ra-1HumeR. SchellwienM. Schlickvon AsterB. ErdmannA. Riehl     
 
JOSEPH W. A. HICKSON
Der Kausalbegriff
in der neueren Philosophie

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"Nicht  weil  wir eine Einsicht oder ein Verständnis für jene Aufeinanderfolge besitzen, sind wir geneigt, ein ursächliches Verhältnis zu konstatieren, sondern umgekehrt wegen der beständigen Sukzession und des durch die Gewohnheit bewirkten Gefühls des Glaubens oder der Überzeugung von der Zusammengehörigkeit der betreffenden Erscheinungen schließen wir auf die Notwendigkeit eben dieser Verbindung."

"Definieren wir daher eine Ursache als dasjenige Objekt, das vor und neben einem anderen ist, das mit dem anderen in der Weise vereinigt wird, daß der Begriff des einen das Gemüt bestimmt, den Begriff des anderen zu denken, und daß die Impression des einen einen lebhafteren Begriff des anderen hervorbringt, so ist  ein solcher Einfluß  auf das Gemüt  ansich vollkommen unbegreiflich.  Wir erschließen das Stattfinden desselben nur aus den Tatsachen, deren nähere Begründung für immer ausgeschlossen bleibt. Ein  ursächliches Verhältnis  bedeutet demnach nichts weiter, als einen gewohnheitsmäßigen Zusammenhang aufeinanderfolgender Phänomene."

"Daß der Begriff der  Kraft  ein Relationsbegriff ist, hat  Hume  klar dargelegt und damit einen großen Fortschritt in der Auffassung dieses in der Philosophie von jeher durch eine absolute metaphysische Bestimmung verworren gedachten Begriffs angebahnt. Die Kraft kennen wir durch ihren Effekt und durch diesen allein. Kennten wir die Kraft oder Kräfte an und für sich, so brauchten wir nicht erst ihre Wirkungen abzuwarten."

"Es ist nicht richtig, zu behaupten, obwohl es von vielen Kritikern und Gegnern  Humes  öfter gesagt worden ist, er erkenne keine Kausalität an. Im Gegenteil hielt  Hume  dieselbe für einen fundamentalen und unentbehrlichen Begriff der Erfahrung, leugnete aber, daß die letztere einen rationalen Charakter trägt, wie es vor ihm oft behauptet wurde."


I. Kapitel

Wenn man nicht zugeben will, daß HUME zuerst das eigentliche Kausalproblem entdeckt hat, so kann doch sicher nicht bestritten werden, daß seine Untersuchung hierüber eine Epoche in der Geschichte der philosophischen Theorien kennzeichnet, von der alle späteren Erörterungen dieser Frage auszugehen haben und tatsächlich ausgegangen sind. Nicht nur durch seine vernichtende Kritik der herkömmlichen philosophischen Begründungsversuche des Prinzips des Zusammenhangs der realen Erscheinungen und seine Verwerfung des damit verknüpften ontologischen Kraftbegriffs, sondern vor allem durch die Darstellung seiner positiven Ansicht, daß die Kausalbeziehung kein rein logisches oder begriffliches, sondern ein empirisches oder tatsächliches Verhältnis ist, ist HUME als der eigentliche Begründer einer neuen Kausalitätstheorie anzusehen.

Die Auffassung eines Kausalverhältnisses als eines erfahrungsgemäßen und der Bedeutung des Prinzips auf dem Gebiet der Naturwissenschaft als des Grundsatzes aller "tatsächlichen" Schlüsse vom Beobachteten auf das Unbeobachtete, als des Prinzips aller Induktion bildet ohne Zweifel einen der wichtigsten Schritte in der Entwicklung des Kausalproblems. Denn hierdurch trat wohl zuerst der Kausalbegriff aus dem Bereich der öden metaphysischen Spekulationen und konnte das Thema fruchtbarer philosophischer Erörterungen werden. Allerdings sind wir der Meinung, daß seit HUME und unter seinem Einfluß die Bedeutung des Kausalbegriffs als eines Grundbegriffs der Naturforschung an und für sich, d. h. abgesehen von seinem Zusammenhang mit anderen ebenso grundlegenden Begriffen, überschätzt worden ist.

Schon ein Landsmann HUMEs, JOSEPH GLANVIL, 1636 - 1680, hat in Bezug auf die Begreiflichkeit des ursächlichen Zusammenhangs der Erscheinungen ähnlich kritische oder, wenn man will, skeptische Äußerungen hingeworfen, welche später von HUME auführlicher entwickelt worden sind und mit welchen er wahrscheinlich bekannt war (1). Damit möchte ich keineswegs eine wirkliche Beeinflussung HUMEs mit Gewißheit behaupten, noch weniger von einer Antizipierung seiner eigenen Kausalitätslehre reden. Hätte er, was nicht ausgeschlossen ist, jene zerstreuten Bemerkungen GLANVILs, denen jede Spur von dem auf einer Vorstellungsassoziation beruhenden positiven Teil seiner Theorie fehlt, nie gelesen, so wäre er nichtsdestoweniger sehr wohl auf das eigentliche Problem gekommen. Denn dasselbe lag eben schon bei den  Okkasionalisten  [Lehre von den Gelegenheitsursachen - wp] LOCKE und BERKELEY bis zu einem gewissen Grad bereits vor. (2) Wir sind geneigt, besonders in den letzten zwei Denkern die wirklichen Vorbereiter der einschlägigen Kritik der herkömmlichen Vorstellung der notwendigen Verknüpfung zu erblicken (3). Ebenso ist vielleicht von entgegengesetzter Seite im dogmatischen Intellektualismus von LEIBNIZ, der aus den Gesetzen des Denkens die Gesetze der Dinge ableiten und ein rein logisches Gesetz, wie das vom Grunde, zur Erklärung der physikalischen Natur der Tatsachen ausgeben wollte, ein Anstoß zur Entwicklung der entgegengesetzten HUMEschen Lehre zu suchen.

HUME hat sich des Kriteriums bedient, welches LOCKE für die Richtigkeit oder Wahrheit eines Begriffs angab, welches er aber selbst nicht konsequent durchführte, nämlich des Nachweises der Elemente desselben bei den einfachen Ideen oder in der Wahrnehmung, um die Haltbarkeit der schon längst bestehende Auffassung des geheimnisvollen Zusammenhangs zwischen Ursache und Wirkung zu prüfen und zu beseitigen (4). BERKELEY, der die Existenz der körperlichen Substanz, folglich auch alle Wirkungsfähigkeit derselben, daher ferner die Existenz aller verknüpfenden Kräfte zwischen den äußeren Erscheinungen leugnete, ließ, da er die Existenz einer geistigen Substanz, eines immateriellen "Ichs" annahm, den Kraftbegriff für das Gebiet der psychischen Erscheinungen noch fortbestehen. Denn er meinte, im Vorgang des Wollens eine Erfahrung von schaffender Macht oder erzeugender Kraft erlangen zu können. Indessen wo HUME seine Kritik auch auf dieses Gebiet ausdehnte, wies er diese Ansicht BERKELEYs als falsch nach. Nicht nur für das äußere Geschehen und den Zusammenhang zwischen äußeren und inneren Phänomenen, sondern ebenso in Bezug auf die Verhältnisse der inneren Erscheinungen untereinander bleibt uns eine Kenntnis von den wirkenden Prinzipien der Dinge verschlossen (5). Das Resultat dieser meisterhaften Untersuchung, die wir hier umso mehr übergehen wollen, da sie vielfach in der neusten Zeit dargestellt worden ist, war, daß eine Wahrnehmung von erzeugender Kraft, vom Bewirken, von der Hervorbringung einer Wirkung durch ihre Ursache niemals ein Gegenstand der Erfahrung gewesen ist, und daß der metaphysische Kraftbegriff, wodurch dieser Zusammenhang als gestiftet gedacht wurde, als unbrauchbar, nutzlos und täuschend betrachtet werden müßte. Denn derselbe enthält keine Verdeutlichung des betreffenden Vorgangs, sondern verdeckt eigentlich dasjenige, was bei einer Untersuchung erklärt werden soll. Ist jene Idee der notwendigen Verknüpfung der Veränderungen gleichbedeutend mit jenem Kraftbegriff, mit der Idee des Bewirkens des Effekts durch die Ursache, so wird sie sicher nie in der Erfahrung gefunden werden. Denn so wenig wie die Kraft selbst ein Gegenstand der Anschauung,  ebensowenig ist ein Kausalzusammenhang der Erscheinungen rein anschaulicher Natur.  Wir stimmen hierin mit RIEHL überein, indem wir dieses negative Ergebnis zu den wenigen philosophischen Lehrsätzen rechnen, welche vernünftigerweise nicht bestritten werden können. (6) Dasselbe ist insofern als ein Gewinn zu betrachten, als hierdurch die Forschung von einer unmöglichen und unfruchtbaren Aufgabe abgelenkt wird, indem ihr eine Grenze bei der Erklärung der Naturvorgänge gesetzt wurde. Seitdem ist die Frage, welche der Kausalbegriff zu lösen hat, nicht: In welcher Weise bringt eine Veränderung eine andere Veränderung hervor, oder wie geschieht die Verursachung, wie betätigt sich die Ursache?, sondern: Welches ist das Kriterium, nach welchem ein Kausalzusammenhang der Erscheinungen untereinander festgestellt werden kann?  Was ist die allgemeine Regel der Abhängigkeit der Veränderungen voneinander? 

Ferner, da, wie HUME meinte und zeigte, die Kausalbeziehung nicht zu den rein logischen Verhältnisse gehört, wie diejenigen von Übereinstimmung und Widerspruch, von den mathematischen und geometrischen Beziehungen der Gleichheit und Proportionalität, deren sämtliche Wahrheit nach ihm, nach dem Gesetz des Widerspruchs bewiesen werden kann, muß ihre Wahrheit auf anderen Gründen beruhen, die in der Erfahrung allein gesucht werden sollen. (7) Deshalb kann die Richtigkeit eines einzelnen Kausalverhältnisse ebensowenig nach dem Widerspruchsprinzip gefolgert werden, wie die des allgemeinen Kausalprinzips selbst nach jenem logischen Gesetz bewiesen werden kann. Die von HOBBES und LOCKE versuchten Beweise für den Satz, eine jede Wirkung muß notwendig eine Ursache haben, drehen sich daher entweder in einem Zirkel, oder sie behaupten etwas rein Tautologisches, da es unmöglich ist, zu beweisen, daß ein Ding ohne erzeugende Kraft nicht anfangen kann, zu sein (8). Weil eine Ursache immer ein von der Wirkung verschiedener Gegenstand ist, so ist das Kausalverhältnis ein Realverhältnis, und eben deshalb kann die Notwendigkeit einer Ursache für eine jede Veränderung durch bloß begriffliche Überlegungen niemals dargetan werden. Das Gegenteil einer jeden Tatsache, meint HUME, sei denkbar, daher auch in Wirklichkeit möglich. Deshalb kann das Stattfinden oder Nichtstattfinden derselben nicht auf einem rein formalen Satz, wie dem des Widerspruchs, beruhen. Das Kausalprinzip, welches das Prinzip aller Erfahrungserkenntnis ist, der Grundsatz, nach welchem wir von beobachteten oder bekannten auf nicht beobachtete Tatsachen schließen, ist kein ansich evidenter, kein axiomatischer Satz. Der Satz, daß alle Veränderungen verursacht sind, daß alles, was anfängt zu sein, etwas anderes voraussetzt, worauf es nach einer Regel folgt, ist keiner Demonstration fähig, ist keine logisch beweisbare Behauptung (9). Es wäre ein triviales Verfahren, wenn man aus der bloßen Korrelativität der Begriffe die Notwendigkeit einer Ursache für eine jede Wirkung beweisen wollte (10). Auch KANT hat sich in diesem wesentlichen Punkt an HUME angeschlossen, indem er die Unmöglichkeit eines rein begrifflichen Beweises für das Kausalprinzip einräumte und den Satz, eine jede Wirkung habe eine Ursache, oder die Behauptung, alles Zufällige ist verursacht, für einen bloß analytischen, ja tautologischen Satz erklärte. So wenig wie für HUME, ebensowenig gibt es für KANT eine logische Demonstration der objektiven Wahrheit des Kausalsatzes (11). Beide Denker stimmen darin überein, daß der letztere oder, was für KANT gleichbedeutend ist, der Satz vom Grund der Veränderungen nicht eine analytische, sondern eine synthetische Beziehung ist, wenn nicht nach KANT wie nach HUME derselbe ausschließlich erfahrungsmäßiger Natur sein soll.

