetze unter einem sie beide umfassenden Prinzip der Grund einer sehr merklichen Lust."
Das Wort "unabsichtlich" kann nur den Gegensatz meinen zu dem "mit Absicht" (32) geführten Geschäft des Verstandes. Dieser Gedanke ließe sich auch so wenden: selbst wenn wir Menschen keine Absichten und Zwecke im Erkennen verfolgen würden, so würde doch die Natur als Natur oder in unserem System die Wirklichkeit als Wirklichkeit gedacht werden müssen. (33) Die empirische Gesetzmäßigkeit aber ist eine unserer psychologischen Organisation angemessene Zweckmäßigkeit der Natur oder Wirklichkeit, die eben deshalb Lust in uns zur Folge hat. Damit geraten wir jedoch in ein psychologisches Fahrwasser. Wir die "Als-ob"-Lehre aufgefaßt als Projizierung des erkenntnistheoretisch-teleologischen Zwecks in die objektive Wirklichkeit, so daß diese sich als zweckmäßig für das erkennende Subjekt erweist, so birgt sich in ihr eine unerlaubte Hypostasierung [Vergegenständlichung - wp] des Begriffs der objektiven Wirklichkeit. Die Zweckmäßigkeit kann so wenig wie die Notwendigkeit als eine Eigenschaft des Objekts gedacht werden; wir haben den Begriff einer transzendental-syllogistischen Notwendigkeit ablehnen müssen, die einem transzendentalen Zufall Raum gegeben hat. Erst der transzendente Zufall ermöglicht aber eine transzendentale Zweckmäßigkeit. Diese ist nur das Gegenspiel jener zurückzuweisenden beweisbaren Notwendigkeit, die an den empirischen Gesetzen zu deduzieren war.

Nachdem es uns so gelungen ist, den Begriff der Zweckmäßigkeit der Natur, insofern er seinerseits erst die Allgemeingültigkeit legitimieren soll, zu beseitigen, können wir endlich ungehindert die Wanderung antreten, die uns zu einem Verständnis des ästhetischen Urteils und seiner Allgemeingültigkeit führen soll. Wir erinnern uns, daß KANT der Singularität und Individualität wegen, die dem ästhetischen Objekt anhaftet, die Allgemeingültigkeit des ästhetischen Urteils bisweilen in eine Reihe mit der des empirischen Urteils stellt. In beiden ist das Moment nicht subsumierbarer Inhalte ein Anstoß für die Ausbreitung ihrer Geltungszone auf eine Allgemeinheit von urteilenden Subjekten, der durch eine Ergänzungsdeduktion hinweggeräumt oder wenigstens gemildert werden muß. Auf empirisch-theoretischem Gebiet leistet, wie wir gesehen haben, der Begriff der Zweckmäßigkeit diese Aufgabe; derselbe Begriff wird für KANT das Sprungbrett zur Deduktion der ästhetischen Allgemeingültigkeit. War einmal bewiesen, daß die Tätigkeit der Organe der guten Subjektivität, sobald es sich nicht um die Produktion beweisbarer notwendiger Urteile (der Grundsätze a priori), sondern empirischer Gesetze handelt, im Gefühl als zweckmäßig und deshalb als lustvoll empfunden wird, so war die Möglichkeit gegeben, umgekehrt von einer Allgemeingültigkeit fordernden Lust auf die Zweckmäßigkeit des Objekts für das Spiel der Erkenntniskräfte zu schließen, und so begründet sich die im Obigen von mir dargestellte Problemlösung KANTs. Das Prinzip der guten Subjektivität und seine Anwendung auf ästhetischem Gebiet, sowie den Gedanken der durch eine transzendentale Zweckmäßigkeit hervorgerufenen Lust hat unsere kritische Untersuchung zersetzt und als unzureichend erkannt; die Aufgabe aber, die ästhetische Allgemeingültigkeit in einen erkenntnistheoretisch begriffenen Gedankenzusammenhang einzustellen, ist uns geblieben.

Zur Vermeidung von Irrtümern soll noch Folgendes dienen: Ich glaube nicht etwa, daß KANTs Absicht darin beschlossen war, die ästhetische Allgemeingültigkeit auf psychologischem Weg zu deduzieren. Es würde als Gegeninstanz der Geist seiner Philosophie selbst auftreten können. Doch lassen sich gegen diese Annahme auch ganz konkrete Gründe anführen, die ins Gewicht fallen: erstens und vor allem sind die kantischen Begriffe Verstand und Einbildungskraft nichts weniger als psychologische Allgemeinbegriffe; zweitens wird die "Mitteilbarkeit" als Grund der Lust, nicht als deren wirkende Ursache bezeichnet (34); drittens denkt KANT im ästhetischen Urteil, trotz der Gegenüberstellung von Gefühl als subjektivem und Begriff als objektivem Faktor, eine Art logischer Gültigkeit, deren Bedingung er nach Analogie logischer Urteile in einem allgemeinen Prinzip aufzusuchen strebt; viertens endlich ließen sich die Stellen häufen, in denen die normative Natur der ästhetischen Allgemeingültigkeit hervorgehoben wird. Dem Geschmacksurteil muß
    "irgendein Prinzip a priori zugrunde liegen, zu welchem man durch Aufspähung empirischer Gesetze der Gemütsveränderung niemals gelangen kann, weil diese nur zu erkennen geben, wie geurteilt wird, nicht aber gebieten, wie geurteilt werden soll und zwar gar so, daß das Gebot unbedingt ist, dergleichen die Geschmacksurteile voraussetzen." (35)
Für mich, der ich nicht in einer KANT-Interpretation, sondern in einer Klärung der vorliegenden Probleme das Ziel meiner Arbeit sehe, mag diese Erwägung genügen; ich werde daher KANTs Absicht zur meinen machen, wenn ich auch seiner Lösung des Problems mich nicht anschließen kann. Als Ziel werde ich mir vor Augen zu halten haben: die Allgemeingültigkeit des ästhetischen Urteils begrifflich scharf mit den an die Stelle der kantischen Begriffe der beweisbaren und zufälligen Notwendigkeit getretenen Begriffen der Wahrheit von Wirklichkeits- und Erkenntnisurteilen (im Sinne des wissenschaftlichen Erkennens) zu konfrontieren. Ich habe als wichtigstes Ergebnis meiner Untersuchung dabei festzuhalten, daß die absolute Individualität und Singularität des ästhetischen Urteils für mich nicht mehr in unvereinbarer Feindseligkeit seiner Allgemeingültigkeit entgegensteht, da ich auf logischem Gebiet dieselbe Verknüpfung würdigen mußte. Vielmehr scheint die von KANT an vielen Stellen behauptete Hoheit der ästhetischen Allgemeingültigkeit, der er in der Gleichstellung des ästhetischen Problems mit dem der synthetischen Grundsätze a priori (36) gerecht zu werden versucht hat, sich für mich als neue zu bewähren: sind von mir ja doch auf den Thron der synthetischen Grundsätze die Wirklichkeitsurteile gesetzt worden, denen die gleiche Eigentümlichkeit wie dem ästhetischen Urteil zukommt, das absolut Individuelle zu meinen! In dieselbe Richtung treibt mich auch die Loslösung des Gefühls der Lust vom Begriff der Zweckmäßigkeit, denn durch die Verbindung dieser beiden wurde das ästhetische Urteil in die Sphäre der für das menschliche Erkennen deduzierbaren Notwendigkeit gerückt. Andererseits aber scheint das ästhetische Urteil gar nicht in seinem Anspruch über das Gelten für jedes menschliche oder endliche Bewußtsein überhaupt hinaus zu gehen. So droht für mich aufs Neue die für KANT unheilvoll gewordene Gefahr, der ästhetischen Allgemeingültigkeit eine schwankende Mittelstellung zwischen den Arten der logischen Allgemeingültigkeit einräumen zu müssen und mit ihr nicht recht ins Klare zu kommen. Ehe wir an einen Versuch gehen, diese Gefahr zu vermeiden und zu einer neuen Problemlösung vorzudringen, müssen wir jedoch nunmehr das Wesen der ästhetischen Allgemeingültigkeit noch gründlicher kennenlernen und zu diesem Zweck das ästhetische Urteil einer eingehenden und unbefangenen Betrachtung unterziehen.