Da wir uns nicht mit der Frage von der Möglichkeit eines Beweise für das allgemeine Kausalprinzip, sondern mit derjenigen der Entwicklung und Gestaltung des Kausalbegriffs seit HUME zu beschäftigen haben, so brauchen wir hier nicht näher auf die verschiedenartigen Theorien oder Begründungsversuche der beiden Denker einzugehen. Dies ist auch für unsere Aufgabe keineswegs nötig. Es ist möglich, diese beiden Teile des Kausalproblems bis zu einem gewissen Grad auseinanderzuhalten und demnach zu behandeln. Es scheint uns, daß die Frage nach der Auffassung des Kausalbegriffs von einem logischen Gesichtspunkt aus der Frage nach der Gültigkeit des Prinzips notwendig vorangehen muß, daß dabei die Beantwortung der ersteren selbst für die Lösung der zweiten Frage teilweise maßgebend, wenigstens hilfreich und vorbereitend sein kann. Denn das Kausalprinzip enthält einfach eine allgemeingültige Aussage über die Tragweite des Begriffs des Zusammenhangs von Veränderungen. Es behauptet, daß alle Veränderungen nach jenem Verhältnis verknüpft sind. Es handelt sich demnach vor allem darum, dieses Verhältnis nach sicheren Kriterien zu gestalten, ehe die Frage nach der Tragweite und dem Wert des Prinzips selbst entschieden werden soll. Durch eine falsche Auffassung jenes Begriffs wird man nicht unwahrscheinlich auf eine falsche Begründungsweise des Kausalsatzes kommen, wie wir sie bei KANT glauben erblicken zu können. Und wenn nicht, wie man behaupten könnte, aus der Richtigkeit der Auffassung der ursächlichen Beziehung die Wahrheit des Kausalprinzips notwendig folgt, so sind wir geneigt zu glauben, daß eine scharfe und eindeutige Präzisierung des Kausalverhältnisses nichtsdestoweniger auf denjenigen Gesichtspunkt führt, aus dem allein die Notwendigkeit des Grundsatzes selbst einleuchtend gemacht werden kann (12).

Nach HUME sind die Hauptmerkmale einer ursächlichen Beziehung Kontiguität in Zeit und Raum, Priorität der Ursache, die beständige Sukzession der Erscheinungen und die Idee der notwendigen Verknüpfung derselben. Die zeitliche Priorität der Ursache und Sukzession der Wirkung hat er durch ein besonderes Argument zu beweisen versucht, welches wir nicht als zwingend betrachten können, wenn wir schon in der Behauptung selbst mit ihm übereinstimmen. Die Leugnung dieser Priorität hätte, meint HUME, die Vernichtung der Aufeinanderfolge der Erscheinungen und deshalb auch der Zeit zur Folge, und aus dieser Absurdität sei die Unmöglichkeit, ja Unwahrheit der Behauptung der strengen Koexistenz von Ursache und Wirkung zu erkennen. Weiter unten kommen wir auf diesen Punkt zurück, wo wir die Haltbarkeit der Lehre von der Gleichzeitigkeit von Ursache und Wirkung näher zu prüfen haben.

Auf die Regelmäßigkeit der Aufeinanderfolge der Wahrnehmungen als ein Merkmal jedes Kausalverhältnisses hat er immer und überall besonderes Gewicht gelegt (13). Darin besteht eine  conditio sine qua non  [Grundvoraussetzung - wp] einer ursächlichen Verknüpfung.

Die Erklärung der letzteren Idee, welche, wie bekannt, den positiven Teil der HUMEschen Lehre bildet, läuf darauf hinaus, daß dieselbe das Resultat eines Vorstellungsassoziationsprozesses in Verbindung mit einer Natureinrichtung des Bewußtseins, der Gewohnheit, ist. Diese letztere ist an und für sich nicht weiter zu erklären, noch überhaupt begreiflich, da sie eine ursprüngliche Betätigungsweise des wahrnehmenden Subjekts bildet, welches durch das Erlebnis der beständigen Wiederholung ähnlicher Aufeinanderfolgen von ähnlichen Objekten zur Vorstellung eines ursächlichen Verhältnisses, zu der notwendigen Verknüpfung der wahrgenommenen Vorgänge, getrieben wird. Ein ursächliches Verhältnis ist daher eine öfter erlebte Aufeinanderfolge von Wahrnehmungen, durch welche das Bewußtsein leichter veranlaßt wird, vom einen Gegenstand zum anderen überzugehen, und schließlich nicht umhin kann, diesen Übergang zu vollziehen. darin besteht für HUME die Quelle der Bedeutung der im Begriff der Kausalität enthaltenen Idee des notwendigen Zusammenhangs.

Diese Notwendigkeit ist daher die Wirkung der in einer großen Anzahl von Fällen bemerkten Ähnlichkeit der Sukzession. Sie ist nichts anderes, als eine aufgrund dieser Erfahrung und Macht der Gewohnheit beruhende "innerliche Impression des Gemüts, unsere Gedanken von einem Objekt auf das andere zu bringen". Und wenn die notwendige Verknüpfung zwischen Ursache und Wirkung der Grund aller Kausalschlüsse ist, so ist der Grund dieser Schlußart (falls dieselbe überhaupt so genannt werden darf!) der Übergang, der aus der angewöhnten Vereinigung entsteht.  Diese sind also ein und dasselbe.  (14) Die Idee des notwendigen Zusammenhangs ist nicht die Voraussetzung für diesen Übergang oder Schluß, sondern vielmehr eine Folge desselben. Nicht weil wir eine Einsicht oder ein Verständnis für jene Aufeinanderfolge besitzen, sind wir geneigt, ein ursächliches Verhältnis zu konstatieren, sondern umgekehrt wegen der beständigen Sukzession und des durch die Gewohnheit bewirkten Gefühls des Glaubens oder der Überzeugung von der Zusammengehörigkeit der betreffenden Erscheinungen schließen wir auf die Notwendigkeit eben dieser Verbindung. Entweder gibt es keinen Kausalzusammenhang zwischen aufeinanderfolgenden Erscheinungen, oder er besteht in nichts anderem, als in dieser gewohnheitsmäßigen Bestimmung des Geistes, oder, wie HUME ihn, wie ich glaube, irrtümlich nennt, in einem Schluß vom regelmäßigen Stattfinden eines anderen. (15)

Die Notwendigkeit beruth nicht, wie wir sagten, auf irgendeiner Einsicht in den Zusammenhang der in ursächlicher Beziehung stehenden Phänomene. Sie ist nicht das Produkt einer Denktätigkeit. Sie ist nicht logischer Art, sondern das Resultat einer mechanischen Betätigungsweise des Bewußtseins, dessen nähere Begründung nicht möglich ist. Sie ist eine in einem physischen Zwang oder in physischer Nötigung bestehende Funktion.

Mit dieser Auffassung der Kausalität als eines ursprünglichen Triebes oder Instinktes, wodurch die Menschen in unbegreiflicher Weise in der Auffindung von Kausalzusammenhängen geleitet werden, scheint und SCHOPENHAUERs Lehre von derselben als einer ursprünglichen Funktion des Gehirns sehr verwandt zu sein. Freilich hat der letztere einen besonderen Begründungsversuch seiner Lehre unternommen, dessen Richtigkeit später näher untersucht werden soll. Auch die Lehre von den unbewußten Schlüssen, welcher sich sowohl SCHOPENHAUER als auch HELMHOLTZ bedient haben, scheint uns schon sehr klar von HUME angedeutet, ja sogar ausgesprochen zu sein, indem er zeigt, daß die Tiere ebenso wie die Menschen Kausalschlüsse vollziehen können, bei denen jede Leitung durch bewußte Regeln fehlt und natürlich fehlen muß (16). Aber zwischen beiden Handlungsweisen, der menschlichen und der tierischen, ist kein prinzipieller Unterschied vorhanden, denn in beiden Fällen bleibt eine verständliche Verknüpfung der Erscheinungen ausgeschlossen.

Wie jener Instinkt, die Gewohnheit, wirkt, wie sie den Grund zur Vereinigung aufeinanderfolgender Vorstellungen bildet, bleibt uns ebenso unbekannt und unerklärlich, wie die angeblich vereinigenden Prinzipien äußerer Dinge: HUME leugnet nicht direkt, daß es solche verknüpfende Prinzipien geben könnte, aber unsere Fähigkeiten reichen dazu nicht aus, sie zu erfassen. Daß die Gewohnheit gewisse Wirkungen hervorbringt, welche in Verbindung mit einer regelmäßigen Sukzession von Objekten die Vorstellung einer Kausalverknüpfung erzeugen, das wissen wir allein aus der Erfahrung. Eine eigentliche Einsicht in ihren  modus operandi  ist uns aber ebensowenig gestattet, wie im Fall irgendeiner Naturkraft (17). Definieren wir daher eine Ursache als "dasjenige Objekt, das vor und (räumlich und zeitlich) neben einem anderen ist, das mit dem anderen in der Weise vereinigt wird, daß der Begriff des einen das Gemüt bestimmt, den Begriff des anderen zu denken, und daß die Impression des einen einen lebhafteren Begriff des anderen hervorbringt, so ist  ein solcher Einfluß  auf das Gemüt  ansich vollkommen unbegreiflich".  (18) Wir erschließen das Stattfinden desselben nur aus den Tatsachen, deren nähere Begründung für immer ausgeschlossen bleibt. Ein  ursächliches Verhältnis  bedeutet demnach nichts weiter, als einen gewohnheitsmäßigen Zusammenhang aufeinanderfolgender Phänomene (19).

Daraus folgt für HUME, daß die herkömmliche Unterscheidung zwischen Kraft und Äußerung derselben und die scholastische Einteilung von Ursachen in Gelegenheits- (occasionales) und wirkende Ursachen (efficientes) die Unterscheidung zwischen der vollständigen Ursache und der bloßen Veranlassung eines Vorgangs überhaupt wegfällt. (20) Weil das ursächliche Verhältnis überall ein und dasselbe ist, so kann es nur eine Art von notwendiger Verknüpfung geben. Es findet daher in Bezug auf die Notwendigkeit des Geschehens kein wahrer Unterschied zwischen "physischen" und "moralischen" Ursachen statt. Die sogenannten natürlichen Ursachen und willkürlichen Handlungen können miteinander verbunden werden, und doch ist die Vorausbestimmung des Endresultates nicht weniger sicher, als wenn das letztere durch physische Ursachen allein bestimmt wäre. "Dieselbe erfahrungsmäßige Vereinigung hat dieselbe Wirkung auf den Geist, ob die vereinigten Gegenstände Beweggründe, Wollen und Handlungen, oder Gestalt und Bewegung sind." (21)

So klar und scheinbar konsequent diese Meinung und so verdienstvoll, ja verständnisvoll die Ansicht HUMEs über den Kraftbegriff ist, wonach derselbe ebenso wie der Begriff der Ursache ein Relationsbegriff sein soll und die verschiedenen Kräfte nur Ausdrucksweisen für fundamentale Verhältnisweisen verschiedener Klassen von Erscheinungen bedeuten, so führt dennoch die Reduktion aller Kausalität auf eine bloße gewohnheitsmäßige Verbindung den Autor zu kaum zu überwindenden Schwierigkeiten. Es macht sich hier schon eine mangelhafte, weil unexakte, Auffassung des Kausalverhältnisses bemerkbar, welche später bei den Nachfolgern HUMEs der Grund der größten Unklarheiten und Verwirrungen wurde.

Nach HUMEs eigener Theorie der Vorstellungsassoziation, wonach die Verbindung der Wahrnehmungen je nach ihrer größeren Ähnlichkeit miteinander und der größeren Beständigkeit ihrer Aufeinanderfolge leichter geschehen soll, muß gewiß von vornherein ein Unterschied zu erwarten sein in der Wirkung, welche verschiedene Aufeinanderfolgen von Vorgängen im Geist hervorbringen können. Und in der Tat weiß HUME selbst, daß die Fortsetzung der Bewegung durch einen Stoß viel einleuchtender zu sein scheint, als das Eintreten derselben auf einen Akt des Wollens, da die Assoziation der Ideen im ersten Fall lebhafter und leichter zu geschehen pflegt. Es folgt sogar vom Standpunkt der bloßen psychologischen Auslegung dieser Tatsachen, daß, weil die Bewegungsvorgänge gleichartiger und regelmäßiger Natur sind, Kausalverhältnisse dieser Art zusammenhängender vorkommen müssen, als die vielfach unregelmäßigen Aufeinanderfolgen ungleichartiger Vorgänge bestimmter Willenshandlungen mit physischen Phänomenen. Daraus muß aber weiter ein Unterschied im Grad der Überzeugung folgen, mit der die ursächlichen Verknüpfungen der Erscheinungen in solchen voneinander abweichenden Fällen angenommen werden; ein Unterschied, der natürlich von der durch die verschiedene Beständigkeit der Sukzession bedingten größeren oder geringeren Stärke der Gewohnheit herrührt. Zwingt aber dieses Faktum nicht dazu, trotz HUMEs Behauptung des Gegenteils, eine verschiedenartige Notwendigkeit des Zusammenhangs in verschiedenen Fällen anzunehmen? (22) Warum könnte auch möglicherweise die Gewohnheit, selbst wenn sie sogar eine Art von Instinkt ist, nicht gelegentlich irre gehen, indem sie fälschlich eine bloße Sukzession für einen Kausalzusammenhang der Vorgänge hielte? (23)

Wir stoßen hier auf eine Schwierigkeit, welche durch die Auffassung des Kausalverhältnisses als objektiverseits allein in der Regelmäßigkeit der Aufeinanderfolge, subjektiverseits aus einem auf Gewohnheit beruhenden Gefühl der Erwartung bestehend bedingt wird, welcher durch keine Erklärung HUMEs abgeholfen werden kann und welche vorzüglich geeignet ist, die Unzulänglichkeit dieser Auffassung darzulegen.

Denn nach welcher Anzahl von Wiederholungen, müssen wir fragen, wird der Verstand geneigt sein, eine kausale Verknüpfung der betreffenden Erscheinungen zu behaupten? Wieviele Fälle einer regelmäßigen Verbindung genügen, um uns zu zwingen, einen notwendigen Zusammenhang zu konstatieren? Werden es vier oder sechs oder zwanzig oder einhundert sein? Nach welchen Kriterien können wir eine Untersuchung abschließen und dabei ganz sicher sein, daß wir hier ein Kausalverhältnis aufgestellt haben, welches sich niemals durch spätere Erfahrung als falsch oder unvollständig zeigen wird? Auf diese Frage kann die HUME'sche Theorie keine Antwort geben. Die Gewohnheit kann bei einigen Individuen stärker wirken, als bei anderen; danach wird die erstere Klasse wahrscheinlich weniger Fälle zu beobachten brauchen, als die zweite, deren Instinkt einen größeren Reiz fordert, um überhaupt in Tätigkeit gesetzt zu werden. Nach dieser Auffassung ist der Faktor der notwendigen Verknüpfung ein durch das besondere Individuum bedingtes Element, welches einer näheren Bestimmung ohne Zweifel bedürftig ist. Und wenn es sogar nicht unwahrscheinlich wäre anzunehmen, daß die Gewohnheit, als ein Naturprinzip, ziemlich gleichmäßig bei verschiedenen Individuen wirkt, so ist nicht minder nötig, der subjektiven Notwendigkeit weitere objektive Bestimmungen, als diejenigen der zeitlichen Kontiguität und regelmäßigen Verbindung, zu setzen; denn die letztere ist nicht immer vorhanden und nichtsdestoweniger können wir Kausalzusammenhänge mit Sicherheit konstatieren, oder, wenn sie vorhanden ist, kann sie für sich allein leicht irre führen. Ich will hier nicht das oft, zuerst von REID gegen HUME angeführte Beispiel von der Aufeinanderfolge von Tag und Nacht wieder hervorheben, da dasselbe mir wenig zwingend vorkommt. Denn nicht nur, daß ebenso wie der Tag als Ursache der Nacht, die letztere umgekehrt als die Ursache des ersteren aufgefaßt werden konnte, sondern das Verbreiten des Sonnenlichts über die Erde und sein späteres Verschwinden steht in einem so offenbaren Verhältnis mit dem Erscheinen und Unsichtbarwerden eines Weltkörpers, daß sogar vom Standpunkt HUMEs aus eine Verwechslung hier nicht stattzufinden braucht. Immerhin ist es interessant, zu bemerken, daß in früheren Menschenaltern und in gewissen Mythologien tatsächlich Tag und Nacht in ein ursächliches Verhältnis zueinander gesetzt wurden, was als ein Beleg gegen die objektive Richtigkeit der HUMEschen Theorie gelten kann (24).

Es gibt aber auch andere Fälle der Aufeinanderfolge, in welchen HUMEs Auffassung des Kausalverhältnisses kein hinreichendes Kriterium der Entscheidung anzubieten vermag. Abgesehen von der Möglichkeit des Zusammentreffens ganz verschiedener Kausalreihen, deren regelmäßige Aufeinanderfolge insofern ganz zufällig sein könnte, als ihr Zusammentreffen durch kein Gesetz bestimmt würde, denken wir an das schon berührte Beispiel der Sukzession von psychischen Phänomenen und physischen Vorgängen. In diesem Fall werden wir nach HUME zu einer Ansicht gezwungen, welche mit gewissen gesicherten Resultaten der exakten Forschung nicht vereinigt werden kann, auf die später eingegangen werden wird. Wollte man HUME dadurch verteidigen, daß man sagt, seine Theorie schließt keineswegs die Anwendung gewisser genauer Regeln zur Beurteilung einer Kausalbeziehung in einem besonderen Fall aus, so würde es sich dann fragen, ob, dies zugegeben, damit nicht eine Umgestaltung, wenigstens eine Modifikation seiner Lehre bedingt wäre. (25) Denn verführe man konsequent, wie HUME in der Tat tut, so ist es eine Folge seiner Auffassung, welche das Haupt-, sogar einzige objektive Merkmal eines ursächlichen Verhältnisses in einer beständigen Verbindung (conjunction) zweier Vorgänge sieht,  daß alles die Ursache von allem sein kann.  Überall, wo eine regelmäßige Aufeinanderfolge gegeben wird, müssen wir annehmen, daß die betreffenden Erscheinungen Ursache und Wirkung sind, wenn sogar eine solche Annahme mit logischen Schwierigkeiten oder, wie HUME lieber sagt, mit  Denkvorurteilen  verbunden ist. Deshalb kann die Bewegung von Atomen einen Gedanken hervorbringen, ebenso das Denken die Materie in Erregung setzen; denn wir finden tatsächlich die beiden Phänomene unmittelbar und regelmäßig aufeinanderfolgend und dies genügt, da es alles ist, was zur Annahme irgendeines Falls von Verursachung führen kann. (26) Wir dürfen niemals apriorische, d. h. logische Gründe anführen, warum etwas nicht die Ursache von etwas anderem sein kann, z. B. daß eine Bewegung der Gehirnmoleküle niemals die Ursache einer Vorstellung ist. Denn schließen wir a priori, so kann, da die Ursache von der Wirkung ein ganz verschiedener und getrennter Gegenstand ist, "der Fall eines Kieselsteins,  soviel wir wissen,  die Sonne auslöschen, oder der Wunsch eines Menschen die Planeten in ihrer Bahn zu beherrschen". (27) Dies ist das letzte Wort einer Kausaltheorie, welche alle logischen und mathematischen Bestimmungen des Verhältnisses verkennt oder verwirft.

Heutzutage scheint uns eine derartige extreme Ansicht an und für sich unhaltbar und außerdem sind wir gegenwärtig in der Lage, diese letzte Behauptung HUMEs mit Sicherheit zu leugnen. Nach der jetzigen, durch die Resultate der experimentellen Forschung selbst bedingten Auffassung der Vorgänge muß die Existenz irgendeines Kausalzusammenhangs zwischen dem Wollen eines Menschen und der Bewegung seiner Gliedmaßen, jede Art von Wechselwirkung zwischen physischen und psychischen Erscheinungen unbedingt geleugnet werden. HUME hat selbst ein solches Verhältnis zweifelhaft gemacht, als er nachwies, daß der Willensentschluß und die Bewegung der Glieder gar nicht in zeitlicher oder räumlicher Kontiguität miteinander stehen, daß der Willensentschluß nicht das unmittelbare Antecedens [Vorhergehende - wp] der Körperbewegung ist (28). Und ein oberstes Naturgesetz, an dessen Allgemeingültigkeit nicht zu zweifeln ist, da es selbst, wie wir später zu zeigen haben, auf einem Grundprinzip der Naturwissenschaft fundiert ist, hat diesen Zweifel bis zur Annahme völliger Unmöglichkeit erhoben. Ebenso sicher ist es, daß die Sonne nicht durch das "Fallen eines Kieselsteins" zum Erlöschen gebracht werden kann. Denn, um ein weniger auffallendes Beispiel zu nehmen, wir halten den Funken, welcher einen Brand anstiftet, nicht für die wirkliche Ursache des darauffolgenden Verheerungsprozesses. So gänzlich verschieden sind Ursache und Wirkung nicht, wie sie nach HUMEs Auffassung erscheinen könnten.

Und doch in derselben Schrift, in welcher diese Beispiele gefunden werden, die am besten die lose Natur des HUMEschen Kausalzusammenhangs beweisen, kommen Ansichten vor, welche auf eine rationalistischere Auffassung des Verhältnisses hindeuten, die sich mit den Ansichten solcher Denker wie HOBBES und DESCARTES, und überhaupt mit den Ergebnissen und Zielen der exakten Naturwissenschaften in besserer Übereinstimmung findet. Hier sieht HUME ein, daß zwischen Ursache und Wirkung eine Art von Proportionalität stattfinden muß, falls wir aus der letzteren die erste folgern dürfen (oder können),  daß der Ursache nicht mehr Qualitäten zugeschrieben werden dürfen, als zur Hervorbringung der Wirkung notwendig sind,  daß eine gewisse qualitative Ähnlichkeit und quantitative Vergleichbarkeit zwischen beiden vorhanden sein muß. "Genügt die für irgendeine Wirkung angegebene Ursache nacht, sie zu erzeugen, müssen wir jene Ursache entweder verwerfen, oder ihr solche Qualitäten beifügen, die ihr ein richtiges Verhältnis zur Wirkung geben." (29) Und das richtige Verhältnis ist eben dasjenige der gegenseitigen Proportionalität. Denn "eine jede Wirkung ist durch die Energie ihrer Ursache so genau bestimmt, daß unter den besonderen Umständen keine andere Wirkung irgendwie an ihr hätte entstehen können. Die Stärke und Richtung einer jeden Bewegung sind durch die Naturgesetze mit solcher Genauigkeit vorgeschrieben, daß aus dem Stoß zweier Körper ebensogut ein lebendes Wesen entstehen kann, wie eine Bewegung von irgendeiner anderen Stärke und Richtung, als die von ihm tatsächlich hervorgebrachten". (30)

Aber wie läßt sich eine solche Behauptung, die wir keineswegss bestreiten möchten, mit derjenigen Ansicht vereinigen, wonach alle Kausalität sich auf eine bloße zeitliche Aufeinanderfolge und gewohnheitsmäßige Verknüpfung reduziert? Weist HUMEs Regel nicht über eine solche Auffassung hinaus? Kann, falls sie aufrecht zu erhalten ist, alles, wie ein behauptet, die Ursache von allem sein? Kann hiernach ein Willensentschluß die Ursache einer Bewegung der Zunge, oder das Fallen eines Kieselsteins die Ursache des Erlöschens der Sonne sein? Offenbar muß diese Möglichkeit verneint werden. Und woher die Regel selbst? Warum muß die Ursache der Wirkung angemessen, proportional sein? Ist diese eine aus zahlreichen Beobachtungen gewonnene Verallgemeinerung ein Erfahrungssatz oder eine logische Regel der Naturforschung? Diese Frage hat HUME nicht ausdrücklich beantwortet, obwohl er sie sicher im ersteren Sinne entscheiden würde.

Ferner weiß HUME, daß wir nicht immer von der regelmäßigen Wiederholung ähnlicher Erscheinungen bei der Gewinnung von Kausalzusammenhängen abhängig sind. Er weiß trotz der entgegenstehenden Behauptungen, daß wir mit den Tatsachen experimentieren können, um daraus neue Schlüsse abzuleiten. Er kennt sogar die Möglichkeit, aus einem einzigen Fall, wo wir günstig beobachten oder experimentieren können, einen Kausalzusammenhang zu gewinnen, wo natürlich von einer gewohnheitsmäßigen Verbindung nicht geredet werden kann, erklärt aber diese Möglichkeit durch die Subsumierung dieses Falles unter ein auf tatsächlicher Erfahrung und Gewohnheit beruhendes Prinzip, nämlich daß  ähnliche Ursachen ähnliche Wirkungen hervorbringen.  (31) Es handelt sich daher um eine Verallgemeinerung eines gewonnenen Satzes nach einem allgemeinen Erfahrungsprinzip gewohnheitsmäßiger Natur. So konsequent diese psychologische Auslegung sein mag, so bleibt doch die Frage zu beantworten, nämlich: wie wissen wir, daß wir in einem solchen Fall  die wirkliche Ursache der Erscheinung entdeckt,  den besonderen Satz richtig bestimmt haben? Geben wir zu, daß der Obersatz das Ergebnis bloßer Gewöhnung und regelmäßiger Erfahrung ist, so kann doch  die Gewinnung des Untersatzes  nicht in ähnlicher Weise erklärt werden. HUME hat nicht weiter untersucht, was für Bedingungen hier erfüllt werden, welche das Ergebnis so zwingend machten; zumindest hat er uns nicht mitgeteilt, worin diese bestanden haben. Sonst hätte er höchst wahrscheinlich zugeben müssen, daß die Aufstellung jenes Untersatzes durch mathematische Bestimmungen nach seiner schon erwähnten Regel ermöglicht war, daß das Verhältnis der Ursache zur Wirkung derart quantitativ festgestellt wurde, daß man sowohl die letztere aus der ersteren, als umgekehrt diese aus jener ableiten konnte. In der Tat wird es erst mittels solcher mathematischer Bestimmungen möglich sein, einen Zusammenhang zwischen aufeinanderfolgenden Veränderungen derart eindeutig zu bestimmen, daß man in den Besitz von unzweifelhaften Kausalgesetzen gelangen kann, wozu die bloß gewohnheitsmäßige Auffassung nicht nur unfähig ist, sondern sogar öfter irreführend sein kann. Aber alle diese objektiv exakten Bestimmungen, welche geeignet wären, daß ganz inexakte und lose Kausalverhältnis zu berichtigen, fehlen vollständig bei HUME. Und dieser Umstand ist  nicht  der Entwicklung der damaligen Wissenschaft, sondern hauptsächlich seiner merkwürdig geringschätzigen Meinung von der Bedeutung und Beweisfähigkeit der Mathematik überhaupt zuzuschreiben. Deshalb besaß er kein hinreichendes Verständnis für die Bedeutung der quantitativen Behandlung der Naturerscheinungen, wie sie in den Werken GALILEIs und NEWTONs dargelegt wurde, noch für ihre Leistungsfähigkeit in Bezug auf die Ableitung neuer Erfahrungen aus schon bekannten Tatsachen und Gesetzen, oder für die Möglichkeit von Voraussagen, welche von keinem mechanischen Prinzip der Gewöhnung oder vom regelmäßigen Vorkommen gewisser Erscheinungen abhängig sein können. (32)