§ 7. Das ästhetische Urteil

Zwei Gründe waren es vornehmlich, die KANT veranlaßt haben, dem ästhetischen Urteil eine nur subjektive Allgemeinheit zuzubilligen, einmal die schlechte Subjektivität des Gefühls und zweitens die Singularität des ästhetischen Gegenstandes. Beide Bedenken habe ich jetzt überwunden. Freilich wird es meine Aufgabe sein, dem Wesen des ästhetischen Gefühls auf andere Weise gerecht zu werden, und auch das Problem der ästhetischen Singularität kann ich selbst nach Zerstörung des transzendentalen Syllogismus noch nicht als beseitigt betrachten. Den Mangel an Beweisbarkeit habe ich zwar auch bei den Wahrnehmungsurteilen gefunden, die denselben Anspruch auf Allgemeingültigkeit erheben, wie die ästhetischen Urteile, doch verbindet sich in jedem, auch dem singularen logischen Urteil eine gewisse transzendentale Allgemeinheit (die der konstitutiven Norm entsprechende Form) dem bloßen Inhalt, in der erst die die logische Objektivität begründende Anerkennung der transzendental-logischen oder dem Erkennen transzendenten Normen zum Ausdruck gelangt. Wenn ich daher auch den Unterschied des Individualitätsgrades im logisch- und ästhetisch-singularen Urteil ausgleiche, so habe ich damit doch die ästhetische Allgemeingültigkeit noch nicht der transzendental-logischen gleichgestellt; denn es fragt sich noch, ob ich imstande sein werde, im ästhetischen Gegenstand etwas der transzendental-logischen Allgemeinheit Entsprechendes aufzufinden, das KANTs Zurückführung der ästhetischen Allgemeingültigkeit auf das harmonische Spiel der Erkenntniskräfte ersetzt, mit anderen Worten, eine Lösung des transzendentalen Formproblems der Ästhetik anzubahnen. Und ferner werden wir im ästhetischen Urteil uns nach einem der logischen Bejahung korrespondierenden Moment umsehen müssen. Erst die Lösung dieser beiden Probleme wird eine "Deduktion" des ästhetischen Urteils ermöglichen. Unsere Arbeit wird sich in dieser Hinsicht mit Andeutungen begnügen müssen.

Wir wollen uns nun zunächst dem ästhetischen Gefühl zuwenden. Das Argument, das dem ästhetischen Urteil keine objektive Allgemeingültigkeit deshalb zubilligen mag, weil das ästhetische Wohlgefallen nichts ist als ein Gefühl der Lust, d. h. ein dem individuellen Subjekt angehöriger Inhalt, hat für uns keine Kraft mehr. Wir wissen, daß die Objektivität nie dadurch erzeugt werden kann, daß ein subjektiver, d. h. psychisch individueller Inhalt durch irgendeine Formung in ein Objektives, in eine Gültigkeit verwandelt wird. Daß Vorstellen, Denken, Bejahen, Anerkennen, Fühlen psychische Akte sind und psychisch-intentionale Inhalte besitzen, tut dem, was sie meinen, keinen Abbruch. Wie ich im ersten Teil den Weg vom Psychischen zum Logischen dadurch gefunden habe, daß ich auf den Sinn der Urteile reflektierte und die logische Stringenz in der eigentümlichen Anerkennung erblickte, die in ihnen unbedingt bindenden Normen gezollt wird, so kann ich mich auch dem ästhetischen Wohlgefallen gegenüber nur so verhalten, daß ich auf die eigentümliche Bedeutung reflektiere, die ihm im Bewußtsein zugesprochen wird. Es bleibt sogar im Grunde gleichgültig, ob ich die im ästhetischen Zustand des Wertens angesonnene Allgemeingültigkeit auf ein Fühlen oder Vorstellen oder Denken odder irgendeine beliebige andere psychische Akt-Realität zurückführen, denn nicht nach Seelenkräften, sondern nach Werten richtet sich meine Reflexion. Es scheint, als stimmten die Grundrichtungen, in denen unser wertendes Bewußtsein sich äußert, mit der psychologischen Begriffsbildung überein; daraus aber folgt nicht eine Priorität dieser für die Transzendental-Philosophie, sondern eher umgekehrt eine Abhängigkeit der älteren Psychologie von den "Innerlichkeiten" und "Inhaltlichkeiten" des Erlebens, eine Abhängigkeit, von der die moderne Psychologie als Verächterin der "Seelenkräfte" sich zu emanzipieren sucht, um eine Einteilung des Seelenlebens ausschließlich auf der Grundlage der Beobachtung und des Experiments zu schaffen. Die alte Einteilung in Denken, Fühlen und Wollen genügt diesen Ansprüchen nicht (37), sie hat eben in höherem Maß eine Beziehung zu den Wertreichen, die das Bewußtsein bildet. So ist das Gefühl, die Weise, in der das Bewußtsein einen Inhalt als schönen ergreift und wertet, die Innerlichkeit, die im ästhetischen Wohlgefallen erlebt wird, nichts Psychisches und nichts Subjektives, insofern wir auf ihren Gehalt, nicht auf ihr Sein reflektieren. So wie das erkennende Subjekt nicht nur etwas für sich erkennt, sondern gleichsam über sich hinaus zu schaffen trachtet und im Urteil die Subjektivität überwindet, genauso fühlt das Subjekt des ästhetischen Wohlgefallens nicht sich und in seinem Gefühl der Lust nicht die Beziehung des Objekts zu sich selbst als diesem Bewußtseinsindividuum, sondern erschafft vielmehr erst vermöge seines Fühlens den ästhetischen Gegenstand; der "intentionale" Gehalt des Fühlens hebt den Beschauer aus der Sphäre des subjektiven Beziehens und Bezeichnens seiner sonstigen Gefühle hinaus und versetzt ihn auf einen dem Erkennen der Art nach gleichgestalteten Boden. Das ästhetische Gefühl ist daher kein psychologischer Allgemeinbegriff, sondern ein durch Reflexion auf die ästhetische Beurteilung und Abstraktion von der Mannigfaltigkeit des beurteilten und geformten Inhalts gebildeter wertkonstituierender Begriff, der Begriff eines in der ästhetischen Gültigkeit enthaltenen Moments, sowie die Bejahung ein Moment ist im logisch gültigen Urteil.