HUME besaß kein Kriterium der Unterscheidung zwischen der subjektiven Sukzession der Wahrnehmungen oder, wenn man will, der Erscheinungen in der Zeit und dem Zusammenhang derselben nach einem objektiven Gesetz, vielmehr wird dieser Unterschied von ihm einfach stillschweigend aufgehoben und geleugnet. Eben darum kann man von diesem Standpunkt aus, falls man konsequent verfährt, nicht von einem eigentlichen Schluß von der Ursache auf die Wirkung oder umgekehrt reden, sondern nur von einem unverständlichen, irrationalen, nicht zu rechtfertigenden, weil gar nicht zu begründenden mechanischen Übergang. Ein jedes "Erfolgen" von Erscheinungen ist hierdurch, wie SCHOPENHAUER bemerkt hat, schon von vornherein in eine bloßes "Folgen" derselben in der Zeit verwandelt. Aber eine solche Auffassung befindet sich durchaus nicht mit den Verfahrensweisen und den Leistungen der modernen Wissenschaften in Übereinstimmung. Sie ist außerdem geeignet, eine falsche Meinung betreffs der Art und Weise der Gewinnung von Kausalgesetzen hervorzurufen, denn es konnte hiernach leicht erscheinen, als ob wir von der regelmäßigen Wiederkehr der Phänomene weit mehr abhängig wären, als vom selbständigen Eingreifen in den Lauf der Erscheinungen nach gewissen, schon vorher gefaßten Hypothesen, von der geistigen Zerlegung komplizierterer Erscheinungen in einfachere und die Deduktion von neuen Erfahrungen aus jenen durch Analyse gewonnenen Grundverhältnissen der Dinge. In der Tat ist eine solche rein empiristische Lehre wie die HUMEs geneigt, trotz der schon erörterten nur scheinbar entgegenstehenden Äußerungen, eine viel größere Passivität des Verstandes dem Naturlauf gegenüber vorauszusetzen, als in Wirklichkeit für zutreffend gehalten werden kann. (33) Sie verflacht den Grund der Kombination der Erscheinungen zum Anlaß der Kombination. (34)

Es ist merkwürdig, daß HUME bis zum Überdruß die Behauptung wiederholt, daß die Wirkung etwas von ihrer Ursache gänzlich Verschiedenes ist. Gerade auf dem Gebiet der äußeren Natur, z. B. bei den Bewegungserscheinungen, trifft dies nicht zu, denn Ursache und Wirkung sind tatsächlich hier sowohl  qualitativ wie auch quantitativ gleich, in specie identisch,  nur nach Raum und Zeit,  in numero verschieden.  Und HUME selbst hat, wie wir sahen, einen Unterschied in Bezug auf die (scheinbar) größere Begreiflichkeit zwischen solchen und anderen Fällen, in denen Ursache und wirkung qualitativ ungleicher Natur sind, konstatiert. Er erklärt aber den Unterschied durch einen weiteren, die Gewohnheit unterstützenden Faktor, nämlich durch die Ähnlichkeit der im ersten Fall assoziierten Gegenstände; er sieht hierin einen psychologische oder subjektiven, keinen objektiven oder formalen Faktor des Zusammenhangs. Auch in neuester Zeit ist eine ähnliche Auffassungsweise von ERNST MACH vertreten worden, der, sich vielfach auf die Kritik HUMEs berufend und im allgemeinen einen ähnlichen erkenntnistheoretischen Standpunkt einnehmen, insosfern über HUME hinausgehen will, als er die Brauchbarkeit des Kausalbegriffs überhaupt leugnet. Er stellt die Erklärungsfähigkeit der wissenschaftlichen Methoden in Zweifel und behauptet, die Wissenschaft könne das Vorkommen oder Gegebensein gewisser Tatsachen mit gewissen anderen nur konstatieren, ihre einzige Aufgabe sei eine vollständige Beschreibung der Naturerscheinungen. Er meint, die Verknüpfung der Veränderungen in der äußeren Natur, z. B. bei den Bewegungserscheinungen, sie ganz von derselben Art, wie diejenigen zwischen physischen und psychischen Erscheinungen, z. B. zwischen einem Akt des Wollens und einer Bewegung eines Körpergliedes. Die Begreiflichkeit bzw. die Unbegreiflichkeit sei ebenso groß im ersteren, wie im letzteren Fall; denn tatsächlich sei irgendeine Verknüpfung gar nicht zu ermitteln, und es bleibe ebenso unverständlich,  "warum  ein stoßender Körper einen gestoßenen in Bewegung setzt", wie "warum unsere psychischen Zustände physische Folgen haben". (35)

Stellt man nun aber diese Frage in einer anderen und nach MACH selbst (36) mehr wissenschaftlichen Form auf und untersucht man, ob und nach welchem Gesetz die Erscheinungen in den beiden Fällen zusammenhängen, so wird auch MACH selbst gezwungen zuzugeben, daß es einen Unterschied in "unserer Auffassung" der beiden Fälle gibt, welchen er, wie HUME, aus der Tatsache erklären will, daß es "Verknüpfungen von verschiedenem Grad der Geläufigkeit gibt", woraus dann "die merkwürdigsten psychischen Erscheinungen bedingt sind", ja wodurch "alle auf Kausalität bezüglichen Probleme ihren Ursprung finden." (37) Weil nun die erstere der oben angeführten Sukzessionen  einfacherer  Natur ist und dadurch mehr Anhaltspunkt für die Berechnung des Folgezustandes darbietet, indem der Mechaniker sich "in mehr sicheren, geläufigen, bestimmteren, ins einzelne gehenden Gedankenkonstruktionien bewegt, scheint uns fälschlich, meint MACH, diese Verknüpfung notwendiger Art zu sein, während wir hier nur unter einem größeren psychischen Zwang stehen". In dem Augenblick, da wir diese logische Notwendigkeit fühlen (!), denken wir nicht zugleich daran, daß das Bestehen jener Bedingungen einfach durch die Erfahrung gegeben ist, ohne im geringsten auf einer Notwendigkeit zu beruhen (38). Aber wie weiß man das letztere? Ist es nicht eine ganz unbegründete Behauptung, welche sich allein auf das Faktum stützt, daß wir keinen physikalischen Nexus wahrnehmen können? Und warum sollen wir nach einem solchen suchen, denn wer sagt uns, daß die Erscheinungen nur dann erklärt werden können, falls wir ein derartiges Band entdecken?

Das von HUME entwickelte Dilemma, daß entweder nur da ein ursächliches Verhältnis anzusehen ist, wo die Wirkung nach einem rein formalen Satz der Logik aus der Ursache abgeleitet werden kann, oder zu behaupten, daß die beständige zeitliche Aufeinanderfolge das einzig objektive Kriterium dieses Verhältnisses ist, erkennen wir als kein notwendiges, d. h. unlösbares Dilemma an (39). Denn wenn ohne Zweifel die Bedingungen einer jeden Wirkung nur in der Erfahrung anzutreffen sind und nicht außerhalb der Wahrnehmung gegeben werden können, folgt hieraus, daß diese Bedingungen nicht als Erkenntnisgrund der Wirkung dienen können? MACH gibt dies zu, und hierin geht er sicher über HUME hinaus (40). Was heißt es schließlich,  eine logische Notwendigkeit fühlen;  da das Wesen dieser Notwendigkeit gerade darin besteht, daß man eine Einsicht in den betreffenden Zusammenhang der Erscheinungen erlangen kann?

Jener von MACH konstatierte Unterschied zwischen der "Auffassung" des Zusammenhangs zweier Bewegungen miteinander und der Aufeinanderfolge der Bewegung eines Körpergliedes auf einem Willensakt kann schwerlich allein durch das Stattfinden eines größeren psychischen Zwangs, welcher durch einen größeren Grad der Geläufigkeit bedingt wäre, zu erklären sein. Wäre dies der Fall, so müßte die wirkliche Sachlage anders sein, als MACH sie darstellt und als sie tatsächlich vorliegt. Denn es gibt keine Sukzession, welche uns geläufiger zu sein scheint, da keine öfter gegeben wird, als eben jene Aufeinanderfolge zwischen dem Wollen und gewissen (materiellen) Vorgängen. Wenn sie daher weniger verständlich ist (oder zu sein scheint), als jene andere Verknüpfung rein physikalischer Art, so kann dieses Faktum nicht psychologisch begründet werden, denn die Macht eines psychischen Zwangs ist vor allem von der Anzahl der Wiederholungsfälle abhängig, einer Bedingung, welche gerade im ersten Fall in hervorragendem Maß erfüllt wird.

Der wahre Grund des Unterschiedes ist aber in den schon von MACH angeführten Umständen zu erblicken, deren vollständige Bedeutung, wie mir scheint, er nicht anerkannt hat oder vielleicht nicht anerkennen will, denn sie führen über die empirisch-psychologische Grundlage hinaus, auf welcher er seine Betrachtungen basieren möchte. Diese Umstände liegen in der größeren  Einfachheit  und  logischen Durchsichtigkeit  gewisser Vorgänge im Vergleich mit gewissen anderen. Weil in dem einen Fall die Veränderungen ganz gleichartiger Natur sind, weil wir ferner den Effekt mit der Ursache quantitativ vergleichen und aus der letzteren bis zu einem gewissen Grad ableiten können, ist der Zusammenhang vollständig durchschaut und verstanden. Die Möglichkeit einer mathematischen Behandlung der Bewegungsvorgänge gestattet uns, die Wirkung mit Sicherheit aus ihren Ursachen oder Bedingungen zu deduzieren und wiederum aus den ersteren die letzteren zu gewinnen. Gerade im Nachweis einer solchen Beziehung besteht die Verknüpfung der Erscheinungen miteinander. Wie ist aber irgendetwas derartiges erreichbar in Bezug auf solche ungleichartige, quantitativ ganz unvergleichbare Vorgänge wie einen Willensakt und einen physiologischen Prozeß, von welchem der erste einer direkten mathematischen Behandlungsweise nicht unterworfen werden kann? Ist nicht vielmehr hier in der Annahme eines Kausalzusammenhangs nicht nur etwas gänzlich Unbegreifliches, sondern etwas logisch Widersinniges enthalten? Nach MACH selbst muß in diesem Fall eben wegen der Unmöglichkeit einer eindeutigen, d. h. mathematisch bestimmten Auffassung des ganzen Vorgangs die Annahme der "Abhängigkeit der Tatsachen voneinander" für ausgeschlossen gelten.

Wir sind der Meinung und werden darin durch die Betrachtungen MACHs wesentlich bestärkt, daß es mehr als bloß subjektive, auf einer psychischen Auffassung beruhende Unterschiede sind, die einer Art der Aufeinanderfolge von Erscheinungen einen zwingenderen Charakter als einer anderen verleihen. Dieser Unterschied beruth darauf, daß wir manches Aufeinanderfolgen der Denkform der Begründung, dem formalen Prinzip der Begründung der Veränderungen unterwerfen können, dagegen anderes nicht. Was dies weiter zu bedeuten hat, wird im folgenden ausgeführt. Vorläufig halten wir an der Möglichkeit fest, ein  logisches Kriterium  zu finden, wonach die Richtigkeit besonderer Kausalurteile zu beurteilen ist.

Man kann mit der Kritik jener metaphysischen Idee der Kausalität von Seiten HUMEs wohl einverstanden sein, ohne diejenigen Folgen daraus zu ziehen, welche HUME als Konsequenz seiner Kritik ansah, und ohne der Meinung zu sein, daß der positive Teil seiner Lehre einer gewissen Ergänzung nicht bedürftig ist (41). Denn aus der Zurückweisung jenes falschen, weil unmöglichen Strebens, den Inhalt der Wirkung aus der Ursache in analytischer Weise nach dem Widerspruchssatz abzuleiten, folgt keineswegs, daß auf die Möglichkeit aller verständlichen Verbindungen der Erscheinungen verzichtet werden muß. Eine solche Folgerung würde sogar einen großen Teil der logischen und geometrischen Beweisführung treffen, wo man keineswegs die Sätze analytisch, nach dem Identitätssatz oder dem Satz des Widerspruchs begründen kann (42). Allerdings kann die Mathematik und Geometrie sich vielfach des indirekten, apagogischen [Aufzeigen der Unrichtigkeit des Gegenteils - wp] Beweisverfahrens bedienen und durch die Absurdität der aus den entgegengesetzten Behauptungen entwickelten Folgen die Richtigkeit ihrer Sätze beweisen, was in Bezug auf die Erfahrungssätze natürlich unmöglich ist. Aber die grundlegenden Sätze selbst, welche als Ausgangspunkt dienen, können nicht durch rein formale Prinzipien der Logik begründet werden. Warum dann eine solche Begründungsart und Erklärungsweise für die äußeren Erscheinungen verlangen, welche nicht einmal auf mathematischem Gebiet angewendet werden kann, und, weil die Erreichbarkeit dieses Ziels ausgeschlossen ist, behaupten, daß wir uns mit der bloßen Beschreibung und Aufzählung von Aufeinanderfolgen und einer Zusammenstellung übersichtlicher Tabellen begnügen müssen? (43)

Es scheint, als ob HUME selbst unter dem Einfluß der metaphysischen Bestrebungen, die er als unmöglich nachweist, dennoch verführt wurde, einen zu hohen Maßstab bei der Begründung von Kausalzusammenhängen anzulegen. Und weil er ferner der Meinung war, daß die Sätze der Geometrie und Mathematik nach einem rein logischen Prinzip bewiesen werden können, dagegen Erfahrungssätze nicht, so stellte er diese beiden Arten der Erkenntnis zu schroff und unvermittelt einander gegenüber. Dabei übersah er das Vorhandensein gewisser formaler oder logischer Bestandteile in den grundlegenen Erfahrungssätzen, und deshalb schätzter er ihre Sicherheit im Vergleich mit derjenigen der mathematischen und geometrischen Erkenntnisse etwas niedriger, als in Wirklichkeit für zutreffend gehalten werden kann. Zweitens bestärkte ihn in dieser Meinung seine teils hierdurch verursachte populäre, rein phänomenalistische Auffassung des Kausalverhältnisses, welche in dem in Raum und Zeit unmittelbar und regelmäßig Vorangehenden die einzigen und maßgebenden Merkmale einer Ursache sah, wonach dann, da das Aufeinanderfolgen von irgendetwas nach irgendetwas in der Zeit möglich ist, die Verknüpfung, falls davon geredet werden darf, von allem mit allem möglich und das Gegenteil von wohlbegründeten Sätzen nicht ausgeschlossen ist. Deshalb konnte er sagen: "Selbst wenn die Wirkung bekannt ist, bleibt die Verbindung mit der Ursache gleich willkürlich, weil es eine Menge andere Wirkungen gibt, welche dem Verstand ebenso möglich und denkbar erscheinen." Daher ferner: "Creation, annihilation, motion, reason, volition; all these may arise from one another and from any object we can imagine." [Schöpfung, Vernichtung, Bewegung, Grund, Wollen - all das kann voneinander oder durch irgendein vorstellbares Objekt entstehen. - wp] (44)  Hiernach ist die Möglichkeit einer eindeutigen Bestimmung der Kausalabhängigkeit der Erscheinungen untereinander ausgeschlossen  und damit der Wert des Kausalbegriffs selbst als einer logischen Kategorie gänzlich verneint, selbst wenn er noch als das Schema aller Erfahrungsschlüsse - freilich unverständiger Art - fungieren soll. Daraus folgt, daß die Leistungsfähigkeit der Wissenschaft und die Möglichkeit einer geregelten Erfahrung bis zum Äußersten eingeschränkt werden müssen. Erfahrung ist auf einem solchen Boden nur eine Anhäufung oder Summierung von mehr oder weniger allgemeinen Tatsachen, denen es an einem Zusammenhang nach irgendwelchen objektiven, d. h. logischen oder allgemeingültigen Merkmalen vollständig fehlt. Von diesem empiristischen Standpunkt aus scheint es erklärlich, daß COMTE, dogmatisch verfahrend, den Kausalbegriff überhaupt verwarf und die Möglichkeit einer Wissenschaftslehre, einer allgemeingültigen Forschungstheorie leugnete (45).

In neuester Zeit ist die Polemik gegen das Bestehen des Begriffsverhältnisses von Ursache und Wirkung vom schon genannten Denker ERNST MACH wieder aufgenommen worden, dessen Ansichten wir zum Teil berührt haben. Es fragt sich nun, was für Gründe für die Verwerfung eines schon längst feststehenden Begriffs der Naturwissenschaft vorliegen, ob MACH seine Ansichten in diesem Punkt besser begründet hat, als dies von COMTE behauptet werden kann. Dies ist gewiß zu verneinen. Nach einer längeren Überlegung der hierher gehörigen Ausführungen MACHs muß gesagt werden, daß, wo seine Polemik irgendwie als berechtigt angesehen werden konnte, dieselbe deshalb so gut wie überflüssig ist, weil sie gegen eine veraltete, von HUME ganz abgetane Auffassung der Kausalität gerichtet ist, die wohl kaum jemand heutzutage verteidigen würde. Für die Belehrung philosophischer Kreise ist seine Kritik zu spät gekommen.

Was sonst von MACH angeführt wird, ist nur eine Anzahl lediglich terminologischer Vorwürfe, gegen welche sich der Kausalbegriff wohl wehren kann. So bedeutet es nichts anderes, als einen Wortstreit oder höchstens die Wiederentdeckung einer verbalen Schwierigkeit, wenn MACH sagt: "Überlegt man, daß eine Ursache in der Regel nicht angebbar ist, sondern daß eine Tatsache meist durch ein ganzes System von Bedingungen bestimmt ist, so führt dies dazu,  den Begriff Ursache  aufzugeben." (46) Obwohl die erste Behauptung, deren Richtigkeit schon MILL vor fünfzig Jahren gezeigt hat (47), nicht zu bestreiten ist, so können wir doch nicht die Folgerung zugeben, denn es braucht sich heutzutage niemand mehr durch die ursprüngliche Bedeutung des Wortes  Ursache,  und wenn dasselbe sogar verschwommen und "fetischistisch" gefärbt ist, täuschen zu lassen. Wird das  Wort  nicht mehr für einen passenden Ausdruck gehalten, so ist damit nicht die darunter gedachte Beziehung, deren Feststellung eine Aufgabe der Erkenntnistheorie bildet, sofort aufgehoben oder als nichtig anzusehen. Ist dieses Verhältnis selbst einmal bestimmt, so kann die alte Bezeichnung als unwesentlich betrachtet werden, oder sie kann sich ganz wohl dem neuen Sinn des Verhältnisses anpassen. Man soll aber nicht umgekehrt glauben, daß mit der bloßen Aufstellung einer neuen Bezeichnungsart gewisse tatsächliche Beziehungen derart geändert werden, daß das durch dieselben veranlaßte Problem ein für allemal gelöst ist (48). Was die Existenz des Kausalbegriffs anlangt, so ist die Frage vielmehr die, ob derselbe noch brauchbar ist insofern, als er eine Klasse von Beziehungen kennzeichnet, welche tatsächlich in der Erfahrung vorkommen und mit welchen sich die Wissenschaft zu beschäftigen hat. Und diese Frage ist gewiß zu bejahen. Das Kausalprinzip, als Prinzip der Begründung der Veränderungen, als welches es, wie wir sehen werden, bei KANT vorkommt, wird nicht im mindesten durch MACHs Kritik getroffen, noch kann dasselbe durch sein vages Abhängigkeitsprinzip allein und ohne weitere Bestimmungen vertreten werden.

MACHs  "Prinzip der Abhängigkeit  der Erscheinungen voneinander", welches einen mehr wissenschaftlichen Ausdruck für das Kausalprinzip bilden und dasselbe ersetzen soll, leidet an einer gewissen Hilflosigkeit, welche in seiner unbestimmten Allgemeinheit zu suchen ist. Das Prinzip und damit auch sein Abhängigkeitsbegriff ist viel unbestimmter gefaßt, als vom Kausalprinzip sogar in seiner gewöhnlichen unpräzisen Formulierung behauptet werden kann. Es kann uns daher keinen Fingerzeig geben, welcher uns bei der Aufsuchung von Kausalzusammenhängen leiten könnte. Was für weitere Bedingungen erfüllt werden müssen, damit den Forderungen dieses Abhängigkeitsbegriffs Genüge getan ist, wird uns nicht klar auseinandergesetzt. Zwar versucht MACH die Allgemeinheit derselben durch die weitere Aufstellung der Forderung der eindeutigen Auffassung der Tatsachen einzuschränken. Da er aber in Wirklichkeit kein verständliches Kriterium der eindeutigen Verknüpfung angegeben hat, so bleibt doch diese letztere Bestimmung ein leerer und nicht weiter führender Wunsch. Denn wenn zwischen den Elementen der Erfahrung Gleichungen bestehen sollen und behauptet wird, "wenn die Zahl der Gleichungen um Eins kleiner ist, als die Zahl der Elemente, so ist eine Gruppe derselben durch die andere eindeutig bestimmt", so ist zuerst hierauf zu sagen, daß, da die Form dieser Gleichungen nach MACH unwesentlich ist und die Zahl der Elemente uns von vornherein unbekannt bleibt, und wir ferner kein Mittel besitzen, um diese festzustellen, nicht einzusehen ist, wie das Prinzip der Eindeutigkeit uns irgendwie bei der Forschung nach einem Zusammenhang der Erscheinungen weiter führen kann. Wir werden hiernach für eine Bestimmung der Gleichungen auf die Elemente gewiesen, deren Anzahl in einem besonderen Fall wir nicht zu bestimmen vermögen. MACH hat nicht an irgendeinem konkreten Beispiel gezeigt, wie sein Schema dies zu leisten vermag. Zweitens: noch weniger ist der Zusammenhang zwischen demselben und seinem allgemeinen Abhängigkeitsprinzip einleuchtend. (49)