Im ästhetischen Wohlgefallen nimmt das Subjekt Stellung zu einem irgendwie geformten Inhalt; durch diese Stellungnahme aber
    "geht der Einzelne als solcher ganz ins Vorgestellte auf, in das jeder andere an seiner statt ebenso aufgehen müßte. Das Individuum, das Subjekt, tritt vom Schauplatz ab, den die veranlassende Vorstellung, das Objekt, ganz allein ausfüllt." (38)
Freilich werden wir den Ausdruck ZIMMERMANNs "veranlassende Vorstellung, das Objekt" nur mit Vorsich akzeptieren dürfen, denn ob die Vorstellung als Objekt gedacht, nämlich als Teil der objektiven Wirklichkeit das Gefühl veranlaßt, davon haben wir ebenso abzusehen, wie wir in der Untersuchung und Begründung der logischen Allgemeingültigkeit der Wahrnehmungsurteile davon absehen mußten, ob die Qualitäten der Dinge "objektiv" Wellenbewegungen sind, die unsere peripheren Nervenapparate in gesetzlicher Weise affizieren. Eine transzendentale Disziplin darf nicht die Allgemeingültigkeit des ästhetischen Wohlgefallens auf "objektiv" zusammenstimmende "Raumvaleurs" usw. gründen; so wenig die Erkenntnistheorie ausgehen darf von dem in Atome und Sinnesempfindungen gespaltenen Sein, so wenig die Ästhetik von einer Spaltung in objektives Sein und Gefühl oder Beurteilungsvermögen. Das würde nur zur Aufstellung psychologischer Gesetze über das ästhetische Fühlen, nicht zu einer erkenntnistheoretischen Klärung der im ästhetischen Urteil angesonnenen Prädizierung und ihrer Allgemeingültigkeit. Welcher Art ist diese Prädizierung, und worin liegt die Grundeigentümlichkeit der ästhetischen Allgemeingültigkeit gegenüber der logischen?

Meine eben ausgesprochene Gleichstellung von Bejahung und ästhetischen Wohlgefallen wird vielleicht auf Widerspruch stoßen. Wer zugegeben hat, daß im Gefühl der Lust nur vom Standpunkt des naturwissenschaftlich denkenden Menschen ein auszuschaltender, subjektiver Faktor sich geltend macht, vom transzendental-philosophischen aber ein Wertmoment, wird dennoch den Unterschied zwischen Bejahung und Wohlgefallen noch immer darin erblicken, daß in letzterem eine viel engere Verbindung mit dem Gegenstand als in der ersteren sich ausdrückt, da der Gegenstand durch die Bejahung nicht modifiziert wird, während seine Schönheit ohne unser Wohlgefallen bedeutungslos ist, und vielleicht würde er gerade damit die a priori-Lehre zu verteidigen, die Verlegung der Schönheit ins Subjekt zu rechtfertigen und zu erklären glauben. So würde er die schlechte Subjektivität des Gefühls der Lust in eine gute, d. h. apriorische zu verwandeln meinen. Freilich bliebe eine Begründung dieser Verwandlung noch übrig, und es ist nicht zu sehen, wie er sie anders leisten könnte als auf dem von KANT eingeschlagenen Weg der Verbindung des Gefühls mit der apriorischen Erkenntnisfunktion. Und diese Lösung des Problems haben wir als unzureichend erkannt. Doch glaube ich, daß eine Lösung in dieser oder einer ähnlichen Richtung auch gar nicht gesucht zu werden braucht, weil der Weg, der zu ihr hinführt, von Anfang an nicht beschritten werden darf. Die Quelle dieses Gedankengangs liegt nämlich in einer falschen Parallelisierung des logischen und ästhetischen Prädikats, in einer irreführenden Logifizierung des ästhetischen Urteils. Wer die Urteile "dieser Baum ist grün" und "dies ist schön" einander korrespondiert, "schön" als Prädikat des Gegenstandes betrachtet sowie "grün" als Prädikat des Baums, der wird dazu gedrängt, für die Allgemeingültigkeit des ästhetischen Urteils Hilfskräfte beim Erkenntnisvermögen zu suchen, denn
    "alle Beziehung der Vorstellungen, selbst die der Empfindung, kann objektiv sein (und da bedeutet sie das Reale einer empirischen Vorstellung), nur nicht die auf das Gefühl der Lust und Unlust, wodurch gar nichts im Objekt bezeichnet wird, sondern in der das Subjekt, wie durch die Vorstellung affiziert wird, sich selbst fühlt." (39)
Ginge das Wesen der ästhetischen Allgemeingültigkeit auf in der logischen des Urteils "dies ist schön", unterschiede sich die ästhetische Prädizierung also in nichts von der eines Wahrnehmungsurteils, so wäre allerdings unverständlich, wie das Prädikat "schön" auf das Objekt gehen und nicht nur eine Beziehung desselben zu mir ausdrücken sollte. Dann ließe sich von ästhetischer Allgemeingültigkeit eigentlich gar nicht sprechen. Aber KANT selbst hat das hedonische [Streben nach Sinnenlust - wp] Urteil, auf das jene Merkmale in der Tat passen, getrennt vom ästhetischen und das Problem dieses letzteren scharf formuliert:
    "Es ist ein empirisches Urteil, daß ich einen Gegenstand mit Lust wahrnehme und beurteile. Es ist aber ein Urteil a priori, daß ich ihn schön finde, d. h. jenes Wohlgefallen jedermann als notwendig ansinnen darf." (40)
In diesen Worten ist die Grundeigentümlichkeit des ästhetischen Urteils ausgesprochen, sie korrespondiert der Grundeigentümlichkeit des logischen Urteils, die, wie ich im ersten Teil meiner Arbeit festgestellt habe, nur darin besteht, daß im logischen Urteil die Bejahung, das Moment des belief, jedermann als notwendig angesonnen wird. Zu den Werten nimmt das Bewußtsein in ablehnender oder anerkennender Weise Stellung; die Stellungnahme erst konstituiert für das Subjekt das irgendwie gewertete Objekt: so finden wir auch hier die Bestätigung dafür, daß sich Wohlgefallen und Bejahung, Mißfallen und Verneinung entsprechen. Wie FICHTE die Bejahung eine "kalte Billigung" genannt hat, könnte man vom Wohlgefallen als einer warmen Billigung sprechen. Kälte und Wärme differenzieren gewiß auch die Bedeutung des Ansinnens, aber in ihr ein und dasselbe Moment: die Billigung. Wie das Urteil wahr ist, so ist der Gegenstand schön.

Ich habe oben schon den Einwurf erhoben, daß die Bejahung den Gegenstand gleichsamm unberührt stehen läßt und sein Dasein oder seine Eigenschaften usw. nur anerkennt, daß das Wohlgefallen ihm aber das Prädikat schön verleiht und ihm also eine Eigenschaft beilegt. Doch der Geist der Transzendental-Philosophie wird sich gegen eine solche Einrede erheben und sie so zurechtweisen: die Gegegenständlichkeit des Gegenstandes, seiner Eigenschaften usw. beruth erkenntnistheoretisch auf der Anerkennung von Normen, so daß also die Bejahung auch erst die logische Objektivität, den Gegenstand erzeugt; vor dem Forum der Erkenntnistheorie wandelt sich daher der existierende Gegenstand in einen bejahten, geformten Inhalt. Nicht anders aber läßt sich die ästhetische Gültigkeit begreifen; nicht einem "fertigen" Gegenstand wird ein Prädikat zugelegt, das ein empirisches Merkmal am Ding wäre, sondern ein irgendwie geformter Inhalt gefällt, und der gefallende präsentiert sich als ästhetischer Gegenstand. Ob zur Konstituierung des Gegenstandes, abgesehen von seiner ästhetischen Funktion, auch eine Bejahung irgendeiner Art anzunehmen nötig ist, in deren Geleit sich eine lgische Vor- oder Mit-Formung des Gegenstandes findet, von dieser Frage soll hier noch abgesehen werden. Klar ist auf jeden Fall, daß von einer solchen möglicherweise mitzudenkenden und anzusinnenden Bejahung die ästhetische Wertung in ihrer Gültigkeit nicht abhängig gemacht werden kann. Und ebenso klar ist, daß der in dem Urteil "dies ist schön" gemeinte Gegenstand schon der ästhetisch konstituierte, geformte, gegenständliche ist; wenn wir einer Statue oder einer Sonate Schönheit zusprechen, so meinen wir nicht den gehauenen Marmor und nicht den Druck der Noten oder die Schwingungen der Luft oder die Töne als akustische Empfindungen, sondern das gefallende schöne Gesamtbild, erkenntnistheoretisch gesprochen, den ästhetisch geformten Inhalt. Wenn wir von dem metaphysischen Beiklang absehen, so können wir FICHTEs Formulierung des ästhetischen Urteils zustimmen, wenn er es zu den thetischen Urteilen rechnet, "in denen die Stelle des Prädikats ins Unendlich leer gelassen" wird.
    "So ist das Geschmacksurteil: A ist schön (soviel als in A ist ein Merkmal, das im Ideal des Schönen auch ist) ein thetisches Urteil; denn ich kann jenes Merkmal nicht mit dem Ideal vergleichen, da ich das Ideal nicht kenne. Es ist vielmehr eine Aufgabe meines Geistes, die aus dem absoluten Setzen desselben herkommt, es zu finden ..." (41)
So wenig aber der schöne Gegenstand ein logischer, das Prädikat der Schönheit ein logisches genannt werden darf, so sehr wird der Begriff des ästhetischen Gegenstandes wie der des ästhetischen Prädikates doch erst in einem logischen Urteil möglich: "Dies ist schön" - in dem logischen Urteil müssen wir sagen, da wir in ihm eine Bejahung vor uns haben, die wahr oder falsch sein kann.

SIGWART (42) hat WINDELBAND (43) vorgeworfen, er habe in der Billigung oder Mißbilligung fälschlich ein praktisches Verhalten gesehen; die Beurteilung, in der eine Beziehung des Objekts zu mir ausgesprochen wird, sei selbst ein Urteil, das wahr oder falsch sein kann, ihr gehe aber eine "rein theoretische Erkenntnis", ein "rein objektivs Urteil", voraus:
    "Wir mißbilligen das Falsche, weil es falsch ist, aber es ist nicht darum falsch, weil wir es mißbilligen; die theoretische Erkenntnis, daß ein Urteil wahr oder falsch ist, kann erst ein Gefühl begründen ..." (44)
Diese Behauptung, die auch in der Wahl des Ausdrucks merkwürdig an Gedanken HUSSERLs erinnert, steht in einem unversöhnlichen Widerspruch mit den Grundanschauungen der Logik SIGWARTs, die ich früher als eine Vorstufe der meinigen gekennzeichnet habe. Die Inkonsequenz läßt sich nur aus der mangelhaften erkenntnistheoretischen Fundierung begreifen. Doch nicht mehr mit der theoretischen Beurteilung oder dem Sinn der logischen Allgemeingültigkeit haben wir es jetzt zu tun, sondern mit der ästhetischen Beurteilung und der Beziehung der ästhetischen zur logischen Allgemeingültigkeit. Sollte SIGWART nicht in diesem Punkt WINDELBAND gegenüber Recht behalten? Die Beurteilung: "Dieser Satz ist wahr", als Urteil, das selbst wahr oder falsch sein soll, verliert allerdings ihren Sinn und zieht einen regressus in infinitum [Teufelskreis - wp] nach sich. Der Imperativ, der sich als das eigentliche Wesen der theoretischen Beurteilung darbietet, ist "schlechthin gesetzt", d. h. er gründet sich auf ein schlechthin gültiges Sollen und ist nichts als ein Ausdruck dieses Sollens. Steht es jedoch mit der ästhetischen Beurteilung ebenso? Wenn wir an den oben angeführten Satz aus der "Grundlage der gesamten Wissenschaftslehre" denken, so scheint FICHTE allerdings dieser Ansicht gewesen zu sein. Die ästhetische Beurteilung sieht er als Aufgabe des Geistes an, die aus dem absoluten Setzen desselben herkommt, d. h. in unserer Denkungsart: er sieht in ihr den Ausdruck eines schlechthin gültigen Sollens. Und jedenfalls werden wir zunächst dieser Auffassung ein höheres Recht einräumen müssen, als etwa der SIGWARTs, der die Prädikate schön und häßlich gleich angenehm und unangenehm als bloße Ausdrücke des Verhältnisses eines Objekts zu mir interpretiert und im ästhetischen Urteil nur das Wiederfinden dieses Verhältnisses in einzelnen Fällen erblickt, das mittels der aus der Erfahrung gewonnenen Prädikate ausgesagt wird (45). So wenig die Prädikate wahr und falsch einen Sinn haben, abgesehen von der Beziehung auf das urteilende Subjekt, ebensowenig die Prädikate schön und häßlich, wenn man in ihnen die Beziehung nur auf das individuelle Subjekt denkt. Der Ausspruch SIGWARTs:
    "Es hängt weder von unserem Gefühl noch von unserem Wollen ab, was wahr und falsch ist, wie es davon abhängt, was schön und was gut ist" (46),
muß daher in dieser Fassung völlig verworfen werden. SIGWART kennt nicht den Unterschied der Abhängigkeit eines Wertes vom individuellen oder psychophysischen (naturbegrifflichen) Subjekt und vom wertenden Subjekt überhaupt. Auch was schön und gut ist, hängt nicht von unserem Gefühl und unserem Wollen ab, wie davon nicht abhängt, was wahr ist; andererseits aber hängt, was wahr ist, ab vom Wollen oder Fühlen eines idealen Subjekts, das nur anerkennt, was von jedem urteilenden Bewußtsein schlechthin anerkannt, d. h. bejaht werden soll; und in gleicher Weise hängt, was schön oder gut ist, ab vom Wollen und Fühlen eines idealen Subjekts, das nur billigt und will, oder dem nur gefällt, was schlechthin gebilligt und gewollt werden oder gefallen soll.

Aber die Schwierigkeit, auf die wir gestoßen sind, und die Klärung noch harrt, liegt tiefer. Bei der soeben ausgesprochenen völligen Nivellierung der von SIGWART betonten Gegensätze kann es nicht bleiben; auch hier sehen wir vielmehr einen richtigen Kern in seinen Aufstellungen, einen Anfang, den wir fortführen müssen. Unzweifelhaft nämlich hat SIGWART WINDELBAND gegenüber darin Recht, daß das Urteil "dies ist schön" selbst wahr oder falsch sein kann; ein regressus in infinitum entsteht durch diese Annahme nicht. Aber nicht eine Beziehung des Objekts zu mir kommt in dieser Bejahung zum Ausdruck, sondern bejaht wird das im ästhetischen Wohlgefallen Angesonnene, Gemeinte; die Bejahung bezieht sich also auf den Sinn einer Billigung, die logische Gültigkeit gründet sich auf die ästhetische. Die Folgerungen, die aus dieser Betrachtung fließen, sollen im Zusammenhang meiner abschließenden Untersuchungen erörtert werden, die das allgemeine Problem zum Gegenstand haben, in welche Ordnung das urteilende und das ästhetische Bewußtsein einzustellen ist, und wie sich aufgrund dieser Ordnung das Verhältnis von logischer und ästhetischer Allgemeingültigkeit, von Erkenntnistheorie und Ästhetik überhaupt gestaltet.