Da MACH zu den vielgelesenen und in wissenschaftlichen Kreisen einflußreichen Schriftstellern gehört, so will ich nicht unterlassen, einige Berichtigungen zu seinen historischen Ausführungen anzubringen. Es ist nicht richtig, zu behaupten, obwohl es von vielen Kritikern und Gegnern HUMEs öfter gesagt worden ist, er erkenne keine Kausalität an. (50) Im Gegenteil hielt HUME dieselbe für einen fundamentalen und unentbehrlichen Begriff der Erfahrung, leugnete aber, daß die letztere einen rationalen Charakter trägt, wie es vor ihm oft behauptet wurde. Nur den Begriff des "übergreifenden" oder "erzeugenden Bewirkens" hat er abgelehnt, mit dem MACH irrtümlich den Kausalbegriff für gleichbedeutend zu halten scheint, keineswegs aber die Vorstellung eines Zusammenhangs der Vorgänge verneint. Was er behauptete und zu beweisen versuchte, war, daß diese nie verständlicher Natur, nicht logisch gerechtfertigt sein kann. Zweitens geht es klar schon aus HUMEs und nicht erst aus KANTs Lehre hervor, daß die "bloße Beschreibung uns die Notwendigkeit der Verknüpfung von  A  und  B  nicht zeigen kann. (51)
LITERATUR - Joseph William Andrew Hickson, Der Kausalbegriff in der neueren Philosophie und in den Naturwissenschaften von Hume bis Robert Mayer, Vierteljahrsschrift für wissenschaftliche Philosophie, Bd. 24, Leipzig 1900
    Anmerkungen
    1) Da das Buch GLANVILs "On the vanity of dogmatising", 1661, später als "Scepsio Scientifica" 1665 erschienen, ein in damaliger Zeit verbreitetes Werk war. Vgl. Kapitel 23 und 25, wo die mechanische Naturauffassung bekämpft und die Möglichkeit einer Wissenschaft in einem streng demonstrativen Sinn geleugnet wird, da wir niemals die Ursachen der Dinge ansich, sondern nur mittels ihrer Wirkungen erkennen. - - - Nur wo das Gegenteil einer Tatsache als unmöglich gezeigt werden kann, ist von einer Demonstration zu reden. Dies, meint GLANVIL, sei immer unmöglich, "since there is so much dissimilitude between case and effect in the more palpable phenomena, we can expect no less between them and their  invisible  efficients." [Da es so viel Unähnlichkeit zwischen Ursache und Wirkung bei den greifbaren Phänomen gibt, haben wir keinen Grund anzunehmen, daß das bei den  unsichtbaren  Koeffizienten weniger der Fall ist. - wp] Es erinnert sehr an die späteren Äußerungen HUMEs, wenn der Autor weiter sagt: "we cannot conclude anything to be the cause of another but from its continual accompanying it: for the  causality itself is insensible."  [Wir können nicht schließen, daß irgendetwas die Ursache von etwas anderem ist, bloß weil es mit dem anderen einhergeht, weil Kausalität nicht sinnlich wahrgenommen werden kann. - wp]
    2) Vgl. die Bemerkungen WINDELBANDs, Geschichte der Philosophie, 1892, Seite 374, 375
    3) Vgl. insbesondere die Erörterungen LOCKEs, Essay IV, Kap. 3, in Bezug auf die Begreiflichkeit des Zusammenhangs gleichartiger und ungleichartiger Erscheinungen miteinander. "Daß die Größe, Gestalt und Bewegung eines Körpers in der Größe, Gestalt und Bewegung eines anderen Körpers eine Veränderung bewirken sollte, ist  uns nicht unbegreiflich;  die Trennung der Teile eines Körpers infolge des Eindringens eines anderen und der  Übergang aus der Ruhe in Bewegung:  diese und ähnliche Vorgänge  scheinen uns in einem gewissen Zusammenhang miteinander zu stehen"  (§ 18). Vgl. auch § 14. In § 29 ist das HUMEsche Problem klar angedeutet: "Wenn wir finden, daß die Dinge, soweit wie unsere Beobachtung reicht, beständig regelmäßig vor sich  gehen, so mögen wir schließen, daß dies nach einem für sie bestehenden Gesetz  geschieht, gleichwohl aber nach einem uns unbekannten Gesetz ..." Eben deshalb meinte HUME, ein solches Gesetz nicht annehmen zu dürfen.
    4) Es ist beiläufig zu bemerken: währen LOCKE den Terminus  idea  in unbestimmter Weise für irgendeinen Bewußtseinsinhalt brauchte, hat HUME klar zwischen Impressionen oder Sinneseindrücken und Ideen unterschieden (Abhandlung I, 1). Die Ursprünglichkeit der ersten und die durchgängige Abhängigkeit der letzten dem Inhalt nach von diesen hat HUME als Prinzip aufgestellt, um die Wahrheit der abstrakten Ideen zu prüfen, darunter der Vorstellung des Begriffs von  Kraft, Energie  oder  notwendigen Verbindung. 
    5) Siehe BERKELEY,  Abhandlung,  IV, 3 - 6, und HUME,  Untersuchung,  VII. - - - Die  Okkasionalisten,  die  eine logische Unbegreiflichkeit  in einem Kausalzusammenhang zwischen einem Willensakt und einer Körperbewegung erblickten, hatten, wie HUME zeigte, doch ein Prinzip der Unbegreiflichkeit zum Prinzip der Erklärung gemacht, indem sie den Willen Gottes zuhilfe nahmen. Dadurch wurde die Schwierigkeit nur hinausgeschoben. "Es ist wahr, wir wissen nicht, in welcher Weise Körper aufeinander wirken, ihre Kraft oder Energie ist völlig unbegreiflich: aber wir wissen nicht auch ebensowenig von der Weise oder Kraft, wodurch ein Geist, selbst der höchste,  auf sich  selbst oder auf einen Körper wirkt? ... Wäre unsere Unwissenheit ein guter Grund, etwas zu verwerfen, so würden wir zu dem Prinzip verleitet werden, jede Energie, sowohl im höchsten Wesen, als auch in der gröbsten Materie, zu leugnen. Sicherlich begreifen wir die Wirksamkeit des einen ebensowenig, wie die des anderen" (Untersuchung, VII, 1).
    6) Vgl. ALOIS RIEHL, Philosophischer Kritizismus, Bd. 1, welcher eine ausführliche Darstellung von HUMEs theoretischer Philosophie enthält und ihn als einen positiv-kritischen Denker würdigt - in letzter Hinsicht in Übereinstimmung mit DÜHRING, "Kritische Geschichte der Philosophie". Auch WINDELBAND hat sich dieser Auffassung insofern angeschlossen, als er die Bezeichnung HUMEs als Skeptiker ablehnt und ihn als Begründer des modernen Positivismus hinstellt (Geschichte der Philosophie, erste Auflage, Seite 375) Vgl. auch HUMEs eigene Äußerungen (Untersuchung, XII, 3. Teil).
    7) Diese für HUMEs Philosophie fundamentale Unterscheidung zwischen  Relation of ideas  und  Matters of Facts  ist von LOCKE klar angedeutet in Essay, IV, 3, 29.
    8) BERKELEY, Abhandlung, III, 3. Durch eine ähnliche Betrachtung wäre der Versuch von LEIBNIZ, den Satz vom Grund der Dinge zu beweisen, leicht zu widerlegen.
    9) Ein Beweis im strengen Sinn ist für HUME gleichbedeutend mit einer logischen oder mathematischen Demonstration. HUME leugnet nicht, daß es auf dem Gebiet der Erfahrung beweisbare Sätze gibt. Erfahrungssätze, die keinen Raum für Zweifel übrig lassen, wie z. B. die Fallgesetze, sind nach ihm wirklich bewiesen und werden in der von LOCKE aufgestellten Einteilung aller Argumente in demonstrative und wahrscheinliche zwischen diesen Klassen eingeschaltet. Siehe  Untersuchung,  VI.
    10) Ebenso ist es, mein KANT, ein rein identischer Satz, zu sagen, die Substanz ist beharrlich. Vielmehr muß gezeigt werden, daß es etwas Beharrliches in der Natur gibt und geben muß und daß daher der Kausalsatz ein unentbehrliches Prinzip der Erfahrung ist. (Kr. d. r. V., III, Seite 171, 206, Ausgabe B, HARTENSTEIN) und Streitschrift, gegeben EBERHARD, V, Seite 9 - 16. Es ist daher eine Täuschung, wenn HELMHOLTZ meint, daß "keine Wirkung ohne Ursache" von KANT als apriorischer Satz und notwendige Bedingung der Erfahrung bewiesen wurde (Vorträge I, 116). Einen Beweis für diesen Satz hielt KANT für überflüssig, weil zwecklos. Was den Beweis der Apriorität des Gesetzes bei SCHOPENHAUER betrifft, so hätte HUME in demselben einfach eine  petitio principii  [es wird vorausgesetzt, was erst zu beweisen ist - wp] gesehen, und mit Recht. Vgl. Satz vom Grunde, Kap. 21.
    11) Ferner ist KANT der Meinung, daß, obwohl das Kausalprinzip ein synthetischer Satz a priori ist, die besonderen Kausalsätze alle synthetische Sätze a posteriori, d. h. empirischer Natur sind; ein Punkt, worin er wieder mit HUME übereinstimmt.
    12) Diese beiden Seiten des Problems können kurz als die Frage nach der Allgemeingültigkeit des Kausalsatzes und diejenige von der Gestaltung besonderer Kausalsätze als das Hauptproblem einer induktiven Methodenlehre bezeichnet werden. Mit der letzteren Frage haben wir hauptsächlich in dieser Schrift zu tun. In der "Abhandlung" hat HUME die beiden Fragen, die nachher in der "Untersuchung" vermengt werden - die Erörterung der Notwendigkeit des Kausalsatzes ist überhaupt fallen gelassen -, sehr klar voneinander unterschieden (Abhandlung III, 73, SELBY-BIGGÉS-Ausgabe, nach der ich durchgehende zitiere). Er ist deshalb keineswegs demjenigen Einwand ausgesetzt, der schon von KANT und später von APELTs "Theorie der Induktion", Seite 42, wiederholt gegen ihn erhoben worden ist, er habe die Zufälligkeit der Bestimmung nach dem Gesetz (der Kausalität) mit der Notwendigkeit des Gesetzes selbst verwechselt. Denn wie wir bemerkt haben, hat er die Gründe dieser Notwendigkeit untersucht und als nicht ausreichend verworfen. - - - Zur Frage der Tragweite und Gültigkeit jenes Gesetzes möchte ich folgendes in Bezug auf HUMEs Stellung bemerken. Ohne die Annahme eines Instinkts oder mechanischen Triebes, welcher uns von der Natur eingepflanzt worden ist, der für seine Betätigung der Erfahrung bedarf, der aber nicht mit der letzteren, d. h. mit der bloßen regelmäßigen Aufeinanderfolge der Vorgänge zusammenfällt, kommt HUME nicht aus. Ebenso sah sich JOHN STUART MILL später gezwungen, einen Verallgemeinerungstrieb des Menschen anzunehmen, um die Voraussetzung der Gültigkeit des Kausalprinzips für die Zukunft irgendwie erklärlich zu machen. Vgl. damit den "Vervollständigungstrieb" MACHs (Beiträge zur Analyse der Empfindungen, zweite Auflage, Seite 225). Dabei gehen beide Denker über das erfahrungsmäßig Gegebene hinaus, denn die Erfahrung kann das Stattfinden der Gültigkeit des Prinzips, welches hier als subjektives Gesetz der Erwartung auftritt, nur bis zum jetzigen Augenblick konstatieren, mit einer allerdings geringen Wahrscheinlichkeit ihrer Gültigkeit für die Zukunft, d. h. in noch nicht beobachteten Fällen. Aber nicht nur HUME, sondern später auch MILL, der in dieser Hinsicht auf viel schwächerem Boden steht, da er ohne die Hilfe jenes HUMEschen Instinkts auszukommen hofft, haben weit mehr, als die bloße Wahrscheinlichkeit jener Annahme, vorausgesetzt, trotz aller entgegenstehenden Äußerungen. Denn beide haben die Realität des Zufalls in der Natur in unzweideutiger Weise und mit großer Entschiedenheit verneint, während MILL nicht nur die Gesetzmäßigkeit des Naturlaufs überhaupt, sondern auch die Unveränderlichkeit der besonderen Naturgesetze mit einer Sicherheit behauptet, welche der purste Rationalist nur mit Freude begrüßen könnte. Auch HUME scheint mir fortwährend dem subjektiven Prinzip der Kausalität - dem Gesetz der Erwartung - ein objektives Gesetz der Dinge unterzuschieben. Vgl. "Untersuchung" VI, VIII, Seite 87; "Abhandlung", Seite 130 und 132, und vor allem die Äußerung PHILOs, der als Vertreter von HUMEs eigenen Ansichten gilt: "Chance has no place on any hypothesis sceptical or religious, everything is surely governed by steady inviolable laws" [Die bloße Möglichkeit hat keinen Platz weder in der skeptischen noch in der religiösen Hypothese; alles ist sicher durch ein stetiges unantastbares Gesetz geregelt. - wp] (Dialoge über natürliche Relion, VI). Daß was anderes die Berechtigung zu dieser Annahme sein kann, als die Überzeugung von der Allgemeingültigkeit des Kausalprinzips als Gesetz des objektiven Geschehens, ist nicht einzusehen. Denn wie darf man wie HUME den Zufall als ein bloß "negatives Wort" bezeichnen und die Notwendigkeit verborgener Ursachen in solchen Fällen annehmen, wo die wahrgenommenen nicht ausreichen, um den Effekt zu erklären, falls nicht vorausgesetzt wird, daß keine Veränderung aus Nichts entstehen kann? Außerdem ist zu betonen, was viele Empiristen seit HUME gewöhnlich übersehen oder nicht berücksichtigt haben, daß die Wahrscheinlichkeitsrechnung, mit der sie so vielfach operieren, nur dann einen Sinn bekommt, wenn der Kausalsatz oder die Notwendigkeit des Geschehens schon vorausgesetzt worden ist. Wie kann man vernünftigerweise untersuchen,  welche  unter zahlreichen Kombinationen von Ursachen die wahrscheinlicheren seien, falls nicht feststeht, daß jede Veränderung, jedes Ereignis eine Ursache habe?