Werfen wir noch einen letzten Blick auf die Eigenart der ästhetischen Urteile gegenüber den hedonischen. Man (47) hat diese beiden Urteile mit KANTs Unterscheidung von Erfahrungs- und Wahrnehmungsurteilen in Verbindung gebracht. Es läßt sich nicht leugnen, daß für das kantische Denken sich Vergleichspunkte beibringen lassen. Freilich nur für ein flüchtiges Hinsehen. Unsere früheren Erörterungen haben, wie ich hoffe, die Überzeugung erweckt, daß das ästhetische Urteil in seiner Gültigkeit weder dem Wahrnehmungs- noch dem Erfahrungsurteil nebengeordnet werden kann. Gerade das Moment, wodurch das Erfahrungsurteil sich heraushebt und charakterisiert: die Allgemeinheit des Subjektbegriffs, die Abstraktion der inhaltlichen Beziehung auf das individuelle Bewußtsein, fehlt dem ästhetischen Urteil; die "schöne Seele" wird ihr eigenes Fühlen als schön beurteilen und für das Urteil mit Recht eine unbeschränkte Allgemeingültigkeit fordern. Die hedonischen Urteile andererseits korrespondieren nicht den Wahrnehmungsurteilen, sondern sie sind selbst solche. "Es ist ein empirisches Urteil, daß ich einen Gegenstand mit Lust wahrnehme und beurteile." Der falsche Schein entsteht durch die Doppelsinnigkeit des Ausdrucks: "Beide Urteile (das hedonisch und ästhetische) beruhen eben auf dem Gefühl der Lust und Unlust ..." (48) Während nämlich das hedonische Urteil über die Lust urteilt, ist es im ästhetischen Urteil vielmehr die Lust selbst, welche urteilt. Das hedonische Urteil behauptet niemals mehr als eine Tatsächlichkeit; ob die Lust, deren Existenz prädiziert wird, Allgemeingültigkeit ansinnt oder nicht, ist hinsichtlich der behaupteten Tatsache völlig gleichgültig. So meinen die Urteile: "dies ist mir angenehm", "ich halte dies für schön, wahr oder gut", alle dasselbe: ein Faktum, das sich der inneren Wahrnehmung erschließt. Dieses Faktum aber ist das eine Mal die Empfindung, das andere Mal ein Urteil, das etwas meint und ansinnt. Und nur auf dieses Gemeinte und Angesonnene hat die Philosophie zu reflektieren.


§ 8. Das ästhetische Bewußtsein und die
ästhetische Allgemeingültigkeit

Wir haben nun die im Vorangehenden offen gelassenen Fragen noch näher zu prüfen und rein heraus zu arbeiten. Im Mittelpunkt soll für uns das Problem der erkenntnistheoretischen Lokalisierung der transzendental-logischen und der ästhetischen Allgemeingültigkeit stehen.

Durch unsere Untersuchungen ist die Kluft zwischen logischer und ästhetischer Allgemeingültigkeit teils verringert, teils vergrößert worden; verringert, denn wir haben die Ansprüche, die in der Bejahung einerseits, im Wohlgefallen andererseits vom Bewußtsein erhoben werden, koordiniert; vergrößert, denn wir haben jede Möglichkeit, die ästhetische Allgemeingültigkeit als eine Art der logischen zu begreifen, oder auf eine solche zu stützen, gänzlich abgeschnitten und uns somit den Weg, das ästhetische Urteil irgendeinem Erkenntnisurteil anzunähern, wie es scheint, völlig verlegt. Mit dieser Formulierung können wir uns jedoch noch nicht zufrieden geben; wenn auch das ästhetische Urteil als ästhetische Billigung seinem Wesen nach kein logisches Urteil ist, so lassen sich dennoch, wie wir beobachten konnten, mancherlei Berührungspunkte zwischen logischer und ästhetischer Geltungssphäre auffinden, die auf eine gegenseitige Abhängigkeit hindeuten; besonders aber fordert offenbar das Problem des Geltungsgrades des ästhetischen Urteils, verglichen mit dem der transzendental-logischen Notwendigkeit, eine Lösung. Im allgemeinsten Verstand freilich ist eine Entscheidung hier sehr leicht: werden die philosophischen Werte als abstrakte, von aller Verwirklichung losgelöste Normen gedacht, so gelten sie alle in gleicher Weise transzendent für jedes wertende Bewußtsein und stützen sich nicht aufeinander. So ist das Schöne ein absoluter Wert, unabhängig von dem des Wahren, unabhängig von der Existenz empirischer Subjekte, unabhängig von allen ihm fremden Richtungen des Ansinnens, die nur immer möglich sind. Aber nicht um diese allgemeine Feststellung ist es uns jetzt zu tun, denn nicht das Schöne als einen überindividuellen Wert überhaupt sinnt das ästhetische Urteil an, sondern die Realisierung dieses Wertes in bestimmten Fällen. Entsprechen die Normen, denen im ästhetischen Wohlgefallen Anerkennung gezollt wird, vielleicht den Normen, die in "Wirklichkeitsurteilen" bejaht werden, d. h. ist die Geltung beider als gleich ursprünglich und ihrer Bedeutung nach über das endliche Bewußtsein hinausragend als Gültigkeit für ein unendliches zu postulieren? Oder steht das ästhetische Urteil in dieser Beziehung der emprisischen Gesetzmäßigkeit näher? Müssen wir in der Kunst eine konstitutive Formung eines logisch unberührten Stoffes erblicken, oder ist das Kunstwerk als Umformung der Wirklichkeit zu betrachten, die auch den erkennenden Wissenschaften als Material dient für ihre Bearbeitung durch Begriffe? Läßt sich der Begriff eines ästhetischen Bewußtseins überhaupt bilden, der dem eines urteilenden Bewußtseins überhaupt gleichkommen würde, oder reicht das Gelten der ästhetischen Urteile nicht so weit hinauf, sondern verpflichtet und bindet vielmehr nur das endliche oder menschliche Bewußtsein?

Ich kann nicht daran denken, diese schwierigen Fragen erschöpfend zu beantworten, nur auf die sich anbietenden Denkmöglichkeiten kann ich hinweisen und auf das höhere Recht der einen oder anderen.

Ich knüpfe zunächst an die Ergebnisse meiner früheren Untersuchung an. Ich habe gefunden, daß im ästhetischen Urteil, insofern es wahr oder falsch sein kann, eine logische Gültigkeit sich gleichsam über eine ästhetische baut. Und zwar bezieht sich die logische Anerkennung nicht auf eine kategoriale Synthese, deren Relation im Verhältnis von Inhärenz und Subsistenz besteht, sondern auf die eigentümliche Billigung des ästhetischen Wohlgefallens selbst. Nennen wir diese das rein-ästhetische, die logische Anerkennung aber das logisch-ästhetische Urteil, so haben wir in diesem letzteren eine Gestalt des Denkens vor uns, die für das Denken auf eine Unterordnung des rein-ästhetischen Urteils unter den logischen Wert hinweist. Eben weil es falsch ist, die Schönheit als eine Eigenschaft des Dings zu denken, dürfen wir dem logisch-ästhetischen Urteil nicht die Qualität einer einfachen logischen Bejahung zuschreiben, vielmehr erschließt sich in ihm erst der Sinn der ästhetischen Allgemeingültigkeit für die Reflexion. Im logisch-ästhetischen Urteil ist daher die ästhetische Allgemeingültigkeit, wenn auch nicht eine Art der logischen Allgemeingültigkeit, so doch ein Objekt der Bejahung. Erst in dieser Bejahung gewinnt die ästhetische Forderung den Charakter, der sie zum allgemeingültigen Urteil erhebt, durch die Transposition in die logische Sphäre artikuliert sich erst der Sinn des Wohlgefallens; hätte die Norm der Wahrheit oder das logische Sollen keine unbedingte Geltung, so käme auch dem logisch-ästhetischen Urteil keine logische Gültigkeit zu, und die ästhetische ließe sich nicht zum Problem machen. Nicht aber läßt sich das Umgekehrte behaupten, daß eine logische Gültigkeit sich in einer ästhetischen "aufheben" läßt und gewissermaßen eine ästhetische Sanktion erhalten könnte. Deshalb ist die Ästhetik der Logik überhaupt untergeordnet und wird durch sie erst möglich. Insofern ist allerdings die Mitteilbarkeit der Lust, d. h. ihre Fähigkeit, logische Geltung zu beanspruchen, die Bedingung für den Begriff einer ästhetischen Allgemeingültigkeit. Wollte man diesen Verhältnissen selbst den Charakter transzendenter Ordnungen verleihen, d. h. die logische Ordnung der philosophischen Disziplinen zu einer Ordnung der Ideen umdenken, so verläßt man damit den kritischen Standpunkt und gerät in die Metaphysik. Aber auch die entgegengesetzte Wegrichtung dürfen wir nicht einschlagen: aus den Eigentümlichkeiten des logisch-ästhetischen Urteils dürfen wir nicht eine Beziehung des ästhetischen Gemütszustandes zu den Erkenntniskräften ableiten, denn damit begeben wir uns auf die Heerstraße des Psychologismus.

Doch es bleibt noch eine dritte Möglichkeit, das bisherige Ergebnis für die erkenntnistheoretischen Begriffe fruchtbar zu machen. Man könnte nämlich folgende Überlegung anstellen: Die ästhetische Allgemeingültigkeit kann nicht den Rang derjenigen logischen Allgemeingültigkeit einnehmen, die den "Wirklichkeitsurteilen", d. h. der Bedingung der Existenz empirischer Subjekte zukommt, denn die ästhetische Wertung ist der Sinn seiender Akte, wird also logisch erst möglich durch die vorausgesetzte Geltung von Existentialurteilen. Darauf ist jedoch zu erwidern: Der Sinn seiender Akte ist unabhängig vom Sein dieser Akte und wird dadurch in seiner Inhaltlichkeit gar nicht tangiert. Das hat uns schon der erste Teil unserer Arbeit gelehrt. Wie steht es dann aber mit dem Geltungsgrad der Wissenschaft und ihrer Bearbeitungsformen der Wirklichkeit? Folgt nicht aus demselben Grund, daß dieser unbedingt zu denken ist, und für sich eine Notwendigkeit verlangt, die dadurch nicht eingeschränkt ist, daß sie nur aus den Zwecken menschlichen Erkennens sich herleitet? Dann fiele die von KANT postulierte Unterschiedenheit einer "beweisbaren" und einer "zufälligen" Notwendigkeit, und ebenso die von RICKERT in seinem "Gegenstand der Erkenntnis" gezogene scharfe Grenze zwischen den konstitutiven Wirklichkeitsformen und den methodologischen Wissenschaftsformen, von denen erstere über das menschliche Erkennen hinaus für ein urteilendes Bewußtsein überhaupt, letztere nur für "empirische Subjekte" (49) gelten. Doch hier müssen wir vor einer Entscheidung noch weitere Umschau halten.

HÖRTH (50) hat dem RICKERTschen Begriff der "objektiven Wirklichkeit" vorgeworfen, er bedeute eine Hypostasierung [Vergegenständlichung - wp], insofern in ihm die Welt gedacht wird, "die der Art nach bestehen würde, auch wenn es gar keine sie auffassenden empirischen Subjekte" geben würde. Die objektive Wirklichkeit könnte nicht dem "individuellen Zielwollen zugrunde liegen, da sie auf dem Weg nach einem individuellen logischen Ziel liegt". Ob die wissenschafttreibenden Subjekte Menschen, d. h. Teil der objektiven Wirklichkeit sind, darf für die Geltung der methodologischen Kategorien nicht in Betracht kommen. Daher ist auch das Schaffen des Künstlers vom transzendentalen Standpunkt aus nicht als Umformung der objektiven Wirklichkeit zu denken, in der nur logische Formwerte enthalten sind; vielmehr
    "ist der Künstler auf dieselben inhaltlichen Grundfaktoren angewiesen wie der Erkennende und hat sie nach einem eigenen konstitutiven Wert, eben dem künstlerischen, zu formen und zu gestalten." (51)
Darauf ist Folgendes zu erwidern. In der Bestimmung der objektiven, als der von jeder Auffassung empirischer Subjekte freien Wirklichkeit liegt solange kein metaphysisches Moment, als der Sinn und die Geltung diskursiver, d. h. von einem endlichen Subjekt begrifflich geformter Urteile nicht abhängig gemacht wird vom Sein dieser Urteile, d. h. von ihrer Zugehörigkeit zu eben jener auffassungsfreien Wirklichkeit. Wird aber dieser "Auffassung" empirischer Subjekte, d. h. dem wissenschaftlichen Erkennen unbedingte, über das endliche Bewußtsein hinausragende Geltung deswegen abgesprochen, weil das erkennende Subjekt selbst ein "Stück" objektive Wirklichkeit ist, so ist allerdings der Einwand berechtigt, daß der Erkennende, insofern er erkennt, nicht als individuelles Subjekt gedacht werden, daß also der Begriff des "empirischen Subjekts", für das die methodologischen Formen eine transzendente Bedeutung haben sollen, nicht als Begriff eines existierenden Bewußtseinsindividuums gefaßt werden darf. Oder, wie ich es vorher schon formuliert habe, der Sinn seiender Akte hat nicht das Geringste zu tun mit dem Sein dieser Akte. Weil das Sein der Akte zur objektiven Wirklichkeit gehört, deshalb und deshalb allein ist nicht ihr Sinn - Auffassung der objektiven Wirklichkeit. Ich muß daher HÖRTH zustimmen, wenn er sagt:
    "Demnach läßt sich das Verhältnis des erkennenden Ichs zur objektiven Wirklichkeit dahin bestimmen, daß es, soweit es rein erkennt, - und vermöchte es solches überhaupt nicht, so wäre kein Wissenschaftsmaterial und damit auch keine Wissenschaft selber möglich - ähnlich dem erkenntnistheoretischen Subjekt ebenfalls niemals Objekt sein, d. h. sich niemals selber durch ein Existentialurteil von seiner eigenen Existenz überzeugen kann." (52)
Dagegen muß ich HÖRTH widersprechen, wenn er seinerseits den Begriff der objektiven Wirklichkeit vom "individuellen Wollen" abhängig und zum Begriff eines erkenntnistheoretischen Kunstproduktes macht. (53) Man muß zwischen dem Begriff und dem Begriff eines Begriffs sorgfältig unterscheiden. Man kann in einem Begriff ein Seiendes meinen, ohne damit diesen Begriff zu einem Seienden zu hypostasieren. Weil der Begriff der objektiven Wirklichkeit ein erkenntnistheoretisches Kunstprodukt ist, so ist sie selbst doch darum ihrem Begriff nach noch kein erkenntnistheoretisches Kunstprodukt. Deshalb läßt sich sehr wohl von ihr sagen, sie sei die unaufgefaßte Welt, sie sei die inhaltliche kategorial geformte Mannigfaltigkeit, auf die in empirischen Begriffen hingezielt wird, ohne daß sie in diesen adäquat ausgedrückt zu werden vermöchte. Insofern (54) empirische Begriffe diese für sie unerschöpfliche Totalität von Gültigkeiten meinen, ragt ihr Sinn über ihre eigene Begrenztheit und Endlichkeit hinaus in ein für sie Unerfaßbares und Unendliches, insofern sie aber als für sich sinnvoll, abgeschlossen und in sich selbst ruhend gedacht werden, bleiben sie in der "Auffassung" stecken, eben in der Empirie. Und diesen beiden Seiten des Begriffs entspricht die Doppelnatur des Erkennenden. Insofern er in seinem Erkennen sich nach der objektiven Wirklichkeit zu richten trachtet, schärfer gesagt, insofern er sie sich zum Material nimmt und damit zur Erkenntnisaufgabe macht, weist das Sollen als Gegenstand seines Erkennens hinaus auf Normen, die ein urteilendes Bewußtsein überhaupt binden. Insofern er aber in seinem Erkennen Verzicht leistet und mit dem begrifflichen Surrogat jenem Streben Genüge tut, verpflichtet das Sollen nur ein jedes endliche Subjekt oder ein diskursiv urteilendes Bewußtsein überhaupt.