    13) Vgl. "Abhandlung", III, 15 und "Untersuchung", Seite 78 und 96 Anm. Was dagegen das Merkmal der Kontiguität [Angrenzung - wp] betrifft, während eine  actio in distans  [Fernwirkung - wp] augenscheinlich in der ersten Schrift geleugnet wird (siehe Seite 75 und 173) wird die räumliche und zeitliche Angrenzung von Ursache und Wirkung in der zweiten Schrift nicht mehr als ein wesentliches Moment behauptet, sondern nur die Regelmäßigkeit der Sukzession (Aufeinanderfolge) betont. Siehe die erste Definition (Seite 76); die zweite Definition auf derselben Seite scheint mir nicht ganz gleichbedeutend mit der ersteren, sondern mehr rationalistisch oder sogar metaphysischer Natur zu sein. Sie ist kaum mit HUMEs allgemeinem erkenntnistheoretischen Standpunkt in dieser Frage vereinbar. Im Ganzen sind Auffassung und Definition des Kausalbegriffs in der "Untersuchung" von viel lockerer und unbestimmterer Art, als in der früheren "Abhandlung", welche trotz des Wunsches des Autors für sein philosophisches Hauptwerk gehalten werden muß. Die "Untersuchung" dagegen ist als eine Leistung viel populärerer Art anzusehen, in welcher aber das Kapitel VII eine schöne Ergänzung zu der Erörterung in der "Abhandlung" bildet.
    14) "Abhandlung", Seite 164, 165.
    15) "Abhandlung", Seite 166. Den Unterschied zwischen der Ansicht HUMEs bezüglich der Quelle und Natur dieser Notwendigkeit und der Lehre KANTs vom Verstand als Quelle der Gesetzmäßigkeit in der Natur hat ALOIS RIEHL in "Philosophischer Kritizismus", Bd. 1, Seite 140 - 150, trotz der scheinbaren wörtlichen Übereinstimmung der beiden Denker sehr scharf hervorgehoben.
    16) "Untersuchung" IX, und "Abhandlung", III, 16
    17) "Habit is one of the principles of nature and derives all its force from that origin" [Die Gewohnheit ist eines der Naturprinzipien und erhält seine ganze Kraft aus diesem Ursprung. - wp], "Abhandlung", Seite 179; "Untersuchung" V, 2. Daß solche wirkenden Prinzipien oder Kräfte eigentlich vorhanden sind, muß natürlich nach HUMEs Auffassung für zweifelhaft gehalten werden.
    18) "Abhandlung", Seite 172
    19) Eine solche subjektive Verbindung muß aber leicht durch entgegengesetzte Aufeinanderfolgen oder durch Ausbleiben der gewöhnlichen Folgen umgestoßen sein. Sicher gibt es kein Gesetz der untrennbaren Assoziation, wie MILL behauptet hat (vgl. Examination of Hamilton, Kap. XIV), zumindest ist es noch nicht entdeckt, geschweige bewiesen, während alle Erfahrung dagegen spricht. Deshalb kann unmöglich die Notwendigkeit der Kausalität im allgemeinen, sogar psychologisch dadurch erklärt werden.
    20) Daß der Begriff der  Kraft  ein Relationsbegriff ist, hat HUME klar dargelegt und damit einen großen Fortschritt in der Auffassung dieses in der Philosophie von jeher durch eine absolute metaphysische Bestimmung verworren gedachten Begriffs angebahnt. Die Kraft kennen wir durch ihren Effekt und durch diesen allein. Kennten wir die Kraft oder Kräfte an und für sich, so brauchten wir nicht erst ihre Wirkungen abzuwarten. Der Streit über das Quantum der lebendigen Kraft wäre, meint HUME, leicht durch direktes Messen zu entscheiden. Allerdings! Aber hierzu wäre ein allgemein festgestellter Maßstab des Kraftmaßes notwendig! Siehe "Untersuchung", Anm. Seite 77, und die wichtigen Bemerkungen über die  vis inertiae  [Kraft der Trägheit - wp] und die NEWTONsche Gravitationstheorie, Seite 73, deren Bedeutung darin liegt, daß HUME die Grundsätze der Mechanik von aller metaphysischer Beimischung fernhalten will.
    21) "Untersuchung" VIII, Seite 91
    22) "It ist impossible to admit of any mediums betwixt chance and an absolute necessity." [Es ist unmöglich, alle Zwischengrade von der bloßen Möglichkeit zur absoluten Notwendigkeit zu bestimmen. - wp] Zugegeben: aber woher weiß HUME etwas von "absoluter Notwendigkeit"? Schwerlich kann diese aus der gewohnheitsmäßigen Verbindung abgeleitet werden. Ferner, um etwa dem obigen Einwand zu entgehen, sagt er: "In weakening the conjunction and determination you do not change the nature of the necessity since even in the operation of bodies, these have different degrees of constancy and force, without producing a different species of that relation." [Mit einer Schwächung des Zusammenhangs und der Bestimmung wird nicht die Natur der Notwendigkeit verändert, nicht einmal die Bewegung der Körper, denn diese haben unterschiedliche Grade der Beständigkeit und Kraft ohne daß dabei verschiedene Arten von Beziehung hergestellt werden. - wp] ("Abhandlung" III, 14, Seite 171) Daraus aber ist zu folgern, daß ein Kausalzusammenhang durch andere Mittel und Kriterien festzustellen ist, als durch die bloße Beständigkeit der Sukzession und jenes subjektive und möglicherweise irreführend Prinzip der Erwartung, deren Kraft von der Zahl der Wiederholungsfälle in erste Linie abhängig sein muß. - - - Da wir hier nicht die Frage nach dem Ursprung der Kausalvorstellung erörtern wollen, sondern HUMEs Lehre nur in Bezug auf die Eindeutigkeit und den wissenschaftlichen Wert seines Kausalbegriffs zu prüfen haben, so sehen wir davon ab, ob seine Meinung, wonach der Trieb nach Kausalität erst durch regelmäßige Wiederholung ähnlicher Vorgänge in Tätigkeit gesetzt wird, haltbar ist.
    23) Denn wenn, wie HUME meint, der Kausalitätsinstinkt ebenso sicher operiert, wie der Trieb nach Bewegung oder Sättigung, da er für die Erhaltung der Art von größter Wichtigkeit ist, so ist zu bemerken, daß, obwohl dies im allgemeinen für die Art zutreffen könnte, es deshalb keineswegs für das Individuum bestätigt zu werden brauchte. Unter gewissen Umständen kann der Trieb nach Bewegung oder Sättigung verhängnisvolle Konsequenzen mit sich bringen, falls er nicht durch Überlegungen der Vernunft überwunden wird. - - - Wenn daher ein neuester Anhänger, der HUMEs allgemeine Auffassung durch das Heranziehen von biologischen Entwicklungsgedanken aufrechtzuerhalten sucht, sagt: "Wichtig ist für die Autorität der Begriffe  Ursache und Wirkung,  daß sich dieselben  instinktiv  und  unwillkürlich  entwickeln, daß wir deutlich fühlen, persönlich nichts zur Bildung derselben beigetragen zu haben" (MACH, Mechanik, Seite 457, zweite Auflage); vgl. auch HUME, "Untersuchung" V, 2, Seite 50, 55), muß doch gefragt werden, ob ihre Anwendung in jedem einzelnen Fall notwendig richtig geschehen muß, wenn dies auch im allgemeinen wahrscheinlich der Fall wäre. Und, abgesehen hiervon, ist es in Frage zu stellen, daß die wissenschaftliche Forderung sich nur des instinktivartigen, mechanisch entstandenen Kausalitätsbegriffs bedient.
    24) Vgl. BENNO KOHN, Untersuchungen über das Kausalproblem, Kapitel I.
    25) In der "Abhandlung" sind allerdings gewisse derartige, wenn nicht sehr exakte Regeln gegeben (III, 15), welche in der "Untersuchung" ganz wegfallen. Dies hängt mit einem Unterschied in der Behandlung des Kausalbegriffs in der ersten Schrift zusammen. Da wird nämlich zwischen Kausalität in einem "philosophischen" und "natürlichen" Sinn unterschieden und dementsprechend verschiedene Definitionen angeführt (III, 14). Philosophische Beziehungen sind solche, welche durch eine bewußte Vergleichung der Objekte entstehen; natürliche dagegen solche, die unbewußt durch das Wirken eines irrationalen Prinzips im Geist hervorgebracht werden. Diese Unterscheidung bleibt nicht ohne Schwierigkeiten für HUME, und der Versuch, sie in der "Abhandlung" durchzuführen, führt zur Abweichung in den Definitionen und zu gewissen Unklarheiten. Mit der Beseitigung dieses Unterschiedes und zugleich aller objektiven Regeln wird das Kausalverhältnis in der "Untersuchung" mehr mechanischer und subjektiver Natur. Vgl. SELBY-BIGGÈs Einleitung zur "Untersuchung".
    26) "Abhandlung" IV, 5, Seite 247, 248
    27) "Untersuchung" XII, 3, Seite 164
    28) "Untersuchung" VII
    29) "Untersuchung" XI, Seite 136, 137. "Ist die Ursache nur aus der Wirkung bekannt, so sollten wir ihr niemals irgendwelche weiteren Qualitäten zuschreiben, als welche bestimmt erforderlich sind, die Wirkung hervorzubringen." Siehe auch "Dialoge über natürliche Religion", V, wo HUME dieselbe Regel zur Anwendung bringt - ein Satz, welcher dem Sinn nach ganz mit NEWTONs erster  regula philosophandi  übereinstimmt. "Dieselbe Regel bewährt sich, sei nun die angegebene Ursache der rohe, unbewußte Stoff, oder in vernünftiges, intelligentes Wesen." Auch ist hier von einer Folgerung der Ursache aus der Wirkung die Rede, während in den früher angeführten Fällen dies ausgeschlossen sein müßte. Ferner hält HUME nicht nur hier, sondern auch sonst in der Abhandlung und im Dialog über natürliche Religion am Grundsatz "ähnliche oder die gleichen Wirkungen haben ähnliche oder die gleichen Ursachen" fest, welchen NEWTON in seiner 2. Regel ausdrückte und welcher als ein Korollar [Zugabe - wp] aus dem Kausalprinzip zu betrachten ist.
    30) "Untersuchung" VIII, Seite 82. Vgl. damit die zweite Definition, Seite 76.
    31) "Abhandlung" III, 8, Seite 105
    32) Trotzdem er sowohl in der "Untersuchung", als im "Dialog über natürliche Religion" eine nähere Bekanntschaft mit der neueren Mechanik und den Werken NEWTONs und GALILEIs zeigt, als in der "Abhandlung" und GALILEI, "the sublimest genius that ever existed" nannte (Dialoge, II) hat er doch die ganze Bedeutung der neuen Wissenschaft mit ihrer streng demonstrativen Methode so wenig wie LOCKE begriffen. So sagt er bei der Besprechung der Bewegungsgesetze: "Die Entdeckung des Gesetzes rührt rein von der Erfahrung her, und alle abstrakten Schlüsse in der Welt könnten uns niemals einen Schritt zu seiner Erkenntnis fhren". Nicht ganz von der Erfahrung, denn das Verfahren GALILEIs hatte schon das Gegenteil gezeigt. Die Schemata für die Fallgesetze wurden durch eine logische Analyse der Erscheinungen und durch die mathematische Entwicklung jenes durch die Analyse gelieferten Ergebnisses gewonnen, ehe zur experimentellen Prüfung der a priori aufgestellten Gesetze vorangeschritten wurd. Vgl. DÜHRING, Kritische Geschichte der Prinzipien der Mechanik, 3. Auflage, 3. Kapitel. Der Anstoß zur Entwicklung dieser Schemata ist natürlich aus der Beobachtung hervorgegangen, und insofern hat HUME recht, wenn er behauptet, daß jene Gesetze nicht ohne Erfahrung hätten entdeckt werden können. Wer würde dies aber leugnen außer gewissen erkenntnistheoretischen Ideologen, zu denen, beiläufig bemerkt, KANT nicht zu zählen ist? Wenn aber weiter zum Beweis der Richtigkeit der allgemeinen Anschauung HUMEs die letzten Bewegungsgesetze als  reine Erfahrungssätze  noch heutzutage öfter angeführt werden, so muß dagegen bemerkt werden, daß, obwohl dieselben nicht ohne Beobachtung und Experiment aufgestellt werden könnten, dies keineswegs ausschließt, daß sie Elemente enthalten, welche nicht ganz aus der Beobachtung entnommen worden sind oder entnommen werden können, daß sie logische oder spekulative Bestandteile besitzen, die nicht durch empirische Verallgemeinerung gewonnen sind. Selbst ein so positiver Denker und Naturforscher wie ERNST MACH gibt dies zu ("Erhaltung der Arbeit", Seite 50). - - - Man redet oft gerade in naturwissenschaftlichen Kreisen vom Trägheitsprinzip oder dem ersten Bewegungsgesetz als eine "allgemeinsten Tatsache" oder einem bloßen "zusammenfassenden Ausdruck gewisser Erfahrungen", um hierdurch allen Anschein von metaphysischer Begründung desselben zu vermeiden - aus Mißverständnis des Unterschiedes zwischen logischen Überlegungen und metaphysischer Spekulation. Aber wann ist der Inhalt dieses Prinzips je eine Tatsache gewesen oder sein allgemeines Schema verwirklicht worden? In der Erfahrung sind die Bedingungen desselben nur annäherungsweise herzustellen.
    33) Was ein auf demselben erkenntnistheoretischen Boden wie HUME stehender Naturforscher und Denker, ERNST MACH, anerkannt hat. Sowohl in seiner "Mechanik", 4. Kapitel, 4, wie in seinen "Prinzipien der Wärmelehre räumt er dem Verstand eine viel größere Selbsttätigkeit der äußeren Natur gegenüber ein, als HUME jemals zuzugeben geneigt gewesen wäre.
    34) HERMANN COHEN, Kants Theorie der Erfahrung, zweite Auflage, Seite 51