Falsch aber wäre es, jenen sinnvollen Zusammenhang einer Totalität von Gültigkeiten, der in empirischen Begriffen ewig nur erstrebt und niemals eingefangen wird, als sinnvollen nur anzuerkennen, insofern empirische Begriffe gedacht werden. Dieses Gedachtwerden ist keinesfalls die Bedingung der objektiven Wirklichkeit. Deshalb muß ich HÖRTH auch entschieden Unrecht geben, wenn er schreibt:
    "Eine Welt, die als in Urteilen geschaffen gedacht werden muß, kann eben auch nur, wenn faktisch (!) geurteilt wird, als in Urteilen geschaffen gedacht werden." (55)
Endlich vermag ich mit mit der Erhebung ästhetischer Normen und Formen in den Bereich der konstitutiven Wirklichkeitskategorien nicht einverstanden zu erklären. (56) Ich habe soeben innerhalb des empirischen Begriffs zwei Momente unterschieden, das eine gleichsam als die Aufgabe, die andere als Lösung bezeichnet. Vergleiche ich diese beiden Momente mit der im ästhetischen Erleben angesonenen Gültigkeit, so kann ich nicht im Zweifel sein, daß die ästhetischen Formen an die Seite der methodologischen zu stellen sind. Es hat keinen Sinn, das Wohlgefallen einem Subjekt zuzumuten, das überempirisch-ästhetische Formen und Werte anerkennen soll, denn die schöne Erscheinung weist nicht auf ein ästhetisch Unbegreifbares, Unfaßbares hin wie der Begriff, sondern ruht in sich, in der überindividuellen Bedeutung des empirischen Wohlgefallens beschlossen.

Während die Formen der objektiven Wirklichkeit nur durch das Medium empirischer Begriffe angesonnen werden können, in ihrer Reinheit aber empirischem Begreifen entzogen zu denken sind, verleiht die schöne Form gerade um ihrer selbst willen in ihrer Reinheit dem ästhetisch Gewerteten seinen Charakter. Die objektive Wirklichkeit ist als logische Idee, als ein allzeit Unaussprechliches zu verstehen. Der ästhetische Gegenstand aber ist ein empirischer gleich dem der Wahrnehmung. Das Wohlgefallen an ihm läßt sich "mitteilen". Die ästhetische Gültigkeit läßt sich nicht nur als Idee, sondern als empirisches Urteil zum Objekt einer logischen Wertung machen, wie ich im Vorhergehenden gezeigt habe.
    "Wenn man annehmen dürfte, daß die bloße Mitteilbarkeit eines Gefühls ansich schon ein Interesse für uns bei sich führen muß, so würde man sich erklären können, woher das Gefühl im Geschmacksurteil gleichsam als Pflicht Jedermann zugemutet wird." (57)
Dieser Jedermann aber kann nicht als unendliches Bewußtsein gedacht werden; vielmehr gebührt dem ästhetischen Bewußtsein der gleiche Rang wie dem diskursiven.

Ob die ästhetischen Formen aber in ihrer Geltung eine Beziehung zu den Wirklichkeitsformen haben, ob sie an diese in irgendeiner Weise gebunden sind, diese Frage läßt sich endgültig erst durch eine Betrachtung dieser ästhetischen Formen und einen Vergleich mit den transzendental-logischen entscheiden. Wie weit die rein-logische Klärung hier eine Antwort geben kann, glaube ich erschöpfend gezeigt zu haben. Nur noch auf eine Schwierigkeit soll hingewiesen werden, die sich einer Lösung des ästhetischen Formproblems in den Weg stellt und gleichzeitig eine von KANT hervorgehobene Differenz der logischen und ästhetischen Werte wieder in ihre Rechte einsetzt: die ästhetischen Formen können nicht die transzendentale Allgemeinheit besitzen, die den transzendental-logischen eigen ist, selbst wenn wir sie mit den das absolut Individuelle meinenden Formen vergleichen. Vielmehr scheinen die ästhetischen Formen in ihrer Mannigfaltigkeit und Individualität dem geformten Inhalt völlig gleichzukommen, so daß sie nicht als Formen des Individuellen, sondern als individuelle Formen betrachtet werden müßten. Freilich soll damit nicht geleugnet sein, daß sich überhaupt allgemeine ästhetische Prinzipien finden lassen, aber nicht diese sind es, welche allein den Gegenstand zu einem schönen machen. So ist die Isolation eine unerläßliche Vorbedingung für eine ästhetische Wirkung. Aber derartige Regeln konstituieren nicht die Welt des Schönen; ein Kunstwerk kann allen Vorschriften der Ästhetik gerecht geworden sein und dennoch der individuellen Schönheitsform ermangeln. KANT hat dies so ausgedrückt: "Man kann a priori nicht bestimmen, welcher Gegenstand dem Geschmack gemäß sein wird oder nicht, man muß ihn versuchen." (58) Nun ließe sich zwar mit dem gleichen Recht behaupten, daß a priori kein Grund anzugeben ist, wann z. B. die Kategorie der Kausalität Anwendung findet, daß man sie vielmehr "versuchen" muß. Dennoch besteht hier ein Unterschied, den KANT richtig gesehen hat. Man kann nämlich sehr wohl a priori einsehen, welche Normen anerkannt sein wollen, damit der Zweck der Erkenntnis erreicht wird, und andererseits ist durch die Anerkennung dieser Normen auch die materiale Wahrheit der Erkenntnisurteile garantiert. Hingegen lassen sich die ästhetischen Formen nicht irgendwie "verfrühen", so daß sie in ihrer Gesamtheit die Allgemeingültigkeit der ästhetischen Urteile einsichtig machen. Hier wählt und erschafft vielmehr das künstlerische Genie.
LITERATUR - Richard Kroner, Über logische und ästhetische Allgemeingültigkeit, Zeitschrift für Philosophie und philosophische Kritik, Bd. 135, Leipzig 1909
    Anmerkungen
    1) vgl. oben.
    2) Hegel, Enzyklopädie, § 2.
    3) Rickert, Gegenstand der Erkenntnis, Seite 137.
    4) Allgemeinheit bezeichnet hier die Qualität der Subjekte, für die das Urteil gilt, deshalb nennt Kant sie "subjektive Allgemeinheit".
    5) Kuntze, Die kritische Lehre von der Objektivität, Seite 77
    6) Angeführt bei Cassirer, Das Erkenntnisproblem in der Philosophie und Wissenschaft der neueren Zeit, Bd. 1, Seite 298.
    7) Kant, "Kritik der Urteilskraft", Seite 60.
    8) Kant, a. a. O., Seite 60.
    9) Kant, "Kritik der Urteilskraft", Seite 23. Wodurch diese Bezeichnung sich rechtfertigt und wie die transzendentale Deduktion dieser subjektiven Notwendigkeit aussieht, darüber später (§ 6).
    10) Kant, "Kritik der Urteilskraft", Seite 150.
    11) z. B. Kant, "Kritik der Urteilskraft", Seite 17; vgl. auch die oben angeführte Stell der Kr. d. r. V., Ausgabe B, Seite 350.
    12) Kant, "Kritik der Urteilskraft", Seite 154.
    13) Kant, "Kritik der Urteilskraft", Seite 63.
    14) "Unter einem Prinzip des Geschmacks würde man einen Grundsatz verstehen, unter dessen Bedingung man den Begriff des Gegenstandes subsumieren und alsdann durch einen Schluß herausbringen könnte, daß er schön ist. Das ist aber schlechterdings unmöglich." (Kritik der Urteilskraft, Seite 148)
    15) vgl. das Zitat Kr. d. r. V., Ausgabe B, Seite 350.
    16) Kant, "Kritik der Urteilskraft", Seite 155.
    17) Vgl. den Begriff des relativ Historischen in Rickerts "Grenzen der naturwissenschaftlichen Begriffsbildung". Ihm steht als das absolut Allgemeine oder Naturbegriffliche die Mechanik der "letzten Dinge" gegenüber, also eine "Naturwissenschaft a priori" im kantischen Stil, aber nicht etwa die Mechanik Newtons.
    18) Kant, "Kritik der Urteilskraft", Seite 150.
    19) Kant, "Kritik der Urteilskraft", Seite 151.
    20) Kant, "Kritik der Urteilskraft", Seite 152.
    21) Wenn wir von den wenigen Stellen absehen, wo ihm "die Möglichkeit selbst der Wahrnehmung" fragwürdig erschienen ist.
    22) Kant, "Kritik der Urteilskraft", Seite 153.
    23) Kant, "Kritik der Urteilskraft", Seite 31.
    24) Dieses Urteil nennt Kant selbst, wie wir wissen, in seiner Logik "ein Erfahrungsurteil, d. h. ein empirisches Urteil, dadurch ich einen Begriff vom Objekt bekomme."
    25) Kant, "Kritik der Urteilskraft", Seite 23.
    26) Kant, "Kritik der Urteilskraft", Seite 21.
    27) Kant, "Kritik der Urteilskraft", Seite 22.
    28) Kant, "Kritik der Urteilskraft", Seite 23.
    29) Kant, "Kritik der Urteilskraft", Seite 25.
    30) Kant, "Kritik der Urteilskraft", Seite 21.
    31) Kant, "Kritik der Urteilskraft", Seite 27.
    32) Kant, "Kritik der Urteilskraft", Seite 26.
    33) vgl. Rickert, Gegenstand der Erkenntnis, Seite 222.
    34) siehe besonders § 8 der "Kritik der Urteilskraft".
    35) Kant, "Kritik der Urteilskraft", Seite 139.
    36) Kant, "Kritik der Urteilskraft", Seite 153. "So gehört diese Aufgabe der Kritik der Urteilskraft (einer Deduktion des ästhetischen Urteils) unter das allgemeine Problem der Transzendentalphilosophie: wie sind synthetische Urteil a priori möglich?"
    37) siehe z. B. Ebbinghaus, Grundzüge der Psychologie, Seite 167f.
    38) Zimmermann, Allgemeine Ästhetik, Seite 19.
    39) Kant, "Kritik der Urteilskraft", Seite 46.
    40) Kant, "Kritik der Urteilskraft", Seite 153.
    41) Fichtes Sämtliche Werke, Bd. 1, Seite 107.
    42) Sigwart, Logik, Bd. 1, dritte Auflage, Seite 161f.
    43) vgl. dessen Ausführungen "Was ist Philosophie?" in den "Präludien", dritte Auflage, Seite 52f.
    44) Sigwart, Logik, a. a. O., Seite 164
    45) Sigwart, Logik, a. a. O., Seite 163
    46) Sigwart, Logik, a. a. O., Seite 163
    47) Fritz Blencke, Die Trennung des Schönen vom Angenehmen in Kants Kritik der ästhetischen Urteilskraft, 1889.
    48) Blencke, a. a. O., Seite 32.
    49) siehe Rickert, Gegenstand der Erkenntnis, Seite 207.
    50) Franz Ludwig Hörth, Zur Problematik der Wirklichkeit, 1906, Seite 29f.
    51) Hörth, a. a. O., Seite 35
    52) Hörth, a. a. O., Seite 32
    53) siehe auch Hörth, a. a. O., Seite 70
    54) vgl. zum Folgenden Rickert, "Grenzen usw.", Seite 45 und "Gegenstand der Erkenntnis", Seite 222
    55) Hörth, a. a. O., Seite 31
    56) Daß ich auch den übrigen Ausführungen Hörths nicht mehr folgen kann, versteht sich bei meinem Standpunkt von selbst. Ich räume ein, daß der innerliche Zusammenhang des Erlebens und die in ihm gemeinte "Individualwirklichkeit" nicht mit der objektiven Wirklichkeit, auch nicht mit der vorwissenschaftlichen Begriffsbildung zusammenfällt. Aber ich habe den Sinn derjenigen "intentionalen Erlebnisse", die nicht auf ein überindividuelles Sollen hinweisen, aus transzendental-philosophischen Untersuchungen ausgeschlossen. Inhaltlichkeiten, die das Individuum beseelen, die das Individuum beseelt, gehören zu den "unwesentlichen" Bestandteilen des sinnvoll Erlebten; sie bilden ein Grenzgebiet, das nur als solches für die Erkenntnistheorie eine Rolle spielt, aber selbst nicht Gegenstand der Untersuchung werden kann.
    57) Kant, "Kritik der Urteilskraft", Seite 162.
    58) Kant, "Kritik der Urteilskraft", Seite 32.