    35) MACH, Prinzipien der Wärmelehre, Seite 432. Natürlich enthält dies eine Wiederholung von HUMEs Lehre, mit welcher wir einverstanden sind, wonach die Mitteilung der Bewegung beim Stoß etwas rein Tatsächliches, nicht weiter Erklärbares ist.
    36) Vgl. MACH, Mechanik, Kapitel über GALILEI, Seite 118, zweite Ausgabe
    37) MACH, Wärmelehre, Seite 431
    38) MACH, Wärmelehre, Seite 432
    39) "Abhandlung", Seite 248
    40) MACH, Wärmelehre a. a. O., Seite 433
    41) Deshalb wir das schon berührte, von HUME entwickelte Dilemma ("Abhandlung", Seite 248) sich später als gar kein Dilemma herausstellen.
    42) Das Identitätsprinzip in seiner streng logischen Auffassung ist kein Prinzip des Schließens, sondern ein Postulat des reinen Denkens, durch welches allein man keinen Schritt weiter gehen kann.
    43) Allerdings auf die einfachste Weise! Hierin liegt eine bedeutende Modifikation der rein empiristischen Auffassung des Wesens der Wissenschaft. Daß eine bloße genaue Beschreibung, wenn dieser Terminus streng genommen wird, niemals die Aufgabe der Wissenschaft bilden kann (eben deshalb, weil sie von vornherein unmöglich ist), hat HEINRICH RICKERT (Grenzen der naturwissenschaftlichen Begriffsbildung, Kapitel 3, 4 und 6) in überzeugender Weise nachgewiesen. Auch MACH gesteht dies zu. Vgl. "Naturwissenschaftliche Vorträge", "Über das Prinzip der Vergleichung in der Physik" und "Ökonomie der Wissenschaft". Man kann daher durchaus mit der Bestimmung der Aufgabe der Mechanik von Seiten KIRCHHOFFs einverstanden sein, solange man sich dabei bewußt bleibt, daß jene "vollständigste" und "einfachste" Beschreibung der in der Natur vorkommenden Bewegungen nicht ohne komplizierte logische und mathematische Operationen möglich ist, daß sie nicht in einer bloßen Wiedergabe des Inhaltes der Sinneswahrnehmungen besteht. Diese ganze Frage, welche in der letzten Zeit der Gegenstand lebhafter Diskussion geworden ist, wird sich dann auf die einfache Entscheidung reduzieren, ob für eine solche Leistung, welche diese Aufgabe vorschreibt, die Bezeichnung "Beschreibung" oder "Erklärung" am passendsten ist, wobei es sich wieder umd die Feststellung der Bedeutung dieser Termini im Voraus handeln wird. Vgl. zur Frage der Aufgabe der Forschung die Ansichten J. R. MAYERs "Mechanik der Wärme", 3. Auflage, Seite 236 und 248.
    44) "Abhandlung" III, 15, Seite 173. "That impious maxim of the ancient philosophy,  ex nihilo nihil fit  according to which the creation of matter was excluded ceases to be a maxim according to this philosophy." [Das gottlose Maximum der antiken Philosophie  von Nichts kommt nichts,  nach dem die Erschaffung der Materie ausgeschlossen ist, hört auf ein Motto der Philosophie zu sein. - wp] "Untersuchung", Seite 164. Natürlich, aber wie steht es dann mit der Möglichkeit des Zufalls, welche HUME mit Entschiedenheit zurückweist? HUMEs Untersuchung des Substanzbegriffs hat ihn dazu geführt, nicht nur seine Notwendigkeit, sondern auch seine Brauchbarkeit zu leugnen. Ebensowenig wie in Bezug auf den Kausalbegriff hat er den  rein formalen Charakter des Substanzbegriffs  erkannt und polemisiert daher gegen eine allerdings nicht annehmbare, teils psychologische, teils metaphysische Kategorie ("Abhandlung" IV). In dieser Hinsicht ist seine Kritik ebenso am Platz, wie in Bezug auf die ontologische Auffassung des Kausalverhältnisses. Aber damit ist gewiß nicht ausgemacht, daß der Begriff an und für sich zu entbehren ist.
    45) Weshalb eine weitere Berücksichtigung COMTEs in dieser Hinsicht eigentlich überflüssig wäre. Der Tadel MILLs scheint uns vollkommen berechtigt. Vgl. "Comte und der Positivismus", vierte Auflage, Seite 56 - 59. MILL hat gegen COMTE geltend gemacht, daß der Kausalbegriff unabhängig von allen metaphysischen Theorien der Kausalität einen logischen Gebrauch und Wert innerhalb der Naturwissenschaft besitzen kann und tatsächlich besitzt, daß derselbe als ein fundamentaler Begriff der theoretischen Forschung deshalb nicht zu entbehren ist. COMTE will nirgends von Kausalsätzen oder einem allgemeinen Kausalsatz reden, in welcher Hinsicht er gewisse Nachfolger in allerletzter Zeit bekommen hat, sondern nur von der Regelmäßigkeit oder den Regelmäßigkeiten der Sukzession der Erscheinungen. Fragt man nach der philosophischen Begründung dieser letzten unbestimmten Behauptung, so ist keine zu finden, denn jener Positivismus COMTEs kennt keine Logik oder Erkenntnistheorie. Höchst wahrscheinlich beruth sie für COMTE einfach auf der bisherigen Erfahrung der Menschen, auf einer Anhäufung von zahlreichen einzelnen Erlebnissen. Sie ist vielleicht die "allgemeinste Tatsache", da wir es nach COMTE nur mit Tatsachen zu tun haben und das Gravitationsgesetz nichts anderes als eine "allgemeine Tatsache" ist. Was COMTE unter dem Begriff  Tatsache, Phänomen  oder  Erscheinung  verstanden hat, ist höchst unsicher.
    46) Die Methode, welche MACH einschlägt (vgl. Wärmelehre, Kapitel über Kausalität), um den Wert dieses Begriffs zu prüfen, scheint uns von vornherein verfehlt. Die Frage kann nicht durch eine psychologische Untersuchung über die Entstehungsart desselben entschieden werden. Denn es handelt sich nicht um die Frage, wie und wann der gewöhnliche Mensch die Kausalvorstellung anwendet, sondern um den Sinn und die Bedeutung einer  wissenschaftlichen  Erklärung des Geschehens.
    47) MILL, Logik, III, Kap. 5
    48) Das Streben und die Hoffnung seitens gewisser Anhänger "der reinen Erfahrung", die Schwierigkeiten, etwa die Unbestimmtheiten (!) in schon längst feststehenden und bedeutungsvollen philosophischen Begriffen, z. B. im Kausalbegriff, dadurch zu beseitigen, daß man diese Begriffe in eine höhere Sprache der leeren Buchstaben übersetzt, erscheint uns ganz naiver Art.
    49) Die verschiedenen algebraischen Formeln werden einfach aufgestellt ohne jeden Nachweis ihrer Notwendigkeit oder Brauchbarkeit, ohne einen Beweis, daß die Natur sich so schematisch darstellen läßt. Vgl. Wärmelehre, Seite 45. In der letzten Schrift sagt MACH, es sei gleichgültig, in welcher Weise das Abhängigkeitsverhältnis der Erscheinungen ausgedrückt wird. Dies mag vielleicht in Bezug auf den allgemeinen Abhängigkeitsbegriff oder die mathematische Funktionsbeziehung der Fall sein, kann aber nicht für das Kausalverhältnis zugegeben werden. Aus den Erörterungen MACHs geht es klar hervor, daß sein allgemeines Abhängigkeitsprinzip viel leerer und bedeutungsärmer ist, als das Kausalprinzip. Alle Kausalverhältnisse sind gewiß gegenseitige Abhängigkeitsbeziehunen der betreffenden Erscheinungen, aber nicht umgekehrt sind  alle  Abhängigkeitsverhältnisse eo ipso [schlechthin - wp] Kausalbeziehungen. Das Abhängigkeitsprinzip MACHs geht allgemein auf die "Ergänzung von Tatsachen in Gedanken" und bezieht sich daher auf  alle gegenseitigen Verhältnisse der Erscheinungen überhaupt,  es behauptet die allgemeine Gesetzmäßigkeit von allem, während das Kausalprinzip, als Prinzip der Regelung des Geschehens, allein mit der Verknüpfung von  Veränderungen  zu tun hat. Daraus ergibt sich die Notwendigkeit einer weiteren Differenzierung dieses letzteren Verhältnisses durch die Hinzufügung besonderer Kriterien.
    50) MACH, Mechanik, Seite 455
    51) MACH, Mechanik, Seite 456. Dies hat schon der oben genannte GLANVIL gewußt, indem er sagte: "the causality itself is insensible", Seite 166. - - - Ferner ist gegen MACH zu bemerken, daß die HUME'schen und kantischen Ansichten über den Kausalbegriff und die Art und Weise seiner Anwendung nicht in jeder Beziehung so radikal entgegengesetzt sind, wie es nach seiner Darstellung erscheinen könnte. Ebensowenig wie HUME war KANT der Meinung, daß wir, falls die Wahrnehmungen selbst nicht eine gewisse Regelmäßigkeit unter sich zeigen, jemals zur Aufstellung, geschweige denn zur Anwendung des Begriffs der Verursachung gelangen können. Es ist durchaus falsch, zu sagen: "Der angeborene (!) Verstandesbegriff erscheint KANT sozusagen als Postulat, um das tatsächliche Bestehen der Kausalitätsurteile psychologisch zu verstehen" (Wärmelehre, Seite 433). Denn erstens hat KANT nie an das Angeborensein irgendeines Begriffs geglaubt - MACH scheint hierin den herkömmlichen Irrtum zu teilen, indem er das kantische a priori psychologisch, statt erkenntnistheoretisch versteht -, und zweitens hat KANT niemals versucht, eine psychologische Erklärung jener Urteile zu geben. Vielmehr kam es für ihn darauf an, die Berechtigung des Begriffs der notwendigen Verknüpfung der Veränderungen (das Kausalprinzip) für die Erfahrung im Sinne eines Systems von zusammenhängenden Erkenntnissen nachzuweisen. Der Behauptung MACHs, daß es sich nicht um einen angeborenen, sondern einen durch die Erfahrung selbst entwickelten Begriff handelt", könnte und würde KANT auch zum Teil beistimmen, ohne die  Apriorität des Kausalbegriffs  damit aufgeben zu müssen. Richtig sagt MACH: "KANT schwebt augenscheinlich als Ideal das Verhältnis von Erkenntnisgrund und Folge vor" (Wärmelehre, Seite 433). Und indem er selbst sagt, es empfehle sich, "die begrifflichen Bestimmungselemente einer Tatsache als abhängig voneinaner anzusehen, ganz in demselben Sinn, wie dies der Mathematiker, etwa der Geometer, tut" (ebd. Seite 433), ferner indem er der Meinung ist, daß ohne die Voraussetzung nach ihm gleichbedeutend mit dem Kausalprinzip ist, worauf wiederum dann die Möglichkeit von Naturgesetzen beruth (Mechanik, zweite Auflage, Seite 473), die Beschreibung selbst keinen Sinn hätte, so ist er nicht sehr weit vom kantischen Gesichtspunkg entfernt, ohne, wie sich es scheint, dieser Annäherung an einen von ihm ganz mißverstandenen Denker bewußt zu sein. Denn was bedeutet diese Abhängigkeit der Erscheinungen, wovon MACH spricht, und die von ihm empfohlene Behandlungsweise anderes, als die Möglichkeit und Zweckmäßigkeit, die Tatsachen in gewisse Denkschemata einzuordnen? - Nur in Bezug auf den Grund und die Berechtigung der Überzeugung von dieser Abhängigkeit würde zwischen MACHs und KANTs Ansichten ein prinzipieller Unterschied zu konstatieren sein. MACHs Abhängigkeitsprinzip macht keinen Anspruch auf Notwendigkeit oder Allgemeingültigkeit (siehe "Analyse der Empfindungen", zweite Auflage, Seite 225); es hängt nach ihm mit der "Ökonomie des Denkens" zusammen, aber  wie  hat er nicht gezeigt, noch daß eine wissenschaftliche Erfahrung ohne sein und an und für sich ein nichtssagendes Prinzip der Ökonomie nicht möglich wäre. Von einer Ableitung seiner ökonomischen Methoden oder Prinzipien (!!) der Kontinuität und Differenzierung aus dem letzteren Prinzip (!!) kann ebensowenig die Rede sein. Wenn er aber glaubt, daß diese zwei Prinzipien (!) das Kausalprinzip zu ersetzen vermögen oder irgendwie gleichbedeutend mit ihm sind, so begeht er ein einfaches  hysteron proteron  [das Spätere früher - wp]; denn diese Methoden schweben in der Luft ohne die Voraussetzung des allgemeinen Grundsatzes der Kausalität, gerade wie die MILLschen Methoden der Übereinstimmung und Differenz ohne dieselbe Voraussetzung keinen Sinn haben. - Im übrigen scheint es mir, daß mit den Ausdrücken "Ökonomie der Wissenschaft" und "ökonomische Methode", so oft sie auch wiederholt werden, absolut keine Aufklärung über die Aufgabe und die Verfahrensweise der Wissenschaft gegeben wird. Was vom wissenschaftlichen Standpunkt aus als etwas ganz Sekundäres aufzufassen ist, da es aus dem rationalen Charakter der wissenschaftlichen Methodik folgt, wird fälschlich von MACH als das Ziel oder der Zweck selbst betrachtet. Das letztere ist nicht praktischer, sondern theoretischer Natur. Darf man überhaupt von der Ökonomie der Wissenschaft reden, so ist diese eine Folge ihrer einheitlichen systematischen Durchdringung der gegebenen Realität, worin die Forschung ihre Aufgabe findet. Nur insofern die Methoden der Wissenschaft rationaler Natur sind, können sie auch zugleich ökonomisch sein. Ohne auf diese Frage näher einzugehen, möchte ich darauf aufmerksam machen, daß schon KANT die Möglichkeit, die Maxime der Einfachheit und Kontinuität als bloße "ökonomische Handgriffe" der Forschung, "um sich soviel als möglich Mühe zu ersparen", aufzufassen, in Betracht gezogen und, wie ich glaube, mit Recht abgelehnt hat (Kr. d. r. V., Anhang zur transzendentalen Dialektik, Seite 441, Werke III, zweite Ausgabe HARTENSTEIN).